SoVD Magazin 02_2015

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SoVD Magazin Herausgegeben vom Sozialverband Deutschland 02 2015 Mindestlohngesetz nicht aufweichen

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Magazin des Sozialverband Deutschland SoVD Menschen mit Behinderung Rente Pflege Soziales im Blick

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SoVD MagazinHerausgegeben vom Sozialverband Deutschland

022015

Mindestlohngesetz nicht aufweichen

Page 2: SoVD Magazin 02_2015

Über uns

Eine starke Gemeinschaft

Der Sozialverband Deutschland (SoVD)

vertritt die Interessen der Rentner, der

Patienten und gesetzlich Krankenversi-

cherten sowie der pflegebedürftigen und

behinderten Menschen. Wir set-

zen uns für Ihre Rechte ein und

bieten unseren Mitgliedern Be-

ratungsstellen in ganz Deutsch-

land. Dort erhalten sie Hilfe bei

Fragen zur gesetzlichen Kran-

ken-, Renten- und Pflegeversicherung oder

in behindertenrechtlichen Dingen. Soziale

Gerechtigkeit steht im Mittelpunkt unserer

Arbeit. Wir setzen uns für den Ausbau

und den Erhalt der sozialen Sicherungs-

systeme ein. Der Sozialstaat ist ein wich-

tiges Auffangnetz für die Menschen – das

zeigt sich gerade in der jetzigen Wirt-

schaftskrise. Uns geht es auch um Chan-

cengleichheit, zum Beispiel um

die Bildung und Ausbildung, die

unsere Gesellschaft behinder-

ten und benachteiligten Kindern

und Jugendlichen bietet.

Der SoVD ist eine starke Ge-

meinschaft mit rund 560 000 Mitgliedern.

Bei uns können Sie sich engagieren und

mit anderen gemeinsam aktiv werden. Ei-

ner von über 3000 Ortsverbänden befin-

det sich bestimmt auch in Ihrer Nähe.

– 2 –

Die bundesweit über 560 000 Mitglieder des SoVD bilden eine starke Gemeinschaft.

Page 3: SoVD Magazin 02_2015

Inhalt

Mindestlohn nicht aufweichen

Belastungsgrenzen erreicht?

Profitieren sollen alle

Besser Festpreis vereinbaren

Wie barrierefrei sind wir?

Seite 4 – 9

Seite 20 – 24

Seite 26 – 29

Seite 30 – 31

Seite 10 – 19

SoVD wendet sich gegen Korrekturen an

dem hart erkämpften Mindestlohngesetz.

Gesetzlich Versicherte müssen Zusatzbeiträ-

ge zahlen, können aber gegebenenfalls die

Krankenkasse wechseln.

Am Jobmarkt steigt die Zahl arbeitsloser

Menschen mit Behinderung.

Tipps zum richtigen Umgang mit Handwer-

kern und Kundendienst.

Menschen mit Behinderung müssen in ihrem

Alltag noch immer Hürden überwinden.

– 3 –

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Titelthema – 4 –

SoVD schaltet sich ein: Gesetz über einen längeren Zeitraum prüfen – schon jetzt zu viele Ausnahmen

Das Mindestlohngesetz nicht aufweichen

Arbeitgeber sind laut Min-

destlohngesetz verpflichtet,

für bestimmte Arbeitnehmer

die Arbeitszeit aufzuzeich-

nen. Dies gilt insbesondere

für Bereiche, bei denen das

Risiko für einen Verstoß ge-

gen den Mindestlohn hoch

ist. Ab einem Verdienst von

2958 Euro pro Monat entfällt

die Dokumentationspflicht.

Wirtschaftslobbyisten stellen

diese Regelung infrage. Sie

wollen die Grenze auf 1900

Euro absenken. Auch die Uni-

on fordert Korrekturen. Da-

mit gerät das hart erkämpf-

te Mindestlohngesetz direkt

nach dem Inkrafttreten unter

Druck. Der SoVD hat sich in

die Debatte eingeschaltet.

Der Sozialverband Deutschland

(SoVD) ruft dazu auf, Angriffe auf

den Mindestlohn umgehend einzu-

stellen. „Drei Wochen nach dem In-

krafttreten kann keine seriöse Prüfung

der Regelungen erfolgen“, erklärte

SoVD-Präsident Adolf Bauer zu den

Vorstößen. „Die Bundesregierung ist

gut beraten, wenn sie kühlen Kopf

behält und die Auswirkungen des

Mindestlohns über einen sachgerech-

ten Zeitraum evaluiert.“

Erfahrungen mit dem

Mindestlohn evaluieren

Auch andere Sozialverbände und Ge-

werkschaften wehren sich gegen ent-

sprechende Forderungen aus Politik

und Wirtschaft nach weniger Doku-

mentationspflicht, die – so schien es –

im Ansatz Unterstützung von Bundes-

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Titelthema– 5 –

SoVD schaltet sich ein: Gesetz über einen längeren Zeitraum prüfen – schon jetzt zu viele Ausnahmen

Das Mindestlohngesetz nicht aufweichen

Zeitungsausträger haben im Jahr 2015 nur Anspruch auf 75 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns. 2016 sind es 85 Prozent. Erst 2017 müssen die vollen 8,50 Euro ge-zahlt werden. Schon jetzt weichen Arbeitgeber auf unter 18-jährige Austräger aus.

Foto: Fiedels/ fotolia

kanzlerin Angela Merkel erhielten. Sie

plädieren dafür, zunächst Erfahrungen

mit dem Mindestlohn zu machen und

diese dann in einem angemessenen

Zeitraum auszuwerten.

Deutschland ist das 21. EU-Land mit

Mindestlohn. Die flächendeckende Re-

gelung ist die erste seit Bestehen der

Bundesrepublik. Von der gesetzlichen

Neuregelung profitieren nach offizi-

ellen Angaben seit Jahresbeginn fast

vier Millionen Arbeitnehmer. Wäh-

rend im ersten Schritt die Regierung

den Mindestlohn festgelegt hat, ent-

scheiden über künftige Anpassungen

alle zwei Jahre wieder die Tarifpart-

ner in einer Mindestlohnkommission.

Der Mindestlohn entspricht bei einer

40-Stunden-Woche einem Monatsge-

halt von brutto 1 473 Euro. Für eini-

ge Branchen gelten jedoch weiterhin

Übergangsregelungen und Ausnah-

men. Erst ab 1. Januar 2017 greift

der Mindestlohn, wie er dann von der

Mindestlohnkommission beschlossen

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Titelthema – 6 –

ist, ausnahmslos für alle Arbeitnehmer

über 18 Jahren.

Der SoVD, der sich vor dem Hin-

tergrund steigender prekärer Be-

schäftigungsformen und wachsender

Altersarmut seit langem für einen

gesetzlichen Mindestlohn eingesetzt

hat, macht sich mit Nachdruck ge-

gen die noch bestehenden Ausnah-

men stark. So kritisiert der Verband,

dass die Regelungen etwa durch

derzeit noch geltende Tarifverträge

unterlaufen werden können. Dies be-

trifft zum Beispiel Arbeitnehmer aus

dem Hotel- und Gaststättengewerbe,

aber auch anderen Branchen wie der

Landwirtschaft, in denen körperlich

anstrengende Tätigkeiten zu nied-

rigsten Löhnen verrichtet werden.

Auch die Tatsache, dass Langzeitar-

beitslose in den ersten sechs Monaten

eines neuen Jobs nicht nach Mindest-

lohn bezahlt werden müssen, ist nach

Überzeugung des Verbandes nicht hin-

nehmbar. „So können Arbeitgeber den

Mindestlohn dauerhaft umgehen, in-

dem sie Arbeitsplätze immer nur kurz-

fristig, also höchstens ein halbes Jahr,

mit Langzeitarbeitslosen besetzen,“

befürchtet SoVD-Präsident Bauer.

Keinen Mindestlohn erhalten zudem

Auszubildende. Ihre Entlohnung rich-

tet sich wie bisher nach dem Berufs-

bildungsgesetz. Ausgenommen sind

darüber hinaus verpflichtende Prak-

tika in der Ausbildung.

Jugendliche einbeziehen

in Mindestlohnerfüllung

Auch Jugendliche unter 18 Jahren

haben keinen Anspruch auf Min-

destlöhne. Das damit einhergehende

Argument, junge Menschen würden

durch einen entsprechend vergüteten

Job von einer weniger gut bezahlten

Ausbildung abgehalten, greift aus So-

VD-Sicht zu kurz: Schon heute können

Jugendliche kurzfristig gesehen mehr

Geld verdienen, wenn sie Tätigkeiten

ohne Ausbildung ausüben als wäh-

rend ihrer Lehrzeit. Ein niedriger Lohn

für Jugendliche birgt außerdem auf

längere Sicht die Gefahr, dass älte-

re durch jüngere Arbeitnehmer vom

Markt verdrängt werden.

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Titelthema– 7 –

Sie schuften auf Spargel- und Erd-beerfeldern – doch bis zum 1. Janu-ar 2017 dürfen Arbeitgeber Kost und Logis, die sie ihren Saisonar-beitern gewähren, auf den Min-destlohn anrechnen.

Foto: Gerhard Seybert / fotolia

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Titelthema – 8 –

Besondere Regelungen

in der Pflege

Die Pflegekommission hat seit Jahres-

beginn einen eigenen Pflege-Mindest-

lohn festgelegt. Dieser liegt über dem

allgemeinen Mindestlohn. Er liegt

bei 9,40 Euro pro Stunde im Westen

und 8,65 Euro im Osten und steigt

in zwei Schritten bis Januar 2017

auf dann 10,20 Euro im Westen und

9,50 Euro im Osten. Seine Laufzeit

endet am 31. Oktober 2017. Er gilt

auch für ausländische Arbeitnehmer,

wenn sie hier in einem in- oder ei-

nem ausländischen Pflegebetrieb an-

gestellt sind. In Privathaushalten gilt

seit Jahresbeginn der allgemeine ge-

setzliche Mindestlohn.

Was bedeutet

gesetzlicher Mindestlohn?

Das Gesetz zur Stärkung der Tarifau-

tonomie ist am 16. August 2014 in

Kraft getreten. Das Gesetz beinhaltet

unter anderem das Gesetz zur Re-

gelung eines allgemeinen Mindest-

lohns, das den flächendeckenden

Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je

Zeitstunde seit dem 1. Januar regelt.

Außerdem enthält es Regelungen

für die Allgemeinverbindlichkeit von

Tarifverträgen und die Ausweitung

des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes,

ein Gesetz, auf dessen Grundlage in

Deutschland in bestimmten Branchen

Mindeststandards für Arbeitsbedin-

gungen festgelegt werden können

Page 9: SoVD Magazin 02_2015

Titelthema– 9 –

Das Mindestlohngesetz sieht Do-kumentationspflichten vor: Ar-beitgeber müssen Arbeitszeiten aufzeichnen. Foto: dessauer / fotolia

Wenn Arbeitgeber den Mindestlohn

nicht zahlen, können Arbeitneh-

mer dieses unter der vom Bundes-

ministerium für Arbeit und Sozia-

les (BMAS) freigeschalteten Hotline

(Tel.: 030/ 60 28 00 28) montags bis

donnerstags von 8 bis 20 Uhr an-

onym melden. Die Finanzkontrolle

Schwarzarbeit (FKS), die seit Janu-

ar 2015 auch kontrollieren soll, dass

die gesetzliche Lohnuntergrenze ein-

gehalten wird, wird den Fall dann

weiterverfolgen. Das Gesetz sieht

für Verstöße gegen den Mindestlohn

drastische Strafen von bis zu 500 000

Euro vor.

Info

Page 10: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik – 10 –

Foto: sudok1 / fotolia

Menschen mit Behinderung müssen in ihrem Alltag einige Hürden überwinden

Wie barrierefrei ist Deutschland?

Am 24. Februar ist es

sechs Jahre her, dass

Deutschland die Behin-

dertenrechtskonvention

der Vereinten Nationen

(UN) anerkannt hat. Seit

diesem Tag besitzt jeder

Mensch einen rechtlichen

Anspruch auf selbstbe-

stimmte Teilhabe. Das gilt

für alle Lebensbereiche

und unabhängig von be-

stehenden körperlichen

oder geistigen Einschrän-

kungen. Der Oberbegriff

für das gleichberech-

tigte Zusammenleben

von Menschen mit und

ohne Behinderung lau-

tet Inklusion. Doch wie

inklusiv ist unsere Ge-

sellschaft heute? Hat

wirklich jeder die glei-

che Chance auf Teilha-

be oder anders formu-

liert: Wie barrierefrei ist

Deutschland im Jahr sie-

ben der UN-Konvention?

Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen stehen im Alltag immer wieder vor Barrieren. Oft ließe sich das vermeiden, denn wer behindert ist, muss es noch lange nicht werden.

Fotos: elypse, Claudia Löw, Agence DER / fotolia

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Sozialpolitik– 11 –

Menschen mit Behinderung müssen in ihrem Alltag einige Hürden überwinden

Wie barrierefrei ist Deutschland?

Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen stehen im Alltag immer wieder vor Barrieren. Oft ließe sich das vermeiden, denn wer behindert ist, muss es noch lange nicht werden.

Fotos: elypse, Claudia Löw, Agence DER / fotolia

Page 12: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik – 12 –

Wurde Integration früher eher aus

Wohlwollen gewährt, so besteht mit

der Inklusion jetzt ein einklagbares

Recht. Dieses gilt für alle gesellschaft-

lichen Bereiche, nehmen wir zum Bei-

spiel die Bildung. Die UN-Konvention

überlässt alleine den Eltern eines be-

hinderten Kindes die Entscheidung, ob

dieses eine spezielle Einrichtung oder

eine inklusive Regelschule besuchen

soll. Über die Umsetzung der Idee des

gemeinsamen Lernens wird seither lei-

denschaftlich diskutiert. Obwohl sich

die Politik längst zur Inklusion an Schu-

len bekannt hat, mangelt es jedoch an

der konkreten Umsetzung.

Wer unberechtigt auf einem Behindertenpark-platz stand, erhielt letztes Jahr einen Hinweis vom SoVD: „Sie haben meinen Parkplatz! Wollen Sie auch meine Behinderung?“ Hier versucht Bernhard Sackarendt vom Kreisverband Emsland Falschpar-ker zu mehr Rücksicht im Alltag zu bewegen.

Foto: Heinrich Schepers/ fotolia

Page 13: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik– 13 –

Eine Rampe für Rollstühle

macht noch keine Inklusion

Unser Schulsystem basiert bisher auf Leis-

tung. Anhand der Noten entscheidet sich

wer aufs Gymnasium wechselt oder gar

studiert. Nicht wenige Eltern haben daher

Angst, ein Kind mit Förderbedarf könn-

te die Klasse insgesamt aufhalten. Diese

Sorge ist unberechtigt – vorausgesetzt al-

lerdings, wir statten inklusive Schulen an-

gemessen mit dem notwendigen Personal

und Material aus. Mit einer Rampe für

Rollstühle ist es nicht getan.

Von Inklusion sind wir bei der Bildung

weit entfernt. Noch immer besuchen sie-

ben von zehn Kindern mit sozialpädago-

gischem Förderbedarf eine Sonderschule,

auch wenn die jetzt Förderschule heißt.

Auch hier sind die Lehrkräfte mit Sicher-

heit sehr engagiert und leisten eine gute

Arbeit. Und ganz ohne Frage gibt es

schon jetzt zahlreiche gute Beispiele, wo

inklusiver Unterricht an Regelschulen funk-

tioniert. Im Vergleich mit anderen europä-

ischen Staaten ist Deutschlands Bildungs-

system bei der Umsetzung von Inklusion

jedoch eines der Schlusslichter. Hier muss

die Politik nachsitzen.

Erfolge lassen sich dagegen hinsichtlich

der Barrierefreiheit öffentlicher Gebäu-

de erkennen. Entsprechende Vorgaben

gibt es mittlerweile in den Bauordnungen

der Bundesländer. Anders sieht es aus,

wenn die Gebäude nicht in den letzten

zehn Jahren errichtet oder zumindest mo-

dernisiert wurden. Bezogen auf die Bar-

rierefreiheit gilt für ältere Gebäude ein

Page 14: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik – 14 –

Bestandsschutz, der sie gleichzeitig wohl

auch davor schützt, von Menschen mit Be-

hinderung betreten zu werden.

Behinderungen sowie damit verbundene

Einschränkungen sind vielfältig, so vielfäl-

tig wie es auch die Menschen selbst sind.

Diesem Umstand tragen viele Regelwerke

im Bereich Barrierefreiheit bisher nur un-

genügend Rechnung. Vorgaben beziehen

sich überwiegend auf körperliche Beein-

trächtigungen. Weniger Berücksichtigung

finden dagegen ältere Menschen oder

Personen mit kognitiven Einschränkun-

gen. Dabei wären gerade sie dankbar

für Formulare und Schriftstücke in leichter

Sprache, etwa bei der Kommunikation mit

Behörden. Und mal ehrlich: Wer von uns

wäre das hin und wieder nicht auch?

Bus und Bahn sind

nicht immer eine Alternative

Wer an der Gesellschaft teilhaben will,

muss sich frei bewegen können. Wie sieht

es also mit dem Bereich Mobilität aus?

Im öffentlichen Nahverkehr geht es heu-

te ein ganzes Stück barrierefreier zu als

noch vor einigen Jahren. Dennoch sind

die Defizite auch hier nicht zu übersehen.

Im Eisenbahnverkehr werden noch immer

Züge eingesetzt, die keine Rollstühle be-

fördern können. Nur jeder zweite Bahn-

hof ist überhaupt barrierefrei erreichbar.

Auch Fernbusse stellen keine Alternative

dar. Barrierefreiheit ist hier die absolute

Ausnahme, gesetzliche Regelungen grei-

fen frühestens in einigen Jahren.

Mit Verboten ist man dagegen weniger

zögerlich: Seit Januar werden Elektro-

mobile, sogenannte E-Scooter, von vie-

len Bussen und Bahnen nicht mehr mit-

genommen. Man fürchtet, diese könnten

während der Fahrt umkippen. Anstatt das

Problem kurzfristig zu lösen, gibt es ein

Beförderungsverbot. Ältere und gehbe-

hinderte Menschen bleiben dadurch an

der Haltestelle zurück.

Teilhabegesetz

statt Sozialhilfe

Wie aber bestreitet man mit einer Behin-

derung überhaupt seinen Lebensunterhalt?

Schließlich müssen die unterschiedlichen

Einschränkungen im Alltag ja irgendwie

ausgeglichen werden. Und das führt zu

einem nicht unerheblichen finanziellen

Mehraufwand.

Bisher erhalten Menschen mit Behinde-

rung Leistungen im Rahmen der Sozial-

Page 15: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik– 15 –

Gesellschaftliche Teilhabe trotz Behinderung – dafür steht Barrierefreiheit.Foto: 2707195204 / fotolia

Page 16: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik – 16 –

hilfe. Hierbei werden eigenes Einkommen

und Vermögen angerechnet. Höchstens

2600 Euro dürfen angespart werden – für

größere Anschaffungen reicht das kaum.

Belastend ist häufig auch die Auseinan-

dersetzung mit den Behörden. Erkennt

beispielsweise das Amt einen konkre-

ten Bedarf nicht an und lehnt diesen ab,

Das Bundeskompetenzzentrum

Barrierefreiheit (BKB) ist ein Zu-

sammenschluss von Sozial- und

Behindertenverbänden, dem

auch der SoVD angehört. Es bie-

tet eine wichtige Plattform, um

gemeinsam an Lösungen für die

Umsetzung von Barrierefreiheit

zu arbeiten. Wir sprachen mit

Klemens Kruse, Geschäftsführer

des Bundeskompetenzzentrums.

bleibt nur der Gang zum Gericht. Nicht

selten geht es hierbei um den Erhalt der

Selbstständigkeit oder die Art der Unter-

bringung. Für die Betroffenen steht somit

ihre Existenz auf dem Spiel.

Mehr Sicherheit verspricht die Bundesre-

gierung für das kommende Jahr. Dann soll

es ein Bundesteilhabegesetz geben, das

Interview mit Klemens Kruse vom Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit

„Wir müssen lernen, Dinge neu zu denken“

Klemens Kruse, Geschäftsführer beim Bundeskompetenzzentrum Barriere-freiheit (BKB)

Foto: Fotostudio Ludwig

Page 17: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik– 17 –

sich am jeweiligen Hilfebedarf orientiert

– weg von der Fürsorge, hin zur Teilhabe.

An dem Gesetzgebungsprozess ist auch

der SoVD beteiligt.

Viele Barrieren gilt es noch

aus dem Weg zu räumen

Eine bisher mangelhafte Umsetzung von

Inklusion an den Schulen, eher verhal-

___Bei Barrierefreiheit haben vie-

le Menschen einen Rollstuhlfahrer

vor Augen, der vor einer Treppe

steht. Ist dieses Bild zu einge-

schränkt?

Barrierefreiheit wird heute sicherlich wei-

ter gedacht als noch vor zehn Jahren. Es

geht dabei auch um die Anforderungen

blinder und sehbehinderter, tauber und

schwerhöriger sowie lern- oder geistig be-

hinderter Menschen. Wenig Wissen ha-

ben wir auch noch über den Bereich von

Menschen mit psychischen Beeinträchti-

gungen.

tene Erfolge bei der Barrierefreiheit von

Gebäuden und dem öffentlichen Nah-

verkehr: Noch immer wird häufig zu

wenig nachgedacht und zu sehr auf De-

fizite geschaut. Um die Vielfalt der Men-

schen und ihre Bedürfnisse jedoch auch

als Chance zu begreifen, muss vor allem

eines beseitigt werden: die Hürde in den

Köpfen.

___Können wir denn mit dem

Stand der Barrierefreiheit soweit

zufrieden sein?

Dort, wo es detaillierte und verpflichtende

Vorschriften gibt, funktioniert es vergleichs-

weise gut. Nachholbedarf besteht unter

anderem bei der Produktion von Waren im

Unterhaltungs- oder Haushaltsbereich. Um

ein Beispiel zu geben: Immer häufiger er-

folgt die Steuerung über glatte Oberflächen,

sogenannte „touch screens“. Ohne eine hin-

terlegte Sprachausgabe sind diese Produkte

für blinde Menschen nicht nutzbar. Das ist

ein unhaltbarer Zustand.

Interview mit Klemens Kruse vom Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit

„Wir müssen lernen, Dinge neu zu denken“

Page 18: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik – 18 –

Automaten, die durch das Berühren eines glatten Bildschirms gesteuert werden, sind für blinde oder sehbehinderte Menschen nicht nutzbar.

Foto: Petra Beerhalter / fotolia

Page 19: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik– 19 –

___Was muss sich in unserem All-

tag verändern?

Wir können den Gedanken der Inklusion

insgesamt noch stärker leben, wobei über

dieses Thema schon sehr viel mehr gere-

det und nachgedacht wird. Inklusion zu

thematisieren, hilft natürlich dabei, für die

Umsetzung von Barrierefreiheit zu sen-

sibilisieren. Wir müssen einfach lernen,

dass Barrierefreiheit bedeutet, die Dinge

neu zu denken. Hierfür müssen wir unsere

gewohnten Strukturen umstellen, und das

ist natürlich nicht immer leicht.

___In einzelnen Supermärkten

gibt es Vergrößerungsgläser an

den Einkaufswagen, damit Ältere

oder Sehbehinderte dort einkau-

fen können.

Das ist ein gutes Beispiel. Ich fürchte je-

doch, dass es nur durch den guten Willen

einzelner Unternehmen nicht funktioniert.

Wir brauchen hier auch unterstützende

Regelungen. Gerade im privatwirtschaft-

lichen Bereich zählt am Ende halt nur der

Profit. Und im Wettbewerb mit anderen

Anbietern ist der Preis ein sehr starkes Ar-

gument. Und das geht dann auf Kosten

der Barrierefreiheit. Das sehen wir gera-

de sehr deutlich im Bereich der Fernlini-

enbusse.

___Haben Sie einen konkreten

Wunsch an die Politik?

Wir müssen schauen, wo Barrierefreiheit

funktioniert. Das ist zum einen der öffent-

liche Verkehr, wo Fördermittel an Barrie-

refreiheit geknüpft sind, und zum anderen

der Bereich von Neubauten, wo entspre-

chende Vorschriften bestehen. Das sind

wichtige Punkte, aus denen wir lernen

müssen, um bei diesem wichtigen Thema

nicht stehen zu bleiben.

Und dann brauchen wir so etwas wie eine

Denkfabrik für Barrierefreiheit, eine feste

Stelle, die Barrierefreiheit kontinuierlich

weiterentwickelt und in die Umsetzung

bringt.

Info

Das Bundeskompetenzzentrum Barriere-

freiheit ist ein Zusammenschluss von 15

bundesweit tätigen Sozial- und Behinder-

tenverbänden. Die großen Behinderungs-

gruppen sind in ihm vertreten. Es bietet

eine Plattform, um gemeinsam mit den für

die Umsetzung von Barrierefreiheit ver-

antwortlichen Expertinnen und Experten

an Lösungen zu arbeiten. Mehr Informa-

tionen finden Sie im Internet unter www.

barrierefreiheit.de

Page 20: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik – 20 –

Erstattungsmöglichkeiten von Zuzahlungen sind begrenzt

Belastungsgrenzen erreicht?

Auch rückwirkend können Kosten erstattet

werden, wenn die Zuzahlungen die indi-

viduelle Belastungsgrenze für das Vorjahr

überschritten haben. Doch die Beantra-

gung zur Erstattung von Zuzahlungen aus

dem Vorjahr gestaltet sich häufig hürden-

reicher als angenommen.

Dies hat vor allem damit zu tun, dass zum

„Einkommen“ nicht nur der Arbeitsverdienst

(auch aus 450-Euro-Jobs) gezählt wird.

Auch Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, Kran-

ken-, Arbeitslosen- oder Elterngeld, Ren-

ten, Zinsen, Mieteinnahmen werden hin-

zugerechnet. Bei den Renten werden zum

Bruttoeinkommen sogar die Kranken- und

Pflegeversicherungsbeiträge addiert. Auch

Unterhaltszahlungen zählen die Kassen

dazu. Kinder- sowie Wohngeld rechnen

hingegen nicht als Einkommen.

Grundsätzlich werden als Familienein-

kommen sämtliche Einnahmen der ge-

meinsam in einem Haushalt lebenden Fa-

milienangehörigen berücksichtigt. Dazu

gehören neben den Versicherten nur der

Ehe- oder der eingetragene Lebenspart-

ner sowie kostenfrei familienversicherte

Kinder. Auszubildende mit eigenem Versi-

cherungsschutz zählen nicht mit.

Sozialhilferegelsatz gilt

als Bruttoeinkommen

Bei Sozialhilfeempfängern wird als Brutto-

einkommen der monatliche Regelsatz an-

gesetzt, jedoch keine sonstigen Zuschläge

(z. B. für die Miete), die den Regelsatz er-

höhen.

Bei schwerwiegend chronisch Kranken,

also vielfach bei Rentnern, ist bereits bei

Gesetzlich Krankenversicherte müssen sich an den Kosten bestimmter Leistungen beteiligen. Grundsätzlich zahlen

Versicherte dabei Zuzahlungen in Höhe von zehn Prozent. Besondere Regelungen bestehen für die Bereiche der sta-

tionären Behandlung. Inbegriffen sind hier stationäre Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen sowie die Kranken-

hausbehandlung einschließlich Anschlussheilbehandlung. Erreichen die von gesetzlich Krankenversicherten im Jahr

geleisteten Zuzahlungen zwei Prozent des Jahresbruttoeinkommens, dann brauchen für den Rest des Jahres keine

Zuzahlungen mehr geleistet zu werden.

Page 21: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik– 21 –

Erstattungsmöglichkeiten von Zuzahlungen sind begrenzt

Belastungsgrenzen erreicht?

Wenn die Zuzahlungen für die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung mehr als zwei Prozent des Bruttoeinkommens erreicht haben, sind Rückerstattungen möglich. Doch die Antragstellung erweist sich häufig schwierig.

Foto: Jeanette Dietl / fotolia

Gesetzlich Krankenversicherte müssen sich an den Kosten bestimmter Leistungen beteiligen. Grundsätzlich zahlen

Versicherte dabei Zuzahlungen in Höhe von zehn Prozent. Besondere Regelungen bestehen für die Bereiche der sta-

tionären Behandlung. Inbegriffen sind hier stationäre Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen sowie die Kranken-

hausbehandlung einschließlich Anschlussheilbehandlung. Erreichen die von gesetzlich Krankenversicherten im Jahr

geleisteten Zuzahlungen zwei Prozent des Jahresbruttoeinkommens, dann brauchen für den Rest des Jahres keine

Zuzahlungen mehr geleistet zu werden.

Page 22: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik – 22 –

Zuzahlungen in Höhe von einem Prozent

des jährlichen Familieneinkommens die

Belastungsgrenze erreicht.

Bei Familien, in denen eine Person als

„schwerwiegend chronisch krank“ an-

erkannt und gesetzlich versichert ist, gilt

auch für die übrigen Familienmitglieder

die Ein-Prozent-Regel, also die Halbie-

rung der Belastungsgrenze.

Chronisch kranke Versicherte können mit

ihrer Krankenkasse vereinbaren, entspre-

chend dem voraussichtlichen Einkommen

die einprozentige Zuzahlung bereits kom-

plett im Voraus zu leisten und im Gegen-

zug die Befreiungsbescheinigung schon

im laufenden Jahr zu erhalten. Dies bietet

sich teilweise bei Rentenempfängern an,

deren Bezüge meist gleichbleibend sind.

Hartz IV: Regelsatz gilt

als Bruttoeinnahme

Bei Beziehern von Arbeitslosengeld II, die

in einer vom Jobcenter anerkannten Be-

darfsgemeinschaft leben, zählt als „Brut-

toeinnahme“ für die gesamte Bedarfsge-

meinschaft (also auch für zwei oder mehr

Personen) die Regelleistung von 391 Euro.

Komplizierter ist die Errechnung der Be-

lastungsgrenze, wenn Mitglieder der Ge-

meinschaft nicht familienversichert sind

oder eigene Verdienste zum Arbeitslosen-

geld hinzukommen.

Gesetzlich Versicherte, die Fragen zur

möglichen Erstattung zu viel geleisteter

Zuzahlungen haben, können sich an ihre

Krankenkasse wenden. wb

Zuviel gezahlte Zusatzbeiträge aus dem Vorjahr können sich Versicherte oftmals wiederholen – doch die Antragstellung hat Hürden.

Foto: weseetheworld / fotolia

Page 23: SoVD Magazin 02_2015

Service– 23 –

Versicherte haben das Recht auf Kassenwechsel

Seit Jahresbeginn darf jede gesetzliche Krankenkasse über den einheit-

lichen Beitragssatz von derzeit 14,6 Prozent hinaus einen Zusatzbeitrag

in unbegrenzter Höhe erheben (wir berichteten mehrfach). Den Zusatz-

beitrag müssen die Versicherten alleine tragen. Kassen, die Zusatzbei-

träge erheben wollen, müssen ihre Versicherten spätestens im Vormo-

nat auf das Recht zur Sonderkündigung hinweisen.

Hier gilt ein Sonderkündigungsrecht

Zusatzbeiträge werden prozentual zum

allgemeinen Beitragssatz von 14,6

Prozent erhoben. Der komplette Kran-

kenkassenbeitrag (einheitlicher Bei-

tragssatz 14,6 Prozent plus Zusatzbe-

itragssatz) wird bei Pflichtversicherten

direkt vom Lohn abgeführt. Für Versi-

cherte, die Arbeitslosengeld I, Sozial-

hilfe oder Grundsicherung beziehen,

übernimmt der jeweilige Träger den Zu-

satzbeitrag. Pflichtversicherte Rentner,

deren Kassen Zusatzbeiträge einfor-

dern, sind erst ab März 2015 betrof-

fen. Bis dahin zahlen sie den bisheri-

gen Beitragssatz von 15,5 Prozent. Für

Bezieher von Arbeitslosengeld (ALG) II

zahlt der Bund den durchschnittlichen

Zusatzbeitragssatz.

Page 24: SoVD Magazin 02_2015

Service – 24 –

Sonderkündigungsrecht macht

einen Wechsel möglich

Erhebt eine Krankenkasse erstmals einen

Zusatzbeitrag oder erhöht diesen, haben

deren Mitglieder ein Sonderkündigungs-

recht. Sie können dann zu einer günsti-

geren Kasse wechseln. Jede Kasse muss

ihre Versicherten spätestens im Vormonat

vor erstmaliger Fälligkeit auf das Sonder-

kündigungsrecht aufmerksam machen.

Außerdem muss sie sie auf eine Übersicht

aller Zusatzbeiträge beim Spitzenverband

Bund der Krankenkassen hinweisen.

Versicherte, die wegen der Einführung bzw.

Erhöhung des Zusatzbeitrags kündigen,

müssen den Zusatzbeitrag dessen ungeach-

tet bis zum Wirksamwerden der Kündigung

noch entrichten. Beispiel: Die Krankenkasse

erhebt ab 1. Januar einen Zusatzbeitrag.

Wer bis Ende Januar kündigt, ist ab April

bei einer anderen Krankenkasse versichert.

Für die Monate Januar bis März muss der

Zusatzbeitrag an die bisherige Krankenkas-

se entrichtet werden.

Das Sonderkündigungsrecht gilt nicht für

freiwillige gesetzlich Versicherte, die einen

speziellen Wahltarif zur Absicherung ih-

res Krankengeldes abgeschlossen haben.

Versicherte, die bereits 18 Monate einer

Kasse angehören, können mit der übli-

chen Kündigungsfrist zum übernächsten

Monat auch ohne Berufung auf ihr Recht

auf Sonderkündigung die Kasse wechseln.

Info

Prüfen Sie Schreiben Ihrer Krankenkasse

sorgfältig, um Fristen für eine Sonderkündi-

gung nicht zu verpassen. Erhalten Sie eine

schriftliche Ankündigung eines Zusatzbei-

trags, können Sie bis zum Ende des Monats

kündigen, in dem der Zusatzbeitrag erst-

mals erhoben oder erhöht wird. Kommt die

Krankenkasse ihrer Hinweispflicht verspätet

nach, haben Sie eine einmonatige Kündi-

gungsfrist. Nehmen Sie bei einem Wechsel

nicht nur die Kosten zum Maßstab, sondern

auch das Leistungsspektrum.

Page 25: SoVD Magazin 02_2015

Kommentar– 25 –

Blickpunkt

Freiheit schützenEs gibt Ereignisse, die Wendepunkte

markieren, die Zeit in ein „Vorher“ und

„Nachher“ teilen. Die Anschläge in Pa-

ris sind solche Ereignisse. Begangen von

radikalen Gewalttätern, die behaupteten,

im Namen einer Religion zu handeln, und

dabei nur ihre radikale „Wahrheit“ kann-

ten – eine Weltsicht, die keine Toleranz,

keine Kritik, keine Argumente und keine

Auseinandersetzung erträgt.

Die Attentäter mordeten, weil Menschen

ihr Recht auf Meinungsfreiheit ausübten,

weil Polizisten schützend zu Hilfe ka-

men und weil Menschen einen anderen

Glauben hatten. Das Attentat auf die

Redaktion des Satire-Magazins „Char-

lie Hebdo“ und die Folgeanschläge sind

deshalb Angriffe auf alle friedliebenden

und freidenkenden Menschen, ob Mus-

lime, Christen, Juden, andere Gläubige

oder Atheisten. Millionen Menschen al-

ler Konfessionen und (fast!) aller poli-

tischen Parteien reichten sich daraufhin

demonstrativ und im Gedenken an die

Opfer die Hände. In Paris, in Deutsch-

land, in ganz Europa und darüber hi-

naus bekundeten Menschen „Je suis

Charlie“.

Aus der Tradition des ehemaligen

Reichsbund für Kriegsverletzte und

Kriegshinterbliebene heraus weiß gera-

de auch unser Verband, wie wichtig für

den Frieden die Freiheit Andersdenken-

der und Glaubender ist. Lassen Sie uns

diese Freiheit schützen!

Adolf Bauer, SoVD-Präsident

SoVD-Präsident Adolf Bauer

Page 26: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik – 26 –

Arbeitslosenzahl behinderter Menschen steigt – viele Teilzeitbeschäftige

Jobmarkt: Profitieren sollen alleDer deutsche Arbeitsmarkt zeigt sich in guter Verfassung: Die Erwerbstä-

tigenquote lag im Jahr 2013 bei 77 Prozent und damit im europäischen

Vergleich auf dem fünften Platz. Auch im Jahr 2014 sind die allgemei-

nen Arbeitslosenzahlen erneut zurückgegangen. Inzwischen gibt es so-

gar weniger Arbeitslose als nach der deutschen Wiedervereinigung im

Jahr 1991. Doch die offizielle Erwerbstätigenquote, also der Anteil der

Menschen im erwerbsfähigen Alter, die einer Arbeit nachgehen, täuscht

über die Schattenseiten des „Jobwunders“ hinweg.

Zum einen sagt die Erwerbstätigenquote

nichts über die Art der Beschäftigung aus

und darüber, wie viel Menschen tatsäch-

lich arbeiten. So stellt sie beispielsweise

nicht heraus, dass in Deutschland viele

Menschen weniger arbeiten, als sie ei-

gentlich gerne möchten oder müssten, um

ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Die Zahl der Erwerbstätigen fällt nämlich

auch deshalb so hoch aus, weil immer

mehr Deutsche in Teilzeit- oder Minijobs

arbeiten. Und dieser Anteil liegt im Ver-

gleich deutlich höher als in anderen euro-

päischen Ländern: Eine Analyse der Be-

schäftigungsverhältnisse durch die Hans

-Böckler-Stiftung, bei der alle Arbeitsstel-

len in Vollzeitstellen umgerechnet wurden,

hat ergeben, dass ein Viertel der deut-

schen Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-

mer in Teilzeit arbeitet. Die „bereinigte“

Erwerbstätigenquote in Deutschland lag

anschließend nur noch bei 66 statt zuvor

bei 77 Prozent.

Zum anderen wird auch ein weiteres Pro-

blem gerne verkannt, wenn es um die po-

sitive Präsentation des deutschen Arbeits-

marktes geht: Ältere Arbeitnehmerinnen

und Arbeitnehmer haben es hier nach wie

vor schwer; zudem ist die Lage behinderter

Menschen weiterhin alarmierend. So ist der

Anteil schwerbehinderter Menschen an der

Gesamtarbeitslosigkeit der Deutschen im

vergangenen Jahr erneut gestiegen. Ihr An

liegt jetzt bei 6,4 Prozent.

Page 27: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik– 27 –

Arbeitslosenzahl behinderter Menschen steigt – viele Teilzeitbeschäftige

Jobmarkt: Profitieren sollen alle

Leitzer hat sich die Situation behinderter Menschen am Arbeitsmarkt weiterhin ver-schlechtert – sie sind deutlich häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen.

Foto: auremar / fotolia

Page 28: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik – 28 –

Zu den aktuellen Zahlen hat der Sozial-

verband Deutschland (SoVD) jetzt Position

bezogen. Der Verband fordert die Bundes-

regierung zum Handeln und Gegensteu-

ern auf. „Insbesondere eine Erhöhung

der Ausgleichabgabe für die Unterneh-

men, die keinen einzigen behinderten

Menschen beschäftigen, ist überfällig“,

erklärt SoVD-Präsident Adolf Bauer.

„Dann könnte der Trend auch für behin-

derte Arbeitslose positiv verlaufen. Stu-

dien belegen, dass Arbeitslose mit einer

Behinderung in der Regel sogar besser

qualifiziert sind als nichtbehinderte“

Erfolgreiche Vermittlung in Arbeit? Ein Viertel der Beschäftigten arbeitet in Teilzeit.Foto: bluedesign / fotolia

Page 29: SoVD Magazin 02_2015

Sozialpolitik– 29 –

Geringfügig Beschäftigte können ihren Lebensunterhalt oft nicht alleine bestreiten.Foto: stockWERK / fotolia

Erhöhung der Abgabe

zum Ausgleich

Solange Arbeitgeber nicht die vorge-

schriebene Zahl von schwerbehinderten

Menschen beschäftigen, müssen sie für

jeden unbesetzten Pflichtplatz eine Aus-

gleichsabgabe entrichten. Die Höhe be-

trägt je unbesetzten Pflichtplatz:

115 Euro bei einer Beschäftigungsquote

von drei bis weniger als fünf Prozent,

200 Euro bei einer Quote von zwei bis

weniger als drei Prozent und

290 Euro bei einer Quote von weniger als

zwei Prozent.

Erleichterungen gelten für kleinere Betrie-

be bzw. Dienststellen. Die Abgabe soll

einen Ausgleich gegenüber Arbeitgebern

schaffen, die ihre Beschäftigungspflicht er-

füllen und denen dadurch erhöhte Kosten

entstehen. Zudem soll sie Antriebsfunktion

haben. Der SoVD fordert eine Erhöhung

der Abgabe.

Besondere Rechte

bei Einstellung

Laut Bundesarbeitsgericht muss ein Ar-

beitgeber vor der Besetzung einer Stelle

prüfen, ob es bei der Agentur für Arbeit

einen geeigneten Schwerbehinderten gibt.

Auch die Schwerbehindertenvertretung ist

einzubeziehen, um festzustellen, ob der

freie Arbeitsplatz mit schwer behinderten

Beschäftigten besetzt werden kann, die

bereits im selben Betrieb arbeiten.

Verstößt der Arbeitgeber gegen die Pflicht

und besetzt er die Stelle, ohne die ent-

sprechenden Vorgaben zu erfüllen, so

ist zu vermuten, „dass eine Benachteili-

gung wegen der Schwerbehinderung im

Einstellungsverfahren vorliegt“. Kann ein

Schwerbehinderter eine solche Benachtei-

ligung beweisen, so kann ihm eine Ent-

schädigungszahlung zustehen. In der Re-

gel sind das drei Monatsgehälter (BAG,

Az.: 9 AZR 839 / 08). wb

Info Aktuelles Urteil

Page 30: SoVD Magazin 02_2015

Service – 30 –

Richtiger Umgang mit Handwerkern und Kundendienst

Besser vorher einen Festpreis vereinbarenUndichte Fenster, verstopfte Rohre: Guter Rat und Hilfe vom Fachmann

sind dann meistens schnell zur Stelle. Um sich hinterher Ärger zu spa-

ren, sollten bereits vorab ein paar Regeln eingehalten werden.

Wenn die Leistung des Handwer-kers nicht einwandfrei ist, kann der Kunde reklamieren.

Foto: Kurhan / fotolia

Für normale Aufträge sollten mindes-

tens zwei Angebote eingeholt wer-

den. Dabei ist nicht nur auf den Preis,

sondern auch auf die Qualifikation

der Anbieter zu achten. Eine Vergü-

tung für den Kostenvoranschlag dür-

fen Handwerker oder Kundendienste

nur verlangen, wenn dies vorher aus-

drücklich vereinbart worden ist.

Stellt der Handwerker während der

Arbeit fest, dass er die veranschlag-

ten Kosten wesentlich (mehr als 15 bis

20 Prozent) überschreiten wird, so

muss er das dem Kunden unverzüg-

lich mitteilen. Dann darf der Auftrag-

geber vom (Werk-)Vertrag zurück-

treten, wenn ihm der Mehraufwand

nicht im Verhältnis zum gewünschten

Erfolg angemessen erscheint. Er muss

aber die bis dato erbrachte Leistung

bezahlen.

Page 31: SoVD Magazin 02_2015

Service– 31 –

Richtiger Umgang mit Handwerkern und Kundendienst

Besser vorher einen Festpreis vereinbaren

Geraten Handwerker mit dem ver-

einbarten Termin in Verzug, kann der

Kunde Anspruch auf Ersatz entstan-

dener Schäden geltend machen. Das

gilt, wenn die Verzögerung durch

Schuld des Handwerkers eingetreten

ist – also nicht, wenn z. B. notwen-

dige Vorarbeiten anderer Fachleute

unterblieben sind.

Natürlich wird die Rechnung erst

nach zufriedenstellender Abnahme

komplett beglichen. Traut sich der

Kunde bei größeren Aufträgen eine

solche Abnahme nicht selbst zu,

kann ein Fachmann bei der Schluss-

besprechung mit dem Handwerker

hinzugezogen werden. Mängel wer-

den schriftlich festgehalten und foto-

grafiert.

Zur Sicherheit darf etwa das Dop-

pelte dessen, was eine Behebung der

Mängel voraussichtlich kosten wird,

einbehalten werden.

Taucht ein Fehler erst nach der Ab-

nahme auf, so muss der Handwerker

ihn kostenlos innerhalb einer ange-

messenen Zeit beseitigen. Gelingt die

Nachbesserung nicht oder wird die

gesetzte Frist trotz „Erinnerung“ nicht

eingehalten, so kann eine andere Fir-

ma mit den notwendigen Korrekturen

beauftragen werden. Diese Kosten

gehen dann zu lasten des ursprüngli-

chen Auftragnehmers. mh / wb

Page 32: SoVD Magazin 02_2015

Impressum

Impressum

Seit September 2013 erscheint auf der SoVD-Website monatlich das SoVD-Magazin unter:

www.sovd.de. Das Online-Magazin bereitet einzelne Berichte und Schwerpunktthemen aus

der Mitgliederzeitung „Soziales im Blick“ für den Bildschirm des Computers oder mobile End-

geräte auf. Das SoVD-Magazin gibt es nicht in gedruckter Form; es stellt keinen Ersatz für die

SoVD-Zeitung dar. Herausgeber des SoVD-Magazins ist der Sozialverband Deutschland e.V.

(SoVD), Stralauer Straße 63, 10179 Berlin, Mail: [email protected]. Redaktion SoVD-Ma-

gazin: Veronica Sina (veo)/Abteilungsleiterin Redaktion (verantwortlich) und Joachim Baars

(job), Stellvertretender Redaktionsleiter.

Mit spitzer Feder

Prophet mit Humor