Sonderthema: Professionell Beraten und Verkaufen

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Klassischer Produktverkäufer alter Prägung oder moderner Allroundberater – der Mangel an Profis! Die Anforderungen an Berater in der Finanzdienstleistung sind ernorm gewachsen. Der moderne Verkäufer muss heutzutage ein Multitalent sein. Er soll • Interessenten akquirieren, • telefonisch Termine in einer ausreichenden Anzahl vereinbaren, • persönlich kompetent und kommunikativ sein, • möglichst Rundum – Analysen erstellen können, • darauf zugeschnitten Angebote erstellen und begeisternd präsentieren, • die Ansprechpartner zu positiven Entscheidungen bringen, • seinen Bestand betreuen sowie Service leisten und • Empfehlungen einholen. Zusätzlich soll er eine ganze Anzahl an quantitativen wie qualita- tiven Zielen erreichen, sich selbst gut organisieren, alle jetzt ein- zuhaltenden gesetzlichen Regeln und Dokumentationspflich- ten befolgen, sich rechtlich und von der Produktseite auf dem Laufenden halten und die modernen technischen Arbeitsmittel einsetzen. Um die Berater dabei zu unterstützen, investieren die Gesell- schaften enorm viel Know-how, Zeit und Geld. Trotzdem sind im Durchschnitt aller Berater nur ca. 20 % wirkliche Profis in dem Sinne, dass sie von ihrer Arbeit ohne Bezuschussung gut leben können und sich selbst die Absicherung und Vorsorge leisten können, die sie ihren Kunden und Interessenten empfehlen. Vom „netten Verkäufer“ zum effektiven Profi Weil es ihn noch immer gibt, den sogenannten „netten Verkäu- fer“. Der nette Verkäufer will, dass seine Kunden und Interessen- ten ihn mögen. Er möchte, dass sie die unterschiedlichen Pro- dukte verstehen, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können – dazu muss er sie quasi „ausbilden“ - das dauert und braucht zahlreiche Termine. Zusätzlich stellt er sie nicht ausdrük- klich vor die Entscheidung zu unterschreiben oder nicht – er will keinen Druck ausüben; er versteht sich ja als Berater, obwohl er selten einen klaren Rat gibt. Auch nach Empfehlungen fragt er in der Regel nicht. Die Kunden werden ihn schon von sich aus weiterempfehlen (sagt er sich immer und auch seinem Chef). Eine direkte Frage vermeidet er, weil dadurch die überaus net- te Atmosphäre seiner Gespräche kippen könnte – dieses Risiko will er nicht eingehen. Weil er sich oft viel Zeit nimmt (sogar spät abends oder an Wochenenden), erhält er auch viel Lob von Sei- ten seiner Interessenten und Kunden für sein Engagement und seine ausführlichen Informationen – allerdings selten positive Entscheidungen, sprich – die Unterschriften unter Verträge mit sinnvollen Leistungen und Beiträgen für seine Klienten. Er hat viel Verständnis für Interessenten, die sich nicht entschei- den können oder nur kleine Monatsbeiträge für eine unzurei- chende Absicherung und Vorsorge zahlen wollen. Die Gründe seiner Interessenten, sich nicht zu entscheiden oder sehr wenig Geld einzusetzen, versteht er Bestens – es sind die gleichen mit denen er sich auch vor sich selbst (und seiner Familie) recht- fertigt. Er lässt seine Klienten an der langen Leine und ist oft maßlos frustriert, wenn diese zusätzlich Vergleichsangebote ein- geholt haben und zügig bei der Konkurrenz (oder Dank guter Ausbildung) gleich bei der Direktversicherung kaufen. Oft flieht er dann in Verwaltungsarbeiten und entwirft neue Zielgruppen- anschreiben, um sich diesem Frust nicht auszusetzen und hofft auf den großen Coup - den „Quartalsvertrag“, der alles wieder rausreißen wird – und oft genug nicht kommt. Der „nette Verkäufer“ steht unter einem enormen Leidensdruck. Er sollte sich bewusst werden, dass das Damoklesschwert des finanziellen, sozialen und gesundheitlichen Ruins über ihm schwebt. Er muss verstehen, dass er mit dieser Art des Kunden- kontakts sich selbst betrügt und ausbeutet, weil er sich unter Wert verkauft. Was sollte sich verändern, damit aus unserem „netten“ Verkäufer ein kundenorientierter, effekti- ver Profi wird? Zuerst einmal sollte er seine Einstellung verändern - nicht mehr der Ausbilder für seine Klienten sein, sondern ein Be-rat-er, des- sen Rat geschätzt wird und einen besonderen Wert hat. Er (und damit sein Rat) sollte respektiert und nicht nur gemocht werden. Es gilt, weiter seriös zu verkaufen, jedem einen klaren Nutzen bringen, einen deutlichen, verständlichen und für ihn sinnvollen Rat zu geben, zeitnah Entscheidungen herbeizuführen und nach Referenzen zu fragen. Der Mindestanspruch für einen professionellen Berater kann nur sein, einen angemessenen Lebensstandard zu halten, seinen Verpflichtungen weiter nachzukommen und sich die Absiche- rung und Vorsorge leisten zu können, die er seinen Klienten empfiehlt. Ist diese Zielsetzung erst formuliert, muss er lernen, wie er seine neuen Einstellungen • Die 2 Gewinner Idee = beidseitiger Nutzen für Klient und Berater, • Respekt vor Sympathie, • Entscheidungsorientierung und • Multiplikation von gewonnenem Vertrauen durch die Referenz praktisch bei der Ansprache, am Telefon und im Beratungspro- zess umsetzen kann. Siegbert Scheuermann Der Autor ist seit zwan- zig Jahren als Personal- trainer- und Coach, mit den Schwerpunkten Finanz- und Assekuranz- wesen bundesweit tätig. Über 6000 Teilnehmer besuchten in den letzten 20 Jahren seine Seminare. Siegbert Scheuermann Geschäftsführer protargis coaching & training gmbh Heinrich-Heine-Str. 2 50996 Köln www.protargis.de Sonderthema: Professionell Beraten und Verkaufen 59 59 60 VGA Nachrichten 2/2008

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Klassischer Produktverkäufer alter Prägung odermoderner Allroundberater – der Mangel an Profis!

Die Anforderungen an Berater in der Finanzdienstleistung sindernorm gewachsen.

Der moderne Verkäufer muss heutzutage ein Multitalent sein.Er soll• Interessenten akquirieren,• telefonisch Termine in einer ausreichenden Anzahlvereinbaren,

• persönlich kompetent und kommunikativ sein,• möglichst Rundum – Analysen erstellen können,• darauf zugeschnitten Angebote erstellen und begeisterndpräsentieren,

• die Ansprechpartner zu positiven Entscheidungen bringen,• seinen Bestand betreuen sowie Service leisten und• Empfehlungen einholen.

Zusätzlich soll er eine ganze Anzahl an quantitativen wie qualita-tiven Zielen erreichen, sich selbst gut organisieren, alle jetzt ein-zuhaltenden gesetzlichen Regeln und Dokumentationspflich-ten befolgen, sich rechtlich und von der Produktseite auf demLaufenden halten und die modernen technischen Arbeitsmitteleinsetzen.

Um die Berater dabei zu unterstützen, investieren die Gesell-schaften enorm viel Know-how, Zeit und Geld. Trotzdem sind imDurchschnitt aller Berater nur ca. 20 % wirkliche Profis in demSinne, dass sie von ihrer Arbeit ohne Bezuschussung gut lebenkönnen und sich selbst die Absicherung und Vorsorge leistenkönnen, die sie ihren Kunden und Interessenten empfehlen.

Vom „netten Verkäufer“ zum effektiven Profi

Weil es ihn noch immer gibt, den sogenannten „netten Verkäu-fer“. Der nette Verkäufer will, dass seine Kunden und Interessen-ten ihn mögen. Er möchte, dass sie die unterschiedlichen Pro-dukte verstehen, damit sie sich selbst eine Meinung bildenkönnen – dazu muss er sie quasi „ausbilden“ - das dauert undbraucht zahlreiche Termine. Zusätzlich stellt er sie nicht ausdrük-klich vor die Entscheidung zu unterschreiben oder nicht – er willkeinen Druck ausüben; er versteht sich ja als Berater, obwohl erselten einen klaren Rat gibt. Auch nach Empfehlungen fragt erin der Regel nicht. Die Kunden werden ihn schon von sich ausweiterempfehlen (sagt er sich immer und auch seinem Chef).Eine direkte Frage vermeidet er, weil dadurch die überaus net-te Atmosphäre seiner Gespräche kippen könnte – dieses Risikowill er nicht eingehen. Weil er sich oft viel Zeit nimmt (sogar spätabends oder an Wochenenden), erhält er auch viel Lob von Sei-ten seiner Interessenten und Kunden für sein Engagement undseine ausführlichen Informationen – allerdings selten positiveEntscheidungen, sprich – die Unterschriften unter Verträge mitsinnvollen Leistungen und Beiträgen für seine Klienten.

Er hat viel Verständnis für Interessenten, die sich nicht entschei-den können oder nur kleine Monatsbeiträge für eine unzurei-chende Absicherung und Vorsorge zahlen wollen. Die Gründeseiner Interessenten, sich nicht zu entscheiden oder sehr wenigGeld einzusetzen, versteht er Bestens – es sind die gleichen mitdenen er sich auch vor sich selbst (und seiner Familie) recht-fertigt. Er lässt seine Klienten an der langen Leine und ist oftmaßlos frustriert, wenn diese zusätzlich Vergleichsangebote ein-geholt haben und zügig bei der Konkurrenz (oder Dank guterAusbildung) gleich bei der Direktversicherung kaufen. Oft fliehter dann in Verwaltungsarbeiten und entwirft neue Zielgruppen-anschreiben, um sich diesem Frust nicht auszusetzen und hofft

auf den großen Coup - den „Quartalsvertrag“, der alles wiederrausreißen wird – und oft genug nicht kommt.

Der „nette Verkäufer“ steht unter einem enormen Leidensdruck.Er sollte sich bewusst werden, dass das Damoklesschwert desfinanziellen, sozialen und gesundheitlichen Ruins über ihmschwebt. Er muss verstehen, dass er mit dieser Art des Kunden-kontakts sich selbst betrügt und ausbeutet, weil er sich unterWert verkauft.

Was sollte sich verändern, damit aus unserem„netten“ Verkäufer ein kundenorientierter, effekti-ver Profi wird?

Zuerst einmal sollte er seine Einstellung verändern - nicht mehrder Ausbilder für seine Klienten sein, sondern ein Be-rat-er, des-sen Rat geschätzt wird und einen besonderen Wert hat. Er (unddamit sein Rat) sollte respektiert und nicht nur gemocht werden.Es gilt, weiter seriös zu verkaufen, jedem einen klaren Nutzenbringen, einen deutlichen, verständlichen und für ihn sinnvollenRat zu geben, zeitnah Entscheidungen herbeizuführen und nachReferenzen zu fragen.

Der Mindestanspruch für einen professionellen Berater kann nursein, einen angemessenen Lebensstandard zu halten, seinenVerpflichtungen weiter nachzukommen und sich die Absiche-rung und Vorsorge leisten zu können, die er seinen Klientenempfiehlt.

Ist diese Zielsetzung erst formuliert, muss er lernen, wie er seineneuen Einstellungen

• Die 2 Gewinner Idee = beidseitiger Nutzen für Klientund Berater,

• Respekt vor Sympathie,• Entscheidungsorientierung und• Multiplikation von gewonnenem Vertrauen durch die Referenz

praktisch bei der Ansprache, am Telefon und im Beratungspro-zess umsetzen kann.

Siegbert Scheuermann

Der Autor ist seit zwan-zig Jahren als Personal-trainer- und Coach,mit den SchwerpunktenFinanz- und Assekuranz-wesen bundesweit tätig.Über 6000 Teilnehmerbesuchten in den letzten20 Jahren seine Seminare.

Siegbert ScheuermannGeschäftsführer protargis coaching & training gmbhHeinrich-Heine-Str. 2 •50996 Köln

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