SONDERHEFT Grundlagen & Experimente

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www.make-magazin.de c KREATIV MIT TECHNIK SONDERHEFT Grundlagen & Experimente ENERGIE Unabhängig vom Netz Strom selbst erzeugen Aus Fahrradteilen: Windrad, Heimtrainer-Generator, Hubspeicherkraftwerk Einfach: Solar-Motor selbst 3D-drucken Heiß: Dampfmaschine aus Milchdose Projekte Genial: Piezo-Minikraftwerk WLAN-Steckdosen hacken Praktisch: Smartmeter mit ESP32 Heizungsüberwachung mit Pi Know-how Was Akkus wirklich können Übersicht: Spannungswandler Alternative Energie nutzen Perpetuum mobiles

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K R E A T I V M I T T E C H N I K

SONDERHEFT Grundlagen & ExperimenteENERGIE

Unabhängig vom Netz

Strom selbst erzeugenAus Fahrradteilen: Windrad, Heimtrainer-Generator, Hubspeicherkraftwerk

Einfach: Solar-Motorselbst 3D-drucken

Heiß: Dampfmaschineaus Milchdose

Projekte◗ Genial: Piezo-Minikraftwerk◗ WLAN-Steckdosen hacken◗ Praktisch: Smartmeter mit ESP32◗ Heizungsüberwachung mit Pi

Know-how◗ Was Akkus wirklich können◗ Übersicht: Spannungswandler◗ Alternative Energie nutzen◗ Perpetuum mobiles

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Alle brauchen Energie und wenn es geht, möglichst erneuerbareEnergie. In unserem Sonderheft „Energie“ erklären wir Ihnen, welcheEnergieformen und -quellen es gibt, welche davon erneuerbar sindund wie man sie in der Praxis nutzt, in Strom oder Wärmeumwandelt, speichert, überwacht, misst und verwaltet. Dabei haben wir uns auf kleine, experimentelle Projekte konzentriert, die das grundsätzlich Machbare demonstrieren und sich mitvergleichsweise geringem finanziellen Aufwand von Makern privatumsetzen lassen. Denn sobald es eine Nummer größer sein soll,stößt man bei der praktischen Nutzung auf größere Hindernisse.

Selbst für den Aufbau und Betrieb einer kleinen Windkraftanlage imeigenen Garten benötigt man etwa ein Lärmschutzgutachen,Umweltverträglichkeitsprüfungen und eine Baugenehmigung, was mit Mühe und einigen Kosten verbunden ist. Die Nutzung derSonnenenergie für Photovoltaik und Solarthermie ist, will man esrichtig machen, wegen der benötigten Komponenten ebenfallsfinanziell aufwendig – und oft geht die Anlage nach etlichenBetriebsjahren genau dann kaputt, wenn sie die Rentabilitätszoneerreicht hat. Mit unserem Windradprojekt aus Fahrradteilen aufSeite 30 kommen Sie zwar nicht mit dem Gesetzt in Konflikt, dafür liefert es aber auch nur weniger als 1 Watt.

Eine andere Energiequelle lässt sich aber leicht, immer,unkompliziert und effektiv nutzen: der Mensch. Als Antriebsquellefür unseren Heimtrainer-Generator auf Seite 24 liefert er je nachTrainingszustand bis zu hundert Watt – und alles ohneBaugenehmigung, hohe Investitionen, anfällige Technik oderWetter-, Zeit- und Ortsabhängigkeiten. Und weil der Mensch nichtnur Antrieb, sondern auch Speicher ist, hat man diese Energieimmer dabei. Übrigens lässt sich dieses innovative Konzept auch im Alltag nutzen: Zum Bäcker laufen oder selber radeln, statt sichvom E-Pedelec oder dem Hybrid-Auto fahren zu lassen.

Daniel Bachfeld

Make: Sonderheft 2018 | 3

Energy to go

Editorial

Modell einer Mitochondrie, die inKörperzellen Energie in Form von ATP(Adenosintriphosphat) produziert.

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Know-howWissen kompakt: Wir zeigen Ihnen, wie SieEnergie effizent speichern (und wie besser nicht),wie Strom auf die Wunschspannung kommt, wie aus Rasenschnitt Wärme wird und warumPerpetuum mobiles stets Schmu sind.

38 Alternative Energie nutzen

64 Übersicht: Spannungswandler

68 Was Akkus wirklich können

1 1 2 Perpetuum mobiles auf der Spur

3 Editorial

6 Energie! Ein Crash-Kurs

24 Heimtrainer-Generator

30 Windrad aus Fahrradteilen

34 Wissenswertes zu Klein-Windkraftanlagen

38 Alternative Energie nutzen

46 Piezo-Mini-Kraftwerk

50 Solar-Motor selbst 3D-drucken

56 Selbstversorger-Projekte

60 Strom aus Urin

64 Übersicht: Spannungswandler

Inhalt

Strom selbsterzeugenOb durch Wind, Muskelkraft oder rein durch die Gravitationangetrieben – unsere drei Projekte zur Stromerzeugungarbeiten völlig emissionsfrei. Der Clou: Für alle kommenFahrradteile zum Einsatz – gerne auch aus ausgemustertenDrahteseln. Das ist zusätzlich nachhaltig und schontobendrein den Geldbeutel.

24 Heimtrainer-Generator

30 Windrad aus Fahrradteilen

92 Hubspeicherkraftwerk

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68 Was Akkus wirklich können

76 Smartmeter mit ESP32

80 WLAN-Steckdosen hacken

86 Heizungsüberwachung mit Pi

92 Hubspeicherkraftwerk aus Fahrradteilen

96 Steampunk mit Volldampf: Raphaelius Alva Grußer

104 Heronsball: Dampfmaschine aus Milchdose

112 Perpetuum mobiles auf der Spur

116 Kommentar: YouTube-Scharlatane entlarven

118 Rückschau: Noch mehr Energie in Make

122 Impressum/Nachgefragt

ProjekteMessen Sie Ihren Energieverbrauch mit demESP32, überwachen Sie die Heizung mit demRaspi und befreien Sie Billig-WLAN-Steckdosenaus der Cloud. Der Piezo-Tower schließlich ziehtStrom aus Erschütterungen.

46 Piezo-Mini-Kraftwerk

76 Smartmeter mit ESP32

80 WLAN-Steckdosen hacken

86 Heizungsüberwachung mit Pi

VolldampfRaphaelius Alva Grußer ist Steampunk imWortsinn: Seine sonderbaren Maschinen laufentatsächlich mit Dampfkraft. Wir haben eineZeitreise unternommen, den Autodidakten inseiner Erfinderwerkstatt besucht – und ihn gleichum eine Bauanleitung gebeten.

96 Steampunk mit Volldampf:Raphaelius Alva Grußer

104 Heronsball: Die Dampfmaschineaus der Milchdose

Solar-MotorEin Solar-Motor in waagerechter Form wird auchMendocino-Motor genannt – klingt ja auch schön nachSonne. Das faszinierende Stück Technik ist nach zweiStunden fertig – dank Teilen aus dem 3D-Drucker.

50 Mendocino-Motor

Themen von der Titelseite sind rot gesetzt.

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Know-how

Energie! Ein Crash-KursEs ist gleichermaßen eines der drängenden Themen des 21. Jahrhunderts als auchdie Grundfrage für fast jedes Maker-Projekt: Wie versorge ich’s mit Energie - ob esjetzt ein Roboter auf Raspi-Basis, eine Raumstation oder eine Weltwirtschaft ist.Hier werden wir mal grundsätzlich: Wo kommt die Energie her, wo geht sie hin undwie wandelt man sie um, ohne dass zu viel verloren oder schief geht? Wir bringenLicht ins Dunkel.

von Dieter Hoffmann

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In der Arzneimittelwerbung ist es ganz ein-fach: Ein Knopfdruck genügt – und zack! ist

Energie bereitgestellt für Körper und Geist.Toll, wenn das in der Technikwelt von unsMakern auch so einfach wäre! Ist es abernicht – aber warum eigentlich?

Vielleicht können SIe sich noch dunkel er-innern, dass in der Schule Energie definiertwurde als „Kraft oder Fähigkeit, Arbeit zu ver-richten“. Das ist eine recht anschauliche Vor-stellung, die uns in Verbindung mit der Zeitals Größe erlaubt, sehr viele physikalische,chemische und biologische Phänomene ein-fach zu beschreiben, zu berechnen und zuverstehen.

Der Begriff Energie ist recht facettenreich,finden wir ihn nicht nur in den Naturwissen-schaften, sondern auch angewandt unter psy-chologischen, theologischen und esoteri-schen Aspekten, um beispielsweise innerenAntrieb, Aura, Chakra, körperliche Vitalitätoder gar göttliches Tun zu beschreiben. Dasmag jetzt erst mal in eine seltsame Richtungzu gehen, führt aber zurück auf die Ursprüngeder Vorstellung von Energie: Das Wort Energieist abgeleitet aus dem Altgriechischen undbedeutet „Wirken von innen“. Aristoteles ver-stand darunter die „Wirkkraft, durch die dasMögliche in Seiendes übergeht“.

In der naturwissenschaftlichen Literaturtaucht der Begriff Energie als fundamentalephysikalische Größe erstmals um 1800 auf,durch Thomas Young – das ist der Typ, derdie Wellennatur des Lichts mittels Interfe-renzversuchen am Doppelspalt entdeckt hat.1905 hat dann Superbrain Albert Einsteinetwas für Normalos Unbegreifliches erkannt,nämlich dass Energie in Masse umgewandeltwerden kann und umgekehrt. Das kann unseinfache Maker aber auch fast egal sein,denn eine Kernspaltung ist nichts für denHobbykeller.

Energieerhaltung

Uns reicht in der Praxis meist schon jene wich-tige Erkenntnis der Wissenschaft, dass die Ge-samtenergie eines Systems weder vermehrtnoch vermindert werden kann – der bekannteEnergieerhaltungssatz, der auf Robert Mayerund James Prescott Joule zurückgeht.

Sicher wissen Sie bereits, dass verschie -dene Energieformen eine Umwandlung in andere Energievarianten erfahren können –auch dann gilt jener Satz. Daher sind geläufi-ge Ausdrücke wie „Energiegewinnung“ oder„Energieverlust“ eigentlich physikalisch be-trachtet totaler Unsinn: nichts geht verloren,nichts wird gewonnen. Wenn jemand bei-spielsweise seinem Automotor so viel chemi-sche Energie in Form von Benzin gibt, dassder 2,5ˇTonnen schwere SUV mit einemselbst drinnen auf 180ˇKilometer/Stunde be-schleunigt wird und dann eine Gartenmauer

im Wege steht, wird beim Aufprall die ge-samte Bewegungsenergie restlos umgesetztin andere Energien: Scheibenbremsen wer-den heiß und abradiert, Mauersteine zerbrö-selt und wegbeschleunigt, lautes Scheppernakustisch abgestrahlt, der Airbag gezündet,mechanische Verformungsenergie wird anAutoblech, Frontglasscheibe sowie am Fah-rer sehr hässliche Spuren hinterlassen, Klima-anlagen- und Benzinleitungen werden bre-chen, elektrische Kurzschlüsse Funken erzeu-gen, die austretendes Benzin entzünden.

Willkommen beim Crash-Kurs: Natürlichstellt sich da die Frage: Mit welchem Energie-betrag krachte das Autogeschoss gegen dieMauer? Keine Panik, es ist ganz einfach,wenn man sich zuvor klarmacht, wie Energieeigentlich gemessen wird.

Alles ist Joule

Die Einheit der Energie wurde nach dem be-reits eben erwähnten James Prescott Joulebenannt. Die verschiedensten Energiefor-men (sieht man mal von der sprirituellenund auch der kriminellen Energie ab) lassensich über diese physikalische Einheit aufeinen Nenner bringen – ob es sich um denEnergiegehalt eines Dinkelbrots oder die Be-wegungsenergie eines Geschosses handelt,die entscheidet, ob eine Kartoffelkanoneunter das Waffengesetz fällt oder nicht.

Die Einheit Joule ist aus den SI-Basisein-heiten (Système International d’Unités) ab-geleitet. 1ˇJoule [J] = 1ˇWattsekunde [Ws] =1ˇVoltAmpèreSekunde [VAs] = 1ˇNewton -meter [Nm] = 1ˇkgˇ·ˇm2/s2.Um in größeren Dimensionen leichter rech-nen zu können, hat man Multiplikationsfak-toren für die Energiemengen (Kilo k, Mega Metc.) und für die Zeit eingeführt (Stunde h,Jahr a). So gilt unter anderem nach der Defi-nition oben: 3,6ˇMegajoule (MJ) = 1ˇKilowatt-stunde (kWh).

Die Energie ist dabei der gleichzusetzenphysikalischen Arbeit. Wagen wir einen Ver-gleich:

Hätte Eva im gezeigten Gemälde vonLucas Cranach dem Älteren 1 den (ge-schätzt) 102ˇGramm schweren Apfel vomBoden auf 1,50ˇMeter hochgehoben, dannhätte sie eine Hubarbeit von 1,5ˇJoule ver-richtet. Der Apfel in 1,50 Meter Höhe hat nunin Bezug auf den Erdboden eine potenzielle

Energie von 1,5ˇJoule, denn die Formel zurBerechnung der potenziellen Energie lautet:

Epot = mˇ·ˇgˇ·ˇh [Nm]

mit h: Höhe in Meter (1,5ˇm), g: Erdbeschleu-nigung (9,81ˇm2/s2) sowie m: Masse des Ap-fels in Kilogramm (0,102ˇkg).

Lässt Eva den Apfel fallen, wird er beschleu-nigt und hat beim Auftreffen am Erdbodeneine Bewegungsenergie von 1,5 Joule. DennEpot ist in den gleichen Betrag Ekin umgewandeltworden (nach dem Energieerhaltungssatz).Die kinetische Energie berechnet sich so:

Ekin = 1/2ˇ·ˇmˇ·ˇv2 [kg m2/s2]

mit m: Masse in Kilogramm und v: Geschwin-digkeit in Meter pro Sekunde.

Mit dieser Formel kann man auch berech-nen, mit welcher Energie das oben erwähnteAutogeschoss in die Mauer gedonnert ist:m = 2500ˇkg, v = 180ˇkm/h = 50ˇm/s, Ekin =3.125.000ˇJoule – also 3,125ˇMegajoule. Natürlich lässt sich auch die Geschwindigkeitberechnen, mit der Apfel aufschlägt: v =5,42ˇm/s.

Vielfach findet man besonders auf Le-bensmittelverpackungen noch die Einheit

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Know-how

Alles zum Artikel im Web untermake-magazin.de/x7c5

Kurzinfo»Wo unsere Energie herkommt»Wie Energie umgewandelt wird

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Ohne Sonnenenergie läuft bei uns garnichts. Dieser simple Satz ist ebenso banalwie richtig. Keine Sonne, keine Energie, keinLeben. Wir sind uns im Alltag nur meist garnicht bewusst, was wir alles der Sonne zuverdanken haben.

Ohne Sonne gibt es kein Wetter, keineKlimazonen. Im Prinzip ist alles ganz ein-fach: Das Land kann die Wärmestrahlungviel besser aufnehmen als die See und er-wärmt die darüberliegende Luft. Diese hateine geringere Dichte (Tiefdruckgebiet),steigt auf und kann Wasserdampf viel bes-ser aufnehmen als kalte Luft.

In der Höhe kühlt sich das Ganze ab, derWasserdampf kondensiert, bildet Wolkenund es regnet. Die abgekühlte trockene Luftist dichter und sinkt ab. Das geht aber nichtan gleicher Stelle, da neue warme Luft vonunten nachdrängt. Also fließt sie irgendwoseitlich in die Tiefe, erwärmt sich dabei undwird noch trockener (Hochdruckgebiet mitviel Sonnenschein).

Der gesamte Vorgang kann in den Tro-pen sehr heftig ausfallen, sodass nicht nurtägliche starke Gewitter durch Ladungs-trennung der aneinander vorbeirasendenLuftmoleküle entstehen können. Bei sehrgroßflächigen Ereignissen über warmen Pa-zifik- und Atlantik-Gewässern können unterdem Einfluss des Coriolis-Effekts Drehbewe-gungen einsetzen, die sich zu riesigen Wir-belstürmen ausweiten – sie drehen sich aufder Nordhalbkugel deshalb meist gegenund auf der Südhalbkugel im Uhrzeigersinn.Je nach Region heißen sie Taifun, Hurrikan,Zyklon oder Tornado 2.

Wie stabil und energiereich solche Luft-wirbel sein können, können Sie selbst aus-probieren. Nehmen Sie einen 10-Liter-Plas-tikeimer und schmelzen Sie mit einem Löt-kolben ein rundes Loch von circa 10ˇcmDurchmesser in den Boden. Dann spannenSie eine kräftige Plastikfolie oder -tüte überdie Eimeröffnung und kleben mit Panzer -

tape die Folie wie ein Trommelfell fest. In 3 bis 4ˇMeter Entfernung stellen Sie einebrennende Kerze auf, richten das Eimerlochin Richtung Kerze aus und schlagen mit derflachen Hand kurz auf das Trommelfell.Siehe da – die Kerzenflamme wird ausge-schossen! Ein stabiler Ringwirbel ist ent-standen, der genügend Energie hat, dieFlamme auszublasen. Wie man solche Wir-bel mit einer elektrischen Zahnbürste undeinem Laser sichtbar macht, stand übrigensin Make 3/14 ab Seite 78 3.

Windkraft

Die Sonnenwärme ist die treibende Krafthinter den weltweiten Winden, die sichgrob gesehen in sechs großen Hoch/Tief-druckbereichen (Zellen) bewegen, die vonder polaren Zirkulation bis zur äquatorialen-Tiefdruckrinne reichen 4. Jahreszeitliche

Verschiebungen, das Auftreten von Verwir-belungen inklusive des Einflusses des Corio-lis-Effekts gestalten die Windsysteme sehrdynamisch.

Die Coriolis-Kraft ist eigentlich eineScheinkraft. Der Effekt entsteht dadurch,dass sich die Erde unter den Luftmassen amÄquator viel schneller weiterdreht als in polaren Zonen. Wegen des rotierenden Bezugssystems scheinen die Luftmassenoberhalb und unterhalb des Äquators nichtgerade zum Äquator zurückzufließen, son-dern schräg: So entsteht der Nordost- undSüdostpassat. Diese Winde hat der Menschzu nutzen verstanden, um auf primitivstenSegelbooten aus Schilfrohren oder Holz dieWelt zu erobern. Aber auch die Kräfte vonWinden an Land konnten findige Handwer-ker in den Griff bekommen, um beispiels-weise Getreide zu mahlen oder Wasser ausder Tiefe hochzuschöpfen.

Kalorie, dabei gilt: 1ˇcal = 4,186ˇJoule. WennSie beispielsweise 100ˇml Cherry Cola trin-ken, nehmen Sie eine Energiemenge von42ˇKilokalorien, also rund 175.000ˇJoule zusich. Da müssen Sie schon ganz schön vieleÄpfel aufheben, um diese Energiemengewieder abzuarbeiten! Wer die genaue Zahlim Kopf ausrechnet, kann sich einige Äpfelsparen, denn Denken verbraucht auch eineMenge Energie. Dieser Gedanke gibt auchschon einen Hinweis darauf, wie die schein-bare Diskrepanz zustande kommt, rechnetman spaßeshalber die Aufprallenergie desSUV in Cherry Cola um – und kommt nur auf

rund 1,8ˇLiter! man muss wissen, dass in che-mischen Stoffen unglaubliche Energiemen-gen versteckt sein können und dass dermenschliche Körper den hohen Energiebe-darf von rund 12.000 kJ täglich hat (Grund-umsatz plus Aktivitäten): Einfach nur dafür,seine Temperatur, die Muskelaktivitäten, denKreislauf und den Stoffwechsel aufrecht zuerhalten – und zu denken! Für alles zusam-men ist eine Leistung von rund 140 Wattnötig – so viel, wie Ihr Flachbildschirmfern -seher aufnimmt. Apropros Leistung: Die istnicht mit der Energie zu verwechseln, son-dern Leistung ist die in einer bestimmten

Zeit verrichtete Arbeit. Leistung ist Energiegeteilt durch die Zeit und hat die nach JamesWatt benannte Einheit Watt. In Ihrer Strom-rechnung bezahlen Sie nicht die LeistungIhrer Geräte in Kilowatt, sondern die damit in einer bestimmten Zeit geleistete Arbeit,etwa in Kilowattstunden [kWh].

Im Folgenden wollen wir ein wenig Hin-tergrundwissen rund um die Energie vermit-teln, aber vor allem auch praktische oder zumindest inspirierende Anregungen für Sieals Maker geben. Doch zuvor gehen wir der Frage auf den Grund, wo die Energie aufder Erde eigentlich herkommt.

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Know-how

Die Sonne als wichtigste Energiequelle

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Know-how

Wasserkraft

Die letztlich durch die Sonnenenergie ver-dunsteten und in der Luft transportiertenWassermassen sind gigantisch. Als Schnee,Regen oder Tau kommen sie wieder herun-ter und speisen die Quellen unserer Flüssehoch oben in den Gebirgen in den Glet-scherregionen. Das Energiepotenzial ergibtsich aus der Höhendifferenz auf dem Wegzum Meer. Die Erdanziehung sorgt dafür,dass die potenzielle Lageenergie des Was-sers auf dem Weg nach unten umgesetztwird in kinetische Energie des sich bewe-genden Wassers. Allein in Köln fließt jedenTag im Rhein bei 4ˇMeter Wasserstand dieunvorstellbare Zahl von 230ˇMilliarden LiterWasser vorbei.

Um die darin enthaltenen Kräfte zu nut-zen, sind in der Menschheitsgeschichte Wasserräder in verschiedensten Variantenentwickelt worden. In Griechenland im4./3.  Jahrhundert v.ˇChr. erfunden, dientenWasserräder anfänglich wohl nur zumSchöpfen von Wasser; später dann, um übermechanische Kraftübertragung Öl- oder Getreidemühlen, Hammerschmieden oderSägewerke anzutreiben. Zweck der heutigenWasserkraftanlagen ist es einzig und allein,möglichst effizient Strom zu erzeugen. Dieverschiedenen Turbinen-Typen sind ent-sprechend der örtlichen Verhältnisse einge-setzt – so findet man etwa im Walchensee-Kraftwerk mit seinen 200ˇMetern Fallhöhe5 und der hohen Wassergeschwindigkeitvier Francis-Turbinen und zwei Pelton-Turbi-nen 6.

Die größten Flusskraftwerke (auch Lauf-wasserkraftwerke genannt) liegen in Deutsch -land an Rhein (etwa in Iffezheim) Mosel,Donau, Iller, Lech, Isar und Inn. Alle deut-schen Laufwasserkraftwerke erbringen zu-sammen eine Leistung von etwa 2,6ˇGW(1ˇGW = 109ˇW). Dies entspricht knapp derLeistung von vier großen Kohlekraftwerken(je 0,7ˇGW).

Weltweit haben die Kämpfe um Wasserals das wichtigste Lebensmittel sowie alsWasserkraft und Machtdruckmittel längst be-gonnen. Den Euphrat beherrscht die Türkeimit 21 Staustufen, der Blaue Nil ist Konflikt-stoff Nr.ˇ1 zwischen Sudan und Äthiopien,des Jordans Quellgebiete, die Golanhöhen,sind von Israelis besetzt, China denkt überdie Umleitung des Brahmaputra nach, Meer-wasserentsalzungsanlagen über Umkehros-mose werden nicht nur im arabischen Raumim großen Stil vorangetrieben.

Erosion

Das Wasser, das die Sonne hochgeschaffthat, kann auf dem Weg nach unten beson-ders in den Gebirgsregionen enorme zerstö-

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rerische Kräfte entwickeln. Dies haben dieSchlammlawinen und Murenabgänge derletzten Zeit gezeigt. Ganze Gebirge sind imLaufe der Jahrmillionen partiell abgetragen,eingesägt oder ausgehöhlt worden – undmachen den landschaftlichen Reiz etwa derwunderschönen Alpenregionen der Dolomi-ten 7, des Elb-Tales und des Grand Canyonaus. Leider lässt die Verschiebung der Perma-frostgrenze in allen Hochgebirgen vermuten,dass die Erosion mit katastrophalen Folgenfür die dort lebenden Menschen stark zuneh-men wird. Nutzen lässt sich die Erosions -energie zudem auch praktisch gar nicht.

Meeresströmungen

Genauso wie die Sonnenaktivität für die Luft-strömungen verantwortlich ist, ist sie es auch

für die großen Meeresströmungen. An derOberfläche erwärmtes Wasser fließt wie aufschleifenartigen Transportbändern, trans-portiert Wärme bis in polare Regionen, kühltdabei ab, sinkt in die Tiefe und fließt amMeeresboden zurück. Nordeuropa profitiertso zum Beispiel vom warmen Strom aus demGolf von Mexiko.

Fotosynthese

Die Aktivität der Sonne hat auf der Erdeetwas hinterlassen, das andere Lebewesenvor dem Homo sapiens nicht zu nutzen ver-standen: Wertvolle energiereiche Boden-schätze hat der Mensch auf und im Innerender Erde gefunden, die durch die Fotosyn-these im Laufe von Hunderten MillionenJahren Evolution gebildet wurden 8.

Chemisch gesehen ist der Fotosynthesepro-zess genial einfach und dennoch bis heutenicht synthetisch im Labor nachzuvollzie-hen 9. Stark vereinfacht werden in denChlorophyll-haltigen grünen Blättern ausWasser und Kohlendioxid-Gas mit Hilfe desSonnenlichts energiereicher Zucker undSauerstoff-Gas gebildet. Dabei wird nichtCO2 in Sauerstoff umgewandelt, sondernder freigesetzte Sauerstoff stammt aus-schließlich aus dem Wasser.

12ˇH2O + 6ˇCO2 + Lichtenergie→ C6H12O6 + 6ˇO2↑ + 6ˇH2O

Energieaufwand:2880 kJ für 180 g Zucker

Dieser Zucker ist die stoffliche und energeti-sche Grundlage für alle weiteren Stoffwech-

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Know-how

Glücklicherweise ist die Sonne ein sehr si-cherer Energiespender, denn dieser riesigeKernfusionsreaktor wird noch circa fünfMilliarden Jahre brennen. Zur Zeit besteht

die Sonne aus 73 Prozent Wasserstoffund rund 25 Prozent Helium mit zu-

nehmender Tendenz, da in giganti-schem Ausmaß vier Wasserstoff-

kerne (Protonen) zu einem Heli-umkern fusionieren – stark ver-

einfacht betrachtet. DieReaktionsbedingungen sindkrass: Temperatur 15 Millio-nen Kelvin, Druck 1016 Pas-cal, Dichte 160ˇg/cm3, Ge-schwindigkeit der Proto-nen 1000ˇkm/s bis zumCrash.

In einer Sekunde ver-schmelzen 567ˇMillionenTonnen Wasserstoff zu562,8ˇMillionen Tonnen

Helium. Und wo bleibt derRest? Der beträgt immerhin

4,2ˇMillionen Tonnen Materiepro Sekunde, auch als Massen-

defekt bezeichnet.

Wie eingangs schon erwähnt, hatAlbert Einstein richtig erkannt, dass

Materie in Energie umgewandeltwerden kann und umgekehrt – und

das in seiner berühmten Formel be-schrieben:

E = m · c2

mit m = Masse und c = Lichtgeschwindig-keit = 300.000.000ˇm/s

Wenden wir Einsteins Formel doch ein-fach mal an! Die Sonne wird durch denMassendefekt in jeder Sekunde um4,2 Millionen Tonnen leichter, die alsStrahlungsenergie an das Weltall abge -geben werden – macht pro Sekunde 3,78 . 1026 Joule!

Die Erdoberfläche bekommt auch einenTeil davon ab in Form von Wärme undLicht, pro Jahr sind es gigantische3,9 Yottajoule, also 3,9 . 1024 Joule, die inso großer Entfernung noch bei uns an-kommen.

Kurzfristig schwankt die Strahlungsaktivi-tät in einem 11-Jahres-Zyklus, auch abzu-lesen an der Intensität der Sonnenfle-cken. Jedoch ist dieser Zyklus nicht kon-stant – warum, wissen wir nicht. Die großen Kalt- und Warmzeiten der Erdejedenfalls haben damit wohl weniger zu

tun, sie sind eher irdischen Ursprungs. Siehaben nach gängiger Meinung ihre Ursa-chen in der Kontinentalverschiebung,dem Schließen und Öffnen von Meeres-straßen mit drastischer Veränderung desWärmetransports, den Folgen extremerVulkanexplosionen sowie den Einschlä-gen großer Meteoriten.

Der jüngste Erwärmungstrend seit etwa1700 wird heute leider durch menschlicheAktivitäten kräftig verstärkt, etwa durchmassive weltweite Abholzungen und Frei-setzung von klimawirksamen Gasen. Fastsieht es so aus, als könnten wir nur nochdie schlimmsten Folgen abmildern – viel-leicht, denn die Menschheit wächst weiterhin ungebremst.

Die Sonne als Energielieferant

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Page 11: SONDERHEFT Grundlagen & Experimente

selvorgänge wie dem Aufbau von Fettenund Eiweißen. Über die Nahrungskette liefertdie Fotosynthese und damit letztlich auchwieder die Sonne somit die Energie nicht nurfür die biologischen Alternativ-Energie-Um-wandlungsverfahren, wie wir sie ab Seite 38beschreiben, sondern auch für die menschli-che Muskelkraft, die unser tragbarer Pedal-Generator ab Seite 24 anzapft.

Fossile Brennstoffe

In der Natur war diese Chemie im Meer undan Land so erfolgreich, dass riesige Vegeta-tionen entstanden – so viel konnte gar nichtvon Tieren gefressen werden. Im Laufe dermassiven Umwälzungen der Erdgeschichtewurden daraus unter Sedimenten unserefossilen Brennstoffe, wobei Erdgas und Erdölaus Mikroalgen (Phytoplankton) entstanden,die Kohle aus tropischen Wäldern riesigerFarne und Schachtelhalme. Denn vor300 Millionen Jahren befand sich das heutigeRuhrgebiet am Äquator. Äquator? Richtig –es gab ja seitdem die Kontinentalverschie-bung!

Das Wort fossil (von lat. fossilis „[aus]ge-graben“) wurde übrigens schon von Agricola

Make: Sonderheft 2018 | 11

Know-how

Lichtenergie

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Know-how

Der Autor Frank Schätzing verhalf den Me-thanhydraten zu weltweiter Bekanntheit: Inseinem Roman Der Schwarm bauen Bakte-rien Methanhydrat-Eiskristalle ab und löseneinen Unterwasser-Erdrutsch mit nachfol-gendem zerstörerischen Tsunami aus.

Wenn wir einmal die auf der Erde ge-schätzten Kohlenstoffmengen betrachten,so werden wir verblüfft feststellen, dasskeineswegs Kohle oder Erdöl den größtenKohlenstoffanteil stellen, sondern jenesmysteriöse Methanhydrat. Schon um 1930bei der Erdgasförderung entdeckt, wurdees erst 1971 genauer und 1997 vor der US-Küste wissenschaftlich untersucht.

Tatsächlich lagert auf dem tiefen Meeres-boden, am Rande des Kontinentalschelfssowie in Permafrostböden Methangas ingefrorenem Wasser gebunden in großenMengen. Das „brennbare Eis“ ist eine garnicht so seltene Laune der Natur. Es sindsorbetartige Strukturen gefrorener Was-sermoleküle, die wie in einem Käfig in

ihrem Inneren Methangas CH4 über Was-serstoffbrücken-Bindungen gefangenhal-ten. Das Methan stammt aus Regionen imErdmantel, in denen Archaebakterien oderHize5 organisches Material zersetzen – istalso eigentlich Erdgas.

Das brennbare Eis bildet sich bei sehrtiefen Temperaturen von minus 80ˇGradCelsius oder unter sehr hohem Druck inarktischen Gewässern ab 300 MeternWassertiefe, in den Tropen ab 600 Me-tern. Die Dichte des Gases in den Hydra-ten ist sehr hoch: Ein Kubikmeter Me-thanhydrat setzt an der Erdoberfläche160 bis 170 Kubikmeter Methangas frei.Vor allem China und Japan arbeitendaran, diese wertvolle Ressource zu er-schließen, trotz hohen technischen, fi-nanziellen und umweltschädigenden Ri-siken. Die Folgen bei Freisetzung großerMengen des stark klimawirksamen Me-thans aus Permafrostböden sind nichtabzuschätzen – und die tauen durch dieErderwärmung zunehmend auf.

Methanhydrat – nie gehört?

Energiequellen jenseits der SonneEinen sehr kleinen Teil der auf der Erde nach-haltig nutzbaren Wasserkraft stellt die Gravi-tation bereit. Sie bestimmt die Drehung desMondes um die Erde und damit die Gezeitender Weltmeere, sorgt somit für Ebbe und Flutje nach Stellung des Mondes – und ja, auchdie Sonne spielt da wieder mit, aber diesmalausnahmsweise nicht durch ihre Strahlungs-energie, sondern schlicht durch ihre Masse.

Die dabei bewegten Wassermassen kannman für Wasserkraftwerke nutzen – beson-ders dort, wo der Tidenhub sehr groß ist,etwa im französischen Saint Malo. Dortwurde bereits 1960 das Kraftwerk La Rancemit einer Leistung von 240ˇMegawatt er-richtet.

Man muss das Wasser nicht erst bei Flutaufstauen, um dann bei Ebbe die potenzielleEnergie dieser Wassersäule zu nutzen. Mankann die Meeresströmungen an geeignetenOrten auch direkt mit Unterwasserrotorennutzen – so wie das Kraftwerk SeaGen beiStrangford in Nordirland (das Bild 0 zeigteinen Prototypen, hier ist der Rotor zur War-tung aus dem Wasser gezogen). Es wurdeaber nach mehreren Defekten 2016 abge-baut. Insgesamt leisten Gezeitenkraftwerke

bisher nur einen sehr kleinen Beitrag zu un-serer Energieversorgung.

Tiefe Geothermie

Die theoretisch nutzbaren Energievorräte derErde selbst beruhen zum großen Teil auf Kern-energie – ja, das ist kein Druckfehler! Denndiese Energie schlummert in der Erdwärmeund man kann sich das Erdinnere als riesigenzähflüssigen Kernspaltungsreaktor vorstellen,der permanent eine Temperatur von 6000–7000ˇKelvin aufrecht erhält. Das sorgt auch inden äußeren festen Erdschichten für Wärme –schön für geothermische Nutzung.

Vulkanismus lässt uns ab und zu erahnen,welch gewaltigen Kräfte im Feuerball unterder dünnen zerbrechlichen Haut der Konti-nente wirken und jederzeit unsere Zivilisa -tion massiv bedrohen können: Ausbrüchemit Katastrophen wie in Pompeji oder amKrakatau können jederzeit wieder stattfin-den. In den angenehmen warmen ThermenIslands oder Ischias mag man sich kaumdaran erinnern, dass es tief unter uns gefähr-lich brodelt und kocht – besonders in denHotspot-Bruchzonen. B

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eingeführt. Der als Mineraloge bekannteGeorgius Agricola (1494–1555) veröffentlich-te 1546 sein Werk „De natura fossilium“. Dortwerden Stoffe Fossilien genannt, die in geo-logischer Vorzeit aus Abbauprodukten toterPflanzen und Tiere entstanden sind.

Die unterschiedlichen fossilen Energie -träger sind verschieden alt:–ˇErdgas und Erdöl: 100 Millionen bis eine

Milliarde Jahre –ˇMethanhydrat: bis eine Milliarde Jahre–ˇSteinkohle: 100 Millionen bis 500 Millionen

Jahre–ˇBraunkohle: 10 Millionen bis 100 Millionen

Jahre–ˇTorf: einige tausend JahreDer Mensch hat es tatsächlich innerhalb derletzten 200 Jahre geschafft, diese Schätze annicht erneuerbaren Energiequellen so brutalauszubeuten, dass bei den meisten fossilenRohstoffen das Ende der Vorräte abzusehenist – abgesehen von Methanhydrat. Für die chemische und pharmazeutische In-dustrie ist Erdöl nach wie vor ein unwieder-bringlicher Rohstoff für Kunststoffe und Arz-neimittel. Verblüffend: Der Anteil dieses Ein-satzzwecks am Gesamtverbrauch beträgt ak-tuell lediglich 7,5  Prozent! Der Rest wirddurch den Schornstein oder Auspuff gejagt.Traurig, aber wahr.

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Page 13: SONDERHEFT Grundlagen & Experimente

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Know-how

Schon die alten Römer, Osmanen undChinesen verstanden es, thermale Quellenbadetechnisch zu nutzen. Heute haben be-sonders Island, Schweden, China und einigeafrikanische Staaten am ostafrikanischenGrabenbruch die direkte Nutzung der Erd-wärme aus der Tiefe für Fernwärme und in-direkt zur Stromerzeugung ! konsequentausgebaut, wobei Vorreiter Island inzwi-schen 53ˇProzent seines Gesamtverbrauchsan Energie geothermisch gewinnt. 2005waren zur direkten Nutzung von Geothermieweltweit Anlagen mit einer Leistung von27.842ˇMW installiert. Zur Stromerzeugungwurde die Geothermie zum ersten Mal in Larderello in der Toskana eingesetzt. 1913wurde dort ein Kraftwerk erbaut mit wasser-dampfbetriebenen Turbinen von 220ˇkWelektrischer Leistung – bis heute ist die Aus-beute dort auf 750ˇMW elektrische Leistungangewachsen. Unter der Toskana befindetsich das heiße Magma relativdicht an der Oberfläche.Damit ist hydrothermalerHeißdampf mit Temperatu-ren über 150ˇ°C zugänglich,der direkt zum Antrieb einerTurbine genutzt werdenkann. In Deutschland kom-men solch heiße Wärmere-servoire jedoch nicht vor.

Kernspaltung

Während die Wärme im In-neren der Erde nahezu nach-haltig nutzbar wäre, sind dieKernspaltungsbrennstoffe inErdoberflächennnähe, diesich in Atomkraftwerken nut-zen lassen, eine nicht erneu-erbare Quelle – und eine um-

strittene dazu. In Deutschland wurden 2011acht Reaktoren vom Netz genommen undheruntergefahren. Aktuell sind noch siebenAKWs zur Stromerzeugung mit einer Leis-tung von rund 10 Gigawatt in Betrieb. Es sinddie fünf Druckwasserreaktoren Philippsburg,Neckarwestheim, Grohnde, Isar-Ohu undEmsland sowie die zwei Siedewasserreakto-ren Gundremmingen und Brokdorf. Das letz-te AKW soll im Jahr 2022 abgeschaltet wer-den. Der Rückbau wird noch Jahrzehnte dau-ern – und die Endlagerung des radioaktivenMaterials ist nach wie vor ungeklärt.

Deutschlands Weg mit dem stufenweisenKomplettausstieg aus der Kernspaltung nachder Katastrophe von Fukoshima im Jahr 2011hat in der Welt keine Nachahmer gefunden.Im Gegenteil – im Jahr 2016 kamen 9ˇGiga-watt an neu installierter AKW-Leistung hinzu,der stärkste Ausbau seit 25 Jahren. Allein inChina gingen sechs neue AKWs ans Netz. InAsien sind derzeit 128 Reaktoren in Betriebund 39 weitere im Bau.

Die radiochemischen Reaktionen in denKernbrennstäben der beiden Reaktortypensind gleich, die Druckwasserreaktoren habeneinen Wärmeaustauschkreislauf mehr – viel-leicht ein relevanter Sicherheitsaspekt. Dieeigentlichen Kernkettenreaktionen startendurch Beschuss eines Uran235-Kerns mit lang-samen Neutronen. Dies führt zur Spaltung inzwei ungleiche Bruchstücke (etwa Barium142

und Krypton91) unter Freisetzung von zweioder drei schnellen Neutronen, von Gamma-strahlung und rund 200ˇMeV Energie in Formvon Wärme ".

Die schnellen Neutronen können aberkeine weitere Reaktion beim Crash miteinem Uran235-Kern auslösen, sie müssen erstabgebremst werden. Dieser Umstand er-möglicht es, den Ablauf zu steuern, dennsonst würden unkontrollierte Kettenreaktio-nen einsetzen wie bei einer Atombombe

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