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Soziale Beziehungen & Gesellschaft -Proseminar Sommersemester 2005 – Schenk // Soziale Netzwerke

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Soziale Beziehungen & Gesellschaft

-Proseminar Sommersemester 2005 –

Schenk // Soziale Netzwerke

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I. Massen- und Interpersonale Kommunikation

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Massenpublikum

Massenmedien

R1 R2 R3R4

R5

„atomisierte“ Rezipienten

Informationsfluss

»Danach scheint das Publikum der Massenmedien aus voneinander isolierten, heterogenen und anonymen Rezipienten zu bestehen. Auf diese Masse atomisierter Rezipienten nehmen die Massenmedien direkten Einfluss; ausschließlich psychologische Variablen (Einstellungen, Emotionen, Kognitionen usw.) können das Einflusspotential der Massenmedien noch modifizieren« (vgl. Schenk)

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Bedeutung für die Wirkung der Massenmedien

„People‘s Choice“ Studie (Lazarsfeld)

Untersuchte die Wirksamkeit der Massenmedien auf die politische Meinungsbildung während der Präsidentschaftswahl 1940

Ergebnis: „die Leute schienen viel stärker in ihren politischen Entscheidungen durch den Face-to-Face-Kontakt mit anderen Personen in ihrer Umgebung beeinflusst worden zu sein als direkt durch die Medien“ (vgl. Schenk, S. 320)

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Wiederentdeckung der Primärgruppen

»Das Individuum ist nicht atomisiert, sondern Mitglied vieler Gruppen (Familie, Freunde, Kollegen usw.), die als Bezugsrahmen individueller Meinungen, Einstellungen und Verhaltensweisen fungieren.« (Schenk)

Massenmedien wirken möglicherweise nicht direkt auf die Individuen sondern vermittelt über andere Personen, die Informationen aufnehmen, ggf. transformieren und weitervermitteln (Primärgruppen)

Kriterium: Face-to-Face Kontakt (persönliche, informelle Sozialbeziehungen)

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Eigenschaften von Primärgruppen

Primärgruppen…erzeugen konformes Verhalten über ihre Mitglieder

definieren und stabilisieren die Realitätsdeutung für die Individuen

… machen die Individuen für eine einfache Manipulation durch die Medien unempfindlich

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Two-Step-Flow Modell / Massen- & Interpersonale Kommunikation

„Ideen gelangen also auf einer ersten Stufe von den Massenmedien zu den Meinungsführern und von diesen dann zu den weniger aktiven Bevölkerungsmitgliedern (= zweite Stufe)“ (Schenk, S. 321)

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Funktion von Meinungsführern

Funktion der Meinungsführer1) Sie vermitteln den weniger Interessierten jene Informationen, die

sie selbst aus den Medien erhalten haben, und werden so zur Schaltstelle zwischen Massen- und Individualkommunikation (Informations- / Relaisfunktion)

2) Gleichzeitig wirken sie auf die Kongruenz der Meinungen in den Gruppen hin (Verstärkerfunktion)

Vgl. Rössler / Scharfenberg 2004, S. 491

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Masse / Widerstand bei Baudrillard

»Diesen Typ des Widerstands findet man auch im ›two steps flow of communication‹, in der Zwei-Ebenen-Kommunikation, die von der amerikanischen Soziologie analysiert wurde: die Masse stellt keineswegs eine passive Struktur dar, die die Botschaften der Medien aufnimmt, ob diese nun politischer, kultureller oder werbender Art sein mögen. Weit davon entfernt, sich nach einer uniformen, vorschriftsmäßigen Dekodierung zu richten, dekodieren die Mikrogruppen und Individuen die Botschaften auf ihre eigene Art und Weise, sie schneiden sie ab (mittels ihrer leader) und verlagern sie (die zweite Ebene), sie stellen dem herrschenden Code ihre besonderen Sub-Code gegenüber und geben schließlich allem, was ihnen zukommt, innerhalb ihres eigenen Kreislaufs eine neue Orientierung, genau wie die Primitiven dem abendländischen Geld im Rahmen ihrer symbolischen Zirkulation eine neue Orientierung geben (…)« (S. 37)Vgl. Baudrillard (1979) »Im Schatten der schweigenden Mehrheiten oder das Ende des Sozialen« in Freibeuter Jg. 1, S.17-57

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II. Soziale Netzwerke

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Soziale Netzwerke / Definition

Ein Soziales Netzwerk ist… eine abgegrenzte Menge von Personen, die über (soziale) Beziehungen miteinander verbunden sind

Person

Beziehung

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Soziale Netzwerke / Erhebungsverfahren

Erhebungsverfahren:

1. „Schneeballverfahren“: Ausgangspunkt bilden jeweils einzelne Personen (Ego), die nach ihren Beziehungen zu anderen Personen (Alteri) gefragt werden. Die genannten Alteri können sodann wiederum als Ego funktionieren und weitere Alteri nennen.

(Bsp. Ausgangsstichprobe bilden die Personen, die in ein und derselben Gemeinde leben)

Vorteil: die Struktur des gesamten Netzwerk wird einsehbar

Nachteil: hoher Erhebungsaufwand

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Soziale Netzwerke / Erhebungsverfahren

E

Erhebungsverfahren:

2. „Egozentrierte Netzwerkerhebung“: Ausgehend von einer Standardstichprobe, werden nur Beziehungen von einer Befragungsperson aus erhoben. D.h. es werden keine kompletten Netzwerke, sondern jeweils nur Netzwerke einzelner Akteure abgebildet (Bsp. Allbus, Familiensurvey)

Vorteil: Erhebungsverfahren lässt sich innerhalb einer repräsentativen Standardbefragung realisieren

Nachteil: nur kleine, isolierte Teilstrukturen eines Netzwerkes werden abgebildet

E E

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Erhebungsverfahren

Namensgeneratoren:

Instrument des Fragebogens, mit dessen Hilfe die Beziehungen und damit die Alteri einer Person erfasst werden

Beispiel: Netzwerkgeneratoren Familiensurvey:

- „Mit wem besprechen Sie Dinge, die Ihnen persönlich wichtig sind?“- „Mit wem haben Sie eine sehr enge gefühlsmäßige Bindung?“- „Von wem erhalten Sie ab und zu oder regelmäßig finanzielle Unterstützung?“- „An wen geben Sie ab und zu oder regelmäßig finanzielle Unterstützung?“- „Mit wem verbringen Sie hauptsächlich Ihre Freizeit?“

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Soziales Netzwerk: Beispiel (Schneeballverfahren)

Aus Rössler / Scharfenberg (2004) „Wer spielt die Musik?“ in KZfSS 56, 3, S. 508

Bestimmung von Akteurspositionen (Bsp.):

Star – besonders zentraler Akteur

Brücke – Akteur, der eine Verbindung zwischen zwei oder mehreren Netzwerkteilen herstellt

Isolierter – Akteur mit wenigen oder keinen Verbindungen

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II. Sozialkapital / Weak Ties

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Sozialkapital und soziale Netzwerke

Soziales Kapital ist abhängig vom:

- Umfang der Beziehungen- Ökonomischen & kulturellen Kapital, über das die Personen im

Beziehungsnetzwerk verfügen

„Das Beziehungsnetz ist das Produkt individueller oder kollektiver Investitionsstrategien, die bewusst oder unbewusst auf die Schaffung und Erhaltung von sozialen Beziehungen gerichtet sind, die früher oder später einen unmittelbaren Nutzen versprechen.“ (Bourdieu, S.192)

„Nützlich“ scheinen also vor allem enge Sozialbeziehungen zu sein, weil sie ein hohes Maß an Reziprozität, d.h. Verpflichtung versprechen, das sich ggf. auszahlen kann

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Granovetter / Weak Ties

Demgegenüber argumentiert Granovetter in „The strength of weak ties“, dass in erster Linie schwache soziale Beziehungen als „soziales Kapital“ fungieren können.

Allerdings nicht, weil sie ein hohes Maß an Verpflichtung implizieren, sondern weil sie innerhalb sozialer Netzwerke ganz bestimmte Akteurspositionen (nämlich Brücken) belegen und Zugänge zu relevanten Informationen herstellen.

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Granovetter / strength of a tie

Def. der Stärke einer sozialen Beziehung:

„The strength of a tie is a (probably linear) combination of theamount of time, the emotional intensity, the intimacy (mutualconfiding), and the reciprocal services which characterize the tie“(Granovetter 1973, AJS, Vol. 78, No. 6, S. 1361)

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Argument Granovetter

A B

C

Forbidden triad

A B

C

Standard triad

Strong tie

„If A-B and A-C ties exist, then the amount of time C spends with B depends on the amount A spends with B and C, respectively. If C and B have no relationship, common strong ties to A will probably bring them together“ (vgl. Granovetter 1973, S. 1361)

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Weak Ties / Brückenfunktion

Aus Granovetter „The strength of weak ties“

Brücke

weak tie

strong tie

„no strong tie is a bridge“ (vgl. Granovetter, S. 1364)

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Diffusion von Informationen durch weak ties

„Intuitively speaking, this means that whatever is to be diffused canreach a larger number of people, and traverse greater socialdistance, when passed throug weak ties rather than strong.“

Brücken sind wichtig, wenn es um die Diffusion von Informationen geht, da sie neue Informationen aus anderen Netzwerkbereichen zur Verfügung stellen, wohingegen strong ties durch ihren „Triadencharakter“ eher redundante Informationen aus dem unmittelbaren Umfeld transportieren.

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Zur Bedeutung von weak ties: Bsp. Jobsuche

Beispiel: Informationen von Arbeitslosen über neue Arbeitsstellen

Studie von Granovetter: Personen, die eine Arbeitsstelle über private Kontakte bekommen haben, geben deutlich häufiger an, dass sie die Information von Personen erhalten haben, zu denen sie eine schwache Beziehung haben (solche, die sie nur gelegentlich treffen)

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III. Zusammenfassung Teil 2

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Soziale Netzwerke als Modell / Familienstrukturen

KernfamilieWeitere Verwandte

Freunde

Vgl. Parsons

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Soziale Netzwerke als Modell / Integration

Vgl. Durkheim

Gruppe mit hohem Integrationsgrad

Gruppe mit niedrigem Integrationsgrad

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Soziale Netzwerke als Modell / Gesellschaftsformen (historisch)

Archaische Gesellschaft Stände- / Klassengesellschaft

Formale Beziehungen / Institutionen (Politik,

Ökonomie, Medien etc.)

(Post-) moderne, individualisierte Gesellschaft (?)

Vgl. Baudrillard, Beck ?

Formale Beziehungen / Institutionen (Politik,

Ökonomie, Medien etc.)

Vgl. MarxVgl. Lévi-Strauss