Sonnabend, 16. März 2019 Börsen-Zeitung Nr. 53 … · 2019-03-15 · Mehr Kooperationen in der...

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Qualität oder „Billig-Mentalität“? Von Peter Bertling B 4 Lieferantenfinanzierung flexibler gestalten Von Tanja Verseck B 4 Langfristig in Wachstum und Innovationen investieren Von Markus Beumer B 5 Umstellen der Referenzzinssätze gleicht Herkulesaufgabe Von Thomas Epple B 6 Digitalisierung mischt die Karten neu Von Robert Bischof und Felix Becht B 6 Firmenkundengeschäft der Zukunft Von Dr. Jens Sträter und Dr. André Hasken B 6 AUS DEM INHALT Mehr Kooperationen in der digitalen Welt wagen Von Dr. Norbert Schraad B 1 Auslandsgeschäft ist mehr als Export Von Uwe Berghaus B 2 Big Data – Wie Unternehmen Daten bestmöglich nutzen Von Michael Reuther und Dr. Kerem Tomak B 2 Digitale Plattformen verändern die Finanzwelt Von Karl Manfred Lochner B 3 Veränderungen rücken Lieferketten in den Fokus Von Dorothée Regazzoni B 4 Mehr Kooperationen in der digitalen Welt wagen Helaba sucht den Austausch zum Thema Digitalisierung mit allen Marktteilnehmern, um den Wandel zu einer stärker digitalen Organisation zu initiieren rungen (Derivate) und Nebenbedin- gungen in den Mittelpunkt stellt. Wie schwierig auch die Digitalisie- rung von Prozessen ist, zeigt das The- ma Kunden-Onboarding und KYC- Prozesse. Die Prozesse aller Banken sind an Vielfältigkeit und Komplexi- tät kaum zu überbieten. Kunden stöhnen regelmäßig über intranspa- rente und langwierige Anfragen ihrer Banken. Hinzu kommt, dass die Erhe- bung, Erfassung und das Vorhalten der Daten faktisch keinen Kunden- mehrwert schaffen. Ganz im Gegen- teil bieten sie immer wieder Anlass zu Störgefühlen und Konflikten. Eine zentrale Erhebung, Qualitätssiche- rung und Zurverfügungstellung der Informationen für die Banken würde sehr schnell eine Win-win-Situation für Banken und Kunden schaffen. Was passiert im Markt? Banken- übergreifenden Vorhaben war auch aus Wettbewerbsgründen bisher kein Erfolg beschieden. Das Feld ist frei für Start-ups, zumal, da Standardisie- rung und Skalierung offenbar eine wichtige Rolle spielen. So entstehen an allen Ecken und Enden „Reg- techs“. Etablierte Datenprovider ent- wickeln Insellösungen und die Viel- falt der KYC-Angebote kennt kaum Grenzen. Und die Banken? Warten ab. Wir gehen davon aus, dass im besten schumpeterschen Sinne die ca. 150 Transaktionen pro Jahr und einem Volumen von 25 Mrd. Euro überschaubar und bietet keinen Raum für eine Vielzahl von parallel agierenden Wettbewerbern. Bei Schuldscheinemissionen ko- operieren wir gemeinsam mit derzeit sieben anderen Banken mit der unab- hängigen Plattform vc trade. Hierü- ber sind bereits im ersten Jahr meh- rere Milliarden an Volumen gelau- fen. Gemeinsam mit einem Software- haus hat die Helaba komuno gegrün- det, eine Plattform für Kommunalfi- nanzierungen, die allen Finanzinsti- tuten offensteht und über eine einfa- che, transparente und schnelle Aus- schreibung hinaus es den Kommu- nen und Investoren auch ermöglicht, ihre internen Prozesse effizienter zu organisieren. Keine Einzelstellung Die Helaba hat mit diesen Aktivitä- ten keine Einzelstellung. Um die Kun- denbedürfnisse zu befriedigen und die eigene Zukunftsfähigkeit sicher- zustellen, arbeitet eine Vielzahl von Wholesale-Banken an diesen The- men, stets bemüht, den eigenen, dem Wettbewerb überlegenen Weg zu fin- den. Gerade die Begrenztheit der Märkte und der Stückzahlen, die Indi- vidualität des Geschäfts und der Wunsch der Großkunden nach meh- reren Bankverbindungen zeigen die- ser Vorgehensweise ihre Grenzen auf. Die anstehenden Umwälzungen rufen nach einer differenzierten Stra- tegie aus innovativen Kundenlösun- gen, internen Prozessverbesserungen und Kooperationslösungen. Unser Vorgehen ist neben den genannten Plattformen derzeit dadurch geprägt, dass wir mit Kunden, Start-ups, Wett- bewerbern und Experten den Aus- tausch zum Thema Digitalisierung über alle Ebenen suchen, um so den Wandel zu einer stärker digitalen Organisation zu initiieren. Konkrete Ergebnisse zeigen sich dabei zum Bei- spiel auch im Zahlungsverkehr: so hat die Helaba mit der Sparkassen-Fi- nanzgruppe in Deutschland die Ein- führung von Instant Payment maß- geblich vorangetrieben. Jedoch ist es ökonomisch sinnvoll – und die weiter steigenden regulato- rischen Anforderungen erzwingen es sogar –, dass mehr Kooperationen stattfinden, zumal in der digitalen Welt dank der Netzwerkökonomie das Prinzip gilt: „The winner takes it all.“ Banken müssen lernen, über ihren Schatten zu springen. Die Spar- kassen-Finanzgruppe sollte sich ihrer Größe in Deutschland bewusst sein, jedoch ebenso ihrer Überschaubarkeit im internationalen digitalen Umfeld. Corporate Banking Börsen-Zeitung, 16.3.2019 Beim Blick in die Fachpresse, auf Fach- tagungen, bei den Top-Beratungen oder im Marketing vieler Banken steht das Thema Digitalisierung im Corpo- rate Banking inzwischen ganz oben auf der Agenda. Nachdem die letzten Jahre durch massive Umwälzungen – auch getrieben durch Fintechs – in den Retail-geprägten Geschäftsfeldern des Banking dominiert waren, scheint jetzt das Wholesale Banking in den Fokus zu gelangen. Anfällig für Angriffe Eine Konsequenz des inzwischen über zehn Jahre andauernden Struk- turwandels im Bankensektor ist eine massive Unterinvestition in die kun- denzentrierte Bankinfrastruktur. Das in Teilen schwache Investi- tions- und Innovationsverhalten des deutschen Bankensektors macht ihn anfällig für Angriffe neuer Spieler, sei- en es Auslandsbanken, die auf ganz spezifische Segmente des Bankenge- schäfts schielen, seien es die vielfach gefürchteten „Big Techs“, die mit nahezu unendlichen finanziellen Res- sourcen, etablierten Kundenschnitt- stellen und hoher Innovationskraft angreifen, oder seien es Start-up- Unternehmen, die sich mit kunden- orientierten Lösungen einen Teil des allenfalls stagnierenden Ertragsku- chens abschneiden wollen. Im Retail Banking ist dies an vielen Stellen bereits erfolgreich bewiesen worden. Aber gilt das auch für das gehobe- ne Firmenkundengeschäft? Fintechs konzentrieren sich bisher auf die unteren Segmente der Firmenkun- den, die Geschäfts- und Gewerbe- kunden. Warum? 1. Mittelständler und Großkunden sind zumeist mit ihren Banken sehr zufrieden und zudem risikoavers. Sie suchen derzeit weniger Innovatio- nen in Finanzthemen, sondern vor allem Transparenz über ihre Bank- produkte und die damit verbunde- nen Prozesse, Sicherheit in der Abwicklung von Transaktionen und nachhaltig stabile Finanzpartner. 2. Angesichts überschaubarer „Stückzahlen“ an Transaktionen im gehobenen Firmenkundengeschäft sind die zur erfolgreichen Durchset- zung von Innovationen notwendigen Skaleneffekte allenfalls langfristig erreichbar. 3. Der Wettbewerb im gehobenen Firmenkun- dengeschäft ist intensiv. Entscheidend ist viel- fach der Preis. Daneben entscheidet der Kunde aber auch aufgrund der spezifischen Produktex- pertise, der Fähigkeit der Bank, individuellen Wünschen zu entspre- chen, der Zu- ver- lässigkeit und nicht zu- letzt der Schnelligkeit der Entscheidung und Umsetzung durch die Bank. 4. Großkunden arbeiten immer mit mehreren Banken zusammen, teilweise mit einem ganzen Portfolio, das sie relativ zum Kreditexposure strategisch steuern. Der Dominanz eines einzelnen Instituts versuchen sie tunlichst zu entgehen. Standardisierte Lösungen mit hoher Nutzerfreundlichkeit, die sich möglichst einfach skalieren lassen, stellen in den meisten Fällen den Kern des Geschäftsmodells von Fin- techs dar. Heißt das, dass die Banken sich im Großkundengeschäft sicher fühlen können und am besten weiter- machen wie bisher? Weit gefehlt. Der Druck geht vom Kunden aus. Verschiedene Umfragen zeigen, dass Firmenkunden „Schmer- zen“ in ihren Bankenbeziehungen sehen, und zwar vor allem bei: 1. Zugriff auf ihre Produktdaten und alle damit verbundenen Infor- mationen (von Laufzeiten und Kon- ditionen bis zu Covenants); 2. administrativen Prozessen, wie beispielsweise der Eröffnung von Konten und den damit verbundenen KYC-Prozessen; 3. revisionssicherer Abwicklung von Finanzierungsausschreibungen; 4. Sicherstellung ordnungsgemä- ßer, grenzüberschreitender Zah- lungsströme. Banken, die im Großkundenge- schäft tätig sind und es bleiben wol- len, müssen auf diese Anforderungen reagieren. Eine Möglichkeit besteht darin, ein Kundenportal einzurich- ten, über das der Kunde Zugriff auf seine aktuellen Produktinformatio- nen hat, seien es Zahlungsverkehrs- daten, Kredite, Derivate oder Anlage- produkte. Eine solche Darstellung ist allerdings nicht einfach. Denn bei Kreditdaten gibt es, anders als im Zahlungsverkehr, keine Standard- schnittstellen, die Datenabfrage muss individuell aufgesetzt werden, das dauert und kostet. Multibanking, im Privatkundengeschäft inzwischen Standard, ist im Wholesale-Bereich unter diesen Voraussetzungen eine echte Herausforderung. Die Helaba hat hier ein Kundenpor- tal entwickelt, das inzwischen im drit- ten Release alle Details der Kunden- beziehung intuitiv abbildet, einen gesicherten Datenaustausch und ein- fache Produktbeauftragungen ermög- licht. Von unseren Firmen- und Immo- bilienkunden wird dieses Angebot sehr positiv aufgenommen – vor allem deswegen, weil dieses Portal als einzi- ges im Markt die Kreditbeziehung inklusive aller zugehörigen Absiche- Von Norbert Schraad Vorstandsmitglied der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen „Jedoch ist es ökonomisch sinnvoll – und die weiter steigen- den regulatorischen Anforderungen erzwingen es sogar –, dass mehr Koopera- tionen stattfinden, zumal in der digitalen Welt dank der Netzwerkökonomie das Prinzip gilt: ,The winner takes it all.‘“ schöpferische Zerstörung schließlich zu einer effizienten Lösung für beide Marktseiten führen wird. Dagegen ist es bei den Finanzaus- schreibungen schon zu Kooperatio- nen von Banken und Fintechs gekom- men. Der Schuldschein beispielswei- se, als weitgehend standardisiertes Produkt, ist prädestiniert für die Abwicklung über zentrale Plattfor- men. Diese schaffen Transparenz für Emittenten und Investoren, senken die Abwicklungskosten, erhöhen die Transaktionssicherheit und generie- ren so einen echten Mehrwert im Markt. Allerdings ist dieser Markt mit „Banken müssen lernen, über ihren Schatten zu springen. Die Spar- kassen-Finanzgruppe sollte sich ihrer Größe in Deutschland bewusst sein, jedoch ebenso ihrer Überschaubarkeit im internationalen digitalen Umfeld.“ Heute ist der erste Tag der Zukunft. Sind Sie bereit? Bereit für Neues Wer in den Märkten von morgen erfolgreich sein will, sollte die Zukunft nicht einfach nur abwarten, sondern sie aktiv mitgestalten. Dafür braucht es Offenheit, frische Ideen und Tatkraft. Und einen starken Partner, der Ihre Ziele fest im Blick behält. Mit der LBBW an Ihrer Seite meistern Sie die Heraus- forderungen des Wandels und bleiben langfristig erfolgreich. Warten Sie nicht länger und nehmen Sie die Zukunft selbst in die Hand – besuchen Sie uns am besten noch heute auf www.LBBW.de Sonnabend, 16. März 2019 SONDERBEILAGE Börsen-Zeitung Nr. 53 B1

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Qualität oder „Billig-Mentalität“?Von Peter Bertling B 4Lieferantenfinanzierung flexibler gestaltenVon Tanja Verseck B 4Langfristig in Wachstum und Innovationen investierenVon Markus Beumer B 5Umstellen der Referenzzinssätze gleicht HerkulesaufgabeVon Thomas Epple B 6Digitalisierung mischt die Karten neuVon Robert Bischof und Felix Becht B 6Firmenkundengeschäft der ZukunftVon Dr. Jens Sträter und Dr. André Hasken B 6

AUS DEM INHALTMehr Kooperationen in der digitalen Welt wagenVon Dr. Norbert Schraad B 1Auslandsgeschäft ist mehr als ExportVon Uwe Berghaus B 2Big Data – Wie Unternehmen Daten bestmöglich nutzenVon Michael Reuther und Dr. Kerem Tomak B 2Digitale Plattformen verändern die FinanzweltVon Karl Manfred Lochner B 3Veränderungen rücken Lieferketten in den FokusVon Dorothée Regazzoni B 4

Mehr Kooperationen in der digitalen Welt wagenHelaba sucht den Austausch zum Thema Digitalisierung mit allen Marktteilnehmern, um den Wandel zu einer stärker digitalen Organisation zu initiieren

rungen (Derivate) und Nebenbedin-gungen in den Mittelpunkt stellt.

Wie schwierig auch die Digitalisie-rung von Prozessen ist, zeigt das The-ma Kunden-Onboarding und KYC-Prozesse. Die Prozesse aller Banken sind an Vielfältigkeit und Komplexi-tät kaum zu überbieten. Kunden stöhnen regelmäßig über intranspa-rente und langwierige Anfragen ihrer Banken. Hinzu kommt, dass die Erhe-bung, Erfassung und das Vorhalten der Daten faktisch keinen Kunden-mehrwert schaffen. Ganz im Gegen-teil bieten sie immer wieder Anlass zu Störgefühlen und Konflikten. Eine zentrale Erhebung, Qualitätssiche-rung und Zurverfügungstellung der Informationen für die Banken würde sehr schnell eine Win-win-Situation für Banken und Kunden schaffen.

Was passiert im Markt? Banken-übergreifenden Vorhaben war auch aus Wettbewerbsgründen bisher kein Erfolg beschieden. Das Feld ist frei für Start-ups, zumal, da Standardisie-rung und Skalierung offenbar eine wichtige Rolle spielen. So entstehen an allen Ecken und Enden „Reg-techs“. Etablierte Datenprovider ent-wickeln Insellösungen und die Viel-falt der KYC-Angebote kennt kaum Grenzen. Und die Banken? Warten ab. Wir gehen davon aus, dass im besten schumpeterschen Sinne die

ca. 150 Transaktionen pro Jahr und einem Volumen von 25 Mrd. Euro überschaubar und bietet keinen Raum für eine Vielzahl von parallel agierenden Wettbewerbern.

Bei Schuldscheinemissionen ko­-operieren wir gemeinsam mit derzeit sieben anderen Banken mit der unab-hängigen Plattform vc trade. Hierü-ber sind bereits im ersten Jahr meh-rere Milliarden an Volumen gelau-fen. Gemeinsam mit einem Software-haus hat die Helaba komuno gegrün-det, eine Plattform für Kommunalfi-nanzierungen, die allen Finanzinsti-tuten offensteht und über eine einfa-che, transparente und schnelle Aus-schreibung hinaus es den Kommu-nen und Investoren auch ermöglicht, ihre internen Prozesse effizienter zu organisieren.

Keine Einzelstellung

Die Helaba hat mit diesen Aktivitä-ten keine Einzelstellung. Um die Kun-denbedürfnisse zu befriedigen und die eigene Zukunftsfähigkeit sicher-zustellen, arbeitet eine Vielzahl von Wholesale-Banken an diesen The-men, stets bemüht, den eigenen, dem Wettbewerb überlegenen Weg zu fin-den. Gerade die Begrenztheit der Märkte und der Stückzahlen, die Indi-vidualität des Geschäfts und der

Wunsch der Großkunden nach meh-reren Bankverbindungen zeigen die-ser Vorgehensweise ihre Grenzen auf.

Die anstehenden Umwälzungen rufen nach einer differenzierten Stra-tegie aus innovativen Kundenlösun-gen, internen Prozessverbesserungen und Kooperationslösungen. Unser Vorgehen ist neben den genannten Plattformen derzeit dadurch geprägt, dass wir mit Kunden, Start-ups, Wett-bewerbern und Experten den Aus-tausch zum Thema Digitalisierung über alle Ebenen suchen, um so den Wandel zu einer stärker digitalen Organisation zu initiieren. Konkrete Ergebnisse zeigen sich dabei zum Bei-spiel auch im Zahlungsverkehr: so hat die Helaba mit der Sparkassen-Fi-nanzgruppe in Deutschland die Ein-führung von Instant Payment maß-geblich vorangetrieben.

Jedoch ist es ökonomisch sinnvoll – und die weiter steigenden regulato-rischen Anforderungen erzwingen es sogar –, dass mehr Kooperationen stattfinden, zumal in der digitalen Welt dank der Netzwerkökonomie das Prinzip gilt: „The winner takes it all.“ Banken müssen lernen, über ihren Schatten zu springen. Die Spar-kassen-Finanzgruppe sollte sich ihrer Größe in Deutschland bewusst sein, jedoch ebenso ihrer Überschaubarkeit im internationalen digitalen Umfeld.

Corporate BankingBörsen-Zeitung, 16.3.2019

Beim Blick in die Fachpresse, auf Fach-tagungen, bei den Top-Beratungen oder im Marketing vieler Banken steht das Thema Digitalisierung im Corpo-rate Banking inzwischen ganz oben auf der Agenda. Nachdem die letzten Jahre durch massive Umwälzungen –

auch getrieben durch Fintechs – in den Retail-geprägten Geschäftsfeldern des Banking dominiert waren, scheint jetzt das Wholesale Banking in den Fokus zu gelangen.

Anfällig für Angriffe

Eine Konsequenz des inzwischen über zehn Jahre andauernden Struk-turwandels im Bankensektor ist eine massive Unterinvestition in die kun-denzentrierte Bankinfrastruktur.

Das in Teilen schwache Investi-tions- und Innovationsverhalten des deutschen Bankensektors macht ihn anfällig für Angriffe neuer Spieler, sei-en es Auslandsbanken, die auf ganz spezifische Segmente des Bankenge-schäfts schielen, seien es die vielfach gefürchteten „Big Techs“, die mit nahezu unendlichen finanziellen Res-sourcen, etablierten Kundenschnitt-

stellen und hoher Innovationskraft angreifen, oder seien es Start-up-Unternehmen, die sich mit kunden-orientierten Lösungen einen Teil des allenfalls stagnierenden Ertragsku-chens abschneiden wollen. Im Retail Banking ist dies an vielen Stellen bereits erfolgreich bewiesen worden.

Aber gilt das auch für das gehobe-ne Firmenkundengeschäft? Fintechs konzentrieren sich bisher auf die unteren Segmente der Firmenkun-den, die Geschäfts- und Gewerbe-kunden. Warum?

1. Mittelständler und Großkunden sind zumeist mit ihren Banken sehr zufrieden und zudem risikoavers. Sie suchen derzeit weniger Innovatio-nen in Finanzthemen, sondern vor allem Transparenz über ihre Bank-produkte und die damit verbunde-nen Prozesse, Sicherheit in der

Abwicklung von Transaktionen und nachhaltig stabile Finanzpartner.

2. Angesichts überschaubarer „Stückzahlen“ an Transaktionen im gehobenen Firmenkundengeschäft sind die zur erfolgreichen Durchset-zung von Innovationen notwendigen Skaleneffekte allenfalls langfristig

erreichbar.3. Der Wettbewerb im

gehobenen Firmenkun-dengeschäft ist intensiv. Entscheidend ist viel-fach der Preis. Daneben entscheidet der Kunde aber auch aufgrund der spezifischen Produktex-pertise, der Fähigkeit der Bank, individuellen Wünschen zu entspre-chen, der Zu­ver­-lässigkeit und nicht zu­-letzt der Schnelligkeit der Entscheidung und

Umsetzung durch die Bank.4. Großkunden arbeiten immer

mit mehreren Banken zusammen, teilweise mit einem ganzen Portfolio, das sie relativ zum Kreditexposure strategisch steuern. Der Dominanz eines einzelnen Instituts versuchen sie tunlichst zu entgehen.

Standardisierte Lösungen mit hoher Nutzerfreundlichkeit, die sich möglichst einfach skalieren lassen, stellen in den meisten Fällen den Kern des Geschäftsmodells von Fin-techs dar. Heißt das, dass die Banken sich im Großkundengeschäft sicher fühlen können und am besten weiter-machen wie bisher?

Weit gefehlt. Der Druck geht vom Kunden aus. Verschiedene Umfragen zeigen, dass Firmenkunden „Schmer-zen“ in ihren Bankenbeziehungen sehen, und zwar vor allem bei:

1. Zugriff auf ihre Produktdaten und alle damit verbundenen Infor-mationen (von Laufzeiten und Kon-ditionen bis zu Covenants);

2. administrativen Prozessen, wie beispielsweise der Eröffnung von Konten und den damit verbundenen KYC-Prozessen;

3. revisionssicherer Abwicklung von Finanzierungsausschreibungen;

4. Sicherstellung ordnungsgemä-ßer, grenzüberschreitender Zah-lungsströme.

Banken, die im Großkundenge-schäft tätig sind und es bleiben wol-len, müssen auf diese Anforderungen reagieren. Eine Möglichkeit besteht darin, ein Kundenportal einzurich-ten, über das der Kunde Zugriff auf seine aktuellen Produktinformatio-nen hat, seien es Zahlungsverkehrs-daten, Kredite, Derivate oder Anlage-produkte. Eine solche Darstellung ist allerdings nicht einfach. Denn bei Kreditdaten gibt es, anders als im Zahlungsverkehr, keine Standard-schnittstellen, die Datenabfrage muss individuell aufgesetzt werden, das dauert und kostet. Multibanking, im Privatkundengeschäft inzwischen Standard, ist im Wholesale-Bereich unter diesen Voraussetzungen eine echte Herausforderung.

Die Helaba hat hier ein Kundenpor-tal entwickelt, das inzwischen im drit-ten Release alle Details der Kunden-beziehung intuitiv abbildet, einen gesicherten Datenaustausch und ein-fache Produktbeauftragungen ermög-licht. Von unseren Firmen- und Immo-bilienkunden wird dieses Angebot sehr positiv aufgenommen – vor allem deswegen, weil dieses Portal als einzi-ges im Markt die Kreditbeziehung inklusive aller zugehörigen Absiche-

VonNorbert Schraad

Vorstandsmitglied der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen

„Jedoch ist es ökonomisch sinnvoll – und die weiter steigen-den regulatorischen Anforderungen erzwingen es sogar –, dass mehr Koopera-tionen stattfinden, zumal in der digitalen Welt dank der Netzwerkökonomie das Prinzip gilt: ,The winner takes it all.‘“

schöpferische Zerstörung schließlich zu einer effizienten Lösung für beide Marktseiten führen wird.

Dagegen ist es bei den Finanzaus-schreibungen schon zu Kooperatio-nen von Banken und Fintechs gekom-men. Der Schuldschein beispielswei-se, als weitgehend standardisiertes

Produkt, ist prädestiniert für die Abwicklung über zentrale Plattfor-men. Diese schaffen Transparenz für Emittenten und Investoren, senken die Abwicklungskosten, erhöhen die Transaktionssicherheit und generie-ren so einen echten Mehrwert im Markt. Allerdings ist dieser Markt mit

„Banken müssen lernen, über ihren Schatten zu springen. Die Spar-kassen-Finanzgruppe sollte sich ihrer Größe in Deutschland bewusst sein, jedoch ebenso ihrer Überschaubarkeit im internationalen digitalen Umfeld.“

Heute ist der ersteTag der Zukunft.Sind Sie bereit?

Bereit für Neues

Wer in den Märkten von morgen erfolgreich sein

will, sollte die Zukunft nicht einfach nur abwarten,

sondern sie aktiv mitgestalten. Dafür braucht es

Offenheit, frische Ideen und Tatkraft. Und einen

starken Partner, der Ihre Ziele fest im Blick behält.

Mit der LBBW an Ihrer Seite meistern Sie die Heraus­

forderungen des Wandels und bleiben langfristig

erfolgreich. Warten Sie nicht länger und nehmen

Sie die Zukunft selbst in die Hand – besuchen Sie

uns am besten noch heute auf www.LBBW.de

Sonnabend, 16. März 2019 SONDERBEILAGE Börsen-Zeitung Nr. 53 B1

Page 2: Sonnabend, 16. März 2019 Börsen-Zeitung Nr. 53 … · 2019-03-15 · Mehr Kooperationen in der digitalen Welt wagen Von Dr. Norbert Schraad B1 Auslandsgeschäft ist mehr ... Wettbewerb

Auslandsgeschäft ist mehr als ExportBanken sind nicht mehr nur Kapitalgeber, sondern strategische Partner, die Unternehmen ganzheitlich bei der Internationalisierung unterstützen und beraten

men mit einem Jahresumsatz von über 25 Mill. Euro die Auslandsorien-tierung im vergangenen Jahr auf einem bereits hohen Niveau noch-mals merklich zugenommen.

Wie passt das zu den wachsenden Handelshemmnissen und geopoliti-schen Konflikten, die den deutschen Außenhandel im vergangenen Jahr sogar haben stagnieren lassen? Denn die Herausforderungen sind augen-scheinlich: Insbesondere der Han-delskonflikt zwischen China und den USA trübt den Optimismus der Unternehmen. Auch der für dieses Jahr immer wahrscheinlicher wer-dende Brexit und die drohende Abkühlung der Konjunktur in Deutschland deuten auf ein unruhi-ges Jahr für die Exportwirtschaft hin. Mit diesen Entwicklungen sehen sich die außenhandelsorientierten Unter-nehmen verschärften Risiken ausge-setzt. Folgerichtig werden einige Unternehmen bei ihren Investitionen ins Auslandsgeschäft bereits zurück-haltender.

Kontrollierte Offensive

Zugleich locken unverändert die Wachstumschancen in aufstreben-den und teils noch unterschätzten Ländern wie beispielsweise Indone-sien. Unternehmen sollten daher nicht grundsätzlich ihr Auslandsge-schäft zurückfahren, sondern auf kontrollierte Offensive schalten und bei der Gestaltung ihrer Präsenz im Ausland die Risiken aufmerksam steuern. Dabei ist eines wichtig: Aus-landsgeschäft ist mehr als Export. Für den Erfolg im Ausland ist nicht nur die Erschließung neuer Absatzmärkte maßgeblich. Vielmehr kommt es für Unternehmen darauf an, sich gegen unternehmensspezifische Ri­siken wie etwa Zahlungsausfälle ihrer Geschäftspartner abzusichern und zugleich politische und makroökono-mische Risiken in ihren Zielmärk­ten professionell zu überwachen.

Bereits im letzten Jahr wurden mittelständische Unternehmen in Deutschland empfindlich von Wäh-rungsschwankungen getroffen und mussten dadurch teils signifikante Belastungen verkraften. Zudem steigt mit den weltweiten Handels-konflikten und dem drohenden Bre-

kaufsoptionen sowie Devisentermin-geschäfte können Wechselkursrisi-ken mindern. Hierbei beraten Ban-ken bezüglich Auswahl und Optimie-rung der bedarfsgerechten Siche-rungsstrategie. Zusätzlich stellen Banken Informationen zur erwarte-ten Wechselkursentwicklung zur Verfügung. Sind in einem absehba-ren Zeitfenster – Stichwort Brexit – größere Schwankungen zu erwar-ten, kann beispielsweise auch ein deutlich längerer Absicherungszeit-raum sinnvoll sein.

Je nach Wechselkursausblick soll-te für Länder außerhalb des Euro-raums zudem überdacht werden, wie viel des erwarteten Auftrags- oder Einkaufsvolumens abgesichert wer-den soll. Hier können Unternehmen gemeinsam mit ihrer Hausbank eine kundengerechte Absicherungsstrate-gie erarbeiten.

Internationale Kapitalgeber

Für ein erfolgreiches Auslandsge-schäft ist die Risikoabsicherung essenziell, um das eigene Wachstum nicht zu gefährden. Auslandsge-schäft heißt aber auch, Wachstum aktiv anzukurbeln. Dazu bieten Kooperationen oder Beteiligungen mit ausländischen Unternehmen eine Möglichkeit, um neue Absatz-märkte zu erschließen und Kapital zu generieren.

Mit der fortschreitenden Globali-sierung gewinnen Beteiligungen aus-ländischer Investoren an mittelstän-dischen Unternehmen in Deutsch-land weiter an Bedeutung. Im Rah-men der Mittelstandsstudie von DZ Bank und BVR haben wir erho-ben, dass fast die Hälfte der befragten Unternehmen in den nächsten fünf Jahren eine Beteiligung ausländi-scher Investoren in Betracht zieht. Um deutsche Investitionen in China und chinesische Investitionen in Deutschland zu fördern, kooperieren wir zum Beispiel seit zwei Jahren mit der China Development Bank. Dies ermöglicht es uns unter anderem, in China lokale Finanzierungen für die Tochtergesellschaften deutscher Unternehmen anzubieten.

Darüber hinaus ist die Frage nach dem Einstieg ausländischer Investo-ren ungleich weitreichender. Letzt-

Big Data – Wie Unternehmen Daten bestmöglich nutzenInnovationen treffen auf Vorbehalte – Ob analog oder digital, Vertrauen bleibt die Basis – Bankbeziehung zum gegenseitigen Vorteil ausbauen und optimieren

ming“. Landwirte müssen seit jeher viel dokumentieren sowie ihren Betrieb planen, kontrollieren und optimieren. Bei der Dokumentation helfen die vernetzten Maschinen. Sie liefern GPS-Daten und Informatio-nen über Arbeitsgänge an Cloud-ba-sierte Plattformen, zum Beispiel wel-che Saat oder welcher Dünger gera-de ausgebracht werden. Da in diesen Plattformen auch die Geo-Positionen der Felder erfasst sind, können unterschiedliche Maschinen ihre Arbeit dokumentieren und sich selbst steuern.

Erntevorfinanzierung

Und nicht nur das: Auf Basis der umfassenden Daten, die solche Platt-formen sammeln, können Banken in kurzer Zeit den Liquiditätsbedarf eines Landwirts erfassen und diesen Bedarf zum Beispiel mit einer Ernte-vorfinanzierung decken. So werden Farming-Plattformen in Zukunft Teil des Finanzmanagements von land-wirtschaftlichen Betrieben, Banken wiederum werden zunehmend zum Anbieter von „Banking as a Service“.

Die Chancen von Big Data sind also groß, doch nicht zuletzt die Com-merzbank-Studie hat gezeigt: die Skepsis auch. Immer mehr Unterneh-men erkennen aber, dass die Haus-bank ihnen mit datengestützten Lösungen zum Beispiel bei der Iden-tifizierung neuer Marktpotenziale sowie der Risikoabsicherung einen bedeutenden Mehrwert liefern kann. So kann Big Data dazu beitragen, die Bankbeziehung zum gegenseitigen Nutzen auszubauen und zu optimie-ren. Natürlich setzen Banken die Daten ihrer Kunden nur dann gewinnbringend für sie ein, wenn die Unternehmen dem zugestimmt haben. Dies ist die Grundvorausset-zung, denn die Beziehung zwischen Unternehmen und Bank basiert auf Vertrauen – dies gilt gleichermaßen für die analoge wie für die digitale Welt.

Auf diese Weise werden moderne Analysemethoden mit der bankeige-nen IT verknüpft. Der daraus entste-hende Erkenntnisgewinn ist enorm und wird gezielt zum Vorteil der Kun-den genutzt. Beispielsweise in der Risikosteuerung. Die Chancen, die sich hinter den Schlagwörtern Big

Data, Advanced Analytics und Artifi-cial Intelligence verbergen, eröffnen völlig neue Optionen zur Risiko­-erkennung und -minimierung. Mit-hilfe von Big Data werden Marktbe-wegungen bei Währungen oder Roh-stoffen künftig besser antizipiert und Risiken somit früher erkannt. Unter-nehmen können auf Basis von geziel-ten Datenanalysen frühzeitig auf die Auswirkungen möglicher Markt­-veränderungen hingewiesen wer-den. Deutsche Unternehmen als Exportweltmeister können sich da­-mit entscheidende Wettbewerbsvor-teile sichern.

Das Leben erleichtern

Big Data wird auch die internatio-nale Handelsfinanzierung verän-dern. Bisher stellten die Banken als Finanzintermediär eine Kette des Vertrauens vom Exporteur bis zum Importeur her. Die Lieferketten der Zukunft basieren allerdings auf Daten und verändern damit auch das Handelsgeschäft. Dazu gehören zum Beispiel smarte Container, die in der

Lage sind, sich selbst zu routen. So können Produktion und Lagerbe-stände besser geplant werden, da auf diesem Wege nachvollziehbar wird, wo sich die Ware aktuell befindet. Durch den Austausch von Daten lässt sich ein Großteil der Unsicherheit in der Abwicklung einer Handelsfinan-

zierung substituieren.Die Commerzbank

begreift dies als Chance. Wir möchten im Sinne der Kunden End-to-End-Lösungen an­bieten, die ihr Leben erleichtern. Dabei kooperieren wir unter anderem mit Part-nern aus dem Mittel-stand sowie der Wissen-schaft und sind an der Entwicklung verschiede-ner neuartiger Trade-Fi-nance-Technologien be­-teiligt.

Doch auch abseits dieser Zukunfts-planung ermöglicht die zunehmende digitale Vernetzung und Automati-sierung von Maschinen im Zeitalter von Industrie 4.0 über das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) schon jetzt innovative Anwendungs-beispiele. IoT bezeichnet vernetzte Gegenstände, die über das Internet selbständig miteinander kommuni-zieren. Damit können zum Beispiel Maschinenhersteller und -nutzer den Einsatz ihrer Maschinen optimieren, Stillstandzeiten minimieren und Wartungszyklen individuell auf die Nutzung anpassen. Ziel sind Effi-zienzgewinne im Einsatz der Anlage-güter.

Als erstes deutsches Finanzinstitut hat die Commerzbank dafür eine neue datenbasierte Kreditlösung ent-wickelt. Der „Pay-per-Use“-Kredit ist ein Investitionskredit, der sich in sei-ner Rückführung an der Maschinen-nutzung orientiert. Die jeweilige Til-gungshöhe errechnet sich nach der tatsächlichen Auslastung des Investi-tionsguts – dies schont die Liquidität des Nutzers. Bei geringerer Auslas-

. . . undKerem Tomak

Bereichsvorstand Big Data & Advanced Analytics bei der Commerzbank AG

Börsen-Zeitung, 16.3.2019 Das Wachstum im Außenhandel hält insgesamt weiter an, und mit einem Volumen von über 1300 Mrd. Euro war Deutschland auch 2018 weiter ein Schwergewicht im Export. Nach China und den USA konnte die Bun-desrepublik ihre Rolle als weltweit drittgrößter Warenexporteur be­-haupten. Die starke Position im

Exportgeschäft bleibt Wachstums-treiber und Beschäftigungsmotor der deutschen Wirtschaft – insbesondere für den deutschen Mittelstand. Denn fast 30 % der Arbeitsplätze in Deutschland hängen direkt oder indirekt vom Export ab. In der Indus­-trie ist es sogar mehr als jeder zweite.

Interesse wächst weiter

Neben diesen offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes sehen wir auch in der unternehmerischen Realität unserer Kunden eine hohe Affinität zum Auslandsgeschäft. Und das Interesse wächst weiter: Laut VR-Mittelstandsstudie, die wir gemein-sam mit dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffei-senbanken (BVR) durchgeführt haben, hat besonders bei Unterneh-

„Für den Erfolg im Ausland ist nicht nur die Erschließung neuer Absatzmärkte maßgeb-lich. Vielmehr kommt es für Unternehmen darauf an, sich gegen unterneh-mensspezifische Ri­siken wie etwa Zahlungsaus-fälle ihrer Geschäfts-partner abzusichern und zugleich politische und makroökonomische Risiken in ihren Zielmärk­-ten professionell zu überwachen.“

lich ist der richtige Zeitpunkt aus-schlaggebend. Oftmals ergibt sich aus der Frage der Unternehmens-nachfolge die Möglichkeit einer aus-ländischen Beteiligung. Ein solcher Schritt will gut überlegt sein. Denn gerade im Mittelstand steht hinter vielen Firmen nicht selten ein Lebenswerk. Wir wissen jedoch aus vielen Gesprächen mit Firmeninha-bern, dass die Offenheit für profes-sionelle Investoren, zum Beispiel aus

dem Private-Equity-Bereich, wächst, und dabei auch ausländische Inves-toren in Erwägung gezogen werden. Wir kennen eine Reihe gelungener Beispiele, in denen sogar die Gründer und früheren Hauptgesellschafter auch nach Einstieg eines Private-Equity-Fonds gerne als Berater oder sogar als Geschäftsführer an Bord geblieben sind.

Neben der Beteiligung ausländi-scher Investoren als Eigenkapitalge-ber bieten Schuldscheine je nach Bonität und Geschäftsansatz eine weitere Möglichkeit für Mittelständ-ler, ihr Auslandsengagement auf eine stabilere Basis zu stellen, indem sie neben dem operativen Geschäft auch ihre Kapitalgeberbasis internationa-lisieren. Schuldscheine deutscher Unternehmen erfreuen sich in den letzten Jahren bei internationalen Investoren immer größerer Beliebt-heit. Diese Internationalisierung des Schuldscheines hat auch kleinere Emittenten auf den Radar internatio-naler Investoren gebracht. Das Aus-landsgeschäft hat für Unternehmen zahlreiche Dimensionen. Generell lohnt eine systematische und ganz-heitliche Betrachtung von Chancen und Risiken.

„Das Auslandsgeschäft hat für Unternehmen zahlreiche Dimensionen. Generell lohnt eine systematische und ganzheitliche Betrachtung von Chancen und Risiken.“

xit das Risiko möglicher Beschrän-kungen im Kapital- und Waren­-verkehr sowie die Wahrscheinlich-keit plötzlicher Devisenmarkt-schwankungen.

In diesem herausfordernden Umfeld mit teils komplexen Risiken kommt Banken nicht mehr nur die

Rolle des Kapitalgebers zu, der Unternehmen oder ihre Warenströ-me finanziert. Vielmehr sind Banken heute strategische Partner, die Unternehmen ganzheitlich bei der Internationalisierung und Markter-schließung im Ausland unterstützen und beraten – von der Abwicklung, über die Absicherung gegen Risiken bis hin zur Finanzierung. Dabei kommt es verstärkt auf lokale Exper-tise an. So haben wir beispielsweise unsere Auslandsstandorte gezielt ausgeweitet, um für deutsche Unter-nehmen dort vor Ort zu sein, wo für sie die interessantesten Märkte sind.

Jüngst haben wir etwa eine Reprä-sentanz in Jakarta, Indonesien, eröff-net, das mit mehr als 260 Millionen Einwohnern und starken Wachs-tumsraten von über 5% einen vielver-sprechenden Binnenmarkt bietet. Zudem stärken wir an den wichtigen Auslandsstandorten auch unsere Partnerschaften mit den führenden Banken vor Ort.

Mit dem Entschluss, in einen Markt zu expandieren, sollten exportorientierte Unternehmen auch die Möglichkeiten zur Risikosteue-rung ergreifen. Die Möglichkeiten reichen von Instrumenten zur Absi-cherung gegen Zahlungsausfälle – zum Beispiel über das Akkreditivge-schäft und Bestellerkredite – bis hin zur Devisenabsicherung. Hier lohnt

ein genaueres Hinsehen. Denn insbe-sondere bei Auslandsgeschäften mit risikobehafteten Entwicklungs- und Schwellenländern können interna-tionale Zahlungen durch bestätigte Akkreditive abgesichert werden. Das funktioniert über ein unwiderrufli-ches Zahlungsversprechen, das die

Bank des Importeurs gegenüber dem deut-schen Exportunterneh-mer gibt. Voraussetzung ist die Vorlage bestimm-ter Dokumente, die bei-spielsweise über den Versand, die Herkunft oder die Qualität der Ware Auskunft geben.

Ein weiteres Siche-rungsinstrument spe-ziell bei Lieferungen in Risikoländer bietet der Bestellerkredit. Hierü-ber können Exportunter-

nehmen ihren Kunden Kaufpreisfi-nanzierungen vermitteln und somit finanzielle Flexibilität einräumen. Das entlastet die eigene Bilanz und Kreditlinie. Der Bestellerkredit eig-net sich zur mittel- bis langfristigen

Finanzierung – insbesondere beim Verkauf von Maschinen und Anla-gen. Der Exporterlös wird von der Bank direkt an den Exporteur ausge-zahlt.

Doch nicht nur in der Bezahlung des Warenverkehrs gilt es, sich gegen Risiken abzusichern. Zu einer belastbaren Risikostrategie gehört auch ein durchdachtes Währungs-management. Klassische Absiche-rungsprodukte wie Kauf- oder Ver-

VonUwe Berghaus

Firmenkundenvorstand der DZ Bank

„Für ein erfolgreiches Auslandsgeschäft ist die Risikoabsicherung essenziell, um das eigene Wachstum nicht zu gefährden. Auslands-geschäft heißt aber auch, Wachstum aktiv anzukurbeln.“

Börsen-Zeitung, 16.3.2019 Laut einer aktuellen Commerzbank-Studie halten 81 % der deutschen Unternehmen Big Data für sehr wich-tig. Vielen ist also bewusst, welche Bedeutung Daten inzwischen haben und zukünftig haben werden. Doch – auch das zeigt die Studie – wirklich

genutzt werden sie kaum. Das muss sich ändern, denn datengestützte Lösungen bieten Unternehmen neue Marktpotenziale.

Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Mit ihrer Hilfe entste-hen neue, disruptive Geschäftsmodel-le, die Branchen revolutionieren. Die GAFA-Unternehmen (Google, Apple, Facebook und Amazon) machen es bereits vor. Doch Big Data bedeutet nicht zwangsläufig Big Business: Ent-scheidend ist das richtige Aus- und Bewerten von Daten. Auch das wird künftig entscheidend dafür sein, ob sich ein Unternehmen am Markt behaupten kann. Um mehr über die Chancen und Herausforderungen von Big Data für den Mittelstand heraus-zufinden, hat die Commerzbank mit ihrer Mittelstandsstudie Unterneh-merperspektiven ein repräsentatives Bild über die Nutzung von Big Data im deutschen Mittelstand erstellt. Von den rund 2 000 befragten Führungs-kräften erwarten zwar zwei Drittel einen massiven Umbruch innerhalb ihrer Branchen binnen der nächsten fünf Jahre, doch nur 8 % lassen dem

auch Taten folgen und analysieren Daten heute schon systematisch.

Der deutsche Mittelstand ist Welt-spitze – ein beträchtlicher Teil deut-scher Exporterfolge geht auf mittel-ständische Firmen zurück. Stärker noch als anderswo kommen in der Bundesrepublik Innovationen aus

kleinen und mittelgro-ßen Unternehmen. Doch beim Megatrend Big Data haben diese erheb-lichen Nachholbedarf. Wer den Anschluss im internationalen Wettbe-werb nicht verlieren will, sollte seine „Big-Data-Readiness“ verbes-sern.

Dabei können auch die Hausbanken unter-stützen, die sich zuneh-mend des Themas Big Data annehmen, um

ihren Kunden neue Möglichkeiten zu bieten. So hat die Commerzbank zur zielgerichteten Analyse von großen und komplexen Datenmengen sowie zur Entwicklung digitaler Produkte den Konzernbereich Big Data & Advanced Analytics (BDAA) gegrün-

det. Über allem steht für die Com-merzbank das Ziel, Prozesse einfa-cher, schneller und besser zu machen und dadurch einen konkreten Mehr-wert für ihre Kunden zu liefern. Der Bereich BDAA baut dafür die entspre-chende Infrastruktur.

VonMichael Reuther . . .

Vorstandsmitglied der Commerzbank AG

„Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Mit ihrer Hilfe entstehen neue, disruptive Geschäftsmodelle, die Branchen revolutionieren.“

tung der Maschine ist die Tilgungsbe-lastung ebenfalls gering, während beim Anstieg der Produktion – und damit höheren Umsätzen – die Til-gungsrate des Pay-per-Use-Kredits gleichfalls steigt.

Auf diese Weise entsteht eine ganz neue Flexibilität in der Liquiditäts-steuerung. Besonders interessant ist Pay-per-Use übrigens für stark wach-sende Unternehmen und Branchen

mit einem zyklischen oder saisonalen Geschäftsverlauf – etwa Zulieferer aus dem Automobilsektor, die regel-mäßig mit dem Auf und Ab im Lebenszyklus von Modellreihen kon-frontiert sind.

Landwirtschaft 4.0

Ein anderes Beispiel führt uns auf die Felder der Nation. Vermutlich denken die wenigsten bei Big Data an Landwirtschaft. Doch die Digitali-sierung ist hier bereits weit fortge-schritten. Autonom fahrende Land-maschinen sind keine Vision, son-dern Praxis – Stichwort: „Smart Far-

„Big Data wird auch die internationale Handels-finanzierung verändern. Bisher stellten die Banken als Finanz-intermediär eine Kette des Vertrauens vom Exporteur bis zum Importeur her. Die Lieferketten der Zukunft basieren allerdings auf Daten und verändern damit auch das Handelsgeschäft.“

B2 Börsen-Zeitung Nr. 53 SONDERBEILAGE Sonnabend, 16. März 2019

Page 3: Sonnabend, 16. März 2019 Börsen-Zeitung Nr. 53 … · 2019-03-15 · Mehr Kooperationen in der digitalen Welt wagen Von Dr. Norbert Schraad B1 Auslandsgeschäft ist mehr ... Wettbewerb

Digitale Plattformen verändern die Finanzwelt

Geschäftsmaxime ist und bleibt Kundennutzen zu stiftenWas ihn für Unternehmen zusätz-

lich reizvoll macht: Zwar treten meh-rere Banken als Kreditgeber auf, doch es gibt nur einen einzigen Ansprechpartner, den Konsortialfüh-rer. Er steht dem Kunden während der gesamten Laufzeit des Kredits als Bindeglied zu den anderen Finanz-instituten zur Seite. Kern des Konsor-tialkredits ist das Vertragswerk, das alle Banken unterschreiben. Es zu erstellen, erfordert einiges an Vor-arbeiten, die sich aber mehrfach loh-nen. Der Vertrag wird individuell auf den Finanzierungsbedarf zuge-schnitten und verfügt über eine gro-ße Regelungsdichte, die für alle Kon-sorten gleichermaßen gilt – beispiels-weise auch was die einheitlichen Kündigungsrechte betrifft.

Entscheidungen kann das Konsor-tium nur gemeinsam treffen. Der Vorteil dieser Struktur zeigt sich gerade in Krisenzeiten. Eine Ver-tragskündigung aller beteiligten Kre-ditgeber kann immer nur die Ultima-Ratio-Lösung sein und wird erfah-rungsgemäß sehr selten umgesetzt.

Planbar und flexibel

Konsortialkredite bieten darüber hinaus neben finanzieller Sicherheit zugleich Flexibilität. Sie lassen sich leicht und schnell an veränderte Umstände anpassen, etwa wenn sich neue Chancen für das Unternehmen ergeben. Ein Vorteil sind die – je nach Finanzierungszweck – variablen Laufzeiten. Eigentlich sind Laufzei-ten zwischen drei und fünf Jahren marktüblich, doch Zwischenfinan-zierungen können über einige weni-ge Monate laufen. Eine Besonderheit bei Konsortialfinanzierungen ist der problemlose Einbau von Verlänge-rungsoptionen. Wenn der Kunde die Finanzierung um ein weiteres Jahr zu gleichen Bedingungen im selben Konsortium fortsetzen will, kann dies grundsätzlich ohne große Mühen innerhalb weniger Tage umgesetzt werden.

Den Unternehmen verschafft der Konsortialkredit vor allem Planungs-sicherheit. Sie müssen nicht Jahr für Jahr neu in Kreditverhandlungen ein-treten – schon gar nicht mit mehreren Banken. „Es besteht eine nachvoll-ziehbare Korrelation zwischen Ge­-schäftsrisiko und der Nutzung von Konsortialfinanzierungen“, heißt es in einer aktuellen Studie von LBBW Research. „Je höher das Geschäftsrisi-ko, umso höher ist das Management-bedürfnis nach Sicherheit durch zusätzliche Liquiditätslinien in Form eines Konsortialkredits.“

Ein Riesenplus

Sicherheit ist das eine, Diskretion das andere. Und die ist bei Konsortial-krediten groß. Für viele Unterneh-men ist dieser Aspekt von unschätz-barem Vorteil. Hintergrund: Bei die-sen Krediten besteht keine Publizi-tätspflicht. Kreditnehmer müssen nur ihrer Reportingpflicht gegenüber den Konsorten nachkommen. Das ist ein Riesenplus gegenüber publizitäts-pflichtigen Finanzierungsinstrumen-ten. Außerdem unterliegen poten-zielle Investoren strikten Vertraulich-keitsbestimmungen. Kaum ein ande-res Finanzierungsinstrument über-zeugt mit einer derart günstigen Situ-ation für Kreditnehmer: hohe Liquidi-tät zu fairen Konditionen in einem Wettbewerb zwischen den Kreditge-bern, in den immer wieder neue Play-er vorstoßen. Denn die Banken haben verstanden: So wichtig das Bewerten des Risikos ist, ihre Kunden wollen einen Finanzpartner, der sie versteht und auf ihre Bedürfnisse eingeht.

Vom Intermediär zum Enabler

Damit haben wir den Bogen geschlagen: Selbst beim Kernge-schäft der Banken, dem Kredit, wan-deln sich die Finanzinstitute vom Intermediär zum „Enabler“, wie es neudeutsch heißt. Die LBBW sieht ihre Aufgabe darin, Unternehmen die bestmögliche Entwicklung zu ermöglichen – und die finanziellen Wege dafür zu bahnen. Unsere Geschäftsmaxime bleibt dieselbe, ob bei Debtvision oder beim Konsortial-kredit: Kundennutzen zu stiften. Wenn uns das – mit unserer Produkt-palette und unserer Expertise – gelingt und die Kunden uns deshalb ihr Vertrauen schenken, werden wir als Bank – anders als Bill Gates denkt – auch in Zukunft im besten Sinne „necessary“ sein.

Börsen-Zeitung, 16.3.2019 „Banking is necessary, banks are not.“ Der provokante Spruch von Bill Gates geistert seit 25 Jahren durch die Welt. Nun wird er zur realen Option, denn der technologi-sche Fortschritt verändert das Geschäftsmodell von Banken. Platt-

formen sollen künftig mehr und mehr die Rolle als Intermediär zwi-schen Kapitalsucher und -geber übernehmen.

Kein neues Phänomen

Plattformen an sich sind kein neu-es Phänomen. Auf Märkten und Mes-sen treffen Käufer und Verkäufer seit Jahrtausenden aufeinander. Der direkte Austausch funktioniert – seit-dem die Rechnerkapazitäten das her-geben – auch auf digitalen Marktplät-zen. Die Vorteile sind offenkundig: Kunden gewinnen rasch einen Über-blick über das Angebot und können individuell, ohne Zwischenhändler verhandeln. So brechen Plattformen gewachsene Prozesse auf, bei denen eine Vielzahl von Akteuren zwi-schengeschaltet waren. Dass die Abläufe standardisiert sind, spart überdies Kosten. Je standardisierter das Produkt, desto leichter der Ver-gleich. Es hat Gründe, dass die ersten Marktplätze der Finanzbranche zu Immobilien- oder Verbraucherkredi-ten entstanden.

Werden Banken also überflüssig? Ganz im Gegenteil! Aber wir werden unsere Rolle neu bestimmen müssen. Weit über das Abwickeln von Finanz-transaktionen hinaus positioniert sich die LBBW daher als strategischer Finanzberater. Wir setzen unsere Expertise ein, um Unternehmen ganzheitlich mit einer weiten Pro-duktbandbreite zu unterstützen. Das ist eine Frage von Know-how – und eine Frage des gegenseitigen Ver-trauens. Nachfolgend soll das anhand eines aktuellen und eines tra-ditionellen Produktbeispiels erläu-tert werden.

Die Zukunft mitgestalten

Die Landesbank Baden-Württem-berg gestaltet die Zukunft des Banking als Innovationsführer mit: Gemein-sam mit der Börse Stuttgart wurde Debtvision als digitale Plattform für Schuldscheindarlehen gegründet. Dort treffen kapital­suchende Unter-nehmen sowie Einrichtungen der öffentlichen Hand – alle mit guter bis sehr guter Bonität – auf etablierte, kapitalstarke In­vestoren. Der Trans-aktionsprozess läuft von der Vermark-tung bis zur Zeichnung vollelektro-nisch über eine userfreundliche Benutzeroberfläche: schnell, transpa-rent, effizient und unter höchsten Sicherheits­standards. Das macht die Plattform auch für Kunden interes-sant, für die Schuldscheine bisher kaum ein Thema waren. Zudem machen die sinkenden Kosten das Instrument auch für geringere Volu-mina interessant.

Debtvision hat das Potenzial, den Schuldscheinprozess grundlegend zu verändern – und das Selbstver-ständnis der Bank. Denn eine Bank ist hier im Vermarktungsprozess grundsätzlich nicht mehr zwingend nötig. Doch natürlich agieren wir mit unserer Expertise als Nummer 1 am

Schuldscheinmarkt im Hintergrund: Gemein-sam mit der Börse Stutt-gart als erfahrene Platt-formbetreiberin stellen wir die Qualität von Debtvision sicher und kümmern uns bei Bedarf als erste Darlehensgebe-rin und Zahlstelle um den reibungslosen Ablauf nach Geschäfts-abschluss.

Viele Kunden wollen zudem ihren Schuld-schein sowohl über die

Plattform als auch auf traditionelle Weise vermarkten – und auch diese Lösung bieten wir an. Trotz aller neu-en technischen Möglichkeiten, die eine solche Plattform besitzt – ganz entscheidend ist auch hier die Bera-tung und die vertrauensvolle Zusam-menarbeit. Denn das Instrument Schuldschein kann man digitalisie-ren – das Entwickeln einer passge-nauen Lösung für die Finanzierung eines Unternehmensvorhabens, bei dem dann dieses Instrument zum Einsatz kommt, aber nicht.

Womit wir zum zweiten Beispiel kommen, dem Konsortialkredit. Er basiert auf dem uralten Kerngeschäft

der Bank: Geld verleihen. Das Prinzip hinter dieser Kreditform ist alt und simpel und sorgt dafür, dass das Kre-ditrisiko auf mehrere Schultern ver-teilt wird. Den Kredit vergibt eben also nicht ein einziges Finanzinstitut, sondern vergeben mehrere in einem Konsortium zusammengeschlossene Banken. Für Kunden eröffnen sich dadurch ganz andere Optionen als bei einem üblichen, bilateralen Kre-dit – etwa die Chance, ihn als Anker zu nutzen und mit anderen Finanzie-rungsinstrumenten zu kombinieren.

Das bietet sich häufig an, denn es gibt einen Grund, warum Banken den Kredit nicht im Alleingang verge-ben: Konsortialkredite werden meist für größere Vorhaben wie Investitio-nen oder Akquisitionen benötigt, häufig geht es hierbei um Milliarden-summen. Doch zwischenzeitlich fin-den auch immer mehr Mittelständler Gefallen an dieser Form der struktu-rierten Finanzierung. Also egal, ob es um 5 Mrd. Euro oder 30 Mill. Euro geht, der Konsortialkredit bietet sich in beiden Fällen als zuverlässiger finanzieller Anker an.

VonKarl Manfred Lochner

Unternehmens-kundenvorstand der LBBW Landesbank Baden-Württemberg

„Sicherheit ist das eine, Diskretion das andere. Und die ist bei Konsortialkrediten groß. Für viele Unternehmen ist dieser Aspekt von unschätzbarem Vorteil. Hintergrund: Bei diesen Krediten besteht keine Publizitätspflicht. Kredit-nehmer müssen nur ihrer Reportingpflicht gegen-über den Konsorten nachkommen.“

Impressum

Börsen-ZeitungSonderbeilage

Corporate BankingAm 16. März 2019

Redaktion: Claudia Weippert-StemmerAnzeigen: Bernd Bernhardt (verantwortlich)

Technik: Tom Maier Typografische Umsetzung: Daniela Störkel

Verlag der Börsen-Zeitung in der Herausgebergemeinschaft WERTPAPIER-MITTEILUNGEN Keppler, Lehmann GmbH & Co. KG

Düsseldorfer Straße 16 · 60329 Frankfurt am Main · Tel.: 069/2732-0(Anzeigen) Tel.: 069/2732-115 · Fax: 069/233702 · (Vertrieb) 069/234173

Geschäftsführung: Axel Harms, Torsten Ulrich, Dr. Jens ZinkeDruck: Westdeutsche Verlags- und Druckerei GmbH · Kurhessenstraße 4–6 ·

64546 Mörfelden-Walldorf

Sonnabend, 16. März 2019 Börsen-Zeitung Nr. 53 B3

Page 4: Sonnabend, 16. März 2019 Börsen-Zeitung Nr. 53 … · 2019-03-15 · Mehr Kooperationen in der digitalen Welt wagen Von Dr. Norbert Schraad B1 Auslandsgeschäft ist mehr ... Wettbewerb

Qualität oder „Billig-Mentalität“?Kundennähe, Vertrauen, Zuverlässigkeit und Wertschätzung kommt auch künftig eine hohe Bedeutung zu

Banken stellen ihren Unterneh-menskunden bereits heute zahlrei-che Finanzlösungen mit erheblichen negativen Deckungsbeiträgen be­-reit. Ankerfazilitäten in Milliarden-höhe zur Absicherung von Unterneh-mensfinanzierung und Rating von Unternehmen wie auch Plattform-transaktionen, beispielsweise auf 360T, sind nur zwei der zahlreichen Beispiele.

Essenzielle Fragen

Die Frage ist, ob für die Industrie, in der auf Seiten der Unternehmen exzellent ausgebildete Finanzexper-ten die strategischen Investitionsent-scheidungen treffen, komplexe Fra-gestellungen zukünftig ausschließ-lich mittels „Tick the box“-Standard-lösungen auf verschiedenen Plattfor-men zum nachhaltigen Erfolg im Sin-ne einer integrierten Konzern-Fi-nanzsteuerung führen können?

Wie stellt es sich dar, wenn struk-turierte Finanzierungslösungen für einen besonderen Investitionsbedarf im Fokus stehen, etwa im Rahmen von Sprunginvestitionen, Nachfolge-regelungen oder Übernahmen? So vielfältig die Anlässe sind, so vielfäl-tig kann auch die Auswahl der Finan-zierungsinstrumente gestaltet wer-den.

Hier geht es um die Frage, wie die optimale Finanzierungsstruktur aus-sehen könnte? Produktunabhängig analysieren Spezialisten im Vertrieb die Kundenbilanz und beleuchten den bestehenden Kapitalmix. So las-sen sich durch den optimierten Ein-satz von Eigen- und Fremdkapital Finanzierungskosten senken, die Verschuldungs- sowie Eigenkapital-quote verbessern und auch das exter-ne Rating oder die bankinterne Boni-tätseinstufung positiv verändern.

Besonders wichtig sind solche Analysen vor großen strategischen Maßnahmen, beispielsweise bei einer anstehenden Unternehmens-nachfolge oder einer Übernahme. Hier kann die passende Auswahl der Finanzierungsinstrumente ganz ent-scheidend für den Erfolg sein. Auf jeden Fall hilft die Analyse durch Spezialisten – kundenindividuell und bedarfsorientiert.

Auch Großunternehmen, für die Emissionen an den Kapitalmärkten ein zentrales Finanzierungsinstru-ment darstellen, nutzen beispiels-weise sehr gerne Schuldscheindarle-

hen für ihre Akquisitionsfinanzierun-gen, um damit ihren unternehmeri-schen Spielraum zu erweitern und sich zudem neue Investorenkreise zu erschließen. Aber auch Kapital zur Finanzierung von nachhaltigen Pro-jekten in den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz einzusammeln, liegt im Trend. Green Bonds und Green Schuldscheine gehören derzeit zu den am schnellsten wachsenden Anlageklassen an den Fremdkapital-märkten.

Daneben gehören weitgehend automatisierte und digitale Lösun-gen, die dem Bedarf von Unterneh-menskunden gerecht werden, zu einer leistungsfähigen Corporate Bank der Zukunft. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Commodity Clearing. Hier bietet die BayernLB ihren Kun-den als einziges deutsches Clearing House eine ganzheitlich automati-sierte Lösung. Vom klassischen Clea-ring, über die inhaltliche Aufberei-tung, die Weiterverarbeitung bis hin zum integrierten Reporting.

Zeitgemäße Lösungen

Dies sind nur wenige Beispiele für anspruchsvolle Finanzierungslösun-gen, die ein Finanzdienstleister in seinem Haus bündeln muss, um sei-nen Unternehmenskunden aus einer Hand zeitgemäße, integrierte und wirkungsoptimierte Lösungen bieten zu können. Kundennähe und -ver-ständnis, Vertrauen, Zuverlässigkeit und Wertschätzung haben auch zukünftig in den Beziehungen Unter-nehmen – Bank eine hohe Bedeutung und sind nicht durch Automatisie-rung und Digitalisierung zu ersetzen. Relationship Banking der Zukunft muss alle vorstehend genannten Aspekte und Umweltfaktoren be­-rücksichtigen.

Gerade vor dem Hintergrund der genannten Unsicherheiten sind die enge, frühzeitige strategische Zu­-sammenarbeit, gepaart mit Experti-se, schlanken Entscheidungsstruktu-ren sowie dem Zugriff auf Entschei-dungsträger aus unserer Sicht von hoher Bedeutung. Als „bayerische Bank für die deutsche Wirtschaft“ haben wir Standortvorteile: fest ver-ankert im deutschen Markt, zuverläs-sig, gepaart mit Strukturierungs-Know-how und einem hohen Quali-tätsanspruch, der unserem an­-spruchsvollen Kundenportfolio ent-spricht.

Lieferantenfinanzierung flexibler gestalten

Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten

Veränderungen rücken Lieferketten in den FokusRuf nach mehr Nachhaltigkeit hallt immer lauter und erfordert auch beim Management und der Finanzierung einen neuen Blick

Börsen-Zeitung, 16.3.2019 Hoch differenzierte und global ver-zweigte Lieferketten sind heute das Grundgerüst unserer internationalen Wirtschaftsordnung. Spätestens seit dem Beginn des EU-Binnenmarkts und der Gründung der Welthandels-organisation (WTO) in der ersten Hälfte der 1990er Jahre sind sie Teil der Spielregeln auf dem „Level Play-ing Field“ des internationalen Han-dels. Ihre regulatorischen Vorausset-zungen schienen über lange Zeit poli-tisch garantiert.

Komplexe Aufgabe

Unternehmen konnten und muss-ten sich in den vergangenen 25 Jah-ren auf die Optimierung ihres Beschaffungsmanagements konzen­-trieren, um ihre Wettbewerbsfähig-keit im weltweiten Kampf um Markt-anteile und Gewinnmargen zu bewahren – eine sehr strategische und komplexe Aufgabe. Um ein für Deutschland äußerst relevantes Bei-spiel herauszugreifen: Gerade die Automobilindustrie hat das System der kosteneffizienten, globalen Wertschöpfungsketten perfektio-niert. Je nach Modell und Produk-tionsplattform können bis zu 30 Standorte weltweit an der Herstel-lung eines Fahrzeugs beteiligt sein. Immer wieder werden Komponenten über Ländergrenzen hinweg hin- und hergeschickt, bis das Endprodukt schließlich vom Band läuft. Keine Branche hat Einkauf, Beschaffung und Produktion so professionell und effizient gestaltet wie der Automobil-sektor mit seiner ausgefeilten Just-in-time-Produktion.

Doch die liberale internationale Handelsordnung der vergangenen Jahrzehnte mit uneingeschränkt frei-em Güterverkehr als Leitbild hat Ris-se bekommen. Handelskonflikte,

bei kurzfristigen Veränderungen in der Versorgungskette liegen. Hinzu kommen langfristige strategische Planungen, die das Geschäftsmodell im Ganzen betreffen.

Beschaffungs- und Absatzmärkte können sich so verändern, dass dadurch Unternehmenszukäufe und -verkäufe sinnvoll oder sogar erfor-derlich werden. Banken haben die Aufgabe, ihre Kunden stets auch in einem strategischen Dialog zu beglei-ten, um mit ihnen frühzeitig die Wei-chen für langfristig profitables Wachs-tum zu stellen. Neben dem Blick auf das allgemeine Marktumfeld erfor-dert dieser Dialog von Banken eine tiefe Expertise in der jeweiligen Bran-che, um partnerschaftlich mit dem Kunden nach bestmöglichen Optio-nen suchen zu können. BNP Paribas ergänzt das Know-how der Mergers & Acquisitions(M & A)-Teams zu diesem Zweck mit hoch qualifizierten Sektor-spezialisten mit globaler Branchen-kenntnis.

Weckruf ausgelöst

Politisch bedingte Unsicherheiten haben einen Weckruf ausgelöst und führen zu intensiver Auseinanderset-zung mit dem Beschaffungsmanage-ment und dessen Finanzierung. Sie sind aber keinesfalls der einzige Grund, über die Lieferketten nachzu-denken. Tatsächlich machen auch andere Entwicklungen eine Beschäf-tigung mit dem Thema lohnenswert. Zwei sind insbesondere herauszu-greifen.

So ist in einigen Branchen, etwa im Infrastruktursektor und im Anla-genbau, zu beobachten: Auftragge-ber leisten immer seltener Voraus-zahlungen. Stattdessen geht der Trend dazu, dass Zahlungen erst bei Erreichen wichtiger Meilensteine eines Projekts erfolgen und sich gele-

gentlich sogar auf die Endphase kon-zentrieren. Hinzu kommt, dass es für Auftragnehmer durchaus ein Wett-bewerbsvorteil sein kann, dem Auf-traggeber großzügige Zahlungsziele einzuräumen. Gerade bei großen, langfristig angelegten Projekten kann damit die erforderliche Vorfi-nanzierung die Liquidität des Auf-tragnehmers erheblich belasten.

Große Banken wie BNP Paribas verfügen über die bilanzielle Stärke, um mit ihren Kunden Finanzie-rungslösungen zu erarbeiten, die diesen auch in längeren Projektent-wicklungsphasen die nötige Liquidi-tät verschaffen und damit zusätzli-che unternehmerische Spielräume eröffnen. Auch umgekehrt funktio-niert diese Logik: Verbesserte Zah-lungskonditionen sind ein Marke-tingtool, um gerade strategisch rele-vante Zulieferunternehmen in um­-kämpften Beschaffungsmärkten zu binden.

Zu all dieser Komplexität gesellt sich immer dringender die Erkennt-nis, dass sich jegliches Handeln stets auch an den Grundsätzen sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit orientieren muss. Die Vereinten Nationen haben diesem Imperativ inzwischen in Gestalt der 17 Sustai-nable Development Goals (SDG) einen Rahmen gegeben, an dem sich Unternehmen orientieren können. Immer mehr Unternehmen – auch BNP Paribas – greifen diesen aktiv auf und arbeiten darauf hin, ihre Geschäftstätigkeit in Einklang mit diesen Zielen zu bringen. Dem Cor-porate Treasury kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Denn nicht nur nachhaltige Anleihen, Schuldscheine und Kredite etablieren sich Schritt für Schritt als Finanzierungsinstru-mente. Der Trend zu mehr Nachhal-tigkeit hat längst – und gerade – auch das Beschaffungsmanagement als

Schnittstellenfunktion und seine Finanzierung erreicht.

Laut einer Schätzung der Organisa-tion Business for Social Responsibility (BSR) wird der globale Markt für nachhaltige Lieferkettenfinanzierung in absehbarer Zukunft das Volumen von 660 Mrd. Dollar erreichen. Das verwundert nicht, denn nachhaltige Lieferantenfinanzierungsprogramme sind ein effizientes Instrument für Unternehmen, um die Einhaltung von Umwelt-, Sicherheits- und Sozialstan-dards in transparenter Art und Weise innerhalb der eigenen Versorgungs-kette zu sichern und zu fördern.

Erhöhte Liefersicherheit

Die zunehmende Digitalisierung ermöglicht die nahtlose Verfolgung von Rohstoffen und Waren über die gesamte Lieferkette hinweg – Stich-wort Blockchain – und macht den Weg frei für Programme, die Anreize für Zulieferer schaffen, die Nachhal-tigkeitsvorgaben des Abnehmers ein-zuhalten oder sogar zu übertreffen. Durch die Gewährung von privi-legierten Konditionen für Zulieferer, die sich an ökologische und soziale Spielregeln halten, wird ein Anreiz zu fortlaufender Verbesserung der Nachhaltigkeit im Beschaffungsma-nagement geschaffen. Für Abneh-merunternehmen bedeutet das neben dem Reputationsschutz auch erhöhte Liefersicherheit.

Banken müssen heute einen Bei-trag zur Erarbeitung und Umsetzung einer nachhaltigen Strategie für die Lieferketten ihrer Kunden leisten. Der Ansatz muss holistisch sein und insbesondere Kriterien sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit in die Überlegungen mit einbeziehen. Dann ergeben sich für beide Seiten interessante Perspektiven der Zu­-sammenarbeit.

Brexit und neue, disruptive Heraus-forderungen stellen die Supply Chain in ihrer heutigen Form in Frage. Es hängt von vielen Parametern wie Branche, Geschäftsmodell und Beschaffungsstruktur ab, wann und wie stark politische Risiken und regu-latorische Veränderungen sich auf

die Logistik eines Unternehmens aus-wirken. Klar ist aber, dass die neuen Bedingungen jeden Akteur zum Überdenken seiner Beschaffungs-strategie zwingen – und dass die Implikationen auch für die Finanzie-rung des Logistikmanagements viel-fältig sind.

Umfassender beraten

Hier sind Banken gefordert, ihre Kunden bei der Ausrichtung des Logistikmanagements und dessen Finanzierung umfassender zu bera-ten. Neue, agile und geografisch breit abgestützte Finanzierungs- und Absi-cherungsmodelle sind gefragt, pass-genau auf die Bedürfnisse der jewei-ligen Firmen zugeschnitten. Ent-scheidend ist, dass Banken die Ent-wicklung ihrer Kunden dynamisch begleiten und das jeweilige Geschäftsmodell individuell und doch – vom Taktischen bis hin zum

Strategischen – als Ganzes betrach-ten. Es sind bedarfsgerechte Strate-gien für die Lieferkette erforderlich, die sich im Laufe der Zeit an die veränderten Rahmenbedingungen des Kunden anpassen.

Beispiel Brexit: Aus Sorge vor Ver-sorgungsengpässen durch Unwäg-

barkeiten bei der Zollab-fertigung und regulato-rische Unsicherheiten vor allem bei Zulassun-gen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich haben inzwi-schen viele Unterneh-men damit begonnen, ihre Lagerhaltung deut-lich auszuweiten. Diese Inventarbestände müs-sen vor dem Hinter-grund der gegenwärti-gen Verunsicherung zu­-nächst kurzfristig finan-

ziert werden. Darüber hinaus bedarf es der Möglichkeit, entsprechende Lösungen in langfristige zu verwan-deln, wenn dauerhafte Anpassungen an eine neue Ausgangslage erforder-lich werden. Klassische Factoring- und Supply-Chain-Financing-Lösun-gen stehen neben kurzfristigen Kre-diten in verschiedenen Währungen im Vordergrund, sind aber in den Gesamtkontext zu stellen.

Kommt es zu Veränderungen in einer Logistikkette, muss beispiels-weise auch die Fremdwährungsstra-tegie zügig auf den Prüfstand. Ist die Bilanz noch in den richtigen Währun-gen finanziert? Entspricht die Absi-cherung gegen Währungsrisiken der künftigen Ausrichtung der Logistik-kette? Bedenkt man, dass ein Pla-nungshorizont von drei Jahren für die Währungsabsicherungsstrategie eines Unternehmens nicht unge-wöhnlich ist, wird schnell deutlich, wo die Herausforderungen gerade

VonDorothée Regazzoni

Leiterin Unternehmenskunden Deutschland bei BNP Paribas

Börsen-Zeitung, 16.3.2019Geiz ist geil – dieses Schlagwort einer bekannten Marke beschrieb treffend eine Mentalität, die sich auch im Cor-porate Banking durchgesetzt hat. Die Auswirkungen zeigen sich in der Finanzbranche beispielsweise im Abwärtstrend bei Kreditmargen und

der abnehmenden Bereitschaft der Kunden, für Dienstleistungen ange-messene Entgelte zu bezahlen. Mehr noch: Für Corporate Banking scheint es durch disruptive Geschäftsmodelle von Fintechs, Automatisierung und Digitalisierung und aufgrund des hohen Wettbewerbs nur eine Rich-tung zu geben: die Abschaffung des klassischen Relationship Banking.

Unverzichtbare Werte

Derzeit tritt in den Hintergrund, dass es auch in der Beziehung zwi-schen Unternehmen und Banken unverzichtbare Werte gibt wie Qua-litätsanspruch, Vertrauen, Verläss-lichkeit und die durch keine Digitali-sierung zu ersetzende Komponente der persönlichen Wertschätzung der Geschäftspartner. Nach fast zehn Jahren des globalwirtschaftlichen Aufschwungs sind diese Werte ins Hintertreffen geraten. All diese Aspekte gewinnen aber vor allem dann an Bedeutung, wenn der Wind mal wieder von vorne bläst. Und die Prognosen zeigen: Der Wind wird demnächst wieder von vorne wehen.

Mit dem Auslaufen der Stimulie-rung durch die US-Steuerreform, weiteren Handelsrestriktionen und Bremseffekten der Normalisierung der (US-)Geldpolitik wird sich die Weltwirtschaft nach Einschätzung des Research der BayernLB im Ver-lauf des Jahres 2019 abkühlen. Ohne in eine Rezession zu münden, dürfte

sich diese Phase 2020 fortsetzen. Nachdem die Dynamik in vielen Schwellenländern bereits 2018 nachgelassen hat, sollten diese 2019 weniger stark an Fahrt verlieren als die Industrieländer. Insbesondere in Europa gibt es mit dem von den USA ausgehenden „Handelskrieg“, dem

ungewissen Ausgang des Brexit und mit der von vielen als unsolide empfundenen italieni-schen Haushaltspolitik Risiken, die sowohl die Fi­nanzmärkte als auch die Konjunktur gravie-rend belasten werden.

Mit dem „Brexit“ geht die Angst vor konjunktu-reller Eintrübung, abge-schwächtem Konsum und damit verbunden sinkender Investitions-neigung in Deutschland

und der gesamten EU einher, insbe-sondere die Automobil- und die Phar-mabranche mit hohem Anteil der Warenexporte nach Großbritannien (UK) sind hiervon betroffen. Oder auch Direktinvestitionen in UK, vor allem in den Branchen Maschinen-bau, Automobilbau, Elektrotechnik und Chemieindustrie. Hinzu kom-men Handelskonflikte, sich auflösen-de Sicherheiten bei bisherigen Markt-partnern, Verschiebung der Macht-achsen und daraus resultierende Marktbedingungen, Protektionismus und Digitalisierung sowie die Ansprü-che an die Nachhaltigkeit von Unter-nehmen, um von Gesellschaft, Staat und Investoren weiter als attraktiv betrachtet zu werden.

Globale Herausforderungen

Aktuell stehen die Finanzentschei-der somit vor großen globalen Herausforderungen, beispielsweise Investitionsentscheidungen mit weitreichenden strategischen Folgen im Angesicht der genannten wach-senden Risiken. Daher ist es wichtig, verlässliche Bankpartner zu haben, die sich nicht nur wettbewerbsgetrie-ben am Markt positioniert haben. Groß genug, um leistungsfähig zu sein, flexibel und schnell in ihren Entscheidungen und bereit, sich auf die Bedürfnisse der Kunden jeden Tag aufs Neue einzustellen. Partner, für die auch Werte wie Qualität, Ver-trauen und Verlässlichkeit verpflich-tend sind.

VonPeter Bertling

Bereichsleiter Global Corporates bei der BayernLB

Börsen-Zeitung, 16.3.2019Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten sollten Unternehmen ihre Zahlungsströme und -prozesse stabil und effizient gestalten. Nur so lässt sich das Working Capital optimieren und die Unternehmensliquidität langfristig sichern.

Insbesondere die Lieferantenfi-nanzierung, häufig auch Supply Chain Finance genannt, bietet hier-für großes Potenzial. Gemäß des World Supply Chain Finance Reports 2019 von BCR wächst der Markt kon-tinuierlich. So ist 2017 das globale Volumen von Lieferantenfinanzie-rungen um 28 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen und erreichte 574 Mrd. Dollar. Die tatsächlich genutzten Finanzmittel betrugen 212 Mrd. Dollar zum Ende des Jah-res 2017, was einem Anstieg von 26 % entspricht. Diese Wachstums-zahlen belegen, dass das Working-Capital-Management und die Unter-stützung von Cash-flows in kriti-schen Lieferantenketten immer wichtiger werden.

Zahlungsströme optimieren

Richtig angewandt können Unter-nehmen so ihre Zahlungsströme optimieren und gleichzeitig transpa-renter gestalten. Banken und andere Dienstleister bieten Unternehmen hierfür Online-Plattformen zur voll automatisierten Abwicklung der Lieferantenfinanzierung an. Bei Crédit Agricole CIB gibt es für Kun-den beispielsweise drei Optionen: Erstens, eine bankeigene Online-Plattform, die für den Kunden und seinen Lieferanten intuitiv zu bedie-nen ist. Alternativ steht unseren Kunden auch die Plattform eines

Drittanbieters zur Verfügung, bei dem wir als Investor am Kundenpro-gramm beteiligt sind. Als dritte Option gibt es die Möglichkeit, dass Crédit Agricole CIB bei einem bestehenden Supply-Chain-Fi­-nance-Programm einer Drittbank als Investor aktiv ist.

Lieferanten verfügen somit über eine gute Auswahl an alternativen Finanzierungsquellen. Der jeweilige Lieferant entscheidet selbst, wel-che Forderungen er frü-her erhalten möchte und zu welchem Zeit-punkt. Auf diese Weise erhält er nicht nur frü-her Liquidität, sondern er hat auch die Kontrolle über den gesamten Pro-zess. In der Konsequenz verbessert er seine

Fremdkapitalkosten und sein Aus-fallrisiko. Der Käufer wiederum kann durch das Angebot einer Liefe-rantenfinanzierung längere Zah-lungsfristen aushandeln und so sei-nen Working-Capital-Bedarf redu-zieren. Neben einer verbesserten Lieferantenbeziehung kann der Käu-fer auch von optimierten Einkaufs-kosten profitieren. Eine Win-win-Si-tuation für alle Beteiligten.

Umlaufkapital verbessert sich

Durch die Nutzung von Supply-Chain-Finance-Lösungen in der Lie-ferantenfinanzierung verbessert sich das Umlaufkapital für den Käufer und den Lieferanten. Laut dem SCF Barometer 2018/2019 von Price­-waterhouseCoopers (PwC) ist dies der wichtigste Grund für die Nutzung dieser Finanzierungsform. Schließ-lich verbessert sich für den Käufer die für das Kreditrating wichtige Kenn-zahl DPO (Days Payables Outstan-ding – Verbindlichkeitslaufzeiten) und die operativen Prozesskosten sinken durch automatisierte Prozess-schritte.

Grundsätzlich eignen sich Liefe-rantenfinanzierungen besonders für Unternehmen mit hohem Kapitalbe-darf, beispielsweise aufgrund von strategischen Investitionen, Divi-dendenzahlungen oder Rückzahlun-gen von Krediten. Verfügt das Unter-

Fortsetzung Seite B5

VonTanja Verseck

Head of Transaction Banking Sales Germany, Austria, Switzerland – Crédit Agricole Corporate and Investment Bank Germany

B4 Börsen-Zeitung Nr. 53 SONDERBEILAGE Sonnabend, 16. März 2019

Page 5: Sonnabend, 16. März 2019 Börsen-Zeitung Nr. 53 … · 2019-03-15 · Mehr Kooperationen in der digitalen Welt wagen Von Dr. Norbert Schraad B1 Auslandsgeschäft ist mehr ... Wettbewerb

Langfristig in Wachstum und Innovationen investierenMittelständler sollten Investitionen gezielt angehen und über die konjunkturelle Schwächephase hinausdenken – Fünf Finanzierungstrends für 2019

Angesichts der Unsicherheiten mit Blick auf die kommenden Monate haben viele Unternehmen zudem begonnen, eine wetterfeste Finanzie-rungsstruktur aufzubauen. So fragen insbesondere Mittelständler etwa tendenziell größere Kreditvolumina und längere Laufzeiten nach, um das niedrige Zinsniveau zu nutzen. Hier sind die Banken gefragt, gemeinsam mit den Unternehmen optimale Finanzierungsstrukturen zu entwi-ckeln. Diese können etwa Zinsfest-schreibungen oder die Absicherung von variabel verzinsten Darlehen mit einem Derivategeschäft umfassen.

Auch bei langfristigen Finanzie-rungen können Schuldscheine oder Anleihen für Unternehmen, die pro-fessionelle Strukturen im Finanzma-nagement aufgebaut haben, mitunter günstiger sein als klassische Kredite. Zudem kommt dem Working-Capital-Management in unruhigen Zeiten eine noch größere Bedeutung zu. Häufig binden Mittelständler im Wertschöpfungsprozess mehr Liqui-dität als nötig. Ein solides Working-Capital-Management kann helfen, Kapital freizusetzen, das ansonsten im Umlaufvermögen gebunden wäre.

Förderkredite einbeziehen

Zudem bleiben Förderkredite 2019 aufgrund ihrer günstigen Kon-ditionen und interessanten Laufzei-ten im Finanzierungsmix des deut-schen Mittelstands gefragt. Dabei existieren für beinahe jede geplante Investition und jeden Finanzierungs-bedarf passende Möglichkeiten. Bei der Finanzierung von Digitalisie-rungsprojekten etwa spielt die Ein-bindung von Förderkrediten eine wichtige Rolle. Unternehmen profi-

tieren von günstigen Zinssätzen und können Zuschüsse beantragen. Die Programme können auch für den Aufbau digitaler Plattformen, die Analyse großer Datenmengen, Schu-lungen oder Kooperationsmodelle im Bereich Digitalisierung genutzt werden.

Daneben stehen Förderkredite auch mit Blick auf die Finanzierung von Energieeffizienzmaßnahmen, Auslandsaktivitäten sowie Existenz-gründung und Unternehmensüber-nahmen und -beteiligungen weiter-hin hoch im Kurs. Grundsätzlich lohnt es sich, gemeinsam mit Spezialisten jede Finanzierung auf den Einsatz von Fördermitteln zu prüfen, um das rich-tige Programm oder die optimale Kombination verschiedener Förder-möglichkeiten herauszufiltern.

Grün finanzieren

Hinzu kommt, dass sich auch mit-telständische Unternehmen immer nachhaltiger aufstellen – und da-durch im Finanzierungsbereich pro-fitieren. Während etwa multilaterale Entwicklungsbanken und staatliche Akteure lange Zeit für einen Großteil der Emissionen grüner Anleihen ver-antwortlich waren, haben sich zuletzt Unternehmen und kommer-zielle Banken zu den wichtigsten Emittentengruppen entwickelt. Nach Prognosen der UniCredit sollte 2019 etwa bereits ein Drittel der Neu-emissionen von grünen Anleihen durch Unternehmen erfolgen.

Nicht zuletzt steigt das Interesse an grünen Schuldscheinen und grü-nen Krediten. Im vergangenen Jahr hat etwa Henkel als erstes Unterneh-men in Deutschland einen „Green Loan“ aufgenommen. Unternehmen

Lieferantenfinanzierungnehmen darüber hinaus über ein gutes bis sehr gutes Kreditrating, können davon auch die in der Regel weniger gut bewerteten Zulieferer profitieren. Es gibt aber auch Ab­-weichungen von diesem Standard-szenario.

Aktuell sind viele Unternehmen besonders liquide und auf der Suche nach attraktiven Anlageformen im

negativen Zinsumfeld. Viele Firmen, gerade in Deutschland, nutzen hier-zu die Möglichkeit des Skontos. Diese Art des Preisnachlasses ist in der Regel für einen bestimmten Zeit-raum nach Rechnungsstellung fest-gelegt. Sie unterliegt einem fixen Dis-kontsatz und bietet keinerlei Flexibi-lität. Für den Lieferanten bedeutet dies darüber hinaus wenig Planungs-sicherheit.

Dynamic Discounting, also der dynamische Diskont, bietet hier eine innovative Alternative. Liquiditäts-starke Käufer können ihren eigenen Barbestand nutzen, um ihre Lieferan-ten frühzeitig zu bezahlen. Die Online-Plattform von Crédit Agricole CIB beispielsweise integriert Dyna-mic Discounting als zusätzliches

Fortsetzung von Seite B4 Modul, so dass die bereits aufgesetz-ten Prozesse sowohl für den Käufer, als auch für den Verkäufer effizient genutzt werden können.

Im Unterschied zum Skonto wird der dynamische Diskont flexibel pro-rata zur Fälligkeit angewandt. So wird beispielsweise am dritten Tag nach Rechnungsstellung ein Nach-lass von 2 % gewährt, wohingegen am zehnten Tag nach Rechnungsstel-lung der Diskont nur noch 1 % beträgt. Jeder einzelne Tag wird mit einem genau kalkulierten Diskont-satz berechnet.

Mark-up Financing

Im Gegensatz hierzu könnten Käu-fer mit schwächerem Kreditrating oder weniger Verhandlungsspiel-raum über ein Mark-up Financing nachdenken. Bei dieser Variante zahlt der Käufer den Aufschlag für das verlängerte Zahlungsziel, die Bank bezahlt den Lieferanten am Stichtag der Rechnung – ohne Dis-kont. Trotz der zusätzlichen Kosten auf Seiten des Käufers rentiert sich diese Variante für den Käufer, weil er die genannten Kennzahlen verbes-sert, die für das Kreditrating relevant sind. Zusätzlich können operative Kosten durch Nutzung von automati-schen Prozessen reduziert werden. Von dieser Lösung profitieren vor allem Unternehmen, die mit großen, gut bewerteten Lieferanten zusam-menarbeiten, die in der Regel über gute Finanzierungsbedingungen ver-fügen und keine Lieferantenfinanzie-rung benötigen.

Beide Lösungen, sowohl Dynamic Discounting als auch Mark-up Finan-cing, lassen sich mit dem Standard-programm kombinieren. Dadurch können alle Handelspartner von den jeweiligen Vorteilen profitieren und ihr Working Capital flexibel opti­-mieren.

„Dynamic Discounting, also der dynamische Diskont, bietet eine innovative Alternative. Liquiditätsstarke Käufer können ihren eigenen Barbestand nutzen, um ihre Lieferanten frühzeitig zu bezahlen.“

Börsen-Zeitung, 16.3.20192019 geht der deutsche Wirtschafts-aufschwung ins zehnte Jahr. Damit befinden wir uns im längsten Auf-schwung seit 1966 und im zweit-längsten überhaupt. So gesehen über-rascht es nicht, dass der Optimismus in der deutschen Wirtschaft zuletzt

etwas nachgelassen hat. Auch der Mittelstand blickt verhalten auf die kommenden Monate. Hier gab das Geschäftsklima laut aktuellem KfW-Ifo-Mittelstandsbarometer an­gesichts Brexit-bezogener Unsicherheit, unge-löster Handelsgespräche zwischen den USA und China und schwächerer globaler Wachstumsaussichten im Januar relativ deutlich nach.

Kassen sind gut gefüllt

Zugleich befinden sich die deut-schen Unternehmen nach wie vor in einer komfortablen Situation. Ihre Kassen sind gut gefüllt. Die Eigenka-pitalquoten von mittelständischen Unternehmen sind in den vergange-nen Jahren auf durchschnittlich über 30 % gestiegen. Gleichzeitig sollten die Zinsen auf absehbare Zeit niedrig bleiben, was die Aufnahme von Fremdkapital erleichtert. Die Auf-tragsbücher sind noch gut gefüllt und die Binnennachfrage dank wachsen-der Beschäftigung und steigenden Reallöhnen anhaltend hoch. Die Uni-Credit-Ökonomen erwarten für 2019 ein Wachstum des Bruttoinlandspro-dukts (BIP) von 1,3 % und für 2020 von 1,5 %. In dieser Gemengelage ist es für Mittelständler besonders wich-tig, über den Konjunkturzyklus hinauszudenken und zielgerichtet zu investieren. Für 2019 zeichnen sich fünf Finanzierungstrends ab.

Viele Unternehmen müssen sich etwa mit Blick auf die Digitalisierung neu aufstellen und in Innovationen investieren. Denn wer investiert, stärkt die Zukunftsfähigkeit seines

Unternehmens und sichert die Erträ-ge von morgen. Dabei spielt auch das Thema Nachfolge eine wichtige Rol-le. Laut Institut für Mittelstandsfor-schung (IfM) stehen zwischen 2018 bis 2022 etwa 150 000 Unternehmen zur Übergabe an. Je älter ein Unter-nehmer ist, desto weniger investiert

er in der Regel in die Zukunft des Unterneh-mens. Oft bleiben vor allem digitale Innovatio-nen oder die internatio-nale Expansion auf der Strecke. Entsprechend wichtig ist es für Mittel-ständler, Nachfolgen frühzeitig zu regeln, um die Unternehmensent-wicklung nicht zu gefährden.

Dabei unterscheidet sich die Finanzierung von Innovationen deut-

lich von jener bei klassischen Investi-tionen. Innovationsausgaben wer-den deutlich häufiger aus internen Mitteln finanziert. Angesichts der steigenden Kosten für Innovationen sind aber auch bei ihrer Finanzierung zunehmend Fremdfinanzierungen erforderlich. Banken spielen deshalb eine wichtige Rolle als Finanzierer von Innovationen und Digitalisie-rung. Dabei ist es für Banken von entscheidender Bedeutung, – etwa durch digitales Know-how und ver-änderte Methoden der Kreditprü-fung – zu einer verlässlichen Risiko-bewertung zu kommen.

Zugleich spielt der Digitalisie-rungsgrad eines Unternehmens auch bei der Kreditprüfung durch die Bank eine immer wichtigere Rolle. Im aktuellen Umfeld können sich Unter-nehmen darüber hinaus günstig gro-ße Kreditvolumina sichern und diese für Zukäufe nutzen, um sich gegen-über dem Wettbewerb einen ent-scheidenden Vorteil zu verschaffen.

Für 2019 rechnen die UniCredit-Ökonomen mit einem unruhigen Marktumfeld und einer erhöhten Aktienmarkt-Volatilität. Auch die Anleihemärkte könnten belastet wer-den, und es dürfte zu einer Auswei-tung der Risikoaufschläge kommen. Zugleich steigt mit Blick auf anstehen-de Investitionen oder die Finanzie-rung weiteren Wachstums das Inte-resse vieler Unternehmen am Kapital-markt. Dies gilt zunehmend auch im Mittelstand – insbesondere dann, wenn ein Unternehmen, beispielswei-se wegen einer bevorstehenden Über-nahme, hohen Kapitalbedarf hat. Und

VonMarkus Beumer

Vorstandsmitglied der HypoVereinsbank und verantwortlich für die Unternehmer Bank

auch die Börse bleibt – etwa für Wachstumsunternehmen aus dem Tech-Bereich – weiter attraktiv.

Daneben stehen Schuldscheine aktuell hoch im Kurs. Nach UniCre-dit-Berechnungen sollte das Emis-sionsvolumen von Unternehmens-Schuldscheinen 2019 rund 25 Mrd. Euro erreichen und damit auf Vor­-jahresniveau liegen. Da Schuld­-scheine in der Regel nicht gehandelt werden, ist der Markt weniger an­-fällig gegenüber Schwankungen an

den Finanzmärkten. Zudem sind sie – etwa im Vergleich mit Anleihen – günstiger und weniger aufwendig in der Begebung. Insgesamt bleiben Kapitalmarktfinanzierungen attrak-tiv, wobei bei Aktien- und Anleihe-platzierungen das Timing aktuell noch stärker an Bedeutung gewinnt.

„Viele Unternehmen müssen sich etwa mit Blick auf die Digitalisie-rung neu aufstellen und in Innovationen investieren. Denn wer investiert, stärkt die Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens und sichert die Erträge von morgen. Dabei spielt auch das Thema Nachfolge eine wichtige Rolle.“

können durch das wachsende Inves-toreninteresse an nachhaltigen Geld-anlagen von attraktiven Finanzie-rungskonditionen und neuen Inves-toren profitieren.

In der aktuellen Situation sind Unternehmen gut beraten, Investi-tionen gezielt anzugehen und über

die konjunkturelle Schwächephase hinauszudenken. Dabei ist eine ver-trauensvolle Zusammenarbeit zwi-schen Banken und Unternehmen unerlässlich. Mit einer über 150 Jah-re gewachsenen Tradition im deut-schen Markt weiß die HypoVereins-bank, wie wichtig es für hiesige Unternehmen ist, dass sie ihr Bank-partner auch für die nächsten Jahr-zehnte begleitet und ihre strategi-schen Pläne auch in schwächeren Konjunkturzyklen mitträgt. Zugleich sind Banken, die ihre Kunden lang-fristig – häufig über Jahrzehnte und zum Teil über mehrere Generationen hinweg – begleiten, speziell in unru-higen Marktphasen in einer guten Position, um gemeinsam mit den Unternehmen weiter zu wachsen.

„Mit einer über 150 Jahre gewachsenen Tradition im deutschen Markt weiß die HypoVereinsbank, wie wichtig es für hiesige Unternehmen ist, dass sie ihr Bankpartner auch für die nächsten Jahrzehnte begleitet.“

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12. Corporate Banking Tag der Börsen-Zeitung am 26.9.2019 in Frankfurt a. M.

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Sonnabend, 16. März 2019 SONDERBEILAGE Börsen-Zeitung Nr. 53 B5

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Umstellen der Referenzzinssätze gleicht HerkulesaufgabeDie Herausforderungen scheinen gewaltig – Um diese zu meistern, ist ein Anfang bereits heute von zentraler Bedeutung

6. Der Derivatemarkt – Das Herz der Reform ist der Derivatemarkt. Er wird federführend für alle Bereiche der Wirtschaft sein. Maßgeblich sind hier die Vorstöße der ISDA, die bei-spielsweise auf den deutschen Rah-menvertrag ausstrahlen werden.

Derzeit gibt es keine Regelung, wie bei Derivateverträgen zu verfah-ren ist, wenn Ibor eingestampft wird. Folglich beschäftigt sich ISDA mit einer Vorlage, den ISDA Benchmark Supplements, die von Banken in Kür-ze bei Neugeschäft Niederschrift fin-den, und bei der Heilung von Altge-schäft in Form eines Protokolls. Unternehmen sollten sich heute über die Auswirkungen Gedanken machen.

Bei einem Ibor-Wegfall sollen die neuen Referenzzinssätze als Auf-fanglösung einspringen. Diese Tagesgeldsätze werden über die jeweilige Periode rückwirkend ermit-telt und verzinsen sich laufend. Der Risikoaufschlag wird über einen his-torischen Zeitraum ermittelt und an einem Stichtag festgeschrieben. Folglich wird es Gewinner und Ver-lierer geben.

7. Vom gewohnten Terminsatz zum Tagesgeldzinssatz – Unterneh-men haben sich daran gewöhnt, Zins-sätze und daraus resultierende Geld-flüsse im Voraus zu kennen. Die neue Welt sieht langfristig keine Termin-zinssätze mehr vor. Anstelle des Alt-bekannten wird in Zukunft ein Tagesgeldzinssatz stehen.

Hier könnten Unternehmen umdenken. Wer mittelfristig auf Ter-minsätze verzichtet, erspart sich Absi-cherungskosten, greift auf bestmögli-che Liquidität zurück, agiert nach den Wünschen des Regulators und redu-ziert die Anfälligkeit für Manipulatio-nen. Dass dies funktioniert, zeigt der Sonia-Markt für variable Anleihen exemplarisch. Emittenten und Inves-toren stellen auf den vor einem Jahr noch ungebräuchlichen Referenz-zinssatz um. Dieses Jahr wurde keine Benchmark-Anleihe mehr auf GBP-Libor Basis emittiert.

8. Verzinsung mit Tagesgeldzins-sätzen – Bei den Grundgeschäften gibt es Möglichkeiten, die Verzinsung auf Tagesgeldzinssätze anzupassen. Eine ist, den Tagesgeld­zinssatz mit-

tels Zinseszins fortl­aufend zu berech-nen und am Ende der Periode ein längeres Zeitfenster, wie etwa fünf Tage, für die Abwicklung zu verein-baren. Eine weitere ist, die Beobach-tungsperiode von der Zinsperiode abzukoppeln. Bei SOFR hat sich daneben eine Variante ergeben, bei der die Beobachtungspe­riode am Ende, beispielsweise fünf Tage vor Abrechnung, in Stein gemeißelt wird, also der Zinssatz für die verbleiben-den fünf Tage gleich bleibt.

9. Ungewissheit künftiger Zah-lungsströme – Um Sicherheit für bevorstehende Perioden zu erzielen, kann man auf Derivate oder feste Zinssätze zurückgreifen. Die Liquidi-tät wird bei Derivaten, die auf die neuen Referenzzinssätze abstellen, am höchsten sein. Alternativ kann für interne Berechnungen auch ein auf bekannten Modellen basierender Terminsatz herangezogen werden, um etwa interne Dienstleistungen abzurechnen.

10. Die bilanziellen Heraus­for­-derun­gen – Eine Schwierigkeit bei der Reform ist die Auswirkung auf die Rechnungslegung. Möglicher-weise wird Ibor bei der Diskontie-rung von finanziellen und nichtfi-nanziellen Posten herangezogen. Eine Änderung des Zinssatzes würde folglich auch bilanzielle Wertansätze ändern und möglicherweise GuV-Auswirkungen nach sich ziehen.

Sollte ein Unternehmen nach der Reform die alten Referenzen weiter-hin im Bestand haben, resultiert dies eventuell in Bewertungsproblemati-ken und Offenlegungspflichten. Daher ist es ratsam die Dokumenta-tion heute bereits anzupassen.

11. Handlungsalternativen – Es ist empfehlenswert, Auffanglösungen in allen bestehenden Geschäften ein-zuarbeiten und so mehr Vertragssi-cherheit zu schaffen. Die übergeord-nete Absicht ist, dass diese nie in Anspruch genommen werden. Ibor-Altgeschäft könnte im Einklang mit der Entwicklung der neuen Referen-zen geschlossen, ersetzt oder ange-passt werden, bevor Auffangbestim-mungen in Kraft treten.

12. Neue Schwankungen – Die neuen Referenzzinssätze schwanken zeitweilig beträchtlich. Beispielswei-

se hat sich SOFR am Jahresanfang um 45 bps über Nacht verteuert. Betrachtet man jedoch den dreimo-natigen SOFR-Durchschnitt und ver-gleicht ihn mit dem dreimonatigen USD-Libor ist er historisch gesehen weniger volatil. Auch eine Analyse der Schwankungsbreite von Zins-swaps, basierend auf Tagesgeldsät-zen versus Libor, zeigt keine erhöhte Volatilität bei Absicherungsinstru-menten. Interessanterweise zeigte

der Drei-Monats-USD-Libor letztens ein auffälliges Verhalten, nachdem er das zweite Mal im Februar um ca. 4bps auf Tagesbasis abstürzte. Erklä-rungen, im Unterschied zur neuen Referenz, sind Mangelware.

All diese Herausforderungen scheinen gewaltig. Um diese zu meis-tern und letzten Endes dem Regula-tor, König Eurystheus, zu folgen, ist ein Anfang bereits heute von zentra-ler Bedeutung.

Börsen-Zeitung, 16.3.2019Die Finanzbranche stellt sich auf neue Referenzzinssätze ein, die im Gegensatz zu Libor und Euribor (im Folgenden Ibor) „sicher“ und risiko-los sein sollen. Doch diese Umstel-

lung ist so tiefgreifend, dass sie den zwölf Aufgaben gleicht, die Herkules zu bewältigen hatte.

1. Herr der Lage sein – Ein guter Überblick ist unabdingbar. Demzu-folge ist eine zentrale Anlaufstelle in einem Unternehmen, beispielsweise im Rahmen eines Projektes hilfreich, um die facettenreichen Aspekte der Reform ganzheitlich abzudecken. Diese soll die Koordination der ein-zelnen Aufgaben ermöglichen und sich wie ein Spinnennetz über alle Einheiten erstrecken.

2. Wo ist mein Risiko? – Zunächst ist es wichtig, eine Inventur zu erstel-len. Diese soll Aufschluss darüber geben, wo Ibor im Unternehmen ver-wendet wird. Zentral sind Vertrags-konditionen, Volumen, Restlaufzei-ten und die Auffanglösungen für einen Wegfall der Referenzzinssätze. In einem zweiten Schritt sollten die Auswirkungen auf die Gewinn-und-Verlust-Rechnung (GuV), die Buch-haltung, die Bewertungen, die IT-Systemlandschaft sowie die rechtli-chen Folgen untersucht werden.

3. Eine Übersicht der Buchstaben-suppe – In Euroland steht die neue „unbesicherte“ Referenz Ester (Euro Short Term Rate) fest und wird ab Oktober dieses Jahres publiziert. Ester löst Eonia als Tagesgeldsatz ab und langfristig auch Euribor. Eine Verlängerung der Galgenfrist für Eonia und Euribor um zwei Jahre bis

Ende 2021 wurde kürzlich erst ratifi-ziert. In England hat sich Sonia etab-liert und in den USA nimmt SOFR (Secured Overnight Financing Rate) Gestalt an. In der Schweiz ist Saron (Swiss Average Rate Overnight) und

in Japan Tona (Tokyo Overnight Average Rate) auf dem Vormarsch.

Die Entwicklungen der unterschiedlichen Refe-renzzinssätze sind in diver-sen Ländern uneinheitlich fortgeschritten. Diese zu verfolgen, ist unentbehr-lich. Beispielsweise wurde kürzlich noch spekuliert, dass der Handel in SOFR-Derivaten kaum fortge-schritten ist. Nun hat LCH SwapClear, die Verrech-nungsstelle für Zinsderiva-

te, bekannt gegeben, dass alle USD- Zinsprodukte im zweiten Halbjahr 2020 auf SOFR diskontiert und die Finanzierungskosten für Sicherhei-ten ermittelt werden. Dies ist ein fun-damentales Zeichen, dass SOFR hier die Zukunft ist.

4. Der Kapitalmarkt – Bestehende mit Ibor verzinste Emissionen und Restlaufzeiten über das Jahr 2021 sind mit Unsicherheit behaftet. Bei älteren Wertpapieren gibt es keine Auffanglösung. Hier würde die letzte offizielle Zinsfeststellung in alle Ewig-keit fortgeschrieben und die variable Emission faktisch in eine feste konver-tiert. Bei neuen Anleihen, speziell mit langen Laufzeiten, sollte kein Ibor mehr verwendet werden. Zudem ist es zweckmäßig auf Risiken in den Prospekten hinzuweisen und klare Auffanglösungen zu vereinbaren.

5. Der Kredit – Generell ist in Alt-kreditverträgen keine Auffanglösung bedacht. Hier wird nur die zeitweili-ge Nichtverfügbarkeit festgelegt. Schlussendlich müssten die Refinan-zierungskosten des Kreditinstitutes ermittelt und offengelegt werden. Dies ist nicht praktikabel. Daher empfiehlt es sich, schon heute Vor-sorge zu treffen und beispielsweise im Kreditvertrag die Erleichterung von Vertragsänderungen zu ermögli-chen. Hierzu gibt es bereits ein Mus-ter, an dem sich Neuverträge orien-tieren können.

VonThomas Epple

Head of Financial Markets bei ING Wholesale Banking Germany

Digitalisierung mischt die Karten neuHarter Wettbewerb im Firmenkundensegment intensiviert sich

Börsen-Zeitung, 16.3.2019Der strategische Fokus von Banken in Deutschland hat sich in der Dekade seit der Finanzkrise in drei Schritten verlagert: Nach dem Beinahe-Zu-sammenbruch des Finanzsystems galt es zunächst, die Institute zu sta-bilisieren und Risiken abzubauen. In

der nächsten Phase führten Banken zahlreiche Kostensenkungsprogram-me ein, gaben defizitäre Geschäfts-felder auf und bauten Personal ab. Mittlerweile haben viele Kreditinsti-tute zurück in den Angriffsmodus geschaltet, sie konzentrieren sich auf die Weiterentwicklung ihrer Ge­-schäftsmodelle und die Steigerung der Erträge: „Gas geben“ hallt wieder über die Bankenflure.

Möglichst umfassend bedienen

Das klassische Firmenkundenge-schäft steht dabei mit einem für 2018 geschätzten Ertragstopf von gut 20 Mrd. Euro im Zentrum der Wachs-tumsstrategie zahlreicher Institute. Für viele Banken ist der naheliegen-de Wachstumshebel allerdings nicht allein die Neukundengewinnung, sondern vor allem die Steigerung der Ertragsproduktivität bei Bestands-kunden. Das klassische Kreditge-schäft bildet mit 66 % des Ertrags-potenzials das Ankerprodukt – weist jedoch in den vergangenen Jahren rückläufige Margen auf. Banken set-zen daher darauf, ihre Kunden mög-

lichst umfassend zu bedienen. Start-punkt einer profitablen Wachstums-strategie ist deshalb die Analyse des gesamten Share of Wallet pro Kunde.

Neben dem Kreditgeschäft stellt das Cash Management den nächsten, wesentlichen Ansatzpunkt zur Vertie-fung der Kundenbeziehung dar. Die

Markterfahrung zeigt, dass Kunden, die einer Bank ihr Cash Management anver-traut haben, auch einen wesentlichen Anteil ihrer weiteren Bankgeschäfte über diesen Partner tätigen. Dazu gehören beispielswei-se Trade-Finance-Produk-te. Banken können sich durch dieses kombinierte Flow-Geschäft rund 24 % des weiteren Marktpoten-zials erschließen.

In der Position als Kern-bank gelingt es ihnen

zudem leichter, sich im Rennen um die margenstarken Markets- und Cor-porate-Finance-Produkte die Pole-Po-sition zu erarbeiten. Die schrittweise Nutzung dieser Ertragspotenziale for-dert von Banken einen differenzierten Kundenfokus, zielgenau abgestimmt auf Sektoren und Regionen, damit sie Marktanteile im fragmentierten und hart umkämpften deutschen Firmen-kundenmarkt gewinnen können.

Nicht nur hiesige Player forcierten in den vergangenen Jahren ihre Fir-menkundenaktivitäten. Der deut-sche Mittelstand rückte zunehmend in den Fokus von Auslandsbanken. Der Brexit verstärkt diesen Trend weiter: 2018 war die Anzahl neuer Banklizenzen rekordverdächtig. Banken, die sich für Deutschland als neuen Sitz entscheiden, prüfen den gezielten Angang hiesiger Firmen-kunden – quasi als Beiprodukt ihres Standortaufbaus. Der zunehmende Wettbewerb um deutsche Unterneh-men und eine mögliche Verschie-bung der Marktanteile zwingt Ban-ken, ihr Wertversprechen im Firmen-kundengeschäft zu hinterfragen und zu erneuern.

VonRobert Bischof . . .

Partner bei PwC Strategy& Deutschland

Hinzu kommt das Wettrennen bei der digitalen Transformation. Nach-dem diese im Privatkundensegment das Tagesgeschäft bestimmt, erreicht die Digitalisierung nun auch im Fir-menkundengeschäft die Agenda der Chefstrategen. Die Auswirkungen variieren je nach Kundensegment. Im

Geschäft mit Firmen- und Großkun-den steht die persönliche Beziehung im Mittelpunkt, laut einer Studie von Strategy &, der Strategieberatung von PwC, ist sie sogar das wichtigste Auswahlkriterium für (bevorzugte) Bankpartner.

Das Element der persönlichen Beziehung kann mit digitalen Kom-ponenten zukunftsfest gemacht wer-den. Digitale Instrumente und Pro-zesse sollten Banker von administra-tiven Aufgaben befreien und die Zeit für den Kunden maximieren. Eine überzeugende Kundenerfahrung, die auf digitalen Fähigkeiten und der persönlichen Betreuung basiert, wird zum wesentlichen Hebel, um identi-fizierte Ertragspotenziale in der bestehenden Kundenbasis zu nutzen und Neukunden zu gewinnen. Diese Differenzierung ist notwendig, da die Bereitschaft von Firmenkunden, den Wechsel eines bevorzugten Bank-partners oder gar der Hausbank zu erwägen, gering ist.

Folglich geht der Trend im klassi-schen Firmenkundengeschäft nicht zur digitalen Vollbank. In der Ten-denz beschränken sich digitale Bank-

angebote bisher auf einzelne Pro-duktgruppen – insbesondere getrie-ben durch selektive Attacken von Fin-techs. Auch diese Entwicklung drückt sich deutlich differenzierter aus als im Privatkundengeschäft. Im Firmen-kundengeschäft reagieren zahlreiche Fintech-Angebote bereits auf jene

Kundennachfrage, die von Banken ganz bewusst unge-hört bleibt.

Vor diesem Hintergrund positionieren sich erfolgrei-che Banken vermehrt mit digitalen Value-Added-Ser-vices abseits des Kernbank-geschäfts. Ein modulares Ökosystem baut be­-stehende Kundenbeziehun-gen aus und hilft dabei, die Kundenschnittstelle lang-fristig zu verteidigen und die Marktposition abzusi-chern. Mit fortschreitender

Digitalisierung ist davon auszugehen, dass diese Angebote zu neuen Markt-standards werden und zum Gesamt-paket des zukünftigen Kernangebots hinzuwachsen.

Die Digitalisierung mischt die Kar-ten im Firmenkundengeschäft neu und intensiviert den bereits harten Wettbewerb. Banken müssen die individuellen Kundenbedürfnisse in den Fokus stellen und ihr Geschäft danach ausrichten. In der Konse-quenz müssen sie die Segment­-grenzen „neu denken“ und den tat-sächlichen Kundenbedürfnissen an­-passen, um sinnvolle und kun­-dengerechte digitale Angebote zu schaffen.

Kundensegmente allein anhand von Umsatzgrößen zu definieren, könnte bald der Vergangenheit ange-hören. Big-Data-Analysen liefern wertvolle Einblicke, um komplexere Kriterien zu erarbeiten. Die Praxis-erfahrung zeigt, dass hierbei die neue Technologie weniger die Herausfor-derung ist, sondern vielmehr die Ver-fügbarkeit und strategische Nutzung der Daten im Rahmen des zukünfti-gen Marktangangs.

. . . undFelix Becht

Manager bei PwC Strategy& Deutschland

Firmenkundengeschäft der Zukunft

Die digital vernetzte Bank – Veränderte Erwartungen

Börsen-Zeitung, 16.3.2019Banking hat für den Mittelstand in einer ökonomisch nach wie vor stabi-len Situation in Verbindung mit der Niedrigzinsphase kaum Relevanz. Der Anteil des Finanzdienstleistungsauf-wands am Aufwand der Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Unternehmen liegt durchschnittlich bei ca. 1,5 %.

Seit der Finanzkrise ist zudem der Anteil der Unternehmen mit Finanzie-rungsengpässen stark auf nur noch 3 % aller Unternehmen gesunken.

Banking hat aus einer rein ökono-mischen Perspektive für die Unter-nehmen augenscheinlich geringe

Relevanz. Aus zeb-Tiefeninterviews mit Mittelständlern sind drei Kun-denerwartungen der Zukunft ersicht-lich. Erstens ein tiefes Verständnis des Geschäftsmodells und der digita-len Transformation des Unterneh-mens. Zweitens eine weiterführende Vernetzung der Bank- und Unterneh-menssphäre. Drittens der Anspruch auf Lösungen ohne Zeitverlust für das Unternehmen.

Die Banken stehen untereinander im harten Wettbewerb in einem Markt, der nicht mehr substanziell wächst. Das hat inzwischen seine Spuren hinterlassen. So sind die Neu-geschäftsmargen im besonders hart umkämpften Geschäft mit Investi-tionskrediten (> 1 Mill. Euro, 1 – 5 Jahre Zinsbindung) seit 2012 um 35 % zurückgegangen. Bei den weni-ger umkämpften Krediten an wirt-schaftlich Selbständige unter 1 Mill. Euro mit bis zu 1 Jahr Zinsbindung sind die Margen dagegen sogar gestiegen, da hier die Refinanzie-rungsvorteile den auch dort sinken-den Kundenzins überkompensieren. Beim Blick auf die Margen insgesamt ergibt sich also ein sehr differenzier-tes Bild mit großen Spreizungen ent-lang der unterschiedlichen Segmen-te des Firmenkundengeschäftes.

In diesem Umfeld waren zuletzt Regionalbanken mit klassischen Relationship-Ansätzen wie Marktnä-he, Betreuungskontinuität und Ent-scheidern vor Ort die Gewinner im Verdrängungswettbewerb innerhalb der Banken. Sie konnten ihren Ertragsmarktanteil in den letzten fünf Jahren von 40 % auf 46 % ausbauen.

Doch bleibt dieser Ansatz das allei-nige Erfolgsrezept für die Zukunft? Die neuen, digitalen Wettbewerber (Fintechs und Big Techs) greifen ver-stärkt beim transaktionsintensiven Geschäft an. Das Bankgeschäft der traditionellen, inländischen Banken gerät weiter unter Druck. Die sechste zeb.Firmenkundenstudie zeigt auf,

welche strategischen Anpassungser-fordernisse sich im Zuge der voran-schreitenden Digitalisierung für das Firmenkundengeschäft der Zukunft ergeben. Im Kontext der Digitalisie-rung sieht zeb vier strategische Handlungsfelder:

1. Ausbau Portale und Erhöhung der Online-Abschlussfähigkeit

Firmenkundenportale mit einer hohen User Con-venience und banküber-greifender End-to-End-Transaktions- und Pro-duktverfügbarkeit schaffen Kundenmehrwerte und erfüllen die Kundenanfor-derung „Lösungen ohne Zeitverlust“. Der Erfolgs-faktor beim Ausbau der Portale liegt in einer agilen Realisierung mit einem ite-rativen Vorgehen und hoher Kundenzentrierung. Die Bankindustrie ist hier

aktuell durchgängig mit integrierter Konzeption und Umsetzung beschäf-tigt, aber derzeit noch unterschied-lich weit vorangekommen. Best Prac-tices finden sich insbesondere auf internationaler Ebene.

2. Digitale Aufladung der Fir-menkundenbetreuer

Der Firmenkundenbe-treuer bleibt auch in Zukunft ganz zentraler Anker der Kunde-Bank-Be-ziehung, er muss sich aber verändern und unter ande-rem durch eine „digitale Aufladung“ an Relevanz, Qualität und Effizienz gewinnen. Zur digitalen Aufladung gehören auto-matisierte Grundlagenin-formationen (Walletinfor-mationen etc.), Vertriebs-impulse („Next best action

to take“) und Mehrwertinformatio-nen (Branchenvergleiche, Ratingsi-mulationen etc.) durch die Vertriebs-aktivitäten gezielt und datengestützt („Sales Analytics“) optimiert werden. Hier liegt ein großes Handlungsfeld für alle Banken. Gegenüber dem Kun-den entwickelt sich der Firmenkun-denbetreuer damit zunehmend zu einem topinformierten strategischen Partner auf Augenhöhe, wodurch die Banken bessere Kundenausschöpfun-gen und effizientere Betreuungsrela-tionen erreichen können.

3. Ergänzung von „Beyond-Ban­-king“-Dienstleistungen

Ausgehend von der geringen Rele-vanz des Banking für die Unterneh-men sollten Banken die mögliche Erweiterung ihres Angebots um Near- und Non-Banking-Leistungen im Sinne des Aufbaus eines Ökosys-tems für Unternehmen überprüfen. Zu den erbrachten Leistungen kön-nen beispielsweise Co-Working-Spa-ces, Digitalisierungsberatung, Rech-nungsservice oder Buchhaltungs-dienstleistungen gehören. Auf diese Weise kann die Bank die Kunden-schnittstelle sichern und mit Rele-vanz aufladen und unter anderem als Orchestrator der in ihrem Ökosystem angebotenen analogen und digitalen Dienste agieren.

4. Einstieg in PlattformökonomieMit dem zunehmenden Trend zu

Plattformlösungen wird der strategi-sche Optionenraum für das Ge­-schäftsmodell auch im Firmenkun-dengeschäft erweitert. Banken kön-nen im Rahmen der Plattformökono-mie – abhängig von ihrer individuel-len Ausgangssituation – als reiner „Producer“ oder als „(Co-)Owner“ beziehungsweise „Technologie-Pro-vider“ fungieren. Erste Marktteilneh-mer haben mit der Umsetzung von Plattformlösungen im Firmenkun-dengeschäft begonnen und dabei zum Teil auch bereits „Beyond-Ban­-king“-Dienstleistungen integriert.

VonJens Sträter . . .

Partner bei zeb

. . undAndré Hasken

Senior Manager bei zeb

B6 Börsen-Zeitung Nr. 53 SONDERBEILAGE Sonnabend, 16. März 2019