Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

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Manfred Fuchs

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WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT

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Manfred Fuchs

Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Deutscher Universitats-Verlag

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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet (iber <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Habilitationsschrlft Universitat Graz, 2004

1.AuflageMarz2006

Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006

Lektorat: Ute Wrasmann / Anita Wilke

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Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedrucktauf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany

ISBN 3-8244-0779-5

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Vorwort

Seit Jahrzehnten wird in der einschiagigen Literatur eine Diskussion geftihrt, die

darauf hinweist, dass MSrkte, Markttransaktionen und wirtschaftliches Handeln ganz

allgemein in soziale Strukturen eingebettet sind. Aus dieser Perspektive heraus werden

effiziente Markte als Ergebnis einer effizienten sozialen Struktur interpretiert. Das

zentrale Problem, das hier angesprochen wird, ist, dass wirtschaftliches Handeln nicht

nur das Ergebnis von Entscheidungen singularer nutzenmaximierender Akteure, son-

dem in soziale und kulturelle Strukturen (Institutionen) eingebettet ist. Der Nutzen von

Institutionen wird in der Organisationsokonomik nicht bestritten, aber sehr oft bleibt

unklar, wie diese Institutionen entstanden sind und wie sie sich verandem. Auch ist

unklar, wie die Institutionen das Handeln einzelner Akteure beeinflussen und umge-

kehrt, wie aus den Wirkungen der einzelnen Akteure eben diese Institutionen emer-

gieren. Dasselbe Problem tritt bei der Beschaftigung mit Fragen der Wirkung und

Entstehung von Sozialkapital auf. Sozialkapital, so wie es hier in dieser Arbeit

verstanden wird, und das PhSnomen Vertrauen sind zentrale Bestandteile dieser

Institutionen und diese Arbeit ist der Versuch, die Wirkungen von Sozialkapital und

Vertrauen, als auch die Entstehung von Sozialkapital und Vertrauen zu diskutieren,

well beide PhSnomene einen wesentlichen Einfluss auf die FShigkeit zeigen, wie in

Untemehmen Wissen produziert und ausgetauscht wird.

Ich mochte mich an dieser Stelle ftir jeden Kommentar und Hinweis bedanken, den ich

erhalten habe, insbesondere bei meinen Studenten und Studentinnen, deren Fragen ftir

mich immer eine besondere Anregung darstellten. Danken mSchte ich auch Frau

Heidemarie Schober ftir die Hilfe bei der Erstellung des Manuskripts. Ein besonderer

Dank gilt meinen Kolleginnen und KoUegen am Institut ftir Internationales

Management an der Karl Franzens Universitat Graz, die mich mit ihren anregenden

Kommentaren und Diskussionen ebenfalls untersttitzten.

Manfred Fuchs

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort V

Inhaltsverzeichnis VII

Tabellenverzeichnis XI

Abbildungsverzeichnis XIII

1. Problemstellung: Von der Organisation der manuellen Arbeit zur Organisation der Wissensarbeit 1

2. Fragestellungen 4

3. Theoretische Verankerung der Frage- und Problemstellung 6 4. Vorgehensweise undAufbau der Arbeit 10

I. Die Produktion von Wissen und die Organisation der Wissensarbeit 15 1. Das Modell von Max Boisot 16 1.1. Boisots Theorie - Pramissen und Definitionen 17

1.1.1. Kodifizierung 18 1.1.2. Abstraktion 19 1.1.3. Diffusion 22

1.1.4. Der I-Space (I-Information) oder soziale Lemzyklus 24 1.1.5. InstitutionenOkonomische LOsungen spezifischer Defizite im sozialen

Lemzyklus von Organisationen 28 1.1.5.1. Markte 29 1.1.5.2. Burokratien 30 1.1.5.3. Klan 32 1.1.5.4. Fiefs (Patron-Klientel-Beziehungen) 33

Exkurs implizites und explizites Wissen 35 2. Hedlunds konzeptionelle Skizze der N-Form als Modell des Wissensmanagements 37 2.1. Artikuliertes und stillscJmeigendes Wissen (tacit knowledge) und die

Interaktion von Individuen und Gruppen 37 2.1.1. OrganisationsUbergreifende Formen des Wissenstransfers 40 2.1.2. Intemalisierung 40 2.1.3. Reflexionsfahigkeit 40

2.1.4. Dialogisierung und Dialogfahigkeit 41 2.2. Das Rugby-Spiel als Metapher der Wissensproduktion (Nonakas SECI-Modell) 44 2.3. Das Konzept Ba als Erweiterung und Revision des SECI-Modells 50

3. Die Wissensaktivisten von Kdser und Miles 55 4. Die individualisierte Unternehmung als Konzept einer wissensorientierten

Organisationsform 61 4.1. Was ist das Neue am Modell von Bartlett und Ghoshal? 62

4.1.1. Das Modell der individualisierten Unternehmung 64

VII

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4.1.2. Der behavioristische Kontext der traditionellen Untemehmung 66 4.1.3. Die Emeuerung der behavioristischen Grundlagen im Untemehmen.

Wie soil das geschehen? 68 4.1.4. Der emeuerte behavioristische Kontext der Untemehmung 69

5. Resumee 71

II. Sozialkapital und Vertrauen 77 1. Zum Begriff Sozialkapital 83 1.1. Sozialkapitaldefmitionen 84 1.2. Sozialkapitaltheorien 86

1.2.1. Pierre Bourdieu 86 1.2.2. James Samuel Coleman 88 1.2.3. Robert Putnam 90

1.2.4. Zur gegenwSrtigen Sozialkapitaltheorie 91 1.2.5. Die Sozialkapitaltheorie von Nahapiet und Ghoshal 94 1.2.6. Nan Lin's Sozialkapitaltheorie 97

1.3. Arbeitsdefmition von Sozialkapital 105 1.3.1. Wie entsteht der Wert von Sozialkapital? 109

1.3.2. Der Wert der Ressourcen und die Verfugbarkeit bzw. Kontrolle von Ressourcen Ill

1.3.2.1. Stabilitat als Voraussetzung ftir den Aufbau von sozialem Kapital 115 1.4. Vertrauen als Bestandteil und Voraussetzung zur Bildung von Sozialkapital 116

2. Die Struktur sozialer Netzwerke als Sozialkapital 125 2.1.Netzwerkanalyse 129

2.1.1. Grundbegriffe und Methoden der sozialen Netzwerkanalyse 134 2.1.2. Dichte 137 2.1.3. Ego-Netzwerk 137 2.1.4. Cliquen in Netzwerken 138 2.1.5. Position desAkteurs in Netzwerkstrukturen 139

2.1.5.1. Netzwerkredundanz 140 2.1.6. Effekte der Netzwerkredundanz , 141

2.1.6.1. Zwei Arten von Redundanz in Netzwerken 145 2.1.6.2. Structural holes - weak ties and strong ties 146 2.1.6.3. Tertium Gaudens Strategien 149

2.1.7. Empirische Arbeiten der Netzwerkanalyse 152 2.2. Zusammenfassung der Netzwerkeffekte 153

III. Das Modell fiber den Zusammenhang von Vertrauen und Sozialkapital 159 7. Zwei allgemeine Szenarien - ein konzeptionelles Modell. 162 1.1. Modellzusammenhang - Szenario 1 164 1.2. Modellzusammenhang - Szenario II (negativer Zyklus) 165

VIII

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1.3. Soziales Kapital und Vertrauen als abhangige Variablen 167 1.4. Faktorenanalyse ausgewShlter Fragebogen-Items (abhangigen Variable) 172

1.4.1. Ergebnisse und Interpretation derFaktoren , 173

1.4.1.1. Faktor 1 - idiosynkratischer Arbeitsinhalt 173 1.4.1.2. Faktor 2 - partizipationsfbrdemde Managementsysteme (Partizipation). 174

1.4.1.3. Faktor 3 - feedbackorientierte Managementsysteme (Feedback) 176 1.4.1.4. Faktor 4-Aufgabenkontrolle (Autonomic) 178 1.4.1.5. Faktor 5 - individualisierte Entgeltsysteme und Leistungskontrolle 180 1.4.1.6. Faktor 6 - Arbeitsdruck und Stress 180 1.4.1.7. Faktor 7 - Untemehmenserfolg 181 1.4.1.8. Kontrollvariablen 182

2. Hypothesentest der Modellvarianten, Ergebnisse der Regressionsanalyse 182 2.1. Modellzusammenfassung Entstehung von Vertrauen (N = 245) 183 2.2. Modellzusammenfassung Entstehung von Sozialkapital (N = 245) 185 2.3. Entstehung von Vertrauen bei unbefristeten ArbeitsvertrSgen (N=187) 186

2.4. Entstehung von Sozialkapital bei unbefristeten ArbeitsvertrSgen (N = 187) 187 2.5. Aufbau von Sozialkapital bei befristeten Arbeitsvertragen (N = 49) 189 2.6. Aufbau von Vertrauen bei befristeten Arbeitsvertragen (N = 49) 190 2.7. Aufbau von Vertrauen und Sozialkapital bei Vollzeitbeschafligten (N=128) 193 2.8. Aufbau von Sozialkapital und Vertrauen bei Teilzeitarbeitskraften (N = 43) 194

3. Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse der Untersuchung 196 IV. AbschlieBende Bemerkung 199 V. Anhang: Deskriptive Analyse der Untersuchung 209

2.1. Datenerhebung 211 2.2. Zusammenfassung und Interpretation 212

2.2.1. Ausbildungsgrad 212 2.2.2. Beschaftigungsvertrag, Art des Dienstverhaltnisses 212 2.2.3. Beschaftigungsdauer 213

2.2.4. Mobilitat der Beschaftigten 214 2.2.5. Vertrauen in KoUegen und Vertrauen in Vorgesetzte 215 2.2.6. Intcrdependenz 217 2.2.7. Identifikation 219 2.2.8. Feedback, Partizipation und Fehlertoleranz 220 2.2.9. Kontrolle 223 2.2.10. Aufgabensignifikanz, Aufgabenvielfalt, Arbeitszufriedenheit, Arbeitsdruck 224 2.2.11. Wissenstransfer, Wissensaustausch mit KoUegen 229 2.2.12. Soziales Kapital, Kontakt zu Mitarbeitem, VerlSsslichkeit von Kontakten ...233 2.2.13. Akzeptanz, Feedback und Partizipation bei Entscheidungsprozessen 239

Literaturverzeichnis 243

IX

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Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Informationseigenschaften und die entsprechende Institutionenform 35

Tabelle 2 Differenzierung der charakteristischen Eigenschaften zwischen N- und M-Form 43

Tabelle 3 Ein Ausschnitt und Uberblick uber Sozialkapitaldefmitionen 93

Tabelle 4 Handlungsmotive und Ressourcenausstattung 99

Tabelle 5 Effekte der Netzwerkstruktur 155

Tabelle 6 Ergebnis der Regressionsanalyse - abhSngige Variable Vertrauen 184

Tabelle 7 Modellzusammenfassung Entstehung Sozialkapital, Koeffizienten 185

Tabelle 8 Entstehung von Vertrauen bei unbefristeten ArbeitsvertrSgen 187

Tabelle 9 Sozialkapital bei unbefristeten AV 188

Tabelle 10 Aufbau von Sozialkapital bei befristeten ArbeitsvertrSgen 190

Tabelle 11 Aufbau von Vertrauen bei befristeten AV 191

Tabelle 12 Aufbau von Vertrauen bei VoUzeitbeschaftigten 193

Tabelle 13 Modell Entstehung von Sozialkapital Vollzeitbeschaftigte Koeffizienten(a) 194

Tabelle 14 Entstehung von Sozialkapital bei BeschSftigung Teilzeit 195

Tabelle 15 Entstehung von Vertrauen bei Beschaftigten Teilzeit Koeffizienten (a,b) 196

Tabelle 16 Ausbildung 212

Tabelle 17 Beschaftigungsvertrag (AusmaB der vertraglichen Beschaftigungsdauer) 213

Tabelle 18DauerderBeschaftig;ung(Wochenarbeitszeit) 213

Tabelle 19 MobilitSt der Arbeitnehmer (Wie lange machten Sie im Untemehmen bleiben?) 214

Tabelle 20 Finde rasch neue Arbeit 215

Tabelle 21 Gegentiber Vorgesetzten eine freundschaftliche Haltung 216

Tabelle 22 Vertraue meinen Kollegen 216

Tabelle 23 Ausmafi des Vertrauens, das in den unmittelbaren Vorgesetzten gesetzt wird 217

Tabelle 24 Ohne Unterstutzung der Kollegen nicht erfolgreich 217

Tabelle 25 Meine Arbeitsergebnisse sind sehr stark von Arbeitsergebnissen anderer abhMngig 218

Tabelle 26 Identifikation mit den Zielen des Untemehmens ist hoch 219

Tabelle 27 Verstehe mich mit Kollegen sehr gut 220

Tabelle 28 Fehler ansprechen ist in unserer Organisation kein Problem 221

Tabelle 29 Arbeiten von Kollegen zu kritisieren ist in unserer Organisation kein Problem 221

Tabelle 30 Fehler ansprechen in der Organisation ist positiv 222

Tabelle 31 Verbesserungsvorschlage werden sehr positiv aufgenommen 223

Tabelle 32 AufgabenerfUUung wird detailliert kontroUiert 224

Tabelle 33 Bin meinen Aufgaben gewachsen 225

Tabelle 34 Aufgaben machen SpaB 226

XI

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Tabelle35 Bin mit erbrachter Leistung zufrieden 227

Tabelle 36 Aufgaben, die ich erfulle sind sehr wichtig (Aufgabensignifikanz) 228

Tabelle 37 Die eigenen Fahigkeiten und Qualifikation sind sehr vielfaltig (Aufgabenvariabilitat)...229

Tabelle 38 Die eigenen Qualifikationen sind nicht in kurzer Zeit erlembar (R) 230

Tabelle 39 Wissen ist in meinem Aufgabenbereich nur sehr schwer direkt Kollegen mitzuteilen ....230

Tabelle 40 QuaHfikationen sind sehr schwer in kurzer Zeit transferierbar 231

Tabelle 41 Zusammenarbeit mit Kollegen finde ich anregend, interessant und bereitet mir Freude .232

Tabelle 42 Viele meiner TStigkeiten sind in keiner expliziten Arbeitsbeschreibung erfasst 233

Tabelle 43 Mit unmittelbaren Kollegen ist dauerhafte Freundschaft mSglich 235

Tabelle 44 Kann bei Problemen auf Kollegen zahlen 235

Tabelle 45 Anzahl der Kontakte zu Kollegen pro Tag 237

Tabelle 46 Anzahl der privaten Kontakte zu Kollegen im letzten Monat 238

Tabelle 47 Personen, auf die Sie sich hundertprozentig verlassen kSnnen 239

Tabelle 48 Finde, bin von Kollegen akzeptiert 239

Tabelle 49 Eigene Meinung ist ftir den Vorgesetzten wichtig 240

XII

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Der Informationsraum (I-Space (Boisot, 1998)) 21

Abbildung 2: Der kreisformige Verlauf der Wissensproduktion (Boisot, 1998) 25

Abbildung 3: Die sechs Lemstufen im I-Space (Boisot, 1998) 28

Abbildung 4: Verbreitung von Wissen und die entsprechende Institutionenform (Boisot, 1998) 29

Abbildung 5 :Wissensfluss in der N-Form(Hedlund, 1994) 41

Abbildung 6: Das Seci Modell (Nonaka und Takeuchi, 1995) 47

Abbildung 7: Das Konzept Ba, die Revision des SECI-Modells (Nonaka und Konno, 1998) 52

Abbildung 8: Formen des Austauschs bei Wissensaktivisten (KSser und Miles, 2002b) 56

Abbildung 9: Kontext der individualisierten Untemehmung (Bartlett und Ghoshal, 1997) 68

Abbildung 10: Anderung der behavioristischen Grundlagen (Bartlett und Ghoshal, 1997) 69

Abbildung 11: Emeuerung der individuaHsierten Untemehmung (Bartlett/Ghoshal, 1997) 70

Abbildung 12: Konzept Sozialkapital (Nahapiet und Ghoshal, 1998) 96

Abbildung 13: Der relative Effekt von Sozialkapital (Nan Lin, 2001) 100

Abbildung 14: MessgrSBen von Sozialkapital (Nan Lin, 2001) 101

Abbildung 15: Relativer Vorteil der Position (Nan Lin, 2001) 102

Abbildung 16: Vorteile der Nahe zu strukturellen Brucken in Netzwerken (Nan Lin, 2001) 104

Abbildung 17: Die Sozialkapitaltheorie von Lin (Nan Lin, 2001) 105

Abbildung 18: Sozialkapital und Structural Holes (Burt, 1992) 110

Abbildung 19: Hierarchie in Netzwerkstrukturen (eigene Darstellung) 135

Abbildung 20: Egalitare Netzwerkstruktur (eigene Darstellung) 137

Abbildung 21: Position eines Akteurs imNetzwerk (eigene Darstellung) 139

Abbildung 22: Wachstum und Netzwerkredundanz (Burt, 1992) 140

Abbildung 23: Effekte der Netzwerkredundanz auf die Wissensproduktion (eigene Darstellung).... 142

Abbildung 24: Auswirkung der Reduktion von Redundanz auf die Wissensproduktion

(eigene Darstellung) 144

Abbildung 25: Kohasion und strukturelle Aquivalenz (Burt, 1992) 145

Abbildung 26: Bruckenfunktion und Wissenstransfer (eigene Darstellung) 148

Abbildung 27: Tertium Gaudens Strategie Beispiel A (Burt, 1992) 150

Abbildung 28: Tertium Gaudens Strategie Beispiel B (Burt, 1992) 151

Abbildung 29: Stabile Beschaftigung Szenario I (eigene Darstellung) 164

Abbildung 30: Instabile Beschaftigung Szenario II (eigene Darstellung) 166

XIII

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1. Problemstellung: Von der Organisation der manuellen Arbeit zur Organisation der Wissensarbeit

Unilever, Motorola, General Electric, Ford und viele andere Untemehmen verbreiten

in ihren Jahresberichten die Botschaft, dass ihre Mitarbeiter die wichtigsten Ressour-

cen im Untemehmen sind. "The people are the glue that holds our company together!"

(Unilever, 1999). Microsoft untemimmt groUe Anstrengungen auch fUr temporare Ar-

beitskrafte attraktiv zu bleiben. Der Mensch gilt als entscheidender Produktionsfaktor

in einer extrem rasch und diskontinuierlich sich wandelnden Umwelt. Dennoch wer-

den massiv Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen freigesetzt. Traditionelle Organisations-

strukturen von Untemehmen werden im Zuge von Downsizing und Reengineering

umgestaltet und auf Dauer ausgerichtete Arbeitsverhaitnisse aufgelost. Charles Handy,

Beobachter der Untemehmenswelt bringt die Stimmung des Managements in Unter-

nehmen prSgnant auf den Punkt: "Why keep people working full-time, when you need

them only two or three days a week", so der Tenor von Fiihmngskraften in Unter-

nehmen (Handy, 1996:24). Diese Zeitdiagnose erinnert an Henry Ford, der einmal ge-

sagt haben soil: "When all I want is a good pair of hands, unfortunately I must take

them with a person attached" (Bartlett und Ghoshal, 1997:6).

Vor dem Hintergmnd des globalen Wettbewerbs sehen sich Untemehmen zunehmend

gezwungen, massive Umstmkturiemngs- und Rationalisierungsmafinahmen durchzu-

fiihren. Beispielsweise hat Philips seit 1994 mehr als 82.000 Beschaftigte entlassen

und viele weltweite Produktionsstandorte geschlossen. Im gleichen Zeitraum stieg der

weltweite EOT von 964 Mio. € auf 2,3 Mrd. € (siehe Philips, 2000 und 2004). In

vielen Konzemen schmmpft die Zahl der Kembelegschaft. Handy spricht in diesem

Zusammenhang davon, dass sich zukiinftige Untemehmensformen nur mehr einen

kleinen Kem von permanent Beschaftigten leisten werden. In welcher Form werden

Beschaftigte in Zukunft fiir ein Untemehmen arbeiten. Und es ist zunehmend schwie-

rig, festzustellen, wo ein Untemehmen anfSngt und wo es aufliQrt: "It isn't even clear

where the organization begins and ends, with customers, suppliers, and allied organi­

zations linked into a networked organization. Work no longer means, for everyone,

having a 'job' with an employer. As organizations disperse and contract themselves,

more and more of us will be working for ourselves, often by ourselves" (Handy,

1994:79).

Diese Entwicklungen bestimmen Untemehmen und die Gesellschaft. Untemehmen

schlieBen sich in immer groBeren Netzwerken zusammen, um effizienter und wettbe-

1

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werbsfMhiger zu werden. Lauberbach und Malone (1997b), die sich in mehreren Ar-

beiten mit der Aufl5sung der traditionellen Organisationsgrenzen auseinandersetzen,

diagnostizieren eine "Modularisierung" der einzelnen Untemehmensbereiche. Picot,

Reichwald und Wiegand hingegen sehen in der "Virtualisierung" der Untemehmens-

formen eine Antwort auf diese weltweiten Herausforderungen und sprechen davon,

dass die virtuelle Untemehmung flexibler, innovativer und erfolgreicher ist als die tra-

ditionelle Organisationsform (Picot, Reichwald und Wigand, 1996:273). Auch wenn

bis heute eine Virtualisierung nur in einzelnen funktionalen Teilbereichen der Unter-

nehmung realisiert wurde, so wird diese Organisationsform als Vorhaben der Zukunft

gezeichnet, durch das einzelne LeistungsauftrSge an quasi-selbstSndige, unabhSngige

Kontraktarbeiter, die als freie Dienstnehmer agieren, erbracht werden. Die Idealvor-

stellung dabei scheint zu sein, dass sich diese abhangigen, quasi-freien Arbeitnehmer

und Arbeitnehmerinnen in einem losen Netzwerk zusammenschliefien, um damit eben

auch komplexere AuftrSge erfiillen zu konnen. Rosabeth Kanter fasst diese Entwick-

lung unter den Stichwort "From Companies to Communities" (Kanter, 1995:29) zu-

sammen.

Die hier angesprochene AuflOsung der Untemehmensgrenzen wird als eine MaBnahme

thematisiert, mit der so genannte alte Organisationsstrukturen ersetzt werden. Der Er-

folg der Umsetzung eines derartigen Programms ist jedoch mit der Schaffung flexibler

inner- und interorganisationeller Strukturen in den Untemehmen selbst verkntipft. Ge-

lingt es die traditionelle Organisationsform und insbesondere die traditionellen Be-

schaftigungsformen durch weit reichende, aber zum Teil auch nur kurzfristig angelegte

Netzwerke zu ersetzen? Werden permanente, durch befristete und zunehmend prekSre

Beschaftigungsverhaltnisse ersetzt (vgl. dazu Laubacher und Malone, 1997b; Nohria

und Ghoshal, 1997; Laubacher und Malone, 1997a)? Wie stark wird die Bindung der

einzelnen netzwerkartigen Zusammenschlusse sein? Diese und zahlreiche andere Kli-

schees fmden sich in den Forderungen von Managem und in der popularen Manage-

mentliteratur ist die Rede von der Neuerfindung der Organisation, Handlungs-

empfehlungen lauten: ''small is better than larger", "less diversification is better than

more", "competition must be replaced by collaboration" oder "formal authority must

be diminished' (Eccles und Nohria, 1992:18). Zum Teil dient dieser Diskurs, die Auf-

lOsung der Organisationsgrenzen und die politischen und wirtschaftlichen Krafle, die

diese Auflosung einfordem, zu legitimieren. Im Zuge dessen werden gleichzeitig be-

stehende Arbeitsverhaltnisse flexibilisiert und aufgeldst.

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Unstrittig ist freilich die Zunahme atypischer Arbeitsformen. Wenn auch uber das

AusmaB der Zunahme unterschiedliche Auffassungen vorherrschen. Unstrittig ist zu-

dem, dass viele Formen so genannter atypischer Beschaftigungsformen entstehen, wie

z.B. kontingente Arbeitsverhaltnisse, neue Teilzeitarbeitsformen, kapazitStsorientierte

Arbeitsformen und/oder Portfolio-Worker. Bin zentrales Merkmal dieser neuen Ar­

beitsformen ist darin zu sehen, dass groBteils auf Dauer eingerichtete und formelle Ar-

beitsbeziehungen durch weitgehend informelle und vielfach prekSre Arbeitsverhalt­

nisse ersetzt werden (vgl. hierzu Felstead und Jewson, 1999; Thompson und Warhurst,

2000). UnabhSngig von dem tatsSchlichen AusmaB stehen damit herkommliche - und

vielfach jahrzehntelang erfolgreiche - Organisationsprinzipien der Arbeit zur Dispo­

sition. Die damit einhergehenden VerSnderungen werden auch mit der Entstehung ei-

ner Wissensokonomie und einer impliziten Aufwertung wissensorientierter Arbeit in

Verbindung gebracht. Ein grofier Teil der Arbeitstatigkeiten wird als "wissensvermit-

telnd" und/oder "wissensproduzierend" in diesem Diskurs klassifiziert (vgl. Stehr,

2001:254). Wiederum, unhangig vom tatsachlichen AusmaB der Wissensarbeit in un-

serer Gesellschaft werden dadurch die bisherigen Formen der Arbeitsorganisation in

Frage gestellt.

Peter Drucker (1999) vertritt hierzu in einem interessanten Uberblick zum Thema

"Knowledge-Worker Productivity" die These, die Erfolgsstory des Managements im

20. Jahrhundert bestehe darin, die Produktivitat der manuellen Arbeit in einem noch

nie da gewesenen AusmaB gesteigert zu haben. Als zentralen Faktor dieses Erfolgs

identifiziert Drucker (1999:80) die konsequente Anwendung der wissenschaftlichen

Methoden von Taylor. Dabei wird folgendermaBen argumentiert: Die Produktivitat der

manuellen Arbeit konnte seit der Einflihrung der Fabriksproduktion, so Drucker, des-

halb um das 50-fache verbessert werden, well (1) die einzelnen Arbeitsaufgaben einer

genauen Analyse unterzogen wurden, (2) die Arbeitsschritte exakt isoliert wurden, (3)

diese einzelnen Arbeitsbewegungen aufgezeichnet wurden, (4) tiberfltissige Arbeits-

bewegungen dadurch eliminiert werden konnten, (5) und sich so zeigtc, welche

Arbeitsschritte tatsachlich zur ErfuUung einer Aufgabe notwendig sind. (6) SchlieBlich

wurde durch die konsequente Anwendung der Prinzipien von Taylor, die verbleiben-

den Arbeitsschritte so einfach wie mSglich gestaltet, das heiBt alles unnStige Beiwerk

wurde entfemt. (7) Danach wurden diese einzelnen Arbeitsschritte zu einem ''job'' zu-

sammengefasst. (8) Und schlieBlich entwarfen die Ingenieure auch die notwendigen

Werkzeuge, damit die im Detail festgeschriebenen Arbeiten dem vorgegebenen Ent-

wurf entsprechend auch ausgefiihrt wurden (siehe hierzu Drucker, 1999:80). Ein Ef-

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fekt dieser kontrollierten Organisation der Arbeit war die Moglichkeit der peniblen

Messung des exakten Arbeitsergebnisses des Einzelnen im gesamten Arbeitsprozess.

Arbeit selbst wurde damit auf das messbare Ergebnis reduziert und die Organisation

und die Gestaltung des gesamten Arbeitsprozesses in die Euros und in die K6pfe der

Ingenieure verlagert. Wesentlichstes Prinzip dieser Form der Arbeitsorganisation war

die von Taylor postulierte strikte und penibel durchgesetzte Trennung zwischen Hand-

und Kopfarbeit. In der Organisation der Wissensarbeit werden diese GrundsStze und

das damit verbundene Erfolgsrezept aber auBer Kraft gesetzt. Aber das Management

will weiter in herkommlicher Weise die Arbeit kontrollieren und die Steuerung der

Organisationsprozesse wird nicht leichtfertig aus der Hand gegeben. Und wShrend der

Input von Wissen immer wichtiger wird, lasst sich der Beitrag des Produktionsfaktors

Wissen am Output gar nicht oder nur sehr schwer messen (Lev, 2001).

Hier mochte ich an die angezeigte Auflosung von Organisationsgrenzen und der Ent-

stehung vermehrt unverbindlicher Beschaftigungsformen ankntipfen. Wenn, wie in der

einschlagigen Literatur zitiert, Wissen und organisationales Lemen als zentrale Er-

folgsfaktoren verstanden werden und davon auszugehen ist, dass die Produktion und

Diffusion von Wissen selbst - so eine wesentliche Uberlegung in dieser Arbeit - auf

stabile intersubjektive Bindungen und Beziehungen angewiesen ist, dann scheint es

plausibel zu sein, sich die Frage zu stellen, welche Folgen die Auflosung von Organi­

sationsgrenzen und die damit einhergehende Auflosung stabiler Beschaftigungsformen

auf die FShigkeit eines Untemehmens hat, innerhalb ihrer Untemehmensgrenzen Wis­

sen als Ressource nicht nur zu produzieren, sondem auch zu verwerten. Es drSngen

sich mit dieser knapp skizzierten Problematisierung folgende Fragen auf

2. Fragestellungen

Eine Frage, vor dem Hintergrund der Auslosung von Organisationsgrenzen, ist wie in

einschlagigen AnsStzen zum Wissensmanagement die Entstehung und die Verbreitung

von Wissen erklart wird. Bei der Beschaftigung mit dieser Frage geht es mir nicht so

sehr darum, wie nun Wissen in Organisationen zu managen ist, sondem von welchen

sozialen Beziehungen die Produktion und die Verteilung von Wissen in Organisa­

tionen abhSngt und unter welchen Voraussetzungen diese sozialen Beziehungen in

Organisationen ermoglicht werden. Bei der Auseinandersetzung mit dieser Frage ist

eine Grunduberlegung der meisten Wissensmanagement-Modelle, dass das Wissen in

den K6pfen einzelner Individuen als implizites Wissen evolviert und die Diffusion

uber die Transformation von impliziten in explizite, d. h. artikulierte, systematisierte

Page 17: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

und leicht mitteilbare Wissensformen zu voUziehen ist. Gerade aus diesem Grund wird

Wissen, dass nicht explizit mitteilbar ist, und sich damit einer Kontrolle entzieht, als

etwas damonisches bzw. nutzloses betrachtet.

Wissen entsteht jedoch keineswegs isoliert in den K6pfen einzelner Individuen. Eine

weitere Uberlegung beschaftigt sich deshalb mit der Frage, in welchem Zusammen-

hang soziale Bindungen, Sozialkapital und Vertrauen mit der FShigkeit Wissen zu

generieren, auszutauschen und neues Wissen zu schaffen, stehen. In der Beschaftigung

mit dieser Frage soil zuerst geklSrt werden, welchen wirtschaftlichen Wert Sozial­

kapital und Vertrauen in Untemehmen haben kann und wie dieser wirtschaftliche Wert

mit der Struktur sozialer Netzwerke verkniipft ist. In der Behandlung dieser Frage

gehe ich davon aus, dass idiosynkratische (besondere und eigentumliche) Wissens­

formen, eben auch implizites Wissens und Know-how, zwischen einzelnen Wissens-

trdgern in vertrauenswtirdigen Beziehungen nicht nur mit geringeren Transaktions-

kosten ausgetauscht wird, sondem dass die Vermittlung und Entstehung dieses

Wissens erst durch die intensiven Bindungen in sozialen Netzwerken moglich wird. In

der Beantwortung dieser Fragen mochte ich zeigen, wie die vielfMltigen organisatio-

nalen Beziehungsgeflechte, konkret die jeweiligen sozialen Netzwerke und ihre Struk­

tur in Untemehmen, die Entstehung und die Diffusion von Wissen beeinflussen.

In dieser Arbeit wird die These diskutiert, warum die angesprochenen sozialen Netz­

werke nicht nur soziales Kapital und Vertrauen produzieren, sondem einen essen-

tiellen Faktor in der Produktion und Diffusion von Wissen darstellen. Mithilfe der

sozialen Netzwerkanalyse und den in diesem Bereich verwendeten Untersuchungs-

methoden, werden konkrete Strukturen sozialer Netzwerke identifiziert, die fur die

Wissensproduktion bzw. fur den Wissenstransfer von Bedeutung sind. Mithilfe einer

Analyse der konkreten Netzwerkstrukturen zeigt sich deutlich der vimlente Wider-

spmch zwischen der beabsichtigten Kontrolle und dem Anspmch der moglichst

raschen Verbreitung von Wissen.

In diesem Zusammenhang gehe ich schlieBlich der Frage nach, unter welchen konkre­

ten Bedingungen in Untemehmen soziales Kapital aufgebaut wird. Dabei unterstelle

ich, dass durch die Auflosung von permanenten BeschSftigungsformen soziales Kapi­

tal sehr viel schwerer eingerichtet wird, als im Fall stabiler bzw. permanenter Be-

schafligungsformen. Um diese Fragen nicht nur theoretisch zu diskutieren, wurde eine

empirische Untersuchung durchgefiihrt. Ziel der Untersuchung ist es, das in Unter-

nehmen existierende soziale Kapital und Vertrauen zu erfassen und jene organisa-

Page 18: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

tionalen Eigenschaften herauszuarbeiten, die soziales Kapital und Vertrauen be-

stimmen.

Zur Beantwortung der Fragen unter welchen Bedingungen Vertrauen und soziales Ka­

pital in Organisationen entsteht, habe ich unter Einbeziehung der Ergebnisse der ein-

schiagigen Organisationsforschung eine Fragebogenuntersuchung durchgefiihrt. Dabei

habe ich einzelne Items konstruiert, die es ermQglichen, zu ausgewShlten organisatio-

nalen Eigenschaften, die Einstellung der BeschSftigten zu Fragen der Arbeitsqualitat,

Arbeitssignifikanz, Partizipation, Fragen zur Feedbackqualit^t, Fragen zur Koopera-

tion zwischen einzelnen Organisationsmitgliedem, um nur die wichtigsten hier heraus-

zugreifen, zu erheben. Mithilfe einer konfirmatorischen Faktorenanalyse wurden ein­

zelne Gruppen von Fragebogen-Items zusammengefasst, um eine brauchbare Zahl von

Faktoren zu erhalten. Den Einfluss der Faktoren, die ausgewahlte organisational

Eigenschaften bezeichnen, auf die zwei unabhSngigen Variablen Vertrauen und

Sozialkapital wurde mithilfe einer multiplen Regressionsanalyse uberpriift. Diese

Fragen werden hier vor dem Hintergrund der diskutieren AuflOsung der Organi-

sationsgrenzen und der damit in Verbindung stehenden AuflOsung traditioneller Be-

schaftigungsformen thematisiert. In der Beantwortung der Fragen, wird jedoch nicht

die Auflesung der Organisationsgrenzen diskutiert, auch wird keine Untersuchung

uber den aktuellen Stand und das AusmaB bestehender flexibler Beschaftigungsformen

vorgenommen, sondem es wird anhand der in der Untersuchung erhobenen Be-

schaftigungsformen (befristete, unbefristete Beschaftigungsverhaltnisse, Vollzeit- und

Teilzeitzeitarbeit) der Frage nachgehen, ob und in welchem AusmaB Unterschiede

festzustellen sind, hinsichtlich der Wirkung der einzelnen Faktoren auf die Entstehung

von Vertrauen und Sozialkapital.

3. Theoretische Verankerung der Frage- und Problemstellung

Zur Beantwortung der angesprochenen Fragen greife ich auf mehrere Theorien zuriick.

Ein wichtiger Ausgangpunkt ist die ressourcenorientierte Theorie der Firma (Penrose,

1959; Wemerfelt, 1984; Barney, 1986 und 1991; Mahoney und Pandian, 1992;

Peteraf, 1993) und der kompetenzorientierte Ansatz (Prahalad und Hamel, 1990;

Teece, Pisano und Shuen, 1997), well beide Theorien, die Untemehmung als 'pro­

cessor of knowledge' (vgl. Fransman, 1994) konzeptionalisieren. Verbindungen stelle

ich auch zur Transaktionskostentheorie her, well innerhalb dieses Ansatzes die Firma

als Instrument konzeptionalisiert wird, mit dem 'Informationen' verarbeitet werden

(Amin und Cohendet, 2000:93).

Page 19: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

In der ressourcen- und kompetenzorientierten Perspektive wird die Firma als Organi­

sation charakterisiert, deren Aufgabe es ist, nicht nur verschiedenste Leistungserstel-

lungsprozesse zu koordinieren, sondem primSr geht es darum, schwer imitierbare,

intangible und unverwechselbare, kurz firmenspezifische Ressourcen zu entwickeln

und fur die verschiedenen Leistungserstellungsprozesse zugSnglich zu machen. Uber

den tatsSchlichen Bestand und Nutzung dieser schwer imitierbaren und unver-

wechselbaren firmenspezifischen Ressourcen differenziert sich das Untemehmen ge-

genuber Konkurrenten (Kogut und Zander, 1996:503). Diese Fahigkeit sich gegentiber

Konkurrenten zu differenzieren fiihrt Penrose auf organisationale Fdhigkeiten,

(Penrose, 1959) zuriick. Die als zentral betrachteten organisationalen F^igkeiten ent-

stehen erst durch die Nutzung materieller Produktionsfaktoren. In der ressourcen-

orientierten Theorie der Firma wird deshalb immateriellen Faktoren wie z. B. dem

Talent, der Fahigkeit und der Kompetenz in einem Untemehmen ein spezifischer Wert

zugesprochen, der dann von groBer Bedeutung ist, wenn er unverwechselbar ist.

Penrose sieht in diesem Zusammenhang nicht einzelne Ressourcen, sondem jeweils

ein ganzes "Btindel an Ressourcen" bzw. ineinandergreifende organisationale FShig-

keiten als Quelle von Wettbewerbsvorteilen. Penrose selbst bezeichnete dieses BUndel

an Ressourcen auch als repository of knowledge (Penrose, 1959).

DarUber hinaus verdeutlicht sie, dass nicht einzelne Ressourcen und auch nicht der

bloBe Bestand eines ganzen BUndels an Ressourcen als Input in den Produktions-

prozess einflieBen, sondem die "Leistungen", die sie als das Ergebnis der Verwendung

dieser Ressourcen versteht (Penrose, 1959). In der ressourcenorientierten Theorie der

Firma werden diese Leistungen als Wissen begriffen. Dieses Wissen wie einzelne

Produktionsfaktoren zu Gutem und Dienstleistungen verarbeitet werden, wird in der

ressourcenorientierten Theorie der Firma als FShigkeiten, "capabilities" bezeichnet.

"It's never resources themselves that are the 'inputs' in the production process, but only

the services that the resources can render" (Penrose, 1959:25). Es wird in der res­

sourcenorientierten Theorie der Firma nicht die Ressource selbst, als Quelle nachhalti-

ger Wettbewerbsvorteile verstanden, sondem die UmstSnde oder wie es Penrose nennt,

die "organisationalen Fahigkeiten" mit denen die firmeneigenen Ressourcen verwen-

det, eingesetzt und weiterentwickelt werden. Es ist in diesem VerstSndnis also dann so,

dass nicht nur Ressourcen, z. B. Wissen und Kompetenz als wichtige Faktoren eines

Untemehmenserfolges gelten, sondem hinzukommt, dass die Verwendung, der Einsatz

im Rahmen der Leistungserstellungsprozesse in einer Firma thematisiert werden muss.

Problematisch dabei ist, dass der Bestand an Ressourcen im Fall von Kompetenz, Wis-

Page 20: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

sen, Know-how zum einen schwer erfassbar und zum anderen die kausale Wirkung

ambivalent ist (vgl. Teece, Pisano und Shuen, 1997; Lippman und Rumelt, 1992;

Schneider, 2001). Die ressourcenorientierte Theorie unterstreicht, dass die Kompe-

tenzen und/oder Fahigkeiten in einer Untemehmung nicht nur schwer zu greifen, son-

dem dass der Entstehungszusammenhang und die Wirkung ambivalent sind. Wenn der

Entstehungszusammenhang der Fahigkeiten nicht konkret nachvollziehbar ist, dann

entzieht sich dieser einer direkten Kontrolle und Steuerung. Die Verwendung und der

Einsatz von Wissen, Know-how und Kompetenz unterscheiden sich daher in der Ver-

wertung von herkOmmlichen materiellen Produktionsfaktoren im Untemehmen. Input-

und Output-Beziehungen lassen sich im Fall der Ressource "Geschicklichkeit",

"Fahigkeit" oder am Beispiel von "Kompetenz" nicht exakt feststellen. Der Beitrag

einzelner Organisationseinheiten und einzelner Organisationsmitglieder fliefit in ein

Gesamtergebnis der Untemehmung ein und lasst sich nicht exakt messen. Wie diese

Fahigkeiten innerhalb einer Untemehmung evolvieren, bleibt in der ressourcen-

orientierten Theorie der Firma vage.

Erganzend dazu bauen die hier angestellten Uberlegungen auf den Transaktionskosten-

Ansatz auf. Werden die organisationalen Fahigkeiten als eine idiosynkratische Leis-

tung (= eigentumliches, schwer greifbares Wissen) defmiert, dann zeigen sich die in

der Transaktionskostentheorie typischen Ubertragungsprobleme. Die Transaktions-

kostentheorie geht bekanntlich davon aus, dass einzelne Transaktionen, d. h. spezi-

fische Schritte in einem Leistungserstellungsprozess, dann innerhalb einer Unter-

nehmung durchgefiihrt werden, wenn es dafiir keine funktionierenden Markte gibt. Der

Vorteil der Untemehmung gegenuber dem Markt wird darin gesehen, dass innerhalb

der Untemehmung das Management auf Weisungen und Kontrollrechte zuriickgreifen

kann, um die Ubertragimg idiosynkratischer Leistungen zu koordinieren (vgl.

Williamson, 1985:19). Der grundsatzliche Vorzug der Untemehmung gegenuber dem

Markt, so Williamson liegt in der Fahigkeit ein direktes Kontrollrecht auf schwer

greifbare Transaktionsprozesse auszutiben. W5rtlich heifit es: der Vorzug der Firma

"inheres in its capacity to control information and achieve plan consistency among

interdependent activities, which may be regarded as an information processing

advantage" (Williamson, 1999:18). Im Fall von Wissen, Kompetenz und Know-how

ist jedoch einschrankend anzumerken, dass Wissensaktivitaten innerhalb der Unter-

nehmung ebenso schwer zu kontroUieren und zu tiberwachen sind, wie die voU-

standige Ubertragung auf Markten grofie Probleme bereitet, wenngleich die Sanktions-

moglichkeiten innerhalb der Untemehmung ausgepragter sind als auf Markten.

8

Page 21: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Vor dem Hintergrund dieser Uberlegungen greife ich schliefilich auf eine dritte Theo-

rie zuriick, die sich in den letzten zwei Jahrzehnten innerhalb der Wirtschaftssoziolo-

gie entwickelte. Diese Theorie wird als neue Wirtschaftssoziologie (new economic

sociology) bezeichnet und mit Arbeiten von Mark Granovetter (1985), Neil Fligstein

(2001) und Harrison White (2002) verbunden. Das Forschungsprogramm dieser neuen

Wirtschaftssoziologie zeigt, dass MSrkte, Markttransaktionen und wirtschaftliches

Handeln in soziale Strukturen eingebettet sind. EfFiziente MSrkte werden als Ergebnis

effizienter sozialer Strukturen interpretiert (siehe dazu Jacoby, 1997; Fligstein, 2001;

White, 2002; Granovetter, 1985), well sie in einem ganz erheblichen AusmaB Trans-

aktionskosten senken. Zudem werden Handlungen einzelner Akteure nicht isoliert von

den sozialen Strukturen, sondem in ihrer rekursiven Wechselwirkung untersucht (vgl.

Fligstein, 2001; White, 2002). Ganz ahnliche Uberlegungen werden in der neuen

Institutionenokonomie angestellt. In der Institutionen(5konomie wird zwar nicht von

sozialen Strukturen und von Einbettung einzelner Akteure in diese Strukturen ge-

sprochen, aber der zentrale Wert von Institutionen und die positiven Wirkungen auf

die wirtschaftlichen Handlungen einzelner Akteure und auf den wirtschafllichen Er-

folg ganzer Gesellschaften ist unstrittig (North, 1990). Unter Institutionen verstehen

Institutionenokonomen: "ein auf ein bestimmtes Zielbiindel abgestelltes System von

Normen einschlieBlich deren Garantieinstrumente (die 'Spielregeln') mit dem Zweck,

das individuelle Verhalten in eine bestimmte Richtung zu lenken" (Richter und Furo-

bothn, 1996:12). Die sozialen Spielregeln sind gewissermafien eingelassen in die ge-

sellschaftlichen Institutionen. North sieht den Efifekt von Institutionen unter anderem

darin, dass institutionelle Regeln Unsicherheit reduzieren: "Institutions reduce un­

certainty by providing a structure to everyday life. They are a guide to human interaction

... [They] include any form of constraint that human beings devise to shape human

interaction ... [They] consist of formal written rules as well as typically unwritten code

of conducts that underlie and supplement formal rules ..." (North, 1990:3f).

Der Nutzen von Institutionen wird also in der neuen Institutionenokonomie nicht be-

stritten (Williamson, 1985; Coase, 1937; Picot, Dietl und Franck, 2002). Ganz allge-

mein formuliert teilt die Institutionenokonomie mit der neuen Wirtschaftssoziologie

wesentliche Forschungsfragen und Ergebnisse. Ein Unterschied besteht: Die neue

Institutionenokonomie teilt drei zentrale verhaltenswissenschaftliche Prtoissen mit

der Neoklassik, die von Vertretem der neuen Wirtschaftssoziologie abgelehnt werden.

Dazu zahlen der methodologische Individualismus, die individuelle Nutzenmaxi-

mierung und der potenzielle Opportunismus der Akteure (Picot, Dietl und Franck,

Page 22: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

2002:31). Die rationalen Handlungen der Akteure* werden als Ergebnis dieser drei

Postulate konzeptionalisiert und nicht wie in der neuen Wirtschaftssoziologie als

emergente PhSnomene der sozialen Stmkturen, die InstitutionenSkonomen wurden

hier von Institutionen sprechen, in die die Akteure eingebettet sind. In dieser Hinsicht

stehen sich die zwei Theorien unversShnlich gegeniiber (Etzioni, 1994; Durlauf und

Young, 2002a). Gemeinsam ist den beiden Theorien jedoch, dass der Effekt von In­

stitutionen auf die Effizienz der wirtschaftlichen Austauschbeziehungen thematisiert

wird. Zudem wird von beiden Disziplinen Vertrauen als ein PhSnomen betrachtet, das

Transaktionskosten senkt. Und in beiden Fallen wird nicht bestritten, dass dauerhafte

Beziehungen zwischen wirtschaftlichen Akteuren Unsicherheiten reduzieren und sta­

bile Strukturen schaffen, in denen idiosynkratische Austauschbeziehungen tiberhaupt

erst produktiv mSglich werden (siehe North, 1990:50).

4. Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit

Im ersten Kapitel dieser Arbeit werden einige ausgewahlte Wissensmanagementkon-

zeptionen kritisch beleuchtet, um zu zeigen, wie die Nutzung und die Produktion der

Ressource Wissen konzipiert ist. Die Auswahl der Modelle ist keine vollstandige. Es

geht mir in diesem Abschnitt nicht um eine Beantwortung der Frage, wie in einem

Untemehmen Wissen zu managen sei, auch nicht um eine allgemeine Kritik an beste-

henden Wissensmanagementkonzepten. Vielmehr geht es darum, sich damit ausein-

anderzusetzen, in welcher Weise in den einzelnen Modellen die Produktion, Diffusion

und letztlich immer die Kontrolle von Wissen gedacht wird und iiber einen Diskurs

der sich auf die groBe Bedeutung von Wissen in unseren Gesellschaften stutzt,

legitimiert wird.

Als Einstieg in diese Frage soil das Wissensmodell von Boisot (1995) diskutiert wer­

den. Daran anschliefiend folgt die Besprechung der konzeptionellen Skizze der N-

Form (N steht fur Neu) als Modell des Wissensmanagements von Hedlund (1994). In

diesem Teil soil gezeigt werden, dass die Ubertragung verschiedener Wissensformen

1 Die Annahmen die mit rationalen Akteuren, oft unausgesprochen, in Verbindung stehen, sind fol-gende: (1) Akteure sind im Besitz von Ressourcen ("resourceful"); (2) Akteure sind in ihren MOglich-keiten eingeschrankt; (3) sie erwarten bestimmte Ergebnisse ihrer Handlungen ("expecting"); (4) sie bewerten die Ergebnisse ihrer Handlungen ("evaluating"); (5) und sie versuchen Handlungen so aus-zurichten, dass die erwarteten Ergebnisse maximiert werden ("maximising"); deshalb ist vom REEM (resourcefiil, expecting, evaluating and maximising men) die Rede.

10

Page 23: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

innerhalb der Organisation als das zentraie Problem identifiziert wird. Zweck der Dis-

kussion des Ansatzes von Hedlund ist es hervorzuheben, in welcher Weise interaktive

Prozesse zwischen Individuen, zwischen Gruppen und in Organisationen mit der

Verbreitung und Emeuerung von Wissen in Zusammenhang gebracht werden.

An die Diskussion von Boisot und Hedlund schliefit die Besprechung des SECI-Mo-

dells von Nonaka und Takeuchi (1995b) und des Konzepts Ba von Nonaka und Konno

(1998) an. Anhand der Diskussion der zentralen Voraussetzung beider Modelle soil

gezeigt werden, inwieweit auf soziale Beziehungen verwiesen wird, damit Wissen

nicht nur in Organisationen ausgetauscht wird, sondem auch der Umgang mit und die

Schaffung von neuem Wissen produktiv sind.

Daran schlieBe ich eine Diskussion des Modells der Wissensaktivisten von KSser und

Miles (2002) an, well die beiden Autoren zeigen, dass Vertrauen in sozialen Bezie­

hungen ein wesentlicher Aspekt in der Wissensproduktion und im Wissensaustausch

ist. Diesen Aspekt greifen Ghoshal und Bartlett (1997) in ihrer Konzeption der

individualisierten Untemehmung auf. Sie propagieren, dass nur Vertrauen wissens-

intensive WertschOpfungsprozesse hervorbringt. Das ist der Grund, warum es in Zu­

sammenhang mit den ausgewahlten Wissensmanagement-Modellen besprochen wird.

In ihrer Darstellung der individualisierten Untemehmung, die die beiden Autoren als

neues Managementmodell favorisieren, werden organisationstypische Verhaltens-

orientierungen thematisiert, die als soziale Infrastruktur eines wissensorientierten bzw.

im weitesten Sinne als Modell des lemenden Untemehmens gelten konnen. Ich sehe

das Modell der individualisierten Untemehmung von Ghoshal und Bartlett deshalb als

Erganzung, weil sie explizit feststellen, dass Organisationen nur dann jene organisati-

onalen Fahigkeiten und Kompetenzen entwickeln k6nnen, wenn Vertrauen in Organi­

sationen in ausreichendem AusmaB existiert.

Im daran anschliefienden zweiten Kapitel wende ich mich dem Thema Sozialkapital

und Vertrauen zu. In diesem Abschnitt entwickle ich die generelle These, dass in

Untemehmen intakte und vertrauenswurdige Beziehungen ein zentraler wirtschaftli-

cher Wert sind, der mit dem Aufbau von Sozialkapital in Zusammenhang steht. In

diesem Abschnitt werden verschiedene Sozialkapitaltheorien er5rtert. Anschliefiend

bespreche ich die Sozialkapitaltheorie von Nahapiet/Ghoshal und Nan Lin, weil hier

direkt der Zusammenhang mit der Produktion von Wissen thematisiert wird. In diesem

Abschnitt wird erlautert, warum Sozialkapital ein intangibler Verm6genswert ist, der

durch die reziproken Verpflichtungen in sozialen Netzwerken entsteht und fiir

11

Page 24: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

wissensorientierte Untemehmen unverzichtbar ist, um vorhandenes Know-how zu

nutzen. Der Zweck des Abschnitts ist es zudem, eine Begriffsklarung von Sozial-

kapital und Vertrauen fur die daran anschliefiende empirische Untersuchung vorzu-

nehmen. Ein wesentlicher Aspekt von Sozialkapital hSngt mit der konkreten Struktur

von sozialen Beziehimgen zwischen einzelnen oder mehreren Akteuren zusammen.

Inwieweit die Struktur dieser Beziehungen den Austausch von Wissen beeinflusst,

wird anschliefiend erlSutert. Es geht hier im Besonderen darum, wie die Struktur

sozialer Netzwerke mit der Wirkung und dem Umfang von Sozialkapital in Verbin-

dung steht und wie die konkrete Struktur solcher sozialen Netzwerke analysiert wer-

den kann. Dabei greife ich auf Begriffe und Methoden der sozialen Netzwerkanalyse

zuruck. Erganzend dazu erlautere ich die einschlagige Sozialkapitaltheorie von Ron

Burt (1982, 1992), die mir in dieser Arbeit als Fokus dient, um die Struktur sozialer

Netzwerke und die Wirkung von Sozialkapital auf die Wissensproduktion und Wis-

sensdifflxsion zu illustrieren. Dabei werden einzelne Begriffe der Netzwerkanalyse,

wie Netzwerkredundanz, strukturelle Brucken, Netzwerkdichte, starke und schwache

Bindungen {strong vs. weak ties) diskutiert, well damit die strukturellen Eigenschaften

und die damit verbundenen Effekte von Sozialkapital erklart werden k6nnen.

Im dritten Kapitel der Arbeit werde ich schliefilich anhand einer empirischen Unter­

suchung die Entstehung von Sozialkapital und die Entstehung von Vertrauen unter-

suchen. Im ersten Abschnitt in diesem Teil der Arbeit stelle ich mein konzeptionelles

Modell uber den Zusammenhang von Vertrauen und Sozialkapital dar. Zur empi­

rischen Oberprufung des Modells habe ich eine Fragebogenuntersuchung zu ausge-

wahlten Eigenschaften und Charakteristiken von Organisationen durchgefUhrt um den

Einfluss zentraler Merkmale auf die Entstehung von Sozialkapital und Vertrauen zu

zeigen. Mit der Fragebogenuntersuchung habe ich einzelne Merkmale untersucht tiber

die Vertrauen und Sozialkapital in Organisationen in einen kausalen Zusammenhang

stehen. Dabei soil allerdings nicht nur der kausale Zusammenhang, sondem das je-

weilige Gewicht der einzelnen unabhangigen Faktoren auf die Entstehung der ab-

hangigen Faktoren Vertrauen und Sozialkapital tiberpriift werden.

Im Detail werden die einzelnen Faktoren Arbeitsinhalt, Partizipation, Feedback,

individualisierte Entgeltsysteme, Aufgabenkontrolle, Arbeitsdruck und Untemehmens-

erfolg auf ihre Wirkung in der Entstehung von Vertrauen und Sozialkapital geprtift. Im

letzten Abschnitt des Kapitel III werden die empirischen Ergebnisse der Hypothesen-

priiftmg aus den einzelnen Modellvarianten und die Ergebnisse der jeweiligen Re-

gressionsanalyse dargestellt.

12

Page 25: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Im vierten Abschnitt dieser Arbeit fasse ich die Ergebnisse noch einmal zusammen

und stelle sie in eine Diskussion der Gesamtzusammenhange. In diesem abschlieBen-

den Teil der Arbeit greife ich ruckblickend noch einmal die zentralen Fragen dieser

Arbeit auf und skizziere die wesentUchen Ergebnisse. Im funften Abschnitt der Arbeit

werden die deskriptiven Ergebnisse der Fragenbogenuntersuchung vorgestellt und

diskutiert.

13

Page 26: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

I. Die Produktion von Wissen und die Organisation der Wissensarbeit

Wie in der Einleitung angekiindigt soil hier diskutiert werden, wie in einschlSgigen

Wissensmanagement-Ansatzen die Produktion und Diffusion von Wissen konzipiert

wird. Diese Konzeptionen sind nicht nur als theoretisches Modell zu verstehen, son-

dem auch als managementpolitischer Diskurs. Ziel hier ist neben einer Darstellung

auch eine Reflexion der Modelle. Stacey meint, dass der GroBteil der Wissensmana-

gement-Modelle von der naiven Vorstellung ausgeht, dass das Wissen in den K(3pfen

einzelner Individuen entsteht und es das Ziel ist, dieses personliche Wissen durch die

Transformation in explizites, d.h. artikuliertes und systematisiertes Wissen der Organi­

sation als Ganzes zur Verfiigung zu stellen (Stacey, 2001:14). Ein weiterer Aspekt in

den meisten Wissensmanagement-Modellen ist die Unterscheidung zwischen Daten,

Informationen und Wissen. Diese dreistufige Hierarchie in der Organisation von Wis­

sensarbeit bezeichnen Depres und Chauval (2002:89) als Eckpfeiler aller bekannten

Wissensmanagement-Modelle. Damit iSsst sich grundsatzlich in der Organisation der

Wissensarbeit eine Arbeitsteilung umsetzen, die auch der Kontrolle und dem Zugriff

von Wissen dienen kann. In einschlSgigen Wissensmanagement-Modellen wird diese

Hierarchie jedoch nicht mehr strikt vollzogen, wenngleich sie in den konzeptionellen

Modellen welter besteht. Auf der untersten Stufe dieser Hierarchie sind die Daten, die

Rohstoffe von Informationen und von Wissen. Aus rohen Daten werden Informationen

gewonnen. Aus den Informationen wird Wissen produziert. Dieses Wissen selbst wird

sehr oft in implizites und explizites Wissen unterschieden.

Entsprechend der hierarchischen Stufe in der Wissensarbeit wird der Verarbeitung von

Daten, der Produktion von Informationen und der Wissensgenerierung jeweils ein un-

terschiedlich hoher Grad an WertschQpfung zugesprochen. Die Daten, als unverarbei-

tete Rohstoffe, haben aus der Sicht eines wertorientierten Wissensmanagements den

geringsten Stellenwert. Nehmen Wissensmanagement-Modelle auf den sozialen Kon-

text der Organisation der Wissensarbeit Rticksicht, dann versuchen sie zumindest, das

Ineinandergreifen der Datenverarbeitung, der Informationsgewinnung und der Wis-

sensproduktion zu thematisieren. Aufgabe des Wissensmanagements ist es, diese ein-

zelnen Arbeitsprozesse zu integrieren (Schneider, 2001:25ff.).

Ich werde im Folgenden die Wissensmodelle von Boisot (1995 und 1998), von Hed-

lund (1994) und von Nonaka und Takeuchi (1995a) einer kritischen Diskussion unter-

ziehen. Die hier ausgewShlten Arbeiten stehen stellvertretend fur eine ganze Reihe von

Entwtirfen zum Management des Wissens, die insbesondere in der Praxis des Wis-

15

Page 27: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

sensmanagements einen groBen Einfluss zeigen. AusgewShlt habe ich diese Arbeiten,

well sie theoretisch die anspruchsvollsten und in der Literatur die am haufigsten zi-

tierten sind. Wahrend ich in der Darstellung versucht habe, die Modelle in unter-

schiedlichem Umfang - soweit eben notwendig - zu diskutieren, habe ich im An­

schluss daran, die einzelnen Modelle einer kritischen Wtirdigung unterzogen.

In vielen einschlagigen Wissensmanagement-Modellen werden verschiedene Wissens-

formen und deren Produktions- und Zugriffsbedingungen thematisiert (siehe Schnei­

der, 2001:19). Ziel der meisten Ansatze ist es, die Prozesse der Produktion und die

Verteilung des Wissens in der Untemehmung einer effizienten Steuerung zuzuflihren.

Dabei scheint es in erster Linie darum zu gehen, wie Schneider es nennt: "vor-

handene[s] Wissen zu identifizieren, zu sichten und zu verdichten, darzustellen und in

aktualisierter Form zur Verfugung zu halten." Problematisch dabei ist, dass fiir dieses

„sehr aufwendige Projekt" ... „fur die Selektionsentscheidung, was als relevant und

daher aufzeichnungswiirdig gelten soil, keine eindeutigen Kriterien zu Verfugung

[stehen]" (Schneider, 2001:37). Bin Aspekt, der sich in den meisten Wissensmanage­

ment-Modellen fmdet, ist wohl der, dass Wissen nicht nur als Ressource individueller

Akteure verstanden wird, sondem durch den Austausch zwischen einzelnen Akteuren

und konsequenterweise durch die Weitergabe und Transformation in verschiedene

Wissensformen institutioneller Bestand der Untemehmung wird (Boisot, 1995;

Nonaka und Takeuchi, 1995a; Schneider, 1996; Hedlund, 1994). In der Diskussion der

ausgewahlten Modelle wird insbesondere auf diesen Aspekt eingegangen.

1. Das Modell von Max Boisot

Im Folgenden mochte ich das Konzept von Boisot (1995) erortem und die wesent-

lichen Aspekte seines Modells kurz darstellen. AnschlieBend soil der von ihm als zent-

raler Aspekt der Wissensarbeit in Organisationen herausgearbeitete soziale Lemzyklus

erklart werden. Daran anschlieBend werden die von Boisot in Zusammenhang mit der

Organisation der Wissensarbeit genannten vier Institutionenformen (Markt, Biirokra-

tie, Klan- und Patron-Klientel-Strukturen) beschrieben.

Boisot entwirft in seinem Modell einen konzeptionellen Rahmen uber den der Aus­

tausch von impliziten (personlichen) Wissensformen und expliziten (abstrakten) Wis­

sensformen untersucht werden kann. Er nennt diesen konzeptionellen Rahmen Infor-

mationsraum oder I-Space. Der I-Space setzt sich aus drei Ebenen zusammen. Eine

Untersuchungsebene, nennt er E-Space (Episteme), well auf dieser Stufe epistemologi-

16

Page 28: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

sche Grundsatzentscheidungen getroffen werden, z.B. welche Daten selektiert werden.

Die zweite Ebene wird U-Space (Utility) bezeichnet, weil auf dieser Stufe der Nutzen

von Wissen bzw. von Informationen durch den Grad der Verbreitung in einer Organi­

sation bestimmt wird. Die dritte Ebene wird C-Space (Culture) genannt, weil hier der

Einfluss von Kultur, die die Aufhahme neuer Wissensformen fordert oder einschrankt,

untersucht werden kann. Alle drei Ebenen werden zum einem dreidimensionalen

Raum, der als I-Space bezeichnet wird, zusammengefasst, um das gegenseitige inein-

andergreifen der drei Untersuchungsebenen zu zeigen.

Die einzelnen Ebenen des I-Space, sowie die im I-Space zu beobachtenden Wissens-

produktions- und Wissensdiffusionsprozesse und die verschiedenen Stufen ein-

schlagiger sozialer Lemzyklen werden weiter unten noch im Detail besprochen. Dabei

soil gezeigt werden, dass Boisot die Produktion und den Austausch von Daten, Infor­

mationen und Wissen aufeinander aufbaut und in seinem Konzept des sozialen Lem-

zyklus als rekursiven Prozess anlegt. Boisot betrachtet die Produktion und den Aus­

tausch von Wissen als das Ergebnis komplexer ineinander greifender Informations-

fliisse. Diese ineinander greifenden Prozesse werden als Ergebnis spezifischer Daten-

/Informations-ZWissensverarbeitungsverfahren verstanden. Zentrale These in dem Mo-

dell von Boisot ist, dass die Aufarbeitung von Daten, die Gewinnung von Information

und die Produktion von Wissen in einer Organisation dann funktionieren wird, wenn

pers5nliches Wissen, das als kontextabhangiges und lokales Wissen verstanden wird,

in kontextwwgebundenes und abstraktes, explizites Wissen transformiert wird und so

von einzelnen Personen oder Gruppen uber diese Transformation far die Organisation

unabhangig von den Personen zuganglich ist.

1.1. Boisots Theorie - Pramissen und Definitionen

Wissen ist eine Fahigkeit, die durch die Verwertung, Verwendung und den Gebrauch

von Daten und Informationen entsteht. Informationen werden konzipiert als das Er­

gebnis der Auswertung von Daten. Wahrend die Reproduktion von digitalisierten In­

formationen nahezu grenzkostenlos erfolgt (Shapiro und Varian, 1999:35) trifft dies

bis zu einem gewissen Grad auch auf Wissen zu. Um den Zugriff bzw. die Reproduk­

tion von Wissen auf verschiedenen organisatorischen Ebenen zu ermoglichen, muss

Wissen in Fluss gehalten werden. Ein Argument von Boisot ist, dass Wissen, das sich

in Bewegung beflndet, niitzliches Wissen in Organisationen ist. Personliches und

kontextgebundenes Wissen ist hingegen schwieriger zu verbreiten und hat einen ge-

ringeren Nutzen. Grundsatzlich geht es Boisot daher darum, welche Eigenschaften

17

Page 29: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

jeweils die von ihm identifizierten Wissenstypen annehmen miissen, damit sie leicht

verbreitet werden konnen. Dabei identifiziert er drei zentrale Eigenschaften, namlich

den Grad an Kodifiziemng, den Grad an Abstraktion und den Diffusionsgrad von Wis-

sensformen.

1.1.1. Kodifiziemng

Boisot beginnt seine Analyse mit der Frage, wie tiberhaupt Informationen aus Daten

gewonnen werden und wie - daran anschliefiend - aus Informationen Wissen entsteht.

Zuallererst thematisiert er, dass bei der Auswahl von Daten immer Selektions-

leistungen durchgefuhrt werden miissen. In Organisationen werden hierftir institutio-

nalisierte Verfahren verwendet. In diese institutionalisierten Verfahren sind Kodifl-

zierungsmuster eingebettet, deren Ursprung nicht fUr jedermann zugSnglich ist. Boisot

beschreibt daher Verfahren mit dem in Organisationen Daten, Informationen und

Wissen verarbeitet werden, als Anwendung bereits existierender Kodifizierungsregeln.

Kodierungsregeln sind Instrumente mit denen Wahmehmung m^glich wird, aber auch

einer spezifischen EinschrSnkung unterworfen wird. Bereits bei der Aufarbeitung von

Daten werden also kognitive Vorleistungen genutzt. Wissensproduktion beginnt fiir

Boisot deshalb mit der Aufarbeitung von Daten. Um grofie Datenmengen effizient

aufzuarbeiten, so Boisot (1995), mtissen Selektionsleistungen erbracht werden. Das

Ziel dieser Selektionsprozesse besteht darin, nur ganz bestimmte Daten wahrzunehmen

und andere Daten auszuschliefien. Das gelingt nur liber die Etablierung von

Kodierungsschemata. Der Prozess der Kodifiziemng von Ph^omenen ist, wie Boisot

es formuliert: "fraught with problems and ambiguities" (Boisot, 1998:42). Neben der

Anwendung von Kodes zur Selektion von Daten, werden Daten, um sie wirtschafllich

verarbeiten zu kOnnen, mithilfe von Kategorien klassifiziert, mit dem Resultat, dass

alle Phanomene, die der ausgewahlten Klassifizierung nicht entsprechen, als un-

passend aussortiert werden. Boisot defmiert den Prozess der Kodifiziemng "als ein

Verfahren in dem konzeptionelle Kategorien verwendet werden, um PhSnomene zu

klassifizieren" (Boisot, 1998:42). Problematisch dabei ist jedoch, dass in einer Organi­

sation dieser Prozess der Standardisierung der Wahmehmung institutionalisiert wird.

Die konkrete Zuweisung einzelner Phanomene zu Klassen wird als Kodifiziemng de­

fmiert. Diese Arbeit der Kodifizierung kann umso rascher durchgefuhrt werden, je

effizienter entsprechende Klassifiziemngen verwendet werden (vgl. Boisot, 1998:42).

Je groBer die Heterogenitat einzelner PhSnomene, umso schwieriger gestaltet sich die

Kodifizierung, wenn eine Organisation gewissermafien noch sensibel auf die Unter-

18

Page 30: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

schiedlichkeiten reagieren will. Einzelne Kategorien (z. B. die Kategorisiemng von

GroBe, Farbe, Gewicht, usw.) mtissen jeweils auf das wahrgenommene Phanomen an-

wendbar sein. Kategorien sollen zwar Merkmale genau erfassen, d. h. sie mtissen ein-

deutig sein und mehrere angewandte Kategorien mtissen sich gegenseitig ausschliefien.

Das AusmaB zur Verfiigung stehender Kategorien, h&igt, so Boisot (1998:43), von der

jeweils zur Verfiigung stehenden Erfahrung und vom Training der Anwender einer

Kategorie ab.

Boisot sieht in diesem Zusammenhang durchaus den ambivalenten Charakter der Ko-

difizierung im Prozess der Wissensgenerierung. Er spricht davon: "Codification con­

stitutes a selection from competing perceptual and conceptual frames ... with repeated

use, it acquires inertia and becomes in consequence hard to modify or replace" (Boisot,

1995:48). Diese Ambivalenz von einmal etablierten Kodifizierungsschemen ist fUr den

Prozess der Produktion und Diffusion von Wissen zentral, well die Effizienz von Ko-

dierungsschemen von ihrer wwproblematisierten Anwendung bestimmt wird. Kodie-

rungsinstrumente sind deshalb wirtschafllich, weil sie groBe Mengen von Daten aufar-

beiten, aber die hohe Leistung der Datenverarbeitung wird durch eine Anderung der

Kodierungswerkzeuge zerstort. In Organisationen treten deshalb Effekte der Immuni-

sierung existierender Wahmehmungsinstrumente gegen ihre in Frage Stellung und

Veranderung in Kraft. Eine einmal getroffene Auswahl einer Kategorie, mit der PhS-

nomene perzipiert werden, ist also ambivalent, weil die die tatsSchliche Entscheidung

im Laufe der Anwendung nicht mehr thematisiert wird, zumindest soweit die Wirt-

schaftlichkeit der Anwendung einer Kategorie nicht in Frage gestellt wird. Der Prozess

der Kodifizierung ist gerade deshalb auch damit verkntipft, dass eine ganze Menge von

Daten einer Wirklichkeit zugedeckt und ausgegrenzt wird. In Krafl wird dieser Prozess

durch die anvisierte Effizienz der Kodifizierung gesetzt, der in der kompromisslosen

Umsetzung und Wirksamkeit der etablierten Filter der Wahmehmung und Perzeption

besteht.

1.1.2. Abstraktion

Da die Auswahl von Klassifizierungsschemen bereits konzeptionelle Uberlegungen

einschliefit, ist weiter zwischen perzeptiven und konzeptionellen Prozessen zu diffe-

renzieren. Boisot vermerkt hierzu: "where codification appears to be more conceptual,

it is either directly or indirectly the result of an abstraction from perceptual data"

(Boisot, 1998:48). Die konzeptionelle Vorstellung von ZusammenhSngen, die im De­

sign von Kategorie und Klasse vorgenommen wird, sieht Boisot bereits als Abstrahie-

19

Page 31: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

rung von Phanomenen an. Die Leistung der Abstraktion selbst steht in Verbindungen

mit einer konzeptiven Vorstellung tiber vermutete oder erwiesene kausale Zusammen-

hange der wahrgenommenen PhSnomene. Wichtig hierbei ist, dass das einmal ausge-

wShlte, ftir mSglichst realistisch gehaltene konzeptionelle Modell iiber die Wirkungs-

zusammenhSnge die Inforaiationsgewinnung insofem pragt, weil aus der Fulle von

uniiberschaubaren und komplexen PhSnomenen schlieBlich nur jene Daten herausge-

filtert werden, die ftir eine ganz bestimmte ErklSrung als notwendig erachtet werden.

Insofem versteht Boisot Kodifizierung und Abstrahierung zwar als zwei Verfahren,

die eng miteinander verbunden sind, aber den Unterschied sieht er darin, dass mit der

Kodifizierung wahrgenommenen PhSnomenen eine Form und mit der Abstrahierung

den Phanomenen eine Struktur gegeben wird.

Der Vorteil der Abstraktion liegt, so Boisot (1995), in der Generalisierung wahrge-

nommener PhSnomene. Idealtypisch wird hier angenommen, dass der Prozess der

Wahmehmung, der durch die Abstraktion erst mSglich wird, dazu fUhrt, dass wir kon-

krete unterschiedliche Kategorien (heterogene PhMnomene) in einem generalisierbaren

(d. h. homogenen) Zusammenhang verstehen, d.h. als Information verarbeiten, ohne

persSnlich oder tatsachlich eine Datenselektion durchfiihren zu mussen. Am effizien-

testen wird dieser Selektionsprozess von Maschinen durchgefiihrt, wenn es gelingt,

Daten in binSre Zeichensysteme zu transkribieren. Die Prozesse der Kodifizierung

(also die Produktion von Selektionskriterien in einer Organisation) und die Tatigkeit

der Abstraktion (die Produktion von Generalisierungen, also die Produktion von Sinn)

bilden in seinem epistemologischen Modell zwei Ebenen des I-Space. Jede Wissens-

form wird deshalb nach der AusprSgung des Kodifizierungsgrades und nach der H6he

des Abstraktionsgrades unterschieden. Boisot geht also in seinem Modell von folgen-

den Uberlegungen aus: Um Daten effizient zu verarbeiten miissen sie kodifiziert wer­

den. Je besser das System der Kodifizierung, umso wirtschafllicher konnen Daten ver-

arbeitet werden. Mit der Kodifizierung selbst sind jedoch konzeptionelle, das heifit

bereits Vermutungen uber kausale ZusammenhSnge impliziert, die einmal getroffen, in

Organisationen nicht mehr so ohne weiteres in Frage gestellt werden. Die konzeptio-

nellen Uberlegungen und die daraus gewonnen Informationen werden schlieClich

durch die Abstraktion, deren Zweck es ist, aus dem Besonderen allgemeine Begriffe,

Normen, Prinzipien abzuleiten, die den kontextabhSngigen Informationen ein kontex-

tunabhSngiges VerstSndnis verschaffen. Der Kontext in dem Wissen generiert wird, ist

hierbei jedoch primSr einmal eine pers5nliche Erfahrung (Polanyi, 1967), vielfach ein-

gebettet in organisationale Routinen, aber auch Teil eines habituellen Verhaltens.

20

Page 32: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Kontextunabhangigkeit heiCt hier die Trennung von Erfahrung und Person, mit dem

Ziel, Erfahnmgen unabhSngig von der konkreten Person zu verwerten. Vor dem

Hintergrund dieser Problematik fragt Boisot nach Voraussetzungen, uber die die

Wissensproduktion und der Wissensfluss in Organisationen in Gang gebracht werden

k5nnen.

Br verpackt diese Uberlegungen in sein Modell des I-Space, das er als dreidimen-

sionalen Wurfel konstruiert, wobei jede Dimension, jeweils ftir den Grad der Kodi-

fikation, den Grad der Abstraktion und den Grad an Diffusion von Wissen steht.

Personliches, kontextgobundenQS und lokales Wissen ist dementsprechend gering ko-

difiziertes und nicht abstraktes Wissen (vgl. hierzu die Abbildung 1). Im E-Space wer­

den also erhebliche erkenntnistheoretische Weichenstellungen getroffen, die in der

Praxis des Wissensmanagements Konsequenzen haben. Durch die im E-Space gesetz-

ten MaBnahmen und Entscheidungen, die ja nicht zuf^llig erfolgen, wird aus einer

Fulle von Phanomenen Sinn in der Organisation produziert (vgl. hierzu Weick, 1995).

Es werden Kategorisierungen etabliert, Klassifizierungen ubemommen und konzeptio-

nelle und perzeptive Filter eingerichtet, die nicht beliebig revidierbar sind.

Abbildung 1: Der Informationsraum (I-Space (Boisot, 1998))

abstraktes, kodifiziertes und diffundiertes Wissen

Kodfizierungsgrad

diffused

Diffussionsgrad ricodifizierl

abstrakt konkre^

Abstraktionsgrad

lokales personliches Wissen

21

Page 33: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Es iSsst sich hier argumentieren, dass das Ausmafi der Effizienz der Kodifizierung und

der Abstraktion in einer Organisation, letztendlich auf die ReflexionsfShigkeit zurUck-

wirkt. Etablierte Kodifizierungssysteme schrSnken so gesehen, unterschiedliche Wahr-

nehmungen, verschiedene Perspektiven und vielfSltige Interpretationen ein.

l.L 3, Diffusion

Die dritte Dimension bezeichnet das Ausmafi der Diffusion von Wissen im I-Space. 1st

Wissen ausreichend kodifiziert und in ein abstraktes Zeichensystem tibersetzt, so lasst

es sich leichter verbreiten, als gering kodifiziertes und kaum abstrahiertes Wissen. In

diesem Zusammenhang steilt Boisot fest, je hSher der Verbreitungsgrad von Wissen in

einer Organisation, umso grSfier der Nutzen (Boisot, 1995). Boisot unterscheidet hier

zwischen Nutzen und Wert von Wissen. Der Marktwert von Wissen reduziert sich

durch seine Verbreitung, wShrend der Nutzen durch die Diffusion nicht eingeschrSnkt

wird.

Um pers5nliches, konkretes und in organisationale Routinen eingebettetes Wissen in

einer Organisation zu verbreiten, muss es soweit wie mOglich kategorisiert und kiassi-

fiziert und in eine abstrakte Sprache tibersetzt werden. Ein Problem in diesem Zusam­

menhang in Organisationen ist, dass sehr viele lokale, persSnliche Wissensformen in

eine nicht bewusste organisationale Praxis eingebettet sind. Die jeweiligen Erfahrun-

gen und das damit verbundene Wissen kann in vielen Fallen nicht artikuliert werden,

d.h. die persQnlichen Erfahrungen sind schwer in allgemeine Begriffe bzw. in eine abs-

2 Dazu ein Beispiel: In ein und derselben Situation ist es mOglich, dass zwei Personen oft ganz unter­schiedliche Wahmehmungen machen. Ob das wOnschenswert ist oder nicht wird hier nicht in Frage gestellt. Czamiawska-Joerges berichtet (iber einen Vortrag, den zwei ihrer Kollegen gemeinsam be-sucht haben. Beide haben einen ganzlich unterschiedlichen Eindruck gewonnen: "My two colleagues went to hear a speech given by a wellknown businessman. One participated in a most exciting en­counter between the wisdom of practice and curiosity of theory, whereas the other took part in an ex­tremely boring meeting with an elderly gentleman who told old jokes" (Czamiawska-Joerges, 1999:33). Kodifizierungen sind demnach nur dann effizient, wenn unterschiedliche Wahmehmungen innerhalb der Organisation ausgeschlossen werden k5nnen. Anders formuliert, je effizienter Kodifi­zierung durchgeflihrt wird, umso wahrscheinlicher ist es, dass die EfFektivitat in der Organisation der Wissensarbeit leidet. Kodifizierung ist Selektion und Kategorisiemng von Daten gleichermaBen. Die Frage ist darm immer, gerade im Kontext der Organisation, mit welchem Kodierungsverfahren Daten organisiert werden. Wer entscheidet iiber die Auswahl des Kodierungsverfahrens? Gibt es dariiber aberhaupt eine Entscheidung? Im zitierten Beispiel von Czamiawska-Joerges (1999) haben beide Kollegen, obgleich sie eine gemeinsame Organisationskultur teilen, unterschiedliche Kodierungsver­fahren verwendet. Wissen ist mit spezifischen Kategorisierungen, die bewusst und unbewusst ver-wendet werden, verflochten.

22

Page 34: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

trakte Sprache zu ubersetzen. Boisot stellt zwar fest, dass lokales Wissen in vielen sei­

ner Eigenschaften unkommunizierbar ist und stellt grundsatzlich den Nutzen persOnli-

cher und lokaler Wissensformen nicht in Frage. Er Mlt jedoch fest: Wissen, das in Or-

ganisationen zirkuliert, schafft einen grSBeren Nutzen. Insofem wird personliches, lo­

kales Wissen, den objektivierbaren, abstrakten Wissensformen gegenubergestellt (vgl.

Boisot, 1995:130).

Boisot geht es hier darum, dass Organisationen nur dann neues Wissen schaffen und

sozusagen Lernen, wenn lokales Wissen, das in unkodifizierter, gering abstrahierter

und nicht-diffundierter Form vorliegt, in Wissensformen tibersetzt wird, die stark kodi-

fiziert sind und daran anschliefiend in abstrakte Sprache, d.h. allgemein verstSndliche

Begriffssysteme ubersetzt werden milssen, damit sie sich leicht verbreiten lassen. Ent-

sprechend verortet Boisot die Probleme in der Verbreitung von Wissen in erster Linie

in Zusammenhang mit den Auswirkungen unvereinbarer Interpretationskontexte, die

einen "Stqffwechser existierender Wissensformen blockieren; etwa wenn unterschied-

liche Kategorien und Klassifizierungen miteinander konkurrieren. In dieser Kon-

zeptionalisierung wird nicht-diffundiertes und diffundiertes Wissen gegentibergestellt.

(1) Nicht-diffundiertes Wissen ist eingebettet in die personliche Erfahrung einzelner

Individuen, entweder well es schwer mSglich ist, spezifische Erfahrungen auszuspre-

chen Oder weil diese Erfahrungen in einen Wissensvorrat eingebettet sind, der selbst

nicht bewusst ist und nicht artikuliert werden kann (Berger und Luckmann, 1984;

Schutz, 1972). Beispiele dafiir k^nnen spezifisches Know-how und ganz konkrete Er­

fahrungen einzelner Arbeitnehmer sein, die sie im Rahmen ihrer TStigkeit erwerben

und die in organisational Routinen eingebettet sind. Es ist dies das praktische Wissen

iiber die konkrete Verwendung von Werkzeugen in spezifischen Arbeitssituationen. In

Organisationen ist diese Form des Wissens keinesfalls nutzlos, sondem im Kontext der

Organisation der Wissensarbeit ist es schwer ubertragbar und entzieht sich der kon-

textunabhangigen Reproduktion. Der interessante Aspekt ist in diesem Zusammenhang

der, dass die kontextunabhSngige Reproduktion dieser Wissensformen zum Teil sehr

zeitaufwendige soziale Interaktion in kleinen Arbeitsteams verlangt, damit dieses Wis­

sen innerhalb von Gruppen transferiert werden kann.

(2) Diffundierbares Wissen kann hingegen mit anderen Organisationsmitgliedem sehr

viel einfacher geteilt werden. In der Regel ist dieses Wissen Faktenwissen, wie z.B.

explizite Gebrauchsanweisungen und Anleitungen zur Verwendung und zum Ge-

brauch von Maschinen und Apparaten. Es handelt sich dabei um systematisiertes

23

Page 35: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Wissen. Bin Beispiel dafur ist die chemische Zusammensetzung eines Impfstoffes, die

fur jeden Chemiker verstandlich ist. Fur solche Formen des Wissens zeigen Organisa-

tionen eine besondere Praferenz und Nachfrage. Die Anwendung dieses systemati-

sierten Wissens selbst ist aber verbimden mit kontextspezifischen Fahigkeiten, mit

einem Know-how, das als implizites Wissen verstanden wird. Beispielsweise ist die

Herstellung des Impfstoffs ohne die Beherrschung komplexer Produktionsverfahren

nicht so ohne weiteres durchfUhrbar.

Bei der Unterscheidung zwischen diffundierten und nicht-diffundierten Wissensfor-

men wird deutlich, dass Wissensformen zwar immer persSnliche, d.h. individuelle

Wissensformen sind, aber in ihrer Entstehung von der sozialen Umwelt gepragt wer-

den (Scheuble, 1998:18). DefmitionsgemaB sind diffundierte Wissensformen perma­

nent einer eigenmachtigen, souverSnen und eigensinnigen Gestaltung und Manipula­

tion ausgesetzt, soweit das in Organisationen zugelassen wird und damit grundsatzlich,

so Boisot, der Rohstoff des Lemens in einer Organisation.

1.1.4. Der I-Space (I-Information) oder soziale Lernzyklus

Wie in der folgenden Abbildung 2 zu sehen ist, bilden die Dimensionen Abstraktion,

Kodifizierung und Diffusion die drei Ebenen der Analyse im I-Space. Wird person-

liches, unkodifiziertes Wissen ausreichend kodifiziert und schlieBt daran ein Prozess

der Abstraktion an, diffundiert groBteils kontextgebundenes und lokales Wissen in der

Organisation (Boisot, 1998:60). Konkretes personliches Wissen, eingebettet in organi­

sational Routinen, befindet sich in diesem dreidimensionalen Modell, dargestellt in

der Abbildung 2 im vorderen Bereich, rechts unten. Abstraktes, kodifiziertes und stark

diffundiertes Wissen ist in der Abbildung im hinteren Bereich links oben lokalisierbar.

Eine Entwicklung von Wissensformen, die im dreidimensionalen Raum rechts unten

im vorderen Feld lokalisierbar sind, hin zu Wissensformen im vorderen Bereich links

oben, bildet den Idealfall einer Konversion von pers5nlichen und lokalen Wissensfor­

men in artikuliertes, systematisiertes Wissen, das jedoch noch nicht diffundiert ist.

Wird dieses Wissen, z.B. in Organisationen weiterverbreitet, so wandert es vom vorde­

ren Bereich links oben in den hinteren Bereich des dreidimensionalen Raums.

Boisot argumentiert nun, dass sich fiir einen vollstSndigen Lernzyklus dieser kreisfbr-

mige Verlauf fortsetzen muss. Die einzelnen Phasen sind als sequentieller Prozess dar­

gestellt, die im I-Space entlang der Dimensionen Kodifizierung, Abstraktion und

Diffusion analysiert werden. Ein vollstandiger Lernzyklus besteht aus sechs aufein-

ander aufbauenden Schritten. Im I-Space verlauft dieser Zyklus im Uhrzeigersinn. In

24

Page 36: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

der folgenden Abbildung ist ein vollstandiger Lemzyklus im dreidimensionalen I-

Space nachgezeichnet. Als Ausgangspunkt im sozialen Lemzyklus wird Wissen als

konkrete pers5nliche Erfahrung im dreidimensionalen Raum im vorderen Feld rechts

unten generiert (Boisot, 1995:187). Dieses Wissen ist lokales, idiosynkratisches und

auf alien drei Ebenen, bezogen auf den Abstraktionsgrad, Kodifikationsgrad und

Diffusionsgrad, auf der untersten Stufe der AusprSgung. Die generelle These von

Boisot (1995:186f.) in diesem Zusammenhang lautet, dass die V/QitQrbewegung auf

dieser Stufe des sozialen Lemens, entlang der skizzierten Schleife, von Punkt X, der in

der Abbildung pers5nliches, lokales Wissens anzeigt, nur tiber einen zunehmenden

Kodifizierungs- und Abstraktionsgrad im I-Space stattfmdet. Wird der Kodifizierungs-

und Abstraktionsgrad erhoht, kann Wissen diffundieren und es bewegt sich in einer s-

fbrmigen Schleife nach oben iiber den als Punkt A gekennzeichneten Bereich zum

Punkt B.

Abbildung 2: Der kreisfBrmige Verlauf der Wissensproduktion (Boisot, 1998)

abstraktes, kodifiziertes und diffiindiertes Wissen

abstrakt

Kodfizierungsgrad

diffused

Abstraktionsgrad

Diffiissionsgrad

lokales personliches Wissen

25

Page 37: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Im Bereich A, bezogen auf den Wissensbestand einer Organisation, ist ein maximaler

Grad an Strukturgebung erreicht, der gleichzeitig ein Minimum an Entropie bedeutet.

Wissensformen auf der H6he von Punkt A werden in dieser Phase relativ schnell und

mit relativ geringem Aufwand difiundieren, wenn sie bestehende Wissensformen er-

gSnzen bzw. erweitem. Ist das der Fall, diffundiert Wissen in Richtung Punkt B.

Boisot nimmt nun an, dass nicht nur Wissensformen diffundieren, die bereits etablierte

WissensbestSnde ergSnzen, sondem zusehends Wissensformen, die gemeinsam und/

Oder in Konkurrenz zu bestehenden WissensbestSnden sich verbreiten. Dadurch be-

wegt sich der Wissensfluss in Richtung - des in der Abbildung eingezeichneten -

Punkt Y. An dieser Stelle emergieren verschiedene Wissensformen in der Organi­

sation, die einen geringen Kodifizierungsgrad und einen geringen Abstraktionsgrad

aufweisen. Dadurch erhSht sich die Entropie bezogen auf die existierenden Wissensbe-

stande in der Organisation. Durch den hohen Grad an Unordnung im System wird es in

der Organisation mCglich, unterschiedliche, neue, nicht etablierte Wissensformen in

lokalen/konkreten Kontexten zu verwenden. Das auf dieser Stufe entstehende Wissen

ist schlieBlich wieder personliches, kontextgebundenes und spezifisches Wissen, das

einen geringen Kodifizierungsgrad, einen geringen Abstraktionsgrad und einen ge­

ringen Diffusionsgrad aufweist. Boisot (1995:189) differenziert in seinem Modell des

sozialen Lemzyklus im I-Space mehrere aufeinander folgende und miteinander zusam-

menhangende Prozesse, die er in zwei Phasen unterteilt. Im Modell von Boisot wird in

Phase I Wert (value) von Wissen produziert. In Phase II des sozialen Lemzyklus wird

der organisationale Wert von Wissen realisiert.

Ein wichtiger Aspekt der das Ineinandergreifen der verschiedenen Phasen des organi-

sationalen Lemzyklus beeinflusst ist das AusmaB an organisationalem Freiraum

(Slack), den sich eine Organisation leistet oder leisten kann. Die Frage stellt sich hier

also, wie viel Freiraum (organisational slack) die Organisation den singulSren "Daten

verarbeitenden Agenten" in den einzelnen Phasen gewahrt, damit Blockaden autonom

aufgearbeitet werden konnen. Davon hangt die Qualitat der Weiterverarbeitung von

Wissen in Organisationen ab. Die Produktion von neuem Wissen beginnt mit dem ge-

3 D. h. ein Entropiegrad in einem System von 0 entspricht einem Maximum an Ordnung in der Struktur des Systems. Ein Entropiegrad von 1 entspricht einem Maximum an Unordnung. In diesem Umfeld der Unordnung wird es nach Boisot nun mOglich, neues Wissen in etablierte Kodifizierungs- und Kategorisierungssysteme zu importieren.

26

Page 38: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

zielten Durchsuchen von Datenmengen imd dem Herausfiltem von brauchbaren In-

formationen zur Losung konkreter Fragestellungen. Bereits auf dieser Ebene ist theo-

retische Arbeit zu leisten. Das im sozialen Lemzyklus implizierte Abarbeiten der ein-

zelnen Phasen ist in der Realitat ein stSndiges Vor und Zuruck und ein Hin und Her

zwischen den folgenden und vorangehenden Phasen im sozialen Lemzyklus. Dazu

benOtigen die informationsverarbeitenden Akteure Zeit und Raum, die ihnen jedoch im

Alltagsgeschaft nicht zugestanden werden.

Der organisatorische Wissensprozess beginnt (wie in der Abbildung 3 zu sehen ist) mit

der (1) Phase der Sondierung (S) von Datenmengen. Der Daten verarbeitende Agent

reduziert auf dieser Stufe die notwendige Menge an Daten durch den Prozess der

Kodifizierung. Dabei werden nur diejenigen Daten- und Informationsmengen bertick-

sichtigt, die fiir die (2) Phase der Problemstellung (p) relevant sind. Auf dieser Ebene

entscheidet sich, wieweit die Selektion und Filterung von Datenmengen eigenstandig

in Bezug auf den Kontext der konkreten Problemstellung erfolgt, oder als ein hetero-

nomer, d.h. fremdbestimmter Prozess voUzogen wird. Mit der Phase (p) beginnt die

eigentliche Beschaftigung mit der Losung von Problemen. Sind ausreichend befriedi-

gende Losungen gefunden, so werden diese Losungen auf der nachsten Stufe in eine

abstrakte systematisierte Sprache iibersetzt (at). Zusammengefasst sind die drei Phasen

s, p, at (Phase I) der Prozess der Wissensgenerierung in der Untemehmung.

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Page 39: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Abbildung 3: Die sechs Lemstufen im I-Space (Boisot, 1998)

abstraktes, kodifiziertes und difflindiertes Wissen

Kodfizierungsgrad

diffused

Diffussionsgrad rfcodifizierl

abstrakt konkret\

Abstraktionsgrad

lokales personliches Wissen

In der Phase II des sozialen Lemzyklus, die aus den Stufen d (Diffusion), ar (absorp­

tion) und I (Impakt) besteht, wird existierendes Wissen verwertet (Boisot, 1995:189).

Die Verwertung ist dann erfolgreich, wenn lokale Wissensformen kontextunabhangig

in andere Organisationsbereiche diffundieren.

7.7.5. Institutionenokonomische Losungen speziflscher Defizite im sozialen Lemzyklus von Organisationen

Sowohl die fur die organisational Wissensproduktion notwendigen Prozesse der

Kodifizierung, Abstraktion und Diffusion, als auch der soziale Lemzyklus sind in

Organisationen nur denkbar als komplexe soziale Interaktion. Neben den drei zentra-

len Dimensionen (Kodifizierung, Abstraktion und Diffusion) und der Analyse des so­

zialen Lemens als zyklisches Ineinandergreifen verschiedener Wissenstypen, greift

Boisots in seinem Wissensmodell zusatzlich eine wichtige Frage auf. Ftir ihn sind der

Erfolg der Verbreitung personlicher und lokaler Wissensformen und der gesamte Pro-

zess des Lemens nicht nur uber die epistemologischen Kategorien im I-Space zu er-

klaren. Ausgehend von den unterschiedlichen "Informationseigenschaften" der ver-

schiedenen Wissensformen (Boisot, 1998:125) zeigt er, dass unterschiedliche institu-

tionelle Govemance-Stmkturen Jewells idealtypischen Wissensformen in seinem

28

Page 40: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Modell entsprechen. Boisot unterscheidet hierbei vier institutionelle Arrangements,

nSmlich Markte, Biirokratien, Klan- und Patron-Klientel-Beziehungen.'* Auf welcher

Ebene jeweils welches institutionelle Arrangement den effizientesten Modus sozialer

Interaktion darstellt, ist in Abbildung 4 illustriert.

Abbildung 4: Verbreitung von Wissen und die entsprechende Institutionenform (Boisot, 1998)

BiirokratJe

F^trbn -Klientel

abstrakt , , , . ,*^onkret Abstraktionsgrad

.<r ^-^

LI.5.1. Markte

Auf Markten werden kodifizierte und abstrakte Informationen bereitgestellt, ohne dass

personliche Beziehungen zwischen KSufer und Verkaufer fur das Zustandekommen

und fur die Abwicklung der Transaktionen notwendig waren. Der Austausch von

Wissensaustausch auf Markten fmdet dann statt, wenn die Ubertragung der Wissens-

leistung tatsachlich vollstandig durchgefuhrt werden kann. Das schlieBt ein, dass die

Leistung durch die Preisinformation in einem ausreichenden AusmaB bewertet werden

Boisot verwendet den Begriff Fiefs in seinem Modell, der jedoch im deutschen korrekterweise als Feudalherr iibersetzt werden musste. Die sozialen Bindungen und Beziehungen, die er mit dem institutionellen Arrangement, das er Fiefs nennt beschreibt, lassen sich jedoch als Patron-Klientel-Be-ziehungen charakterisieren.

29

Page 41: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

kann. Das ware der Fall in dem erwahnten Beispiel der chemischen Zusammensetzung

eines Impfstoffes. Im Grofien und Ganzen wtirde der Verkauf dieses Wissens keine

Probleme bereiten. Kaufpreis und Ubertragung lassen sich festschreiben und der

Schutz konnte durch Patentrechte gewahrleistet sein. Dartiber hinaus mussten KSufer

und Verkaufer keine gemeinschaftlichen Werte und kulturellen Eigenschaften teilen,

damit sie das iibertragene Wissensgut nutzen konnen. MOglicherweise wtirde sogar ein

kompetitiver Preis fur diese Form des Wissens festzumachen sein.

Markte als Institutionen werden als effizientes Instrument betrachtet, wenn die mit der

Ubertragung notwendigen verfUgungsrechtlichen Eigenschaften von Wissen im

Rahmen vollstandiger Vertrage geklart werden. Lasst sich also der Austausch von

Wissensleistungen durch Vertrage vollstandig regeln, konnen Mangel festgestellt

werden und ist es moglich, vereinbarte aber nicht gelieferte Leistungsbestandteile fest-

zustellen und einzufordem, dann sind MSrkte effiziente Institutionen in der Uber­

tragung von Wissen.

Beim Kauf einer Idee besteht ftir den KSufer jedoch bereits ein hohes Risiko, ob tat-

sachlich z. B. eine Nachfrage existiert. Grundsatzlich wird der Kaufer einer Produkt-

idee dieses Risiko mit dem Verkaufer teilen. Das ist okonomisch kein Problem. Aber

in diesem Fall musste bereits eine auf Dauer angelegte Bindung zwischen Kaufer und

Verkaufer eingerichtet werden. Ein Vertrag uber den Verkauf einer Produktidee wtirde

moglicherweise nur dann zustande kommen, wenn keine allzu hohen Informations-

asymmetrien zwischen Verkaufer und Kaufer existieren. Je unvollkommener Markte,

umso wahrscheinlicher werden Tauschakte nur dann zustande kommen, wenn

zwischen Kaufer und Verkaufer von Wissen langerfristige Beziehungen etabliert

werden. Wenn das nicht der Fall ist, mtissen andere institutionelle Formen gefunden

werden. Im dreidimensionalen I-Space werden Markte im hinteren Bereich links oben

lokalisiert (Boisot, 1998:127).

1.1.5.2. Burokratien

Btirokratien werden als effiziente Institution im Fall von kodifizierten und abstrakten

Wissensformen betrachtet, bei denen keine personlichen Beziehungen notwendig sind,

um den Austausch und die Diffusion von Wissen in Gang zu setzen. In Btirokratien

sind kodifizierte und abstrakte Wissensformen nur beschrankt verbreitet und werden

zentral verwaltet und koordiniert. Der Wissensfluss wird in Hierarchien durch

Weisungen und Anordnungen koordiniert (Boisot, 1998:127). In Btirokratien besteht

30

Page 42: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

nicht die Notwendigkeit gemeinsame Werte und kulturelle Eigenschaften zu teilen.

Bin GroBteil der Unsicherheit auf Markten - ganz im Sinne von Williamson (1985) -

soil von Burokratien abgefangen werden. Wie Markte sind BUrokratien abhangig von

ausreichend kodifizierten und abstrakten Informationen (z.B. Bilanzkennzahlen). Da

Boisot (1995:245) von der Uberlegung ausgeht, dass Informationen eine naturliche

Tendenz haben sich zu verbreiten, soweit sie ausreichend kodifiziert und abstrahiert

sind, wird die Btirokratie als Instrument eingesetzt, kiinstliche Schranken einzurichten,

um den freien (nicht-kontroUierten) Wissensfluss zu regulieren. Btirokratie ist insofem

ein Instrument mit dem Wissensfltisse reguliert, kontrolliert und eine als schadlich

eingestufte Verbreitung von Informationen oder Wissen eingeschrankt werden kann.

In Btirokratien ist ein freier Informationsfluss nicht immer wtinschenswert, und es ist

Aufgabe einer effizienten Organisationsgestaltung, den Informationsfluss zu regu­

lieren. Das wichtigste Instrument hierzu ist die arbeitsteilige Hierarchic. Das entspricht

der Vorstellung von Weber (1922), der in der Btirokratie ein Instrument zur rationalen

Steuerung von Informationen sieht. Die Zuschreibung von Kompetenz ist in der btiro-

kratischen Organisation ein Instrument der KontroUe von Wissensfltissen. Damit wird

gewShrleistet, dass tatsachlich nur diejenigen die Informationen bekommen, far die sie

bestimmt sind. Damit wird gleichermaBen sichergestellt, dass einzelne Ebenen in der

Organisation gezielt mit Informationen versorgt werden und andere davon ausge-

schlossen. Das funktioniert in Hierarchien nicht immer besonders gut, aber sehr viel

besser als auf Markten.

Ein weiteres Kriterium in Organisationen, Informationsfltisse zu regulieren, ist der

privilegierte Zugang zu Informationen, um den missbrauchlichen Umgang damit ein-

zuschrSnken. Die hier genannten Eigenschaften werden von Boisot (1995:247f.) als

Requisiten der Kontrolle klassifiziert, die in die formalen und informalen Strukturen

der btirokratischen Organisation eingebettet sind. Die Werte der btirokratischen Orga­

nisation wie Stabilitat, Hierarchic, Aktenmafiigkeit, Vollzug von Gesetzen und An-

ordnungen und die Ausschaltung der Willktir einzelner Akteure sind Prinzipien, die

der Effizienz von Anordnung und Unterordnung dienen.

Boisot (1995:250) versteht die Btirokratie als Werkzeug der "Nicht-Verbreitung" von

Wissen. Anzumerken ist hier, dass Burokratien in ihrem strengen Entwurf (Weber,

1922) gar nicht konzipiert sind, Wissen zu produzieren, sondem dazu, den Vollzug

von Anordnungen zu gewShrleisten. Btirokratien sind nicht konzipiert, um den Zweck

von Anordnungen zu reflektieren, sondem den angeordneten Aufgabenvollzug umzu-

31

Page 43: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

setzen. Die Burokratie ist also kein Organisationsdesign, das zur Produktion von

Wissen geeignet ist, sondem zum Vollzug von Anordnungen. Wer also im Rahmen

des Wissensmanagements die Steuerung der Wissensverteilung als zentrale Aufgabe

begreift, wird mit den hier erwahnten "Eigenschaflen der Burokratie"^ konfrontiert

werden. Im I-Space sind Burokratien im vorderen Bereich links oben lokalisiert

(Boisot, 1998:127).

LL5.3.Klan

Der Klan mit seinen verwandtschafllichen sozialen Bindungen wird von Boisot

(1998:132) als Institution klassifiziert, mit der personliche, unkodifizierte und kon-

krete Wissensformen uber face-to-face Beziehungen effizient ausgetauscht werden.

Klanstrukturen zeichnen sich gegeniiber MSrkten und Burokratien dadurch aus, dass

sie Werte und kulturelle Glaubensgrundsatze teilen. Aufgrund der engen verwandt­

schafllichen Bindungen wird der Klan als Instrument gesehen, mit dem die Diffusion

von Wissen kontroUiert werden kaim, ohne die chronischen Defizite der Btirokratie zu

ubemehmen. Im Klan sind AutoritSten und Kompetenzen klar markiert.

Bin Klan ist eine soziale Gruppe, deren IdentitSt und Beziehungen sich uber familiSre

Bindungen defmieren. Klans werden defmiert als Gruppen, die uber Heirat verbunden

sind und die auf der Basis gemeinsamer kultureller Erfahrungen zusammenarbeiten.

Innerhalb dieser Gruppe gibt es Hierarchien, der soziale Zusammenhalt ist jedoch sehr

viel groBer als in MSrkten und in Burokratien. AuBerhalb dieser Gruppen wird Infor­

mation nur begrenzt verbreitet. Zwischen "Insidem" fmdet ein intensiver Austausch

statt, vorwiegend aufgrund der hohen Affmitat in der Gruppe, dadurch entstehen sehr

eng miteinander verkntipfte Wissensvorrate gemeinsamer Lebenswelten der Klanmit-

glieder. Die einzelnen Klanmitglieder sind uber persOnliche Bindungen miteinander

verknupft. In der Kegel existieren ein oder mehrere patemalistische Patriarchen, die

uber die gegenwartige und zukunftige Verwendung der existierenden Ressourcen ent-

scheiden. Ausbildung und Aufgaben werden auf einzelne Klanmitglieder verteilt, das

Risiko tragt der Klan.

5 SchreyOgg greift folgende Merkmale der Burokratie heraus: (1) strikte Regelgebundenheit der Amts-flihrung; (2) Abgrenzung von Autoritat und Verantwortung; (3) festgelegtes System der Uber- und Unterordnung (Hierarchie); (4) AktenmaBigkeit der Organe; (5) sachgemaBe Entscheidungsregeln; und (6) fachlich ausgebildete Sachbearbeiter (SchreySgg, 1999:35).

32

Page 44: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Sind bei bestimmten Wissensformen die damit verbundenen Informationsasymmetrien

unuberwindbar, findet z. B. auf MMrkten kein Leistungsaustausch statt. Der Klan ver-

teilt diese Effekte auf die gesamte Gruppe und federt so das Risiko bei einzelnen

Transaktionen ab. Der Austausch von Wissen uber die Klangrenzen hinweg bereitet

Probleme (vgl. Banfield, 1958).

Bezogen auf den Austausch von Wissen argumentiert Boisot (1995:250), dass sich der

im Uhrzeigersinn fortlaufende Zyklus von Schaffung und Verteilung von Wissen in

seiner Entwicklungsrichtung umkehrt, wenn innerhalb von Organisationen keine dem

Klan entsprechenden institutionellen Arrangements existieren. Klanstrukturen im Ver-

standnis von Boisot lassen sich mit der Funktion von Communities of Practice ver-

gleichen, wenngleich die sozialen Bindungen innerhalb von Communities of Practice

als sehr viel schwacher einzustufen sind (Wenger, 2001). In Klanstrukturen ist inter-

personales Vertrauen eine wichtige Voraussetzung stabiler sozialer Strukturen. Die

Institutionenform des Klans ist im dreidimensionalen I-Space von Boisot (1998:126)

im hinteren Bereich rechts unten zu lokalisieren.

1.1.5.4. Fiefs (Patron-Klientel-Beziehungen)

Fiefs, im iibertragenen Sinn verstanden als dyadische Beziehung zwischen Patron und

Klientel, werden als Gegenstuck zum Markt im I-Space eingeordnet. In Patron-

Klientel-Strukturen wird unkodifiziertes und konkretes Wissen ausgetauscht. Die Ver-

breitung des Wissens ist gering und durch face-to-face Kommunikation vermittelt. Die

Beziehungen in Patron-Klientel-Strukturen werden als feudal und/oder charismatisch

bezeichnet (Boisot, 1998:127). Der Austausch von Wissensformen findet innerhalb

fester personlicher Bindungen statt. Innerhalb dieser Bindungen existiert eine ein-

deutige Hierarchic. Patron-Klientel-Strukturen charakterisieren sich durch gemein-

6 Hall (1990) unterscheidet Klans, die in High-Kontext-Kulturen (HKK) und Low-Kontext-Kulturen (LKK) leben. FUr den Austausch idiosynkratischen Wissens wOrden sich demnach High-Kontext-Kulturen besser eignen als Low-Kontext-Kulturen, well sie lokales, konkretes, unkodifiziertes Wissen in einem geringeren AusmaB artikulieren mUssen, damit es verbreitet wird. In High-Kontext-Kulturen wird die Kommunikation als komplex, multidimensional und subtil bezeichnet (Hall, 1990). Insofem muss nicht jedes Detail erklart oder angesprochen werden, sondem wird tiber den Kontext der Kom­munikation eingebettet. Low-Kontext-Kulturen orientieren sich hingegen am selektiven Gebrauch kodifizierter, abstrakter Informationen, die klar und einfach mitzuteilen sind. Low-Kontext-Kulturen wiirden also kodifizierte und abstrakte Wissensformen effizienter verbreiten, weil sie in unper-s5nlichen Kommunikationssituationen Informationen gut ubermitteln (vgl. Hall, 1990; Boisot, 1995)

33

Page 45: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

same Werte und Glaubenssysteme. Boisot argumentiert, dass in all jenen Fallen, in

denen Markte, Burokratien und Klanstmkturen keine effizienten Strukturen bereit-

stellten, um nicht-kodifiziertes, lokales und konkretes Wissen weiterzugeben, die per-

sonliche Abhangigkeit zwischen Patron-Klientel der Modus sei, um Know-how und

schwer mitteilbares Wissen zu iibertragen.

Die Beziehung zwischen Meister und Geselle ist ein Beispiel fiir eine Patron-Klientel-

Beziehung, in der durch enge personliche Beziehungen idiosynkratische Wissensfor-

men gelemt und weitergegeben werden. Uber die Patron-Klientel-Beziehung hinaus ist

der Austausch jedoch problematisch und Wissen diffundiert nur durch die AuflQsung

der Bindung zwischen Patron und Klientel. Damit diese AuflOsung nicht stattfmdet,

werden sehr oft soziale und wirtschaftliche Abhangigkeiten eingerichtet, die als Not-

wendig erachtet werden, um wirtschaftliche Einheiten, z. B. Familienuntemehmen, zu-

sammenzuhalten (North, 1990).

Fiefs geniefien soziale Akzeptanz, solange sie sich gegeniiber ihrer Klientel fair ver-

halten. D.h. solange sie durch ihre wirtschaftlichen Eigeninteressen die reziproken

Verpflichtungen nicht verletzen. Die Akzeptanz von Autoritat wird uber loyale Fa-

milienmitglieder oder tiber loyale Klientel produziert, die ihrerseits nur dann diese

AbhSngigkeit als legitim erfahren, wenn ihre eigenen wirtschaftlichen und sozialen

Interessen befriedigt werden. In Patron-Klientel-Beziehungen existieren kaum Infor-

mationsasymmetrien, es existieren jedoch soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten.

Im dreidimensionalen Raum des I-Space von Boisot (1998:127) sind Fiefs (bzw. die

Patron-Klientel-Strukturen) im vorderen Bereich rechts unten lokalisiert.

7 In den Kulturwissenschaften und in der Ethnologic ist die von Boisot getroffene Unterscheidung nicht neu. Ruth Benedict, Margret Mead, George Bateson und Mary Douglas haben an ahnlichen kon-zeptionellen Ansatzen gearbeitet. Fiir sie stand allerdings nicht der Aspekt der Kontrolle und des Zu-griffs auf Wissen im Vordergrund, sondem die Frage, wie archaische Gemeinschaften ihre Be­ziehungen regulieren. Die fiir mich wichtige Unterscheidung, die in den genannten AnsStzen getroffen wird, ist die zwischen anonymen und persOnlichen identitatsstiftenden Sozialisationsstrukturen. Mary Douglas (1996) hat in ihrem Buch "Natural Symbols" die Beziehungen zwischen Wertesystemen und Kosmologien verschiedener sozialer Gruppen untersucht. Sie zeigt, dass in Familienstrukturen Werte, Glaubenssysteme, Regeln des Anstandes etc. und ihre Formen der Sanktionierung des Missbrauchs und der Weiterverbreitung (Sozialisation) kausal zusammenhSngen.

34

Page 46: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

In der folgenden Tabelle sind die Informations- und Institutioneneigenschaften von

MSrkten, Burokratien, Kians und Patron-Klientei-Beziehungen noch einmal iiber-

sichtlich zusammengefasst.

Tabelle 1 Informationseigenschaften \ Attribute

Soziale Be-ziehungen Untemehmensform Informationseigen-schaften Kodifikation Abstraktion Diffusion Bedeutung gemein-samer Werte und Normen Koordinations-mechanismus

Markt

UnpersSnlich

Divisional

Hoch Hoch Hoch Gering

Selbstregulie-rend

irnd die entsprechende BUrokratie

Unpersdnlich

Funktional

Hoch Hoch Gering Gering

Hierarchie Weisung

Institutionenform Klan

PersOnlich

Netzwerk

Mittel Mittel Mittel Mittel

Verhandlung

Patron-Klientel-Beziehungen (Fiefs) Pers6nlich

Start-up

Gering Gering Gering Mittel bis Hoch

Loyalitat

Quelle: Boisot, 1998:145-151.

Exkurs implizites und explizites Wissen

Die Frage, inwiefem ein sozialer Kontext fiir die Schaffung und Verbreitung von

Wissen eine wesentiiche Voraussetzung darstellt, hSngt mit der jeweiligen Definition

und mit dem verwendeten VerstMndnis von Wissen zusammen. Wird, wie Schneider es

fordert, stillschweigendes, also implizites Wissen nicht ais Gegensatz zum expliziten

Wissen gefasst, wie dies "ein Gutteil der Wissensmanagementiiteratur tut" dann muss

"Wissensmanagement ...daher nicht nur Management des Wissens (z.B. Artikulation

bisher nicht artikulierter Erfahrungen), sondem vor allem auch Management des kom-

munikativen Kontexts" sein (Schneider, 2002b: 10). Und wenn "organisationales Wis­

sen als komplexes, verteiltes" Wissen betrachtet wird, muss "die soziale Dynamik der

Organisation, der Einfluss von Raum und Zeit und die individuellen Lemgeschichten

der Organisationsmitglieder ins Spiel" (Schneider, 2002b: 15) gebracht werden. Damit

dies auch tatsachlich passiert, mussen die Betroffenen in Beziehung treten, und diese

Beziehung muss umso starker sein, so die Uberlegung, je weniger greifbar und je

weniger artikulierbar das Wissen, das vermittelt und ausgetauscht werden soil, ist.

Scheuble (1998) stellt in seiner Dissertation den Zusammenhang zwischen impliziten/

expliziten und artikulierten, artikulierbaren und transferierbaren Wissen folgender-

maBen dar. Er versteht in der Kategorisierung explizites Wissen als Teil von artiku-

35

Page 47: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

lierten und artikulierbaren Wissensformen; alle drei Wissensbegriffe sind Bestandteil

des impliziten Wissens. Polanyi wiirde sogar von einem konstitutiven Teil sprechen

(1957). Transferierbares Wissen selbst uberschneidet sich mit artikulierbaren, artiku-

lierten und expliziten Wissensformen. Diese Kategorisierung dient Scheuble (1998:24)

dazu, den Unterschied herauszustreichen, inwieweit Wissen artikulierbar ist und in

Sprache iibersetzt werden kann. Scheuble geht hierbei von folgender Uberlegung aus,

nSmlich dass die Fahigkeit Wissen zu artikulieren, den Sender betriffl und die Fahig-

keit Wissen aufzunehmen den Empf^ger. Dabei ist fur den Empfanger die Frage

wichtig, inwieweit er das artikulierte Wissen als explizites aufnehmen, d.h. in erster

Linie auch verstehen kann. In einer Organisation ist jedoch nicht nur die Artikulation

von Wissen bedeutsam, sondem eben auch die Transferierbarkeit (Scheuble, 1998:27).

Mit diesen Fragen der Ubermittlung von Wissen in Organisationen hat sich auch

Szulanski (2003) beschaftigt. Er stellt deutlich fest: "The transfer of knowledge within

the firm takes time, sometimes as much as three years, and incurs costs and un­

certainty..." (Szulanski, 2003:11). Wissenvermittlung in Organisation ist also nicht nur

sehr zeitaufwendig, sondem auch von einer ganzen Reihe spezifischer organisationaler

Faktoren beeinflusst. Szulanski identifiziert in seinen Arbeiten sieben Pradiktoren, die

den Transfer von Wissen bestimmen. Pradiktor (1) ist die kausale Ambiguitat,

Pradiktor (2) ist der fehlende Beweis, dass das Wissen niitzlich ist, Pradiktor (3) die

fehlende Motivation der Quelle Wissen zu transferieren, Pradiktor (4) fehlende Glaub-

wiirdigkeit der Quelle, Pradiktor (5) fehlende Motivation des Rezipienten, Pradiktor

(6) fehlende AufhahmefMhigkeit des Rezipienten und Pradiktor (7) fehlende Fahigkeit

des Rezipienten, das Wissen zu behalten (Szulanski, 2003:25-32). Transferiert und

produziert wird dieses Wissen jedoch immer in einem sozialen Kontext und durch

soziale Interaktion, so eine zentrale Uberlegung in dieser Arbeit.

Polanyi (1957) hat auf einen weiteren wichtigen Aspekt hingewiesen. In seiner Er-

klarung der beiden Wissensformen explizit und implizit, hat er mit Nachdruck argu-

mentiert, dass auf verschiedenen Ebenen die Schaffung von implizitem und explizitem

Wissen untrennbar miteinander verbunden ist und das eine nicht vom anderen zu

trennen ist (siehe Gill, 2000:39). Daran anschliefiend charakterisieren Nonaka und

Takeuchi implizites Wissen als "personliches, kontext-spezifisches und daher als

schwer zu formalisierendes und kommunizierendes Wissen" (Nonaka und Takeuchi,

1995a:59). Und sie unterstreichen: „Having an insight or a hunch that is highly per­

sonal is of little value to the company unless the individual can convert it into explicit

knowledge, thus allowing it to be shared with others in the company" (Nonaka und

36

Page 48: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Takeuchi, 1995a: 11). Der intuitive und subjektive Charakter von impliziten Wissens-

fonnen macht es schwierig sich dieses Wissen systematisch anzueignen. Um dieses

Wissen zu kommunizieren muss es in Worte oder Zahlen konvertiert werden, die

jedermann versteht. Implizites Wissen wird nach Nonaka und Takeuchi mithilfe von

Metaphem, Analogien und figurativen Bildem kommuniziert. Explizites Wissen hin-

gegen ist grundsatzlich eindeutig und mithilfe fonnaler Sprachen kommunizierbar.

Nonaka und Takeuchi greifen in ihrer Unterscheidung zwischen impliziten und expli-

ziten Wissensformen auf die Arbeiten von Polanyi (1957) zuriick. Der Begriff impli­

zites Wissen wird von Polanyi (1957) favorisiert, jedoch nicht in dieser scharfen ge-

genseitigen Abgrenzung. Ganz im Gegenteil zeigt Polanyi in seinen konzeptionellen

Uberlegungen, dass sowohl implizite als auch explizite Wissensformen sich jeweils

gegenseitig erganzen. Polanyi spricht von Interpenetration und Intersektion (1957)

dieser beiden Wissensformen und unterstreicht explizit die Verbundenheit und Zu-

sammengehorigkeit beider Wissenstypen. Bei Reber (1989) ist implizites Wissen inzi-

dentiell, d. h. es wird produziert bzw. akkumuliert ohne Intention und das Ergebnis des

impliziten Lernens ist keine bewusste Wissensbasis. Nur ein sehr geringer Teil des

Wissens lasst sich artikulieren. Dennoch iibertragt eine ganze Reihe von Wissens-

managementkonzepten diese Polarisierung beider Wissenstypen in ihre Konzeptionen

und etliche Konzepte, die sich mit dem Management von Wissen beschaftigten,

schreiben diese Polarisierung fest.

2. Hedlunds konzeptionelle Skizze der N-Form als Modell des Wissensmanagements

Vor dem Hintergrund der Debatte uber die effiziente Organisationsgestaltung be-

schaftigt sich Hedlund (1994), in einem Essay, das auf Vorarbeiten mit Nonaka (1991)

zuriickgeht, mit Fragen des Wissensmanagements. Fur ihn ist dabei die Frage von Be-

deutung, wie es einer Organisation gelingt, den Grofiteil ihres in organisational

Routinen eingebetteten Wissens, bereichsubergreifend zu nutzen. Dabei konzentrieren

sich seine Uberlegungen, die er im Grenzbereich von Organisationstheorie, Organisa-

tionsokonomik und Strategieforschung ansiedelt, auf die Frage des Organisations-

designs.

2.1. Artikuliertes und stillschweigendes Wissen (tacit knowledge) und die Interaktion von Individuen und Gruppen

Neben der bekannten Typologisierung von impliziten (tacit) und artikulierten {explicit)

Wissensformen in der Untemehmung (vgl. Nonaka und Takeuchi, 1995a; Choo, 2002;

37

Page 49: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Schneider, 2002b) entwickelt Hedlund (1994) das Modell der N-Form (N steht fiir

Neu) als Gegenentwurf zur M-Form (M steht fur multidivisionale Organisationsform).

Ausgangspunkt seiner tfberlegungen bilden Wissensformen einer Organisation, die

eingebettet sind in die tagliche Praxis und in Fertigkeiten von Arbeitsgruppen.

Hedlund geht in seinem Ansatz, den er als neues Organisationsmodell versteht,

welches der Generierung und Verbreitung von wissensintensiven Leistungen gerecht

werden soil, auf die zentrale Frage ein, wie die Transformation und der Austausch von

nicht-artikulierbaren und artikulierten Wissenstypen in einer Organisation verbessert

werden kann. Fiir ihn ist also die Frage von Bedeutung, wie in Organisationen impli-

zites Wissen, soweit es artikulierbar ist, transferiert werden kann.

Hedlund ubemimmt die Unterscheidung zwischen impliziten und artikulierten, also

expliziten Wissensformen auf und stellt fest, dass in Organisationen und (iber Organi­

sationen hinausgehend, ein groBer Teil des impliziten Wissens in Produkte und

Leistungen eingebettet ist und so an andere Untemehmensbereiche weitergereicht

wird. Wissen, das allerdings nicht in Produkte und Dienstleistungen eingeht, die von

anderen Untemehmensbereichen als Vorleistungen verarbeitet werden, bleibt relativ

immobil. Deshalb geht es darum, wie in Organisationen dieses Wissen weiterver-

arbeitet und in vor- oder nachgelagerten Leistungserstellungsprozessen auch genutzt

werden kann. Hedlund sieht das Problem der Diffusion primSr darin, wie von ein-

zelnen Bereichen Wissen in andere Untemehmensbereiche iibertragen werden kann.

Als Antwort entwirft er eine Strategic, auf der von der Ebene des Individuums, iiber

Arbeitsgruppen und von der Arbeitsgruppe in andere Bereiche implizites Wissen trans­

feriert werden soil. Die Stufen auf denen der Austausch von verschiedenen Wissens­

typen favorisiert werden soil, sind die Ebene der sozialen Interaktion zwischen Indi-

viduen, der Austausch von Wissen in Gruppen im Zuge der sozialen Interaktion, die

Verteilung von Wissen in der Organisation als Ganzes und der organisationsuber-

greifende Austausch von Wissen. Transferprobleme von Wissen identifiziert Hedlund

zwischen Individuen, innerhalb von Gruppen, zwischen Gruppen und zwischen Orga­

nisationen. Die Grtinde dafiir werden aber nicht erlautert. Das mag mit seinem Ver-

standnis von impliziten und expliziten Wissenmodi zu tun haben.

Die Entstehung von Wissen begreifl Hedlund als einen Austauschprozess zwischen

impliziten und expliziten Wissensformen. Auf den organisationalen Ebenen themati-

siert Hedlund dabei die jeweils fiir diesen Prozess notwendigen sozialen Interaktions-

formen. Diese sozialen Interaktionsformen identifiziert er als Formen der Intemali-

sierung, der Reflexion und des Dialogs. Hedlund behauptet, dass zwischen Individuen

38

Page 50: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

implizites Wissen im Zuge der Sozialisation neuer Mitglieder und uber die Inter-

nalisierung praktizierter organisationaler Routinen ubertragen wird. In sozialen

Gruppen selbst, so Hedlund, wird die Ubeitragung impliziter Wissensformen durch

kongeniale Reflexionsfahigkeit bestimmt. Der Transfer von Wissen zwischen

einzelnen organisationalen Gruppen wird uber in Gang gesetzte Prozesse der Dialogi-

sierung in einer Organisation realisiert. Einmal davon abgesehen, wie tatsachlich diese

soziale Interaktion umgesetzt werden kann, sieht Hedlund als einer der ersten in der

Literatur zum Management des Wissens in komplexen multidivisionalen Unter-

nehmen, dass jedes Untemehmen mikroorganisationale und kontextuelle Bedingungen

schaffen muss, um den Transfer impliziter Wissensformen zu fordem.

Bei Hedlund (1994:75) wird also die Frage der Transferierbarkeit von Wissen mit

einer spezifischen Qualitat der Kommunikation und der sozialen Interaktion in einer

Organisation verzahnt. Diesen Schwerpunkt auf qualitative Aspekte legt er deshalb,

well er den GroBteil des Wissens in Untemehmen als organisational Routine inter-

pretiert, die in bereichsspezifische Verfahren und in sozialen Praktiken, eingebettet ist.

Dieses Wissen ist inzidentiell und implizit, so gesehen Know-how, also Wissen, wie

man eine Sache praktisch verwirklicht oder anwendet (Cyert und March, 1963; Nelson

und Winter, 1982; Teece, 2001:125f). Da diese Form des Wissens nicht so ohne

weiteres artikulierbar ist, kann es nur iiber kontextgebundene und personliche soziale

Beziehungen oder gruppendynamische Kommunikationsformen (dem Dialog) er-

schlossen werden. Insofem grenzt Hedlund implizites Wissen nicht mehr auf persSn-

liches oder individuelles Wissen ein, sondem verwendet den Begriff auch fiir koUek-

tive Wissensformen, was im Weiteren von daran anschliefienden Arbeiten aber nicht

mehr aufgegriffen wird.

Individuelles Wissen wird dementsprechend nicht in eine strikte Opposition zum orga­

nisationalen Wissen gesetzt. Es geht vielmehr darum, das koUektive Wissen in

mehreren verschiedenen Untemehmensbereichen anzuwenden. Hedlund iSsst weniger

stark als Boisot (1995) den ambivalenten Zusammenhang zwischen individuellen und

organisationalen Wissensformen auf die Konstruktion seines Modells durchschlagen.

Das gelingt ihm vielleicht gerade deshalb, weil er die von ihm herausgestellten quali-

tativen Eigenschaften, wie die Intemalisierung auf individueller Ebene, die Re­

flexionsfahigkeit in Gruppen und die Dialogfahigkeit der Organisation mit der An-

eignung und Ausweitung bestehender Wissensformen in Zusammenhang sieht. In

diesem Zusammenhang stellt Hedlund ausdriicklich fest: "that the texture of social

ecology matters a great dear (Hedlund, 1994:75).

39

Page 51: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

2.1.1. Organisationsubergreifende Formen des Wissenstransfers

Hedlund differenziert drei Formen des inter- und intrafirmalen Wissenstransfers in der

Untemehmung. Erstens wird durch den Verkauf von Produkten Wissen verauBert und

tiber Organisationsgrenzen hinaus verbreitet. Zweitens wird durch Lizenzierungen

Wissen an Dritte weitergeben. Und drittens werden durch Direktinvestitionen voll-

standige ''sets of skills" transferiert. Mein Interesse gilt jedoch den organisations-

intemen Prozessen mit denen Hedlund den Transfer von Wissen verbindet.

2.1.2. Internalisierung

Im Hinblick auf den problematisierten Wissenstransfer in der Organisation selbst

unterscheidet Hedlund, wie bereits erwahnt, die Internalisierung, die Reflexionsfahig-

keit und die Dialogfahigkeit. Wissen wird auf der individuellen Ebene uber die

Sozialisation neuer Mitglieder vermittelt. Sozialisationsprozesse sind langwierig und

sind nur dann erfolgreich, wenn Organisationsmitglieder sich mit den Zielen einer

Untemehmung identifizieren. Deshalb, so Hedlund (1994:76) miissen permanente Be-

schaftigungsbeziehungen in der N-Form eingerichtet werden, damit Intemalisierungs-

prozesse ihre Wirkung zeigen. Die Internalisierung im Rahmen derartiger Sozialisa­

tionsprozesse dient dazu, implizite Wissensformen, die in organisational Routine ein-

gebettet sind, an neue Organisationsmitglieder weiterzugeben. Die Internalisierung

selbst lasst sich insofem als reflexionsarmes Verfahren klassifizieren, weil die im Zuge

der praktizierten Tatigkeiten aufgenommenen impliziten Wissensformen groBteils un-

bewusst tibemommen werden.

2.1.3. Reflexionsfdhigkeit

Ein aktiveres und bewussteres Verfahren implizite und explizite Wissensformen aus-

zutauschen ist die Reflexion. Hedlund versteht den Reflexionsprozess als wesentliches

Moment uber das in Gruppen nicht artikulierbare und artikulierbare Wissensformen

ausgetauscht und generiert werden konnen (Hedlund, 1994:76). Reflexion bzw. Re-

flexionsfahigkeit ist mit Weick (1985:277) als Aktivitat zu verstehen, die es moglich

macht, aus einem Strom von Erlebnissen herauszutreten und iiber das Erlebte zu re-

flektieren. Dabei wird die Aufmerksamkeit auf das "was bereits passiert" ist gerichtet

(Weick, 1985:277). Uber Reflexion wird, so Hedlund, Wissen in Gruppen erweitert

und revidiert. Fiir diese Riickschau und dieses reflexive Betrachten muss aber in einer

Organisation Zeit und Raum vorhanden sein und es miissen auch die entsprechenden

sozialen Beziehungen und sozialen Interaktionen moglich sein.

40

Page 52: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

2.1.4. Dialogisierung und Dialogfdhigkeit

Uber Gruppengrenzen hinaus wird Wissen erweitert, reproduziert und angeeignet,

wenn in Organisationen Dialoge auf verschiedenen organisationalen Ebenen prakti-

ziert werden. Dialog ist als ZwiegesprSch, WechselgesprSch oder ais Gesprach ganz

allgemein zu verstehen. Im dialogischen Gesprach kommt es nicht darauf an, eigene

Standpunkte und Uberzeugung mitzuteilen oder durchzusetzen, sondem darum, dass

unterschiedliche Auffassungen und Einsichten ausgetauscht werden.

Abbildung 5: Wissensfluss in der N-Form (Hedlund, 1994)

Assimilierung

Individuum Gruppe Inter-

Organisation organisational

i 1

'•$•

1 s, 1'

§1

1

.

Dialog

'

^ Ausweitung

Expansion ]3

" ^

Im Verstandnis von Hedlund ist der Prozess der Artikulation von Wissen auf den

Ebenen des Individuums, der Gruppe und der Organisation mit den beschriebenen

intersubjektiven sozialen Prozessen der Intemalisierung, der Reflexion und des Dia­

logs verkettet. Damit verlagert sich die Problemstellung auf die Umsetzung und das

reibungslose Zusammenspiel der verschiedenen sozialen Ebenen. Der Reibungspuffer

auf der untersten Ebene ist die Intemalisierung, d.h. gelingt es der Organisation neue

Organisationsmitglieder auf die "implizite Routine" einzuschw6ren. Auf der Ebene der

Gruppe ist dieser Puffer die Reflexion. Beim Austausch von Wissen innerhalb von

Gruppen und im Austausch von Wissen einzelner Gruppen untereinander in der Orga-

41

Page 53: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

nisation setzt Hedlund auf die Leistimg des Dialogs. Auf den Ebenen zwischen den

Organisationen selbst soil das der Export von Wissen, das in Produkten eingebettet ist,

leisten.

Fiir Hedlund ist die traditionelle, multidivisionale Organisationsform ungeeignet Pro-

zesse der Intemalisierung und der Reflexion zuzulassen und ist auch nicht zum Dialog

innerhalb und zwischen den einzelnen Abteilungen fShig. Gerade durch die Reflexion

und DialogfShigkeit soil ja sichergestellt werden, dass nicht nur Wissen transferiert

wird, sondem existierende "Gewissheiten" in Frage gestellt und thematisiert werden

und insofem neue Wissensformen emergieren.

Hedlund ist davon uberzeugt, dass sein Modell der N-Form das bessere Design fiir die

Transformation und den intrafirmalen Export der verschiedenen Wissensformen bietet.

Das Modell selbst dient vorwiegend dazu, den in der Literatur herausgegriffenen Er-

folg japanischer Untemehmen im Vergleich zu westlichen Untemehmen zu disku-

tieren. Innovationsprozesse, so wird argumentiert, bauen in westlichen Untemehmen

auf umfangreiche explizite Wissensbestande auf, wahrend die japanischen Unter-

nehmen in kleinen Schritten, inkrementell bestehende Wissensbestande emeuem und

verbessem und dadurch schneller innovieren als ihre westlichen Konkurrenten

(Hedlund, 1994:78). Das hat in den Uberlegungen von Hedlund aber vor allem auch

mit dem Organisationsdesign selbst zu tun.

Neben der Struktur der N-Form, die uber flache Hierarchien bereichsiibergreifende

Kommunikations- und Reflexionsprozesse fordert, wird in der Personalpolitik das Ziel

verfolgt, auf Dauer die Beschaftigten an das Untemehmen zu binden. Zum einen damit

das Wissen nicht verloren geht, zum anderen, damit die Bereitschaft gefordert wird,

Humankapital in anderen Organisationsbereichen einzubringen (Hedlund, 1994:80f).

Hedlund setzt die alte multidivisionale Organisationsform mit der N-Form in Kontrast,

um seine Argumente zu verdeutlichen. Er begreifl die N-Form als effizienteres Gegen-

stiick zur behabigen M-Form. Die Starke der N- Form soil vor allem darin liegen, dass

die in der M-Form strikt getrennten Divisionen uber miteinander verknupfte Prozesse

integriert werden. Diese Integration soil uber die mit wechselnden Aufgaben betrauten

Humanressourcen erfolgen, die sich mit dem Untemehmen stark identifizieren und

permanent an das Untemehmen gebunden sind. Die Vorteile bzw. die Leistung der N-

Form, besteht in der Integration, die uber die sozialen Prozesse der Intemalisiemng,

Reflexion und Dialogisiemng realisiert werden. Im Detail sind es folgende Eigen-

schaften der N- Form, die dies leisten soUen:

42

Page 54: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

• Die N-Form fuhrt getrennte funktionale WertschSpflingsbereiche zusammen und

konzentriert sich auf die Kombination von Ressourcen verschiedener Organisa-

tionsbereiche.

• Die N-Form fordert die temporare Koalition (Zusammenarbeit) von Personen und

Abteilungen. Dafiir werden dauerhafte Beschaftigungsbeziehungen als notwen-

dige Voraussetzung erachtet.

• Die N-Form bindet Mitarbeiter auf den untersten Ebenen in die Gesamtarchitektur

des Untemehmens ein, weil iiber sie ein interfiinktionaler und interdivisionaler

Austausch des Wissens in der Untemehmung voUzogen wird, wenn es tats^chlich

gelingt, Reflexions- und Dialogfahigkeit zu realisieren.

• Die N-Form ist effizient, weil sie laterale Kommunikationsprozesse in der Unter-

nehmung zulasst. Vertikale Hierarchien werden abgebaut.

• SchlieBlich verzichtet die N-Form auf die Hierarchie als Organisationsmittel. Als

Organisationsform wShlt die N-Form die Heterarchy (Hedlund, 1994:83; siehe

hierzu auch Kutschker und Schmidt, 2002:294f).

In der folgenden Tabelle sind die unterschiedlichen qualitativen Eigenschaften der

beiden Organisationsformen als Ubersicht noch einmal gegeniibergestellt. Die von

Hedlund getroffene Gegenuberstellung zwischen N- und M-Form ist auf dichotome

Eigenschaften hin ausgerichtet und in Teilbereichen iiberzeichnet. Die Gegenuber­

stellung unterstreicht jedoch, dass die im Zuge der Divisionalisierung beabsichtigten

Vorteile durch die Marktnahe innerhalb der Untemehmung nicht genutzt werden kon-

nen, weil sich die Divisionen untereinander nicht austauschen, sondem als Konkur-

renten begreifen.

Tabelle 2 Differenzierung der charakteristischen Eigenschaften zwischen N- und M-Form

Technologische Interdependenz Interdependenz von Personal

Kritische Ebene in der Organi­sation Kommunikationsnetzwerk Aufgaben des Top-Managements

Wettbewerbsfokus

Organisationsform

N-Form Kombination TemporSre Konstellatio-nen, Zugriff auf einen vor-handenen Pool von Hu-manressourcen Mittleres Management

Laterale Ausrichtung Kataiysator, Architekt, Protektor Economies of Depth, Komplementaritat Heterarchy

M-Form Teilung in Divisionen Fixe Strukturen, Wechsei des Personals

Top Management

Vertikale Gestaltung Monitoring, Ressourcenzu-teilung Scale und Scope, semi-unab-hangige Telle Hierarchy

Quelle: Hedlund (1994:83)

43

Page 55: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Der bemerkenswerteste Vorteil des Modells von Hedlund ist vor allem in den qualita-

tiven Eigenschaften der Reflexions- und Dialogfahigkeit zu sehen, die er mit der

Wissensproduktion und mit der Wissensdiffusion verbindet. Diese oft als weich be-

zeichneten organisationalen Eigenschaften, so Hedlund, entwickeln sich dann, wenn -

wie in der N-Form angelegt - zu den Beschaftigten aufDauer angelegte Beziehung

gepflegt werden. Hedlund sieht dafiir zwei wichtige GrQnde: (1) Durch die zuge-

sicherte Stabilitat zeigen Mitarbeiter eine grOBere Bereitschaft, sich flexibler in ver-

schiedenen Projekten einzubringen. Der flexible Einsatz in verschiedenen Organisa-

tionsbereichen wird als Abwechslung und Herausforderung gesehen. (2) Der Wechsel

zu verschiedenen Arbeitsbereichen uber die "Versetzung" in andere Arbeitskontexte

assimiliert neues Wissen und bereichsfremdes, nicht-artikuliertes und nicht-artikulier-

bares Wissen kann absorbiert werden (Hedlund, 1994:84).

2.2. Das Rugby-Spiel als Metapher der Wissensproduktion (Nonakas SECI-Modell)

Als eines der bekanntesten Wissensmanagement-Modelle kann das SECI-Modell von

Nonaka und Takeuchi (1995a) bezeichnet werden. Nonaka hat in Analogic zum Netz-

werk das Wissensmanagement mit einem Rugby-Spiel verglichen, in dem Wissen von

nach vome stiirmenden Spielem untereinander weitergereicht und so erfolgreich neue

Produktideen als gemeinsame Anstrengung ins Ziel getragen werden. In mehreren

Arbeiten hat Nonaka (1991) das SECI-Modell ausgearbeitet (Nonaka und Takeuchi,

1995a), erweitert und grofiteils umfassend erganzt. Zum Teil in wesentlichen Aspekten

revidiert, hat er das SECI-Modell in einer Arbeit mit Noburo Konno. In dieser Arbeit

argumentiert Nonaka auf der Basis einer existentialistischen Vorstellung uber die Be-

deutung des organisationalen Raumes, der "Ba" genannt wird, dass soziale und inter-

subjektive Beziehungen uneriassliche Faktoren in der Wissensgenerierung sind

(Nonaka und Konno, 1998).

Nonakas zentrales Argument ist dabei, dass das durch die abendlSndische Philosophic

gepragte Managementdenken in westlichen Untemehmen Wissensprozesse vor-

wiegend als individualistische denkt. In asiatischen Untemehmen hingegen stehen

kollektive Wissensprozesse im Mittelpunkt, well das Grundprinzip "Einheit der Ge-

meinschaff als zentraler soziokultureller Wert gepflegt wird.

In Nonakas Vorstellung interagiert das Individuum mit anderen Individuen und

Gruppen (Nonaka und Takeuchi, 1995a:IX) in der Wissensproduktion; primSr geht es

jedoch darum, das implizite Wissen einzelner Personen im Zuge interpersonaler

44

Page 56: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Kommunikation in explizites Wissen zu ubersetzen, damit die Zuganglichkeit und

Verwertbarkeit sichergestellt ist.

Nonaka begreift organisationales Wissen als Ergebnis zwei ineinander greifender Pro-

zesse: Einmal unterscheidet er den Prozess der Wissensinteraktion und zum anderen

den eigentlichen Prozess der Wissensproduktion. Interaktion wird bei Nonaka als Pro­

zess bezeichnet in dem impiizite Wissensformen in explizite Wissensformen trans-

formiert und dadurch zwischen Individuum und Organisation ausgetauscht werden

(Nonaka und Takeuchi, 1995a:X). Dabei unterscheiden Nonaka und Takeuchi vier

Stufen in der Wissensproduktion und der Wissenstransformation.

Auf Stufe 1 wird tacit knowledge als tacit knowledge zwischen Individuen ausge­

tauscht. Nonaka und Takeuchi nennen den damit verkniipften Prozess Sozialisation.

Auf Stufe 2 wird tacit knowledge in explizites Wissen transformiert, diesen Prozess

nennen sie Externalisierung. Auf Stufe 3 wird explizites Wissen als explizites an

andere Organisationsbereiche weitergeben, was Nonaka und Takeuchi als Kombi-

nation von Wissen bezeichnen. Auf Stufe 4 wird explizites Wissen wieder in tacit

knowledge konvertiert. Diesen Prozess nennen sie Intemalisierung (Nonaka und

Takeuchi, 1995a:62). AUe vier Stufen verstehen Nonaka und Takeuchi einmal als

Konversionsprozess (Stufe 1 und Stufe 3), zum anderen als Ubertragung von Wissen

(Stufe 2 und Stufe 4).

Nonaka und Takeuchi sprechen im Vorwort ihres Bestsellers „The Knowledge-

Creating Company", dass das Ergebnis, welches der Leser in den Handen halt, ex­

plizites Wissen ist. Dieses explizite Wissen stellen sie als Ergebnis vieler Gesprache

und Diskussionen mit einer groBen Anzahl von Personen vor. Die GesprSche von

Nonaka und Takeuchi sind mit konkreten Konversionsprozessen der Stufe 1 bis 4 ver-

gleichbar. Es werden 50 Personen angegeben, die sie als unverzichtbar in der Pro-

duktion ihres Wissensmodells ansehen.

Aber wie wird daraus wertvoUes Wissen fur ein Untemehmen. Als organisationales

Wissen charakterisieren Nonaka und Takeuchi allein die FShigkeit neues Wissen in

Organisationen zu schaffen: "the capability of a company as a whole to create new

knowledge, disseminate it throughout the organisation, and embody it in products,

services and systems" (Nonaka und Takeuchi, 1995a:3). Wie noch zu zeigen ist, setzen

diese damit verbundenen Konversions- und Ubertragungsprozesse auf soziale Inter­

aktion, damit uberhaupt tacit knowledge von einzelnen Individuen aufgenommen und

45

Page 57: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

weitergegeben werden kann. Ahnlich, wie in den skizzierten Ansatzen von Boisot

(1998) und Hedlund (1994) ist der Ausgangspunkt der Uberlegungen von Nonaka und

Takeuchi, dass auf der untersten Stufe der Wissensproduktion, sozusagen als origi-

narer erster Schritt, implizites Wissen in den Kopfen der Individuen emergiert. An

diese originSre Phase schlieBen weitere kognitive Prozesse an, die primar als Aus-

tauschprozesse zwischen Individuen einerseits und andererseits als soziale Interaktion

in Gruppen konzeptionalisiert werden. Diese Konversions- und Austauschprozesse

pflanzen sich idealerweise, so postulierten die Autoren, spiralfbrmig auf immer

hoheren organisationalen Ebenen in einer Untemehmung fort. So schreitet die Ent-

wicklung und Verwertung von Wissen von der individuellen Ebene zur Gruppe weiter.

Auf jeder Ebene werden Transformationsprozesse zwischen impliziten und expliziten

Wissenstypen initiiert. Transformiert werden diese verschiedenen Wissenstypen aber

immer nur durch soziale Interaktion.

Der alle vier Stufen umfassende gesamte Vorgang wird von Nonaka und Takeuchi als

Wissensspirale bezeichnet. Antriebskraft, hinter der sich sequentiell, Schritt fiir Schritt

fortschreibenden Wissensspirale, sind die strategischen Ziele der Wissensunter-

nehmung. "The knowledge spiral is driven by organizational intention, which is

defined as an organization's aspiration to its goals" (Nonaka und Takeuchi, 1995a:74).

Die Wissensspirale, wie in der folgenden Abbildung skizziert, tiber die der Austausch

jeweils als einer zwischen impliziten und expliziten Wissensformen gedacht wird, be-

ginnt beim Individuum, schreitet fort zur Ebene der Gruppe(n) und mundet in ein Pro-

duktwissen, das fiir die gesamte Organisation steht.

46

Page 58: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Abbildung 6: Das Seci Modell (Nonaka und Takeuchi, 1995)

o

o

(D

Die spiralformige Transformation von Wissen Individuum

Kombination

Gruppe Organisation

Extemalisierung

Explizites Wissen

Implizites Wissen Sozialisation Intemalisierung

Quelle: Nonaka und Takeuchi, 1995:73 Ontologische Dimension

Damit auf der untersten Ebene der Wissensprozess uberhaupt in Gang kommt, muss

fur die sog. ''front-line worker'' das mittlere Management als Vermittler und Uber-

setzer der Visionen des Managements aufbereiten. Nonaka und Takeuchi verstehen

Wissen, das die front-line-worker im Zuge ihrer Arbeitspraxis und der damit ver-

bundenen Erfahrungen sammeln, als praktische Information. Aber diese praktische

Information, oder das praktische Wissen ist weit davon entfemt „wertvolles Wissen''

ftir die Organisation zu sein. Die Aufgabe dieses praktische Wissen in „wertvolles

organisationales Wissen" zu ubersetzen, kommt im SECI-Modell dem mittleren

Management zu, das zugleich als Ubersetzer der visionaren Strategien des Top-

Managements fungiert. Das mittlere Management nimmt so im SECI-Modell die

Funktion eines Transformators ein. Wahrend das Top-Management die grundsatzliche

StoBrichtung der Untemehmung festsetzt und fiir die Corporate Vision verantwortlich

zeichnet, ist das mittlere Management dazu da, diese Corporate Vision und die allge-

meinen Richtlinien in eine Konzeption zu ubersetzen, die dem "front-line Worker"

hilft, aus seinen personlichen Erfahrungen, jenes Wissen herauszufiltem, das fiir die

Organisation wichtig ist (Nonaka und Takeuchi, 1995a: 16). Insofem sprechen Nonaka

und Takeuchi davon, dass das mittlere Management die Aufgabe hat: "to remake

reality" (Nonaka und Takeuchi, 1995a: 16).

47

Page 59: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Implizites Wissen ist nach Nonaka (1991) schwer zu fonnalisierendes und person-

liches Wissen. Diese Form des Wissens ist verwurzelt in den Handlungen eines Indi-

viduums und zeigt sich als „Fahigkeit" (skill) oder Know-how. Entsprechend identifi-

zieren Nonaka und Takeuchi als eine der wesentlichen Schwierigkeiten in der Wis-

sensproduktion, das implizite, groBteils unbewusste Wissen bewusst zu machen, mit

anderen Individuen auszutauschen und schlieBlich zu formalisieren.

In der Gestaltpsychologie ist beispielsweise der dichotome Charakter, den Wissens-

management-Modelle ihren Konzepten zugrunde legen, nicht iiblich. Zum Beispiel

wird behauptet, wie im Fall von Nonaka und Takeuchi (1995a: 16), dass die ''front­

line-Worker'' viele Informationen haben, aber daraus kein Wissen generieren konnen.

In der Gestaltpsychologie, die ihre Erkenntnisse aus einer Vielzahl an Experimenten

bezieht, ist bekannt, dass die Bilder, die wir erkennen, erst dadurch als Bilder erkenn-

bar werden, well wir iiber Jahre hinweg so sozialisiert wurden, bestimmte selektive

Anreize als solche zu interpretieren. Maturana zeigt das an einem Beispiel: "Das Wort

griin [bezeichnet] keinen auBeren Sachverhalt, sondem lediglich ein inneres Erleben..."

(1996:44). Bartlett (1932) hat in seinen experimentellen Forschungen gezeigt, dass

das, was wir als Wirklichkeit wahmehmen, sehr stark von unseren intemalisierten

Uberzeugungsvorraten bestimmt ist. Er hat z.B. Personen sehr exotische Geschichten

aus Indien erzShlt und beobachtet, wie diese Geschichten von den Personen (miindlich

und schriftlich) wiedergegeben wurden. Dabei war auffallig, dass fremde Phanomene

sehr haufig vergessen wurden bzw. in einer Form wiedererzahh, die an sehr pers5n-

liche und vertraute Situationen geknupfl waren. Ohne auf diese Ergebnisse hier weiter

einzugehen: Was ich hier deutlich machen mochte, ist, dass das Wissen und unsere

Erfahrungen immer im Austausch mit anderen Individuen generiert werden bzw.

dieser Austausch als bewusster und/oder unbewusster Vorrat an Wissen in uns exis-

tiert, aber nicht naher problematisiert wird (vgl. dazu Habermas, 1981; Berger und

Luckmann, 1984; Mead, 1934). Tsoukas streicht in diesem Zusammenhang heraus,

dass Polanyi (1957) implizites und explizites Wissen nicht als getrennt gedacht, son­

dem immer im Zusammenspiel und in ihrer gegenseitigen ErgSnzung erortert hat:

„Tacit knowledge is the necessary component of all knowledge; it is not made up of

discrete beans which may be ground, lost or reconstituted ...to split tacit from explicit

knowledge is to miss the point - the two are inseparably related" (Tsoukas, 1997:10).

Nonaka und Takeuchi streichen jedoch mehrmals explizit heraus, dass ihr Modell der

Wissensgenerierung auf die dynamischen Prozesse sozialer Interaktion aufbaut: „Our

model of knowledge creation is anchored to a critical assumption that human know-

48

Page 60: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

ledge is created and expanded through social interaction between tacit knowledge and

explicit knowledge. We call this interaction ,knowledge conversion'. It should be

noted that this conversion is a ,social'process between individuals and not confined

within an individual''(NonQka und Takeuchi, 1995a: 10). Sie streichen heraus, wie

wichtig dabei die intersubjektiven Kommunikationsformen mittels Metaphem, Sym-

bolen und intuitive Verstandigungsprozesse, also z. B. Gesten sind (Nonaka und

Takeuchi, 1995a: 12). Und sie sprechen von redundanten und ambiguitaren Kontexten

in denen Wissen entsteht (Nonaka und Takeuchi, 1995a: 12).

Wie Stacey hervorhebt, verweisen Nonaka und Takeuchi zwar immer wieder auf die

Notwendigkeit sozialer Interaktion als essentielles Element in den konzipierten Kon-

versionsprozessen, so favorisieren sie Dialoge und Diskussion in Organisationen

(Nonaka und Takeuchi, 1995a: 13), aber offen bleibt, wie diese Prozesse selbst zu er-

klaren sind. Wenngleich sie nachdrucklich auf diese sozialen Prozesse verweisen,

zentrieren sie die eigentliche Wissensgenerierung im Individuum: „In a strict sense,

knowledge is created only by individuals. The organization supports creative indi­

viduals or provides contexts for them to create knowledge. Organizational knowledge

creation, therefore, should be understood as a process that,organizationally' amplifies

the knowledge created by individuals and crystallizes it as a part of the knowledge

network of the organization. The process takes place within an expanding community

of interaction,' which crosses intra- und interorganizational levels and boundaries...

Tacit knowledge is personal, context-specific" (Nonaka und Takeuchi, 1995a:59).

Die Entstehung von Wissen wird hier wieder als ein individueller Prozess verstanden,

insofem als implizites Wissen, das Individuen in Zuge ihrer Erfahrungen sammeln,

welches sichtbar und greifbar werden muss, damit es in den Kontext der Organisation

einflielJen kann. Das kann es nur, wenn es artikuliert und mit anderen Personen aus-

getauscht wird. Wie Stacey demonstriert, fuhrt diese Vorstellung zu einer linearen und

sequentiellen Sicht, wie implizites Wissen ausgetauscht wird. Nonaka und Takeuchi

halten jedoch fest: „The knowledge spiral is driven by organisational intention, which

is defined as an organization's aspiration to its goals. Effort to achieve the intention

usually takes the form of strategy within a business setting. From the viewpoint of

organizational knowledge creation, the essence of strategy lies in developing the orga­

nizational capability to acquire, create and accumulate, and exploit knowledge. The

most critical element of corporate strategy is to conceptualize a vision about what kind

of knowledge should be developed and to operationalize it into a management system

for implementation... Organizational intention provides the most important criterion

49

Page 61: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

for judging the truthfulness of a given piece of knowledge. If not for intention, it

would be impossible to judge the value of information or knowledge perceived or cre­

ated" (Nonaka und Takeuchi, 1995a:74).

Nachdem Nonaka und Takeuchi auf die - wie Teece und seine Koautoren es nennen -

kausale Unsicherheit im Prozess der Wissensgenerierung hinweisen (vgl. Teece,

Pisano und Shuen, 1997), wenden sie sich der Diskussion zu, welche Untemehmens-

strategien in der Wissensproduktion erfolgreich sind. Stacey kritisiert in diesem Zu-

sammenhang Nonaka und Takeuchi dafiir, dass sie uber den bloBen Hinweis auf die

Bedeutung sozialer Interaktion zwischen Individuen und innerhalb von Gruppen nicht

hinausgehen: „[They] do not pay much attention to the ever-present possibility of

groups of people becoming stuck in some stable dynamic, or some fragmenting one

that kills off the knowledge-creating process" (Stacey, 2003:162). Mit dieser Perspek-

tive, die sich auf das Management von Wissen festschreibt, wird die ungluckliche

Dichotomisierung von impliziten und expliziten Wissen verstSndlich, well erst durch

die Trennung des impliziten Wissen von der eigentUmlichen Person der Zugriff und

die gezielte Steuerung realisierbar wird. Deutlich wird dieser Anspruch, wenn tatsSch-

lich das mittlere Management die Aufgabe hat, "to remake reality" (Nonaka und

Takeuchi, 1995a: 16). Weil damit das mittlere Management in eine Funktion gedrangt

wird, die an den "training officer" Taylors erinnert oder an Fayols "Administrator"

(vgl. dazu Jacques, 1996). In einer weiteren Arbeit beschafligt sich Nonaka (Nonaka

und Konno, 1998) jedoch ausfUhrlich zumindest mit der Frage, welche organisatio-

nalen RSume den Wissensprozess unterstiitzen.

2.3. Das Konzept Ba als Erweiterung und Revision des SECI-Modells

In einem Essay mit dem Titel "The Concept ofBa" erweiterten und revidieren Nonaka

und Konno (1998) das bekannte SECI-Modell. Sie verwenden den japanischen Begriff

Ba als Metapher fur sozialen Raum in Organisationen in denen Beziehungen ent-

stehen. "Ba can be thought of as a shared space for emerging relationships. This space

can be physical (e. g., office, dispersed business space), virtual (e. g., e-mail, telecon­

ference), mental (e. g., shared experience, ideas and ideals)" (Nonaka und Konno,

1998:40). Von bloBen Raumlichkeiten unterscheiden sie das Konzept Ba dadurch, dass

sie es als Raum verstehen, in dem individuelles und koUektives Wissen generiert wird.

Ba und Wissensgenerierung stehen insofem in Verbindung, da Ba als Kontext fiir ge-

meinsame Bedeutungen steht. Nonaka und Konno sehen nun Wissensprozesse einge-

bettet in diese sozialen RSume, die sie mit ihrer Metapher des Ba umschreiben:

50

Page 62: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

"Knowledge is embedded in ba (in these shared spaces), where it is then acquired

through one's own experience or reflections on the experience of others. If knowledge

is separated from ba, it turns into information, which can then be communicated inde­

pendently from ba" (Nonaka und Konno, 1998:41).

Wissensproduktion wird nicht mehr auf die Konversion von impliziten in explizite

Wissensformen eingeschrankt, sondem als Ergebnis intensiver sozialer Austauschpro-

zesse begriffen, wie sie beispielsweise in kleinen Arbeitsgruppen mSglich werden.

"Within an organization, knowledge-creating teams or projects play a key role... Value

creation in knowledge-creating companies emerges from interactions within shared ba

but is not restricted to the physical ba. The concept of ba unifies the physical space,

the virtual space, and the mental spaces. Ba is the world where the individual realizes

himself as part of the environment on which his life depends" (Nonaka und Konno,

1998:41). Partizipieren Individuen im Ba (Sozialen Raum), dann teilen sie ihre eigenen

lebensweltlichen Erfahrungen mit, sie transzendieren ihren eigenen lebensweltlichen

Vorrat an Erfahrung im Austausch mit anderen und gleichzeitig beziehen sie ihr Ver-

standnis, verschiedene Werte und einzelne Bausteine ihrer eigenen Lebenswelt daraus.

Wissen ist so streng genommen kein individualistischer Prozess mehr. In der mit dem

Konzept Ba revidierten und erweiterten Version des SECI-Modells werden - wie

bereits in der ersten Version des SECI-Modells - vier Stufen der Wissensgenerierung

identifiziert. In der folgenden Abbildung sind diese vier Stufen nachgezeichnet und

sollen kurz erlSutert werden.

Im linken oberen Feld (siehe Abbildung 8) werden implizite Erfahrungen tiber Soziali-

sationsprozesse ausgetauscht. "Socialization involves the sharing of tacit knowledge

between individuals" (Nonaka und Konno, 1998:42). Auf dieser Stufe werden "pure

experience", reine Erfahrungen ausgetauscht. Der Austausch selbst erfolgt durch ge-

meinsame TStigkeiten, durch das Zusammensein und dadurch dass Individuen gemein-

same Zeit in einem spezifischen sozialen Milieu verbringen. Die eigenen Vor-

stellungen und lebensweltlichen Erfahrungen, Nonaka und Konno sprechen hier von

"the larger self, werden so gesehen in einen intersubjektiven Prozess eingebracht und

gleichzeitig wird das eigene SelbstverstSndnis im Austausch mit anderen Personen

erweitert und geformt.

51

Page 63: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Abbildung 7: Das Konzept Ba, die Revision des SECI-Modells (Nonaka und Konno, 1998)

r^ TACIT KNOWLEDGE TACIT KNOWLEDGE

- EXPLICIT KNOWL. EXPLICIT KNOWL.

I = Individuum G = Gruppe O = Organization

Insofem sehen Nonaka und Konno die Uberschreitung (Transzendierung) eigener Er-

fahrungen im Austausch mit anderen als den eigentlichen Prozess uber den tacit

knowledge geteilt wird. In der Praxis heifit dies, dass der Austausch impliziter

Wissensbestande nur durch physische Nahe erfolgen kann. Es wird also nicht mehr

davon gesprochen, dass tacit knowledge, das eingebettet in den Kopfen einzelner Indi-

viduen, transformiert werden muss, um ausgetauscht zu werden.

Die zweite Stufe der Wissensgenerierung ist die Externalisierung von tacit knowledge

in explizites Wissen. Auf dieser Stufe werden nun implizite Wissensbestande artiku-

liert. Nonaka und Konno sprechen in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit

die inneren und auBeren Grenzen des eigenen Selbstverstandnisses zu iiberwinden.

Individuen werden dadurch Teil einer Gruppe. In der Gruppe, illustriert in der Ab­

bildung 7 durch die offenen Kreise der Individuen (i) und dem geschlossenen Kreis in

der Gruppe (g), fusionieren die Individuen in ein gemeinsames koUektives 'WIR".

52

Page 64: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

"The sum of the individuals' intentions and ideas fuse and become integrated with the

group's mental world" (Nonaka und Konno, 1998: 44). In der Praxis einer Unter-

nehmung wird dieser Prozess der Extemalisierung durch die in einer Gruppe ent-

wickelten und benutzten Kommunikationsformen untersttitzt. Derartige Identifika-

tions- und Austauschprozesse entstehen in peer-groups. Als kollektiver Prozess wird

dann implizites Wissen in explizites Wissen konvertiert. Hierbei werden Bilder ver-

wendet, figurative Sprache, Metaphem, Analogien und ErzShlungen benutzt, die erst

durch die "Gemeinsamkeit" entstehen und verstanden werden k5nnen.

Auf der nachsten Stufe werden auf der Ebene der Organisation, die in Gruppen einge-

betteten Wissensformen, miteinander verbunden. In peer groups artikulierte Wissens-

formen werden dabei ausgetauscht. Der Prozess wird von Nonaka und Konno als

Kombination verschiedener expliziter Wissensformen gesehen. Auf dieser Stufe wer­

den explizite Wissensformen in der Organisation verbreitet. Hier kommt es darauf an,

in welchem AusmaB neue Wissensformen angenommen werden. Nonaka und Konno

sprechen von der Fahigkeit "to capture and integrate new knowledge" (Nonaka und

Konno, 1988:45). Vorausgesetzt wird, dass die geschlossenen mentalen und physisch-

en Grenzen der einzelnen Gruppen in Organisationen aufgelost werden und der Aus-

tausch von explizitem Wissen gruppenubergreifend realisiert wird. Auf der vierten

Stufe, die Intemalisierung genannt wird, entwickelt sich mit importierten expliziten

Wissensbestanden neues organisationales implizites Wissen. "This requires the indi­

vidual to identify the knowledge relevant for one's self within the organisational

knowledge" (Nonaka und Konno, 1998:45). Notwendig hierzu ist es, wie in der Ab-

bildung illustriert, dass sich Organisationsgrenzen und Gruppengrenzen - bezogen auf

den Wissenstransfer - offnen, aber nicht auflosen! In der Praxis der Untemehmen

vollzieht sich dieser Prozess durch die Einbettung expliziter Wissensformen in die

tagliche Arbeitsroutine (Nonaka und Konno, 1998:45).

Fiir jede dieser vier Stufen der Wissensproduktion und -konversion identifizieren

Nonaka und Konno eine charakterisierende Form des Ba, Im Folgenden sollen diese

vier Typen noch kurz dargestellt werden. Eine Form nennen sie originating ba. Dort

werden Sozialisationsprozesse realisiert und implizite Wissensformen intemalisiert.

"Originating ba is the world where individuals share feelings, emotions, experiences,

and mental models. An individual sympathizes or further empathizes with others, re­

moving the barrier between the self and others'' (Nonaka und Konno, 1998:46). Uber

diese originare Form des Ba werden allerdings nicht nur gemeinsame Erfahrungen,

Geflihle und Emotionen ausgetauscht, sondem sie entstehen erst im Austausch mit

53

Page 65: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

anderen Individuen. Grundsatzlich geschieht dies iXber face-to-face Interaktionen zwi-

schen Individuen. Diese originSre Fonn des Ba ist Ausgangspunkt der Entstehung von

Wissen im Konzept von Nonaka und Konno. Die zweite Form des Ba wird als inter­

acting ba bezeichnet und steht mit der zweiten Stufe der Wissensproduktion, der

Extemalisierung in Zusammenhang in der implizite Wissensformen artikuliert werden.

Im Vergleich zur Form des originating ba ist das interacting ba bewusst; meistens

entwickelt sich interacting ba nur im Austausch mit ausgewShlten Personen. In der

Untemehmung wird dieser Prozess durch die Auswahl der Personen gezielt beein-

flusst, um einen passenden Mix verschiedener WissensbestSnde und Erfahrungen in

einem Projektteam zu schaffen, so die Vorstellung von Nonaka und Konno. Im inter­

action ba wird implizites, persOniiches Wissen in explizites, koUektives Wissen trans-

formiert. Dabei spielt der Dialog bzw. die Dialogfahigkeit eine besondere Roile.

"Dialogue is a key for such conversions ...individuals share mental models of others,

but also reflect and analyse their own" (Nonaka und Konno, 1998:47). Die dritte Form

des Ba bezeichnen Nonaka und Konno als cyber ba. Cyber Ba steht ftir den virtuellen

Raum uber den mithilfe von Informationstechnologien existierende WissensbestSnde

erweitert werden. Cyber Ba steht in Verbindung mit Stufe drei der Wissensproduktion,

auf der explizites Wissen verschiedener Gruppen miteinander kombiniert wird. Cyber

Ba funktioniert am besten, so Nonaka und Koono, wenn kooperationsf^rdemde Infor­

mationstechnologien diesen Prozess untersttitzen (Nonaka und Konno, 1998:47).

Exercising ba nennen die beiden Autoren die vierte Form, mit der die Intemalisierung

auf der vierten Stufe der Wissensproduktion realisiert werden soil. Exercising Ba wird

als "focused training with senior mentors and colleagues" bezeichnet (Nonaka und

Konno, 1998:47). Damit fokussiertes Training im Rahmen einer Mentorenschafl er-

folgreich umgesetzt werden kann, muss eine "aktive Partizipation" sichergestellt

werden (Nonaka und Konno, 1998:47).

Zusammenfassend iSsst sich also feststellen, dass in der erweiterten Form des SECI-

Modells durch das Konzept Ba primar soziale Interaktionsprozesse als wesentliche

Charakteristiken der Wissensgenerierung in Organisationen thematisiert werden. Inso-

fem schliefien Nonaka und Konno (1998) die in der ersten Version des SECI-Modells

noch deutlich konzeptionalisierte Trennung zwischen individueller und kollek-

tiver/organisationaler Wissensproduktion. Sie schenken sehr viel mehr Aufmerk-

samkeit der zirkulSren, systemischen Interaktion zwischen Individuen auf der einen

und der Interaktion von Gruppen in Organisationen auf der anderen Seite. Sie arbeiten

im Konzept Ba stSrker heraus, dass Wissensgenerierung, im weitesten Sinn organisa-

54

Page 66: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

tionales Lemen, auf interaktive soziale und kognitive Prozesse nicht verzichten kann.

Stacey meint hierzu: "Effective learning and knowledge creation require widespread

sharing of values to do with openness, trust, affirmation, dialogue and empowerment.

Effectiveness of these processes is also said to require particular forms of leadership

that establish values of this kind and provide a central vision to guide the learning and

knowledge-creation process" (Stacey, 2003:166).

3. Die Wissensaktivisten von Kaser und Miles

Mit deutlichen Ankntipfungspunkten zur herkSmmlichen Literatur thematisieren Kaser

und Miles den Austausch verschiedener Wissensformen in Organisationen. Dabei

interessiert die Autoren, welchen Einfluss intrinsische Motivation und Vertrauen auf

den Austausch von Wissen ausuben. Sie vertreten die These, dass die H6he der intrin-

sischen Motivation (vgl. Deci und Flaste, 1995; Deci, Connel und Ryan, 1989; Frey,

1997) in einem positiven kausalen Zusammenhang mit dem AusmaB des Vertrauens in

Organisationen steht (Kaser und Miles, 2002a und 2002b). Mit Drucker (1999) stellen

sie fest, dass sich Firmen auf die Abhangigkeit von Wissensaktivisten einstellen mils-

sen und streichen heraus, dass verschiedene Typen von WissensaktivitSten jeweils

unterschiedliche Wissensformen besser oder schlechter innerhalb einer Organisation

aufnehmen und weitergeben. Zentrales Argument dabei ist, dass unterschiedliche

Agency-Beziehungen zwischen Empfanger und Sender von Wissen mit einem unter-

schiedlichen Vertrauen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer nur jeweils ein-

zelne Wissensformen wirtschaftlich transferieren. Abhangig davon wie hoch das Ver­

trauen zwischen Prinzipal und Agent und wie stark die intrinsische Motivation des

Gebers von Wissen ausgepragt ist, unterscheiden K ser und Miles funf verschiedene

Transaktionsmuster. Auf der untersten Stufe, mit sehr geringer intrinsischer Moti­

vation und einem geringen Grad and Vertrauen identifizieren sie pekuniSre Wissens-

tauschformen. Diese pekuniaren Tauschformen lassen sich mit Marktbeziehungen ver-

gleichen, verlangen also in der Ubertragung von Wissen die Form und die MSglichkeit

von voUstandigen Vertragen. Sie unterscheiden pekuniMre Austauschbeziehungen von

sozialen Tauschformen, wie dem kommunitaren Tausch, Mentorenbeziehungen zwi­

schen Prinzipal und Agent und koUaborative Tauschformen.

In der folgenden Abbildung 8 sind die funktionalen Zusammenhange zwischen der

H6he des Vertrauens, dem Grad an intrinsischer Motivation und den verschiedenen

Tauschformen und dem damit implizierten sozialen Beziehungen illustriert.

55

Page 67: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Abbildung 8: Formen des Austauschs bei Wissensaktivisten (Kaser und Miles, 2002b)

CO

i

KollaborativeJ

gemeinwirtschaftliche TauschfjjjiiffSi

soziale Tau^dWbrmen

Mentorenbezogenen Tauschformen

Pekuni are Tauschformen

Hohe der intrinsischen Motivatior

Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Organisationen werden von

Kaser und Miles (2002b: 162) als pekunidre Tauschformen bewertet. Damit unter-

stellen sie, dass Arbeitsvertrage und die mit diesen VertrSgen vereinbarte Leistungs-

verpflichtung praktisch iiber materielle Anreize (so gesehen aufierhalb der eigentlichen

Tatigkeit angesiedelte Anreizgestaltungssysteme) und somit eine extrinsische Motiva­

tion vorherrschen. Sie teilen hiermit ein sehr Mufiges Menschenbild in der Manage-

mentlehre, nachdem Arbeiten nur aufgrund materieller Vergiitungen verrichtet werden.

Intrinsisch motivierte Tauschakte flnden, so die Autoren, in gemeinwirtschaftlichen

und „koUaborativen" Tauschformen statt. Ein intrinsischer Anreiz besteht darin, dass

die eigentliche Tatigkeit Freude bereitet. Bei pekuniSren Tauschakten sehen sie die

hierarchische Organisation der Beziehung zwischen Prinzipal-Agent und die vertrag-

liche Gestaltung der Pflichten und Rechte als charakterisierendes Merkmal. Im

Rahmen der vertraglichen Vereinbarung verpflichten sich Beschaftigte Auftrage gegen

Entgelt auszuftihren. Der Anreiz diese Auftrage vereinbarungsgemSB auszufuhren ist

das in Aussicht gestellte Entgelt. Die Leistungsbereitschaft wird neben den materiellen

Anreizen dadurch erreicht, dass bei Nichterfullung Sanktionen drohen. Die beiden

Autoren stellen fest, dass in derartigen Fallen der Austausch von impliziten, schwer

greifbaren wissensintensiven Leistungen problematisch ist. Ihre ErklMrung greift aller-

56

Page 68: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

dings etwas zu kurz, wenn sie davon ausgehen, dass aufgrund der hierarchischen Orga­

nisation der Auftragsbeziehungen die intrinsische Motivation gering ist und die Ver-

haltenssteuerung deshalb ausschliefilich uber materielle Anreize umgesetzt werden

muss. Der Grad an Vertrauen wird in dieser Auflragsbeziehung ais gering einge-

schatzt. Die in dieser Beziehung wirksame Form des Vertrauens nennen KSser und

Miles calculus-based trust (kalktilisierendes Vertrauen). Kalkulbasiertes Vertrauen de-

fmieren sie folgendermaBen: „[it] exists if individuals do what they say not primarily

because they fear the consequences of deceit but because they look forward to the

benefits of compliance" (Kaser und Miles, 2002b: 162). Sie unterstellen damit die Ver-

haltensannahmen der Transaktionstheorie von Oliver Williamson (1985) und nehmen

an, dass aufgrund der bestehenden Hierarchic in der betreffenden Beziehung der Grad

an intrinsischer Motivation gering bleibt und implizite Wissensformen daher kaum

Oder nur unzureichend ausgetauscht werden kOnnen, weil die Leistungstibertragung

nicht kontrollierbar ist und daher Sanktionen nicht greifen. In diesem Fall wird hier

modellhaft eine Verhaltensrealitat konstruiert, die so nicht existiert.

Sozialer Tausch ersetzt groBteils die Defizite der unvoUkommenen Verhaltens-

steuerung der pekuniaren Tauschakte. Sozial wird diese Tauschform wohl deshalb ge-

nant, weil soziale Normen (kurz ein gesellschaftlicher Zwang) die in Hierarchien

fehlende SanktionsmSglichkeit ersetzt. Wenn allerdings in pekuniSren Tauschformen

die Leistungstibertragung nicht kontroUiert werden kann, z.B. weil es sich um nicht-

greifbare intangible Leistungen und Dienste handelt, dann muss man sich fragen,

warum dieselben nicht-greifbaren intangiblen Leistungen durch sozialen Zwang er-

bracht werden sollen, wenn die Erbringung selbst nicht greifbar ist. Um dieses

Dilemma zu umgehen, scheint es, dass hier der Begriff Reziprozitat eingefiUirt wird,

um die Erbringung nicht-greifbarer intangibler Leistungen zu erklSren. KSser und

Miles stellen fest, sozialer Tausch funktioniert deshalb, weil dieser als reziproke Be­

ziehung praktiziert wird und Uber freiwillig gekniipfte und selbstbestimmte Be-

ziehungen erfolgt. Es handelt sich hierbei vorwiegend um laterale Bindungen, die sich

jedoch dann in Richtung einer vertikalen bzw. hierarchischen Beziehung verandem,

wenn der jeweilige Beitrag, den einzelne in die soziale Beziehung einbringen, nicht

mit dem erwarteten Ertrag (ibereinstimmen (vgl. dazu Blau, 1964). Der Anteil an in­

trinsischer Motivation ist beim sozialen Tausch nicht gering, aber er halt sich in

Grenzen, so Kaser und Miles: „Intrinsic motivation for sharing is about medium in

social exchange because the framework would suggest that, on the one hand, indi­

viduals may share knowledge to gain hierarchical recognition or knowingly to move

57

Page 69: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

upward in an informal status hierarchy. This increases extrinsic motivation for shar-

ing"(Kaser und Miles, 2002b: 163). Andererseits bestehen K ser und Miles darauf,

dass ihr Konzept erklSren kann, dass die mit dem Austausch von Wissen verbundene

intrinsische Motivation selbst den Austausch ermSglicht. „[I]ndividuals also share

knowledge because they value the relationship and/or because they simply enjoy

sharing so that intrinsic motivation increases" (Kaser und Miles, 2002b: 163).

Gemeinwirtschaftliche Beziehungen, KSser und Miles verwenden den Begriff

community relationships, werden groBteils als nicht-hierarchische Beziehung einge-

stuft und die Tauschakte selbst als Beziehung zwischen Individuum und Gemeinschaft

begriffen und eben nicht als Austausch zwischen einzelnen Individuen. Die Mitglieder

der Gemeinschaft teilen Werte, verstehen sich selbst als gleichrangig und ein Wettbe-

werb untereinander, um den eigenen Status zu verbessem, wird als illegitim betrachtet.

Austauschsbeziehungen werden in der Kegel freiwillig gekniipft und das Vertrauen

einzelner Mitglieder ist hoch. „Community relationships are typically marked by

identification-based trust so that the level of trust is almost medium-high. This type of

trust is developed among those sharing parties who start to identify themselves

strongly with one another and share common goals and needs. The sharing parties stop

calculating the balance of giving and receiving" (KSser und Miles, 2002b: 163). Inso-

fem produziert die Beziehung selbst den intrinsischen Wert und die Leistungen, die in

diese Gemeinschaft eingebracht werden.

Eine weitere Tauschform, die KSser und Miles in ihrem Konzept der Wissensakti-

visten unterscheiden, ist die kooperative Beziehung und die damit einhergehenden

Tauschbeziehungen. Zusammenarbeit oder Collaboration, wie Kaser und Miles diese

Form der Beziehung nennen, ist im weitesten Sinn nicht-hierarchisch, wird zwischen

zwei oder mehreren Individuen im Zuge einer gemeinsamen AktivitSt oder eines zeit-

lich begrenzten Arbeitsprojekts gekniipft. Die einzelnen BeitrSge der Kooperierenden

werden - soweit m5glich - bewertet. Im Unterschied zu community relations sehen

sich die Mitglieder eines gemeinsamen Projektes als eigenverantwortliche Akteure.

Kaser und Miles argumentieren, dass kooperative Beziehungen am leichtesten unter

erfahrenen und aktiven (self-actualizing) Personen gekniipft werden, well die in der

Lage sind die erbrachten Leistungen anderer Projektmitglieder zu bewerten. "Indi­

viduals who engage in collaborative knowledge sharing are highly intrinsically moti­

vated. Collaborators are highly self-determined because they take full responsibility

for their sharing behavior." (Kaser und Miles, 2002b: 164). Vertrauen entspringt in

dieser Beziehungsform dem hohen Grad an Identifikation den partizipierende Mit-

58

Page 70: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

glieder zeigen. In derartigen Beziehungen wird in einem hohem AusmaB Wissen aus-

getauscht. "High intrinsic motivation for sharing and caring-based trust allows colla­

borators to fully explore their creative potentials and to share knowledge in a genuine

and non-manipulative manner" (KSser und Miles, 2002b: 164). Eine Eigenschaft in

diesem Beziehungstypus besteht also in der aktiven Bereitschafl verschiedene Wis-

sensformen einzubringen und dem damit verbundenen Engagement, Bindungen einzu-

gehen, die die eigene Entwicklung fbrdem.

Als fUnfte - in ihrem Konzept typische - Beziehungsform, diskutieren Kaser und

Miles (2002b: 165) Beziehungen, die im Zuge einer Mentorenschafl aufrechterhalten

und gepflegt werden. Der Mentor, ein „vaterliche Freund und Erzieher" ist Vertrauter

und Lehrer. Er nimmt die Rolle eines Fursprechers und F5rderers. Die Beziehung, die

zwischen Mentor und „Schtiler" aufgebaut wird, ist charakteristischerweise durch die

Rolle des Lehrers und/oder Erziehers und durch die dem Schiller zugewiesene Rolle

des Lemenden bestimmt. Der Schiller selbst wird oft als Proteg^ bezeichnet. "Intrinsic

motivation for sharing is about medium in a mentoring relationship because [it is]

assumed that mentoring is practiced to gain hierarchical and social recognition as well

as to grow personally" (Kaser und Miles, 2002b: 165). Vertrauen wird hier erst im

Laufe der aufrechten Beziehung aufgebaut.

Kaser und Miles ziehen drei grundsatzliche Schlussfolgerungen aus ihren theore-

tischen Uberlegungen ilber den Zusammenhang von Vertrauen, der H5he der intrin-

sischen Motivation und den jeweiligen Tauschbeziehungen. Einmal vermuten sie, dass

Wissensaktivisten versuchen werden, Hierarchien und damit verbundene Schranken zu

umgehen oder zu vermindem, um Wissen effektiv austauschen zu konnen. Formale

Hierarchien werden also in Prozessen des Wissensaustauschs umgangen.

Zweitens denken KSser und Miles, dass der so genannte VerdrSngungseffekt zwischen

extrinsischer und intrinsischer Motivation, wie er in den Wirtschaftswissenschaften

diskutiert wird (vgl. hierzu Prey, 1997:24), starker berilcksichtigt werden muss, wenn

organisational Beziehungen eingerichtet werden, die den Wissensaustausch fordem

sollen. Zwei zentrale psychologische Krafte erklSren den VerdrSngungseffekt. (a) Ein-

griffe von aufien, die als kontrollierend empftinden werden verdrangen die intrinsische

Motivation, weil die Selbstbestimmung eingeschrMnkt wird und sich dieser Eingriff

negativ auf die individuelle SelbstwertschStzung auswirkt. (b) Eingriffe von aufien

verstarken jedoch die intrinsische Motivation, wenn sie als Unterstiitzung empftmden

werden, weil in diesen Fallen die individuelle Selbstwerrschatzung positiv beeinflusst

59

Page 71: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

wird (Frey, 1997:25). Wie Frey (1997:25) anmerkt, sind diese Faktoren immer von

subjektiven EinscMtzungen eingefarbt und es kann durchaus sein, dass ein und der-

selbe Eingriff von verschiedenen Personen einmal als kontroUierend und ein anderes

mal als nicht kontroUierend interpretiert wird. Von Bedeutung ist also, dass materielle

Anreize und kontroUierende Eingriffe von auBen die intrinsische Motivation ver-

drSngen, wenn dabei die Selbstbestimmung eingeschrankt wird und die Selbstein-

schatzung bzw. der Sclhstwert geschmalert wird (Frey, 1997:25; vgl. hierzu insbe-

sondere die Arbeiten von Deci, Ryan, Gagne, Leone, Usunov und Komazheva, 2001;

Deci, Eghrari, Patrick, und Leone, 1994; Gagne und Deci, 2005).

Die dritte zentrale Schlussfolgerung, die Kaser und Miles aus ihren Uberlegungen her-

aus Ziehen, ist die, dass das Zusammenspiel von Vertrauen und Motivation einen

wesentlichen Einfluss auf die Bereitschaft austibt, Leistungen auszutauschen und auf

die Gestaltung von Austauschbeziehungen selbst Einfluss nimmt. Osterloh und Frey

(2000:538) behaupten beispielsweise hierzu in einer Arbeit, dass Vertrauen in Aus­

tauschbeziehungen Folge des AusmaBes an intrinsischer Motivation ist. Erganzend

dazu stellen Kaser und Miles jedoch fest: "that individuals may gain intrinsic satis­

faction from sharing even though the sharing relationship is characterized, at best, as

reflecting calculative trust. Thus, while motivation and trust are essentially inde­

pendent, each may well moderate the other" (KSser und Miles, 2002b: 167).

Ich habe bereits in der Diskussion der ausgewahlten Wissensmanagement-Modelle zu

zeigen versucht, dass soziale Interaktion, das heifit sowohl verbale als auch non-ver-

bale Kommunikation, im Zuge persQnlicher Begegnungen als Voraussetzung fur den

Wissenstransfer und flir die Wissensproduktion gedacht wird. Ein kritischer Blick auf

die Wissensmanagementmodelle lasst vermuten, dass es vordergriindig nur darum

geht, implizites, nicht greifbares Wissen in explizites und damit in der Organisation

beliebig verfiigbares Wissen zu transformieren. In vielen Fallen ist dies aber gar nicht

moglich und auch nicht sinnvoll. Zudem wird dieser grobe Eingriff als vehemente Ein-

schrSnkung der Selbstbestimmung betrachtet (Cagne und Deci, 2005). Aufierdem wird

sehr oft nicht berucksichtigt, dass in vielen Untemehmen ja gerade das nicht-greift)are

und implizite Wissen Bestandteil der "organisationalen Fdhigkeiten" ist. Dieses

Wissen ist eingebettet in organisational Routinen und fmdet sich in den Institutionen

von Organisationen und Gesellschaften. Implizites Wissen ist vielfach auch Teil habi-

tualisierter Handlungen (Bourdieu, 1997) die im Zuge der Praxis von Akteuren und im

Zusammenspiel mit den sozialen Institutionen emergieren (Bourdieu, 1997). Dieses

Wissen ist, wie noch weiter unten erlSutert wird, Teil des symbolischen Kapitals in

60

Page 72: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

ganz speziflschen sozialen Feldem, die fiir die einzelnen Akteure vorherbestimmen,

was als wertvoUes Wissen anerkennt wird (Bourdieu, 1997).

Bei Kaser und Miles (2002b) wird deutlich, dass komplementare Austauschprozesse

von idiosynkratischem Wissen nicht auf Abruf und Anordnung von oben flinktio-

nieren. Sie gehen aber tiber diese Feststellung auch nicht hinaus. Sie beklagen, dass

Wissen sehr oft innerhalb von Abteilungsgrenzen zirkuliert und es sehr aufwendig und

schwierig ist, uber spezifische Gruppeninteressen hinaus, Wissen zu transferieren.

Diesen Umstand erklaren sie hauptsachlich durch fehlendes Vertrauen und eine

mangelhafte intrinsische Motivation in einschlagigen wissensintensiven Tauschakten.

Beides, Vertrauen und intrinsische Motivation scheinen miteinander verkniipft zu sein,

aber sie zeigen nicht, in welchem sozialen Feld das Zusammenspiel von Vertrauen und

intrinsischer Motivation stattfindet, um Wissen auszutauschen. Die von den beiden

Autoren verwendeten Kategorien sozialer Tausch, pekuniarer und kommunitarer

Tausch stellen sich fur eine tiefergehende Beantwortung dieser Frage als zu grob her-

aus. Das hat mehrere Grunde auf die ich spater noch zuruckkommen werde. Diese

Problematik greifen Kaser und Miles zwar auf, indem sie beide Faktoren als wesent-

liche Eigenschaften wirtschaftlicher Beziehungen in Untemehmen verstehen. Unklar

bleibt aber, warum einzelne Mitarbeiter aktiv nicht-greifbares Wissen austauschen,

wenn ein hoher Grad an Vertrauen in den Transaktionsbeziehungen existiert und fiir

die Betroffenen selbst dieser Austausch und die damit einhergehenden sozialen Be­

ziehungen Befriedigung erbringen. Unstrittig hingegen ist, dass intrinsische Moti­

vation dann entsteht, wenn der Austausch im Rahmen existierender Arbeitsbe-

ziehungen nicht auf Anordnungen von "oben" erfolgt, sondem aufgrund "freiwilliger"

intersubjektiver Zusammenarbeit die den Selbstwert der Akteure stSrken (vgl. Deci,

Ryan, Gagne, Leone, Usunov und Komazheva, 2001; Deci, Eghrari, Patrick, und

Leone, 1994). Mit ahnlichen Fragen beschaftigten sich Bartlett und Ghoshal (1997) in

ihren Uberlegungen zur Theorie der individualisierten Untemehmung. Wenngleich die

Perspektive eine andere ist.

4. Die individualisierte Unternehmung als Konzept einer wissensorientierten Organisationsform

Bartlett und Ghoshal bezeichnen ihren Ansatz zu einer Theorie der individualisierten

Untemehmung als neuen Zugang zu zentralen Managementfragen. Wobei sie als zen-

trale Herausforderung den Wissenstransfer ansehen, den Untemehmen mit traditio-

nellen Organisationsstrukturen und herkommlichen Managementmethoden nicht

61

Page 73: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

sicherstellen. Bartlett und Ghoshal fixieren ihr Interesse also an der Steuerung von

Wissen. In ihr Managementmodell fliefien verschiedenste Aspekte aus ihren fruheren

Arbeiten ein. Der Titel ihrer Arbeit ist zudem eine Anspielung darauf, dass traditio-

nelle Organisationsformen fur individuelle Talente, Kreativitat und individuelle Ent-

scheidungskompetenz wenig bzw. keinen Freiraum zur Verfiigung stellen. Die tradi-

tionellen Organisationsformen fSrdem nicht, sondem zerstQren die Kreativitat der

Menschen in Untemehmen. Ahnlich wie Nonaka und Konno (1998) in ihrem Konzept

Ba sind sie davon uberzeugt, dass explizites Wissen als wichtige Quelle der Wissens-

produktion gilt. Bartlett und Ghoshal begreifen ihre Forderungen jedoch sehr viel

starker als Alternative bzw. als Kontrastprogramm zu den klassischen, an Taylor aus-

gerichteten Organisationsformen und Managementsystemen. Sie selbst sprechen von

einem radikal neuen Organisations- und Managementmodell in ihrer Arbeit (Bartlett

und Ghoshal, 1997:3) und sie sind davon Uberzeugt, dass ihr neues Management­

modell nur dann wirklich verstanden werden kann, wenn die Ursachen der Defizite

von Organisationen, die sie mit ihrem neuen Managementmodell iiberwinden wollen,

klar geworden sind.

4.1. Was ist das Neue am Modell von Bartlett und Ghoshal?

Im ersten Teil ihrer Arbeit werden zum Teil bekannte Defizite der klassischen Organi-

sationsform erortert. Bartlett und Ghoshal kritisieren dabei den fraglos umfangreichen

Einfluss von Frederick W. Taylor auf die Organisationsgestaltung und argumentieren

in ihrer Diskussion, dass in den meisten Fallen das Management noch an den Prin-

zipien von Taylor festhait und zeigen an ausgewahlten Beispielen, dass viele Unter-

nehmen immer noch durch die Auflosung von Aufgaben in ihre einzelnen Teilschritte

und durch das exakte Studium der einzelnen Arbeitsvorgange, die Effizienz der

Arbeitsorganisation revolutionieren mochten. Dabei interessieren sie sich fur die

Frage, in welcher Weise die alten Organisationsprinzipien auf Motivation, KontroUe

und Koordination hochspezialisierter Wissensarbeiter wirken. Sie greifen damit impli-

zit die beriihmte These des Fordismus auf, in dem die Auffassung vorherrschte, dass

mit zunehmender Teilung der Aufgaben und der damit einhergehenden Spezialisierung

die mit den Einzelaufgaben betrauten Beschafligten ihre Motivation verlieren.

Sie sprechen davon, dass in den traditionellen Managementkonzeptionen und in den

K5pfen der Manager eine Vorstellung von Arbeit vorherrscht, die im GroBen und

Ganzen mit der von Henry Ford zu vergleichen ist. In einem Zitat, das Henry Ford zu-

geschrieben wird, lasst sich dieses Verstandnis illustrieren: ''When all I want is a good

62

Page 74: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

pair of hands, unfortunately I must take them with a person attached' (Bartlett und

Ghoshal, 1997:6). Mit diesem figurativen Beispiel soil deutlich gemacht werden, dass

die traditionelle Organisationsform die Arbeitskraft, nicht aber die KreativitSt und das

Talent der Beschaftigten nutzte. Das heifit nichts anderes, dass traditionelles Manage­

ment noch immer von der Vorstellung ausgeht, der Arbeiter soil nicht denken, sondem

arbeiten. Aus heutiger Sicht, in der auf das Wissen der Arbeiter nicht verzichtet

werden kann, wird die Ambivalenz dieser Denkform offensichtlich. Sie zeigt ja damit

auch deutlich, dass es sich hier nicht nur um eine Form der Organisation von Arbeit,

sondem eben auch um eine Herrschaftsform handelt. GewissermaBen, so Ghoshal und

Bartlett, schreibt sich diese an dem Begriff der Kontrolle haftende Vorstellung in der

strikten Planung der Produktion fort, die als Voraussetzung fur reibungslose Organi-

sationsprozesse in der Untemehmung angelegt war. Ironischerweise wurde damit die

Forderung des Managements, namlich Eigeninitiative, damit es zu keiner Storung der

auf reibungslose Ausfiihrung geplanten Arbeitsprozesse komme, ausgeschlossen und

als StSrung identifiziert. Als Storung wird alles betrachtet was das unmittelbare Ar-

beitsvermogen, soweit nicht von oben gesteuert, beeintrachtigt. Mit zunehmender

Planung und Steuerung der Arbeitsprozesse wird Arbeit als kreativer Faktor aus den

Organisations- und Arbeitsprozessen hinausgedrSngt. In unterschiedlicher AusprSgung

schreibt sich diese Tendenz uber mehr als vier Jahrzehnte in der Struktur der traditio-

nellen Untemehmung fest. Ghoshal und Bartlett hierzu: "yet through all the adjust­

ment, redesigns and change programs, the deeply embedded assumptions remained

unchallenged" (Ghoshal und Bartlett, 1997:7).

Mit dem von ihnen vorgeschlagenen neuen Organisationsmodell soil also der Produk-

tionsfaktor Mensch revitalisiert werden. Das Wissen des Arbeiters wird als neue Res-

source entdeckt! Wie soil das geschehen? Percy Bamevik, der Corporate Executive

Officer von Asea Brown Boveri wird mit vielsagenden Worten zitiert: "There is

tremendous unused potential in our people. Our organizations ensure they only use 5

or 10 % of their abilities at work" (Bartlett und Ghoshal, 1997:9). Das Problem wird

jedoch nicht darin gesehen, dass die Beschaftigten nur 5 oder 10 % ihres Talentes und

ihrer Kreativitat nutzen, sondem im Umstand, dass das traditionelle Untemehmen

durch ihre Organisationsstmktur nicht mehr Kreativitat verarbeiten kann. Das liegt

gmndsStzlich daran, so Bartlett und Ghoshal, dass: "Organisationen der zweiten

Generation mit Strategien der dritten Generation arbeiten, die von Managem der ersten

Generation implementiert werden" (Bartlett und Ghoshal, 1997:9).

63

Page 75: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

4.1.1, Das Modell der individualisierten Unternehmung

Was kennzeichnet also nun die individualisierte Unternehmung und worin bestehen

die charakteristischen Merkmale dieser Organisationsform? Ganz allgemein werden

drei Merkmale, die das Wesen der "individualized company" ausmachen, hervorge-

hoben: (1) Soil die FShigkeit und Kreativitat der Mitarbeiter wieder reaktiviert werden.

(2) Geht es in der individualisierten Unternehmung darum, neugierige und wissbe-

gierige Mitarbeiter zu schaffen. (3) Wird eine Organisationsstruktur in Aussicht ge-

stellt die flexibel genug ist diese geforderten Emeuerungen zu ermSglichen.

Bartlett und Ghoshal sehen den GroBteil dieser Vorhaben in Untemehmen wie ABB

und 3M verwirklicht. In den von ihnen untersuchten Fallbeispielen, so behaupten sie,

sei es dem Management gelungen, einen tief greifenden Wandel herbeizufuhren und

umzusetzen. Fur Bartlett und Ghoshal (1997:13) ist es den genannten Untemehmen

tatsachlich gelungen, traditionelles Denken umzubauen und Hierarchien abzuschaffen

und durch ein neues ''Portfolio von Prozessen" zu ersetzen (Bartlett und Ghoshal,

1997:15). Dieses Portfolio stellt sich als metaphorisches Programm einer Netzwerk-

organisation heraus. Nicht mehr eine pyramidenfSrmige Hierarchie mit einer steilen

und eindeutigen Befehls- und Aufgabenstruktur, sondem ein Netzwerk von wenigen,

kaum mehr als 200 Mitarbeitem, lenkt - so das Beispiel ABB - die Geschicke des

Untemehmens. Hierzu Bamevik: „The only way to manage a large, complex company

like ABB is to make it as simple and local as possible. The press may describe us as a

$30 billion diversified global company, but we see ourselves as a portfolio of 1,200

companies, each with an average of two hundred employees. This is where the real

work gets done, and these people need well-defmed responsibilities, clear account­

ability, and maximum degrees of freedom to execute" (Bartlett und Ghoshal, 1997:27).

Hier wird die Netzwerkidee ins Zentrum der Organisationsgestaltung gerUckt. Die

Netzwerkmetapher wird jedoch auch in ihrer symbolischen Wirkung instrumentali-

siert. Anstelle von fixen Strukturen der Autoritat - die sich in einem Auflosungs-

prozess befinden und die zunehmend als unbrauchbar und delegitimisiert verstanden

werden, wird die offene, fur die Eigeninitiative und selbstverantwortliche Eigen-

leistung bereite Netzwerkorganisation propagiert. Weil die exakte Bestimmung der

Arbeitsaufgaben immer ambivalenter wird, soil dieses Defizit in der Arbeitsgestaltung

durch Eigeninitiative ersetzt werden. In einer Arbeitswelt in der sich permanent das

Aufgabenspektrum verandert, greift die Autoritat und Befehlshoheit des Managers ins

Leere. Nicht nur, dass der Manager keine direkte Kontrolle mehr uber den konkreten

64

Page 76: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Arbeitsprozess ausuben kann, sondem auch die ergebnisabhSngige Entlohnung, wie

sie im Fordismus ublich war, stellt sich als inhaltsleeres Instrument heraus, Arbeiter zu

motivieren. Zum anderen wird der Erfolg einer Organisation unmittelbar davon in Ab-

hangigkeit gebracht, ob es gelingt, souverdne, selbststdndige und zu unternehm-

erischen Entscheidungen befdhigte Mitarbeiter zu schaffen. Man kOnnte auch meinen,

dass sich hier die auf Erfolg ausgerichtete Handlungsorientierung vom Typus instru-

mentelles und strategisches Handeln auf den Typus kommunikatives Handeln ver-

schiebt (Habermas, 1981). Offensichtlich ist freilich, dass die Vermittlung von Wissen

selbst auf kommunikative Kompetenz aufbaut. Aber hier geht es keinesfalls um eine

naive Vorstellung, denn die Selbstdndigkeit wird in der Managementpraxis gleichsam

wieder instrumentalisiert: Beispielsweise war es das Ziel bei ABB "[to] enable people

to think and act entrepreneurially within the boundaries of the company" (Bartlett und

Ghoshal, 1997:26). Bamevik erklart, seine Ingenieure wurden Untemehmer, die ihrem

Geschaftsbereich stark verbunden sind und sich mit den Zielen des Untemehmens

identifizieren. In der klassischen, divisionalen Untemehmung hat dies nicht funktio-

niert, im positiven wie im negativen. Grundsatzlich deshalb, weil die Funktion der

Managementinformationssysteme in der Untemehmung nicht primar der Steuerung

dienten, sondem als KontroUinstrumente, als effizientes aber keinesfalls effektives

Werkzeug eingesetzt wurden. Diese Informationssysteme hatten zwar das Ziel die

Geschaftseinheiten bei ihren Aufgaben zu unterstutzten, aber tatsachlich mutierten sie

zu einem Kommunikationsritual mit dem das Headquarter mit Informationen versorgt

wurde, die es fiir seine strategischen Zwecke erwartete und die in den Geschaftsein­

heiten die geringsten Nachteile in der nachsten Planungsperiode erwarten lieBen. In

diesem Zusammenhang argumentieren Bartlett und Ghoshal (1997:55), dass es einem

Untemehmen von innen heraus gelingen muss, sich zu disziplinieren, wenn das her-

kommliche Design und die Funktion der betrieblichen Informationssysteme fallen ge-

lassen werden (Bartlett und Ghoshal, 1997:56). Hemntergebrochen auf einen zentralen

Kem heifit dies aber auch, dass die Steuemng und Kontrolle von oben, durch eine von

innen ersetzt werden soil.

Fiir Bartlett und Ghoshal ist das Problem der traditionellen Organisationsform, dass

die Initiativen anderer Organisationsbereiche nicht aufgegriffen werden, sondem je-

weils als Bedrohung eigener Vorhaben und Handlungsfreiraume interpretiert werden.

Dadurch entsteht zwangslaufig ein Klima, in dem Erfolge und Innovationen fremder

Bereiche mit Misstrauen betrachtet werden (Bartlett und Ghoshal, 1997: 59) und der

Erfolg des anderen eiferstichtig als Bedrohung der eigenen Leistung betrachtet wird.

65

Page 77: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Nach Bartlett und Ghoshal (1997:101) zeichnet sich die individualisierte Unter-

nehmung durch drei Eigenschaften aus:

• formalisierte horizontale Bindungen und Beziehungen;

• ein vollkommen neues Controlling und Steuerungsverstandnis des Managements;

• eine auf Vertrauen aufgebaute Organisationskultur, die Transparenz und Offenheit

fbrdert, Fairness und Gleichheit pflegt und in denen die Mitglieder gemeinsame

Werte teilen.

Formal ist die individualisierte Untemehmung eine integrierte Netzwerkorganisation

(Bartlett und Ghoshal, 1997:101; Nohria und Ghoshal, 1997:33), die der traditionellen,

funktionalen Organisationsstruktur gegenubergestellt ist. WShrend die funktionale

Organisationsstruktur Effizienz nur dadurch gewinnt, jede betriebliche Funktion ge-

trennt zu spezialisieren, soil die Netzwerkorganisation ihre Effizienz aus der inte-

grierten Nutzung spezialisierter Wissensformen der einzelnen Bereiche gewinnen und

verzichtet auf die Zentralisierung von Kommunikation und Entscheidungen. Ghoshal

und Bartlett sprechen hier von integrierter Interdependenz. Dieses Modell ist von einer

Reihe altemativer Verhaltensannahmen getragen, die den utilitaristischen und Zweck-

Mittel-orientierten Handlungsstrategien scheinbar widersprechen. Aber diese herkom-

mlichen Verhaltensannahmen haben tatsSchlich auch etwas mit unserem technischen

Verstandnis von Management - wie es innerhalb der traditionellen Organisationsform

jahrzehntelang kultiviert wurde - zu tun. Um herauszufmden, was dies heifit, ist es nur

notwendig auf die Bedeutung von Technik selbst einzugehen. Technik ist im engeren

Sinn die Naturbeherrschung und dient der Verwirklichung der Lebensfuhrung und Da-

seinsgestaltung und im weiteren Sinn ist unter Technik die Art zu verstehen, wie

Mittel fur vorgesetzte Zwecke angewendet werden (Gehlen, 2004:170).

4.1.2. Der behavioristische Kontext der traditionellen Untemehmung

Das zentrale Argument von Bartlett und Ghoshal ist nun, dass das individualisierte

Untemehmen, die verhaltenswissenschafllichen Grundpfeiler der traditionellen Orga­

nisationsform aufgibt und durch neue ersetzt. In der folgenden Abbildung, die als "be-

havioristischer Kontext der Untemehmensfiihrung" tiberschrieben ist, sind diese vier

Parameter und ihre hypothetischen kausalen Wirkungen und ihr Symbolgehalt zu-

sammengefasst. Auf einen Nenner gebracht, das Ergebnis der klassischen Organisa­

tionsstruktur ist die Kontrolle (control), die ausgetibt die noch vorhandenen Initiativen

vielfSltig beschrdnkt (constraint) und damit im Laufe der Zeit abtStet. Es tritt eine

66

Page 78: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

organisatorische Lahmung ein (organisational inertia). Die einzelnen Akteure ver-

andem ihre Verhaitensweisen und passen sich den Werkzeugen der Kontrolle an. An-

gepasst an diese Beschrankungen und der Kontrolle kultivieren sie im Laufe der Zeit

ein passives EinverstSndnis {compliance) und verwenden diese Werkzeuge so effizient

es ihnen moglich ist. Sie treffen selbst keine Entscheidungen mehr, sondem warten bis

in der Organisation Entscheidungen getroffen werden (neue Werkzeuge zur Verftigung

gestellt werden). AUes was zu tun ist, wird soweit wie mOglich tiber explizite Vertrage

{contract) festgeschrieben, was wiederum die Eigeninitiative einschrSnkt. Das Werk-

zeug wird entsprechend der Gebrauchsanleitung verwendet. Es wird auf Anordnung

und nach Vereinbarungen gearbeitet. Mit dem Werkzeug des Hammers wird ge-

hSmmert, egal auf was. Wichtig erscheint nur, ob gut gehSmmert wird. Die vier Fak-

toren stehen in einem kohSrenten aber rekursiven Zusammenhang. Sie stellen die

Struktur dar, tiber die die einzelnen Akteure ihre Handlungen setzen, und die je-

weiligen vor dem Hintergrund dieser Struktur gesetzten Handlungen selbst verstSrken

den Effekt dieser Struktur. So entsteht ein sich gegenseitig verstMrkendes Zusammen-

spiel zwischen den vier Faktoren. McGregor hat in den 60er Jahren ein sehr ahnliches

Konzept diskutiert. Er hat seine Uberlegungen Theorie Y und Theorie X genannt und

damit das jeweilige negative und/oder positive Menschenbild mit einer negativen

und/oder positiven Organisationsdynamik in Zusammenhang gebracht. McGregor war

davon tiberzeugt, dass ein negatives Menschenbild zu kontroUorientierten Organisa-

tionsstrukturen fiihrt, diese Strukturen die betroffenen BeschSftigten demotiviert und

ein Desinteresse und eine zunehmende Passivitat erzeugt und dass diese Demotivation

und Passivitat vom Management als Bestatigung daftir verwendet wird, um die ge-

troffenen MaBnahmen zu legitimieren. Argyris hat daran anschliefiend an einem ver-

gleichbaren negativen Zyklus gearbeitet, bei dem durch die traditionelle Organisa-

tionsgestaltung, die auf Arbeitsteilung und Autoritat nicht verzichten will, unreife Mit-

arbeiter produziert werden (Argyris, 1957).

67

Page 79: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Abbildung 9: Kontext der individualisierten Untemehmung (Bartlett und Ghoshal, 1997)

Die strikte Linienverantwortlichkeit und die formalen Beziehungen in der traditio-

nellen Organisation entsprechen diesem verhaltenswissenschaftlichen Modell (Bartlett

und Ghoshal, 1997:145). Die Kontrolle in der Untemehmung wurde uber strenge

hierarchische Verantwortlichkeiten und Befehlsmuster verstSrkt. Damit produzierte die

Organisation quasi-automatisch ein defensives und passives Verhalten bei den einzel-

nen Akteuren. Beziehungen wurden liber vertragliche Vereinbarungen festgeschrieben

(Bartlett und Ghoshal, 1997:149). Bartlett und Ghoshal argumentieren nun, dass ihr

neues Modell diese alten Verhaltensparameter ersetzt.

4.1.3. Die Erneuerung der behavioristischen Grundlagen im Unternehmen. Wie soil das geschehen?

Die neuen Prinzipien der Verhaltenssteuerung sind uberschrieben als stretch, support,

discipline und trust. Frei ubersetzt substituieren FlexibilitSt (Stretch), Unterstiitzung

(Support), Disziplin (Discipline) und Vertrauen (Trust) die alten Eckpfeiler der Orga-

nisationsgestaltung, control, constraint, contract und compliance. Die Beziehungen

zwischen Management und Mitarbeitem werden nicht mehr als hierarchische Be­

ziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen begriffen, die in einem strikten

Autoritatsverhaltnis stehen, sondem das Management nimmt die Rolle des Coaches,

des Betreuers, oder Mentors ein. Disziplin wird als Gegenstuck zu compliance (=

etwas Oder jemandem Folge leisten) verstanden und als Ergebnis eigenverantwort-

68

Page 80: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

licher und aktiver Selbstverpflichtung verstanden, um die gesetzten Ziele zu verfolgen

und umzusetzen (vgl. Argyris, 1957 und 2000). Vertrauen ersetzt die in der

klassischen Organisationsform tibliche Fixiemng und Kontroile samtlicher Leistungs-

prozesse durch Vorgesetzte. Durch das in dem Untemehmen existierende Vertrauen

entsteht mehr Transparenz und Offenheit, die in weiterer Folge den Austausch und die

Kommunikation zwischen verschiedenen Organisationseinheiten verbessert. Stretch -

als vierte Dimension - (bezeichnet als das Streben nach mehr) ist zu verstehen als

Eigenschaft, die am besten damit umschrieben werden kann, dass in der individuali-

sierten Untemehmensform jedes Organisationsmitglied und jeder GescMftsbereich,

seine Fahigkeiten und sein Wissen ganz im Sinne des Kemkompetenzgedankens

permanent in neue und alternative Anwendungen und Bereiche einbringt und ver­

bessert.

Abbildung 10: Anderung der behavioristischen Grundlagen (Bartlett und Ghoshal, 1997)

4.1.4. Der erneuerte behavioristische Kontext der Unternehmung

Im Zusammenspiel der vier Dimensionen stretch, support, trust und discipline ent-

wickelt die individualisierte Unternehmung neue Verhaltensparameter und daraus

emergieren neue Verhaltensorientierungen in der Organisation. Bartlett und Ghoshal

69

Page 81: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

hierzu: "Discipline is more than compliance to directives or conformity to policies; it

is an embedded norm that makes people live by their promises and commitments ... if

discipline substitutes for compliance, then support replaces control... the relationship

between bosses and subordinates is then defined by characteristics of coaching,

helping, and guiding..." (Bartlett und Ghoshal, 1997:154). In diesem Umfeld ent-

wickelt sich schliefilich auch Vertrauen und darauf aufbauend Reziprozitat. "People

who trust one another rely on each other's judgment and depend on reciprocal commit­

ment", so die Autoren (Bartlett und Ghoshal, 1997:155). Stretch interpretieren sie als

"the liberating and energizing element ... that raises individual aspiration levels and

encourages people to lift their expectations of themselves and others..." (Bartlett und

Ghoshal, 1997:157).

Abbildung 11: Emeuerung der individualisierten Untemehmung (Bartlett/Ghoshal, 1997)

Durch das Zusammenwirken von Stretch, "dem Streben nach mehr" - oder anders

Ubersetzt der Nutzung stotlicher Produktionsmittel und dem in der Organisation exis-

tierenden Vertrauen evolvieren neue selbstemeuemde, energisierende Verhaltens-

formen, wie "commitment (Leistungsbereitschaft) von den einzelnen Beschaftigten,

die fortan aus Eigeninitiative heraus ihre Aufgaben erfiillen. Durch das Zusammen-

spiel von Vertrauen und Support (UnterstUtzung durch Management und Organisa-

tionsstruktur) entwickelt sich die fur die individualisierte Untemehmung typische Ko-

70

Page 82: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

operation und gegenseitige UnterstUtzung verschiedenster Arbeitsbereiche. Uber das

Zusammenwirken der Dimensionen Vertrauen und Selbstdisziplin entsteht VerlSss-

lichkeit {confidence). Durch das Ineinandergreifen der Faktoren Disziplin und Support

entwickelt sich die fur diese Organisationsform typische Umsetzungsstarke („Exe-

cution"). Das Zusammenwirken der Dimensionen Support und Stretch steigert die

Lemfahigkeit (Bartlett und Ghoshal, 1997:173). Diesen emeuerten behavioristischen

Kontext und die daraus emergierenden Verhaltensmuster in der individualisierten

Untemehmung, erklSren Bartlett und Ghoshal wie folgt: "The ability and willingness

of people to take initiative is rooted in the tension between stretch and discipline: the

former serving as the source of energy and the later converting that energy into

tangible and time-bound action. Stretch without discipline leads to dreaming, while

discipline without stretch locks the company into an ever narrowing spiral of refining

existing operations without the courage to make a creative lap [...] Similarly, it is the

combination of trust and support that motivates cooperation and collaboration. Trust

makes cooperation desirable; support enables individuals to convert that desire into

action. Each is a necessary element of the organizational glue, but only in combination

do they create the sufficient conditions for integrating the disparate actions of

dispersed people [...] Beyond initiative and cooperation, renewal also requires some

other kinds of behaviors in people - an openness to learning, the courage of self-

confidence, the willingness to commit, and the ability to execute. It is the same four

attributes of context that, in different combinations, provide the enabling conditions

for each of these behaviors" (Bartlett und Ghoshal, 1997:174).

5. Resiimee

Wie dargestellt, setzen in unterschiedlichem Umfang, alle hier diskutierten Wissens-

management-Modelle den Schwerpunkt in der Konversion von impliziten in explizite

Wissensformen. Diese Festsetzung ist eine wichtige Voraussetzung, von der die Mo-

delle nicht so ohne weiteres loskommen und an der die Praxis des Wissensmanage-

ments leidet. Damit die Transformation verschiedener Wissensformen effizient und

effektiv realisiert werden kann, haben die Autoren mit ihrer unterschiedlichen Pers-

pektive die Notwendigkeit institutioneller Arrangements erOrtert. Boisot thematisiert

die Frage, wie ambivalente Wissensproduktion und -konversion sich uber institutio-

nelle Organisationsbereiche verteilt und beschaftigt sich hierbei mit dem Problem, wie

einzelne organisatorische, groBteils in sich abgeschlossene Wissensprozesse wieder

zusammengebracht werden kOnnen. Ziel ist es, getrennt kognitive Prozesse wieder

miteinander zu verbinden. Die Verbindung selbst soil aber weitreichend sein und ge-

71

Page 83: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

wahrleisten, dass einzelne Prozesse der Wissensproduktion wieder ineinander greifen.

Hierzu greift Boisot auf vier institutionelle Formen zuriick, die in der einschlagigen

Literatur grofiteils andere Aufgaben erfiillen. Interessant hierbei ist, dass in den vier

institutionellen Idealtypen jeweils eigene normative Regeln die Wissensproduktion in

Gang halten. Organisatorisches Lemen wird ais zyklische Wissensproduktion

konstruiert, die kreisformig die einzelnen institutionellen Typen durchlauft. In dem als

idealen Wissensprozess konstruierten sozialen Lemzyklus bedeutet dies, dass in den

konkreten Phasen der Wissensproduktion die sozialen Bindungen und normativen

Muster des Klans, abgel5st werden von den Regeln und Formen der Biirokratie, die

Funktion der Biirokratie durch die Funktionalitat des Marktes ersetzt wird und

schliefilich der Markt selbst durch sehr stark verpflichtende Patron-Klientel-Beziehung

ersetzt wird, um somit einen neuen, eben „alteritaren" Prozess der Wissensproduktion

zu initiieren. Eine Organisation benotigt damit alle vier Institutionenformen, um den

komplexen Stoffwechsel zwischen den verschiedenen Wissensformen zu garantieren.

Insbesondere ist in den singulSren Phasen des sozialen Lemzyklus, die Boisot als

Prozess konzipiert, mit dem Organisationen neues Wissen generieren, erkennbar, dass

die sechs Phasen nur dann ineinander greifen, wenn die dafur notwendigen inter-

subjektiven sozialen Kontexte vorhanden sind. Diese sozialen Strukturen werden aller-

dings nicht betrachtet. Auch bleibt bei Boisot voUkommen offen, wie jeweils die ganz

eigentumlichen Organisationsmuster, beispielsweise wie die Regeln und Handlungs-

muster der Biirokratie abgelOst werden von den Regeln auf Markten. Das Problem 16st

er damit, dass in einer Institutionenform jeweils die fiir die andere Institutionsform

idealtypische Wissensform bereits angelegt ist und somit den sensiblen Ubergang von

einem Ordnungsmuster in ein anderes sicherstellt. Die sozialen Regeln in den ein­

zelnen Feldem der herausgegriffenen Institutionen werden aber nicht im Detail dis-

kutiert. Sie werden auch nicht mit einer besondem Bedeutung versehen, primSr des-

halb, so ist zu vermuten, well die dringliche Uberlegung darin besteht, die jeweils ent-

stehenden Formen des Wissen zum einen innerhalb der institutionellen Felder zu kon-

trollieren, was nichts anderes heiBt als in der Organisation den abstrakten Zugriff

sicher zu stellen und zum anderen, den Wissensfluss in Gang zu halten, der aber eben

dadurch bestimmt ist, Wissen von einem Ort (der Anwendung) zu einem weiteren Ort

(der Kontrolle) zu transplantieren. Interessant ist allerdings, dass diese spezifischen

Orte der Anwendung und Kontrolle eigentlich soziale Felder darstellen, die mit ganz

unterschiedlichen Macht- und Krafleverhaltnissen zwischen ihren Akteuren und der

Umwelt arbeiten.

72

Page 84: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Auch Hedlund selbst zeigt in seinem Design der N-Form, dass Wissensproduktion und

-diffusion in wesentlichem auf komplexe Interaktionen zurQckgreifl. Diese Inter-

aktionsformen kreisen um die Begriffe Dialog, Kommunikation und/oder Organi-

sationsroutine. Die in Organisationen stattfindenden sozialen Prozesse, wie die Inter-

nalisierung, die Reflexion und die Dialogisierung, die mit diesen Prozessen, die einen

sehr starken symbolischen Charakter im Managementdiskurs einnehmen, werden als

Kommunikationsprinzipien gebraucht bzw. an ein spezifisches Organisationsdesign

gehSngt, damit das in organisational Routinen eingebettete Wissen weitergeben

werden kann und bestehende Wissensbestande reflektiert und emeuert werden kSnnen.

Auch in diesem Modell sind die zentralen sozialen Prozesse nicht ohne soziale Inter-

aktion in Organisationen praktikabel. Auch wird das soziale Feld in dem diese Hand-

lungsakte und die eigentliche Handlungspraxis erfolgt ausgeklammert. Hedlund ver-

weist darauf, dass gerade organisational Eigenschaften, die Reflexions- und Dialog-

fMhigkeit ermoglichen, erst im Kontext der auf Dauer angelegten Beziehungen emer-

gieren und es darum gehen muss, soziale Bedingungen, unter denen neues Wissen

assimiliert und bestehendes Wissen infrage gestellt werden kann, zu schaffen

(Hedlund, 1994:84).

Nonaka und Takeuchi (1995a) und in weiterer Folge Nonaka und Konno (1998)

konstruieren die ''soziale Gemeinschqft" als Idealtypus der Wissensproduktion

(Nonaka und Takeuchi, 1995:DC). Im Gegensatz zu Boisot agiert die „soziale Gemein-

schaft" im insititutionenfreien Raum. Auf den verschiedenen Ebenen der Wissens­

produktion und auf den einzelnen Stufen der Wissenskonversion sind die kognitiven

und sozialen Prozesse auf den Austausch zwischen Individuen und Gruppe verwiesen.

Nonaka und Takeuchi insistieren mehrmals und ganz explizit in ihren Texten darauf:

"knowledge creation is anchored to a critical assumption that human knowledge is

created and expanded through social interaction" (Nonaka und Takeuchi, 1999a: 10).

Gleichzeitig gehen sie - wie die Kognitionswissenschaflen - davon aus, dass Wissen in

den Kopfen einzelner Individuen sich befindet und produziert wird. In der Erg&izung

und Erweiterung des urspriinglichen Modells der Wissensproduktion verweist Nonaka

mit Nachdruck, dass organisational Wissensproduktion Ergebnis intersubjektiver

Austauschprozesse ist, die ihrerseits intensiv in Gruppenstrukturen eingebettet sind.

"The sum of individuals' intentions and ideas fuse and become integrated with the

groups mental world" (Nonaka und Konno, 1998:44).

KMser und Miles (2002a und 2002b) schliefien an diese Uberlegung an, wenngleich aus

einer anderen Perspektive und zeigen, dass der Austausch idiosynkratischer Wissens-

73

Page 85: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

formen von Vertrauen und intrinsischer Motivation bestimmt wird. Eine zentrale

These in ihrer Argumentation ist, dass idiosynkratische Wissensfonnen nur in iSnger

andauemden vertrauenswiirdigen sozialen Beziehungen ausgetauscht werden.

Bartlett und Ghoshal (1997) thematisieren die Probleme im Umgang mit KreativitSt

und Talent in Organisationen vor dem Hintergrund der Defizite der traditionellen

Organisationsform und entwerfen, Shnlich wie Hedlund (1994) ein Organisations-

design, das jedoch weitreichender auf behavioristische PrSmissen zuruckgreift. Die

verhaltensorientierten Dispositionen, die Bartlett und Ghoshal fiir das individualisierte

Untemehmen entwerfen, heften sie an die Begriffe Vertrauen, Untersttitzung, Disziplin

und Stretch (das Streben nach Verbesserungen). Uber diese Eigenschaften sehen sie

Verhaltensmuster emergieren, die in Organisationen soziale und vertrauenswOrdige

Beziehungen begrtinden. Sie bringen hier die Idee selbstorganisierender Systeme ins

Spiel, bei der auf die zentrale Gestaltung von Strukturen verzichtet wird und das

Management auf Selbststeuerung im GroBen und Ganzen vertraut.

Auch in diesem Kontext sind es jeweils konkrete soziale Strukturen, in die die Hand-

lungen der Akteure eingebettet sind, die tiber Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Un-

beriicksichtigt bleibt in alien hier diskutierten Varianten, dass die Handlungen ein-

zelner Akteure selbst wieder auf die Strukturen zurUckwirken (vgl. Giddens, 1984),

wenngleich soziale Strukturen als Voraussetzung thematisiert werden, damit Wissens-

produktion und Wissensdiffusion mSglich wird.

Ich mOchte mich deshalb im folgenden Abschnitt mit dem Okonomischen Wert so-

zialer Strukturen beschaftigen und auch - wo es notwendig ist - genauer auf die Frage

der Institutionen eingehen. Im Rahmen der Sozialkapitalliteratur wird der wirtschaft-

liche Wert sozialer Netzwerke als soziales Kapital bezeichnet. Der GroBteil der So­

zialkapitalliteratur begrundet die Tatsache, warum einzelne Akteure in soziale Be­

ziehungen investieren, mit dem Utilitarismus. Diese ErklSrung ist jedoch unvoUstandig

und es ist notwendig zu zeigen, wie im Zusammenspiel von Institutionen mit habitua-

lisierten Handlungen soziales Kapital erklart werden kann. Vorerst ist es aber not­

wendig sich mit dem Thema und Begriff Sozialkapital auseinanderzusetzen. Im

folgenden Teil werde ich mich deshalb mit dem Begriff Sozialkapital auseinander-

setzen. Ich werde dabei einzelne Sozialkapitaldefinitionen herausgreifen. Im Vorder-

grund steht dabei, wie der 6konomische Wert von sozialen Netzwerken entsteht. Er-

gSnzend zu den Sozialkapitaltheorien von Bourdieu, Coleman und Putnam bespreche

ich zwei spezielle Varianten von Nahapiet und Ghoshal und von Nan Lin.

74

Page 86: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Daran anschlieBend diskutiere ich den Zusammenhang zwischen der Stmktur sozialer

Netzwerke und der Entstehung von Sozialkapital. Dabei greife ich auf zentrale Be-

griffe der sozialen Netzwerkanalyse und auf die Sozialkapitaltheorie von Burt (1982,

1992, 1997) zuriick. In diesem Abschnitt schien es mir notwendig, auf wesentliche

Begriffe und Definitionen der sozialen Netzwerkanalyse naher einzugehen, damit ge-

zeigt werden kann, in welcher Form Eigenschaflen wie die Netzwerkredundanz,

strukturelle Briicken, "strong ties", "weak ties", Ego-Netzwerke und Cliquen auf die

Produktion und Diffusion von Wissen wirken.

75

Page 87: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

II. Sozialkapital und Vertrauen

Kogut und Zander (1996) verstehen die Firma als ein soziales Konstrukt, das sich auf

die Produktion und Koordination von spezialisiertem Wissen konzentriert. In diesem

Zusammenhang wird die Produktion und Verwertung von Wissen als zentrale Fahig-

keit eines Untemehmens thematisiert (Teece, Pisano und Shuen, 1997). Die res-

sourcenorientierte Theorie der Firma, die kompetenzorientierte Theorie der Firma und

die wissensorientierte Theorie der Firma beschSftigten sich mit der Frage wie durch

den Gebrauch von Ressourcen nachhaltige Vorteile erworben werden. Die Imitation

der als firmenspezifisch bezeichneten Ressourcen wird jedoch als problematisch be-

trachtet, weil es sich um inharente Spezialisierungsvorteile handelt, wie Know-how

Oder tacit knowledge (Lippman und Rumelt, 1982), das in organisational Tatigkeiten

eingebettet ist. Die Schwierigkeit, dieses Wissen zu imitieren, trifft jedoch, wie viel-

fach diskutiert, nicht nur auf konkurrierende Firmen zu, sondem bereitet bereits inner-

halb der Firma Probleme. Diese Schwierigkeiten sind vor allem damit verbunden, dass

sog. best practices und Verbesserungsprozesse im Untemehmen nur sehr langsam und

unvoUstandig in andere Bereiche diffundieren (Szulanski, 2003). Erstaunlicherweise

hangt die Diffusion letztlich aber zu einem groBen Teil davon ab, inwieweit erfolg-

reiche Praxis imitiert wird.

Wissen wird also zur zentralen Ressource erklart und einschlagige Wissensmanage-

ment-Modelle, wie die im vorigen Abschnitt besprochenen, diskutieren detailreich und

voraussetzungsvoU wie Wissen produziert wird und unter welchen Bedingungen

dieses Wissen in Organisationen unabhangig von Produzenten zur Verfiigung gestellt

werden kann (vgl. Schneider, 1996 und 2001). Dabei wird uber den Verweis auf Ver­

trauen, die Frage diskutiert, welchen Effekt vertrauenswiirdige soziale Beziehungen

auf den Austausch von Wissen haben.

Im Rahmen der Sozialkapitaltheorie, die den Begriff Sozialkapital verwendet, um her-

auszustreichen, dass soziale Beziehimgen, einen wirtschaftlichen Wert haben konnen,

stehen interpersonale Austauschprozesse im Zentrum des Forschungsprogramms. In

diesem Zusammenhang interessiert mich in diesem Abschnitt die Frage, welchen

Effekt Sozialkapital auf die Produktion und den Austausch von Wissen hat. Die von

Kogut und Zander angesprochene soziale Konstruktion, kann auf die Funktionalitat

sozialer Beziehungen gar nicht verzichten, damit die Produktion realisiert und die

Koordination wissensintensiver Leistungen umgesetzt werden kann. Und wie von den

beiden Autoren in ihrer Begriffsverwendung beabsichtigt, ist Funktionalitat in der

77

Page 88: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Organisation nur iiber Vertrauen und soziale Bindungen zwischen einzelnen Akteuren

machbar. Es scheint, dass in den einfachsten Fallen die Durchftihrung einer Aufgabe

zwangslaufig ein MindestmaB an Vertrauen und eine ganze Reihe von sozialen Kon-

takten erfordert. Vielfach schenken wir Vertrauen unbewusst und nutzen soziale Be-

ziehungen zu Kollegen und Freunden, ohne dass wir uns dariiber im Klaren sind.

Diese Selbstverstandlichkeit mit der wir Vertrauen schenken und soziale Kontakte ein-

gehen, verstarken wir mit unserem habitualisierten (gewohnheitsmSBigen) Handeln im

Alltag bzw. in alltaglichen Arbeitsroutinen.

Cohen and Prusak stellen hierzu fest: "Most of us know from experience that trusted

colleagues help us to accomplish work. ...We know too that we are more likely to give

our energy, talent, and loyalty to an organization if those around us are helpful and

honest as opposed to uncooperative and devious, and if the leadership of the organi­

zation takes a fair and equitable approach to the people who work for it." (Cohen und

Prusak, 2001 :IX). Cohen und Prusak erklaren hier, dass Arbeit als soziale Aktivitat er-

lebt wird und sie betonen: "Social activity that engages the same social needs and

responses as the other parts of our lives: the need for connection and cooperation,

support and trust, a sense of belonging, fairness, and recognition" (Cohen und Prusak,

2001 :X). Sie sprechen hier dem sozialen Kontakt selbst einen intrinsischen Wert zu.

Aber dieses intrinsische Bedlirfnis nach sozialen Kontakten nehmen wir, soweit es er-

fiiUt ist, gar nicht explizit wahr (Gehlen, 2004). Wie im vorigen Abschnitt erwahnt,

sind elementare Prozesse in der Wissensproduktion auf soziale Eigenschaften wie Ver­

trauen, Kooperation und Reziprozitat aufgebaut und es ist unstrittig, dass ganz allge-

mein Vertrauen, Kooperation und Reziprozitat Merkmale sozialer Beziehungen sind.

Vertrauen, Kooperation und Reziprozitat sind keine Ergebnisse utilitaristischer Mo­

tive, sondem sind in Institutionen eingebettet.

Die Frage, die im ersten Abschnitt dieser Arbeit anhand der Diskussion einschlagiger

Wissensmanagement-Modelle erortert wurde, ist also nicht nur, wie implizite Wissens-

formen, die zu einem uberwiegenden Teil in organisational Routinen der Organi­

sation eingebettet sind, weitergegeben werden konnen, sondem wie vertrauenswUrdige

soziale Bindungen in Organisationen entstehen und unter welchen Voraussetzungen

die fur die Wissensproduktion notwendigen sozialen Netzwerke sich entwickeln.

Soziale Netzwerke sind far die Beantwortung dieser Frage deshalb von Bedeutung,

well sie nicht nur Rahmenbedingungen evozieren unter denen idiosynkratische Res-

sourcen ausgetauscht und produziert werden, sondem well diese sozialen Beziehungen

selbst eine wertvolle Ressource in der Wissensproduktion sind.

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Page 89: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

In einem Netzwerk sozialer Beziehungen werden also nicht nur einzelne Wissensres-

sourcen der Akteure getauscht, sondem durch die interaktiven Beziehungen emergiert

Wissen und es entstehen neue Ressourcen, die den Akteuren ftir ihre Handiungsop-

tionen zur Verftigung stehen. Die aufrechten Beziehungen schaffen nicht nur Zugang

zu bereits bestehenden Wissensressourcen, sondem durch den Austausch, den unmit-

telbaren sozialen Kontakt und durch die Reflexion vorhandener Ideen und Wissensbe-

st^de entsteht neues Wissen. Folgende Uberlegung ist hier bedeutend: Wissensorien-

tierte Leistungserstellungsprozesse sind auf soziales Kapital angewiesen, damit tiber-

haupt nicht greifbare Erfahrungen (z. B. Know-how) oder implizites Wissen sich effi-

zient in Untemehmen verbreiten kann. Eine Zielsetzung der wissensorientierten Orga­

nisation mtisste es demnach sein, in den Aufbau vertrauenswurdiger und stabiler Be­

ziehungen zu investieren. Vertrauenswtirdige und stabile Beziehungen sind aber keine

rationalen sozialen Konstrukte, sondem das Ergebnis und Folge der Funktion von Ins-

titutionen (Ostrom, 1990:51). Diese Institutionen ermOglichen erst das, was Bourdieu

als „praktische Schltissigkeit der Praktiken und Werke" (Bourdieu, 1997:169) be-

zeichnet. Konkrete Handlungen werden erst in Abstimmung mit den damit existieren-

den formalen und informellen Institutionen moglich. Gerade in Bezug auf die Wirkung

von Vertrauen, Reziprozitat und Stabilitat sind Institutionen das „Herz der Antriebe"

der Handlungen des Menschen (Gehlen, 1986:9). Institutionen bewirken flir das Indi-

vfduum in seinen Handlungen eine Entlastung von vielen Entscheidungen. Gehlen ver-

steht ganz in diesem Sinn Institutionen als Formen der BewSltigung lebenswichtiger

Aufgaben oder UmstSnde (Gehlen, 1986). Warum sind hier der Begriff und die Be-

deutung von Institution so zentral? Versuchen wir verstSrkt die Wirkung und Be-

deutung von Institutionen fur unser individuelles Handeln zu verstehen, wird die in

den Wirtschaflswissenschaflen dominante Stellung der utilitaristischen Konzeption des

homo oeconomicus, der als Einzelmensch, nutzenmaximierend und rational handelt,

zurechtgeriickt.

Hier ist folgendes festzuhalten: Akteure, auch wenn sie im Eigeninteresse handeln,

kniipfen zahlreiche soziale Beziehungen, gehen gegenseitig Verpflichtungen ein und

kommen diesen Verpflichtungen nach (Wasserman und Faust, 1999:13). Sie tun dies,

well sie auf die Kooperationsbereitschaft anderer Netzwerkmitglieder nicht verzichten

wollen und weil sie uber diese Kooperationsbereitschafl auch in Zukunft ihre Hand-

lungsfMhigkeit erhalten (so das utilitaristische Argument). Dieser Uberlegung gegenge-

stellt sind Verhaltensannahmen, wie sie in der Organisationsokonomik verwendet

werden. Beispielsweise muss eine Organisation MaBnahmen ergreifen, um sich gegen

79

Page 90: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

das schadigende Verhalten einzelner Mitglieder oder Gruppen zu schiitzen, die ihre

eigenen Interessen verfolgen. Organisationen, die sich gegen den Missbrauch ihrer

Mitglieder nicht schiitzen, so die Begrundung, sind kurzlebig, weil der Opportunismus

ihrer Mitglieder eine Bedrohung darstellt (Williamson, 1985:64f.). Die behavioris-

tische Annahme, die hinter dieser Pramisse steht, ist der Modellmensch, der homo

oeconomicus der Neoklassik, der auch mit Arglist seine Eigeninteressen verfolgt

(Williamson, 1985:65). Die Schlussfolgerung, die die 5konomische Organisations-

theorie daraus zieht, ist die, dass jede Organisation, die es verabsaumt, sich gegen

diese Arglist zu schiitzen, dem Untergang geweiht ist. Die angebotene LcJsung dieses

zentralen Problems besteht ganz generell in der Schaffung von Anreizen, die die

Interessen des Akteurs (Auftragnehmers) und der Organisation (Auftraggeber) in

Ubereinstimmung bringen. Das lasst sich - in der herkommlichen Losung der Organi-

sationsokonomik - aber nur dann erfolgreich durchsetzen, wenn der rational handelnde

Akteure auf extrinsische Anreize anspricht. Von dieser Warte aus nicht thematisiert

wird der Umstand, dass eine Ubereinstimmung der Handlungsinteressen im umfang-

reichen AusmaB von Institutionen erbracht wird.

Aber nicht alle Handlungen, insbesondere nicht habitualisierte, sind immer auf ein

Eigeninteresse des Akteurs reduzierbar. Ganz im Gegenteil: Akteure kniipfen soziale

Beziehungen und halten die damit verbundenen Verpflichtungen ein, weil es ihnen die

formalen und informalen institutionellen Regeln gebieten. Einzelne Akteure stehen so

gesehen in vielfaltigen Beziehungen zu anderen Akteuren, sind Teil sozialer Produk-

tionsverhaltnisse, knupfen neue Beziehungen und verstarken existierende Be­

ziehungen. Sie tun dies entweder aus Eigeninteresse oder sie folgen dabei habituali-

sierten Gewohnheiten und verstarken damit institutionelle Regeln und das eigene ha­

bitualisierte Handeln. Akteure handeln also aus dem Kontext der sozialen Strukturen

heraus, in die ihre Handlungen, ihre Interessen und ihre Handlungsmoglichkeiten ein-

gebettet sind. Die Handlungen eines Akteurs sind aber vor allem dadurch Teil der

Handlungen anderer Akteure (Granovetter, 1985; Wasserman und Faust, 1999;

Macaulay, 1963). Aber dies sind sie nicht nur aufgrund der ReziprozitSt ihrer Hand-

lung, sondem weil sie durch ihre Handlungen die formgebende Ordnung der Institu­

tionen verstarken und in Kraft setzen (Bourdieu, 1997:169).

Granovetter hat in seinem klassischen Essay mit dem Titel ''Economic Action and

Social Structure: The Problem of Embeddedness" argumentiert, dass das Verhalten

einzelner Akteure und die Entstehung von Institutionen von den sozialen Beziehungen

in ganz erheblichem AusmaB beeinflusst werden, das gilt auch - oder erst recht - fur

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Page 91: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

wirtschaftliches Handeln (Granovetter, 1985:481). Daruber hinaus haben Weingast

und Marshall in einer Studie uber den Einfluss US-amerikanischer Senatoren demons-

triert, dass die Handlungsfahigkeit (der politische Einfluss und die Wirkung einzelner

Senatoren) das Ergebnis informeller ("unwritten constraints") Riicksichtnahmen ist,

die im Kontext wiederholter Kooperation und gegenseitiger Unterstutzung unter den

Senatoren entsteht (1987:133). Diesem informellen in Kraft setzen einer Verhaltens-

regel der Riicksichtsnahme auf die Interessen anderer Senatoren fiigt Douglass North

hinzu: "...formal rules, in even the most developed economy, make up a small

(although a very important) part of the sum of constraints that shape choices; ...in our

daily interactions, or business activities, the governing structure is overwhelmingly

defined by codes of conduct, norms of behavior, and conventions" (North, 1990:36).

Diese Verhaltensregeln evolvieren im Zuge ihrer Anwendung und werden im Laufe

der Zeit verfestigt. Zur Gewohnheit geworden entwickeln sie eine eigene Stabilitat und

Ordnung (Gehlen, 1986). Wir investieren in soziale Beziehungen nicht nur deshalb,

weil wir niichteme Rechenmaschinen sind! Granovetter unterstreicht dies, wenn er da-

rauf insistiert: "This view sees the economy as an increasingly separate, differentiated

sphere in modem society, with economic transactions defined no longer by the social

or kinship obligations of those transacting but by rational calculations of individual

gain. It is sometimes further argued that the traditional situation is reversed: instead of

economic life being submerged in social relations, these relations become an

epiphenomenon of the market" (Granovetter, 1985:482).^

In den Wirtschaftswissenschaflen wird davon ausgegangen, dass das wirtschaftliche Verhalten des Akteurs von den sozialen Strukturen, in die die Handlung des Akteurs eingebunden ist, vollkommen unabhSngig zu betrachten ist. Soziale Verpflichtungen, Normen etc. werden bestenfalls - wenn liber-haupt als StOrfaktor klassifiziert. In der Analyse findet wirtschaftliches Handeln losgelQst von den tat-sSchlichen sozialen Beziehungen statt, in die die Akteure eingebettet sind. Es wird vorausgesetzt, dass vollkommene Effizienz nur dann zu realisieren sei, wenn keine sozialen Verpflichtungen und Bin-dungen die eigentlichen wirtschaftlichen Transaktionen stOren. Falls dann doch aus der Perspektive des nutzenmaximierenden homo oeconomicus erkiarungsbediirftige Sonderf^le auftreten, werden Handlungen als altruistisch oder untypisch klassifiziert (vgl. Boulding, 1969:6; Kasper und Streit, 1998:61fif.).

Wahrend also soziale Verpflichtungen und Bindungen als Ursache resp. als schadlich fiir einen effi-zienten Austausch verstanden werden, wird umgekehrt sehr wohl der positive Effekt von Beziehungen und Bindungen (vgl. Lamming, 1993; Dyer, 1996 und 2003) im Rahmen der Debatte strategischer Netzwerke diskutiert. In dieser Ausrichtung erfShrt das Thema Uber den Begriff "Netzwerk" eine regelrechte Konjunktur. Netzwerkstrukturen werden als hybride Organisationsformen, die zwischen der Institution Markt und der Organisation angesiedelt sind, verstanden. Die interorganisationalen Be­ziehungen, die damit Untemehmen eingehen, werden als strategische Ressource erfasst (Sydow,

81

Page 92: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Der positive wirtschaftliche Effekt sozialer Beziehungen - so die These hier - hangt

damit zusammen, dass durch den Aufbau dichter, reziproker und dauerhafter sozialer

Beziehungen nicht nur Verpflichtungen aufgebaut werden, denen sich opportune Ak-

teure entziehen mSchten, sondem organisationale FShigkeiten und neue Ressourcen in

diesen sozialen Beziehungen emergieren, die ganz im Sinne von Penrose (1959) die

eigenen und die koUektiven Handlungsmoglichkeiten verbessem und erweitem.

Im folgenden Abschnitt mOchte ich zunSchst Sozialkapital definieren und ausgewShlte

Ansatze kritisch darstellen. Dabei werden einige der zentralen Arbeiten zum Thema

Sozialkapital zusammengefiihrt. Es geht mir dabei darum, die in der Sozialkapital-

literatur verwendeten Begriffe Sozialkapital, Vertrauen, und Reziprozitat gegenein-

ander abzugrenzen und ihre gegenseitige interdependente Verbindung aufzuzeigen.

Der Zweck dieses Abschnittes ist es, die These zu erlSutem, dass Sozialkapital eine

wesentliche Voraussetzung daftir ist, um in Untemehmen uberhaupt idiosynkratische

Wissensformen zu produzieren und auszutauschen. Ich argumentiere hier, dass Sozial­

kapital iiber den funktionalen Wert der Kultur, wie sie Boisot (1995), Nonaka und

Takeuchi (1995a) oder Hedlund (1994) und z. T. auch Bartlett und Ghoshal (1997) in

ihren Uberlegungen aufnehmen, weit hinausgeht. Was hingegen sehr wohl thematisiert

werden muss ist der Zusammenhang zwischen Sozialkapital, Institutionen und Hand-

lungsm5glichkeiten. Mit Sozialkapital wird, so die These in aller Kiirze, erst jenes

"Biindel an Ressourcen" und jene „organisationalen Fdhigkeiten'' (Penrose, 1959)

aktiviert, wir konnen hier auf von institutionellen Rahmenbedingungen sprechen, die

in der ressourcenorientierten Theorie der Firma als unverwechselbare Quelle von

Wettbewerbsvorteilen gelten. Die Uberlegung dabei ist, dass dieses BUndel an Res­

sourcen eines Untemehmens in die organisationalen FShigkeiten und in ihr institutio-

nelles Regelwerk eingebettet ist. Konkrete Ressourcen und FShigkeiten sind aber, so

die Argumentation hier, in weitgehend habitualisierten Kontext die Praxis von sozialen

Beziehungen. Sozialkapital ist deshalb ein intangibler Vermogenswert, der nicht ohne

die Pflege der dazugehorigen sozialen Normen und koUektiven Werte und nicht ohne

die sozialen Verpflichtungen und Bindungen verwertet werden kann. Vertrauen ist

1993). Die FShigkeit von Untemehmen, Netzwerke mit anderen Untemehmen, Zulieferem oder Ab-nehmem zu bilden, wird dabei als wesentlicher Faktor von Untemehmenserfolg konzeptionalisiert (Nohria und Ghoshal, 1997; Gulati und Singh, 1998:781). Ganz allgemein wird in der einschiagigen Literatur und Forschung zu diesem Thema festgestellt, dass w/erorganisationale Netzwerke generell als positiver Faktor von Untemehmenserfolg interpretiert werden (Gulati und Gargiulo, 1999).

82

Page 93: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

unter anderen ein zentraler Baustein von Sozialkapital. So wie Sozialkapital ist Ver-

trauen in Organisationen dafiir verantwortlich Transaktionskosten im Austausch

schwer greifbarer Wissensformen zu senken. Vertrauen ist nicht gleichzusetzen mit

Sozialkapital. WShrend der Effekt von Vertrauen darin besteht, auf kostspielige Ver-

trSge verzichten zu kOnnen, ist einer der Effekte von Sozialkapital, dass tiber die exis-

tierenden Bindungen in einem Netzwerk zusStzlich zu den vorhandenen Ressourcen

neue Ressourcen und Handlungsm6glichkeiten sich erst ergeben (Coleman, 1990).

Der existierende Vorrat an sozialem Kapital in Organisationen steht damit in einem

kausalen Zusammenhang mit der FShigkeit der Organisationen firmenspezifisches und

schwer greifbares Wissen zu verarbeiten und weiterzugeben (Leana und van Buren,

1999). Die Weitergabe von Wissen ist nicht als einfacher Transformationsprozess von

impliziten in explizite Wissensformen zu verstehen, wie ich im ersten Teil dieser Ar­

beit gezeigt habe, sondem als untrennbares Zusammenspiel verschiedener Wissens-

arten. Wissen ist Teil einer Handlungspraxis, die im Zuge organisationaler Handlungs-

routinen erworben wird und ganz im Sinne der Komplementaritat ineinander greifen-

der Ressourcen, die, wie Milgrom und Roberts es auf den Punkt bringen, durch die

Verknupfung und Kombination mehr Wert schaffen als voneinander isoliert: ''each

makes the other more valueable" (Milgrom und Roberts, 1992:17).

1. Zum Begriff Sozialkapital

In den Sozialwissenschaften ist der Begriff Sozialkapital seit fast zwei Jahrzehnten

Thema fachspezifischer Forschungen (Lin, 2001). In den letzten Jahren erfuhr der Be­

griff zudem in der einschlSgigen betriebswirtschaftlichen, insbesondere in der Mana-

gementliteratur, eine regelrechte Konjunktur und ist in Mode gekommen. Die Ausein-

andersetzung mit dem Thema Sozialkapital ist allerdings nicht neu. Die bloBe Fest-

stellung, dass soziales Kapital einen positiven Entwicklungseffekt auf Gesellschaften hat

geht auf die Arbeiten des Politologen Hanifan (1916) zurilck.

Der Begriff wird allerdings in Zusammenhang mit dem Untemehmenserfolg erst seit

kurzem verwendet. Das ist mehrfach verwunderlich, well erstens sowohl in der Unter-

nehmenstheorie als auch in der Organisationsforschung das Thema "Netzweik" umfang-

reich diskutiert wird. Zweitens wird ganz allgemein festgestellt, dass Netzwerke, Ko-

operationen und AUianzen grundsatzlich einen Wert darstellen. Das wird in der Netz-

werktheorie gar nicht bestritten, aber die Frage, wie dieser Wert entsteht, bleibt oft un-

klar (vgl. Sydow, 1993; Gulati und Singh, 1998). Inzwischen gibt es mehrere Ansatze zu

83

Page 94: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

einer Theorie des Sozialkapitals, davon sind einige sehr umfassend (z.B. insbesondere

dieArbeiten von Ron Burt, 1982 und 1992; Putnam, 2000; Lin, 2001). Bezogen auf die

Produktion von Wissen in Untemehmen sind die AnsStze von Nahapiet und Ghoshal

(1998) und von Cohen und Prusak (2001) bedeutend.

Was ist also Sozialkapital? Sozialkapital ist ganz im Sinne des Kapitaibegriffs eine Res-

source, deren Einsatz eitragreich ist. Im strikt Okonomischen Sinn sind die Kosten der

Herstellung und Aufrechterhaltung sozialer Bindungen dem Ertrag bzw. der Rente der

sozialen Beziehungen gegentibergestellt. Sowohl die Quelle als auch das Ergebnis von

Sozialkapital lasst sich als Ressource verstehen. Nan Lin (2001), ein US-amerikanischer

Soziologie, unterscheidet in diesem Zusammenhang QinQn personlichen und einen sozi­

alen RessourcenbegrifF. Die Unterscheidung trifft er, weil der Ertrag von Sozialkapital

den Charakter einer personlichen Ressource haben kann und damit in das Eigentum

einer Person ubergeht und die Nutzung von Vorteilen, die sich aus sozialkapitalreichen

Beziehungen ergeben, einzelnen Personen zugeschrieben bzw. von ihnen akquiriert wer-

den konnen. Eine rivalisierende Nutzung ist hierbei ausgeschlossen, der Ertrag sozialer

Ressourcen fliefit hingegen einer gesamten Gruppe zu und ist quasi innerhalb der

Gruppe ein offentliches Gut, eine rivalisierende Nutzung durch einzelne Akteure ist

ausgeschlossen.

1.1. Sozialkapitaldeflnitionen

Sozialkapital kann als privates und 5ffentliches Gut behandelt werden. In der Theorie ist

diese Trennung einfach vorzunehmen und es zeigt sich auf dieser Ebene der Be-

trachtung welche Vor- und Nachteile diese Unterscheidung mit sich bringt (z. B. das

Freerider-Problem). In der tatsachlichen Handlungspraxis der Akteure ist diese Unter­

scheidung jedoch nicht exakt vorzunehmen. Cohen und Prusak defmieren Sozialkapital

als "the stock of active connections among people: the trust, mutual understanding, and

shared values and behaviors that bind the members of human networks and communities

and make cooperative action possible" (Cohen and Prusak 2001:4). Cohen und Prusak

verstehen also Sozialkapital als den Vorrat der aktiven sozialen Kontakte zwischen ein­

zelnen Akteuren die durch Vertrauen, gemeinsames Verst^dnis und gemeinsame Werte

und durch ihre Handlungen miteinander verbunden sind und dadurch in ihrer Gruppe

kooperatives Handeln ermOglichen. Diese Definition ist ergSnzungsbedurflig. Tatsach-

lich ist der Vorrat an Sozialkapital das Ergebnis "existierender Beziehungen", also der

Bestand aktiver Bindungen zwischen einzelnen Personen. Vertrauen, gegenseitiges Ver-

standnis, gemeinsame Werte und gemeinsame Verhaltensweisen sind jedoch nicht sozi-

84

Page 95: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

ales Kapital, sondem Eigenschaften, die die Qualitat und Stabilitat dieser "aktiven

Bindungen" bestimmen und sie sind zum institutionellen Bestand von Organisationen zu

zShlen, die in ihrem Zusammenwirken soziales Kapital bilden. Wiederum von den

Lebensumstanden und den Handlungen der Akteure in dieser sozialen Gruppe hangt es

ab, in welchem AusmaB der Bestand an sozialem Kapital fur einzelne Mitglieder oder

fUr die Gruppe als gesamtes einen Ertrag abwirft. Beispielsweise ist eine „aktive

Bindung" nur dann im engeren Sinn ertragreich, wenn ein Akteur mit einem gegebenen

Ressourcenbestand seine Handlungsmoglichkeiten dadurch erweitert oder anderen Ak-

teuren deren Handlungsmoglichkeiten vergroBert.

StoUe und Lewis hingegen erweitem diese ressourcenzentrierte Definition um den Be-

griff Reziprozitat. Sie charakterisieren Sozialkapital folgendermaBen: "social capital

characterizes a set of widely held expectations that other citizens will reciprocate. In

other words, when social capital exists in a group, village, region, or nation, self-

interested participants will want to cooperate because the institutionalized expectations

point to the fact that this is the most beneficial thing to do. The reason being that co­

operation, trust, and reciprocity become generalized and widely held norms guiding de­

cisions connected to everyday life" (Stolle und Lewis, forthcoming:3).

Grootaert und van Bastelaer definieren soziales Kapital wie folgt: "The social capital of

a society includes the institutions, the relationships, the attitudes and values that govern

interactions among people and contribute to economic and social development

(Grootaert und van Bastelaer, 2002:4). Beide Definitionen unterstreichen den positiven

Effekt sozialen Kapitals auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung.

Beide Zugange zum Thema unterscheiden sich nicht unwesentlich: Stolle und Lewis

verstehen soziales Kapital als ein Resultat reziproker Verpflichtungen, die im AUge-

meinen rationale Akteure einhalten, well sie ihnen vorteilhaft erscheinen. Grootaert und

van Bastelaer sehen Sozialkapital als Ergebnis koUektiver Normen und Werte, deren

positiver wirtschaftlicher Effekt in der Abstimmung und Koordination interagierender

Individuen besteht. Beide Interpretationen sind in der Sozialkapitalliteratur zu finden. ^

Es wUrde hier zu weit fiihren, eine kritische Diskussion der existierenden Sozialkapitalliteratur zu untemehmen. Einen Uberblick uber die Sozialkapitalliteratur bieten Portes (1998), Lin (2001), Adler und Kwon (1998) und Woolcock (1998).

85

Page 96: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

In den meisten Fallen korrespondiert ein hoher Vorrat an Sozialkapital in Organisa-

tionen mit einem hohen Grad an Vertrauen. Sozialkapital ist der okonomische Wert,

den aufrechte Beziehungen stiflen und insofem vom Konstrukt Vertrauen zu unter-

scheiden. Wenngleich es in den meisten Fallen so ist, dass soziales Kapital und Ver­

trauen miteinander auftreten, scheint es aus konzeptionellen Griinden von Vorteil zu

sein, Sozialkapital und Vertrauen jeweils als zwei PhMnomene zu betrachten.

Ich mSchte im Folgenden die Theorie des kulturellen Kapitals von Bourdieu, die

Theorie von Coleman und die Sozialkapitaltheorie von Putnam kurz diskutieren.

Daran anschliefiend soil die Sozialkapitaltheorie von Nahapiet und Ghoshal (1998)

und die Theorie von Nan Lin (2001) dargestellt werden. Im Anschluss daran sollen

ausgewahlte Aspekte der zentralen Elemente von Sozialkapital erQrtert werden.

1.2. Sozialkapitaltheorien

1.2.1. Pierre Bourdieu

Der franz()sische Soziologe Pierre Bourdieu hat in seinen Schriften nach und nach das

Konzept Sozialkapital entwickelt. Sein Zugang zu dem Thema soziales Kapital fand er

im Rahmen seiner Arbeiten uber die Entstehung von sozialen Klassen und den damit

in Verbindung stehenden Formen sozialer Ungleichheit. In seinen friihen Studien uber

die Entwicklung kultureller Werte und Normen verschiedener Klassen, prSgte er den

Begriff „Habitus". Als Habitus bezeichnete er Werte, die jeweils eine bestimmte so-

ziale Gruppe annimmt und sich aneignet und mit denen sie sich gegenuber anderen

gesellschaftlichen Klassen abgrenzt. Ein Habitus ist das Ergebnis der Sozialisation in

einem bestimmten sozialen Raum. Diesen sozialen Raum grenzt Bourdieu als soziales

Feld (Milieu) ein. Habitusformen versteht er als „Systeme dauerhafter und ubertrag-

barer Dispositionen, als strukturierte Strukturen" die ftlr unsere Handlungen „als Er-

zeugungs- und Ordnungsgrundlagen fiir Praktiken und Vorstellungen" darstellen, je-

doch nicht bewusst von Zwecken bestimmt sind (Bourdieu, 1997:98f). Bourdieu geht

davon aus, dass unsere Handlungen „objektiv geregelt und regelm^ig sind, ohne ir-

gendwie das Ergebnis der Einhaltung von Regeln zu sein" (Bourdieu, 1997:99). Die

Praxis unseres Tuns ist im „Verhaltnis zum Habitus als System kognitiver und moti-

vierender Strukturen" zu begreifen und die „Zwecke", „Gebrauchsanleitungen",

„Wegweisungen" und „Institutionen" sind bereits angelegt, die unser Handeln struk-

turieren (Bourdieu, 1997:100). Innerhalb der verschiedenen Felder und sozialen

Milieus existieren verschiedene Zwecke, Gebrauchsanleitung, Wegweisungen und

Institutionen. Das was „objektiv" an Handlungen mSglich ist unterscheidet sich von

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Page 97: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

sozialem Raum zu sozialem Raum. Die Abgrenzung selbst erfolgt, so Bourdieu's Ar­

gument, uber symbolisches Kapital mit dem eine soziale Differenzierung und Zuge-

hfirigkeit zu den verschiedenen sozialen RSumen aufrechterhalten wird. Jedes Mitglied

eines sozialen Raums verfugt so Uber bestimmte kulturelle Ressourcen, die exklusiv

fur die Mitglieder der eigenen Klasse reserviert sind. Der zentrale Punkt dabei ist, dass

das Mitglied eines sozialen Raums deshalb Mitglied ist, well es sich dadurch von

anderen Mitgliedem anderer sozialer RSume unterscheidet (Bourdieu, 1998:22).

Habitus ist - wie Bourdieu herausstreicht - ein Produkt der Geschichte und die

Strukturen des Habitus produzieren, begrenzen und ermCglichen die „Grundlage der

Wahmehmung und Beurteilung" (Bourdieu, 1997:101). Der Habitus pragt so unsere

individuellen und kollektiven Praktiken und „gewahrleistet die aktive Prasenz fruherer

Erfahrungen" (Bourdieu, 1997:101). Im Habitus sind also vergangene Erfahrung, ver-

gangenes eigenes und kollektives Wissen eingebracht und lebt weiter. Bourdieu

spricht hier ahnlich wie Polanyi (1967) von einverleibten Erfahrungen (Bourdieu,

1997:135).

Fur den wirtschaftlichen Effekt, der mit dieser Ausgrenzung/Abgrenzung zu anderen

gesellschaftlichen Klassen verbunden war, pragte Bourdieu den Begriff „kulturelles

Kapital". Er umschrieb damit jenen materiellen Wert, der auf den kulturellen Status

einer sozialen Gruppe, u. a. akademische Titel, aristokratische Traditionen usw. zu-

ruckgefuhrt wird. Der wirtschaftliche Wert von kulturellem Kapital aus einem sozialen

Raum kann nicht nur zu materiellen Vorteilen in dem einen sozialen Raum fuhren in

dem die kulturellen Symbole vermittelt und produziert werden, sondem kann durch

den erleichterten Zutritt/oder den verweigerten Zugang materiellen Wert in anderen

sozialen Raumen bringen/verlieren. Der kulturelle Wert ist nach Bourdieu also nicht

nur ein sozialer Unterschied, den sich eine Klasse zuschreibt und aus dem heraus sie

ihre soziale Identitat gewinnt, sondem vor allem ein Effekt der Statuszuweisung

(Bourdieu, 1987:48). Den Begriff kulturelles Kapital verwendete er ursprunglich, um

das unterschiedliche Bildungsniveaus der verschiedenen Statusklassen in Frankreich

zu erklaren. Er argumentierte dabei, dass wohlhabende Familien in das kulturelle

Kapital ihrer Kinder investieren und dadurch die Karrieren ihrer Nachkommen

sichem. Er glaubte auch, dass Investitionen in kulturelles Kapital einen starken

generationeniibergreifenden Effekt auf den 5konomischen Erfolg von einzelnen

sozialen Gruppen bilden (Bourdieu, 1986).

Den Begriff Sozialkapital verwendete Bourdieu, um auf den Effekt der Reproduktion

sozialer Ungleichheit hinzuweisen. Dabei fand Bourdieu, dass die Dichte und die

87

Page 98: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Dauer von Beziehungen insofem ein wesentlicher Aspekt von Sozialkapital sind, da

die einzelnen Kontakte (die Anzahl und die QualitSt) innerhalb eines sozialen Raums

Zugang zu ganz bestimmten Ressourcen versprechen (Bourdieu, 1986:248). Er sprach

auch davon, dass der Wert der Beziehungen eines Individuums, bzw. der Bestand an

Sozialkapital, von der Anzahl der Kontakte abhangt, die mobilisiert werden konnen

(Bourdieu, 1986:249), um bestimmte wirtschaftliche Ziele zu erreichen. Bourdieu

fand, dass Okonomisches Kapital die Wurzel aller anderen Formen von Kapital sei

(Bourdieu, 1986:252) und untersuchte das Zusammenspiel zwischen kulturellem, oko-

nomischem und sozialem Kapital, indem er die Laufbahn der Mitglieder bestimmter

Berufsgruppen iiber mehrere Jahre hinweg ausftihrlich dokumentierte.

1.2.2. James Samuel Coleman

Der zweite Vertreter auf den sich ein groBer Teil der Sozialkapitalansatze bezieht, ist

der US-amerikanische Soziologe James S. Coleman. Coleman beschaftigte sich in

mehreren bildungssoziologischen Arbeiten mit der Frage, inwieweit der soziale Status

bzw. die soziale Herkunft Erfolg in der Schulausbildung erklSren kann. In seinen

Untersuchungen iiber die Leistung sozial schwacher Gruppen an US-amerikanischen

Schulen kam er zu dem Befund, dass soziales Kapital nicht nur positive Effekte in

wohlhabenden Klassen, sondem auch in sozial schwachen Klassen zeigt.

Coleman defmiert Sozialkapital als den wirtschaftlichen Effekt, der durch die in so­

zialen Beziehungen zur Verfugung stehenden bzw. zuganglichen Ressourcen entsteht.

Er geht dabei von der Uberlegung aus, dass Ressourcen urspriinglich im Besitz von

Individuen stehen, uber die „sie eine Kontrolle ausuben" (Coleman, 1991:389). In

Netzwerken in denen vertrauenswurdige soziale Beziehungen existieren, stehen diese

Ressourcen zur Nutzung bereit. Coleman geht davon aus, dass soziale Beziehungen

immer dann von rationalen Akteuren gekntipfl werden, wenn sie versuchen ihre ihnen

zur Verfugung stehenden Ressourcen einzusetzen. Mit dem Begriff Sozialkapital wird

so der Bestand an Ressourcen, der in Familien, Gruppen und/oder sozialen Organisa-

tionen der Gemeinschaft zur Verfugung steht, erklart. Diese Ressourcenausstattung

und dieser Zugang vergroBem die Handlungsoptionen der jeweiligen Mitglieder in

einem Netzwerk (Coleman, 1990:30). Coleman argumentiert ahnlich wie Bourdieu,

wenngleich mit der Ausnahme, dass Coleman immer von Ressourcen spricht und

Bourdieu den Begriff Ressource auch auf Symbole und kulturelle Unterschiede an-

wendet, well letzterer sieht, dass in verschiedenen sozialen Raumen Zugange und

Ausgrenzungen zu den verschiedenen Kapitalformen iiber kulturelle Unterschiede

88

Page 99: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

markiert und aufrechterhalten werden. Der Bestand an den in der Gemeinschaft vor-

handenen Ressourcen, so Coleman, fordert wiederum die Entwicklung des Human-

kapitals der Mitglieder (Coleman, 1991:389). Coleman unterstreicht dabei, dass die

Herrschafts- und Vertrauensbeziehungen Formen des sozialen Kapitals darstellen. Den

Nutzen der Verwendung des Begriffs Sozialkapital sieht Coleman darin, dass er be-

stimmte „Aspekte der Sozialstruktur tiber ihre Funktion identifiziert ...". Wobei

Coleman die Funktion, die der Begriff ,soziales Kapital' erfiillt, als Wert bezeichnet

"den diese Aspekte der Sozialstruktur fUr Akteure haben, und zwar in Gestalt von Res­

sourcen, die von den handelnden Akteuren dazu benutzt werden kSnnen, ihre Interes-

sen zu realisieren" (Coleman, 1991:395).

Mit Sozialkapital selbst sind bestimmte Verpflichtungen und Erwartungen verbunden.

Wenn beispielsweise eine Person A eine Leistung fiir die Person B erbringt und in B

das Vertrauen setzt, dass B in Zukunft eine Gegenleistung erbringt, so wird dadurch in

Person A eine Erwartung entwickelt und in B eine Verpflichtung (Coleman,

1991:396). Coleman spricht hier von einer Art „Gutschrift" die Person A besitzt. Hat

Person A viele Gutschriften einer gr56eren Anzahl von Personen, dann spricht

Coleman von sozialem Kapital, das zu einem spSteren Zeitpunkt zur Verfugung steht

(Coleman, 1991:397). Existiert eine grofie Anzahl von Gutschriften innerhalb eines

Netzwerkes sozialer Beziehungen so ist von einem grofien Vorrat an Sozialkapital zu

sprechen. Coleman verweist auf zwei Bedingungen, die ftir diesen Typus Sozialkapital

von Bedeutung sind. (1) Zum einen spielt das AusmaB an Vertrauenswiirdigkeit eine

Rolle und (2) zum anderen das AusmaB der tatsSchlich eingelosten Verpflichtungen

(Coleman, 1991:397). Insofem sind in Fallen, wo sich Individuen auf eine groBe An­

zahl von Verpflichtungen berufen konnen, ganz unabhangig, um welche Art von Ver­

pflichtungen es sich handelt, mit einem hohen Vorrat an Sozialkapital ausgestattet

(Coleman, 1991:399).

Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Sozialkapitaltheorien ist der, dass Coleman

die Entstehung von Sozialkapital vor dem Hintergrund der GrundprSmissen der Ratio­

nal Choice Theory erklart. Fiir Coleman (1990), der sich im Rahmen seiner Sozial-

theorie auch ausftihrlich mit dem Entstehen von Vertrauen beschSftigt, ist es wichtig,

dass soziales Kapital von einer Gruppe von Individuen als gemeinschaftlicher Ver-

mogenswert geschaffen wird und dass dieser gemeinschaftliche VermQgenswert, die

Lebensm5glichkeiten der Gruppenmitglieder verbessert.

89

Page 100: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Coleman (1990) sieht darUber hinaus Sozialkapital als Teil der sozialen Struktur einer

Gesellschafl, tiber die sich erst die Handlungsmoglichkeiten der Akteure konstituieren.

Er versteht Sozialkapital insofem als den Bestand tatsachlicher oder potenzieller

Ressourcen, die durch soziale Kontakte geschaffen werden. Sozialkapital ist demnach

das tatsSchliche (oder potenzielle) Ergebnis der Nutzung und der zur Verfugung

stehenden Ressourcen in einem Netzwerk von Kontakten (Coleman, 1990; hierzu auch

Burt, 1992; Bourdieu, 1983).

1.2.3, Robert Putnam

Die dritte zentrale Sozialkapitaltheorie auf die die Sozialkapitalliteratur zurtickgreift,

sind die Arbeiten des US-amerikanischen Politologen Robert Putnam, der seit dem Er-

scheinen seiner umfangreichen Studie „Bowling Alone" (Putnam, 2000), als der

wichtigste Vertreter der Sozialkapitaltheorie gilt. Wahrend, wie Field (2003) in einem

Kommentar herausstreicht, Coleman oder Bourdieu nur sehr begrenzt aufierhalb ihrer

eigenen Disziplin bekannt wurden, zeigt Putnams Arbeit weit uber den eigenen Fach-

bereich hinaus Wirkung.

Putnam beschaftigt sich in der genannten Arbeit mit den Ursachen und Folgen der von

ihm festgestellten Erosion des zivilen Engagements in den USA. Seine erste Arbeit,

die sich mit diesem Thema beschaftigte, war eine Studie tiber die politische Stabilitat

und den wirtschaftlichen Erfolg in Italien (Putnam, 1993). Den Begriff Sozialkapital

verwendete Putnam zum ersten Mai in seiner Studie tiber Italien und erklSrte damit

den wirtschaftlichen Unterschied zwischen den nSrdlichen und sudlichen Regionen

Italiens.

Putnam defmierte Sozialkapital in dieser Studie wie folgt: „Social capital here refers to

features of social organisations, such as trust, norms and networks, that can improve

the efficiency of society by facilitating coordination actions" (Putnam, 1993:167). Den

positiven Effekt von Sozialkapital in sozialen Gemeinschaften erklart Putnam dadurch,

dass die Kosten einer defektierenden Handlung durch wirksame Normen und reziproke

Bindungen fur die einzelnen Mitglieder einer sozialen Gemeinschaft sehr hoch sind.

Einen weitere positive Wirkung von Sozialkapital identifiziert Putnam durch die ver-

besserten Informationsfltisse in Netzwerken mit hohen SozialkapitalbestSnden, dabei

schliefit er Informationen tiber die Reputation einzelner Akteure mit ein (Putnam,

1993:173). Wahrend Coleman den Wert von Sozialkapital daran festmacht, dass ge-

genseitige Verpflichtungen in vertrauenswurdigen Gemeinschaften zur Ansammlung

von zuktinftig zu erwarteten Gegenleistungen fuhrt und durch die Einlosung von

90

Page 101: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

sozialen Gutschriften Wert erhalten, erklart Putnam den Effekt von sozialem Kapital

dadurch, dass kollektive Handlungen effizienter, d.h. mit geringeren Transaktionskos-

ten durchgeftihrt werden konnen. Diesen Effekt fuhrt er auf die Wirkung reziproker

Normen und die positive Wirkung der bereitgestellten Informationen tiber die VerlSss-

lichkeit und Kooperationsbereitschaft einzelner Mitglieder zuruck. In seiner umfang-

reichen empirischen Studie uber den Zustand des freiwilligen zivilen Engagements in

den USA greift er das Bov^ling-Spiel als Metapher heraus, um zu zeigen, in v^elchem

AusmaB verschiedene Formen der Solidaritat seit den 1940er Jahren zuruckgegangen

sind. Damit greift er ein altes aber wichtiges Argument in der Sozialkapitaltheorie auf

Bereits 1916 zeigte Hanifan an Studien kommunaler Entwicklungspolitik, auf den sich

auch Putnam beruft, wie wichtig soziales Kapital fur die produktive Entwicklung von

Gesellschaften sein kann (Hanifan, 1916:130ff). Hanifan streicht den privaten und

effentlichen Nutzen von Sozialkapital heraus: "Die ganze Gemeinschaft wird von der

Zusammenarbeit ihrer Teile profitieren, und der Einzelne wird infolge seiner Ver-

bindungen Vorteile wie Hilfeleistungen, Mitgefuhl und den Gemeinschaftsgeist seiner

Nachbam erfahren" (Hanifan, 1916:130). In weiterer Folge hat schliefilich Jacobs

(1961) den Begriff soziales Kapital verwendet, um ganz allgemein den materiellen

Wert nachbarschaftlicher Beziehungen zu bezeichnen. Daran anschlieBend hat Loury

(1987) wie Bourdieu (Bourdieu und Steinriicke, 1992) soziales Kapital mit der Dis-

kriminierung bzw. Beft)rderung individueller Karrieren verkniipft. Bourdieu versteht -

wie erwahnt - soziales Kapital einmal als symbolisches und dann wieder als kul-

turelles Kapital, das dazu dient, einer privilegierten Gruppe gegeniiber anderen

sozialen Gruppen Ressourcen zu sichem. ^

1.2.4. Zur gegenwdrtigen Sozialkapitaltheorie

Insgesamt teilen alle drei Vertreter die jeweils fiir eine HauptstrOmung in der Sozial-

kapitalliteratur stehen, die Auffassung, dass soziales Kapital einen materiellen und im-

"Das ekonomische Kapital ist unmittelbar und direkt in Geld konvertierbar und eignet sich besonders zur Institutionalisierung in der Form des Eigentumsrechts; das kulturelle Kapital ist unter bestimmten Voraussetzungen in Skonomisches Kapital konvertierbar und eignet sich besonders zur Institutio­nalisierung in Form von schulischen Titeln; das soziale Kapital, das Kapital an sozialen Verpflich-tungen oder 'Beziehungen', ist unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls in Skonomisches Kapital konvertierbar und eignet sich besonders zur Institutionalisierung in Form von Adelstiteln" (Bourdieu und Steinriicke, 1992:49).

91

Page 102: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

materiellen Wert darstellt, der sich in besseren Entwicklungschancen der Mitglieder

einer Gemeinschaft mit sozialem Kapital niederschlagt. Dieser Aspekt wird auch von

einer Reihe von anderen Vertretem der Literatur herausgestrichen. Z.B. der nieder-

landische Soziologe Flap (1991 und 1994) zeigt wie Coleman (1990), dass Sozial-

kapital Ressourcen mobilisiert. Die tatsachliche Fahigkeit Ressourcen zu mobilisieren

wird von Flap mit drei elementaren Bestandteilen von Sozialkapital erklSrt. Bin Ele­

ment ist die Anzahl der Personen, die miteinander in Beziehung stehen und die die

Bereitschaft haben, sich gegenseitig behilflich zu sein. Ein zweites Element ist die

Starke bzw. Tragfahigkeit dieser Beziehungen und Bereitschaft diese gegenseitige

Hilfe dauerhaft zu gewahren. Oder anders formuliert, in welchem AusmaB die be-

stehende Gegenseitigkeit als verlasslich gelten kann. Und das dritte Element sind die

jeweiligen Ressourcen der Personen, die in das bestehende Netzwerk von Beziehungen

eingebracht werden. Auf diesen Aspekt greifen auch Adler und Kwon (1998) zuriick.

Sie fmden in ihrer zusammenfassenden Darstellung verschiedener Arbeiten zum

Thema Sozialkapital zu folgender Definition, die diesen Aspekt der Bereitschaft einer

Gegenseitigkeit herausheben: "Social capital is the goodwill available to individuals or

groups. Its source lies in the structure and content of the actor's social relations. Its

effects flow from the information, influence, and solidarity it makes available to the

actor" (Adler und Kwon, 1998:93).

Sehr viel starker auf die strukturellen Aspekte von Sozialkapital setzt die Netzwerk-

analyse, die mit einer Reihe von empirischen Arbeiten sich mit dem Thema be-

schaftigt. Vor allem der in Chicago lehrende Soziologe Ron Burt (1982) beschaftigt

sich schon seit geraumer Zeit mit den wirtschaftlichen Effekten von Sozialkontakten.

Burt (1982 und 1992) - dessen Sozialkapitaltheorie noch ausfiihrlicher erortert wird -

betont in seinem VerstSndnis von Sozialkapital, dass die Struktur der Beziehungen in

einem Netzwerk personlicher Kontakte unterschiedliche Vorteile produziert, abhangig

von der jeweiligen Position eines Akteurs. Diesen strukturellen Aspekt von Sozial­

kapital macht Nan Lin zum zentralen Ausgangspunkt seiner im Kontext der Netz-

werktheorie stehenden Ausarbeitung einer Sozialkapitaltheorie, die weiter unten, er-

iSutert wird.

Bei der Beschaftigung mit dem Thema Sozialkapital ist es inzwischen eher ein Pro­

blem, dass das Thema und der Begriff Sozialkapital in Mode gekommen ist. Er wird in

den meisten Arbeiten sehr vage gebraucht und eine Differenzierung zwischen Quelle

und Wirkung von Sozialkapital findet sich eher selten. Grundsatzlich sehe ich es posi-

tiv, dass eine FuUe von Arbeiten existiert, die sich mit dem Thema Sozialkapital aus-

92

Page 103: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

einandersetzen. Aber schon alleine ein sehr knapper Uberblick tiber die zur Zeit ge-

laufigsten Sozialkapitaldefinitionen zeigt die zunehmende Unscharfe im Gebrauch.

Offensichtlich wird der Terminus Sozialkapital nicht wie bei Bourdieu als Teil einer

komplexeren Handlungs- und Gesellschaftstheorie verwendet, sondem vorwiegend um

wirtschaftliche Entwicklungseffekte einzelner Gruppen oder Akteure zu erklaren.

Die folgende Tabelle bietet einen Uberblick iiber die inzwischen in verschiedenen

Arbeiten verwendeten Definitionen. Die Tabelle wurde von Adler und Kwon (1998)

entnommen und mit zusatzlichen Definitionen aus der Literatur erganzt. In alien hier

herausgegriffenen Sozialkapitaldefinitionen ist der Begriff Ressource zentral. Zusatz-

lich findet sich immer der Verweis auf die Bedeutung informeller Eigenschaften wie

Vertrauen, Normen und Werte, um den Zugang zu den genannten Ressourcen, die uber

soziales Kapital bereitgestellt werden, zu regeln. Die Regelung selbst erfolgt hierbei

uber Zugang oder Ausgrenzung.

Tabelle 3 Ein Ausschnitt und Uberblick Uber Sozialkapitaldefinitionen

Autoren Definition Baker „a resource that actors derive from specific social structures and then use to

pursue their interests; it is created by changes in relationships among actors" (1990:619).

Belliveau, „an individual's personal network and elite institutions affiliations" O'ReillyAVade (1996:1572) Bourdieu „the aggregate of the actual and the potential resources which are linked to

possession of a durable network of more or less institutionalized relationship of mutual acquaintance or recognition" „made up of social obligations (connections), which is convertible, in certain conditions into economic capital and may be institutionalized in the form of a title of nobility" (1986:243).

Boxman et al. „the number of people who can be expected to provide support and the resources those people have at their disposal" (1991:119)

Burt „friends, colleagues, and more general contacts through whom you receive opportunities to use your financial and human capital" (1992:52). „the brokerage opportunities in a network" (1997:355)

Coleman „Social capital is defined by its function. It is not a single entity, but a variety of different entities having two characteristics in common: They all consist of some aspect of social structure, and they facilitate certain actions of individuals who are within the structure. Like other forms of capital, social capital is productive, making possible the achievement of certain ends that would not be attainable in its absence" (1990:302)

Portes „the ability of actors to secure benefits by virtue of membership in social net­works or other social structures" (1998:6)

Brehm/Rahn „the web of cooperative relationships between cititizens that facilitate re­solution of collective action problems" (1997:999)

Fukuyama „the ability of people to work together for common purposes in groups and organizations" (1995:10). "Social capital can be defined simply as the existence of a certain set of in­formal values or norms shared among members of a group that permit cooperation among them" (1997)

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Page 104: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Inglehart „a culture of trust and tolerance, in which extensive networks of voluntary associations emerge" (1997:188)

Thomas „those voluntary means and processes developed within civil society which promote development fort he collective whole" (1996:111)

Fortes/ „those expectations for action within a collectivity that affect the economic Sensenbrenner goals and goal-seeking behavior of its members, even if these expectations are

not oriented toward the economic sphere" (2001:1323) Putnam „features of social organizations such as networks, norms, and social trust that

facilitate coordination and cooperation for mutual benefit" (1995:67). "Whereas physical capital refers to physical objects and human capital refers to the properties of individuals, social capital refers to connections among individuals - social networks and the norms of reciprocity and trustworthiness that arise from them. In that sense social capital is closely related to what some have called "civic virtue." The difference is that "social capital" calls attention to the fact that civic virtue is most powerful when embedded in a sense network of reciprocal social relations. A society of many virtuous but isolated individuals is not necessarily rich in social capital." (2000: 19)

Loury „naturally occurring social relationships among persons which promote or assist the acquisition of skills and traits valued in the marketplace ... an asset which may be as significant as financial bequests in accounting for the maintenance of inequality in our society" (1992:100)

Nahapiet/ „the sum of the actual and potential resources embedded within, available Ghoshal through, and derived from the network of relationships possessed by an indi­

vidual or social unit. Social capital thus comprises both the network and the assets that may be mobilized through that network" (1998:243)

Schiff „the set of elements of the social structure that affects relations among people and are inputs or arguments of the production and/or utility function" (1992:160)

Woolcock „the information, trust, and norms of reciprocity inhering in one's social net­works" (1998:153).

Adler/Kwon "Social capital is the goodwill available to individuals or groups. Its source lies in the structure and content of the actor's social relations. Its effects flow from the information, influence, and solidarity it makes available to the actor" (1998:93).

1.2.5. Die Sozialkapitaltheorie von Nahapiet und Ghoshal

In einen breiteren Zusammenhang mit der Wissensproduktion in Untemehmen stellen

Nahapiet und Ghoshal ihr Verstandnis von Sozialkapital, das als Voraussetzung ge-

nommen wird, wie sie es nennen, um intellektuelles Kapital in einem Untemehmen zu

nutzen und aufzubauen. Produktion und Nutzung von Wissen skizzieren sie als einen

komplexen reflexiven Prozess, der von drei zentralen Dimensionen bestimmt ist. Sie

unterscheiden in ihrer konzeptionellen Erklarung der Wirkung von Sozialkapital auf

die Bildung von intellektuellem Kapital drei zentrale Gruppen von Einflussfaktoren.

(1) Einmal differenzieren sie, ganz in der Tradition der Netzwerkanalyse stehend die

eigentliche Struktur der Beziehungen. (2) Zweitens unterscheiden sie kognitive

Dimensionen, vor allem eine gemeinsame Sprache (Zeichen, Symbole) damit die in

diese Struktur eingebetteten Akteure sich auch tatsachlich verstandigen kOnnen.

SchlieBlich kategorisieren sie (3) die Beziehungen zwischen diesen Dimensionen

94

Page 105: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

selbst als eigenen Einflussfaktor und nennen diesen die relationalen Dimensionen von

Sozialkapital.

Die strukturellen Eigenschaften von Sozialkapital thematisieren sie im Riickgriff auf

die besprochene Literatur als Netzwerkstmktur. Sie bestimmen die strukturellen

Eigenschaften von Sozialkapital weitgehend uber die Anzahl der Bindungen, der Kon-

figuration des Netzwerkes, also des Strukturmusters und uber die Eigenschaften, die

Zugriff und Aneignung, ebenso Diffiision und Kombination von intangiblen Res-

sourcen erm5glichen. Als kognitive Dimension von Sozialkapital erfassen sie die exis-

tierenden Symbole, Kodes und die gemeinsame Sprache. Kognitive Eigenschaften von

Beziehungen sind fiir die beiden Autoren deshalb so wichtig, well sie sehen, dass Uber

die Verwendung von Symbolen, Werten und verbalen und non-verbalen Artefakten in

Organisationen Bedeutung konstituiert wird. Sie nehmen dabei jedoch keinen Bezug

zu Bourdieu (1997 und 1998) der diese Aspekte im Detail als zentrale Elemente seiner

Theorie des Handelns erklart und damit die Funktion und Bedeutung von Sozialkapital

festmacht. Wichtig sind diese kognitiven Elemente ftir Nahapiet und Ghoshal deshalb,

weil uber gemeinsame Kodes und Kodifizierungen, also durch den Gebrauch einer

gemeinsamen Sprache Sinn gestiftet wird, der fur die Diffusion von Wissen uner-

lasslich ist. Sie verstehen deshalb Narrationen in Organisationen als ein Element,

wenngleich nicht das ausschlieBliche, um Sinn in Organisationen zu stiften. Kognitive

Dimensionen nehmen die Funktion der Sinnstiftung und der - wie Nahapiet und

Ghoshal (1998:133) es nennen - Antizipation von gemeinsamen Werten ein. Als

relationale Dimensionen von Sozialkapital verstehen Nahapiet und Ghoshal Vertrauen,

Normen, Verpflichtungen und Identifikation.

Alle drei Dimensionen nehmen Einfluss auf die FShigkeit einer Organisation, intel-

lektuelles Kapital zu produzieren und auszutauschen. Intellektuelles Kapital defmieren

Nahapiet und Ghoshal in diesem Zusammenhang folgendermaBen: „The term

,intellectual capital' [...] refers to the knowledge and knowing capability of a social

collectivity, such as an organization, intellectual community, or professional practice.

[...] Intellectual capital thus represents a valuable resource and a capability for action

based in knowledge and knowing" (Nahapiet und Ghoshal, 1998:124).

95

Page 106: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Abbildung 12: Konzept Sozialkapital (Nahapiet und Ghoshal, 1998)

I s

Sozialkapital

A. Strukturelle Netzwerkbeziehungen Netzwerkkonfiguration Aneignung

B. Kognitive gemeinsame Kodes gemeinsame Sprache Sinnstiftung und Identitat

C. Relationalitat Vertrauen Normen Verpflichtungen Identifikation

Austausch/Kom bination von Wissensformen

Zugang der Akteure zu gemeinsamen Ressourcen

Fahigkeit Wissen auszutauschen

Kombination und Austauscl von Wissen

Motivation Wissen auszutauschen und

zu kombinieren

Fahigkeit Wissen zu kombinieren

Quelle: Nahapiet/Ghoshal, 1998

Entstehung von neuem Intellektuellen Kapital

Beide Autoren verweisen in ihrem Konzept auf das dialektische Zusammenspiel der

drei Dimensionen. Die Pfeile zeigen hier in der Abbildung die kausale Wirkung aus-

gehend von den einzelnen Dimensionen auf konkrete organisational Eigenschaften.

Die drei Dimensionen nehmen jeweils in einem unterschiedlichen AusmaB Einfluss

auf die Prozesse/Fahigkeiten mit denen - in unserer Lesart - jene organisationalen

Fahigkeiten entstehen, die zur Produktion und fiir den Austausch und die Kombination

neuer Wissensformen zentrale Problemfelder darstellen.

Wie in der Abbildung 12 illustriert, wirken die strukturellen Dimensionen des Sozial-

kapitals auf die Faktoren Zugang, Zusammenfuhrung und Austausch von Wissen. Die

Struktur von Netzv^erkbeziehungen wirkt zudem auf den Faktor Antizipation von

Wissenswert. Die kognitiven Dimensionen bilden die Voraussetzung um verschiedene

Wissensformen zusammenzufuhren; kognitive Eigenschaften erleichtem den Zugang

zu Wissensformen und die Antizipation von Wissensv^ert, wenn Akteure eine gemein­

same Sprache sprechen und sich mit der Organisation identifizieren. Die relationalen

Dimensionen von Sozialkapital nehmen Einfluss auf die Eigenschaften Motivation,

Antizipation und Zugang zu Ressourcen. Vertrauen verbessert den Zugang zu vor-

96

Page 107: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

handenen Wissensressourcen, erleichtert den Austausch und die Kombination von

Wissen, vermehrt die Motivation unter den Akteuren dieses Wissen auszutauschen und

erhoht die FShigkeit der Organisation, Wissen zu kombinieren. Wie dargestellt wirken

die vier Merkmale Zugang, Antizipation, Motivation und organisational Fahigkeit auf

die Bildung von neuen Wissensformen positiv. Neues Wissen nimmt wiederum re-

kursiv Einfluss auf die Bildung der Dimensionen von Sozialkapital. Nahapiet und

Ghoshal argumentieren, dass eine starke Auspragung der relationalen und kognitiven

Dimensionen sich auf die Effektivitat der Netzwerkstruktur auswirkt. Die beiden

Faktoren verweisen zudem auf die Bedeutung von face-to-face Kommunikation in der

Ubertragung von Wissen (Nahapiet und Ghoshal, 1998:133). In der Abbildung ist Je­

wells die Wirkung der einzelnen Dimensionen durch die Pfeilrichtung angezeigt. Die

strukturelle Dimension des Faktors Sozialkapital verweist auf eine fundamental Pro­

position der Netzwerktheorie, namlich dass Netzwerkbeziehungen Zugang zu Res-

sourcen ermoglichen. Eine Sozialkapitaltheorie, die sich speziell mit dieser Facette

und mit dieser Wirkung von Sozialkapital auseinandersetzt, ist das Modell von Nan

Lin (2001), das im Folgenden diskutiert werden soil.

1.2.6, Nan Lin's Sozialkapitaltheorie

Neben Burt (1982, 1992) ist Lin (2001) ein Vertreter der Sozialkapitaltheorie, der den

kausalen Zusammenhang zwischen der Position eines Akteurs und den daraus resul-

tierenden Handlungsergebnissen aufgrund des Zugriffs zu Ressourcen anderer Netz-

werkkontakte in sein theoretisches Modell iiber den Zugang von Sozialkapital ein-

bringt. Dabei stellt er die Frage, welchen Einfluss die soziale Struktur auf die Ver-

wertung der zur Verftigung stehenden Ressourcen nimmt ins Zentrum seiner Uber-

legungen.

Ganz im Sinne der Netzwerktheorie defmiert Lin die soziale Struktur als "set of social

units (positions) that possess differential amounts of one or more types of valued

resources" (Lin, 2001:33). Dieses Set - hier verstanden als Menge von Kontakten einer

begrenzten sozialen Einheit besteht aus Akteuren, die in jeweils unterschiedlichen

hierarchischen Positionen zueinander stehen und ihre personlichen materiellen und

immateriellen Ressourcen in diese Menge von Beziehungen einbringen. Ein Ergebnis

der unterschiedlichen Position der Akteure in dieser Menge von Kontakten ist, dass

durch die in der Struktur der Beziehungen angelegte Hierarchic der einzelnen Kon-

takte es zu einem unterschiedlichen Zugang und einer unterschiedlichen Kontrolle

iiber vorhandene Ressourcen bzw. zur Verftigung gestellte Ressourcen in einem so-

97

Page 108: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

zialen Netzwerk kommt. Die iiber die bloBen Kontakte hinausgehenden Normen und

Werte versteht Lin als Elemente, durch die gemeinsame Regeln fur die Verwendung

von Ressourcen fUr die Mitglieder festgelegt werden. Lin versteht in seiner Theorie

Embeddedness insofem, als auch dann, wenn die Akteure ihre Position in der Hierar-

chie selbst andem, die mit der Position verbundenen Ressourcen an die Position fixiert

sind. Vor aliem deshalb erklSrt Lin den Bestand und Zugang zu Ressourcen mit der

existierenden hierarchischen Struktur in Netzwerken. Die Hierarchic begreift er im

Extremfall als eine Pyramide, in der nach oben hin die Menge der Kontakte abnimmt,

aber diese kleinere Menge an Kontakten immer wertvoUere Ressourcen und/oder

Positionen mit den jeweiligen Ressourcen (z. B. Macht, Wohlstand, Reputation) dar-

stellen. Der Austausch von bzw. der Zugang zu Ressourcen erfolgt immer iiber zwei

interagierende Positionen in der Hierarchic. Dabei unterscheidet Lin (2001:38)

zwischen homophilen (mit gleichen Ressourcen ausgestatteten) und heterophilen (mit

unterschiedlichen Ressourcen ausgestatteten) Positionen. Redundanz im Sinne von

Burt ist also nur zu homophilen Mengen von Kontakten mOglich. Zwischen homo­

philen Positionen werden eher gleiche Ressourcen ausgetauscht bzw. wird der Zugang

zu gleichen Ressourcen mOglich. In der Beziehung zwischen heterophilen Positionen

werden unterschiedliche bzw. "«ewe" Ressourcen ausgetauscht.

Mit diesen Uberlegungen differenziert Lin (2001:42) zwischen pers5nlichen und sozi-

alen Ressourcen. Personliche Ressourcen sind solche die tatsSchlich zum Besitz ein-

zelner Positionen gehoren und in das Eigentum der Personen ubergehen und unab-

hangig von anderen Akteuren verwendet werden kOnnen. Soziale Ressourcen sind

hingegen jene, die einzelne Akteure nur gemeinsam, d.h. in AbhSngigkeit von anderen

Akteuren konsumieren oder nutzen konnen. Die Nutzung und/oder Aneignung der

materiellen oder immateriellen Gewinne aus den sozialen Kontakten ist nicht per-

sonenbezogen, sondem kommt der Gemeinschaft zu gute. Kurz: der Konsum des

Nutzens der Menge der sozialen Kontakte in einem Netzwerk ist nicht-rivalisierend

und der Charakter der Leistung ist Qffentlich. Lin leitet hiervon zwei Handlungsmotive

her. Er bezeichnet das Streben (= Interesse) eines Akteurs eine bestehende Res-

sourcenausstattung zu erhalten und seine jeweilige Position in einer sozialen Einheit

zu befestigen als ein expressives Handlungsmotiv (Lin, 2001:48). Hingegen sind

Interessen als instrumentelle Handlungsmotive zu defmieren, wenn die Handlungen

des Akteurs darauf ausgerichtet sind, eine bestehende Position in einer gegebenen

Menge von sozialen Kontakten zu verbessem (Lin, 2001:48). Werden diese Annahmen

und Uberlegungen in einer Matrix zusammengefasst, so ergeben sich die folgenden

98

Page 109: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Interaktionsformen zwischen Akteuren in einem Netzwerk von Beziehungen. Mit

diesen Annahmen entwirft Lin (2001:56) eine Sozialkapitaltheorie, die darauf Rtick-

sicht nimmt, dass einerseits die Handlungen der Akteure in die soziale Struktur einge-

bettet sind und andererseits sie uber ihre Handlungen selbst die Ressourcenausstattung

der Sozialstruktur verandem. Man konnte somit davon sprechen, dass die Handlungen

der Akteure die Struktur des Netzwerkes strukturieren und die Struktur des Netz-

werkes die Handlungen der Akteure strukturiert.

Tabelle 4 Handlungsmotive und Ressourcenausstattung

Handlungmotivation

Erhaltung der bestehenden Ressourcen (expressiv)

Verbesserung/Ausweitung bestehender Ressourcen (instrumentell)

Ressourcen der interagierenden Partner

Gleiche Ressourcenausstattung unterschiedliche Ressourcen-Homophilitat

geringe Anstrengung/hoher Ertrag

ausstattung Heterophilitat hohe Anstrengung/geringer Ertrag

geringe Anstrengung/geringer hohe Anstrengung/hoher Ertrag Ertrag

Quelle: Lin, 2001:48

Die grundsatzliche theoretische Uberlegung von Lin ist die: Akteure greifen, damit sie

ihre Ressourcenausstattung erhalten (= expressive Motivation) oder verbessem

(= instrumentelle Motivation) auf intermediSre Positionen zu, d.h. sie nutzen die Kon-

takte zu anderen Akteuren im sozialen Netzwerk. Dabei unterstellt Lin, dass der Erfolg

von Handlungen einzelner Akteure positiv mit dem Sozialkapitalstand in Zusammen-

hang steht (Lin, 2001:60). Die verschiedenen Wirkungen von Sozialkapital werden

von Lin (2001:60) in seiner Sozialkapitaltheorie anhand von sechs Propositionen er-

ortert, die im Folgenden dargestellt werden.

99

Page 110: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Abbildung 13: Der relative Effekt von Sozialkapital (Nan Lin, 2001)

hoch

o

I S

el: ego 1 al: Alter 1 e2: ego 2 a2: Alter 2

gering Quelle: Lin, 2001:61

Die Proposition (1) erklSrt, wie sich Vorteile, aus einer konkreten strukturellen

Position ftir einen Akteur in einem sozialen Netzwerk ergeben. In der Abbildung 13 ist

dieser Effekt illustriert. Argumentiert wird folgendermafien: Da ai in der Hierarchie

die hohere Position einnimmt und den Annahmen von Lin entsprechend eine groBere

Ressourcenausstattung hat, ist der Ertrag der Beziehung fur den Akteur ei gr613er als

der von Akteur e2. Die Beziehung von e2 zu a2 bietet im Vergleich zur Beziehung von

ei zu ai also einen geringeren Ressourcenertrag.

Lin (2001:63) argumentiert nun, dass die Hohe des Sozialkapitals von drei weiteren

Eigenschaften der Positionen in einem Netzwerk bestimmt wird. Einmal geht er davon

aus, dass jeweils der Rang des Kontaktes in der Hierarchie den Ertrag beeinflusst. Je

hoher ein Kontakt in der Hierarchie, umso besser seine Ressourcenausstattung, so die

Annahme. Der ranghochste Kontakt, der fiir einen Akteur zugSnglich ist, wird von Lin

als "upper reachability" bezeichnet. Der Wert einer Beziehung wird durch die "am

hochsten positionierten Kontakte", die von einem Akteur erreichbar sind, bestimmt.

100

Page 111: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Abbildung 14: MessgroBen von Sozialkapital (Nan Lin, 2001)

hoch

I

I s is

upper reachability

HeterogenitSt

Anzahl der Positionen Extensity

gerrng Quelle: Lin, 2001:62

Waiters argumentiert Lin, dass das AusmaB an HeterogenitSt der existierenden Kon-

takte die Hohe des Ertrages von Beziehungen im Netzwerk beeinflusst. Angenommen

wird dabei, dass das AusmaB an Heterogenitat positiv auf den Ertrag wirkt, weil in

einem Netzwerk der Wert der zuganglichen Ressourcen durch die Unterschiedlichkeit

der Kontakte und damit die Unterschiedlichkeit der Ressourcenausstattung, die einem

Akteur zur Verfiigung steht, vergrOBert wird. Lin nennt das den Effekt von Hetero­

genitat.

Drittens nimmt Lin an, dass die Anzahl der potenziellen Kontakte/Positionen, die

einem Akteur zur Verfugung stehen, den Ertrag von Netzwerkbeziehungen beein-

flussen. Lin nennt diesen Faktor auch Extensity und nimmt an, dass mit steigender An­

zahl zur Verfugung stehender Kontakte in einem Netzwerk der Bestand an Sozial­

kapital positiv beeinflusst wird. Mit diesen Uberlegungen werden von Lin weitere Pro-

positionen gebildet. Neben den drei genannten Faktoren nimmt nun Lin an, dass nicht

nur Eigenschaften der Struktur der Beziehungen, sondem auch die Eigenschaften der

Beziehungen zwischen einzelnen Akteuren auf den Ertrag der Bindungen einen

wesentlichen Einfluss nehmen. Dabei sieht er ganz generell vier Faktoren als wesent-

lich an: Die Starke der Position, die Starke der Bindung, die Starke schwacher Bin-

101

Page 112: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

dungen und die Lokalisierung der Akteure. Alle vier Faktoren beschreiben strukturelle

Vorteile bezogen auf die jeweilige Position und auf die jeweilige Starke der Beziehung

eines Akteurs.

Abbildung 15: Relativer Vorteil der Position (Nan Lin, 2001)

hoch

I e

el : ego 1 a l : Alter 1 e2:ego 2 a2: Alter 2

germg Quelle: Lin, 2001:64

Die (3) Proposition in Lin's Sozialkapitaltheorie erklSrt den Einfluss der StSrke einer

Position {^'strength of position''). Lin nimmt an, dass der Akteur (el), der relativ zu

einem anderen Akteur (e2) eine bessere Position in der Hierarchie einnehmen, mit

groBer Wahrscheinlichkeit zu wertvolleren Ressourcen Zugang haben und daher iiber

mehr Sozialkapital verfugen kann. Dabei geht er von der Uberlegung aus, dass die

Ndhe zu einem in der Hierarchie hShergestellten Kontakt einen positiven Einfluss aus-

iibt (= Lokalisierungsvorteil). Die Zusammenhange sind in Abbildung 15 illustriert.

Hier ist zu sehen, dass Kontakt e2 der innerhalb der Hierarchie eine rangtiefere

Position einnimmt, der Annahme von Lin entsprechend zu Kontakt a2 und nicht zu

Kontakt ai eine Beziehung herstellt.

Proposition (4) von Lin lautet: "The Strength-of-tie" (Lin, 2001:64). Hier nimmt Lin

einen positiven Effekt der StMrke einer Bindung auf den Ertrag an. Seine These hierzu

lautet: "the stronger the tie, the more likely that the social capital accessed will

102

Page 113: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

positively affect the success of expressive action" (Lin, 2001:65). Begriindet wird die

These mit der Annahme der Homophilitat. Dabei wird angenommen, dass starke

Bindungen zu eher gleichen Akteuren gekntipft werden. Je starker die Bindung also,

umso eher die Wahrscheinlichkeit, dass Zugang zu einer Shnlichen oder gleichen

Ressourcenausstattung gewonnen wird. Daher also die Annahme von Lin, dass auch

der Ressourcenbestand in Zuge solcher starken Beziehungen erhalten bleibt (ex-

pressives Handeln). Starke Bindungen sind durch eine hohe Frequenz, einen hohen

Grad an Vertrauenswiirdigkeit und durch ein hohes MaB an gegenseitigen Ver-

pflichtungen (Reziprozitat) gekennzeichnet.

Lin unterstreicht in diesem Zusammenhang: "stronger ties based on sentiment, trust,

and sharing resources and lifestyles support the maintanence and reinforcement of

existing resources" (Lin, 2001:66).

Proposition (5) in Lin's Theorie, steht in Verbindung zur Wirkung schwacher Bin­

dungen zwischen Akteuren, die er "The Strength-of-Weak-Tie" nennt. Seine These

hierzu: "The weaker the tie, the more likely ego will have access to better soical

capital for instrumental action" (Lin, 2001:67); also je schwacher die Bindung, umso

groBer der instrumentelle Effekt, d.h. dass durch schwache Beziehungen bestehende

Ressourcenbestande erweitert werden. Schwache Bindungen werden hier als

"Briicken" zwischen verschiedenen heterogenen Gruppen mit jeweils eigener Res­

sourcenausstattung interpretiert. Woolcock (1998) nennt diese Form des Sozialkapitals

auch bridging social capital. Das Kennzeichen schwacher Bindungen ist die geringe

Frequenz; Beziehungen werden nur gelegentlich geknupft. Schwache Bindungen

weisen sich eher durch einen geringeren Grad an sozialen Verpflichtungen aus und

einen geringeren Grad an Reziprozitat. Weil weak ties Ressourcen zu heterogenen

Gruppen erschliefien, also bestehende Ausstattungen erweitem, hat Granovetter (1973)

auch von der Starke schwacher Beziehungen {strength of weak ties) gesprochen.

Mit Proposition (6) erklart Lin (2001:71) den positiven Effekt von Positionen ein-

zelner Akteure, die sich in der Nahe eines intermediaren Akteurs in einem Netzwerk

befmden. Diese intermediaren Knoten werden - ich komme darauf welter unten noch

zu sprechen - auch Briicken genannt. Je naher ein Akteur zu einer Brucke lokalisiert

ist, deshalb auch die Bezeichnung "the-strength-of-localisation" (2001:72), umso

groBer der positive instrumentelle Effekt im Zugang zu und in der Verwertung von

Ressourcen anderer Positionen. Befmdet sich also ein Akteur in der Nahe einer

BrUcke, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestehender Ressourcenvorrat erweitert

103

Page 114: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

wird, groBer, als in jenen Fallen, in denen sich Akteure weit (d. h. viele Kontakte von

einer Brticke) entfemt befinden (dieser Effekt ist in der Abbildung 16 illustriert).

Lins These in diesem Zusammenhang: "The closer individuals are to a bridge in a net­

work, the better social capital they will access for instrumental action" (Lin, 2001:69).

Lin argumentiert, dass ein Kontakt, der sich jeweils in der Nahe der intermedidren

Kontakte befmdet mit grofierer Wahrscheinlichkeit als weiter entfemte Kontakte die

eigene Ressourcenausstattung vergrSBem kann (In unserem Beispiel sind dies die

Kontakte C und D, die sich in der NMhe des Kontaktes YOU befinden, der eine Briicke

zu den heterogenen Kontakten A und B einnimmt).

Abbildung 16: Vorteile der Nahe zu stmkturellen BrOcken in Netzwerken (Nan Lin, 2001)

hoch

u u

gering Quelle: Lin, 2001:72

Lin fasst nun seine Uberlegungen in ein Modell tiber die Entstehung von Sozialkapital

zusammen. Dabei nimmt er an, dass die drei Faktoren, die strukturelle Position in

einem hierarchischen Netzwerk, die Lokalisation in einer Struktur und die instrumen-

tellen oder expressiven Handlungsmotive Zusammensetzung und Hohe des Sozial-

kapitals bestimmen. In seinem Modell gelingt es ihm, relativ einfache und auch em-

pirisch greifbare Zusammenhange in eine Theorie des Sozialkapitals zu integrieren.

104

Page 115: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Die konkreten Zusammenhange der einzelnen Faktoren sind in der folgenden Ab-

bildung nachgezeichnet. Dabei ist zu sehen, dass die strukturelle Position sowohl einen

direkten Effekt auf die Produktion von Sozialkapital ausUbt, als auch einen indirekten

Effekt iiber die Lokalisierung der Akteure in einer konkreten Netzwerkstruktur. Die

(instrumentellen und expressiven) Handlungsmotive zeigen in Lin's Modell ebenfails

einen indirekten Effekt auf die Bildung von Sozialkapital.

Uber die Faktoren strukturelle Position, Netzwerk-Lokalisierung und Handlungsab-

sichten, werden je nach AusprSgung der upper reachability, der Heterogenitat und der

Extensitdt in einem konkreten Netzwerk der Bestand an Sozialkapital beeinflusst, der

wiederum den Ertrag des Sozialkapitals (Einfluss/Macht, Reputation und Wohlstand)

bestimmt.

Abbildung 17: Die Sozialkapitaltheorie von Lin (Nan Lin, 2001)

Structural Position hierarchy

Network Location tie strength and bridging

SOCL\L CAPITAL — upper reachability, heterogeneity,

and extensity of embedded resources

-• Return Wealth, Power,

Reputation

Purpose of Action instrumental/expressive

Quelle: Lin, 2001:76

1.3. Arbeitsdefinition von Sozialkapital

Soziales Kapital ist eine Ressource, die in die soziale Struktur von Beziehungen einge-

bettet ist und Mitgliedem der begrenzten Menge von Kontakten in dem Netzwerk fUr

ihre Handlungsinteressen zur Verfagung steht. Der Wert besteht darin, dass einzelne

Mitglieder mit Sozialkapital Interessen realisieren k5nnen, die sie ohne Zugriff und

Nutzung auf die bereitgestellten Ressourcen im Netz von sozialen Beziehungen nicht

umsetzen konnten. Eine solche Sichtweise hat drei Vorteile: (1) nimmt sie Rticksicht

darauf, dass Ressourcen in einem Netzwerk von Beziehungen wesentliche Bestandteile

von Sozialkapital sind. (2) Wird dadurch unterstrichen, dass die jeweiligen Ressourcen

105

Page 116: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

in die Struktur der Beziehungen eingebettet sind. (3) Wird hervorgehoben, dass die

Stmktur und Position einzelner Akteure Uber den Wert von Sozialkapital entscheiden.

Dieser Effekt ist umso ausgeprSgter, je hierarchischer die Struktur in einem be-

stehenden Netzwerk ist. UnabhSngig von der Struktur der Hierarchie in einem Netz-

werk bestimmt der Grad an Heterogenitat der existierenden Menge an Kontakten den

Bestand an Sozialkapital.

Soziales Kapital ist zudem in den meisten Fallen ein intangibler Verm5genswert, der

dadurch entsteht, dass einzelne Personen in soziale Beziehungen investieren, die sie in

Netzwerken unterhalten (Burt, 1997; Coleman, 1990; Nahapiet und Ghoshal, 1998)

und durch diese Beziehungen symbolisches Kapital produzieren und einsetzen k5nnen

(Bourdieu, 1997). Hierbei wird angenommen, dass Akteure in soziale Beziehungen

deshalb investieren, well die damit geschaffenen Bindungen und Verbindlichkeiten fUr

sie in der Realisierung ihrer Handlungsinteressen einen Wert darstellen. Wenn Sozial­

kapital als intangibler Vermogenswert bezeichnet wird, dann deshalb, weil der mate-

nelle und immaterielle Wert von Sozialkapital nicht so ohne weiteres greifbar ist und

nicht jederzeit zur Verwendung steht. Die Realisierung eines symbolischen Wertes ist

nicht jederzeit gegeben und hangt von verschiedenen Faktoren ab.

Mit dieser Eingrenzung von Sozialkapital soil gezeigt werden, dass soziale Bindungen,

aus denen der Wert von Sozialkapital entsteht, nicht statische Bausteine sind, sondem

fragil, sich stSndig verandem und damit sie stabil und brauchbar bleiben, gepflegt

werden mtissen (Bourdieu, 1997). Michael Woolcock und Deepa Narayan haben in

ihren Versuch Sozialkapital vor dem Hintergrund der expandierenden Literatur in

diesem Genre einzugrenzen folgende Definition vorgeschlagen:

„The basic idea of social capital is that a person's family, friends, and associates

constitute an important asset, one that can be called on in a crisis, enjoyed for its own

sake, and leveraged for material gain. What is true for individuals, moreover, also

holds for groups. Those communities endowed with a diverse stock of social networks

and civic associations are in a stronger position to confront poverty and vulnerability,

resolve disputes, and take advantages of new opportunities" (Woolcook and Narayan,

2000:226).

Sozialkapital ist - wenn dieses Zitat genauer betrachtet wird - also iiber die Unter-

sttitzung familiarer, freundschaftlicher und vereinsbezogener Kontakte hinausgehend,

die aus diesen Kontakten erwachsende Sicherheit bei Bedarf auf die Hilfe anderer zu-

106

Page 117: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

ruckgreifen zu konnen. Die Wirklichkeit und Wirksamkeit von Sozialkapital hSngt

also von einem auf Dauer eingerichteten Zustand der Gegenseitigkeit ab, der nicht im

Bedarfsfall beliebig verweigert werden kann. Das paradoxe am Begriff Sozialkapital

scheint mitunter zu sein, dass gerade dann, wenn ganz gezielt in den Aufbau wert-

voller Beziehungen investiert wird, der versprochene Ertrag dennoch nicht ohne

ISngerfristige Bindung im Zuge sozialer Verpflichtungen und ReziprozitSt zu verein-

nahmen ist. Auch ist die angelegte Dauer einer auf Gegenseitigkeit aufgebauten sozi-

alen Bindung von Bedeutung, wenn versucht wird, den Wert von Sozialkapital zu be-

stimmen. Wenngleich der tatsSchliche Wert sehr oft kaum greifbar ist. Wie in den kon-

zeptionellen Uberlegungen von Lin (2001) ersichtlich, hat jede Position und jede

Bindung einen unterschiedlichen Wert in einem Netzwerk. Die Frage ist jedoch nicht

ausschliefilich, wie hoch der Wert von konkreten Beziehungen zu bewerten ist, die

geknupft werden, sondem welchen Effekt Sozialkapital fiir das gesamte Netzwerk hat

und in welchem Zusammenhang dieser Effekt mit der Ubertragung und Produktion

von idiosynkratischen Wissensformen steht?

Coleman grenzt in seinem Verstandnis Sozialkapital von Humankapital und dem

eigentlichen Kapital der Okonomie ab: "Just as physical capital and human capital

facilitate productive activity, social capital does as well. For example, a group within

there is extensive trustworthiness and extensive trust is able to accomplish much more

than a group without that trustworthiness and trust" (Coleman, 2000:22). Er zeigt mit

dieser Perspektive auf, dass nicht nur die Struktur der Beziehung von Bedeutung ist,

sondem in einem ganz entscheidendem AusmaBe die normative Qualit^t der sozialen

Beziehungen. Coleman mochte damit deutlich machen, dass die im Rahmen von

Sozialkapital aufgebauten Beziehungen deshalb wertvoll sind, well wie Hirschman

(1987) es ausdruckte, soziale Beziehungen eine "moralische Ressource" darstellen.

Das heifit, bestehenden Verpflichtungen gegeniiber Mitgliedem in intakten sozialen

Beziehungen wird Folge geleistet, well sie einen koUektiven Wert darstellen. Der Grad

an Vertrauenswurdigkeit gewinnt hier deshalb als Teil von Sozialkapital einen spezi-

fischen Wert, well angenommen wird, dass in extrem unsicheren Umwelten, dieselben

Austauschbeziehungen mit sehr hohen Transaktionskosten verbunden waren. Dieser

Aspekt verschwindet jedoch hinter der Argumentation von Reziprozitat in den sozialen

Bindungen der Akteure, wenn argumentiert wird, dass die Verpflichtung eine einmal

erhaltene Leistung im Zuge der Sozialisationsprozesse intemalisiert wird und in kul-

turelle Normen und in gesellschaftliche Werte einer Gemeinschaft eingebettet ist. Es

handelt sich also hier um jenen zweckmSBigen Effekt, der den Aufbau von Sozial-

107

Page 118: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

kapital beeinflusst und als Vertrauen charakterisiert wird, aber diese Zweckmafiigkeit

lasst sich nicht auf die Handlung einzelner Akteure zuriickflihren. Nahapiet und

Ghoshal (1998) umschreiben diesen Effekt uber ihre relationalen Dimensionen von

Sozialkapital.

Die Starke der Verpflichtung in sozialen Beziehungen ist ein konstitutives Merkmal

und eine zentrale Eigenschafl von sozialem Kapital. In archaischen Gesellschaften ist

Reziprozitat als normativer Wert in verschiedenen wirtschaftlichen Beziehungen stark

ausgepragt (vgl. Maus, 1954; Henrich et al, 2001). Putnam identifiziert ganz allgemein

soziales Kapital als Wert in Gemeinschaften und betont: "Im Mittelpunkt des Sozial-

kapitals steht ein auBerordentlich schlichter Gedanke: Soziale Netzwerke rufen Wir-

kungen hervor. Vor allem weisen Netzwerke ftir die ihnen angeh5rigen Menschen

einen Wert auf und im weiteren defmiert er soziales Kapital als "connections among

individuals - social networks and the norms of reciprocity and trustworthiness that

arise from them'' (Putnam, 2000:19f). In der Soziologie wird Wert unterhalb der Norm

positioniert. Werte stellen etwas „wilnschbares" dar „ohne dass dahinter ein Impera-

tiv" stunde, der diesem Wert in der Gemeinschafl mehr Bedeutung geben wiirde.

Werte konkurrieren mit anderen Werten, hingegen stehen Normen fiir sich allein. Aber

interessant ist, dass in den Kulturwissenschaften davon ausgegangen wird, dass Ge-

wohnheiten (= habitualisiertes Handeln) Werte werden konnen und Werte konnen sich

zu Normen entwickeln (Hansen, 2003:151). Angetrieben wird die Transformation von

Gewohnheiten zu Werten und von Werten zu Normen von der Standardisierung, die

wiederum auf eine VerhaltensregelmaBigkeit zurUckzuftihren ist. Die Einhaltung

gegenseitiger Verpflichtungen lasst sich also als gewohnheitsmafiiges Handeln, als

Handeln das Werten folgt oder als normiertes Handeln begreifen. Die Einhaltung

gegenseitiger Verpflichtungen bildet also ein konstitutives Element von Sozialkapital

und diese Konstituierung ist je nachdem, ob sie auf der Grundlage von Gewohnheiten,

Werten oder Normen entsteht, unterschiedlich stark. In jedem sozialen Netzwerk ent-

stehen soziale Verpflichtungen, denen sich die Mitglieder nicht so ohne weiteres ent-

ziehen, ohne den Bestand an Sozialkapital zu geMirden auf den sie zugreifen. Je

starker die relationalen Dimensionen (Gewohnheiten, Werte und Normen) umso

schwieriger ist es soziale Verpflichtungen zu ignorieren, ohne einen Schaden zu er-

leiden.

Rationale Akteure, so Coleman (1990), halten Verpflichtungen deshalb ein, well sie in

Zukunfl auf Ressourcen der sozialen Gemeinschafl zugreifen wollen und auf deren Ko-

operation weiterhin zahlen mochten.

108

Page 119: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Dennoch gibt es in Netzwerken, insbesondere in sehr groBen, immer Falle, in denen

einzelne Mitglieder reziproke Verpflichtungen nicht einhalten. Auf Dauer scMdigt dies

den Vorrat an Sozialkapital, unabhangig von den zu erwartenden Sanktionen, weil durch

die Zunahme einer immer grofier werdenden Zahl an Akteuren, die ihren sozialen Ver­

pflichtungen nicht nachkommen, insgesamt die Bereitschaft in einem sozialen Netzwerk

abnimmt, freiwillig und in Voraussicht auf zuktinftig garantierte Gegenleistungen, zu

kooperieren. Banfield (1958) hat die Strukturen der sozialen Verpflichtung in sud-

italienischen GroBfamilien untersucht, die diesen Punkt deutlich machen. Er hat fest-

gestellt, dass "ftir die Mitglieder einer Gruppe" eine bedingungslose gegenseitige Ver­

pflichtung einen hohen Stellenwert einnimmt. In den von Banfield untersuchten Fallen

war es so, dass dann, wenn Verpflichtungen nicht eingehalten wurden, dem Mitglied

drastische Konsequenzen drohten und seine Reputation auf Dauer litt. Dieses Merkmal

einer verbindlichen Verpflichtung ist insofem als eine zentrale und konstitutive

Eigenschafl zu interpretieren, weil die Qualitdt des Sozialkapitals dadurch bestimmt

wird (Lin, 2001:7; Coleman, 1990; Binmore, 1994). Reziprozitat lasst sich so begriffen,

als Bindemittel in Netzwerken bezeichnen. Ohne dieses Bindemittel wurden die Be-

ziehungen in einem Netzwerk zerfallen. Insofem halt Reziprozitat die Struktur von

Netzwerken intakt und vergroBert damit den Wert des sozialen Kapitals.

1.3.1. Wie entsteht der Wert von Sozialkapital?

Lin hat gezeigt, unter welchen Voraussetzung sich die Hohe des Sozialkapitals in

einem Netzwerk bestimmen ISsst. Ein Teil der Sozialkapitaltheorie, der tiber das

Blickfeld des rationalen Akteurs hinausgeht, thematisiert die moralische Verpflichtung

und die dadurch entstehende Reziprozitat als zentrale Variable in der Entstehung von

Sozialkapital. Beitrage von Vertretem der "Rational Choice Schule" in der Sozial-

kapitalliteratur (wie z. B. Coleman, 1988 und 1990; Burt, 1992 und 1997; Lin, 2001)

definieren den Wert den Sozialkapital in einem Netzwerk sozialer Beziehungen stiflet,

allein dadurch, dass individuelle Akteure in die Beziehungen investieren, weil sie

ihren eigenen Nutzen dadurch maximieren. Dabei geht es nutzenmaximierenden Ak­

teuren darum, die Struktur der Beziehungen in bestehenden Netzwerken so zu ge-

stalten, dass sie jeweils eine Position einnehmen, die ihnen - abhangig von alien

anderen Kontakten - einen optimierten Zugang zu den im Netzwerk bereitgestellten

Ressourcen gewShrt (vgl. Lin, 2001). Burt (1982, 1992) argumentiert in diesem

Zusammenhang, dass rationale Akteure in die Beziehungen zu jenen Kontakten

investieren, die ihnen „neue" Ressourcen und/oder Informationen erschlieBen.

109

Page 120: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Abbildung 18: Sozialkapital und Structural Holes (Burt, 1992)

YOU. B

Structural holes und schwache Bindungen (weak ties)

Vertreter der Rational Choice Richtung in der Sozialkapitalliteratur wie Burt und Lin

nehmen an, dass jeweils einzelne Positionen in einem sozialen Netzwerk sehr viel er-

tragreicher sind als andere Positionen (in der gezeigten Abbildung sind dies die Kon-

takte You, A und B). Bin rationaler Akteur You investiert also in die Kontakte A und B

und reduziert seine Investitionen entweder zu Kontakt C oder D, Vor diesem Hinter-

grund hat Burt (1992) seine Theorie der strukturellen BrUcken (struktural holes) for-

muliert, auf die spater in der Diskussion der sozialen Netzwerkanalyse noch zuruckge-

kommen wird. In dem hier angeftihrten Beispiel ist zu sehen, dass die Kontakte You, A

und 5, die uber so genannte schwache Bindungen (punktierte Linien) Zugang zu einer

Menge anderer Kontakte in dem Netzwerk mit starken Bindungen (feste Linien)

haben, jeweils unterstellte ertragreichere Positionen einnehmen als die anderen Kon­

takte. In der skizzierten Menge von Netzwerkkontakten sind drei Gruppen zu er-

kennen, die jeweils untereinander intensive (d.h. dichte) Netzwerkstrukturen bilden

und von denen angenommen wird, dass sie untereinander deshalb weniger ertragreiche

Kontakte unterhalten, weil sie redundant sind und daher die gleichen Ressourcen aus-

tauschen.

110

Page 121: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

1.3.2. Der Wert der Ressourcen unddie Verjugbarkeit bzw. Kontrolle von Ressourcen

Esser (1999:140) definiert vertrauenswiirdige Beziehungen in Netzwerken als Res-

source: "Die Kontrolle uber eine Ressource ist der Grad der Verfugbarkeit daruber im

Moment des Handelns. Die unter Kontrolle stehenden Ressourcen sind das Budget,

das Einkommen bzw. das Kapital des Akteurs, das er fiir die Nutzenproduktion ein-

setzen kann. Die Kontrolle uber eine Ressource ist zunachst eine Angelegenheit des

Akteurs, eine Frage seiner Moglichkeiten, seiner physischen KrSfte, seiner psycho-

sozialen Kunste und aller seiner Mittel, die ihm zur Verftigung stehen, eine schlag-

kraftige Faust oder sein Fachwissen zum Beispiel. Es ist aber auch eine Angelegenheit,

bei der die Umgebung mitspielen muss: Ob jemand zum Beispiel ein Stiick Land als

Ressource unter Kontrolle bekommen und dann nutzen kann, hangt von der Ein-

richtung von sog. Eigentumsrechten ab" (Esser, 1999:140).

Worauf es ankommt sind also keineswegs bloB die eigenen subjektiven physischen

und psychischen Ressourcen, sondem inwieweit die objektive "soziale Umgebung" es

den einzelnen Akteuren ermoglicht diese Ressourcen nutzbringend einzusetzen. Wobei

hier subjektiv und objektiv nicht in der Trennung und gegenseitigen Abgrenzung des

traditionellen Denkens zu verstehen ist. Insofem ist ein soziales Netzwerk, das es einer

konkreten Menge von einzelnen Personen ermoglicht personliche Ressourcen im

Austausch mit anderen Akteuren nutzbringend einzusetzen, ein Bestandteil von so-

zialem Kapital. Braucht also die Person A in der Ausiibung ihrer Aufgaben bzw. in der

Umsetzung ihrer Handlungsinteressen das Wissen/die Ressourcen der Person B, oder

die Kooperation von Person B, dann ist anzunehmen, dass die Kooperationsbereit-

schaft vom Grad des existierenden Vertrauens abhSngt. Die Handlungsinteressen und

der Erfolg der Handlungen von Person A ist aber in jedem Fall von der Verfugbarkeit

der Ressourcen, die Person B kontrolliert abhangig. Insofem ist Vertrauen als Be­

standteil von Sozialkapital anzusehen, der den Zugang zu Ressourcen erleichtert oder

uberhaupt erst moglich macht. Besteht also zwischen Personen eine vertrauenswiirdige

Beziehung, die es moglich macht, dass Person A auf die Unterstutzung und/oder Res­

sourcen von Person B zugreifen kann, dann kann diese Beziehung als Sozialkapital

definiert werden. Anzumerken ist hier: Jeder Leistungsaustausch von intangiblen Ver-

mQgenswerten ist mit den typischen Problemen, die eine Informationsasymmetrie her-

vorruft, konfrontiert, wie von der Agency-Theorie thematisiert (vgl. Richter und

Furubotn, 1996:163ff.). Fiir die Okonomen ist dies deshalb ein Problem, well keine

voUstandigen Vertrage uber den Austausch dieser Leistungen geschlossen werden

konnen. Sozialkapital kann diese negativen Effekte minimieren und zum Teil voU-

111

Page 122: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

kommen ausschliefien (Ostrom, 1990), weil Leistungen zwischen Mitgliedem in sozia-

len Netzwerken ohne moralisches Risiko ausgetauscht werden, solange bestehende

Werte und Normen ihre Giiltigkeit besitzen. Sieht man die unter Kontrolle stehenden

Ressourcen als Kapital der aufrechten Beziehungen an, so gewinnt man ein Ver-

standnis von soziaiem Kapital, das dem von Bourdieu (1983) sehr ahnlich ist. Fur

mich ist hier von Bedeutung, dass jedes Mitglied eines sozialen Netzwerks im Rahmen

seiner Aufgaben auf die Ressourcen eines Netzwerks zugreifen kann, weil als Mitglied

dieses sozialen Netzwerks im Gegenzug anderen Mitgliedem die gleichen Rechte und

Ressourcen gewahrt werden. Das heiUt aber nichts anderes, als dass die QualitSt der

Beziehungen in einem sozialen Netzwerk von besonderer Bedeutung ist. Die Qualitat

erschSpft sich aber nicht in dem im Netzwerk existierenden Vertrauen. Durch die

Nutzung und den Zugang zu Ressourcen in einem Netzwerk konnen Leistungen und

Rechte erworben werden. Was ist darunter zu verstehen. "Erwerb meint, dass erst ge-

wisse Leistungen zur Kontrolle uber die Eigenschaft fiihren: Wissen wird - beispiels-

weise - durch die Leistung des Lemens erworben. Der Akteur kann dabei also selbst

etwas fur die Kontrolle der Eigenschaft tun. Zuschreibung heifit: Der Akteur hat es

nicht selbst in der Hand, ob er die Kontrolle ubemimmt oder nicht, ob er sie abgeben

kann oder nicht" (Esser, 1999:141). In Netzwerken kSnnen also Leistungen erworben

Oder zugeschrieben werden. Anzunehmen ist, das Person B die Unterstiitzung der

Handlungsinteressen von Person A aber nur dann auf Dauer durchflihren wird, wenn

Person B in der Umsetzung eigener Handlungsinteressen auf die Unterstiitzung ent-

weder von A oder auf andere Akteure innerhalb des existierenden sozialen Netzwerkes

zahlen kann.

Warum werden reziproke Beziehungen aufrechterhalten? Sozialkapital entsteht da-

durch, weil sich einzelne oder eine begrenzte Menge von Akteuren in der Umsetzung

ihrer Handlungsinteressen gegenseitig unterstutzt. Der Bestand von Sozialkapital ist

nicht nur von der spezifischen Position und von der strukturellen Eigenschaft einer

Bindung abhSngig, sondem im Wesentlichen auch davon, dass innerhalb von sozialen

Netzwerken kooperiert wird. Der Zugang zu Ressourcen ist fur einzelne Akteure

immer nur soweit gegeben, insofem andere Akteure, die den Zugang zu bestimmten

Ressourcen kontrollieren, die Nutzung notwendigen Ressourcen ermoglichen. Kon-

trollieren einzelne Akteure den Zugang so sprechen wir von Brokerage Positionen

(Burt, 1992). Hierzu ein sehr allgemeines Beispiel: Ist ein Akteur zur Nutzung eigener

Ressourcen auf Zufahrtsrechte die von anderen Akteuren kontrolliert werden ange-

wiesen, z.B. kann durch die Gewahrung eines Zufahrtsrechts uberhaupt erst die eigene

112

Page 123: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Grundstucksparzelle genutzt werden, so hat die Gewahrung des Zufahrtsrechts einen

konkreten wirtschaftlichen Wert. Wahrend in diesem Fall eine vertragliche Regelung

iiber die vollstSndige Gewahrleistung der Nutzung in der Kegel moglich ist und kein

vertragstechnisches Problem darstellt, sind jedoch viele Nutzungsrechte nicht ein-

deutig definierbar und der wirtschaftliche Wert der Nutzung von Ressourcen ist des-

halb von, allgemein definiert, "intakten sozialen Beziehungen" abhangig.

In jeder Gesellschaft existieren Eigentumsrechte, Rechtsysteme die die Nutzung von

Eigentum mOglich machen. Ganz allgemein haben diese institutionellen Rahmenbe-

dingungen, wie sie in der neuen Institutionenokonomik thematisiert werden, einen ganz

konkreten okonomischen Wert. Dieser okonomische Wert wird aber in einem hohen

MaB durch sozial verpflichtende Normen geschaffen. Institutionen sind aber sehr wohl

auch das Ergebnis von Gewohnheiten und Werten (Gehlen, 1986). Es bildet kein

Problem, die Bereitstellung materieller Leistungen iiber VertrSge vollstandig auszuver-

handeln und festzuschreiben. Es existieren jedoch daruber hinaus jede Menge sozialer

Bindungen, die selbst einen okonomischen Wert haben. In den meisten Verein-

barungen gibt es eine Menge von Erwartungen (Werte) von denen ganz allgemein aus-

gegangen wird, dass sie eingehalten werden. Daruber hinaus ist aber nicht nur der

Wert der gegenseitigen Unterstutzung in der Umsetzung eigener und im Weiteren auch

kollektiver Handlungsinteressen ein wichtiges Merkmal von Sozialkapital, welches die

konkrete Struktur der Beziehungen einzelner Akteure in einem Netzwerk bestimmt.

Aus der Sicht der Untemehmung ist die Frage interessant, warum soziale Netzwerk-

beziehungen fur die Mitglieder so wertvoll sind? (vgl. Gulati und Gargiula, 1999).

Die Funktionalitat der Bindung in Netzwerken steht mit der Reziprozitat in Verbin-

dung. In den eingangs herausgegriffenen Sozialkapitaldefmitionen, ist immer wieder

von sozialen Verpflichtungen und von Reziprozitat als ein Bestandteil von Sozial­

kapital die Rede. Gegenseitige Verpflichtungen sind Teil der Funktionalitat von So­

zialkapital. Was aber unter Reziprozitat zu verstehen ist, daruber gibt es zwischen

Vertretem der Rational Choice Theorie und Institutionalisten grobe Missverstandnisse.

Wie Binmore herausstreicht, der als Vertreter der Rational Choice Theorie gilt, ist

Reziprozitat nicht das Ergebnis einer einmalig ausgefiihrten Interaktion zwischen zwei

Oder mehreren Akteuren: "It is impossible for reciprocity to emerge in a one-shot

game" (Binmore, 1998:10). Binmore der darauf besteht Entscheidungen als rationale

Handlungen zu untersuchen, fiihrt fiir seine These ein eindrucksvoUes Beispiel an, das

auf den ersten Blick sehr uberzeugend und rational aussieht: "The gains available to

Adam from betraying Eve today will then outweigh the advantages to be gained from

113

Page 124: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

maintaining their relationships" (Binmore, 1998:110). Worum geht es in diesem Zitat?

Ein Betrug Adams wtirde ihn der noch ausstSndigen Vorteile aus einer aufirechten Be-

ziehung zu Eva berauben. Das ist offensichtlich einleuchtend. Weniger offensichtlich

ist allerdings, ob Adam tatsSchlich im Fall eines Betruges alle zuktinftigen Folgen

seiner Handlung einzuschatzen vermag. Es ist auch im Weiteren sehr wohl mOglich,

dass Adam vor einem Betrug Evas zuruckschreckt, well es ihm institutionalisierte

Werte und Normen verbieten. Das Beispiel von Binmore zeigt uns also zwar dass Re-

ziprozitat ein auf Dauer angelegter Wert in sozialen Beziehungen ist, aber es beweist

keineswegs, dass rationale Entscheidungen diesen Wert begrllnden.

Ein anderes Beispiel: Putnam streicht Reziprozitat als wesentlichen Bestandteil von

Sozialkapital heraus: "Social connections are also important for the rules of conduct

that they sustain. Networks involve (almost by definition) mutual obligations; they are

not interesting as mere 'contacts.' Networks of community engagement foster sturdy

norms of reciprocity: I'll do this for you now, in the expectation that you (or perhaps

someone else) will return the favor. [...]Yogi Berra who offered the most succinct

definition of reciprocity: "If you don't go to somebody's funeral, they won't come to

yours" [...] Even more valuable, however, is a norm of generalized reciprocity: I'll do

this for you without expecting anything back from you, in the confident expectation

that someone else will do something for me down the road" (Putnam, 2000:19-20).

Coleman erklart die Motivation eines rationalen Akteurs in reziproke Beziehungen zu

investieren, folgendermaBen: "When I do a favor for you, this ordinarily occurs at a

time when you have a need and involves no great cost to me. If I am rational and

purely self-interested, I see that the importance to you of this favor is merely the

lending of money, since a unit of money holds about the same interest to a person over

time. When the favor involves services, expenditure of time, or some other non-

fungible resource, however, or when it is of intrinsically more value to the recipient

than to the donor (such as help with a task that can be done by two persons but not by

one), this kind of mutually profitable exchange is quite possible. The profitability for

the donor depends on the recipient's not repaying the favor until the donor is in need.

...Thus creating obligations by doing favors can constitute a kind of insurance po­

licy..." (Coleman, 1990:310). Coleman folgt hier der Argumentation von Hume. David

Hume beschreibt die Griinde fur reziprokes Verhalten in einem interessanten Beispiel

folgendermaBen und zeigt, wie vor dem Hintergrund rationaler Nutzenerwartungen

einzelner Akteure reziproke Handlungen entstehen: "Your com is ripe today; mine will

be so tomorrow. 'Tis profitable for us both, that I shou'd labour with you today, and

114

Page 125: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

that you shou'd aid me tomorrow. I have no kindness for you, and know you have as

little for me. ...Hence I learn to do a service to another, without bearing him any real

kindness; because I foresee that he will return my service, in expectation of another of

the same kind, and in order to maintain the same correspondence of good offices with

me or with others" (Hume, 1784: 86).

Unter der Annahme rationaler Nutzenerwartungen, wie sie von der Theorie des ratio-

nalen Handelns vorausgesetzt wird, entsteht Soziales Kapital, wenn in einer Gruppe

von Personen gegenseitige Bindungen eingegangen werden, die Beziehungen Mit-

gliedem eine Leistung versprechen und von den Mitgliedem erwartet wird, dass die

eingebrachten Leistungen erwidert werden. Sozialkapital baut damit auf die reziproken

Bindungen in einer Gemeinschaft auf. Die positive Wirkung von Sozialkapital hin-

sichtlich reziproker Verpflichtungen setzt auf Dauer angelegte Beziehungen voraus.

Hinzukommt, dass die positive Wirkung von Normen und Werten, die in Verbindung

mit Sozialkapital stehen, nach Coleman (1988 und 1990; siehe auch Burt, 1982) ftir

den Aufbau von sozialem Kapital selbst wichtig, nur dann ihre Gtiltigkeit und

Wirkung entfalten, wenn Bindungen in einer Gruppe auf Dauer angelegt sind. Re-

ziprozitat in einer Gruppe funktioniert, so gesehen nur dann, wenn gtiltige Normen

existieren, die dieses Verhalten belohnen bzw. eine Verletzung des erwarteten Verhal-

tens bestrafen.

1.3.2.1. Stabilitdt als Voraussetzungfur den Aufbau von sozialem Kapital

Der Zugang zu Ressourcen, bzw. der Gebrauch und die Nutzung und der damit be-

griindete Wert von Sozialkapital setzt jedoch in vielen Fallen die dauerhafte Ko-

operation in einem Netzwerk von Beziehungen voraus. Aus der Perspektive der Ratio­

nal Choice Schule liefie sich argumentieren, dass rationale Akteure nur insofem in so-

ziale Beziehungen und der damit verbundenen Kooperation investieren, wenn sie an-

nehmen konnen, dass die Beziehung zumindest so lange andauert, bis der Zugang ge-

wahrt bzw. die Nutzung der Ressource abgeschlossen ist. Insofem argumentiere ich ja

auch, dass es plausibel ist anzunehmen, dass Organisationsmitglieder, die befristete

bzw. auf kurze Dauer angelegte ArbeitsvertrSge haben, in einem weitaus geringeren

AusmaB in soziale Beziehungen investieren als BeschSftigte mit unbefristeten bzw. auf

langere Dauer ausgerichtete Arbeitsbeziehungen. Hingegen ist anzunehmen, dass

Organisationsmitglieder deren Arbeitsvertrage auf Dauer angelegt sind, in soziale Be­

ziehungen investieren, weil sie erwarten konnen, in Zukunfl den Wert dieser sozialen

Beziehungen zu nutzen.

115

Page 126: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Den positiven Effekt stabiler Arbeitsbeziehungen hat Pfeffer (1994 und 1998) in

mehreren Arbeiten untersucht. Er argumentiert, dass uber verschiedene MaBnahmen^ ,

die die StabilitSt der Beziehimgen der Mitarbeiter zum Untemehmen verbessem, die

Leistung des Untemehmens gesteigert werden kann (Pfeffer, 1998:301). Die Ursache

der positiven Wirkung vennutet Pfeffer in der hOheren Identifikation der Mitarbeiter

mit dem Untemehmen. ^

Insofem ist also die Bereitschaft einzelner Akteure in einem Netzwerk bei Bedarf

UnterstUtzung zu gewahren ein wichtiger Bestandteil von sozialem Kapital. Im Gegen-

satz zur idealtypischen Konzeption anonymer und einmaliger Markttransaktionen, bei

der weder Kaufer noch VerkSufer Uber die Transaktion hinaus eine Beziehung auf-

rechterhalten mussen, bieten soziale Netzwerke den Vorteil, dass Bindungen und Be-

ziehungen nicht stSndig aufgebaut, beendet und bei Bedarf wieder hergestellt werden

mtissen.

1.4. Vertrauen als Bestandteil und Voraussetzung zur Bildung von Sozialkapital

Die Netzwerktheorie argumentiert, dass in sozialen Netzwerken die Kontrolle Uber

existierende Ressourcen von der Struktur der Beziehungen abhangt. Fukuyama hin-

gegen fmdet nicht nur die Struktur der Beziehungen, sondem das existierende Ver­

trauen ein zentrales Merkmal von Sozialkapital ist (Fukuyama, 1995). Die Vertrauens-

wUrdigkeit der Beziehungen ist bei Fukuyama das Kapital, Uber das Akteure verfiigen

und das sie zur Realisierung ihrer Interessen einsetzen. Da die jeweilige Struktur der

Beziehungen in einem Netzwerk Uber die Verfiigbarkeit vorhandener Ressourcen be-

12 Pfeffer (1998) verweist in diesen Arbeiten nicht auf die Bedeutung von sozialem Kapital. Likert und Hayes (1957), die sich mit Shnlichen Fragen beschaftigten, haben dies in ihren empirischen Arbeiten zu kohSsiven Arbeitsgruppen gemacht. Diese Uberlegungen greifen einschlagige Humanressourcenpolitiken auf. Der positive Effekt von High Performance Work Systems bzw. von High Involvement Work Systems auf den Erfolg von Untemehmen ist inzwischen in zahlreichen empirischen Studien untersucht worden. Diese Arbeiten schlieBen in ihren Intentionen an den bereits in den Hawthome-Experimenten von Mayo (siehe Roethlisberger und Dickson, 1961) festgestellten, positiven Effekt psychohygienischer Management-politik an. High Performance Work Systems bzw. High Involvement Work Systems gehen aber nur teilweise Ober die Konzepte von Hackman und Oldham (1980) in der Neugestaltung hinaus. (Bei-spiele dafUr sind Arthur (1994) und Seiling (1997), die jeweils in ausftihrlichen Feldstudien den Er­folg der an HPWS orientierten Beschaftigungspolitik bestatigen (vgl. dazu Cappelli und Singh, 1992). In diesen Studien ist jedoch der Zusammenhang, warum BeschSftigungsformen die Stabilitat der Bindung zwischen Mitarbeiter und Untemehmen verbessem, nicht erklSrt.

116

Page 127: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

stimmt und der Wert einer Ressource dadurch zustandekommt, wenn bei Bedarf der

Zugriff gewahrt wird, kann zwar die Struktur eines Netzwerkes selbst als eine Res-

source begriffen werden (Esser, 1999:140; Burt, 1992:30) aber die Handlungsfahig-

keiten und Handlungsmoglichkeiten hangen nicht nur vom Zwgr/^selbst, sondem vom

in der Gemeinschaft existierenden Vertrauen ab (Putnam, 2000; Fukuyama, 2000).

Vertrauen verbessert bzw. ermoglicht soziale Interaktion unter der Bedingung von Un-

sicherheit. Die Verwendung und der Zugriff auf immaterielle Ressourcen - wie zum

Beispiel nicht-artikulierbares Wissen - ist in einem erheblichen Grad von der frei-

willigen Kooperation anderer bestimmt. Beispielsweise wird implizites Wissen im

Zuge von Arbeitsroutinen erworben, dabei kann man als einzelne Person lemen, oder

man lemt mit der Unterstutzung einer Gruppe. Likert hat gezeigt, dass in Arbeits-

gruppen mit einem hohen Grad an Vertrauen produktiver gearbeitet wird als in Ar-

beitsgruppen mit einem geringen Grad an Vertrauen (Likert, 1961). Durch diese

Unterstutzung kann sich alleine die Leistung des Lemens erheblich verbessem. Inso-

fem sind die Beziehungen in einem Netzwerk okonomisches Wissenskapital (Esser,

1999:141). Das Ergebnis der Leistung des Lemens ist eine Ressource, die von der

Struktur und dem Grad der Kooperation in einem sozialen Netzwerk bestimmt wird.

Also nicht nur die Verbreitung und der Zugang zu konkreten Ressourcen, sondem die

organisational Fahigkeit uberhaupt zu kooperieren und das damit verbundene Er­

gebnis des "Lemens" ist als Wert existierender sozialer Bindungen zu defmieren.

Diese Uberlegungen sind eigentlich nichts Neues. In Organisationen mit einem hohen

Vorrat an Sozialkapital ist diese Leistung des Lemens, die hier mit Edith T. Penrose

(1959) als organisational Fahigkeit interpretiert wird, effektiver und effizienter zu

erbringen, als in Organisationen mit einem geringen Vorrat an Sozialkapital. Die

Leistung des Lemens einzelner Akteure, bzw. die Leistung eines Kollektivs sich

Wissen anzueignen, ist also von der Stmktur der Bindungen der einzelnen Akteure und

dem in Netzwerken vorhandenen Grad an Vertrauen bestimmt. "

14

Die zentralen Bausteine des individualisierten Untemehmens, die Bartlett und Ghoshal (1997) allge-mein als "stretch", "support" und im Kompetenzansatz von Prahalad und Hamel (1990) als "leverage" bezeichnet werden, sind als soziale Beziehungsfaktoren zu interpretieren, die einen ganz konkreten Qkonomischen Wert haben, der iiber die Struktur der vertrauenswiirdigen Bindungen in einem sozialen Netzwerk als Sozialkapital zu verstehen ist.

117

Page 128: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Damit ist eine wesentliche Qualitat der wissensorientierten bzw. lemenden Organi­

sation angesprochen. Bin Akteur kann zwar eine FShigkeit selbst erwerben und die

Kontrolle uber diese Fahigkeit (Ressourcen) ausuben, d.h. souverSn und eigenstandig

(Coleman 1990:307) uber den Gebrauch entscheiden/^ Bzw. entscheidet in vielen

Fallen der Akteur selbst, in welchem AusmaB Wissen weitergegeben wird. KSser und

Miles (2002) haben das AusmaB an Vertrauen - wie diskutiert - mit der Freiwilligkeit

und dem Grad an Selbstbestinmitheit ^ im Zuge des Austauschs von Wissen als intrin-

sische Motivation bezeichnet.*^

Salam versteht Vertrauen als Grundlegung fUr den Erfolg sozialer Beziehungen, in

seinen Worten: „a foundation of any beneficial and successful relationship between

individuals and between organizations" (Salam, 2000:274). Coleman, der sich aus-

fUhrlich mit der Wirkung von Vertrauen im Rahmen seiner Sozialtheorie beschafligt,

macht auf einen weiteren Aspekt von Vertrauen aufmerksam: "The first point to note

is that the placement of trust allows an action on the part of the trustee that would not

have been possible otherwise" (Coleman, 1990:97). Der wesentliche Punkt ist also der,

dass die GewShrung von Vertrauen fur das Zustandekommen von Austauschbe-

ziehungen unerlSsslich ist. Ganz allgemein ist es einsichtig, dass in Vertragsverhalt-

nissen, in denen zwei Parteien sich verpflichten eine Leistung auszutauschen, darauf

zu vertrauen ist, dass die vereinbarte Leistung auch erbracht wird, gerade dann, wenn

es sich um schwer eingrenzbare, also intangible Leistungen handelt. Bin Aspekt von

Vertrauen, besteht in der Wirkung Kosten unter unsicheren Transaktionsbedingungen

Ganz im Sinne der Definition elementarer Handlungssysteme von Coleman (1990:28f) besteht eine Handlungssituation aus einem Akteur, aus einer Ressource und der iiber diese Ressource auszu-iibenden oder vorhandenen Kontrolle (siehe dazu Esser, 1999:37). In der traditionellen Organisationsform wird diese Frage Uber die Zuweisung und Ubertragung von Kompetenz, Recht und AutoritSt iiber das Design der Struktur gelOst. Das zentrale Instrument dieser Zuweisung ist dabei die Hierarchie. TatsSchlich ist dies jedoch kein effizientes Instrument zur Steuerung der Verbreitung von impliziten Wissensformen (Drucker, 1999:80) Zudem ist es innerhalb von Organisationen wichtig, inwieweit erworbene Ressourcen reproduzierbar sind und innerhalb der Organisation weitergegeben werden kOnnen. Das ist problematisch im Fall von Wissen bzw. intangiblen VermOgenswerten. In diesen Fallen ist auch die Obertragung und die Ober-wachung bzw. die Gestaltung ein grunds^tzliches, aber lOsbares Problem. Hingegen sind intangible Ressourcen nur schwer ubertragbar, der Gebrauch und der Kreis der Nutzniefier sind nicht streng kontrollierbar. Die Ubertragung an Dritte vielfach problematisch. "Herrschaft und Rechte sind vor allem dann wichtig, [wenn] die Kontrolle Uber eine Ressource nicht vom isolierten Handeln eines Akteurs allein, sondem von den kollektiven Handlungen einer Mehrzahl von Akteuren abhSngig ist" (Esser, 1999:141).

118

Page 129: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

zu minimieren (Jost, 2000:583; Dyer, 2003; Arrow, 1974). Die Minimierung bezieht

sich allerdings auf die Reduzierung von Kosten bei aufwendigen Vertragserstellungs-

prozessen.

Der Begriff Vertrauen selbst wird in der Sozialkapitalliteratur oft synonym mit dem

Begriff Sozialkapital verwendet. Das mag damit zu tun haben, dass auch Vertrauen

einen wirtschaftlichen Wert hat. Die synonyme Verwendung beider Begriffe ist aber

unprSzise. Unstrittig ist jedoch, dass Vertrauen ein elementarer Bestandteil sozialer

Beziehungen ist (Seligman, 2000) und als Ergebnis vergangener Erfahrungen ange-

sehen wird. "The existence of trust is an essential component of all enduring social

relationships. ...You can do anything with bayonets except sit on them' ....Power,

dominance, and coercion can ...be a temporary solution to the problem of social order

and the organization of the division of labor therein, but they will not in themselves

provide the basis for the maintenance of said order over time" (Seligman, 2000:13).

Die Arbeiten von Seligman (2000) und Stompka (1999) zeigen die unterschiedlichen

Facetten des Begriffs Vertrauen. Stompka verweist darauf, dass es in komplexen Ge-

sellschaften nicht mehr mSglich ist, eine voUkommene KontroUe uber Personen und

Situationen auszuuben. Deshalb kann ohne Rtickgriff auf Vertrauen nicht gehandelt

werden: "It is very rarely that we have fiall control over others. It is only the extremes

of physical coercion that fall under this rubric. In such cases there is no place for trust"

(Stompka, 1999:23).

In all jenen Fallen in denen also keine direkte oder vollkommene KontroUe uber

Situationen und Personen ausgeubt werden kann, mlissen wir, um handlungsMiig zu

bleiben, auf Vertrauen zu bauen. Stompka defmiert mit dieser Perspektive im Hinter-

grund Vertrauen wie folgt: "Trust is a bet about the fiiture contingent actions of others"

(Stompka, 1999:25). Vertrauen hat also im weitesten Sinn immer etwas mit Er-

wartungen zu tun, die wir hinsichtlich zukiinftiger Handlungen oder Ergebnisse vor-

nehmen, aber nicht mit Sicherheit einschatzen konnen (vgl. Luhmann, 1968).

Luhmann argumentiert, dass nur wenn eine vollkommene Beherrschung uber die

Handlungen von Personen und uber zukiinftige Ereignisse sichergestellt werden kann,

kein Vertrauen notwendig sei (Luhmann, 1968:19). Insofem reduziert Vertrauen un-

uberschaubare Komplexitat. Vertrauen dient so der Uberbrtickung von Unsicherheit.

"In dem MaBe, als der Bedarf fUr Komplexitat wachst und der andere Mensch als alter

ego, als Mitverursacher dieser Komplexitat und ihrer Reduktion, in den Blick kommt.

119

Page 130: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

muss das Vertrauen erweitert werden ..." (Luhmann, 1968:27). Je umfangreicher die

Komplexitat in Austauschbeziehungen, umso wichtiger wird Vertrauen, um uberhaupt

handlungsf^ig zu bleiben.

Fehlendes Vertrauen fiihrt in wechselseitigen Beziehungen zu erheblichen Problemen.

In unserem Zusammenhang von Interesse ist jedoch, dass fehlendes Vertrauen es viel-

fach unmoglich macht, Austauschbeziehungen zu etablieren und in weiterer Folge

auch aufrechtzuerhalten. Dennoch zeigt sich die Organisationsokonomik in Bezug auf

die positive Wirkung von Vertrauen skeptisch. Williamson (1999) und Levi (2000)

vertreten neuerdings den Standpunkt, dass nicht Vertrauen, sondem Misstrauen fiir

eine efFiziente Gestaltung von Transaktionen notwendig ist. Levi stellt sich hierzu die

Frage: "Do we really need trust and social capital to improve exchange relationships"

(Levi, 2000:137)? Ihre Antwort ist Nein. Fur Levi ist es nachrangig zu fragen, welchen

Vorteil Vertrauen in wechselseitigen Austauschbeziehungen stiftet. Sie interessiert

sich allein dafiir, welche Kosten bzw. welche Schaden durch vorzeitiges Misstrauen zu

vermeiden sind. Levi (2000:138) begriindet ihre Position damit, dass sie zuerst einmal

annimmt, dass Menschen faul oder fleiBig sind und dass in all jenen Fallen, in denen

die Handlungen der Akteure nicht beobachtbar sind, sich Akteure dafiir entscheiden,

faul zu sein bzw. sich wenig anstrengen. Um dies zu vermeiden, miisse man in organi-

sationalen Beziehungen entsprechende Vorsichtsmafinahmen und eine entsprechende

Vorsorge treffen. Vor dem Hintergrund dieses Menschenbildes argumentiert nun Levi

(2000), aufbauend auf Williamson (1985), dass rationale Akteure, wenn ihnen die Ge-

legenheit dazu geboten wird, mit Arglist tauschen, und sich einseitig Vorteile ver-

schaffen, wenn ihr Verhalten nicht kontrolliert wird. Organisationen, die sich auf Ver­

trauen stutzen, sind nicht iiberlebensfdhig, so Williamson (1985), weil sie sich nicht

effektiv gegen opportunistisches Verhalten schutzen: "One of the implication of

opportunism is that 'ideal' cooperative modes of economic organization, by which I

mean those where trust and good intentions are generously imputed to the member­

ship, are very fragile. Such organisations are easily invaded and exploited by agents

who do not possess those qualities" (Williamson, 1985:65). Diesen Effekt stelle ich

nicht voUkommen in Abrede. Ich bezweifle allerdings, ob dies eine Beschreibung des

zentralen Problems in Organisationen ist, die ihre Beziehungen zu ihren Organisa-

tionsmitgliedem auf Dauer auszurichten (Coleman, 1990:96ff.). Das Problem an dieser

Argumentation ist nicht, dass opportunes Verhalten und die schadigende Absicht indi-

vidueller Akteure ins Zentrum der Aufgaben der Organisationsgestaltung gestellt wird,

sondem dass dadurch Handlungen die auf Vertrauen aufbauen, ausgeschlossen bleiben

120

Page 131: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

bzw. gar nicht zustande kommen. Die damit verbundenen Residualverluste nicht zu-

stande gekommener Austauschbeziehungen mussten dann eigentlich als Kosten des

fehlenden Vertrauens in Betracht gezogen werden.

Arrow beispielsweise hat Vertrauen als uneriassliches ''Schmiermitter wirtschaftlicher

Transaktionen klassifiziert (Arrow, 1974). Und selbst Williamson bestreitet den Effekt

von Vertrauen auf die H(3he der Transaktionskosten nicht, storend findet er alleine den

Umstand, dass Vertrauen schwierig zu operationalisieren ist (Williamson, 1985:405).

Umgekehrt lasst sich jedoch auch argumentieren, dass Misstrauen in wechselseitigen

Austauschbeziehungen hohe Kosten verursacht. Und es aus derselben Uberlegung her-

aus vemunflig ist, in vertrauenswurdige Beziehungen zu investieren. Investitionen in

Vertrauen machen aber nur dann einen Sinn, wenn die Beziehungen auf Dauer ange-

legt sind. *

Coleman hat Uberlegungen angestellt, unter welchen Voraussetzungen es fiir einen

rationalen Akteur sinnvoll ist, in Vertrauen zu investieren. Eine Investition in Ver­

trauen ist, so Coleman, dann ertragreich, wenn die Kosten des Misstrauens grOfier sind

als die Kosten des Vertrauens (1990). Seine Argumentation soil hier kurz skizziert

werden.

In vertrauensvollen Beziehungen interagieren zumindest zwei Parteien, eine Person,

die Vertrauen schenkt und eine Person, der Vertrauen gewShrt wird. Coleman unter-

scheidet zwischen den Handlungsmotiven des Akteurs der Vertrauen gewShrt und den

Handlungsmotiven des Akteurs dem Vertrauen gewShrt wird: "It is not only the

Nun lieBe sich aber auch argumentieren, dass durch die bloBe BeschSftigung mil alien mCglichen Aus-wirkungen und Folgen von Misstrauen unsere Aufmerksamkeit praktisch von dem Thema "Miss­trauen" gefangen wird und wir durch unsere intensive BeschSftigung mit Misstrauen ein besonderes FingerspitzengefUhl entwickeln, in jeder wechselseitigen Austauschbeziehung potentiell schadliche Effekte zu identifizieren, die dadurch vermieden werden k5nnen, indem ausreichende Schutz- und VorsichtsmaBnahmen getroffen werden. Der optimale Schutz bei Misstrauen ist allerdings, keine Transaktionen durchzufUhren. Dann kOnnen wir sicher sein, nicht enttSuscht zu werden. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass Vertrauen gebrochen oder eingehalten wird? Der klassische Fall in der traditionellen Organisationstheorie ist der positive und negative Zyklus von Vertrauen und Miss­trauen, wie er von McGregor (1960) in seiner Theorie X und Y identifiziert wurde. Ein Vorwurf, der von der Organisationspsychologie (vgl. von Rosenstiel, 2000) und der Organisationstheorie kommen kann (SchreySgg, 1999) ist der, dass wir alleine durch unser misstrauisches Vorgehen gewissermaBen die unverrOckbaren Fundamente zum Aufbau einer auf Misstrauen basierenden Organisationskultur implizieren. SchreySgg (1999) meint, dass damit die tatsSchlichen Organisationspathologien erst produziert werden.

121

Page 132: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

potential trustor whose decision must be considered. In many cases the trustee has a

choice between keeping the trust or breaking the trust. The trustee may in certain

cases, find it is to his benefit to break the trust, when he stands to gain in the short run

but lose in the long run by never again being trusted by that trustor (Coleman,

1990:96).

Der Treuhander, dem Vertrauen gewShrt wird, kann das in ihn gesetzte Vertrauen

rechtfertigen oder brechen. Wesentlich zuerst einmal ist aber, dass Handlungen da-

durch erst mOglich werden, well dem TreuhSnder Vertrauen gewahrt wird. Coleman

diskutiert in diesem Zusammenhang das Beispiel eines Bankdirektors der einem

FrSchter einen Kredit gewShrt, ohne die entsprechende Uberprufung der Bonitat

durchzuftihren, well er aus der Vergangenheit im Umgang mit dem Kreditnehmer nur

gute Erfahrungen gemacht hat und darauf vertraut, dass dies auch in Zukunft so

bleiben wird. Durch den gewShrten Kredit wird die Reparatur eines Transportfahr-

zeuges bezahlt und dadurch die Aufi-echterhaltung des Geschaftsbetriebes des

FrSchters mOglich (Coleman, 1990:97).

Coleman skizziert hierfiir auch ein Modell unter welchen Bedingungen Vertrauen ge­

wahrt wird mit dem dieser Fall betrachtet werden kann (Coleman, 1990:97). Ftir das

Modell gelten folgende Annahmen: Wenn p die Wahrscheinlichkeit des zu erwarten-

den Gewinns ist, L der potenzielle Verlust, wenn das gewShrte Vertrauen vom Treu-

hander gebrochen wird, und G der potenzielle Gewinn, wenn das gewahrte Vertrauen

gerechtfertigt war, dann lassen sich drei Handlungssituationen differenzieren

(Coleman, 1990:97).

(1) Wenn - ^ > — dann gewahrt der rationale Akteur Vertrauen. \ — p G

(2) Indifferent verhah sich der Akteur, wenn folgende Bedingung herrscht - ^ = —; 1-/7 G

(3) kein Vertrauen gewahrt der rationale Akteur wenn, -^— < —. 1-/7 G

Mit diesem Modell im Hintergrund definiert Coleman, in Anlehnung an Deutsch

(1962), vertrauensvolles Verhalten als eine Situation "that increases one's vulner­

ability to another whose behavior is not under one's control in a specific type of

situation in which the loss one suffers if the other (trustee) abuses that vulnerability is

122

Page 133: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

greater than the gain one receives if the other does not abuse that vulnerability"

(Coleman, 1990:100). Das Modell zeigt nicht, dass Akteure umso vorsichtiger Ver-

trauen gewahren, je unverbindlicher der Zusammenhalt innerhalb einer konkreten

Gruppe von Akteuren tatsachlich ist. Diese Uberlegungen gelten auch fiir Organisa-

tionen. Existiert tiber eine einmalig gekniipfte wirtschaftliche Beziehung hinaus

zwischen zwei Personen keine verpflichtende Bindung, so ist es wahrscheinlich, dass

eine Gelegenheit, sich eigennutzig zu verhalten, wahrgenommen wird. Der Anreiz

eigene Interessen, die den anderen Akteur mSglicherweise schadigen, zurtickzustellen

ist bei einmaligen und kurzfristigen Beziehungen gering. Existieren jedoch uber die

konkrete wirtschaftliche Beziehung hinaus verpflichtende Verbindungen, dann ist es,

so die Uberlegung, sehr viel unwahrscheinlicher, dass opportunes Verhalten praktiziert

wird. ^ Besteht zusStzlich ein Interesse auch in Zukunft eine wirtschaftliche Beziehung

einzugehen, dann ist es wahrscheinlich, dass eigene Interessen, die den anderen Akteur

benachteiligen, zuriickgestellt werden.

In der von Coleman skizzierten Situation ist das Handeln der Akteure durch die Ge-

winnerwartung bzw. den mfiglichen Verlust abhangig. Zu bedenken ist jedoch, dass in

den meisten Handlungssituationen weder der wahrscheinliche Gewinn noch der wahr-

scheinliche Verlust in die Kalkulation aufgenommen werden kann, sondem auf eine

mehr oder weniger vage Einschatzung zuriickgegriffen wird, wenn iiberhaupt eine

solche vorgenommen wird. Das von Coleman (1990) skizzierte Modell des rationalen

Akteurs, der aufgrund erwarteter ErtrSge, bekannter Kosten und bekannter Wahr-

scheinlichkeiten Vertrauen gewahrt oder nicht gewShrt, ist zumindest am Beispiel der

Vertrauensguter nicht anwendbar (vgl. Picot, Dietl und Franck, 2002:24), well hier der

rationale Akteur keine Informationen hat, ob seine Erwartungen erfiillt wurden und in

den meisten Fallen auch gar nicht uberpnifen kann, ob das von ihm gewahrte Ver­

trauen gebrochen wurde.

Das von Coleman als allgemeines Paradigma formalisierte Handlungsmodell trifft je­

doch nur in wenigen Fallen zu, so meine Uberlegung. Es ist auch gewissermafien er-

staunlich, dass die von ihm angefiihrten Beispiele gerade mit seinem Schema nicht

19 Mit Arrow ist festzuhalten, dass die Effizienz altemativer Transaktionsformen in verschieden Kul-turen aufgrund der Unterschiede im Vertrauen variiert. Im Original heil3t es: "The efficacy of alter­native modes of contracting will thus vary among cultures because of differences in trust" (Arrow, 1974:62).

123

Page 134: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

uberzeugend analysiert werden konnen (z.B. der Bankier, der einen kurzfristigen

Kredit gewahrt, well er alle notwendigen inoffiziellen Informationen iiber die Kredit-

wurdigkeit und VertrauenswUrdigkeit des Kreditnehmers besitzt). Ganz im Gegenteil

ist festzustellen, dass sehr oft Vertrauen dann gewahrt wird, wenn kaum oder keine

verlasslichen Informationen liber potenzielle Kooperationspartner vorhanden sind

(Axelrod, 1984). Unabhangig von existierenden Anreizen schenken wirtschaftliche

Akteure Vertrauen in der Mehrheit der Falle ohne hinreichende Griinde dafiir nennen

zu konnen.

Wie ist also die Frage zu beantworten, warum in wechselseitigen Austauschbe-

ziehungen Akteure anderen Akteuren Vertrauen schenken? Wie entsteht in wechsel­

seitigen Austauschbeziehungen Vertrauen? Worauf grunden wir unsere Annahmen,

dass in wechselseitigen Austauschbeziehungen nicht einseitig schadigendes Verhalten

virulent wird. Was sind gute Griinde, eine wechselseitige Beziehung vor einseitigem

Missbrauch zu schutzen. Oder was sind vemtinftige Bedingungen, wechselseitige Aus­

tauschbeziehungen auf Vertrauen zu errichten?^^ In vielen wichtigen Entscheidungs-

situationen handeln Individuen vertrauenswiirdig, ohne Griinde dafiir zu nennen und

sie sind in vielen Fallen misstrauisch, ohne fUr ihr Misstrauen Griinde zu haben.

Vertrauen dient, wie bereits erwahnt, der Reduktion von Komplexitat (Luhmann,

1968). Oder wie es Gambetta formuliert: "Trust is particularly relevant in conditions of

ignorance or uncertainty with respect to unknown or unknowable actions of others"

(Gambetta, 1990:218). In vielen Situationen, in denen keine sicheren Informationen

zur Verfiigung stehen, greifen Akteure auf Vertrauen zuriick (March, 1999; Gambetta,

20

Die NIE (Neue InstitutionenOkonomik) sieht die Organisation als soziales Interaktionssystem, als einen Nexus von Vertragen und als Ort Okonomischer Aktivitaten (Jost, 2000:17). Die an der NIE orientierte Skonomische Organisationstheorie, der sehr viel abgewonnen werden kann, nimmt die Organisation als soziales Interaktionssystem auf eine ganz spezifische Weise wahr, die sich von meinen Uberlegungen aber in wesentlichen Teilen ganz erheblich unterscheidet. Die Organisation als soziales Interaktionssystem wird in der NIE vorwiegend (wenn nicht ausschliefilich) aus der strikten Perspektive des nutzenmaximierenden Individuums heraus gesetzt. Jedes rationale Individuum, als Mitgiied einer Organisation, setzt entsprechend dieser Theorie Handlungen als einzelnes Ent-scheidungssubjekt (Richter und Furobotn, 1996:3). Damit ist gemeint, jede Person entscheidet auf-grund persSnlicher, eigener und eigenstSndiger Praferenzen, hat eigene Ziele, verfolgt eigene Zwecke und hat eigene Ideen und verfolgt diese unabhangig von dem sozialen Kontext, in den das Individuum eingebettet ist. Der Fokus ist damit nicht das Kollektiv der interagierenden Individuen, sondem alleine das mit anderen Individuen interagierende einzelne Entscheidungssubjekt. Mit dem Ergebnis, dass die Okonomische Entscheidungstheorie grundsatzlich noch immer davon ausgeht, handeln wir als singulare Einzelpersonen, die ausschlieBlich persQnliche und individuelle Interessen maximieren.

124

Page 135: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

1990). Dabei lassen sich verschiedene Formen des Vertrauens unterscheiden. Von

dyadischem (zweiseitigem) Vertrauen wird Vertrauen abgegrenzt, das in einer

grOBeren, generalisierten Gnippe existiert. Der Grad an Vertrauen steht in Zusammen-

hang mit der Qualitat der zur Verfugung stehenden Informationen. Aber auch Miss-

trauen wird von vorhandenen Informationen genahrt. In beiden Fallen ist es jedoch so,

dass Vertrauen und Misstrauen in einem ganz entscheidenden AusmaC von den

eigenen Erfahrungen aktueller und vergangener Beziehungen bestimmt wird.

2. Die Struktur sozialer Netzwerke als Sozialkapital

Die Netzwerktheorie geht von der zentralen Annahme aus, dass Akteure nicht unab-

hangig, sondem interdependent handeln (Sydow, 1993:75). Individuen sind keine iso-

lierten Einzelwesen, die auf der Grundlage ihrer genetischen Disposition determi-

nistisch handeln, sondem ebenso von Kultur in ihrem Denken und Handeln beeinflusst

werden. Die Biologie spricht deshalb von einer Ko-Evolution von Genen und Kultur

(Wilson, 1998:171). Insofem sind in einem Netzwerk die existierenden Bindungen

bzw. der Umfang und die Qualitat der Beziehungen zwischen Akteuren von Be-

deutung, weil sie nicht nur das Handeln der Akteure beeinflussen, sondem auch die

kulturellen Institutionen die ihr Handeln beeinflusst in Kraft setzen. Unsere Wahr-

nehmungen und unsere Erfahrungen sind von unseren sozialen Beziehungen stark be­

einflusst (Kilduff und Tsai, 2003:5). Die Netzwerkstmktur sozialer Beziehungen wird

als Kontext der individuellen Handlungen verstanden und als Muster der Beziehungen

interdependenter Akteure untersucht (Wasserman und Faust, 1999:4). Netzwerke sind

so gesehen mehr als methodische Konstmkte. Das Verhalten und die Handlungen

einzelner Akteure begreift die Netzwerktheorie also nicht unabhangig voneinander,

sondem eingebettet in eine Stmktur von Beziehungen. Sie lehnt hierbei die zentralen

Annahmen des methodologischen Individualismus ab. Dementsprechend konzentriert

sich die Netzwerktheorie und Analyse auf die formale Beschreibung bestehender

Strukturen sozialer Beziehungen.

Mitglieder in einem Netzwerk, so die Theorie, erhalten essentielle Informationen

schneller als Nicht-Mitglieder (Burt, 1992:206). Der Charakter der Mitgliedschaft in

einem bestimmten Netzwerk kann zwischen einer sehr verbindlichen bis hin zu einer

eher unverbindlichen Mitgliedschaft schwanken. Netzwerke mit vielen Bindungen fur

Mitglieder gelten als attraktiver als Netzwerke mit wenigen Mitgliedem. Eine rein auf

Kosten/Nutzen Kalkulen basierende Mitgliedschaft musste die tatsachlichen Aus-

zahlungen/Ergebnisse der Mitgliedschaft permanent einer Bewertung unterziehen und

125

Page 136: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

die weitere Aufrechterhaltung der sozialen Bindungen danach ausrichten. In Netz-

werken ist das nur in wenigen Fallen moglich. Soziales Kapital ist nicht nur das Er-

gebnis rationaler Akteure. Zum Teil ist das so, weil komplexe Informationsasym-

metrien, unterschiedliche Risikoneigungen und Anreizstrukturen fur die in einem

Netzwerk Beteiligten zu beobachten sind.

Mitglieder in einem Netzwerk partizipieren nicht nur am sozialen Kapital des Netz-

werkes, sondem vermehren durch ihre Teilnahme und Nutzung bestehendes Sozial-

kapital. In diesen bestehenden Vorrat an Sozialkapital investieren Mitglieder im Zuge

der Aufrechterhaltung der Beziehungen auch ihre eigenen Fahigkeiten, ihre Talente

und ihre materiellen und immateriellen Ressourcen, sie greifen dabei auf die Fahig­

keiten, Talente und Ressourcen anderer Mitglieder zu und vermehren dadurch den

vorhandenen Bestand an Sozialkapital.

Diese Wirkung ist ganz besonders in der Nutzung und bei der Produktion von in-

tangiblen Leistungen zu beobachten. Je unvoreingenommener in einem Netzwerk

Fahigkeiten und Ressourcen zirkulieren, je offener existierende Arbeitsroutinen in

Zweifel gezogen werden konnen, umso grOfier ist der Wert des sozialen Kapitals, der

in einer Menge von Netzwerkkontakten produziert wird. Netzwerke sind so gesehen

nicht nur soziale Raume in denen Reflexion von Handlungspraxen stattfmdet -

Bourdieu (1997) wurde hier von sozialem Feld sprechen - sondem in der hervorge-

brachten sozialen Interaktion, wird permanent soziales Kapital reproduziert und neu

bewertet. Gleichzeitig werden durch die Handlungen der Akteure Gewohnheiten,

Werte und Normen in Kraft gesetzt und verstarkt und so die Wirkung von Institutionen

selbst evoziert. Institutionen stabilisieren so ihrerseits die Handlungen und „der Stoff

aus dem die Institutionen sich erheben", wie Gehlen es nennt „sind wiederum die in-

einander verschrankten, regulierten, obligatorisch gewordenen wirklichen Handlungen

selbst" (Gehlen, 1986:9). Vertrauen wirkt in diesen rekursiven Prozessen in der

Nutzung und Produktion von sozialem Kapital als Katalysator. Je hOher das Vertrauen,

umso produktiver - so die Uberlegung - ist die Nutzung bestehender VorrSte an So­

zialkapital.

Das zeigt sich insbesondere dann, wenn es darum geht, zwischen einer bestimmten

Menge an Kontakten in einem Netzwerk intangible Leistungen (Wissen) auszu-

tauschen. In diesen Fallen existieren zwar Informationsdefizite zwischen Spezialisten

und Nicht-Spezialisten, die negativen Effekte, so meine These, sind in Netzwerken mit

einem hohen Grad an Vertrauen und mit einem hohen Bestand an Sozialkapital

126

Page 137: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

weniger ausgepr^gt als in steilen Hierarchien, well der Anreiz fehlt, exzessiv zu be-

trtigen oder well die existierenden Institutionen (hervorgebracht durch die geltenden

uber die Handlungen ausgedriickten Gewohnheiten, Werte und Normen) es nicht zu-

lassen, weil die Handlungen selbst durch den Akteur immer vor dem Hintergrund

dessen was als angemessen gilt, gesetzt werden (Bourdieu, 1997). Diese Wirkung iSsst

sich dadurch erklaren, weil der Wert sozialer Netzwerke nicht durch kurzfristige Bin-

dungen, sondem erst durch dauerhafte Beziehungen und durch die in Kraft gesetzten

Gewohnheiten, Werte und Normen entsteht.

ZusStzlich hat dieses als angemessen bewertete Handeln, als habitualisiertes (auf Ge­

wohnheiten basierendes Handeln), auf Werte sich beziehendes und den existierenden

Normen entsprechendes Handeln auch einen intrinsischen Wert fur die Akteure. Ganz

im Sinne von Coleman entsteht Sozialkapital, weil ganz bestimmte soziale Be­

ziehungen einen intrinsischen Wert evozieren: "Social relations are self-sustaining in

the sense that incentives to both parties to continue the relation are intrinsic to the

relation. The incentives are generated by the relation itself, and continuation of the

relation depends on its generating sufficient incentives for both parties" (Coleman,

1990:43). Soziale Netzwerke sind efflzient, weil sie nicht nur Normen, Werte und Ge­

wohnheiten in Kraft setzen (Coleman, 1990; Bourdieu, 1998, 1997; Gehlen, 1986), die

Opportunisten bestrafen, sondem die intakte Struktur besitzen diese Bestrafung auch

umzusetzen, weil die Institutionen habitualisiertes Verhalten verstarkt, das als ange­

messen in dem jeweils konkreten sozialen Raum gilt. ^

Vertrauenswurdige soziale Beziehungen bieten jedoch zusatzlich einen intrinsischen

Wert. Damit dieser intrinsische Wert entsteht, mtissen Netzwerke ganz bestimmte

Viele der Ressourcen in einem Netzwerk sozialer Beziehungen sind grundsatzlich nicht greifbar. Wenn allerdings ein vollstSndig rationales Verhalten neu eintretender Mitglieder unterstellt wird, dann dUrfte der Neuzutritt nur dann erfolgen, wenn die erwarteten Ertrage (die Rente des Netzwerks) h6her eingeschatzt werden, als die Kosten. Der effektive Sanktionswert von "starken Beziehungen" in sozialen Netzwerken besteht darin, dass durch die "intensiven" gegenseitigen Kontakte der Mitglieder untereinander Trittbrettfahrer identifiziert werden. Reputation ist deshalb ein essentieller Wert in Netzwerken. Die Kosten der Defektion sind dann als Verlust entgangener zukiinftiger Renten zu verstehen. In Netzwerken, in denen der Reputationseffekt wirksam ist, sinken daher auch die Be-obachtungskosten, weil jedes Mitglied einen Anreiz hat, defektierendes Verhalten anderer publik zu machen. Diese Fahigkeit, in einem Netzwerk Publizitat zu erzeugen, hSngt von den strukturellen Eigenschaften des Netzwerks ab. Soziale Netzwerke reduzieren also typische Informationsasym-metrien.

127

Page 138: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

qualitative Eigenschaften haben. Ganz allgemein lassen sich diese qualitative!! Eigen-

schaften mit Begriffen wie Selbstbestimmtheit, Selbsteffizienz, Vertrauen, Rezipro-

zitat und Identifikation umschreiben.

Es soil hier nicht der Eindruck vermittelt werden, dass soziale Netzwerke immer und

iiberall idealtypische Organisationsformen darstellen, aber in all jenen Fallen, in denen

idiosynkratisches Wissen und Werte produziert und ausgetauscht werden, sind die

positiven Effekte unstrittig (vgl. hierzu Gulati und Singh, 1998; Blau, 1982). Dichte

und bestandige Netzwerke produzieren einen Vorrat an Sozialkapital und Vertrauen

und sind effizienter und effektiver im Austausch und in der Produktion intangibler

Ressourcen als MSrkte (Nahapiet und Ghoshal, 1998). Markte mit ihren zum Teil ex-

tremen Informationsasymmetrien sind ungeeignet Wissen zu verwerten, well die tat-

sachliche VerauBerung von einer Reihe von Wissenstypen, wie z.B. von Software,

praktisch grenzkostenlos erfolgen kann (Shapiro und Varian, 1999). Deshalb inves-

tieren Untemehmen ungeheure Summen an materiellen und immateriellen Kapital um

dies zu verhindem und die Ware Wissen kiinstlich knapp zu halten (Gorz, 2004). Auf

dieses Problem verweist auch Gorz, wenn er insbesondere kritisiert, dass alles formali-

sierte Wissen, um dessen Herstellung es im Wissensmanagement primSr geht, „von

seinen stofflichen und menschlichen Tragem abgetrennt" werden kann und „praktisch

kostenlos vervielfaltigt werden und in Universalmaschinen unbeschrankt gentitzt

werden" (Gorz, 2004:10) kann. Wie Shapiro und Varian (1999), allerdings aus einer

vollkommen anderen Perspektive heraus, stellt Gorz fest, dass der „Warenwert" (also

der wahre Wert) „hingegen schwindet mit seiner Verbreitung und es wird zum allge­

mein zuganglichem Gemeingut [...] Um hingegen als Ware verkauflich und als Kapi­

tal verwertbar zu sein, muss Wissen folglich in Privateigentum verwandelt und ver-

knappt werden" (Gorz, 2004:11).

Die Netzwerkstruktur und die Diffusion von Wissen und Information ist mit derselben

Problematik konfrontiert. Soziale Netzwerke reduzieren die Koordinationskosten, die

in jeder Organisation mit zunehmender Ausdifferenzierung der Arbeitsteilung ent-

stehen und sie sichem die Appropriierbarkeit der erstellten tangiblen und intangiblen

Leistungen (Gulati und Singh, 1998: 789). Das heifit hier nichts anderes, als dass das

Wissen von seinen - wie Gorz es nennt „stofflichen und menschlichen Tragem" abge­

trennt wird. Auf der anderen Seite ist es offensichtlich, dass die schrankenlose und

damit auch unkontrollierte Verbreitung von Wissen niemand, und schon gar nicht das

Management als wunschenswert erachtet. Und so werden schlieBlich durch kost-

spielige MaBnahmen die Verbreitung und der Zugriff auf Wissen eingegrenzt. Das

128

Page 139: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Problem im Wissensmanagement besteht in diesem Punkt wohl nur darin, dass diese

Aneignung durch eine strenge imd vollstandige Kontrolle erfolgen soil und dadurch

die Voraussetzungen der Produktion, bzw. die Bedingungen, unter denen Wissen evo-

ziert, zerstort werden. Wie diese sozialen Netzwerke in denen Wissen zirkuliert, kon-

trolliert und die Verbreitung einem strengen Reglement unterworfen wird tatsachlich

aussehen (kurz welche Struktur sie haben), lasst sich durch die Analyse sozialer

Netzwerke untersuchen. Im Folgenden mochte ich deshalb einen Uberblick uber die

hier verwendeten Grundbegriffe der Netzwerktheorie und Netzwerkanalyse darstellen

und ftir die Zwecke dieser Arbeit zusammenfassen.

2.1. Netzwerkanalyse

Neben den vorab diskutierten qualitativen Problemen und den erlauterten Voraus­

setzungen unter denen Sozialkapital entsteht, soil hier nun die Struktur von sozialen

Netzwerken diskutiert werden. Einer der Griinde dafiir ist, dass sich zeigen lasst, unter

welchen strukturellen Mustem jeweils unterschiedliche Bedingungen fiir die Pro­

duktion und Diffusion von Wissen ergeben. Die Netzwerkanalyse ist in den letzten

Jahrzehnten nicht zuletzt deshalb ein sehr interessanter und in vielen Disziplinen ver-

wendeter Ansatz geworden, well die Struktur von Netzwerken wissenschaftlich be-

schrieben werden kann, sondem well mit der Netzwerkanalyse mathematische Me-

thoden verwendet werden, um die Struktur der Netzwerke exakt zu untersuchen. Die

ganze Vielfalt und Tiefe dieses Ansatzes soil hier nicht dargestellt werden. Zu diesem

Zweck stehen bereits einige sehr wertvolle Arbeiten zur Verfiigung. Zum Beispiel er-

lauben Wasserman und Faust (1999) einen sehr umfangreichen und genauen Uberblick

uber die Methoden und Inhalte der Netzwerkanalyse.

Einen sehr informativen Uberblick iiber die Entstehung der Netzwerkanalyse bietet

Scott (1991). Ausgehenden von den Wurzeln der Netzwerkanalyse, die in der Gestalt-

theorie liegen, die eine recht eigenstandige Entwicklung innerhalb der Psychologic

durchgemacht hat, setzen sich die Entwicklung und die Auslaufer uber die Organisa-

tionsforschung, insbesondere in den Arbeiten zur Gruppendynamik weiter (Lewin,

1938). Wichtige Telle dieser Verzweigungen der Ursprunge fmden sind auch in der

Logistik und in der Wegeplanung, die mit der mathematischen Graphentheorie ar­

beiten. Elton Mayo, kein Unbekannter, hat in den 1920er und 1930er Jahren die Ent­

wicklung der Netzwerkanalyse stark mitgepragt. Vielfach sind diese Wurzeln aus der

Sicht der heutigen Netzwerkanalyse etwas aus dem Blickfeld geraten. In erster Linie

ist die struktural-funktionalistische Schule um Homan (1961) zentraler Angelpunkt in

129

Page 140: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

der sozialen Netzwerkanalyse (z. B. Burt, 1982; White, 2002; Granovetter, 1973).

Wesentliche Impulse erhielt die Netzwerktheorie auch von der interpretativen Sozio-

logie von Georg Simmel (1922). Siehe hierzu auch die Gesamtdarstellung von Kilduff

und Tsai (2003). Eine der wichtigsten Vertreter, der gerade in Bezug auf Fragen des

Wissensmanagements Antworten diskutiert ist Ronald Burt, der sich in mehreren Ar-

beiten mit methodischen Fragen beschafligt (1982 und 1992). Hier im Folgenden wird

die Netzwerkanalyse in zentralen Aspekten dargestellt. Bei der Auswahl der Themen

war folgende Uberlegung von Bedeutung. Der Wert von Sozialkapital hSngt nicht nur

von der Qualitat der Beziehungen ab (z. B. wie hoch das Vertrauen in einer Organi­

sation ist und wie tragMig die existierenden Beziehungen sind), sondem ebenso sehr

von der konkreten Struktur der Beziehungen zwischen einer bestimmten Menge von

Akteuren in einem Netzwerk.

In jeder Organisation stehen einzelne Mitglieder in einem unterschiedlichen AusmaC

miteinander in Verbindung. Jedoch ergibt sich durch die Arbeitsteilung in einer Ge-

sellschaft eine Struktur von Beziehungen, die in einigen Bereichen als sehr dicht be-

zeichnet werden kann und in anderen Bereichen praktisch keine Beziehungen/

Bindungen existieren. tjberspitzt formuliert sind damit immer eine konkrete Menge

von Akteuren, die untereinander in Kontakt stehen gleichzeitig von einer unbe-

stimmten Menge anderer moglicher Kontakte getrennt. Die Verbreitung von Wissen

stellt zwischen den Gruppen mit dichten Kontakten und anderen Gruppen mit dichten

Kontakten, die aber untereinander nicht verbunden sind, ein zentrales Problem dar. Mit

zunehmender Ausdifferenzierung einer Gesellschaft verstarkt sich dieses Problem als

Ergebnis arbeitsteiliger Systeme. In hochgradig arbeitsteiligen Systemen ist die

Struktur der Arbeitsbeziehungen reduziert auf eine anonyme funktionale Verkettung.

Diese funktionale Anonymitat wird - nicht nur bei immer wiederkehrenden Dys-

funktionalitaten - in Frage gestellt, und zumindest innerhalb einer Organisation auf

vielfaltige Weise von informellen Kontakten und personlichen Netzwerken uber-

bruckt.

In der Netzwerkanalyse geht es darum, die Struktur der Verbindungen einzelner Ak-

teure zu beschreiben und zu analysieren. Dabei wird angenommen, dass das Handeln

und die Rationalitat des Akteurs iiber seine Beziehungen zu anderen Akteuren erklart

werden kann bzw. in einem erheblichen AusmaB beeinflusst wird. Ziel der Netzwerk­

analyse ist es, die bestehenden Bindungen in einem Netzwerk und das daraus erkenn-

bare Muster der interdependenten Vemetzung einzelner Akteure zu analysieren (Scott,

1991:8). Als Akteure werden Personen, Firmen, Abteilungen und/ oder Organisationen

130

Page 141: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

untersucht. In der sozialen Netzwerkanalyse stehen das Verstandnis der Beziehungen

sozialer Einheiten und deren Wirkungen auf die soziale Einheit im Vordergrund.

Wasserman und Faust unterstreichen: „social network analysis is concerned with

understanding the Unkages among social entities and the implications of these

linkages" (Wasserman und Faust, 1999:17). Die Netzwerkanalyse richtet ihr Interesse

auf eine jeweils begrenzte Menge von Kontakten. Den Akteuren werden haufig die

Bezeichnung Knoten oder Kontakt gegeben, weil durch jede bestehende bzw. fehlende

Beziehung zwischen den in einem Netzwerk existierenden Punkten jeweils ein be-

stimmtes Muster erkennbar ist. Die zwischen Akteuren zustande kommenden Be­

ziehungen werden als Bindung oder ties bezeichnet. Diese Bindungen kSnnen einseitig

Oder zweiseitig sein. Ziel der Netzwerkanalyse ist es die Struktur dieser Austausch-

beziehungen zu untersuchen. Wasserman und Faust stellen dazu fest: „The defining

feature of a tie is that it establishes a linkage between a pair of actors'' (Wasserman

und Faust, 1999:18).

Die Bindungen werden als ties bezeichnet und kOnnen sehr unterschiedliche Be­

ziehungen zwischen jeweils zwei oder mehreren Akteuren kennzeichnen. Bindungen

konnen verschiedene Beziehungen zwischen einzelnen Kontakten sein: z.B. kann es in

einer Beziehung um die Bewertung eines Akteurs A durch einen anderen Akteur B

handeln (etwa eine existierende Freundschaft, vorhandene Sympathie, das Ausmafi an

Respekt); oder es wird als Beziehung der Transfer oder Austausch materieller

Ressourcen zwischen einzelnen Akteuren erhoben (wie z. B. geschaftliche Trans-

aktionen, Zulieferbeziehungen, Kredite, Zahlungen, etc.); Bindungen kSnnen ebenfalls

die Vereinszugehorigkeit oder eine im Verein mit anderen Akteuren erfolgte Tdtigkeit

sein, wie z.B. der gemeinsame Besuch einer Veranstaltung von einer bestimmten

Menge von Akteuren, die ZugehOrigkeit zu einem Verein. Es werden ebenso ver-

haltensbezogene Eigenschqften einer Beziehungen zwischen einzelnen Kontakten

untersucht, wie z. B. die Anzahl der Telefonate, die Anzahl der Email-Nachrichten

oder die Anzahl der personlichen GesprSche pro Beobachtungseinheit. Es kQnnen aber

ebenso physische Verbindungen, wie ein Verkehrsnetz, beispielsweise die Verkehrs-

verbindungen zwischen verschiedenen Orten (Knoten) oder die Anzahl der Brucken

untersucht werden. Als Beziehung lassen sich auch hierarchische Beziehungen

zwischen Vorgesetzten und Untergebenen untersuchen (z. B. die Entscheidungswege

und -strukturen in einer Organisation, welcher Akteur anweisungsbefugt gegentiber

anderen Akteuren ist) und es werden in der Netzwerkanalyse auch der Aufbau von

Verwandtschaftssystemen untersucht (Wasserman und Faust, 1999:18).

131

Page 142: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Durch die gesamte Anzahl der moglichen paarweisen Beziehungen ergibt sich die kon-

krete Stmktur in Netzwerken. Sowohl die Beziehungen als auch die Struktur (das

Muster) werden in der Netzwerktheorie untersucht, weil angenommen wird, dass die

Struktur der Beziehungen die Handlungen (Granovetter, 1985) bzw. die Handlungs-

optionen Burt, 1992) der Akteure beeinflusst. Der Hintergrund dieser Untersuchungs-

methode ist eine theoretische Position, die darauf beruht, dass jede Handlung in ein

Netzwerk bestehender persSnlicher Beziehungen eingebettet ist und nicht das Ergebnis

eines atomisierten Akteurs: „Economic action is embedded in ongoing networks of

personal relationships rather than being carried out by atomized actors" (Granovetter

und Swedberg, 2001:11).

Als eine bemerkenswerte Pramisse der sozialen Netzwerktheorie ist zu nennen, das sie

die Handlung eines Akteurs mit der Beziehung, die durch diese Handlung zu anderen

Akteuren hergestellt wird, erklart. Die unterste Ebene der Analyse ist also die Bindung

zwischen zwei Akteuren durch eine Beziehung. Diese Beziehung wird nicht als Er­

gebnis eines einzelnen Akteurs betrachtet, sondem in ihrer Wirkung auf beide

Akteure, die mit dieser Bindung in Zusammenhang stehen: „At the most basic level, a

linkage or relationship establishes a tie between two actors. The tie is inherently a

property of the pair and therefore is not thought of as pertaining simply to an indi­

vidual actor'' (Wasserman und Faust, 1999:18). Vor diesem Hintergrund verstehen

Granovetter und Swedberg unter einem sozialen Netzwerk „a regular set of contacts or

social connections among individuals or groups. And action by a network member is

embedded, since it is expressed in interaction with other people" (Granovetter und

Swedberg, 2001:11). Eine der wichtigsten Verhaltensannahmen der sozialen Netz­

werktheorie ist dementsprechend, dass das Verhalten eines Akteurs i, durch die

Bindung und das Verhalten eines anderen Akteurs j beeinflusst (Wasserman und Faust,

1999:7). ^

22

In der Netzwerktheorie wird welters zwischen Dyaden (zweiseitigen Bindungen; d.h. einzelne miteinander verbundene Paare von Akteuren), Triaden (dreiseitige Bindungen, d.h. mOgliche oder tat-sSchliche Verbindungen zwischen drei Akteuren in einem Netzwerk), Subgruppen unterschieden. Wenn Mitglieder dieser Subgruppen untereinander vollstSndig verbunden sind, wird auch von einer Clique gesprochen. Gruppen sind wie folgt definiert: ,A finite set of actors who for conceptual, theoretical, or empirical reasons are treated as a finite set of individuals on which network measures are made" (Wasserman und Faust, 1999:19).

132

Page 143: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Der Terminus soziales Netzwerk bezieht sich immer auf eine Gruppe von Akteuren,

die imtereinander in Beziehung stehen (Wasserman und Faust, 1999:9). Die soziale

Netzwerktheorie geht also bereits davon aus, dass die Verbindungen zwischen ein-

zelnen Akteuren, und nicht der unmittelbare, kurzfristige Kontakt, zentrales Struktur-

merkmal ist. Es ist also nicht der Akteur, der als Referent der Handlung X eine Be-

deutung verleiht, sondem erst durch die Struktur der Bindungen zwischen den Ak­

teuren gewinnt die Handlung X an Bedeutung. Dabei ist wesentlich, dass das

Handlungsinteresse und die HandlungsmOglichkeiten der Akteure durch die Netzwerk-

kontakte erst entstehen. Die Struktur der Beziehungen strukturiert die Handlungs-

moglichkeiten der Akteure.

Die Struktur eines sozialen Netzwerks steht, so die These hier, mit der FShigkeit einer

Organisation in Verbindung, Wissen zu produzieren und dieses Wissen innerhalb der

Organisation zur Verfugung zu stellen. Der Ubergang von einer Netzwerkstruktur zu

einer anderen stellt allerdings ein zentrales Problem dar (siehe unsere Kritik an der

Wissensmanagementkonzeption von Boisot und Nonaka). Es ist also nicht das Indi-

viduum, das Wissen produziert, sondem die Struktur der Beziehungen in einer be-

grenzten Menge von Kontakten strukturiert die kognitiven Moglichkeiten unter denen

Wissen evoziert. Durch die Analyse der Struktur eines Netzwerks lasst sich zeigen, in

welchem AusmaB verschiedene Wissensformen innerhalb existierender Beziehungen

ausgetauscht und verbreitet werden. Was die Netzwerkanalyse interessant macht, ist

dass sie die konkrete Struktur von Beziehungen identifiziert, uber die verschiedene

Wissenstypen generiert und ausgetauscht werden konnen. In der sozialen Netzwerk­

theorie werden also nicht isolierte Akteure, sondem der strukturelle Kontext der

sozialen Bindungen untersucht. Wesentliche Annahme dabei ist: "actor exists within a

system of actors and evaluates altemative actions within that context" (Burt,

1982:331). Das heifit nichts anderes, als dass die Netzwerkanalyse der simplen Tat-

sache verpflichtet ist, dass Handlungen einzelner Akteure interdependent sind (Weick,

1995; Giddens, 1984) und gerade im Austausch idiosynkratischer Leistungen viel-

faltige, reziproke Verpflichtungen und dauerhafte Handlungsreferenzen hergestellt

werden. Nicht der einzelne nutzenmaximierende Akteur ist Untersuchungsgegenstand,

sondem die Strukturen, in denen seine Handlungen und seine Handlungsmoglichkeiten

eingebettet sind und die dadurch hervorgebrachte Handlung.

133

Page 144: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

2.1 A. Grundbegriffe und Methoden der sozialen Netzwerkanalyse

Im Folgenden soil hier allerdings nur ein Uberblick Uber zentrale Grundbegriffe der

Netzwerkanalyse geboten werden. Dieser Uberblick kann freilich kein vollstSndiger

sein (vgl. hierzu die Ubersicht von Scott, 1991; Burt 1982; Wasserman und Faust,

1999). Ganz allgemein wird in der einschlagigen Literatur festgehalten, soziale Netz-

werke bieten Informationsvorteile. Informationsvorteilsreiche Netzwerke sind solche,

die reich an Kontakten sind und die Zugange zu neuen Informationen garantieren (vgl.

Burt, 1992:15). Mit dieser Perspektive zeigt sich jedoch bereits ein wesentlicher bias

der Netzwerkanalyse. Informationen sind nur dann wertvoU, wenn sie neu sind und sie

werden als wertvoll nur dann betrachtet, wenn sie nicht mit jedem Kontakt in einem

Netzwerk geteilt werden. Das hat den banalen aber schwerwiegenden Effekt, dass In­

formationen an Wert gewinnen, wenn sie durch eine eingeschrankte Verbreitung

ktinstlich verknappt werden. Die tatsachliche Netzwerkstruktur bildet so gesehen die

Grundlage Wissen knapp zu halten und den Wissensstrom zu beherrschen. Das

zentrale Paradox ist, dass die meisten Wissensformen durch ihre Kontrolle zerst5rt

werden. In diesem eingeschrankten Sinn bieten wertvolle soziale Netzwerke selektiv

Kontakte, das heilit, die Anzahl der Bindungen - aus strategischen Uberlegungen her-

aus - wird minimiert. So dienen hierarchische Netwerkstrukturen immer einem Herr-

schaftsinteresse. Informationsreiche und informationsarme Netzwerke lassen sich an

ihrer Struktur differenzieren. Zur Illustration dieses zentralen Merkmals ein fiktives

Beispiel, das die Eigenschaft der Hierarchic und seiner Folgen in einer Netzwerk­

struktur zeigt (siehe Abbildung 19).

134

Page 145: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Abbildung 19: Hierarchic in Nctzwcrkstrukturcn (cigenc DarstcUung)

Das hier dargestellte Netzwerk besteht aus 11 Kontakten, wobei der Kontakt mit der

Bezeichnung EGO zu alien anderen jeweils eine Bindung unterhSlt. Es handelt sich

hierbei um ein informationsreiches Netzwerk, well keine redundanten Kontakte im

Netzwerk existieren. Untereinander haben die einzelnen Kontakte keine Verbindung.

Das heifit, dass all die Informationen, die jeweils andere Kontakte in diesem Netzwerk

besitzen, nur iiber den Kontakt Ego zugeteilt werden. Das dargestellte Netzwerk ist,

ein sehr hierarchisches Beziehungsmuster. Hierarchie in Netzwerken hat den Effekt,

das es einzelnen Kontakten moglich ist, Informationen oder ganz allgemein formuliert,

Austauschbeziehungen zu kontroUieren. Ihre privilegierte Position hat aber auch einen

entscheidenden Nachteil, sie sind umgekehrt ebenso abhSngig von alien anderen Kon­

takten. In hierarchischen Netzwerken haben einzelne privilegierte Kontakte die Mog-

lichkeit den Zufluss und die Diffusion von Information zu regulieren. Der Effekt der

Hierarchie in Netzwerkstrukturen, wie in dem betrachteten Beispiel ist der, dass die

Kontakte 1 bis 10 keinen direkten Zugang zu Ressourcen der anderen Kontakte haben.

Z.B. hat Kontakt 9 keinen direkten Zugang zu Ressourcen von Kontakt 7. Das gilt far

alle Kontakte, die Ego, als privilegierter Kontakt, der den gesamten Informationsfluss

kontrolliert. Ego hat in dem dargestellten Netzwerk die zentrale Stellung, von der her-

aus die KontroUe uber bestehende Ressourcenflusse ausgetibt wird. Das dargestellte

Netzwerk ist allerdings keine realistische Darstellung sozialer Beziehung, allerdings

135

Page 146: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

haben alle baumartigen Netzwerkstrukturen die Tendenz zur Kontrolle (Zunick-

haltung) von Informationen.

Das Gegenstuck hierzu stellt eine Netzwerkstruktur dar, in dem jeder Akteur mit

jedem anderen Akteur direkt in Verbindung steht. Ein solches Netzwerk ist in der

folgenden Abbildung 20 dargestellt. In dem gezeigten Netzwerk unterhalt jeder Kon-

takt mit jedem anderen Kontakt eine Verbindung. Es existieren sehr viele redundante

Bindungen, d. h. es werden sehr oft gleiche oder ahnliche Informationen zirkulieren,

jedoch ist zugleich keine privilegierte Position mehr in der Netzwerkstruktur vor-

handen. Der Kontakt Ego ist nicht mehr privilegiert und besitzt keine Kontrolle mehr

uber die Ressourcenfltisse durch seine Position in der Struktur des Netzwerkes, da alle

anderen Kontakte unabhangig von seiner Position Zugriff auf Ressourcen der anderen

Kontakte besitzen.

Es besteht also die Moglichkeit die beschrankende Position von Kontakt Ego zu um-

gehen. Eine Kontrolle der Ressourcenfltisse von einem Punkt aus ist nicht mehr mog-

lich. Informationen und Ressourcen konnen frei in der Netzwerkstruktur diffimdieren.

In derartigen Netzwerken ist die Wahrscheinlichkeit sehr groB, dass Ressourcen, die

im Netzwerk zirkulieren, grundsStzlich alien Kontakten zur Verftigung stehen. Ein

weiterer Effekt ist, dass sehr ahnliche oder tiberhaupt die gleichen Informationen und

Ressourcen zirkulieren. Handelt es sich aber im Fall der jeweiligen Kontakte um

Akteure, die beispielsweise nicht artikulierbares Wissen oder idiosynkratische Er-

fahrungen mit andere Kontakten teilen, so kann eigentlich nicht argumentiert werden,

dass die gleichen Informationen oder Ressourcen verteilt bzw. geteilt werden. Im

idealtypischen Fall ist es in diesem - hier als egalitar bezeichneten - Netzwerk so, dass

jeder Akteur, unabhangig von EGO, der keine privilegierte Position mehr einnimmt,

auf die Ressourcen der anderen Kontakte im Netzwerk Zugang hat. Ein typisches

Merkmal in dem hier gezeigten Netzwerk von Beziehungen ist zudem, dass es keine

Lucken aufweist. Es bietet somit keine Moglichkeit, dass sich einzelne Akteure

gegentiber anderen Akteuren Vorteile verschaffen, auf diesen Punkt komme ich spater

noch zurtick.

136

Page 147: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Abbildung 20: Egalitare Netzwerkstruktur (eigene Darstellung)

3 ^ 6.

2.1.2. Dichte

Die Dichte informiert uber das AusmaB, mit dem ein Akteur im Netzwerk mit anderen

Knoten verkniipft ist. Burt beschreibt die Dichte eines Netzwerkes als die Anzahl der

m5glichen Paare (d. h. die Anzahl der mSglichen Zweierbeziehungen in einer Menge

von Akteuren) geteilt durch die tats^chliche Anzahl der Beziehungen (Burt, 1982:45).

Die Eigenschaft der Dichte ist also ein sehr aufschlussreicher Parameter in einer Netz­

werkstruktur und es lasst sich argumentieren, je dichter ein Netzwerk von vertrauens-

wtirdigen Kontakten, umso grOfier die FShigkeit in dem jeweiligen sozialen Netzwerk

idiosynkratische Wissensformen auszutauschen.

2.1.3. Ego-Netzwerk

Eine weitere MOglichkeit die Struktur eines Netzwerkes zu untersuchen ist die Be-

trachtung der zu- und abfliefienden Bindungen aus der Sicht eines einzelnen ausge-

wShlten Akteurs. Das Netzwerk dieses ausgewahlten Akteurs wird in der Netzwerk-

analyse als Ego-Netzwerk bezeichnet. Burt (1982:31) defmiert ein Ego-Netzwerk

durch die direkten Kontakte, die ein Akteur (j) mit anderen Akteuren (i) in einem

137

Page 148: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Netzwerk (z) unterhalt. Solche Netzwerke werden in der Literatur auch als primare

Netzwerke, primare Sterne oder als pers5nliche Netzwerke bezeichnet. Aus der Be-

trachtung der Ego-Netzwerke kdnnen Reichweite und Dichte als soziometrische Daten

im Netzwerk erfasst werden.

Borgatti, Everett und Freeman (2002) schlagen folgende soziometrischen Parameter

ftir die Analyse eines Netzwerkes vor:

• die Gr66e des Ego-Netzwerks, defmiert durch die Zahl der direkten Bindungen

des Kontaktes EGO zu anderen Kontakten im Netzwerk,

• die Anzahl der gesamten Bindungen im Ego-Netzwerk (also nicht nur der

Kontakte von Ego, sondem auch alle anderen Kontakte werden mitgezahlt;

• die Paare im Ego-Netzwerk, defmiert durch die gesamte Zahl der mOglichen

Bindungen im Netzwerk;

• die Dichte (Density) defmiert als die Anzahl der aufrechten Bindungen durch die

Anzahl der mSglichen Verbindungen;

• die langste Distanz im Netzwerk, defmiert als jene Distanz, die die beiden am

weitesten entfemten Knoten tiberwinden miissen, um eine Verbindung mitein-

ander herzustellen (= Anzahl der notwendigen Bindungen, die uberbrUckt werden

miissen).

2.1.4. Cliquen in Netzwerken

In der Netzwerkanalyse wird einer Gruppe von Akteuren die untereinander in Kontakt

stehen, eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Diese Gruppen bilden sich aus ver-

schiedenen Cliquen. Als Clique wird in der Netzwerkanalyse eine Menge von Kon­

takten bezeichnet bei denen jeder Kontakt mit jedem Kontakt in Beziehung steht. Eine

Clique wird als vollstandiger Sub-Graph bezeichnet und besteht aus zumindest drei

Kontakten. Cliquengrenzen konnen sich innerhalb von Gruppenkontakten Uber-

schneiden. Eine paarweise Beziehung wird nicht als Clique betrachtet. Bindung in

einer Clique werden als starker ausgeprSgte Bindungen in einem Netzwerk betrachtet.

Festinger (1957:175) stellt hierzu fest, je gr613er die KohSsion innerhalb einer Gruppe

ist, umso mehr Freundschaften existieren in der Gruppe und umso grOfier ist der Effekt

der Homophilitdt (d.h., dass Kontakte mit gleichen Eigenschaften sich mit grSfierer

Wahrscheinlichkeit in Cliquen zusammenschlieBen bzw. von ihren Attributen her ge-

sehen ahnliche Kontakte stabilere Beziehungen unterhalten). Granovetter bezeichnet

diesen Effekt als Transitivity (Granovetter, 1973).

138

Page 149: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

2.1.5, Position des Akteurs in Netzwerkstrukturen

Die Position eines Akteurs im Netzwerk hangt nicht nur von der Gestaltung der auf-

rechten Bindungen zu anderen Akteuren ab, sondem von den fehlenden Bindungen des

Akteurs zu alien iibrigen potenziellen Kontakten. Der soziometrische Parameter, der

diese Eigenschafl in einem Netzwerk misst, ist die Zentralitat. Ein ZentralitatsmaB

wird ftir die Position eines Akteurs in einem Netzwerk dadurch ermittelt, dass die

Anzahl seiner Bindungen durch die Anzahl der moglichen Bindungen im Netzwerk

geteilt wird. Der Zweck einer Positionsanalyse ist die Reduktion von Information Uber

die komplexe Struktur in einem Netzwerk (Wasserman und Faust, 1999:361).

Abbildung 21: Position eines Akteurs im Netzwerk (eigene Darstellung)

4 -3

Netzwerkzentralitat lasst sich durch die kurzeste Distanz einer Position zu alien

anderen Positionen in einem Netzwerk ebenso definieren. Wichtig dabei ist, dass die

LSnge eines Weges die Anzahl der Bindungen zwischen den Knoten ist. Ein Eckpunkt

in einem Netzwerk ist dadurch defmiert, dass kein weiterer Weg (Kontakt) zu anderen

Knoten im Netzwerk fUhrt, in dem gezeigten Beispiel trifft diese Eigenschafl auf die

Knoten 1, 2, 3 und 4 zu (vgl. Freeman, 1979; Borgatti, Everett und Freeman, 2002).

Position, Dichte, GrOBe des Ego-Netzwerkes z. B. zeigen, inwieweit Kontakte in der

Lage sind, auf die Expertise bzw. Unterstutzung anderer Kontakte zuzugreifen. In

139

Page 150: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

diesem Zusammenhang diskutiert Burt (1992) die Netzwerkredundanz, also die An-

zahl sich wiederholender Bindungen, als zentralen Netzwerkparameter.

2.1.5.1. Netzwerkredundanz

Wird der Wert von Kontakten danach beurteilt, in welchem AusmaB gleiche oder ahn-

liche Ressourcen zuganglich werden, dann ist die Gr56e des Netzwerks ein ambi-

valentes Kriterium fiir die Effizienz. Burt argumentiert deshalb, dass informationsvor-

teilsreiche Netzwerke jene sind, in denen selektiv Kontakte unterhalten werden (vgl.

Burt, 1992:15). Das begrundet er damit, dass Kosten der Aufrechterhaltung von redun-

danten Kontakten mit dem Ertrag der Kontakte in Beziehung zu setzen sind. Illustrie-

ren lasst sich seine Uberlegung durch die folgende Abbildung. In dieser Abbildung ist

in der oberen Reihe ein auf drei Stufen expandierendes Netzwerk dargestellt (Burt,

1992:16).

Abbildung 22: Wachstum und Netzwerkredundanz (Burt, 1992)

Quelle: Burt, 1992:17 u. 20

140

Page 151: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Im Netzwerk Ai unterhalt der Kontakt Ego (A) vier primare Bindungen zu anderen

Kontakten. Keine der vier illustrierten Bindungen zu den peripheren Kontakten ist

redundant. Weil die peripheren Kontakte untereinander nicht in Verbindung stehen, ist

jede Information, die Ai von den vier peripheren Kontakten bekommt neu. Im zweiten

Beispiel Bi ist dieses Netzwerk um vier weitere Kontakte vergroBert. In diesem Fall

unterhalt Kontakt B jedoch vier redundante Bindungen zu den peripheren Kontakten,

well diese Kontakte in der Peripherie miteinander in Beziehung stehen und Bi zu

jedem einzelnen Kontakt eine eigene Verbindung unterhalt. Im Netzwerk Bi werden

insgesamt 12 Bindungen und im Netzwerk Ci 40 Bindungen unterhalten. Fiir den

Akteur B sind im Fall Bi ein Viertel der Bindungen redundant. Fiir den Akteur C sind

im Fall Ci 12 Bindungen redundant.

Burt (1992) zeigt, dass mit steigender Anzahl nicht-redundanter Kontakte die Wahr-

scheinlichkeit zunimmt, neue Informationen zu erhalten und umgekehrt, dass mit

steigender Anzahl redundanter Kontakte die Menge neuer Informationen abnimmt. So

gesehen sind Netzwerke dann far Akteure effizient, wenn die Anzahl der Kontakte

zunimmt, aber die Redundanz der Kontakte reduziert wird oder gleich bleibt. Das heifit

je hoher die Anzahl der Kontakte und je geringer die Anzahl der Bindungen der Kon­

takte untereinander, umso mehr Informationen sind in diesem Netzwerk zuganglich.

Dieser Effekt ist umso groBer, je geringer die Verbindungen der Kontakte unterein­

ander sind. Burt erganzt, dass der Unterhalt einer Bindung Kosten verursacht und diese

Kosten dem Ertrag (Informationswert) gegenuberstehen.

Burt (1992) argumentiert deshalb, dass nicht die Anzahl der Kontakte, sondem die

Anzahl der nicht-redundanten Bindungen iiber die Effizienz von Netzwerkstrukturen

entscheidet. Im illustrierten Ego-Netzwerk Ai (in der Abbildung 23) bestehen keine

redundanten Beziehungen der Kontakte untereinander. Die Netzwerkredundanz des

Ego-Netzwerks Ai ist 0 (vgl. Borgatti, Everett und Freeman, 2002). Die im Ego-Netz­

werk Ci unterhaltenen Bindungen zeigen hingegen eine hohe Redundanz. Die hohe

Redundanz der Bindungen verursacht hohe Kosten, well jeder einzelne Kontakt unter­

halten werden muss, ohne dass dadurch die Effizienz erhoht wird (beurteilt nach dem

Grad der Neuheit der Informationen).

2.1.6. Effekte der Netzwerkredundanz

Aus dieser Perspektive heraus wird daher argumentiert, [a] "sparse network provides

more information benefits" (Burt, 1992:17). Plausibel sind diese Uberlegungen von

Burt (1992) allerdings nur, wenn in redundanten Netzwerken Kontakte Informationen

141

Page 152: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

teilen, die alle anderen Kontakte bereits besitzen. Unstrittig ist, dass Redundanz

Kosten verursacht. Die Kosten betreffen die Herstellung, Unterhaltung und Aufrecht-

erhaltung von Bindungen ohne mit Sicherheit den Zugang zu neuen Informationen zu

gewahren. Deshalb ist ein Netzwerk mit hoher Redundanz, nach Burt ein ineffizientes

Netzwerk und ein Netzwerk mit einer hohen Anzahl an nicht-redundanten Bindungen

ein effizientes (vgl. Burt, 1992:24).

In Abbildung 23 sind unterschiedliche Effekte bezogen auf die Effizienz des Aus-

tauschs von Daten, Informationen und Wissen und den Zusammenhang zur Netzwerk-

redundanz illustriert. Die These dabei ist, dass differenziert werden muss, ob jeweils

Daten, Informationen oder Wissen in dem Netzwerk zirkulieren. Burts Theorie der

Netzwerkeffizienz und der effektiven GroBe eines Netzwerks ist zuzustimmen, wenn

innerhalb eines Netzwerks Daten und Informationen zirkulieren. Ganz anders verhalt

es sich jedoch, wenn implizite Wissensformen in Organisationen ausgetauscht werden.

In der folgenden Abbildung habe ich den Aufsvand, verstanden als die Kosten der Auf-

rechterhaltung von Bindungen und den Ertrag, den die Kontakte abwerfen fur die Bei-

spiele des Daten-, Informations- und Wissenstransfers skizziert.

Abbildung 23: Effekte der Netzwerkredundanz auf die Wissensproduktion (eigene Darstellung)

Ertrag/Aufwand

f Daten

V hoc

steile

Effizienz

h

J (informationen)

Redundanz

Effekt

Hierarchie

f Wissen J gering

flache

Effektivitat

Ausreichend kodifizierte Daten konnen, so die These der Redundanz in Netzwerken,

in nicht redundanten Strukturen ohne Qualitatsverlust transferiert werden. Insofem

trifft die Annahme von Burt zu, dass Redundanz Kosten verursacht, aber keinen

weiteren Ertrag abwirft. Die Ubermittlung von Informationen, soweit sie ausreichend

142

Page 153: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

kodifiziert sind, kann in nicht-redundanten Stmkturen effizient durchgeflihrt werden.

Zudem ISsst sich in nicht-redundanten Stmkturen der Zugang zu Informationen besser

kontrollieren als in redundanten Stmkturen. Das heiBt, dass in der Ubermittlung von

Daten und Informationen, Nicht-Redundanz als effizientes und effektives Kriterium

gelten kann, uber das der Informations- und Datentransfer einer effektiven KontroUe

unterliegt. Ganz anders steht es mit den Wirkungen von Redundanz bei der Trans­

mission von schwer artikulierbaren Wissens- und Praxisformen. Die Verbreitung von

nichtartikuiierbarem Wissen ist auf personliche, dauerhafte Kontakte angewiesen;

Cliquen mit ihren redundanten, sehr oft transitiven Bindungen eignen sich demnach als

Netzwerk-Struktur ftir die Verbreitung und Ubermittlung von nicht-artikulierbaren

Wissensformen.

Bin effizientes Netzwerk fiir die Verbreitung von Informationen ist dann eines mit

einer hohen Zahl nichtredundanter Kontakte, ein effektives Netzwerk fur die Pro-

duktion von Wissen ist ein Netzwerk mit einer groBen Anzahl redundanter Kontakte.

Die Optimierung der Effizienz eines Netzwerks erfolgt durch die VergroBerung der

Zahl der nicht-redundanten Kontakte bzw. durch die Reduzierung vorhandener redun­

danter Kontakte. Burt bezeichnet deshalb auch das Design der Netzwerkbindungen als

Mittel, um die Netzwerkstruktur zu optimieren: „Maximize the number of nonredun-

dant contacts in the network to maximize the yield in stmctural holes per contact.

Given two networks of equal size, the one with more nonredundant contacts provides

more benefits. There is little gain from a new contact redundant with existing contacts.

Time and energy would be better spent cultivating a new contact to unreached people"

(Burt, 1992:20). In beiden Fallen wird der Ertrag des Netzwerks gesteigert, wenn die

Anzahl der unterhaltenen Kontakte gleich bleibt. Ein einfaches Beispiel wie der Ertrag

eines Netzwerks erhoht wird, ist in der folgenden Abbildung illustriert (vgl. Burt,

1992:20).

143

Page 154: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Abbildung 24: Auswirkung der Reduktion von Redundanz auf die Wissensproduktion (eigene Darstellung)

Hohe Redundanz

Effiziente Produktion und Austausch idiosynkratischer

Wissensformen und

Geringe Redundanz

Effiziente Kontrolle und Daten- und Informations-

austausch

Wie dargestellt ist, lasst sich die Rentabilitat der Informationsverarbeitung von Netz-

werken durch eine geringe Veranderungen des Designs der Struktur verbessem. Opti-

miert Kontakt Ci zu jeder der peripheren Kontaktgruppe seine Bindungen, indem er

drei Beziehungen zu jeder Subgruppe aufgibt, so verbessert sich die Netzwerkstruktur

deshalb, weil dadurch keine Informationen verloren gehen. Es gehen C2 deshalb keine

Informationen verloren, weil die Subgruppen selbst jeweils untereinander Kontakte

unterhalten. Fur C2 ist es wichtig, eine primare Bindung zu einem peripheren Kontakt

zu unterhalten, der mit alien anderen Bindungen unterhalt. Kontakt Ci reduziert also

seine Bindungen in C2 von 16 auf 4. Dadurch erhoht sich, in dem hier diskutierten

Beispiel, der Informationswert bei gleich bleibendem Informationsertrag von 0,0625

auf 0,125 (vgl. Burt, 1992:21). Allerdings ist anzumerken, dass hier Burt den Effekt

der Informationsasymmetrie vollkommen auBer Acht lasst.

In der Praxis ist dieser Effekt dadurch zu erreichen, dass redundante Bindungen durch

einen vertrauenswurdigen und verldsslichen Kontakt ersetzt werden. Dadurch lassen

sich Informationsflusse effizienter gestalten, jedoch nicht, so meine These, wenn es

144

Page 155: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

um den Austausch nicht artikulierbarer Wissensformen geht. Problematisch erscheint mir dieser Fall der Optimienmg einer Netzwerkstruktur aber in nichtvertrauens-wtirdigen Organisationen, da dadurch die potentiell negativen Folgen von Infor-mationsasymmetrien vergr613ert werden.

2.1.6.1. Zwei Arten von Redundanz in Netzwerken

Redundanz begreift Burt also eher als negatives Strukturdesign, was allerdings in Zweifel zu Ziehen ist. Burt unterscheidet deshalb in Netzwerken zwei Arten von Redundanz. Redundanz, die durch Kohasion in Netzwerken entsteht, z.B. in einer Clique, und Redundanz, die aus strukturell aquivalenten Beziehungen von Kontakten hervorgeht. Von Kohasion wird in der Netzwerkanalyse immer dann gesprochen, wenn zwei Kontakte oder mehrere durch starke Beziehungen {strong ties) verbunden sind. Daraus wird ein starkerer Zusammenhalt abgeleitet. Beispiele dafur sind fami-liare Bindungen zwischen Vater-Sohn-Tochter; Mutter-Tochter-Sohn, enge Freund-schaften und lange Partnerschaften).

Abbildung 25: Kohasion und strukturelle Aquivalenz (Burt, 1992)

Redundanz durch Kohasion

Beispiel A

Redundanz durch strukturelle Aquivalenz

C

Beispiel B

Quelle: Burt, 1992: 18

145

Page 156: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Unter struktureller Aquivalenz ist zu verstehen, wenn einzelne Kontakte in einem

Netzwerk, die zu strukturell gleichen Kontakte unterhaiten. Hierbei werden, im Ver-

stSndnis von Burt (1992), grundsatzlich keine neuen Informationen im Netzwerk ge-

neriert. In der Abbildung 26 ist dargestellt, dass Kontakt A, B und C zwar untereinan-

der keine direkten Bindungen aufrechterhalten, aber jeder Kontakt fiihrt zu einer

Menge von gleichen Beziehungen. Diesen Fall bezeichnet Burt (1992:19) als Redun-

danz durch strukturelle Aquivalenz. Kontakte A, B oder C besitzen theoretisch also

keine Informationsvorteile untereinander. Insofem argumentiert Burt (1992), dass

strukturelle Aquivalenz in Netzwerkstrukturen Informationsasymmetrien reduzieren

aber keine neuen Informationen generieren. Das bedeutet, dass alle Knoten als Sender

und EmpfSnger die gleichen Informationen oder potentiell den gleichen Zugang zu

vorhandenen Ressourcen teilen.

In diesem Zusammenhang verwendet Burt seine Theorie der struktural holes. Den

Begriff strukturelle LOcher verwendet Burt (1992:18) als Kennzeichnung jener Kon­

takte in einem Netzwerk, die zwischen nichtredundanten Kontakten eine Verbindung

herstellen, also die strukturellen Locher im Netzwerk uberbriicken. Die Anzahl der

strukturellen Locher wird deshalb von Burt als ein Merkmal gesehen, das den strate-

gischen Wert von Netzwerken steigert.

2.1.6.2. Structural holes - weak ties and strong ties

Mit der Theorie der strukturellen L6cher steht die These uber die Starke schwacher

Bindungen in Netzwerken von Granovetter (1973) in Zusammenhang. Zum Teil ist sie

eine Weiterfuhrung dieser berUhmten These. Granovetter untersuchte in seiner Dis­

sertation, ob zwischen der Struktur von Netzwerken und dem Erfolg bei der Suche

nach Arbeitsplatzen ein Zusammenhang existiert. In dieser Studie zeigte Granovetter,

dass innerhalb eines bestimmten sozialen Milieus von Arbeitssuchenden sich

schwache Bindungen (weak ties) bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz als hilf-

reicher herausstellen, als starke Beziehungen (strong ties). Das verbluffende Ergebnis

in dieser Studie war, dass in den meisten Fallen die befragten Personen nicht aufgrund

ihrer Kontakte zu Personen mit starken/engen Beziehungen erfolgreich waren, sondem

durch Kontakte zu Personen, zu denen sie schwache/gelegentliche Beziehungen

hatten. Das wurde damit erklSrt, dass Arbeitslose zumeist (unter der Annahme der

Transitivitat) mit anderen Arbeitslosen strong ties unterhaiten und daher durch

schwache Bindungen eher einen Kontakt fmden, der zu einem neuen Job fiihrt. Das

Ergebnis seiner Untersuchung zeigte, dass Beziehungen zu distanzierten Kontakten

146

Page 157: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

eine groBere Erfolgsquote hatten, um einen neuen Arbeitsplatz zu finden. In einem viel

zitierten Aufsatz mit dem Titel ''The strength of weak ties'' hat Granovetter gezeigt,

dass Starke Bindungen (strong ties) transitiv sind (Granovetter, 1973). Transitivitat

bedeutet fUr Granovetter (1973), dass Kontakte in Netzwerken, die gegenseitig durch

eine starke Verbindung verknupft sind, mit grofier Wahrscheinlichkeit zu anderen

ahnlichen Kontakten in einem Netzwerk fUhren. In einem hypothetischen Beispiel,

siehe die folgende Abbildung, wurde dies bedeuten, dass Paula und Martin, die mit-

einander durch starke Bindungen verknupft sind, und Martin zu Elisabeth eine starke

Beziehung unterhSlt, es sehr wahrscheinlich ist, dass auch Elisabeth zu Paula eine

starke Beziehung knupft.

Wegen dieser Eigenschaft transitiver Bindungen schreibt Burt (1992:27) schwachen,

nicht transitiven Bindungen die Funktion zu, intra- und intemetzwerkformige

BrUckenfunktionen einzunehmen. Burt (1992:18) sieht diesen Effekt durch seine

These der strukturellen Brucken in Netzwerken bestatigt. Intra- und intemetzwerk­

formige Briicken werden als strategische Positionen verstanden. Aus der Eigenschaft

schwacher Beziehungen entsteht also das strategische Potential der weak ties in Netz­

werken. Die Starke einer Bindung {strength) kann mit quantifizierbaren Attributen

gemessen werden z. B. wie hSufig Informationen zwischen Kontakten ausgetauscht

werden (Frequenz), mit welcher Geschwindigkeit Inft)rmationen ubertragen werden,

wie groB die Distanz zwischen den Knoten im Netzwerk ist und wie hoch die Frequenz

(Haufigkeit) sonstiger sozialer Interaktionen zwischen den Kontakten ist.

Starke Verbindungen sind eingebettet in enge, homophile Cluster von Kontakten und

sind gleichzeitig auch das Ergebnis dieser Kontakte. Starke Bindungen sind verbind-

liche reziproke Bindungen zwischen Kontakten (z.B. innerhalb der Familie). WShrend

weak ties Verbindungen zu heterogenen Personen sind, stellen strong ties Ver­

bindungen zu homogenen Personengruppen her. Da enge, homophile Cluster tiber

strukturelle Brticken mit anderen engen homophilen Clustem verbunden werden

kSnnen sind strukturelle L6cher Voraussetzungen, um heterogene (neue) Inft)r-

mationen in homophile Gruppen zu importieren.

147

Page 158: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Abbildung 26: BrUckenfunktion und Wissenstransfer (eigene Darstellung)

.Franz

Elisabeth

Martin

In der gezeigten Abbildung 26 ist weiters zu sehen, dass die jeweiligen Cluster (Mar­

tin/Elisabeth/Paula und Fritz/Heidrun/Karl) nur uber die strukturelle Brucke, die Paula

und Fritz unterhalten, verbunden sind. Diese Brucke bezeichnet Burt (1992) als

structural hole. Sowohl Granovetter (1973) als auch Burt (1992) argumentieren nun,

dass uber derartige Broker-Positionen, die in der Netzwerktheorie als Brucken be­

zeichnet werden, jeweils neue Informationen in bestehende Netzwerkstrukturen

importiert werden. Wird diese Brucke nur gelegentlich benutzt, dann sprechen beide

von einer schwachen Bindung. Die Kontakte in der Beziehung von Paula und Fritz, die

die Eigenschaften haben, zwei Cluster von Beziehungen zu verbinden, werden in der

Netzwerkanalyse als Brucken oder cutpoints bezeichnet. Burt argumentiert, dass in

groBen Netzwerken strukturelle Brucken den Kontakt zu heterogenen Gruppen auf-

rechterhalten. Fur Burt ist deshalb die Anzahl der strukturellen Brucken ein wichtiges

Kriterium in der Bewertung von Netzwerken. Akteure, denen eine BrUckenfunktion

zukommt, nehmen daher eine besondere strategische Stellung ein. Weil beispielsweise

Paula und Fritz jeweils dariiber entscheiden, in welchem AusmaB neue Informationen

in die von ihnen kontrollierte Clique fliefien.

Folgende Uberlegung kann hier angestellt werden: Der Unterschied zwischen den Uber

strong ties verbundenen homophilen Gruppen und den tiber weak ties hergestellten

Verbindungen ist der, dass Informationen in homophilen Gruppen uber starke

Bindungen symmetrischer verteilt werden als tiber schwache Bindungen {weak ties).

Anders formuliert, je vertrauenswiirdiger die Kontakte, umso grofier der positive

Effekt fiir die gesamte Zahl der Kontakte; je weniger vertrauenswiirdig die Kontakte,

148

Page 159: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

und je groBer das Eigeninteresse der Kontakte mit einer Bruckenfunktion, umso ge-

ringer der positive Effekt fiir die gesamte Anzahl der Kontakte. Einen weiteren Effekt

aus dieser Form der Positionierung in einem Netzwerk diskutiert Burt als tertium

gaudens Strategien.

2.1.6.3. Tertium Gaudens Strategien

Kontakte in Netzwerken, mit denen structural holes uberbruckt werden, bieten

groBeren Verhandlungsspielraum und Einfluss. Diese Verhandlungsmacht ist Folge

des Zugangs zu altemativen und/oder exklusiven Kontakten in anderen Clustem. Kon­

takte in Netzwerken k6nnen diese zusatzlichen Informationen weitergeben oder zu-

ruckhalten. Zugang erhalten sekundare Kontakte nur (iber den primaren Kontakt. Der

Zugang zu altemativen und/oder exklusiven Ressourcen ist sekundaren Kontakten also

nicht moglich bzw. nur im Konsens mit dem outpoint. Ein Cluster von Kontakten

entsteht dadurch, dass Personen uber strong ties, d. h. intensive Beziehungen unterein-

ander verbunden sind. ^ Informationen zirkulieren in diesen Clustem mit einer hohen

Geschwindigkeit. Da Kontakte mit der Moglichkeit, mehrere strukturelle Locher zu

uberbrucken, den strategischen Spielraum in Netzwerken maximieren, gewinnt das

Ziel, redundante Kontakte zu minimieren, seinen strategischen Charakter. Rational ist

diese Strategic aber nur bezogen auf die Verteilung, die KontroUe und den Zugang zu

bereits vorhandenen Informationen und in Bezug auf stark kodifizierte und/oder arti-

kulierte Wissensformen. Diese Uberlegungen sind in der Darstellung der Netzwerk-

struktur in der folgenden Abbildung illustriert.

Dichte Netzwerke mit hoher Redundanz eignen sich weniger fur tertium gaudens

Strategien als groBe, extensive Netzwerke mit einer geringen Anzahl nicht-redundanter

Bindungen. Die Vorteile strategischer Netzwerkpositionen sind davon bestimmt,

welchen Spielraum einzelne Kontakte in Verhandlungen mit anderen Kontakten ein-

23

Diese Perspektive wurde schon in den 50er-Jahren von Likert Uber einen personenzentnerten Ftihrungskontext (aufgabenorientierter Managementprozesse) eingefordert. Er stellte fest, dass wenig produktive Arbeitsgruppen systematisch kontrolliert werden, hingegen in produktiven Arbeitsgruppen geringer Kontrollaufwand notwendig ist bzw. zu beobachten war. Die Fiihrungsebenen, so Likert, re-agieren auf Fehler von Gruppen in produktiven Organisationen mit VerstSndnis, in gering produktiven mit Sanktionen und negativer Kritik. Davon abgeleitet wurden in vielen Untemehmen sog. "freie-autonome" Arbeitsgruppen, die dann am produktivsten sind, wenn die Ziele allgemein formuliert sind (vgl. Likert und Hayes, 1957).

149

Page 160: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

nehmen. Dieser Spielraum ist nicht nur von der Zahl der strukturellen Locher im Netz-

werk abhSngig, sondem auch von bestehenden sekundSren Bindungen. Burt (1992:38)

spricht von sekundSren strukturellen Lochem, wenn innerhalb eines Clusters redun-

danter Bindungen strukturelle L6cher existieren, bei denen tertium gaudens Strategien

w irksam werden konnen. In dem hier dargestellten Beispiel handelt es sich um einen

KSufer und zwei Verkaufer. Der Kaufer, der in Verhandlungen mit zwei nicht mitein-

ander in Verbindung stehenden VerkSufem kann - well die beiden VerkSufer unterein-

ander keine Informationen austauschen kSnnen - beide VerkSufer gegeneinander aus-

spielen. Bei Verhandlungsstrategien lassen sich dementsprechend die zwei im An­

schluss skizzierten Situationen beobachten. Im Beispiel A handelt es sich um einen

funktionierenden Wettbewerb zwischen Kaufer und VerkSufer (siehe dazu Burt,

1992:39).

Abbildung 27: Tertium Gaudens Strategic Beispiel A (Burt, 1992)

kVk2

'Vkl

In diesem Fall kann der KSufer Ka von beiden Kontakten (VerkSufem) Vkl und Vk2

Angebote einholen und entscheiden, welches attraktiver ist. Oufer Ka kann jeweils

den anderen Anbieter mit einem geringeren Angebot unter Druck setzen und abwarten,

ob einer der Verkaufer sein urspriingliches Angebot verbessert. Da beide Verkaufer

(Vkl und Vk2) in keiner Beziehung zueinander stehen, argumentiert nun Burt, dass sie

jeweils sehr gut gegeneinander ausgespielt werden kOnnen. Burt (1992:30) nennt

diesen Fall eine tertium gaudens Strategic. Anders ist dies im nachsten Fall der in Ab­

bildung 28 illustriert ist.

150

Page 161: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Abbildung 28: Tertium Gaudens Strategic Beispiel B (Burt, 1992)

.Vk3

Vkl

Vk2

In diesem zweiten Beispiel B stehen dem Kaufer Ka vier alternative VerkSufer (Vkl,

Vk2, Vk3, und Vk4) gegenuber. Der Unterschied zum Beispiel A ist nicht die groBere

Anzahl der VerkSufer, sondem dass diese Verkaufer untereinander in Beziehung

stehen und anzunehmen ist, dass Informationen iiber ihre Verhandlungsstrategien zu

Kontakt Ka austauschen. Dadurch ist der KSufer Ka nicht mehr in der Lage einen der

Verkaufer Vkl, Vk2, Vk3 oder Vk4 mit nicht richtigen besseren Angeboten anderer

Verkaufer unter Druck zu setzen und sie gegeneinander auszuspielen.

Die Kontrollvorteile entstehen in dieser spezifischen Netzwerkstruktur durch geg-

nerische bzw. feindliche Positionen. Erst daraus entstehen Kontrollvorteile bei tertium

gaudens Strategien. Daraus lasst sich aber folgem, dass Netzwerkstrukturen mit einem

hohen Grad an Vertrauen und vielen redundanten Bindungen weniger anfSllig fiir

tertium gaudens Strategien sind. Hingegen sind Netzwerkstrukturen mit einem hohen

MaB an Misstrauen und mit effizienten Netzwerkstrukturen im Sinne von Burt eher ge-

eignet fiir tertium gaudens Strategien. GleichermaBen kann argumentiert werden, dass

Kontrollvorteile der tertium gaudens Strategien sich nicht in einem kooperativen und

vertrauenswurdigen Organisationsumfeld umsetzen lassen. Die Schlussfolgerungen

sind hier folgende: Dissens der Kontakte Vk fSrdert tertium gaudens Strategien und

macht es fur den Kontakt Ka einfacher tertium gaudens Vorteile zu generieren. Bin

Konsens der Kontakte Vk erschwert es oder macht es unmOglich tertium gaudens Vor­

teile zu lukrieren.

151

Page 162: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

2.1.7. Empirische Arbeiten der Netzwerkanalyse

In einer Untersuchung uber die sozialen Eigenschaflen von Netzwerken, in denen

Wissen geteilt und entwickelt wird, zeigen Cross, Borgatti und Parker (2001) einige

zum Teil verbluffende, zum Teil auch erwartete Ergebnisse uber das AusmaB der

sozialen Interaktion in Organisationen im Zuge des Austauschs idiosynkratischen

Wissens. Ausgehend von der wesentlichen Bedeutung der sozialen Interaktion in

Wissensproduktions- und Wissensaustauschprozessen haben Cross, Borgatti und

Parker (2001) mithilfe von Tiefeninterviews 40 Manager einer globalen Unter-

nehmensberatung nach einzelnen Projekten befragt (Cross, Borgatti und Parker,

2001:216). In dieser Untersuchung wurden die Befragten gebeten, jeweils drei Per-

sonen zu nennen, von denen sie denken, dass sie fiir ihre Karriere eine besondere Be­

deutung hatten. Anschliefiend wurden sie gefragt, inwiefem die genannten Personen

eine spezielle Hilfe in beruflich sehr wichtigen Projekten waren und ob sie angeben

konnten, in welcher Weise die genannten Personen sie mit "wichtigen" Informationen

versorgt haben. Die Ergebnisse von Cross, Parker und Borgatti (2002:44) zeigen, dass

die Personen in dem untersuchten Netzwerk grundsatzlich funf (wissensorientierte)

Hilfeleistungen in Anspruch nahmen. (a) Hilfe in der Losung bestimmter Probleme,

(b) Meta-Wissen, (c) Hilfe bei der Neuformulierung der Problemstellung, (d) Vali-

dierung der Ergebnisse oder der Fragestellung und (e) Legitimierung der Ergebnisse

bzw. der angestrebten LOsung. In 57 % der Falle gaben die Befragten an, dass die kon-

sultierten Kontakte ihnen bei der Formulierung der Losung eine wichtige Hilfe waren;

in 45 % der Falle wurde angegeben, dass die konsultierten Kontakte Meta-Wissen an-

boten (d.h. wer fiir die Frage oder ftir das jeweilige Problem zustandig ist und weiter-

helfen kann), in der Mehrheit bestand dieses Wissen darin, einen Kontakt zu einer Per­

son herzustellen; in 45 % der Falle bestand die bereitgestellte Hilfe darin, dass das

Problem umformuliert wurde und so eine effektivere Losung mSglich war. In 49 % der

Falle bestand die Hilfe darin, dass der Kontaktierte die "Richtigkeit" der angestrebten

Losung bestatigte; und in 36 % der Falle wurden Personen kontaktiert, damit die ange-

strebte L5sung legitimiert werden konnte. Von den insgesamt 68 aufgenommen Fallen,

in denen bei einer Kontaktierung eine Losung thematisiert wurde, waren es 9 % der

Falle, in denen die Befragten angaben, dass sich die Hilfestellung in einer Klarung des

Know-what zeigte und in 68 % der Falle bestand die Hilfeleistung in der KlSrung des

Know-how (Cross, Borgatti und Parker, 2001:218).

Handelte es sich bei den Konsultationen um die Bereitstellung von Meta-Wissen, so

wurde von den Befragten behauptet, dass die konsultierten Kontakte in der Halfte der

152

Page 163: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Falle sehr starke Bindungen zum Befragten unterhielten. Bemerkenswert ist, dass in

70 % der FSlle Meta-Wissen darin bestand, dass der Kontakt zu Personen hergestellt

wurde, die Losungen anbieten konnten und nur in knapp 30 % die Befragten auf das in

der Organisation vorhandene explizite Wissen (Computerdatenbanken, Memoranden,

etc.) verwiesen wurden. Ein Ergebnis dieser Forschungen ist: 'People do matter* oder

'matter more than paper work or explicit knowledge'. Wurden Personen konsultiert

und das Ergebnis war eine Reformulierung des Problems bzw. der angestrebten

Losung, dann antworteten die Befragten, dass 45 % der Kontakte hilfreich waren. In

diesen Fallen kann man die Hilfestellung so interpretieren, dass die Arbeit dadurch

effektiver wurde. Anzumerken ist jedoch, dass die traditionelle Organisationsge-

staltung fur diese Form der Hilfestellung keinen Platz bzw. keine Legitimierung vor-

sieht, da sie auf den schlichten VoUzug vordefmierter Aufgaben ausgerichtet ist. Die

beiden letztgenannten Vorteile, die in der Untersuchung genannt wurden, Validierung

einer angestrebten oder fertigen Losung und die Legitimierung einer Losung, sind in

dieser Hinsicht schon weitaus kompatibler mit der traditionellen Organisationsge-

staltung. Was die Validierung betrifft, so wurde bestatigt, dass sie zur Konformitat der

angestrebten Ergebnisse fuhrt; noch starker ist dieser Effekt in der von Befragten ge-

suchten Legitimierung von Losungen zu beobachten. In der Studie wird aber bestatigt,

dass die Legitimisierung von LOsungen, die am geringsten beanspruchte Hilfeleistung

war und wenn, dann nur durch hierarchisch Vorgesetzte erfolgte, die in den anderen

Fallen nicht als hilfreiche Kontakte genannt wurden (Cross, Borgatti und Parker,

2001:220).

2.2. Zusammenfassung der Netzwerkeffekte

Ronald Burt, ein Schtiler von Coleman, der an einer Strukturtheorie des Handelns ar-

beitet, hat wesentliche Beitrage zur Netzwerkanalyse geliefert (Burt, 1982 und 1997).

In mehreren empirischen Arbeiten hat er den Verlauf von Karrieren einzelner Manager

mit dem sozialen Kapital, auf das sie im Zuge ihrer beruflichen Laufbahn zugreifen

konnten, erklart. In seiner bekanntesten Arbeit mit dem Titel "Structural Holes: The

Social Structure of Competition" (Burt, 1992) wurde argumentiert, dass nicht nur die

Verbindungen, die Akteure in ihrem Netzwerk von Beziehungen haben, eine wesent­

liche RoUe spielen, sondem eben auch die Lucken in den jeweiligen Netzwerken.

Diese Lucken, so die tjberlegung, bieten in einzelnen Fallen spezielle Moglichkeiten,

um aus einer strategisch vorteilhaften Position Zugang und KontroUe zu Informationen

(und anderen wichtigen Leistungen) in Netzwerken herzustellen.

153

Page 164: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Jedes Netzwerk bildet konkrete Muster von Beziehungen aus, es entwickeln sich Sub-

gruppen oder Untergruppen (sie werden auch Cliquen genannt). Gruppen uberlappen

sich. Einzelne Akteure nehmen unterschiedliche Position ein, wie dies beispielsweise

in der bereits diskutierten Sozialkapitaltheorie von Lin (2001) erOrtert wurde. Uber die

Aufzeichnung der gesamten existierenden Bindungen aller Akteure in einer Organisa­

tion lieBe sich eine vollstMndige Netzwerkstruktur nachzeichnen. Es wtirde sich dabei

zeigen, dass sich kleinere Gruppen von anderen Gruppen abspalten und iiber einzelne

Kontakte zu anderen Gruppen im Netzwerk verbunden sind. Es wtirden sich dichte

und weniger dichte Netzwerkstrukturen offenbaren. Die Bindungen konnen als Netz­

werk der informellen freiwilligen Hilfeleistungen der existierenden Kontakte skizziert

werden. Je nachdem, welche Forschungsfrage in Zentrum steht, werden konkrete

Bindungen (informeller Austausch von Expertise, Hilfe, Unterstutzung in schwierigen

Fragen) untersucht.

Burt (1982, 1992) identifiziert die Vorteile der Netzwerkstrukturen primer Uber vor-

handene Lucken, die er structural holes nennt. Liicken in einem Netzwerk sind Unter-

brechungen von einzelnen Gruppen mit engen bzw. starken Bindungen (vgl. dazu

Burt, 1992:2). Einzelne Personen, die in einem Netzwerk Positionen besetzen, die

structural holes verbinden, werden als Briicken oder "cutpoint" bezeichnet und

nehmen jeweils privilegierte Positionen ein, weil sie den Kommunikations- bzw. In-

formationsfluss in der Gesamtstruktur aus diesen strategischen Positionen heraus re-

gulieren bzw. kontrollieren kOnnen. Strukturelle BrUcken bieten den Vorteil eines pri-

vilegierten Zugangs. Damit in Zusammenhang stehen die Kontrollvorteile der von

Burt (1992) diskutierten tertium gaudens Strategien, die jedoch nur dann wirksam

werden, wenn Kontakte untereinander in Konkurrenz stehen. In vertrauenswiirdigen

Netzwerken sollte demnach der Erfolg von tertium gaudens Strategien weniger wahr-

scheinlich sein. Damit steht jedoch auch der Zugang zu den Ressourcen im Netzwerk

in Verbindung. Insofem ISsst sich also annehmen, dass eine grofie Anzahl von struk-

turellen Briicken in wenig vertrauenswiirdigen Kontexten zwar fur einzelne privi­

legierte Kontakte Vorteile erwarten lassen, sich also aus der Sicht der privilegierten

Kontakte die Netzwerkeffizienz erhOht, aber bei der Betrachtung der Gesamtstruktur

die Effizienz des Netzwerkes darunter leidet.

Ressourcen konnen in diesem Sinn Fahigkeiten, Talente, GeschSftsmoglichkeiten und

viele andere intangible und tangible Verm5genswerte sein, die iiber die Struktur des

Netzwerks ausgetauscht werden. Diese Ressourcen werden durch die Beziehungen

(ties), die einzelne Personen unterhalten (Knoten, Untemehmen, Geschaftsbereiche

154

Page 165: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

usw.), erschlossen (Knoke und Kuklinski, 1982). Werden die Bindungen betrachtet,

die Akteure in Netzwerken unterhalten, dann iSsst sich eine Tendenz zur kulturellen,

materiellen bzw. sozialen AfFinitat von Personen, die miteinander auf Dauer Kontakte

aufrechterhalten, beobachten (lacobucci, 1999:150; Granovetter, 1973).

Ein Uberblick der Effekte ausgewShlter Netzwerkeigenschaften ist in Tabelle 5 zusam-

mengestellt. Dieser Uberblick zeigt, dass der die Grofie eines Netzwerks, die Dichte,

die Heterogenitat, die Qualitat der Zusammensetzung, die effektive GroBe und der

Constraint, als Parameter der Netzwerkeigenschaften, sehr unterschiedliche Effekte

auf die Bildung von sozialem Kapital zeigen. Unterschiede sind aber - und dies ist mir

hier besonders wichtig - auch bezogen auf die Auswirkung auf die Produktion,

Verbreitung und Kontrolle von Wissensformen erkennbar.

Tabelle 5 Effekte der Netzwerkstruktur Begriffund Autor (Quelle) Gr66e/Grad (size/degree) (Burt, 1982) Dichte (density) (Burt, 1982)

Heterogenitat (heterogenity) (Burt, 1982)

Qualitat der Zu­sammensetzung (Compositional Quality) Effektive GrOBe (Burt, 1992)

Beschrankung (constraint) (Burt, 1992)

Definition

Die Anzahl der Bindungen, die Ego direkt hat (gewichtet mit der Starke der Verbindung) Das Verhaitnis der Anzahl der aufrechten Bindungen zur Anzahl der mSglichen Bindungen

Die Varianz der einzelnen Bin­dungen bezogen auf den Inhalt (Geschlecht, Beruf, Talent, Fahigkeiten etc.)

Die Anzahl der Verbindungen mit einem hohen Auspragung der jeweiligen Eigenschaft (Wohl-stand, Wissen, Einfluss, Macht) Die Anzahl der Bindungen, ge­wichtet mit der Starke der Ver­bindung, durch die Kontakt Ego direkt mit anderen Kontakten ver-bunden ist, abzuglich der redun-danten Kontakte

Das AusmaB der von Ego unter-haltenen singuiaren Beziehungen (d.h. Bindungen zu "sonst iso-lierten Kontakten"

Wirkung auf Sozialkapital

Je grOBer die Anzahl der Verbindungen, umso hOher Sozialkapital

Je hOher die Dichte des Netzwerks, umso h5her die Anzahl redundanter Verbindun­gen (Einfluss negativ auf Informations-wert, Einfluss positiv auf Wissenspro-duktion und Wissensdiffusion) Positive Wirkung auf den Vorrat an Sozialkapital, da viele verschiedene Res-sourcen in das Netzwerk eingebracht werden; positiver Einfluss auf die Produktion von Wissen (viele heterogene Eigenschaften werden importiert); Konflikt mit Homophilitat Je heher die Qualitat der Zusammen­setzung umso grOBer der positive Effekt von Sozialkapital

Positive Wirkung auf Sozialkapital, weil die Heterogenitat der eingebrachten Res-sourcen erhSht wird; negativer Effekt auf den Austausch idio-synkratischer Wissensformen; positiver Effekt auf den Austausch ex-pliziter Wissensformen und auf den Aus­tausch von Informationen Auswirkungen negativ, weil die Hand-lungsmOglichkeiten eingeschrankt wer­den; positiv bezogen auf den Austausch idiosynkratischer Wissensformen iso-lierter Bereiche

Quelle: zusammengestellt aus Burt, 1982 und 1992; Borgatti und Cross, 2003

155

Page 166: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

In Netzwerken, in denen viele strukturelle Locher uberbriickt werden, vergroBert sich

zwar der Verhandlungsspielraum und die Verhandlungsmacht einzelner effektiv posi-

tionierter Akteure, aber gleichzeitig vergroBert sich die Informationsasymmetrie im

Netzwerk und die damit verbundenen negativen Folgen.

• Fiir die Produktion von Wissen und fiir den Austausch nicht artikulierbarer

Wissensformen lassen sich insofem zwei zentrale Effekte identifizieren.

• In Netzwerken mit vielen redundanten und starken Verbindungen wird der

reziproke Austausch von nicht-artikulierbarem Wissen gefordert.

• EingeschrSnkt wird dadurch jedoch der Austausch von Informationen und/oder

expliziten Wissensformen iiber die Netzwerkgrenzen hinaus.

Coleman nannte diesen zweiten Effekt closure (Coleman, 1990:318), verstand jedoch

diesen Closure-Effekt nicht als negative Eigenschaft von sozialen Gruppen, sondem

als wichtige Voraussetzung, damit Vertrauen innerhalb von Netzwerkbeziehungen ent-

wickelt wird. Von dieser Annahme ausgehend nahm Coleman an, dass die Wirkung

der Stabilitat, die das Ergebnis von Closure-Ejfekten ist, als wichtiges Element be-

trachtete, dass sich in einer begrenzten Menge von Kontakten Sozialkapital entstehen

kann (Coleman, 1990:320). Als weiteren Closure-Effekt ist die verstarkende Wirkung

von Normen und Ideologien in geschlossenen Netzwerkstrukturen zu nennen. Hierzu

stellt Coleman fest: "One indirect and somewhat surprising effect has been noted from

the comparison of religious and secular schools. Religiously affiliated private schools

in the United States, despite their more rigid disciplinary standards, have dropout rates

much lower than those of secular private schools or public schools. ...The apparent

cause is a quantity of social capital available to the religiously affiliated school that

does not exist for most other schools, private or public. This depends in part on the

social-structural connections between school and parents, through the religious

community" (Coleman, 1990:321). Trifft dies zu, dann wOrden sich die Bedingungen

unter denen nicht-artikulierbare Wissensformen einerseits ausgetauscht werden,

andererseits uberhaupt erst dadurch hervorgebracht werden, in Netzwerkstrukturen mit

einer geringen Anzahl von structural holes verbessem, well hierbei innerhalb der

einzelnen Clustergruppen mehr Vertrauen und ein hoherer Grad der Verpflichtung

innerhalb der Gruppen durch den Closure-Effekt geschaffen wird. Idealerweise

mussten nun iiber Clustergrenzen hinaus mithilfe von einzelnen, vertrauenswiirdigen

Kontakten Briicken zu anderen Netzwerken geknupft werden, ohne dabei die intemen

Clusterverpflichtungen zu schadigen oder einzelne Akteure in der Gruppe zu uber-

vorteilen.

156

Page 167: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Die Absicht dieses Abschnittes war es, eine Zusammenfassung und soweit in diesem

Rahmen moglich, eine Beschreibung der Netzwerkanalyse zu geben. Wichtig scheint

mir, dass das Ego-Netzwerk als eine Struktur von Beziehungen eines Akteurs gesehen

wird, die Vorteile in empirischen Netzwerken deutlich werden lasst und auf die

Schwierigkeiten und Moglichkeiten der Transaktionen zwischen Akteuren aufmerk-

sam macht. Die Netzwerkanalyse erlaubt es, Bindungen zu Freunden, Arbeitsbe-

ziehungen und intime, idiosynkratische Formen der Beziehungen zu erfassen und mit

quantifizierbaren GroBen eine Beschreibung und Analyse der QualitSt der Struktur

eines Netzwerks als Binnenstruktur zu analysieren.

Die Daten, die von einem Netzwerk auf diese Weise erfasst werden, ermCglichen es,

die Position von Akteuren zu analysieren und die ihnen durch diese Position er-

wachsenden Rollenerwartungen. Diese Positionen selbst ergeben sich aus der Struktur

des gesamten Netzwerkes und ermoglichen es einzelnen Akteuren bestimmte strate-

gische Schliefiungsprozesse als cutpoint zu kontrollieren. Dieses strategische Handeln

einzelner Akteure kann zum Nachteil einzelner nachgeordneter Positionen fuhren,

muss aber nicht. Neben der Position der Akteure ist die Differenzierung und Zentrali-

sierung des Netzwerks identifizierbar, well iiber die Distanz, die zwischen einzelnen

Akteuren existiert, und der Position (Hierarchic) qualitative Aussagen gemacht werden

konnen. Die Stratifikation des Netzwerks ist deshalb eine interessante Eigenschaft der

Struktur von Netzwerken, weil damit die Beziehungen (und die nicht vorhandenen

Beziehungen) deutlich ausgewiesen werden konnen. Welters ist anzunehmen, dass in

strukturell aquivalenten Netzwerkstrukturen die Diffusion von Wissen gleichmaBiger

erfolgt als in sehr starken hierarchisch ausgepragten Netzwerkstrukturen. Wahrend in

hierarchischen Netzwerkstrukturen die Kontrolle der Wissensdiffusion als einfacher zu

realisieren erscheint, wirkt sich dieser Nachteil an Kontrollierbarkeit in strukturell

aquivalenten Beziehungen offenbar als Vorteil der Wissensgenerierung und Diffusion

aus, weil dadurch nicht nur strukturelle Dimensionen der Wissensproduktion (vgl.

Nahapiet und Ghoshal, 1998) verbessert werden, sondem daruber hinaus die kogni-

tiven und relationalen Dimensionen sich gegenseitig unterstutzen. Insbesondere das

Ineinandergreifen der relationalen und kognitiven Dimensionen fiihrt - so unsere

These - zu einer VerstSrkung von habitualisierten Handlungen, zu einer Verstarkung

von Werten und zur Festigung von Normen und somit insgesamt zur in Kraflsetzung

des institutionellen Rahmens, der die Handlungen der Akteure ermoglicht und ein-

schrankt.

157

Page 168: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Dichte Netzwerke erlauben es unterschiedliche Wissensformen (und ganz allgemein

Austauschbeziehungen) im Netzwerk effizienter zu gestalten und ftihren dazu nicht-

greifbare Wissenstypen besser (iber ein breiteres Spektmm an Kontakten zu verteilen.

Der Zugriff auf Wissen in Organisationen kann so durch die Netzwerkanalyse empi-

risch exakt untersucht und zentrale Defizite dargestellt werden. Beispielsweise kann

durch eine Analyse der Muster der Beziehungen der Akteure in einem Dendogramm

erkenntlich gemacht werden, iiber welche Kontakte jeweils einzelne Cliquen in einem

Netzwerk miteinander in Verbindung stehen. Und schiieClich ist anzumerken, wenn

ein Muster von Beziehungen in Netzwerken identifiziert werden kann, dann ist es auch

moglich, die Effizienz des Austauschs in den Beziehungen iiber die tatsSchliche

Struktur der Bindungen zu untersuchen. Die Netzwerkanalyse ist in dem hier ver-

wendeten Verstandnis nicht nur ein methodisches Werkzeug um Netzwerkstrukturen

zu analysieren, sondem auch eine empirisch fundierte Theorie, weil die einzelnen

Akteure im Netzwerk ihre Handlungen immer im Kontext der Beziehungen, in die sie

eingebettet sind durchfuhren und damit die Struktur in Kraft setzen, die wiederum ihre

Handlungen bestimmt (vgl. Giddens, 1984).

158

Page 169: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

III. Das Modell iiber den Zusammenhang von Vertrauen und Sozialkapital

In diesem Teil der Arbeit mOchte ich die in den beiden vorangehenden Abschnitten

diskutierten Uberlegungen in ein konzeptionelles Modell zusammenfassen und daran

anschliefiend zentrale Telle des Modells einer empirischen Uberprtiflmg unterziehen.

Aufgabe dieses Abschnittes ist es, im Rahmen einer empirischen Untersuchung die im

Modell formulierten Hypothesen zu uberprufen. Sowohl Vertrauen als auch Sozial­

kapital wird von makroorganisationalen, als auch von mikroorganisationalen Faktoren

bestimmt. Handlungsanreize sind nicht nur das Ergebnis individueller nutzenmaxi-

mierender Entscheidungen, sondem werden durch die Einbettung der Akteure in eine

soziale Struktur beeinflusst (Granovetter/Swedberg, 2001). Die Schwierigkeit besteht

hier darin, dass weder individuelles Handeln vollstandig die soziale Struktur, noch die

soziale Struktur das individuelle Handeln bzw. die individuellen Handlungsmoglich-

keiten determiniert, sondem beide sich gegenseitig beeinflussen.

Wie in den vorangehenden Abschnitten festgestellt, ist soziales Kapital ein intangibler

Vermogenswert, der den Erfolg von Untemehmen bestimmt. In meiner zentralen

Uberlegung, gehe ich davon aus, dass Firmen, die prekare BeschSftigungsformen

unterhalten, den Aufbau einer dauerhaften sozialen Bindung erschweren, und dadurch

weniger soziales Kapital bilden. Es ist also zuerst einmal die Frage interessant, wie

Vertrauen und Sozialkapital entsteht? Und in weiterer Folge in welchem AusmaB

Unterschiede zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschaftigten, befristeten und unbe-

fristeten Arbeitnehmem im Aufbau von Vertrauen und Sozialkapital zu beobachten ist.

In meiner Diskussion ausgewShlter Wissensmanagement-Modelle habe ich zu zeigen

versucht, dass die Voraussetzungen, unter denen Wissen ausgetauscht und produziert

wird mit komplexen, sehr intensiven sozialen Beziehungen verbunden sind. In der

Praxis des Wissensmanagements wird vielfach jedoch nur von der Speicherung, Ver-

waltung und Kontrolle expliziter WissensbestSnde gesprochen (Probst, Raub und

Reinhardt, 1997). Man gewinnt den Eindruck, als wiirde es nur darum gehen, Wissen

zu verwalten und dass diese Verwaltungsanstrengung dazu dient, um das Wissen weit-

gehend unabhSngig von Personen zu verarbeiten und zu nutzen. Arbeiten wie die von

Pelz und Andrews (1966), die Untersuchungen von Mintzberg (1973) und die Studie

von Bums und Stalker (1961) haben gezeigt, dass Individuen bevorzugt andere Indi-

viduen um Informationen und um RatschlSge bitten und nur relativ selten auf Wissen

in Dokumenten zurtickgreifen. Cross (2001) fand heraus, dass in Forschungsein-

159

Page 170: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

richtungen funfmal ofter auf personliches Wissen von Kollegen zuriickgegriffen wird

als auf Wissen, das in Datenbanken zur Verfiigung gestellt wird. Er zeigt in seinen

Untersuchungen, dass sogar in Firmen, die tiber hoch entwickelte elektronische Daten­

banken verfugen, eine signifikant hohere Nachfrage nach personlichem Wissen und

Gespralchen mit Kollegen besteht, als nach Wissen, das in Datenbanken gespeichert

vorliegt. Burt (1992) hat in mehreren Studien herausgefunden, dass personliche Kon-

takte eine wichtige Quelle von Informationen sind?"* Wenger (2001) hat zeigen kon-

nen, dass sozialen Beziehungen eine zentrale Rolle am Arbeitsplatz zukommt, um ein-

gespielte Arbeitsroutinen von Kollegen zu lemen. Eine Reihe von empirischen Studien

hat nachweisen konnen, je starker die Bindung zwischen einzelnen Individuen, umso

wahrscheinlicher ist ein erfolgreicher Wissensaustausch zu realisieren (vgl. Hansen,

1999; Szulanski, 2003; Uzzi, 1997). Krackhardt hat in mehreren Arbeiten zeigen kon­

nen, dass die Starke der Bindung zwischen zwei Akteuren, eine Voraussetzungen dar-

stellt, damit Wissen iiberhaupt ausreichend verstanden wird, und somit ausgetauscht

werden kann (Krackhardt, 1992:218f.).

Warum sollen aber feste Beziehungen (also strong ties) vorteilhafter in der Uber-

tragung von Wissen sein? Tsai und Ghoshal (1998) stellen fest, dass starke Bindungen,

strong ties in einem sehr viel starkeren Umfang Vertrauen aufbauen und fiir den Aus-

tausch von Wissen unersetzlich sind, erganzend merken sie an: "knowledge generated

by individual units does not come to bear on an organization independently [...]

Knowledge and ideas are shared and common meanings are developed through inter­

actions. Knowledge is socially constructed, and organizational learning involves a

complex social process in which different units interact with each other [...] An

organization is a repository of knowledge. The ability to access knowledge and to

integrate it effectively is truly a source of competitive advantage" (Tsai and Ghoshal,

1998:1014). Szulanski fugt in diesem Zusammenhang hinzu: "knowledge is difficult to

spread across different units within an organization in which pre-existing relationships

among units are absent. Indeed, innovative ideas are often at the nexus of interunit

links. To foster innovation, information and knowledge should be deliberately dis-

Ich verwende hier den Begriff Informationen, persOnliches Wissen so wie sie von den Autoren jeweils in der entsprechenden Literatur verwendet wurden. Damit ist zwar nicht der Unterschied deutlich ge-macht, der zwischen impliziten und expliziten Wissensformen existiert; aber es ist ein Verfahren, so denke ich, das der ursprunglichen Verwendung und der Quelle, aus der der Begriff entnommen wurde, gerechter wird.

160

Page 171: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

tributed. A network of interunit links provides channels for distributing information

and knowledge in such a way as to stimulate and support innovative activities. A

central network position is associated with innovation outcomes for individual units

within an organization" (Szulanski, 1996:27f)

Im vorigen Abschnitt wurde erortert, dass Vertrauen und soziales Kapital nicht nur die

Transaktionskosten in der Wissensproduktion reduzieren, sondem konkrete Strukturen

sozialer Netzwerke erst das Talent, die Kreativitat, bzw. das implizite und/oder nicht

artikulierbare Wissen verteilen und zwischen den Kontakten zur Verfligung stellen.

Ein hoher Grad an Vertrauen und dichte soziale reziproke Bindungen erhohen zudem

die intrinsische Motivation zu kooperieren (Deci, Ryan, Gagne, Leone, Usunov und

Komazheva, 2001; Deci, Eghrari, Patrick, und Leone, 1994). Wahrend im traditio-

nellen Managementverst^ndnis, das vorwiegend durch den Fordismus gepragt war, es

hauptsachlich - wenn nicht ausschlieBlich - darum ging (bzw. geht), "die menschliche

[...] Arbeit und [das] menschliche [...] Zusammenleben durch die Technik des Zer-

legens" wie McLuhan vor mehr als vierzig Jahren (1964:22) feststellte "zu be-

stimmen", scheint mir, dass dies eine giiltige Beschreibung fur die Praxis des Wissens-

managements von heute ist. Dabei ist es vollkommen gleichgultig, wie dieser Prozess

des Zerlegens genannt wird, er dient der Kontrolle. Paradox wird dieses Vorhaben der

Kontrolle erst dann, wenn durch das Zerlegen das zu KontroUierende verloren geht.

Auch organisationsokonomische Ansatze wie der Transaktionskostenansatz verstehen

Vertrauen als einen essentiellen Bestandteil funktionaler Organisationsroutinen.

Wie ich noch zeigen werde, unterstelle ich in dem hier diskutierten Modell, dass mit

einer sinkenden, subjektiv wahrgenommenen Beschaftigungssicherheit die Bereit-

schaft der Mitarbeiter abnimmt, in die sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz zu in-

vestieren. Dadurch werden, so meine Argumentation, reziproke und interdependente

Austauschbeziehungen formeller und informeller Natur in der Organisation briichig,

und in dem relativ kurzen Zeitraum einer Beschaftigung nur weniger intensiv in den

Aufbau von Vertrauen und Sozialkapital investiert. Fehlt es in der Untemehmung an

Sozialkapital, so gelingt es der Organisation als ganzes nur schwer, idiosynkratische

Ressourcen (d. h. implizite, nicht-artikulierbare oder nicht artikulierte Wissensformen

und persOnliche Erfahrungen und personengebundenes Know-how) auszutauschen. An

dieser Fahigkeit, personliche, lokale (Hayek, 1937) und implizite Wissensformen

(Polanyi, 1957) auszutauschen, hangt letztlich die Fahigkeit, so die These hier, uber-

haupt Wissen in einem Untemehmen zu generieren. Gerade deshalb ist ganz im Sinne

der ressourcenorientierten Perspektive die Untemehmung als "Repositorium von

161

Page 172: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Wissen" (Penrose, 1959; Foss, 1998:2) zu konzeptionalisieren. Penrose (1959) be-

zeichnete die Firma nicht nur als ein Repositorium produktiver Wissensformen,

sondem verwies auch darauf, dass ein Untemehmen als Institution zu denken ist die

Wissen produziert. Dieses Wissen ist allerdings kein materieller Vermogensbe-

standteil, sondem entsteht erst durch das Zusammenspiel von materiellen Produktions-

faktoren und immateriellen Leistungen des Humankapitals. Konkret verweist Penrose

darauf, dass die Produktion und das Management des Wissens wie ein Untemehmen

produziert, nicht in der Theorie, erst recht nicht in der Praxis zu trennen ist. Aber

gerade das scheint das Ziel eines auf das Untemehmen zugespitzten Wissensmanage-

ment zu sein. Aber im Vordergrund steht nicht die abstrakte Festschreibung von

personenbezogenen Wissensformen, die vielfach in habitualisierten Praktiken und

organisationalen Routinen stecken, sondem die Produktion und Diffusion dieser

idiosynkratischen Ressourcen. Diese Produktion und Diffusion ist als zentrale

Voraussetzungen zu sehen, um firmenspezifische Kompetenz und firmenspezifische

Ressourcen aufzubauen, also jene FShigkeiten, die Nelson und Winter (1982) in An-

lehnung an Penrose (1959) als ganzes Biindel von Fahigkeiten "bundle of resources"

und Teece, Pisano und Shuen (1997 als dynamische Fahigkeiten ausweisen.

Dementsprechend mOchte ich im Folgenden der Frage nachgehen, unter welchen orga­

nisationalen Bedingungen Vertrauen und Sozialkapital entstehen? Warum engagieren

sich Beschaftigte und investieren sie Zeit und Energie in soziale Beziehungen und von

welchen organisationalen Rahmenbedingungen hSngt dieses Engagement ab? Unter

welchen Voraussetzungen investieren Organisationsmitglieder in den Aufbau von So­

zialkapital? Und von welchen Faktoren wird der Aufbau von Vertrauen in Organi-

sationen beeinflusst?

1. Zwei allgemeine Szenarien - ein konzeptionelies Modell

Um diese Frage zu beantworten, gehe ich von einem konzeptionellen Modell aus, das

im Folgenden erortert wird. Im dem ersten Fall unterstelle ich einen positiven Zusam-

menhang zwischen der Stabilitat von ArbeitsverhSltnissen und dem Aufbau von

Sozialkapital und Vertrauen. In sozialen Netzwerken mit einem hohen Vorrat an So­

zialkapital und Vertrauen ist eine positive Wirkung auf den Austausch von idiosyn­

kratischen Wissensformen zu vermuten (Hansen, 1999; Uzzi, 1997; Szulanski, 2003).

Wenn das so ist, dann hat ein Untemehmen jene Voraussetzungen erfUllt, die es in die

Lage versetzt firmenspezifische Kompetenzen und Ressourcen zu entwickeln, die wie-

derum eine positive Wirkung auf den Untemehmenserfolg zeigen (Tsai und Ghoshal,

162

Page 173: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

1998). In weiterer Folge unterstelle ich eine positive Wirkung des Untemehmenserfol-

ges auf die Stabilitat von Beschaftigungsverhaltnissen. Damit setzt sich in diesem Mo-

dell ein positiver Zyklus in Gang, der bestehendes Vertrauen verbessert und erweitert,

der die Motivation der Mitarbeiter verstSrkt vorhandene soziale Kontakte weiter zu

pflegen und in neue Kontakte zu investieren. Damit erhSht sich der existierende Be-

stand an Sozialkapital und Vertrauen und die Bedingungen werden weiter verbessert,

um nicht-artikuliertes und nicht-artikulierbares Wissen, das in organisational

Routinen eingebettet ist, auszutauschen. In diesem Szenario kann eine Organisation

die Transaktionskosten in der Ubertragung und in der Nutzung idiosynkratischer Er-

fahrungen gering halten, wenn es gelingt ein soziales Klima zu initiieren in dem die

Kooperation zwischen Mitarbeitem und dem Management nicht nur gewahrleistet

wird, sondem auch einen hohen intrinsischen Wert fur die Betroffenen bringt (Deci,

Ryan, Gagne, Leone, Usunov und Komazheva, 2001). Sozialkapital und Vertrauen er-

mQglichen es, so verstanden, Organisationen Kompetenz und firmenspezifische Res-

sourcen auszubauen und produktiv zu nutzen. Dieser erweiterte Bestand an firmen-

spezifischen Kompetenzen und FShigkeiten wirkt sich wiederum positiv auf das Ge-

samtergebnis der Untemehmen aus.

Die ressourcenorientierte Theorie der Firma geht davon aus, dass intangible Ver-

mSgenswerte wichtige Quellen von Wettbewerbsvorteilen sind (Wemerfelt, 1984;

Barney, 1991 und 2001). In dem hier skizzierten Modell werden der Austausch und

die Produktion von impliziten Wissensformen als Voraussetzung verstanden, damit in

einem Untemehmen firmenspezifische Ressourcen und Kompetenzen aufgebaut wer­

den konnen. Damit jedoch nicht-artikulierbares Wissen iiberhaupt ausgetauscht wer­

den kann, mussen zum einen ein hoher Grad an Vertrauen und zum anderen ein hoher

Vorrat an Sozialkapital vorhanden sein, so die These. Nur in einer vertrauenswiirdigen

Organisation mit einem hohen Vorrat an Sozialkapital, so die Uberlegung, entstehen

jene positiven, rekursiven, sich selbstverstarkenden sozialen Interaktionen, die den

Austausch und die Generierung neuen Wissens fSrdem. Ein hoher Bestand an Sozial­

kapital verbessert dariiber hinaus die AufhahmefShigkeit neuer Wissensformen und

sichert nicht nur den Zugang zum impliziten Wissen einzelner oder koUektiver Ak-

teure. Sozialkapital und Vertrauen werden also nicht nur als Bedingungen konzeptio-

nalisiert, damit in Untemehmen Wissensproduktion und Wissensaustausch stattfinden,

sondem ein hoher Grad an Vertrauen minimiert zusatzlich im Austausch intangibler

Leistungen die damit verbundenen Transaktionskosten und verbessert die Aufiiahme-

fShigkeit nicht artikulierbarer und nicht-artikulierter Wissensformen (Szulanski, 2003).

163

Page 174: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

1.1. Modellzusammenhang - Szenario I

Abbildung 29: Stabile Beschaftigung Szenario I (eigene Darstellung)

Aufbau firmenspezifischer Kompetenz und

Ressourcen

Untemehmens-erfolg

Stabile Beschaftigungs-verhaltnisse

Zugriff und Produktion idiosynkratischen

Wissens

Sozialkapital

Vertrauen

In der folgenden Abbildung sind die einzelnen Zusammenhange illustriert. Erfolg-

reiche Untemehmen, so die Uberlegung kQnnen langerfristige und stabile Beziehungen

zu ihren Beschaftigten aufbauen und garantieren. Von dieser Voraussetzung aus-

gehend, so die zentrale Uberlegung, ist es Organisationsmitgliedem eher moglich ver-

trauenswiirdige Beziehungen aufzubauen und in soziales Kapital zu investieren. Es ist

plausibel anzunehmen, dass kurzzeitig Beschaftigte, oder nur im Rahmen eines ein-

zigen Auftrages beschaftigte freie Mitarbeiter beispielsweise, kaum Energie und Zeit

in den Aufbau von dauerhaflen sozialen Beziehungen investieren werden. Anzu­

nehmen ist, dass jeweils nur in dem AusmaB in soziales Kapital investiert wird, damit

der jeweilige Auflrag erfolgreich bzw. zufrieden stellend durchgefiihrt werden kann.

Es ist zudem plausibel, dass in diesen Fallen nur insoweit kooperiert wird, wie dies zur

Erfiillung des Auflrages notwendig ist. LSngerbindende soziale Verpflichtungen und

Hilfestellungen, die erst in Zukunft erwidert werden konnen, werden dann gar nicht

erbracht.

Die beschriebenen Zusammenhange sind in der dargestellten Abbildung noch einmal

zusammengefasst. Folgende Uberlegungen sind hier also skizziert. Unterstellt wird,

dass stabile Beschafligungsformen einen positiven Einfluss auf den Aufbau von

Sozialkapital zeigen. Gleichzeitig wird uber stabile Beschafligungsformen auch der

164

Page 175: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Aufbau von Vertrauen in Organisationen beeinflusst. Ich gehe davon aus, dass Ver-

trauen ebenso wie Sozialkapital von einer Reihe mikro-organisationaler Variablen -

die ich im weiteren ausfuhrlich bespreche - wie z. B. idiosynkratischer Arbeitsinhalt,

partizipationsfordemde Managementstrukturen, feedbackorientierte Managementstruk-

turen, Fehlerakzeptanz in der Untemehmung, partizipative Managementstrukturen,

individualisierte Entgeltsysteme und individuelle Leistungskontrolie, Stress und Kon-

trolle, bestimmt werden.

Unterstellt wird dabei, dass ein hoher Grad an Sozialkapital und Vertrauen positiv auf

den Zugriff und auf die Produktion von idiosynkratischem Wissen wirkt. Damit baut

sich - so die Uberlegung - ein Untemehmen einen nachhaltigen Vorrat an firmen-

spezifischen Ressourcen und Kompetenzen auf. Von der Nutzung dieses Vorrats an

firmenspezifischen Ressourcen und Kompetenzen, der mit Teece, Pisano und Shuen

(1997) als ''dynamic capabilities'' konzeptionalisiert wird, ist der Erfolg des Unter-

nehmens bestimmt (Penrose, 1959). Ein erfolgreiches Untemehmen wird sehr viel

wahrscheinlicher in dauerhafte Beschaftigungsbeziehungen investieren kOnnen und

damit das Wissen, das Talent und die Fahigkeiten von Mitarbeitem binden konnen.

1.2. Modellzusammenhang - Szenario II (negativer Zyklus)

Im Szenario II - illustriert in der Abbildung 30 - sind die negativen Zyklen der Zu-

sammenhange skizziert. Ausgangspunkt sind unbest^ndige und kurzfristige Arbeits-

beziehungen in Untemehmen. Angenommen wird, dass BeschSftigte in prekaren und

unsicheren Beschaftigungsformen weniger Energie und Zeit in den Aufbau von sozia-

lem Kapital investieren.

165

Page 176: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Abbildung 30: Instabile Beschaftigung Szenario II (eigene Darstellung)

Erosion firmenspezifischer Kompetenz und

Ressourcen

Verschlechterung des Untemehmens-

erfolg

Erschwerter Zugriff und ^geringere Produktion

idiosynkratischen Wissens

Weniger Vorrat an Sozialkapital

instabile und kurzfristige Beschaftigungs-

verhaltnisse

Geringeres Vertrauen

Wenn ilberhaupt, so ist zu vennuten, dass sie dies nur dann tun, wenn sie tiber das

veraiutete BeschaftigungsausmaB hinaus Vorteile erwarten. Entsprechend ist anzu-

nehmen, dass unsicher Beschaftigte auch kein groBes Interesse haben werden in sozi-

ale Verpflichtungen zu investieren, die tiber ihren zeitlich befristeten Horizont der Be­

schaftigung hinausgehen. Angenommen wird auch, dass sie ein geringeres Interesse

haben, in vertrauenswurdige Beziehungen tiber den engsten Kreis ihrer KoUegenschaft

hinaus zu investieren.

Es ist zu vermuten, dass BeschSftigte in prekSren Arbeitsverhaltnissen in einem ge-

ringeren AusmaB in reziproke Verpflichtungen investieren, ais Beschaftigte mit sta-

bilen und dauerhaften Arbeitsvertragen. Weniger plausibel ist es, anzunehmen, dass

kurzfristig Beschaftigte auf Vertrauen gSnzlich verzichten. Es ist allerdings keines-

wegs anzunehmen, dass komplexe, unsichere Umwelten Misstrauen automatisch auf-

bauen. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Weick (2001:33If.) sieht Organisationen in

komplexen unsicheren Situationen immer nur dann fahig mit unvorhergesehenen

Pannen erfolgreich umzugehen, wenn sie ein hohes MaB an Vertrauen ausgebildet

haben. Das ist keine nebensachliche These, sondem stellt sich als elementare Voraus-

setzung heraus. Vertrauen ist so verstanden ein essentieller Bestandteil um in kom­

plexen und unsicheren Situationen angemessen reagieren und handeln zu kSnnen.

166

Page 177: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

1.3. Soziales Kapital und Vertrauen als abhangige Variablen

Karl Weick zeigt, dass mit zunehmender Unsicherheit Vertrauen eine immer grSBere

Rolle spielt (Weick, 2001:331) urn Uberhaupt die Handlungsfahigkeit in komplexen

Situationen aufrechtzuerhalten. Nicht viel anders Luhmann (1968), er sieht die Funk-

tion von Vertrauen primSr in der Reduktion von Komplexitat. Vertrauen reduziert in

sozialen Beziehungen aufwSndige Kommunikationsrituale und minimiert gerade in

Okonomisierten Beziehungen auftretende Transaktionskosten. Es liefie sich hier die

These vertreten, dass vollkommen okonomisierte Beziehungen in einer Gesellschaft,

ebenso in einem Untemehmen, in der Praxis nicht umsetzen lieBen, weil sie mit ex-

trem hohen Transaktionskosten in Verbindung sttinden. Es konstituieren sich also viel-

fSltige Austauschbeziehungen erst durch ein gewisses MaB an Vertrauen. Vertrauen

wurde in der vorliegenden Untersuchung tiber Fragebogen-Items operationalisiert, bei

denen die Einstellung erhoben wurde, in welchem AusmaB Befragte Kollegen und

Vorgesetzten Vertrauen schenken und wie hoch Befragte das Vertrauen, das Kollegen

und Vorgesetzte in sie setzen, einschatzen.

Soziales Kapital und Vertrauen wurden in der vorliegenden Untersuchung als zwei ab­

hangige Variable konstruiert. Unter Bezugnahme auf die existierende Sozialkapital-

literatur werden oft beide Konstrukte zusammenzufuhren. Vertrauen bildet aber eine

Voraussetzung fiir die Ausbildung von sozialem Kapital (Putnam, 2000). Werden beide

Merkmal sozusagen ftisioniert, gehen - so die hier vertretene Auffassung - wichtige In-

formationen verloren. Die in der Untersuchung verwendeten Fragebogen-Items lassen

sich fiir das Konstrukt Vertrauen als auch filr das Konstrukt Sozialkapital in einer Ge-

genuberstellung mit der existierenden Literatur zum Thema Sozialkapital als approxi­

mative Variable legitimieren. Die Fragebogen-Items fiir das Konstrukt Vertrauen wur­

den als fiinfstufige Ratingskala formuliert. Soziales Kapital wird in dieser Untersuchung

durch die tatsachliche Anzahl verschiedener sozialer Kontakte gemessen. Auch wenn in

der einschlSgigen Literatur eine Vielzahl verschiedener Sozialkapitaldefmitionen exis-

tiert, haben alle mehr oder weniger gemeinsam, dass es dabei um die Quantitat und

Qualitat der sozialen Kontakte in einer sozialen Gemeinschaft geht. In dem hier in dieser

Untersuchung implizit verwendeten Verstandnis, geht es aber in dem Versuch, soziales

Kapital festzumachen, immer um das AusmaB der sozialen Einbettung einzelner Ak-

teure in einen Verband anderer sozialer Akteure und den Ressourcen, die dadurch zur

Verfiigung stehen.

167

Page 178: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Im vorhergehenden Abschnitt wurde die Vielfalt der verschiedenen Sozialkapitaldefini-

tionen diskutiert. Es ging dabei nicht eine Perspektive gegeniiber einer anderen zu dis-

kriminieren. Wie gezeigt wurde, ist mit dem Begriff Sozialkapital eine komplexe soziale

Wirklichkeit von sehr verschiedenen Standpunkten heraus beschrieben. In einer empi-

rischen Untersuchung stellt sich aber immer die Frage, in welchem AusmaB diese Viel-

faltigkeit eines Konstrukts auf eine messbare Grofie, die reliable und valide fiir das

Konstrukt steht, heruntergebrochen werden kann. Einen Vorteil dieser Untersuchung

sehe ich darin, dass ein erster Versuch gemacht wird, um dieses komplexe Phanomen zu

beschreiben und einer empirischen Uberprufung zuzufuhren. Zentrales Erkenntnis-

interesse hierbei ist es einzelne Faktoren herauszuarbeiten, die das AusmaB und das Ent-

stehen von sozialem Kapital erklaren. Die tatsSchliche empirische Realitat dieser Fak­

toren kreist - wie sich zeigen wird - um die Frage der Integration (Eingrenzung) und

Ausgrenzung sozialer Akteure in einer konkreten Menge von sozialen Beziehungen.

Allerdings soil hier nicht der Eindruck vermittelt werden, dass die Struktur das be-

stimmende Element ist bzw. die einzelnen Moglichkeiten und Handlungen der Akteure

determiniert. Putnam beispielsweise hat Sozialkapital hauptsachlich mit dem zivilgesell-

schaftlichen Engagement gleichgesetzt. Den von ihm verwendeten Sozialkapitalindex

hat er aus folgenden vierzehn Indikatoren zusammengesetzt (siehe hierzu: Putnam,

2000:414ff.). Folgende Fragebogen-Items verwendet Putnam zur Generierung des Vor-

rats an Sozialkapital. 1. Agree that "I spend a lot of time visiting friends"; 2. Agree that

"Most people can be trusted"; 3. Agree that "Most people are honest"; 4. Attendance at

any public meeting on town or school affairs in last year (percent); 5. Number of civic

and social organizations per 1000 population; 6. Average number of club meetings

attended in last year; 7. Average number of group memberships; 8. Average number of

times volunteered in last year; 9. Average number of times entertained at home in last

year; 10. Average number of times worked on community project in last year; 11.

Number of non-profit organizations per 1000 population; 12. Served as officer of some

club or organization in last year (percent); 13. Served on committee of some local

organization in last year (percent); 14. Turnout in presidential elections, 1988 and 1992.

Putnams Ansatz soziales Kapital zu messen hat Vor- und Nachteile. Der zentrale Vorteil

liegt darin, dass es sich hierbei um relativ einfach zu erhebende Daten handelt. Auch

sind die Daten eindeutig messbar, was ein wichtiges, jedoch sehr oft tibergangenes

Kriterien in sozialwissenschaftlichen Untersuchungen ist. Insbesondere in den USA sind

tiber mehrere Jahrzehnte hinweg umfangreiche Datensatze zu den von Putnam heraus-

gegriffenen Fragen vorhanden. Putnam hat auch auf seiner Webseite die Datensatze zur

Verfiigung gestellt. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass hier das Konstrukt Sozial-

168

Page 179: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

kapital mit der Annahme verbunden ist, dass ein freiwilliges und unentgeltliches

Engagement in gesellschaftlichen Bereichen (z. B. in Vereinen, Nachbarschaftsgruppen

etc.) das soziale Engagement einer untersuchten Population zeigt. Ein Nachteil ist je-

doch, dass diese Methode der Messung des zivilen Engagements mit Reziprozitat

gleichgesetzt wird (vgl Putnam, 2000: 505).

Ich der vorliegenden Untersuchung wurde durch die foigenden Fragebogen-Items

Soziaies Kapital operationalisiert. Aus den einzelnen Fragebogen-Items wurde ein Index

konstruiert, der aus der Summe der jeweiligen sozialen Kontakte des Befragten besteht.

Die abhSngige Variable Sozialkapital wurde also durch

• die Anzahl der Kontakte die Beschaftigte mit Kollegen unterhalten,

• die Anzahl der Kontakte zu Kollegen, auf die sich - in ihrer EinschStzung - die Be­

fragten 100%ig verlassenkonnen;

• die Anzahl der Kontakte zu Kollegen und die Anzahl der Kontakte zu Vorge-

setzten, die von den Probanden als freundschaftliche Kontakte eingestuft werden;

und durch

• die Anzahl der sozialen Kontakte zu Kollegen mit denen aktiv Freizeit verbracht

wird.

Welters bin ich von der Uberlegung ausgegangen, dass jene Kontakte besonders starke

Bindungen aufweisen, mit denen die Befragten auBerhalb der Arbeitszeit Freizeitaktivi-

taten durchftihren.

Vertrauen zu messen erscheint auf den ersten Blick problematischer. In einer wissen-

schaftlichen Analyse von Vertrauen lassen sich einige zentrale Komponenten identifi-

zieren. In der durchgefuhrten Untersuchung ging es primSr darum, festzuhalten, in

welchem Ausmafi einzelne Akteure anderen Kollegen und ihren Vorgesetzten Ver­

trauen schenken und welche Einschatzung sie selbst haben, in welchem Ausmafi

Kollegen und Vorgesetzte ihnen selbst Vertrauen schenken. Gemessen wurde dies mit

der Formulierung geeigneter Fragebogen-Items mit einer ftinf-stufigen Ratingskala

und es wurde daraus ein Index fur das Konstrukt Vertrauen gebildet.

Die ganze Komplexitat von Vertrauen und die einzelnen Funktionen von Vertrauen

standen also hier nicht im Vordergrund. Gemessen wurde die Einschatzung der Be­

fragten wer ihnen vertraut und wem sie selbst Vertrauen schenken. Das andert nichts

daran, dass Vertrauen die im konzeptionellen Modell dieser Untersuchung unter-

169

Page 180: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

stellten Funktionen erfUUt. Wie in den vorigen Abschnitten erlSutert, besteht diese

Funktion darin, dass Vertrauen die Handlungsfdhigkeit von Akteuren in komplexen

und groBteils unsicheren Umwelten sicherstellt. Vertrauen ist ein unerlSssliches

Schmiermittel in wirtschaftlichen Transaktionen (Arrow, 1974).

Mit Luhmann iSsst sich feststellen, wie erwahnt, dass Vertrauen Komplexitat reduziert

und damit erst eine Systemfunktionalitat herstellt. Auf dieser Ebene Vertrauen zu

messen ist schwierig. Ein weiterer angesprochener Aspekt von Vertrauen bezieht sich

auf die Einschatzung von Risiken, die jegliche Handlung eines Akteurs einschliefit.

Vertrauen impliziert somit immer das Risiko der Enttauschung durch eine Handlung

Oder ein Handlungsergebnis, das erst in der Zukunfl eintritt. Der Versuch Vertrauen

auf dieser kognitiven und handlungspraktischen Ebene zu messen ist schwierig, well

damit mit groBer Wahrscheinlichkeit nicht das Vertrauen, sondem das AusmaB an

Enttauschung gemessen wird. Da Vertrauen immer mit einer zukiinftigen Verhaltens-

erwartung in Zusammenhang steht, ist es zudem problematisch konkrete Einstellungen

von gegenwartigen, vergangenen und erwarteten zukiinftigen Handlungen abzu-

grenzen.

Vor dem Hintergrund dieser Uberlegungen habe ich mich entschieden, standardisierte

Fragebogen-Items in der Untersuchung zu verwenden, die sich darauf beschrSnken den

jeweiligen Grad an Vertrauen der Befragten in Kollegen und Vorgesetzte mit einer

fiinfstufigen Ratingskala zu messen. Der Vorteil standardisierter Fragebogen-Items mit

einer Ratingskala liegt darin, dass es sich hier um ein bewShrtes Testverfahren handelt,

mit dem Einstellungen gemessen werden konnen. Vertrauen als abhangige Variable

habe ich aus den Fragebogen-Items konstruiert, die primSr direkt die Einstellimg der

Befragten messen, ob sie ihren unmittelbaren Kollegen Vertrauen schenken, ob sie

ihren Vorgesetzten Vertrauen schenken, und inwiefem sie fmden, dass ihre Vorge-

setzten Vertrauen in sie setzen.

Sozialkapital und Vertrauen wurden aus pragmatischen Grthiden als zwei getrennte

abhangige Variable konstruiert. Primar deshalb, well ich die Anzahl der freundschaft-

lichen und verlasslichen Kontakte ein ganz zentrales Merkmal von Sozialkapital-

defmitionen ist. Innerhalb der Sozialkapitalliteratur lassen sich zwei Richtungen fest-

machen in denen diese beiden Defmitionen gebrauchlich sind. Eine Richtung betrifft

hauptsachlich Arbeiten von Burt (1992, 1997), Fortes (1998) und Lin (2001) die So­

zialkapital mit der Struktur und der Qualitat von sozialen Netzwerken in Verbindung

bringen. Woolcock (1998) bezeichnet diese Form der Messung von Sozialkapital als

170

Page 181: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

eine Bewertung des sog. linking social capital, well vorwiegend die Anzahl der

Bindungen bewertet werden. Eine andere Richtung in der Sozialkapitalliteratur, die

mit Arbeiten von Putnam (2000) in Verbindung gebracht wird, versucht Sozialkapital

Uber die Eigenschaft der Solidaritat, des zivilen Engagements und des Vertrauens, das

in soziaien Gruppen oder Gesellschaften existiert zu messen.

Grundsatzlich geht es in dieser Untersuchung ja darum, diejenigen organisationalen

Faktoren herauszuarbeiten, die das AusmaB von Vertrauen und Sozialkapital beein-

flussen. Zurzeit existiert in der einschlSgigen Literatur zum Thema Sozialkapital und

Vertrauen keine einschlagige empirische Untersuchung zu dieser Frage. Neuere

Arbeiten konzentrieren sich primSr darauf, die Dimensionen von Sozialkapital zu er-

heben (vgl. hierzu Grootaert, Narayan, Jones, und Woolcock, 2003). Andere Arbeiten

konzentrieren sich auf die Untersuchung der Wirkung von Sozialkapital und kon­

zentrieren sich auf die Frage, welchen wirtschaftlichen Wert Vertrauen in Orga-

nisationen einnimmt (Woolcock, 1998).

Die generelle These in dieser Arbeit ist, dass prekSre und instabile Beschafligungs-

formen kaum oder in einem sehr geringen AusmaB den Aufbau von Vertrauen und

Sozialkapital ermQglichen. Daruber hinaus ist es von Interesse, von welchen organi­

sationalen Faktoren der Vorrat an Vertrauen und Sozialkapital in Organisationen be-

stimmt wird. Um diese Frage zu beantworten wurde eine Fragebogenuntersuchung

durchgefuhrt mit der verschiedene organisational Eigenschaften gemessen wurden. In

der Erstellung des Fragebogens konzentrierte ich mich darauf, jene Merkmale einer

Organisation als Fragebogen-Items zu formulieren, die mit der Produktion und dem

Austausch von Wissen in Zusammenhang stehen und von denen im Ruckgriff auf die

existierende Literatur angenommen werden kann, dass sie sowohl den Bestand an

Vertrauen als auch den Vorrat an Sozialkapital beeinflussen. In der Untersuchung

wurden daher die folgenden Faktoren erhoben:

• die Kritikfahigkeit der Organisation;

• das AusmaB des praktizierten Feedbacks in einem Untemehmen;

• die Kooperationsbereitschaft der Mitarbeiter;

• den Umfang der Einbindung der Mitarbeiter in organisationale Entscheidungspro-

zessen;

• die Identifikation der Probanden mit den eigenen organisationalen Arbeitsauf-

gaben;

• das AusmaB der von den Befragten wahrgenommen Aufgaben-Interdependenz;

171

Page 182: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

• der Umfang der Abgeltung der individualisierten Leistungserbringung in der Ein-

schatzung der Befragten;

• in weichem Umfang Befragte, die eigenen Arbeitsaufgaben unter Stress und

Arbeitsdruck ausiiben;

• dariiber hinaus wurden allgemeine soziodemografische Merkmale erfasst, wie

z.B. EinkommenshShe, Alter, Beschaftigungsdauer im Untemehmen, Ein-

schatzung der eigenen Mobilitat und Fragen zur Stellung in der Hierarchie in der

Organisation, neben den sonst iiblichen soziodemografischen Angaben.

Das erkenntnisleitende Interesse in der vorliegenden Arbeit richtete sich darauf,

mikro-organisationale Faktoren herauszuarbeiten, die die Entstehung von Sozialkapital

und Vertrauen erklaren. Im empirischen Teil dieser Arbeit steht jedoch weniger die

Sichtweise bzw. die Bewertung des Managements und der leitenden Angestellten im

Mittelpunkt des Interesses, sondem die Befragung richtete sich auf die Messung der

Einstellungen einfacher und mittierer Beschaftigter in Untemehmen. Mit dem Ergeb-

nis der Befragung wurde eine konfirmatorische Faktorenanalyse durchgefiihrt. Ergeb-

nis dieser Faktorenanalyse waren mikro-organisationale Faktoren, die als unabhangige

Variable in das Modell und in die Hypothesenformulierung einfliefien.

1.4. Faktorenanalyse ausgewahlter Fragebogen-Items (abhangigen Variable)

Bei der Faktoranalyse geht es um die Reduktion von Informationen. In diesem Ver-

fahren werden Kommunalitaten einer groBeren Anzahl von Variablen reduziert, indem

Items mit sehr ahnlichem Antwortverhalten zusammengefasst werden. Hinter den zu-

sammengefassten Items steht ein Konstrukt, das fiir das gemessene Merkmal steht. Die

Faktorenanalyse ist ein Verfahren, mit dem einzelne Gruppen von Faktormustem

identifiziert werden. Das Verfahren pruft, inwieweit eine Gruppe von Items starker

miteinander zusammenhangt und welche Gruppe von Items nicht mit dem ausge-

wiesenen Faktor in Zusammenhang steht. Im Rahmen der fur diese Arbeit durchge-

fuhrten Faktorenanalyse wurden die im Folgenden diskutierten Faktoren extrahiert.

Die Darstellung der Ergebnisse der Faktorenanalyse dient nicht nur der Beschreibung

der in die Modellrechnung eingebrachten unabhangigen Variablen, sondem dient auch

der Diskussion der Faktoren vor dem Hintergrund der einschlagigen Literatur und hat

zum Ziel, die zentralen Thesen, die einer empirischen Prtifung unterzogen werden,

vorzustellen.

172

Page 183: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

1.4.1. Ergebnisse und Interpretation der Faktoren

1.4.1.1. Faktor 1 - idiosynkratischer Arbeitsinhalt

Die Gestaltung von Arbeitsaufgaben ist in der Organisationsforschung eine der zen-

tralen Herausforderungen. Ausgehend von den Hawthome-Studien hat sich die Orga­

nisationsforschung immer wieder mit ArbeitsgestaltungsmaBnahmen auseinanderge-

setzt, um die Produktivitat in Untemehmen zu verbessem. Eine kritische Auseinander-

setzung mit dieser Thematik steht dabei jedoch in der einschlagigen Literatur nicht im

Vordergrund. Das mag damit zu tun haben, dass die Fragestellung und die Auftrag-

geber der Forschungsfragen, von der privilegierten Sicht des Managements ausgehend

sich mit dieser Problematik auseinandersetzten und die Perspektive des Forschers

dabei eine sehr eingeschrankte blieb. Arbeitsgestaltungsaufgaben sind immer einge-

bettet in einen Diskurs der in konkreten sozialen Feldem Macht und Herrschaft legi-

timiert (Bourdieau, 1999). Fragen der ArbeitsqualitSt, Uberlegungen zum An-

reicherung von Arbeitsaufgaben, die in der US-amerikanischen Literatur unter dem

Etikett Job enrichment diskutiert werden und damit in Verbindung stehende Arbeitsge­

staltungsmaBnahmen, die Anreicherung der Entscheidungsfreiheit in der Ausfiihrung

von Arbeitsaufgaben, oder die Autonomisierung von Arbeitsaufgaben, im US-ameri­

kanischen Kontext als empowerment diskutiert werden, haben vorwiegend einen

instrumentellen Charakter und sind seit geraumer Zeit implizite Elemente in der exis-

tierenden Forschungsliteratur (Lawler, 1992; Ichniowski, Kochan, Levine, Olson und

Strauss, 1996). Dieser Diskurs ist zum GroBteil darauf zuriickzuftihren, dass ein-

schlagige Arbeitsaufgaben in der industriellen Produktion und im Speziellen per-

sonenbezogene Dienstleistungen sich in einem immer groBeren AusmaB einer direkten

Kontrolle durch das Management entziehen und es deshalb zunehmend darum geht,

den personlichen Einsatz der ArbeitskrSfte, ihr Engagement durch MaBnahmen der

Integration zu verbessem. In der Organisationstheorie und im Humanressourcen-

management wird dabei unterstellt, dass ArbeitsgestaltungsmaBnahmen, die im Modell

der "High-Involvement-Work-Systeme" gipfeln (vgl. hierzu Becker, Huselid und

Ulrich, 2001), einzelne Arbeitnehmer in die Lage versetzen, Informationen besser zu

verarbeiten und zu verstehen (Spreitzer, 1996). Empirische Studien zum Thema

streichen heraus, dass high involvement work practices positive Effekte auf die

Produktivitat und den Untemehmenserfolg zeigen (Guthrie, 2001; Kochan und

Osterman, 1994; Lawler, 1992; Pfeffer, 1998). In diesen Untersuchungen wird implizit

die These vertreten, dass die Humanressourcen eine zentrale Quelle nachhaltiger

Wettbewerbsvorteile sind (Barney, 1991; Wemerfelt, 1984; Huselid, 1995).

173

Page 184: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Die Auswertung und Interpretation der Faktorenanalyse weist darauf hin, dass die in

der neu generierten Variablen (Arbeitsinhalt) zusammengefassten Items fur das von

den Probanden selbsteingeschatzte und in ihrer personlichen Realitat wahrgenommene

AusmaB der Qualifikation und der Qualitat der ausgeubten Tatigkeiten steht. In diesen

Faktor fliefien folgende Fragebogen-Items ein: Einmal steht der Faktor Arbeitsinhalt

fiir die Einschatzung der Befragten inwieweit eigene FShigkeiten und Qualifikationen

als abwechslungsreich wahrgenommen werden (task variety); weiters sammeh der

Faktor die Einstellung der Befragten, ob die eigenen beruflichen Qualifikationen und

Fertigkeiten schwer anzueignen sind; weiters steht der Faktor fiir die Einsch^tzung, ob

die eigenen Arbeitsaufgaben als wichtig eingeschatzt werden und schlieBlich ist in

dem Faktor Arbeitsinhalt die Einstellung zusammengefasst, in welchem Ausmafi sich

die Befragten mit ihren Arbeitsaufgaben identifizieren. In diesem Faktor sind also

Merkmale zusammengefasst, die die Aufgabenvariabilitat, die Aufgabensignifikanz

und im weitesten Sinn die Zufriedenheit mit der ausgetibten Tatigkeit bewerten.

Der Faktor "Arbeitsinhalt" steht sowohl als MaB ftir den Grad der Qualifikation und

fur die Qualitat des Arbeitsinhaltes als auch fur die Identifikation mit den jeweiligen

Arbeitsaufgaben. Die mit diesem Faktor in Verbindung stehende These nimmt an, dass

die Aufgabensignifikanz, die Identifikation und die Variabilitat der Arbeitsaufgaben

einzelne BeschSfligte motivieren, in die Festigung und in den Ausbau existierender

sozialer Beziehungen und in den Aufbau von Vertrauen zu investieren. Entsprechend

lautet Hypothese 1 (HI): Idiosynkratischer Arbeitsinhalt erhoht die intrinsische Moti­

vation und fbrdert die Bereitschafl eines Beschaftigten in den Aufbau von Sozial-

kapital und Vertrauen zu investieren.

1.4.1.2. Faktor 2 - partizipationsfordernde Managementsysteme (Partizipation)

Eine daran anschlieBende Uberlegung ist die Frage, in welchem AusmaB Beschaftigte

im Rahmen ihrer Arbeitstatigkeit in organisational - und ihren Aufgabenbereich

betreffende - Entscheidungen durch das Management eingebunden sind oder im

weitesten Sinn durch die Organisation die Partizipation in Entscheidungsstrukturen

fordert. In einschlagigen Studien wird darauf verwiesen, dass partizipative Manage-

mentstrukturen zu besseren Entscheidungen in Organisationen fuhren (Pasmore und

Friedlander, 1982: 343). Der Erfolg partizipativer Managementmodelle wird insbeson-

dere damit in Verbindung gebracht, well damit die Ideen und das Wissen der Mitar-

beiterinnen in die Losung von Organisationsproblemen integriert werden. Beschaftigte

akzeptieren auch sehr viel eher Entscheidungen, wenn sie daran partizipieren und

174

Page 185: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

nehmen Veranderungen positiver wahr, die mit organisationalen Entscheidungen zu-

sammenhangen, wenn sie in die Entscheidungsprozesse selbst integriert wurden. Die

von Hersey und Blanchard aus ihrer situativen Perspektive heraus entwickelten

Fiihrungskonzeptionen, identifizieren beispielsweise den partizipativen Fiihrungsstil

als einen, der bezogen auf das beziehungsorientierte Verhalten der Mitarbeiter einen

hohen Grad an Unterstutzung entstehen iasst (Hersey und Blanchard, 1988). Partizi-

pation fbrdert also die Kooperation in Organisationen. Dieser auf der Beziehungsebene

hohe Grad an Unterstutzung, so Hersey und Blanchard (1988) erlaubt es, die Ideen und

die Unterstutzung der Beschaftigten zu nutzen. Einmal abgesehen von der Gefahr der

Instrumentalisierung von partizipativen FuhrungsansStzen, ist es unstrittig, dass Mitar­

beiter in Zuge der Teilhabe an Entscheidungsprozessen prinzipiell mehr Engagement

entwickeln und sich in einem sehr viel grOBeren AusmaB in die Organisation ein-

bringen, als ohne Partizipation. Welters ist anzumerken, dass wir als Personen nicht

isoliert lemen, sondem in einen sozialen Kontext eingebettet sind. Der thematische

Hintergrund dieser Frage zielt darauf ab, dass es eine Bedeutung hat, ob Aufgabenbe-

reiche als eigenbestimmt oder fremdbestimmt wahrgenommen werden. Argyris unter-

strich: "all people learn from experience" (Argyris, 1957:15). Erfahrung ist das Ergeb-

nis des Austauschs impliziter und expliziter Wissensformen (Polanyi, 1957). Die Be-

dingungen dieses Austauschs sind eingebettet in organisational Routinen. In der ein-

schlagigen Literatur wird das AusmaB, in dem Beschaftigte sich in verschiedene Ent-

scheidungsroutinen einbringen konnen, als wesentlicher Prozess konzeptionalisiert

(Argyris, 1965; Likert und Hayes, 1957; Deci und Flaste, 1995). Die Organisations-

theorie hat verschiedene Faktoren identifiziert, die die Bereitschaft von Beschaftigten

fordert/zerstort, sich aktiv mit ihren konkreten Fahigkeiten einzubringen (March, 1994

und 1999; Deci, Ryan, Gagne, Leone, Usunov und Komazheva, 2001).

Die in diesem Faktor zusammengefassten Items beziehen sich auf die von den Be-

fragten subjektiv wahrgenommene Partizipation im Zuge getroffener Entscheidungen

der unmittelbaren Vorgesetzten. Es handelt sich um folgende Fragebogen-Items: Ent­

scheidungen, die mich betreffen, werden ohne mich getroffen; Entscheidungen, die

meine Arbeit betreffen, werden mir nur mitgeteilt, wenn sie gefallen sind; ich habe

Probleme bei Anwesenheit von Vorgesetzten, eine abweichende Meinung zu vertreten;

die eigene Meinung ist ftir den Vorgesetzten bei Entscheidungsprozessen wichtig.

Bei der Formulierung dieser Fragebogen-Items ging ich von der Uberlegung aus, dass

die Integration von Beschaftigten als wesentliches Kriterium einer lemenden resp.

wissensorientierten Organisation gelten kann. Daruber hinaus zeigen Deci und Flaste

175

Page 186: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

(1995) im Rahmen vieler Experimente, dass Integration ein konstitutives Element von

Selbstwert ist. Vor diesem Hintergrund scheint es plausibel, folgende Hypothese Nr. 2

zu formulieren.

H2: Partizipative Managementsysteme unterstutzen die Bereitschaft von Beschaf-

tigten, in den Aufbau von Vertrauen und Sozialkapital zu investieren.

1.4.1.3. Faktor 3 -feedbackorientierte Managementsysteme (Feedback)

In komplexen Organisationsumwelten ist Feedback eine wesentliche und bestands-

kritische Eigenschaft. Feedback dient der Steuerung von Untemehmen und ist unver-

zichtbar um die Produktion und den Austausch von Wissen zu unterstutzen. System-

orientierte Ansatze in der Managementforschung sprechen in diesem Zusammenhang

von der Notwendigkeit eine lemende Architektur zu schaffen (Sanchez, 2002:223).

Diese lemende Architektur ist ganz unzweideutig der Bauplan oder die Struktur ftir die

handelnden Akteure. Einzelne Handlungsergebnisse werden als Interaktion (interagier-

ender Personen) konzeptionalisiert (Weick, 1995) und Koordinations- und KontroU-

aufgaben in einer Organisation werden dabei als Reaktionen auf bereits stattgefundene

Handlungen und Handlungsprozesse problematisiert, die nicht von isolierten, sondem

von in einer Struktur von Handlungen miteinander interagierenden Akteuren erfolgen.

Weick sieht darin das Ergebnis bzw. die „Entstehung von dauerhaften sozialen Be-

ziehungen" (Weick, 1995:131). Organisieren wird hier als Prozess begriffen und dieser

Prozess ist bestimmt durch ineinandergreifende Handlungen von zwei oder mehreren

Personen. Weick vertritt die These, dass dabei eine wechselseitige Aquivalenz (das

heifit anders formuliert eine ReziprozitSt) entsteht mit einer minimalen Gemeinsamkeit

(Weick, 1995:148). Minimale Gegenseitigkeit kann sich zu dauerhaft wechselseitig

vorteilhaften Interaktionen entwickeln (Weick, 1995:152; Axelrod, 1984). Sozialkapi­

tal und Vertrauen werden hier als konstitutive Elemente einer ubergreifenden Infra-

struktur der wissensorientierten Organisationsform verstanden, die die Entwicklung

wechselseitig vorteilhafler Interaktionen dauerhaft unterstutzen. Ein unverzichtbares

Element, das Lemen und Wissensaufl^au ermoglicht, ist, ob es einer Untemehmung

gelingt, selbstreferentielle Feedbackschleifen zu installieren (Weick, 1995). In diesem

Zusammenhang ist es von Bedeutung, inwiefem das Management sich ftir die

Perspektiven, Ansichten und Angelegenheiten der Beschaftigten interessiert (Deci,

Eghrari, Patrick und Leone, 1994). Wesentliche Teilbereiche der Organisationstheorie

gehen ja davon aus, dass ganz allgemein die "gemeinsame Interpretation" von Tat-

sachen als Bindemittel zu verstehen ist, die das Konstrukt Organisation zusammenhalt

176

Page 187: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

(Smircich, 1983; Weick, 1995 und 2001). Aus ganz unterschiedlichen methodolo-

gischen Positioner! heraus sehen Hayek (1937) und Polanyi (1957), Wissen erst durch

den Austausch gemeinsamer Erfahnmgen entstehen. Wenn gemeinsame Erfahnmgen,

die eingebettet sind in soziale Strukturen, als wichtig verstanden werden, dann ist es

notwendig, dass Organisationen Feedback zulassen. Vor diesem Hintergrund und mit

diesen Uberlegungen habe ich einzelne Fragebogen-Items konstruiert, die dieses

Merkmal messen.

Die in diesem Faktor zusammengefassten Fragebogen-Items soUen die Einstellung der

Befragten, die in Zusammenhang mit dem Feedback stehen, erheben. Dabei wurde

untersucht, ob die Befragten der Meinung sind, dass Vorgesetzte sich fiir die Sicht-

weise der Mitarbeiter interessieren; ob Verbesserungsvorschiage in der Organisation

positiv angenommen werden und ob die Befragten den Eindruck haben, dass sie tiber

Informationen verfiigen, mit denen die eigenen Arbeitsprozesse verbessert werden

konnen.

Feedbackfahige Management- und Organisationsstrukturen verstehe ich also als Vor-

aussetzung einer wissensorientierten Untemehmung, well die Anforderung in einer

komplexen Aufgabenumwelt, Korrekturen auch bei eingespielten Organisations-

routinen und Handlungspraxen vorzunehmen, von dem in der Organisation produ-

zierten Feedback abhangt. Dieses Feedback kann negativ oder positiv sein. Unab-

hangig davon ist Feedback als Information zu interpretieren, die uber die von der Um-

welt wahrgenommene Qualitat des Outputs Auskunfl gibt. Es ist anzunehmen, dass

Mitarbeiter, die Feedbackprozesse als positive Organisationsprozesse kennen lemen,

sehr viel aktiver in den Aufbau von Sozialkapital und Vertrauen investieren. Unab-

hangig vom Grad und der Qualitat des Feedbacks ist es nicht unbedeutend, wie Orga­

nisationen mit Fehlem umgehen. Die Frage lautet daher, ist eine Organisation in der

Lage Fehler anzusprechen und zu verarbeiten oder werden Fehler ignoriert oder iiber-

haupt nicht verarbeitet? Wie Organisationen mit unliebsamen Entscheidungen um­

gehen, haben March und Olsen (1989) mit ihrer Metapher des "garbage can" um-

schrieben. Unangenehme und schwierige Entscheidungen werden aufgeschoben oder

unter den Tisch gekehrt. Komplexe und unsichere Entscheidungssituationen bleiben

unangegriffen. Virulente Probleme manifestieren sich so in nicht voUzogenen Ent­

scheidungen und werden uber komplexe Prozesse der VerdrSngung im Laufe der Zeit

delegitimiert. Sachzwange und Zeitdruck sind zentrale Bestandteile dieser Delegi-

timierungsstrategien einer Organisation und des prinzipiell dafur zustandigen Manage­

ments. Feedbackprozesse stSren diese Verdrangungsprozesse. Wesentlich hierbei ist,

177

Page 188: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

dass die Qualitat der Feedbackprozesse daruber entscheidet, ob identifizierte Fehler in

die offiziellen Kommunikationsprozesse eingespeist werden.

In diesen Faktor sind also Fragebogen-Items zusammengefasst, die die Sensibilitat und

die positive Aufnahme von Fehlem in der Organisation messen. Ich interpretiere den

Faktor 3 ais eine Organisationsvariable, die dazu beitrSgt, ob tiberhaupt Fehler-

meldungen in einer Organisation als Motivation gelten. Eine geringe AusprSgung der

Variable weist hingegen auf eine organisational Pathologie bin, die es den Be-

schaftigten quasi unmoglich macht, im Arbeitsalltag Fehler einzugestehen und wahr-

zunehmen, well SachzwSnge und Zeitdruck eine Auseinandersetzung mit Fehlem als

Stoning, im schlimmsten Fall als lamentieren erscheinen lassen.

Mit den in diesem Faktor zusammengefassten Items wurde die Einstellung der Be-

fragten zu den folgenden Aussagen gemessen: 1st das Ansprechen von Fehlem eine

positive Erfahrung im Untemehmen? Werden VerbesserungsvorschlSge positiv aufge-

nommen? Interessieren sich Vorgesetzte fur die Sichtweise der Mitarbeiter? In alien

drei Fragebogen-Items habe ich eine positive Einstellung zur Formuliemng, zur Arti-

kulation und zur Aufnahme von Fehlem ausformuliert und die Einstellung der Be-

fragten gepruft. Ich nehme also an, dass eine so verstandene Fehlerakzeptanz der

Organisation sich positiv auf den Aufbau von Vertrauen und Sozialkapital auswirkt.

Hypothese Nr. 3 lautet daher: (H3) Feedbackorientierte Organisationen untersttitzen

Mitarbeiter in ihrer Bereitschaft in Sozialkapital und Vertrauen zu investieren.

1.4.1.4. Faktor 4 - Aufgabenkontrolle (Autonomie)

Organisationen untersttitzen und zerstOren in vielfHltiger Weise die Kooperationsbe-

reitschaft interdependenter Organisationsmitglieder. Fiir den Austausch einer intangib-

len Leistungen (wie z. B. Wissen) ist dies im besonderen AusmaB von Bedeutung, weil

die konkreten Inhalte vielfach nicht vor, noch nach der Ubertragung eines Leistungs-

austauschs festzumachen sind. In der Okonomischen Theorie spricht man deshalb von

Vertrauensgtitem. Nun ist es aber gerade so, dass in sehr vielen Organisationen nicht

Vertrauen vorherrscht, sondem in vielen Fallen kultivieren Organisationen ein Klima

des Misstrauens und der Kontrolle, das freiwillige Kooperation zerstSrt bzw. er-

schwert. UmstmkturierungsmaBnahmen, standige VerSnderungen von Leistungsver-

einbarungen, MaBnahmen im Zuge von Dovmsizing und Reengineering Projekten

haben gezeigt, dass Sozialkapital und Vertrauen in einem groBen AusmaB in den

Untemehmen zerstort (Herriot, Hirsh und Reilly, 1998:17). Tatsache ist, dass Unter-

178

Page 189: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

nehmen, in denen ein hoher Grad an Misstrauen existieit, grundsStzlich auf die intelli-

gente Steuerung durch Selbstreferenz ihrer Organisationsmitglieder verzichten. An die

Stelle von Kritikfahigkeit und Selbstandigkeit treten Fremdbestimmung und instru-

mentelles Denken. Managementsysteme, die ihre Planungssicherheit uber strikte Hier-

archien gewinnen, laufen Gefahr, mit ihren Kontrollinstrumenten permanente Uber-

steuerungen vorzunehmen, die in ihrer Wirkung kontraintuitiv (Crozier und Friedberg,

1993) und kostenintensiv sind. Misstrauen und strikte Kontrolle zeigen sich als kontra-

produktive Steuerungs- und Koordinationsinstrumente in Organisationen. Tatsachiich

verzichten Organisationen damit auf die Fahigkeiten und das Talent ihrer Be-

schaftigten (Leonard-Barton, 1992 und 1998).

Deci und Flaste (1995) zeigen in ihren experimentellen Studien den Einfluss ver-

haltenswissenschaftlicher Faktoren auf die Entstehung intrinsischer Motivation. Sie

weisen nach (Deci, Driver, Hotchkiss, Robbins und Wilson, 1993), dass autonome und

selbstbestimmte Aufgaben (im Gegensatz zu kontroUierten und fremdbestimmten) den

Grad der intrinsischen Motivation bestimmen. Intrinsische Motivation versteht Deci

(Deci, Connel und Ryan, 1989) als Prototyp autonomen Handelns (Gagn^ und Deci,

2005). An diese Forschungsarbeiten anschliefiend argumentiere ich, dass idiosynkra-

tische Fahigkeiten und Wissensformen nur freiwillig in vollem Umfang weitergegeben

werden, wenn der Sender idiosynkratischer Wissensformen intrinsisch motiviert ist, so

die These, dann ist der Einfluss der Faktoren Autonomic und Selbstbestimmung von

Bedeutung. Das AusmaB der intrinsischen Motivation, die implizit tiber den Umfang

der Autonomic, bzw. wie Deci es formuliert, den Grad an Selbstbestimmung bestimmt

wird (Gagne und Deci, 2005) ist ein ganz zentrales Element einer Organisationskultur

in der Vertrauen und Sozialkapital willig sind. Die Verkntipfung zwischen Autonomic

und Selbstbestimmung und dem Aufbau von Sozialkapital sehe ich tiber freiwillig ein-

gegangene reziproke Verpflichtungen gegeben. Diese reziproken Verpflichtungen

sind, wie ich im vorigen Abschnitt zu zeigen versucht habe, eingebettet in cine soziale

Struktur. Die Uberlegung ist aber die, dass diese Einbettung von interdependenten Be-

ziehungen nur dann positiv auf Vertrauen auf Sozialkapital wirkt, wenn Autonomic

und Selbstbestimmtheit nicht beschrSnkt werden. In Organisationen ist die Ein-

grenzung von Selbstbestimmtheit vor allem durch cine strikte Aufgabenkontrolle ge­

geben. Einzelne Fragebogen-Items in der vorliegenden Untersuchung, die ftir das

Merkmal Autonomic im positiven und fiir das Merkmal Aufgabenkontrolle im nega-

tiven Sinne stehen, wurden durch die konfirmatorische Faktorenanalyse bestatigt.

179

Page 190: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Hypothese Nr. 4 lautet daher (H4): Bin hoher Grad an Aufgabenkontrolle wirkt sich

negativ auf den Grad an Selbstbestimmtheit aus und wirkt negativ auf die Merkmale

Vertrauen und Sozialkapital.

L4.L5. Faktor 5 - individualisierte Entgeltsysteme undLeistungskontrolle

In der Organisationsforschung ist die Frage der Anreizgestaltung eine zentrale (Jost,

2000) - aber inzwischen auch umstritten, da eine wachsende Anzahl von BeitrSgen in

der einschlagigen Literatur existieren, die sich mit den kontr ren Effekten extrin-

sischer und intrinsischer Motivation auseinandersetzen (vgl. Frey, 1997; Fehr, Gachter

und Kirchsteiger, 1997). Extrinsische Leistungsanreize werden in der Untemehmung

nur dann als effizientes Instrument der Verhaltenssteuerung interpretiert, wenn es sich

um so genannte einfache Aufgaben {simple Jobs) handelt. Insofem ist es also interes-

sant, Informationen iiber das Ausmafi der individuell gestalteten Entgelt- und

Leistungssysteme zu sammeln. Im Faktor 5 wurden Fragebogen-Items zusammenge-

fasst, die ich unter der Rubrik "individualisiertes Leistungs- und Entgeltsystem" ge-

stellt habe. Ein Item misst die Einstellung des Befragten, ob die eigene Leistung in der

Untemehmung individuell festgestellt wird. Das zweite Item misst die Einstellung, ob

der Befragte denkt, dass seine individuelle Aufgabenerfullung detailliert kontrolliert

wird. Bei beiden Items liegt die Vermutung nahe, dass eine hohe Auspragung des Fak-

tors "individuelle Entgelt- und Leistungskontrolle" einen negativen Zusammenhang

auf die Kooperationsneigung hat und sich damit, so meine Uberlegung, ein negativer

Einfluss auf die Bildung von Vertrauen und auf die Bereitschaft in Sozialkapital zu in-

vestieren zeigen wird. Hypothese Nr. 5 lautet daher folgendermafien (H5): Individu­

alisierte Leistungskontrolle und Entgeltsysteme zeigen einen negativen Einfluss auf

die Variable Sozialkapital und Vertrauen.

1.4.1.6. Faktor 6 - Arbeitsdruck und Stress

Allgemein wird Stress als Reaktion auf bedrohliche Situationen verstanden. Stress

wird in diesen Situationen als Antrieb interpretiert, latente Energien zu mobilisieren.

Der Begriff Stress stammt aus der Physik. Stress bezeichnet in diesem Fall jene Kraft,

die elastische K6rper angreift. Im Deutschen sprechen wir daher von Belastung. Was

die Arbeitssituation betrifft, so ist es sinnvoU, von "Beanspruchung" zu sprechen. Als

Stressoren werden in der einschlSgigen Literatur ungiinstige Bedingungen (z. B. Larm,

Hitze, Konflikte) bezeichnet, die Stress auslosen. Uber die Bedeutung von Stress exis-

tiert ein heftiger Streit. Dabei geht es um die Frage, ob Stress als "Reiz" oder "Re-

180

Page 191: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

aktion" anzusehen ist (Semmer, 1984:744). Als positives Steuerungsinstrument wird

insbesondere durch den politisch nicht neutralen Diskurs des Managements der Begriff

als Handlungsreiz versucht zu installieren, wenngleich ganz allgemein Bum Out und

andere stressbedingte Erkrankungen sehr stark zunehmen. Damit in Zusammenhang

wird in der Literatur von Coping-Strategien, d. h. wie mit Stress umgegangen wird,

bzw. wie Stress verarbeitet wird, gesprochen. GemaB dem Streit, ob Stress positiv,

negativ oder neutral definiert werden soil, werden positive und negative Coping-

Strategien genannt. Semmer (1984:750) ftihrt zwei Argumente an, die fiir eine nega­

tive Definition von Stress sprechen. Erstens wurde nachgewiesen, dass Stress Er­

krankungen begiinstigt und zweitens ist eine positive oder neutrale Definition von

Stressfolgen so allgemein und unprazise, dient dem instrumentellen Denken, dass in

der Regel damit nichts anzufangen ist. Dementsprechend wird Stress, der Folge von

hohem Arbeitsdruck ist, als Faktor interpretiert der die Fahigkeit autonom und selbst-

bestimmt zu handeln einschrankt. Entsprechend lautet These Nr. 6, dass "work

pressure" und "stress" einen negativen Einfluss auf die Bildung von Vertrauen und

Sozialkapital zeigen wird. Hypothese Nr. 6 ist daher folgendermaBen zu formulieren:

(H6) Der Grad an Stress und Arbeitsdruck, den BeschSftigte erfahren, hat einen nega­

tiven Einfluss auf die Bildung von Sozialkapital und Vertrauen.

1.4.1.7. Faktor 7 - Unternehmenserfolg

Die Hauptidee der ressourcenorientierten Theorie der Firma ist die, dass die Unter-

nehmung als ein "pool of resources, the utilization of which is organized in an ad­

ministrative framework" (Penrose, 1959:149) konzipiert wird. Hedlund (1994) hat in

seiner Skizze der N-Form die Wichtigkeit eines permanenten Pools an Humanressour-

cen, der fix an ein Untemehmen gebunden ist, herausgestrichen. In der Theorie der

Untemehmung werden dynamische Faktoren (sog. dynamic capabilities) wie Innova-

tionsfahigkeit, Lemen, das leveraging und stretching vorhandener Ressourcen (Bartlett

und Ghoshal, 1997; Foss, 1998:15; Prahalad und Hamel, 1994) in einem komplexen

Verstandnis als Erfolgsfaktoren stilisiert. Granovetter (1985) und Uzzi (1997) haben

gezeigt, dass die spezifischen Fahigkeiten einer Untemehmung von den sozialen

Stmkturen, in die die einzelnen Akteure eingebettet sind, abhangen. In einer Reihe von

Studien wird - wie im Faktor 1 bereits erlSutert - darauf hingewiesen, das sog. High-

Ivolvement-Human-Resource-Strategien positiv zum Unternehmenserfolg beitragen.

Die Frage der Kausalitat ist dabei jedoch oft unklar. Wirken die genannten Personal-

strategien auf den Untemehmenserfolg, oder tragt der Untemehmenserfolg dazu bei,

dass Personalagenden mit der notigen Ausstattung und den notwendigen Budget-

181

Page 192: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

mitteln ausgestattet werden, dass Mitarbeiter besser ausgebildet werden konnen und

iSngerfristig dadurch starker integriert werden. In der vorliegenden Fragebogenunter-

suchung wurden Items formuliert, die die Einschatzung der Befragten testen, inwie-

weit sie personlich denken, dass das Untemehmen, in dem sie arbeiten, erfolgreich ist.

Die einschlagigen Items wurden in den Faktor Untemehmenserfolg zusammengefasst.

Die These ist nun folgende, dass wir davon ausgehen, dass in erfolgreichen Unter-

nehmen, Beschaftigte eher in Soziales Kapital und Vertrauen investieren ais in Unter-

nehmen, die „als wenig erfolgreich" eingeschatzte werden. Hypothese Nr. 7 lautet da-

her (H7): Untemehmenserfolg zeigt einen positiven Einfluss auf die abhangige Vari­

able Sozialkapital und Vertrauen.

1.4.1.8. Kontrollvariablen

Fur den Hypothesentest wurden folgende Kontrollvariablen verwendet. Einmal wurde

in der Untersuchung erhoben, wie lange der/die Befragte in den gegenwMigen Unter-

nehmen tatig ist (BeschSftigungsdauer); zum anderen wurden Daten iiber das monat-

liche Nettoeinkommen erhoben (Einkommen). Es ist naheliegend anzunehmen, dass

Beschaftigte die bereits langere Zeit in einem Untemehmen tatig sind, mehr Sozial­

kapital aufgebaut haben als Beschaftigte, die erst kurze Zeit in einem Untemehmen

tatig sind. Einkommen wird ebenso als Kontrollvariable verwendet, weil in der ein­

schlagigen Literatur (insbesondere bei Burt, 1992 und 2000) die These vertreten wird,

dass einkommensstarkere soziale Schichten einen hSheren Vorrat an Sozialkapital be-

sitzen (vgl. hierzu auch Bourdieu und Steinbrucke, 1992; Granovetter, 1973 und

1985). Ein positiver Einfluss ist auch von der Variable Alter anzunehmen, weil es nahe

liegend ist, dass altere Arbeitnehmerinnen mehr soziale Kontakte in einem Unter-

nehmen haben als jiingere Arbeitnehmerinnen.

2. Hypothesentest der Modellvarianten, Ergebnisse der Regressionsanalyse und Interpretation

Im Folgenden werden die Ergebnisse der verschiedenen Varianten der multiplen Re­

gressionsanalyse vorgestellt. Es wird jeweils der Einfluss der Pradiktoren auf die ab­

hangige Variable Vertrauen und auf die abhangige Variable Sozialkapital diskutiert.

Nach der Vorstellung der empirischen Ergebnisse wird anschliefiend im Gesamtzu-

sammenhang eine Interpretation und Einordnung der Ergebnisse in die vorher-

gehenden Kapitel durchgefiihrt. Im folgenden Abschnitt werden ausgewahlte Modell­

varianten und Hypothesen zur Entstehung von Vertrauen und Sozialkapital einer

empirischen Pruftmg unterzogen. In den modelltheoretischen Konzepten bin ich davon

182

Page 193: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

ausgegangen, dass in der Unterstutzung der Hypothesen zwischen den Gruppen der

Falle mit stabilen (unbefristeten), instabilen (befristeten) Beschaftigimgsformen und

den Fallen der VoUzeitbeschaftigten, der Teilzeitbeschaftigten, der freien Mitarbeiter

Unterschiede festzustellen sind. In den vorhergehenden Abschnitten habe ich argu-

mentiert, dass diese Unterschiede, sowohl in der Bereitschaft Vertrauen als auch in

dem Vermogen Sozialkapital aufzubauen, auftreten werden. In einem ersten Schritt

geht es mir daher darum, das allgemeine Modell (iber den Einfluss der PrSdiktoren

(Faktoren 1 bis 7) auf die abhangigen Variablen Vertrauen und Sozialkapital zu uber-

pnifen.

2.1. Modellzusammenfassung Entstehung von Vertrauen (N = 245)

Der Grad an Vertrauen, so die Uberlegung, wird durch Zusammenhange, wie sie in

den Hypothesen Nr. 1 bis 7 skizziert wurde, bestimmt. Zum Test der einzelnen

Modellvarianten wurde jeweils eine multiple Regressionsanalyse durchgefuhrt. Dabei

wurden die PrSdiktoren schrittweise in die Modellrechnung integriert. In der Ubersicht

der Ergebnisse sind jeweils die Regressionskoeffizienten und die B-Werte (in stan-

dardisierter und nicht-standardisierter Form), die T-Werte und die Signifikanz der Beta

Werte ausgewiesen. In der folgenden Tabelle ist das Ergebnis der Regressions-

gleichung dargestellt. Wie ersichtlich, wird die Varianz des Kriteriums Vertrauen

durch die im Modell aufgenommenen Pradiktoren zu 44 % (korr. R = 0,44) erklart.

Die Faktoren Alter, Einkommen pro Monat und Beschaftigungsdauer im Untemehmen

sind in die Modellrechnung als Kontrollvariablen aufgenommen.

Bemerkenswert ist, dass die Faktoren Arbeitsinhalt, Partizipation und Feedback einen

groBen Einfluss auf die Entstehung von Vertrauen einnehmen. Die Hypothesen 1, 2,

und 3 werden also bestatigt. Alle drei Faktoren sind auf einem sehr hohen Signifikanz-

niveau. Ich interpretiere dieses Ergebnis dahingehend, dass die Merkmale Aufgaben-

variabilitat, Aufgabensignifikanz, der Grad der Identifikation mit dem Untemehmen,

die im Faktor Arbeitsinhalt zusammengefasst sind, alles Merkmale sind, die die Be­

reitschaft eines Beschaftigen positiv beeinflussen, in vertrauenswurdige Beziehungen

zu investieren.

183

Page 194: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Tabelle 6 Ergebnis der Regressionsanalyse -UnabhSngige Variablen (Konstante) Arbeitsinhalt Partizipation Aufgabenkontrolle (fehlende Autonomic) Feedback Untemehmenserfolg Arbeitsdruck individualisiertes Entgelt Alter Einkommen in € pro Monat (netto) Beschaftigungsdauer im Untemehmen R R2 korrigiertes R2

- abhangige Variable Vertrauen B 9,28 1,02 1,07 -0,50 1,27 0,40 -0,49 0,33 0,04 0,00 0,01 0,685 0,470 0,443

SF 0,60 0,17 0,16 0,16 0,16 0,17 0,16 0,19 0,02 0,00 0,03

Beta

0,34 0,35 -0,16 0,41 0,13 -0,16 0,09 0,16 0,06 0,02

T-Wert 15,60 5,97 6,49 -3,07 7,85 2,45 -3,07 1,71 1,88 0,86 0,21

Sign. 0,000 0,000 0,000 0,002 0,000 0,015 0,002 0,088 0,062 0,391 0,832

Der ausgewiesene Beta-Wert der Faktoren zeigt, dass den Merkmalen Arbeitsinhalt,

Partizipation und Feedback das grofite Gewicht auf die Hohe der AusprSgung des Fak-

tors Vertrauen zuzuschreiben ist. Einen negativen Einfluss nimmt hingegen der Faktor

Arbeitskontrolle, der - wie erwahnt - im Rahmen der Faktorenanalyse als fehlende

Autonomie interpretiert wurde, ein. Positiv wirkende Faktoren wie Arbeitsinhalt, Parti­

zipation, Feedback und negativ Einfluss nehmende fehlende Autonomie sind hoch

signifikant (die ersten drei Faktoren haben ein Signifikanzniveau von p < 0,001, der

letzte ein Niveau von p < 0,002). Einen ebenfalls positiven Einfluss auf die Entstehung

von Vertrauen nimmt der Faktor Untemehmenserfolg ein. Entgegen den hypo-

thetischen Uberlegungen nimmt der Faktor individualisiertes Entgelt einen positiven

Einfluss auf die Entstehung von Vertrauen, jedoch ist der Einfluss nicht signifikant.

These Nr. 5 wird also nicht bestatigt. Die Kontrollvariablen Alter, Einkommen und

Beschaftigungsdauer zeigen zwar alle einen leicht positiven, wenn auch einen sehr

geringen Einfluss, jedoch ist der Wirkungszusammenhang kein signifikanter. Einen

negativen Einfluss nimmt der Faktor Arbeitsdruck in der AusprSgung des Faktors

Vertrauen ein, dieser Wirkungszusammenhang ist zudem signifikant (auf dem Niveau

von 0,002). Arbeitsdruck und Aufgabenkontrolle, werden also als negativer Einfluss in

einer Organisation gesehen und wirken sich negativ auf das Merkmal Vertrauen aus.

These Nr. 6 wird also bestatigt.

Das Ergebnis interpretiere ich folgendermafien: Kompetente Mitarbeiter, die eigen-

standige Aufgabenbereiche und Entscheidungen durchfuhren, entwickeln eine grOBere

Bereitschaft in vertrauenswurdige Beziehungen zu investieren, als Mitarbeiter die sich

inkompetent und fremdbestimmt wahmehmen. Hier mag das Zusammenwirken der

Merkmale Arbeitsqualifikation, Aufgabensignifikanz und Aufgabenvariabilitat ins

184

Page 195: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Spiel kommen, da anzunehmen ist, dass kompetente und selbsteffiziente Mitarbeiter,

diese Wahmehmung nicht unabhSngig von der Bedeutung der Aufgaben, die sie in

einem Untemehmen erfiillen, entwickeln. Zusatziich ist im Modell der Einfluss der

Variable Feedback und Partizipation nicht zu tibersehen; auch der Faktor Arbeitsdruck

ist in die ErklSrung einzuschliefien.

2.2. Modellzusammenfassung Entstehung von Sozialkapital (N = 245)

Die Faktoren Feedback, Arbeitsinhalt und Partizipation sind auch fiir die ErklSrung

von Sozialkapital von Bedeutung. AUerdings ist der Erklarungswert der in die Modell-

gleichung inkludierten Variablen geringer als im Fall von Vertrauen. Jedoch ist das

Ergebnis der Regressionsgleichung brauchbar. Immerhin werden mit den im Modell

verwendeten Faktoren knapp 18 Prozent der Varianz erklSrt. Das Merkmal Feedback,

Arbeitsinhalt, und Partizipation nehmen jeweils einen hoch signifikanten Einfluss auf

die Auspragung der abhSngigen Variable Sozialkapital. Einen ebenso positiven Ein­

fluss nimmt die Variable Untemehmenserfolg auf die AusprSgung von Sozialkapital.

Unsere Thesen 1,2,3 und 7 werden also bestatigt. Der Einfluss der Merkmale Arbeits-

kontrolle, Arbeitsdruck und Entgelt sind auf die Auspragung des Merkmals Sozial­

kapital nicht signifikant. Sie konnen also in der ErklSrung vemachlassigt werden. Die

Thesen Nr. 5 und 6 werden in Bezug auf die Entstehung von Sozialkapital nicht be­

statigt. Auch die Kontrollvariablen Beschaftigungsdauer, Einkommen und Alter

nehmen haben keinen signifikanten Erklarungswert. Was bedeutet dieses Ergebnis.

Tabelle 7 Modellzusammenfassung Entstehung Sozialkapital,

Modell Abhangige Variable: Sozialkapital (Konstante) Arbeitsinhalt Partizipation Aufgabenkontrolle (Autonomie) Feedback Untemehmenserfolg Arbeitsdruck individualisiertes Entgelt Alter Beschaftigungsdauer Einkommen in € pro Monat (netto) R R2 Korrigiertes R2

B

18,094 0,849 0,611 -0,134 1,060 0,504 0,033 0,185 0,041 0,070 0,000 0,465 0,217 0,176

SF

0,905 0,260 0,251 0,252 0,246 0,251 0,272 0,293 0,035 0,048 0,000

Koeffizienten

Beta

0,225 0,159 -0,034 0,276 0,129 0,008 0,041 0,120 0,145 -0,095

T-Wert

19,999 3,269 2,436 -0,534 4,313 2,006 0,121 0,633 1,174 1,482 -1,202

Signi-fikanz ,000 ,001 ,016 ,594 ,000 ,046 ,904 ,527 ,242 ,140 ,231

Zum einen heiBt dies, dass Mitarbeiter in einem Untemehmen soziales Kapital auf-

bauen, wenn sie in interessanten und wichtigen Aufgabenbereichen tatig sind und uber

185

Page 196: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

partizipative Entscheidungsstnikturen in die Gestaltung von Arbeitsprozessen, die fur

sie wichtig sind, eingebunden werden. Bin ganz wesentliches Element in diesem

Komplex von Merkmalen, die den Aufbau von Sozialkapital erkl^ren, spielt die Vari­

able Feedback. Der Einfluss auf den Aufbau von Sozialkapital kann so erklart werden,

dass Mitarbeiter in soziale Beziehungen investieren, wenn sie Feedback als positive

Kommunikationsprozesse wahmehmen. Dieser Gesamtzusammenhang wird dadurch

verstarkt, dass soziales Kapital in Untemehmen aufgebaut wird, die von den eigenen

Mitarbeitem als erfolgreich wahrgenommen werden.

Von Bedeutung ist nicht nur der allgemeine Zusammenhang iiber die Entstehung von

Vertrauen und Sozialkapital, sondem dass der Einfluss der unabhSngigen Faktoren auf

die Bildung von Vertrauen und der Einfluss auf die Bildung von Sozialkapital sich

darin unterscheiden, je nachdem, welches Beschaftigungsverhaltnis besteht. Im Fol-

genden habe ich die DatensStze des Fragenbogensamples nach den Kriterien "Be-

schaftigungsvertrag" differenziert. Dabei wurden alle Falle, die iiber einen unbe-

fristeten Arbeitsvertrag verfugen, zusammengefasst und von den Fallen mit befristeten

ArbeitsvertrSgen getrennt. Die befristeten BeschaftigungsverMltnisse wurden in der

Fragebogenuntersuchung in einjahrige, ein- bis zweijShrige und dreijahrige Arbeits-

vertrSge unterschieden. In der verwendeten Modellvariante habe ich sie alle in eine

Kategorie der befristeten ArbeitsvertrSge zusammengefasst.

2.3. Entstehung von Vertrauen bei unbefristeten Arbeitsvertragen (N=187)

Neben der zentralen Frage, von welchen Merkmalen die Faktoren Vertrauen und

Sozialkapital erklSrt werden, ist die Uberlegung wichtig, ob zwischen den einzelnen

Beschaftigungsgruppen Unterschiede festzustellen sind. Abgesehen davon, dass der

ErklMrungswert in den einzelnen Modellgruppen unterschiedlich ist, was aber auch zu

einem erheblichen Teil darauf zurUckzuftihren ist, dass die Gr5Be der Samples in den

einzelnen Beschaftigungsgruppen variiert (vgl. hierzu Hair et al, 1998), ist fur mich

von Interesse, ob ftir die einzelnen Beschaftigungsgruppen selbst die einzelnen mikro-

organisationalen Variablen in ihrer Erklarung von Vertrauen und Sozialkapital dif-

ferieren? Welches Ergebnis liegt also bei der Entstehung von Vertrauen in der Gruppe

der unbefristeten Beschafligungsverhaitnisse vor?

Das Ergebnis der Auswertung zeigt, dass der Regressionskoeffizient 34 Prozent der

Varianz der Faile in der Gruppe der unbefristeten Beschafligungsverhaitnisse erklart.

Das Gewicht der einzelnen unabhangigen Faktoren und ihr jeweiliges Signifikanz-

niveau sind in der folgenden Tabelle ausgewiesen. Welches Gewicht kommt den ein-

186

Page 197: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

zelnen Faktoren in der ErklSmng von Vertrauen zu? Wie in den Thesen formuliert, bin

ich davon ausgegangen, dass die Faktoren Arbeitsinhalt, Partizipation, Feedback einen

positiven Einfluss auf das Merkmal Vertrauen ausiiben. Dies wird auch in der Gruppe

der unbefristeten BescMftigten bestatigt. Wenngleich es nur geringe Unterschiede zur

Gruppe der gesamten Beschaftigten sind, zeigt sich dennoch, dass die Merkmale Parti­

zipation und Feedback einen gro6eren Einfluss fur die unbefristeten Beschaftigten

ausiiben. Auch ist der Einfluss hoch signifikant. Der Einfluss des Untemehmenser-

folges bei der Gruppe der unbefristeten Beschaftigten ist wie in der Gesamtgruppe der

Beschaftigten auch positiv, aber etwas geringer.

Tabelle 8 Entstehung von Vertrauen bei unbefristeten ArbeitsvertrSgen Modell

(Konstante) Arbeitsinhalt Partizipation Aufgabenkontrolle (Autonomic) Feedback Untemehmenserfolg Arbeitsdruck individualisiertes Entgcit Alter Beschaftigungsdauer Einkommen in € pro Monat (nctto) R R2 Korr.R2

B

9,448 0,894 1,067 -0,498 1,061 0,402 -0,438 0,357 0,041 0,014 0,000

0,619 0,383 0,341

SF

0,701 0,212 0,194 0,189 0,189 0,184 0,179 0,227 0,026 0,035 0,000

Beta

0,298 0,372 -0,174 0,370 0,144 -0,161 0,104 0,164 0,038 0,028

T-Wert

13,479 4,219 5,493 -2,633 5,604 2,188 -2,449 1,573 1,576 0,385 0,350

Sign.

,000 ,000 ,000 ,009 ,000 ,030 ,016 ,118 ,117 ,701 ,727

Mit der entsprechenden Vorsicht lasst sich folgende Schlussfolgerung daraus ableiten.

Fiir die Entstehung von Vertrauen ist der Einfluss von Partizipation und Feedback bei

den Arbeitnehmem mit unbefristeten Arbeitsvertragen geringfugig starker ausgepragt

als im gesamten Sample der Befragten. Die Faktoren individualisiertes Entgelt, Alter,

Einkommen und Beschaftigungsdauer zeigen keinen signifikanten Wirkungszusam-

menhang. Ahnlich negativ (und ebenfalls sehr signifikant) ist die Wirkung des Merk-

mals Aufgabenkontrolle bzw. fehlender Autonomic auf die Auspragung des Merkmals

Vertrauen.

2.4. Entstehung von Sozialkapital bei unbefristeten Arbeitsvertragen (N = 187)

In Tabelle 9 ist zu sehen, dass der zentrale Einfluss auf die Entstehung von Sozial­

kapital in der Gruppe der unbefristeten Beschaftigten durch das Merkmal Feedback

ausgeubt wird. Das Gewicht dieser Variable ist hoch signifikant. Daneben ist noch ein

signifikanter Einfluss durch die Variablen Partizipation und Untemehmenserfolg fest-

187

Page 198: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

zustellen. Insgesamt wird in dem Modell knapp 20 Prozent der Varianz der Falle er-

klart. Die ErklSrung von Sozialkapital in der Gruppe der unbefristeten BeschSftigten

muss sich also auf die Variablen Feedback, Partizipation und Untemehmenserfoig

konzentrieren. Die anderen im Modell aufgenommen Variablen, zeigen zwar einen

unterschiedlichen Einfluss, aber auf einem unbrauchbaren Signifikanzniveau. Bin

solches Ergebnis wurde also grundsatzlich unserer allgemeinen These zuerst einmal

widersprechen, dass die einzelnen Merkmale bei unbefristeten BeschSftigungsformen

in einem hQheren Ausmafi soziales Kapital erklSren; dazu ist es jedoch wichtig sich

zuerst die Gruppen der befristeten Beschaftigungsverhaltnisse genauer anzusehen.

Allerdings lasst sich zwischen der Gruppe der gesamten Beschaftigungstypen und der

Gruppe der unbefristeten Beschaftigten ein Unterschied feststellen, der wohl dahin-

gehend zu interpretieren ist, dass die unbefristeten Beschaftigten weniger sensible auf

zentrale mikro-organisationale Variablen reagieren.

Tabelle 9 Sozialkapital bei unbefristeten AV Modell

(Konstante) Arbeitsinhalt Partizipation Aufgabenkontrolle (Autonomie) Feedback Untemehmenserfoig Arbeitsdruck individualisiertes Entgelt Alter BeschSftigungsdauer Einkommen in € pro Monat (netto) R R2 Korr.R2

B

18,026 0,751 0,511 -0,199 1,025 0,425 -0,015 0,118 0,053 0,077 -0,001 0,450 0,203 0,148

Standard-fehler 1,054 0,320 0,294 0,286 0,285 0,277 0,308 0,343 0,039 0,053 0,000

Beta

0,190 0,135 -0,052 0,271 0,115 -0,004 0,026 0,158 0,162 -0,163

T-Wert

17,110 2,349 1,737 -0,695 3,598 1,537 -0,050 0,345 1,333 1,438 -1,769

Sign.

,000 ,020 ,085 ,488 ,000 ,126 ,960 ,731 ,185 ,153 ,079

In der Interpretation der Ergebnisse ist also zu beriicksichtigen, dass reziproke Arbeits-

beziehungen und kooperationsfordemde Ftihrungsstrukturen, die Mitarbeitem erlaubt,

an konkreten Entscheidungen zu partizipieren, die Mitarbeiter motiviert in Sozial­

kapital zu investieren. Untemehmen in denen Partizipation und Kooperation einen ge-

ringen Stellenwert einnehmen, kurz auf ein instrumentelles Managementverstandnis

setzen, haben schlechtere Voraussetzungen, um Sozialkapital aufzubauen. Zudem ist

die Interpretation zulassig, dass bei unbefristeten Arbeitsvertragen, die Wirkung dieser

Faktoren geringer ausfallt. Hingegen ist in beiden Gruppen das subjektiv eingeschatzte

Merkmal Untemehmenserfoig von groBer Bedeutung, sowohl in der Erklarung von

Vertrauen als auch in der Erklarung von Sozialkapital. Daruber hinaus ist es aber ins-

188

Page 199: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

besondere wichtig, dass soziales Kapital insgesamt nur dann gebildet wird, wenn in

den entsprechenden Untemehmen partizipative, kooperationsfordemde und reziproke

Arbeitsbeziehungen existieren. Die hier favorisierte Lesart der Ergebnisse bestatigen

die in dieser Arbeit formulierte Kritik am instrumenteilen Verstandnis vieler Wissens-

management-Modelle und unterstreichen die Forderung eines systemischen Ansatzes,

wonach den organisationalen Eigenschaften Feedback, Partizipation und Reziprozitat,

alles Eigenschaften, die der lemenden Organisation zugeschrieben werden (Stacey,

2001; Bartlett und Ghoshal, 1997), mehr Bedeutung beigemessen werden muss, wenn

eine Organisation nicht auf soziales Kapital verzichten will.

2.5. Aufbau von Sozialkapital bei befristeten Arbeitsvertragen (N = 49)

Wahrend zwischen der Gruppe der gesamten Beschaftigten und der Gruppe der unbe-

fristeten Beschaftigten noch kein so groBer Unterschied zu erwarten war, ist bei den

befristeten Beschaftigungstypen sehr wohl ein deutlicher Unterschied zu erkennen. Die

in der Modellzusammenfassung ausgewiesenen Regressionskoeffizienten zeigen je-

doch keine grofien Unterschiede zu dem weiter oben diskutierten Regressionsmodell

fiir die unbefristeten Arbeitsvertrage. Das ist aber in zweifacher Hinsicht erklarungs-

und interpretationsbediirftig. Statistisch betrachtet erklSrt das verwendet Modell 35

Prozent der Varianz in der Gruppe der befristeten Beschaftigten. In diese Gruppe

wurden einjShrige, ein- bis zweijahrige und auf 3 Jahre befristete ArbeitsverhSltnisse

aus dem Sample herausgegriffen. Fur die Gruppe der befristeten Beschaftigten lasst

sich folgendes - von den empirischen Ergebnissen unterstutzt - formulieren. Ein ganz

wesentlicher Punkt, der den Auft au von Sozialkapital bestimmt, ist der konkrete

Arbeitsinhalt. Es ist also fUr die befristeten Beschaftigten von groBer Bedeutung, in

welchem AusmaB sie sich mit ihren eigenen Arbeitsaufgaben identifizieren und ob sie

die eigenen Arbeitsaufgaben als wichtige ansehen. Kurz: nur wenn sich befristet Be-

schaftigte mit ihren Arbeitsaufgaben identifizieren, investieren sie in soziales Kapital.

Die Gruppe der befristet Beschaftigten erachten zwar - ebenso wie die Gruppe der

gesamten Beschaftigten - Partizipation und Feedback als wichtige Faktoren, aber

ihnen ist keine signifikanter Wirkung zuzuschreiben. Auch dem Faktor Untemehmens-

erfolg ist keine signifikante Wirkung auf die Entstehung des Merkmals Sozialkapital

in der Gruppe der befristet Beschaftigten zuzuschreiben.

Das vorliegende Ergebnis lasst also vermuten, dass bei befristeten Arbeitsvertragen die

Bereitschaft der Beschaftigten geringer ist, in Sozialkapital zu investieren. Tatsachlich

scheint es so, dass in der Gruppe der befristet Beschaftigten nur mehr der Arbeitsinhalt

189

Page 200: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

einen Einfluss auf ihre Bereitschaft, in soziales Kapital zu investieren ausiibt, alle

anderen organisationalen Faktoren sind hingegen fiir diese Gruppe nicht unwichtig,

aber in ihrer Wirkung bedeutungslos.

Tabelle 10 Aufbau von Sozialkapital bei befristeten Arbeitsvertragen Modell

(Konstante) Arbeitsinhalt Partizipation Aufgabenkontrolle (Autonomic) Feedback Untcmehmenserfolg Arbeitsdruck individualisicrtes Entgelt Alter Beschaftigungsdaucr Einkommen R R2 Korr.R2

B

18,299 1,081 1,009 0,211

1,096 0,955 0,502 0,636 -0,019 -0,002 0,001 0,597 0,357 0,168

Standard fehler 2,675 0,528 0,627 0,745

0,605 0,830 0,769 0,688 0,105 0,124 0,001

Beta

0,318 0,253 0,047

0,273 0,188 0,105 0,142 -0,039 -0,003 0,188

T-Wert

6,842 2,046 1,609 0,282

1,811 1,151 0,653 0,924 -0,186 -0,016 1,153

Sign.

0,000 0,049 0,117 0,779

0,079 0,258 0,518 0,362 0,853 0,987 0,257

Interpretiert werden kann dieses Ergebnis dahingehend: Bei unbefristeten Arbeitsver­

tragen wird durch die Merkmale Arbeitsinhalt, Partizipation, Feedback und Unter-

nehmenserfolg die Variable Sozialkapital positiv beeinflusst.

2.6. Aufbau von Vertrauen bei befristeten Arbeitsvertragen (N = 49)

Welchen Einfluss die ausgewahlten Variablen auf den Aufbau von Vertrauen bei Ar-

beitnehmem mit befristeten Arbeitsvertragen austiben, zeigen die folgenden Ergeb-

nisse. Wieder fallt zuerst einmal auf, dass in der Gruppe der befristeten Arbeitsverhalt-

nisse die erklarte Varianz im Regressionsmodell hoch ist (korr. R^ = 0,70). Das ist

dadurch zu erklaren, dass die Anzahl der Beobachtungen in dem herausgegriffenen

Sample gering ist. Zunachst ist bemerkenswert, dass drei Faktoren Feedback, Arbeits­

inhalt und Partizipation hoch signifikant bzw. signifikant die Auspragung von Ver­

trauen erklaren. Im Vergleich zu unbefristeten Arbeitsvertragen fallt jedoch auf, dass

der Faktor Feedback viel mehr Einfluss auf Vertrauen einnimmt. Gegeniiber den

anderen Beschafligungsgruppen ist das Gewicht dieses Faktors fast doppelt so hoch.

Das Ergebnis zeigt, dass befristete Mitarbeiter, in ihrer Einschatzung des Vertrauens,

das ihnen entgegengebracht wird und das sie entgegenbringen durch das Merkmal

Feedback erklSrt werden kann. Zusatzlich sind sie in ihrer Einschatzung von der ihnen

gewahrten Partizipation und den Arbeitsaufgaben beeinflusst. Im Vergleich zu den

anderen Gruppen in einem sehr viel starkeren AusmaB.

190

Page 201: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Tabelle 11 Aufbau von Vertrauen bei befristeten A V Modell

(Konstante) Arbeitsinhalt

Aufgabenkontrolle (Autonomic) Feedback Untemehmenserfolg Arbeitsdruck individualisiertes Entgelt Alter Beschaftigungsdauer Einkommen R R2 Korrigiertes R2

B

7,473 1,301 0,718 -0,126 2,270 0,526 -0,702 0,266 0,097 -0,054 0,001 0,877 0,770 0,702

Standard-fehler 1,504 0,297 0,353 0,419 0,340 0,467 0,433 0,387 0,059 0,070 0,001

Beta

0,407 0,191 -0,030 0,601 0,110 -0,156 0,063 0,207 -0,090 0,132

T-Wert

4,968 4,378 2,034 -0,300 6,671 1,128 -1,622 0,688 1,644 -0,776 1,351

Sign.

0,000 0,000 0,050 0,766 0,000 0,267 0,114 0,496 0,109 0,443 0,186

Fur die Gruppe der befristet Beschaftigten sind aber auch der konkrete Inhalt und die

Identifikation mit ihren Aufgaben, ihre Einschatzung ob sie wichtige Aufgaben wahr-

nehmen, zentrale Faktoren, die Vertrauen bestimmen. Hingegen sind die Faktoren

Aufgabenkontrolle, Untemehmenserfolg, Alter, Einkommen und Beschaftigungsdauer

EinflussgroBen, die keine signifikante Wirkung auf die abhangige Variable Vertrauen

zeigen.

Folgende Schlussfolgerung lasst sich also formulieren: Beschaftigte mit einem be­

fristeten Arbeitsvertrag investieren nur dann in Vertrauen, wenn sie selbst ihre Arbeits-

aufgaben als qualifizierte einstufen, die eigenen Aufgaben als wichtig bewerten und

wenn sie in eine Organisation so eingebunden sind, dass sie ein ftir sie wichtiges Feed­

back uber ihre Arbeitsaufgaben bekommen und in Entscheidungsprozesse integriert

werden, die ihre Arbeitsprozesse betreffen. Verkniipft damit ist die besondere Be-

deutung des Faktors feedbackorientierte Managementmafinahmen, tiber den Mitar-

beiter motiviert werden, sich aktiv in Kommunikationsprozesse einzubringen und ent-

sprechend unserer Interpretation sich dadurch als kompetente Mitarbeiter wahr-

nehmen. Derartige Kommunikationskulturen sind anscheinend bei befristeten Be-

schaftigten noch sehr viel bedeutender, um ein vertrauensbasiertes Arbeitsklima einzu-

richten. Umgekehrt heifit dies aber auch, dass gering qualifizierte Beschaftigte in be­

fristeten Arbeitsverhaltnissen, bei fehlendem Feedback und wenig partizipations-

orientierten Managementstrukturen kein oder sehr wenig Vertrauen aufbauen. Es ist

also die Interpretation zulassig, dass bei befristeten ArbeitsvertrSgen die Variablen

Feedback, Partizipation und Arbeitsinhalt, entscheidende EinflussgrOBen ftir den ein-

zelnen Arbeitnehmer sind, um in vertrauenswiirdige Beziehungen zu investieren. Iden-

191

Page 202: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

tifizieren sich Arbeitnehmer nicht mit den Aufgaben und Zielen des Untemehmens,

werden keine vertrauenswurdigen Beziehungen aufgebaut. Besonders diskussions-

wtirdig ist der Einfluss der Variable Feedback im Modell: das Merkmal Feedback

wurde in der Untersuchung iiber die Einstellung der Befragten zu den folgenden

Fragebogen-Items gemessen, (1) Fehler konnen in der Organisation offen diskutiert

werden, (2) Verbesserungsvorschlage werden positiv aufgenommen und (3) Vorge-

setzte interessieren sich fur die Sichtweise ihrer Mitarbeiter. Es zeigt sich also, dass

diese Eigenschaften gerade bei unsicheren und/oder befristeten Arbeitsverhaltnissen

eine zunehmende Wichtigkeit einnehmen, wenn es darum geht, vorhandenes oder

fehlendes Vertrauen in einer Organisation zu erklaren. Es ist nun durchaus anzu-

nehmen, dass Beschaftigte mit befristeten Arbeitsvertragen unvoreingenommener

"Fehler ansprechen" und "auf Verbesserungen hinweisen" als die Gruppe der Be-

schaftigten mit unbefristeten Arbeitsvertragen, aber dennoch muss fiir eine derartige

Kommunikationskultur die entsprechende Unterstutzung vorhanden sein. Umgekehrt

liefie sich argumentieren, dass unbefristet Beschaftigte sich eher zuriickhalten in ihrer

Kritik gegenuber anderen Organisationsmitgliedem, um das Verhaltnis zwischen

Kollegen nicht zu belasten. Dies wiirde jedoch auf eine eher negative oder regressiv

wirkende Organisationskultur hinweisen, was durch das Modell nicht unterstutzt wird.

Das ware kein positiver Beflind. Insgesamt zeigt sich in dem Zusammenspiel der

einzelnen Faktoren, dass Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsvertragen Kommuni-

kationsspielraume und die Integration in Entscheidungen sehr wichtig nehmen, zumin-

dest bezogen auf das Merkmal Vertrauen wichtiger als unbefristet Beschaftigte. Von

letzteren lieBe sich durch so einen Befiind annehmen, dass sie sich im Laufe der Zeit

gegen die negativen Auswirkungen einer fehlenden Kommunikationskultur und Unter­

stutzung durch das Management immunisiert haben.

Von Interesse ist hier auch, wie groB der Unterschied zwischen Voll- und Teilzeitbe-

schaftigten ist; darauf komme ich noch zuriick. In den Hypothesen bin ich von der

Uberlegung ausgegangen, dass Arbeitnehmer mit unbefristeten Arbeitsvertragen sehr

viel aktiver in Vertrauen und in Sozialkapital investieren, als befristete Beschaftigte.

Wie dargestellt, sind zwar Unterschiede vorhanden, aber die Aussage ist nicht

zulassig, dass befristete Beschaftigte nicht in den Aufbau von Vertrauen und So­

zialkapital investieren. Vielmehr ist festzuhalten, dass diese beiden Beschaftigungs-

gruppen aus ganz verschiedenen Voraussetzungen heraus in Sozialkapital und Ver­

trauen investieren und den unabhangigen Variablen ein ganz unterschiedliches Ge-

wicht zukommt. Als vorlaufiges Fazit liefie sich formulieren, dass befristet Be-

192

Page 203: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

schaftigte sehr viel sensibler auf positive und auch negative Kommunikations- und

Partizipationsstrukturen reagieren, fiir beide Gruppen ist jedoch die Bedeutung und

Identifikation mit den eigenen Arbeitsaufgaben wichtig.

Im Foigenden soil gepriift werden, in v^elcher Form Unterschiede im Aufbau von Ver-

trauen und Sozialkapital bei den jeweils herausgegriffenen Fallen der VoUzeitbe-

schaftigten und der Teilzeitbeschaftigten festzustellen sind.

2.7. Aufbau von Vertrauen und Sozialkapital bei Vollzeitbeschaftigten (N=128)

Es ist zu vermuten, dass zwischen VoUzeit- und Teilzeitbeschaftigten ein geringerer

Unterschied als zwischen unbefristet und befristet Beschaftigten festzustellen ist. Im

Detail sind fiir die Gruppe der Vollzeitbeschaftigten die Ergebnisse der Regressions-

analyse in der foigenden Tabelle dargestellt. Durch die in die Regressionsgleichung

aufgenommenen unabhangigen Variablen wird in diesem Fall fast 55 Prozent der

Varianz des Kriteriums Vertrauen erklart.

Tabelle 12 Aufbau von Vertrauen bei Modell

(Konstante) Arbeitsinhalt Partizipation Aufgabenkontrolle (Autonomie) Feedback Untemehmenserfolg Arbeitsdruck individualisiertes Entgelt Alter Beschaftigungsdauer Einkommen R R2 KorrR2

Vollzeitbeschaftigten B

9,715 1,369 1,170 -,384 1,298 0,322 -0,708 0,411 0,034 0,023 0,000 0,754 0,568 0,523

Standard-fehler 0,854 0,235 0,240 0,218 0,231 0,203 0,201 0,274 0,030 0,037 0,000

Beta

0,410 0,344 -0,121 0,385 0,108 -0,239 0,106 0,124 0,064 0,033

T-Wert

11,378 5,815 4,876 -1,764 5,616 1,586 -3,520 1,497 1,147 0,615 0,421

Sign.

,000 ,000 ,000 ,081 ,000 ,116 ,001 ,138 ,254 ,540 ,675

Der Unterschied der Gruppe der Vollzeitbeschaftigten zur Gruppe der unbefristet Be-

schaftigten ist erwartungsgemaB nicht groB. Die Merkmale Feedback, Arbeitsinhalt

und Partizipation nehmen das grSfite Gewicht in der Erklarung des Merkmals

Vertrauen ein. Bemerkenswert ist, dass die Wahmehmung von Arbeitsdruck einen

signifikanten negativen Einfluss auf Vertrauen ausiibt und Aufgabenkontrolle zwar

einen negativen Einfluss einnimmt, aber keinen signifikanten Zusammenhang zeigt.

Die Kontrollvariablen Alter, Beschaftigungsdauer und Einkommen zeigen einen

geringen aber keinen signifikanten Einfluss. Die Frage ist nun, in welcher Weise sich

ein Unterschied zwischen Vollzeitbeschaftigten und Teilzeitbeschaftigten zeigt.

193

Page 204: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Was die Auspragung des Merkmals Sozialkapital in der Gruppe der Vollzeitbe-

schaftigten betrifft, so ist bemerkenswert, dass nur mehr die Faktoren Feedback und

Arbeitsinhalt eine Auswirkung auf die Hohe der Auspragung des Merkmals zeigen.

Insgesamt erklSren diese Faktoren aber nahezu 19 Prozent der Varianz von Sozial­

kapital. Die Faktoren individualisiertes Entgelt, Arbeitsdruck und Aufgabenkontrolle

sind in ihrer Wirkung zwar negativ aber nicht signifikant. Auch der positive Einfluss

des Merkmals Untemehmenserfolg ist kein signifikanter. ErwMhnenswert ist zudem,

dass die Kontrollvariablen Alter, Beschaftigungsdauer und Einkommen keinen be-

merkenswerten Einfluss auf die Auspragung der abhangigen Variable Sozialkapital

zeigen, wenngleich es plausibel ist, anzunehmen, dass bei zunehmender Be­

schaftigungsdauer die sozialen Kontakte in einer signifikanten Weise positiv beein-

flusst werden. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt.

Tabelle 13 Modell Entstehung von Sozialkapital VoUzeitbeschaftigte Koeffizienten(a)

Modell

(Konstante) Arbeitsinhalt Partizipation Aufgabenkontrolle (Autonomie) Feedback Untemehmenserfolg Arbeitsdruck individualisiertes Entgelt Alter Beschaftigungsdauer Einkommen R R2 Korr.R2

B

18,719 1,045 1,018 -0,283

1,075 0,198 -0,229 -0,300 0,032 0,088 -0,001 0,519 0,269 0,193

Standard-fehler 1,367 0,382 0,390 0,349

0,372 0,326 0,397 0,440 0,048 0,060 0,001

Beta

0,254 0,243 -0,073

0,260 0,054 -0,052 -0,063 0,092 0,197 -0,136

T-Wert

13,690 2,735 2,609 -,810

2,894 ,610 -,577 -,683 ,654 1,462 -1,312

Sign.

,000 ,007 ,011 ,420

,005 ,544 ,565 ,496 ,515 ,147 ,193

2.8. Aufbau von Sozialkapital und Vertrauen bei Teilzeitarbeitskraften (N = 43)

Werfen wir einen Blick auf die Ergebnisse der Regressionsrechnung in der folgenden

Tabelle, so fallt zuerst einmal auf, dass fur Teilzeitbeschaftigte der Einfluss der

Variablen Untemehmenserfolg auf die Auspragung des Merkmals Sozialkapital hoch

ausfallt und dieser Zusammenhang signifikant ist. Einen etwas geringem Einfluss

nimmt das Merkmal Feedback ein, hat aber eine sehr signifikante Auspragung. Noch

signifikant bleibt der Einfluss des Merkmals Arbeitsinhalt in der Gruppe der

Teilzeitbeschaftigten. Die in die Regressionsgleichung aufgenommenen Variablen

erklaren 15 Prozent der Varianz des Merkmals soziales Kapital. Die Ergebnisse sind in

der folgenden Tabelle zusammengefasst.

194

Page 205: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Tabelle 14 Entstehung von

Modell

(Konstante) Arbeitsinhalt Partizipation Aufgabenkontrolle (Autonomic) Feedback Untemehmenserfolg Arbeitsdruck individualisiertes Entgelt Alter Besch ftigungsdauer Einkommen R R2 Korr.R2

1 Sozialkapital bei Beschaftigung Teilzeit

B "

18,282 0,789 0,238 -0,001

0,921 1,060 0,464 0,601 0,029 0,004 0,000 0,490 0,240 0,154

Standard-fehler 1,411 0,389 0,335 0,379

0,342 0,461 0,397 0,418 0,053 0,092 0,001

Beta

0,219 0,068 0,000

0,260 0,244 0,115 0,143 0,074 0,006 0,030

T-Wert

12,958 2,031 0,711 -0,002

2,694 2,302 1,169 1,440 0,546 0,045 0,267

Sign.

,000 ,045 ,479 ,998

,008 ,024 ,246 ,153 ,587 ,964 ,790

Wie in der folgenden Modellzusammenfassung zu sehen, werden durch die Faktoren

Aufgabenkontrolle, Feedback, Partizipation und den Faktor Arbeitsinhalt die Aus-

pragung des Faktors Vertrauen in der Gruppe der TeilzeitbeschSftigten erklSrt. AUe

vier Faktoren zeigen eine signifikante oder sehr signifikante Wirkung. Das Modell er-

kiart in der Gruppe der Teilzeitbeschaftigten 33 Prozent der Varianz der abhSngigen

Variable Vertrauen. Im Vergleich zur ErklSrung des Merkmals Sozialkapital ist inter-

essant, dass fur den Aufbau von Vertrauen das Merkmal Untemehmenserfolg keinen

signifikanten Einfluss nimmt, fiir die Auspragung von Sozialkapital aber in der Gruppe

der Teilzeitbeschaftigten ein wichtiger und signifikanter Faktor ist. Dieser Unterschied

M\t auch zur Gruppe der VoUzeitbeschaftigten auf. Die Ergebnisse fiir die Gruppe der

Teilzeitbeschafi;igten sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

195

Page 206: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Tabelle 15 Entstehung von

(Konstante) Arbeitsinhalt Partizipation Aufgabenkontrolle (Autonomic) Feedback Untemehmenserfolg Arbeitsdruck individualisiertes Entgelt Alter Beschaftigungsdauer Einkommen R R2 Korr.R2

Vertrauen bei Beschaftigten Teilzeit Koeffizienten (a,b)

B

9,226 0,675 0,970

-0,708

1,070 0,518 -0,018 0,250 0,053 -0,042 0,000 0,631 0,398 0,329

Standard-fehler 0,980 0,270 0,233

0,264

0,237 0,320 0,276 0,290 0,037 0,064 0,001

Beta

0,240 0,356

-0,228

0,387 0,153 -0,006 0,076 0,173 -0,081 0,040

T-Wert

9,415 2,501 4,169

-2,688

4,506 1,621 -0,066 0,861 1,431 -0,653 0,395

Sign.

,000 ,014 ,000

,009

,000 ,109 ,948 ,392 ,156 ,515 ,694

3. Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse der Untersuchung

Welche Schlussfolgerungen sind aus dem hier vorliegenden Befund zu ziehen? Be-

zogen auf die ErklMrung des Faktors Vertrauen zeigt sich, dass kompetente und eigen-

stSndige Mitarbeiter, die an Entscheidungen partizipieren, mehr Vertrauen ausbilden,

als wenig kompetente und unselbstSndige Mitarbeiter, die kaum oder gar nicht in orga-

nisationale Entscheidungsprozesse integriert sind. ZusStzlich zeigt sich die positive

und signifikante Wirkung von feedbackfShigen Organisationsstrukturen auf die Ent­

stehung von Vertrauen. Der Aufbau von Vertrauen und das Merkmal Feedback stehen

in einem zentralen Wirkungszusammenhang. Das heifit, Organisationen mit Manage-

mentstrukturen die Feedback von kompetenten und selbstbestimmten Mitarbeitem zu-

lassen, kurz Organisationen in denen Offenheit und Transparenz zugelassen wird,

fbrdem gleichzeitig den Aufbau von Vertrauen. Eine damit vergleichbare jedoch nega­

tive Wirkung zeigt der von Beschaftigten wahrgenommene Stress und Arbeitsdruck.

Zusammengefasst uben die Merkmale Arbeitsinhalt und Partizipation den deutlichsten

Einfluss aus. Daraus ISsst sich folgende Schlussfolgerung ziehen: Qualifizierte Mitar­

beiter, die ihrer eigenen Einschatzung zufolge kompetent und selbstbestimmt sind und

daher intrinsisch motiviert, entwickeln in feedback-orientierten Organisationen leichter

Vertrauen als geringqualifizierte, ihrer eigenen Einschatzung zufolge wenig-kompe-

tente und fremdbestimmte Beschaftigte in feedback-aversen Organisationen.

In der Gruppe der Beschafligten mit befristeten Arbeitsvertragen wird Vertrauen eben-

so durch die Merkmale Arbeitsinhalt, Partizipation und Feedback erklart. Im Vergleich

zur Gruppe aller Beschafligten nimmt die subjektive Einschatzung, in welchem Um-

196

Page 207: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

fang qualifizierte Aufgaben durchgefuhrt werden, einen hoheren Stellenwert ein; ge-

ringfugig starker ist auch der Faktor Partizipation zu bewerten. Ein im Vergleich zu

den beiden genannten Faktoren jedoch hSheres Gewicht auf die Entstehung von Ver-

trauen nehmen feedbackorientierte Fuhrungs- und Managementstrukturen bei be-

fristetet Beschaftigten ein. Welche Schlussfoigerungen sind daraus zu Ziehen? Bei be-

fristetet Beschaftigten Arbeitnehmem ist die EinschStzung, inwieweit sie selbst quali­

fizierte, kompetente und selbstbestimmte Aufgaben ausfuhren und in welchem Aus-

maB feedbackorientierte Managementstruktur als Unterstutzung vorhanden ist, aus-

schlaggebend dafur, ob Vertrauen in Organisationen ausgebiidet wird. In alien Be-

reichen ubt jedoch der Untemehmenserfolg, bzw. seine Einschatzung einen positiven

Einfluss auf die Bildung von Vertrauen aus.

Welche Schlussfoigerungen sind mit den vorliegenden Ergebnissen im Bezug auf die

Entstehung von Sozialkapital zu ziehen? Im Sample der gesamten Beschaftigten

nehmen das gr5Bte Gewicht die Faktoren Feedback, Arbeitsinhalt und partizipative

Management- und Fuhrungsstrukturen ein. Beide Faktoren legen die Schlussfolgerung

nahe, dass die Mitarbeiter durch diese Merkmale hochgradig motiviert werden, in den

Aufbau von Sozialkapital zu investieren. Merkmale wie der subjektiv wahrgenom-

mene Stress und Arbeitsdruck lassen keinen Einfluss erkennen. Hingegen sind feed­

backorientierte und partizipative Management- und Fiihrungsstrukturen Merkmale, die

mit dem Bestand an Sozialkapital in Organisationen positiv in Zusammenhang stehen.

Was den Aufbau von Sozialkapital in Organisationen betrifft, so ist also festzuhalten,

dass nur Mitarbeiter in partizipativen und feedbackorientierten Organisationsstruk-

turen in den Aufbau von Sozialkapital investieren. Die Nutzung von Sozialkapital ist

also verknUpft mit Managementstrukturen die Feedback und Partizipation fordem. Da

der Einfluss von individualisierten Entgeltsystemen, d.h. auf die personliche Leistung

abgestellte Entgelt oder Pramiensysteme praktisch keinen Einfluss zeigt, ist die

Schlussfolgerung zulassig, dass partizipations- und kooperationsfordemde Strukturen

die intrinsische Motivation bestimmen und nicht extrinsische Anreize. Ein solcher

Befund sollte einen erheblichen Einfluss auf die Gestaltung von Arbeitsaufgaben

nehmen. Vermutlich steht damit auch der positive kausale Effekt auf den Vorrat an

Sozialkapital in Zusammenhang.

Unterscheidet sich nun dieser Befund in den jeweiligen Beschafligungsgruppen? Bei

der Gruppe der Beschaftigten mit unbefristeten Arbeitsvertragen lasst sich ein erkenn-

barer Unterschied in der relativen Wirkung der genannten Faktoren erkennen. In dieser

Gruppe ist das Gewicht der genannten Faktoren ein geringeres. Bei unbefristeten Be-

197

Page 208: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

schaftigten lassen partizipative und kooperationsfSrdemde Organisationsstrukturen

einen leicht geringeren Effekt auf den Bestand an Sozialkapital erkennen. Das relative

Gewicht von partizipativen und kooperationsfSrdemden Organisationsstrukturen ist

jedoch wieder starker ausgepragt in der Gruppe der TeiizeitbeschSftigten. Hier spielt

auch der Faktor Feedback wieder eine relativ gr56ere RoUe in der ErklSrung von So­

zialkapital.

Welche Schlussfolgerung konnen aus diesem Ergebnis gezogen werden: Bei be-

fristeten ArbeitsverhSltnissen zeigen partizipative und kooperationsf<5rdemde Orga­

nisationsstrukturen eine geringere Wirkung in Bezug auf den Bestand an Sozialkapital.

Der Befund legt nahe, dass gerade wenig stark an das Untemehmen gebundene Be-

schaftigte sehr viel starker auf die positive Wirkung von Partizipation und Feedback

ansprechen. Umgekehrt zeigt sich aber auch, dass befristete BescMftigte davon aus-

gehen, dass aufgrund der begrenzten Dauer ihres BeschaftigungsverMltnisses es

weniger sinnvoll scheint in soziales Kapital zu investieren. Hingegen zeigen die Er-

gebnisse in der Gruppe der TeilzeitbeschSftigten, dass partizipative und kooperations-

fbrdemde Organisationsstrukturen, und insbesondere eine feedbackorientierte Orga-

nisationsstruktur teilzeitbescMftigte Mitarbeiter starker motivieren, in soziales Kapital

zu investieren.

198

Page 209: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

IV. AbschlieBende Bemerkung

Der ressourcenorientierte Ansatz wird innerhalb der Strategieforschung als neuer und

rigoroser Ansatz bezeichnet, der ganz im Gegensatz zu herkommlichen Management-

ansatzen, den Erfolg von Untemehmen durch den unterschiedlichen Bestand an Res-

sourcen, uber den eine Firma verftigt, erklSren (Foss, 1998). Wie zu Beginn dieser Ar­

beit angesprochen, unterscheidet sich der ressourcenorientierte Ansatz in mehrfacher

Hinsicht von traditionellen AnsStzen. Das liegt daran, dass der ressourcenorientierte

Ansatz die Unterschiede zwischen Untemehmen dadurch erklM, dass Ressourcen,

unterschiedlich effizient und effektiv eingesetzt und verwendet werden. Der res­

sourcenorientierte Ansatz ist interessant, weil der Erfolg einer Untemehmung iiber die

unterschiedliche Ausstattung mit Ressourcen erklM wird. Untemehmen unterscheiden

sich also nicht dadurch, dass sie eine starkere/schwachere Position mit ihren Produkten

in einer bestimmten Branche gegenuber ihren Konkurrenten einnehmen, sondem weil

Ressourcen in einer Art und Weise eingesetzt, entwickelt und verwendet werden, die

anderen konkurrierenden Untemehmen nicht zur Verftigung stehen. Edith Penrose ist

die Idee zuzuschreiben, dass der Einsatz von Ressourcen ein "dynamischer Inter-

aktionsprozess ist, den das Management der Firma organisiert" (Penrose, 1959:5). Von

Penrose stammt die Uberlegung, dass die "internen Ressourcen einer Firma" als die

"produktiven, zur Verfugung stehenden Leistungen" (Penrose, 1959:5) zu kon-

zeptionalisieren sind. Daraus leitet sie in ihrer Theorie die "begrenzten M5glichkeiten"

(Penrose, 1959:18) des Wachstums der Firma her. Dierickx und Cool (1989:1504)

haben diese Sichtweise insofem ergSnzt, indem sie darauf verweisen, dass nicht

einzelne Ressourcen, sondem ein ganzes "Bundel an Ressourcen" in Untemehmen

eingesetzt wird, um privilegierte Produkt-Markt-Positionen zu erreichen und zu

verteidigen und sie verweisen darauf, dass dieses Btindel an Ressourcen nicht einfach

zugekauft werden kann oder innerhalb einer Firma nicht einfach zuganglich ist.

Wichtige untemehmensspezifische Ressourcen sind also nicht so ohne weiteres repro-

duzierbar und zuganglich. Es ist keine Frage, dass Wissen eine unverzichtbare Res-

source in einem Untemehmen darstellt. Aber vor dem Hintergrund der ressourcen-

orientierten Perspektive habe ich mir die Frage gestellt, wie diese Ressource produ-

ziert, zur Verfugung gestellt und genutzt wird, wenn sich traditionelle Organisations-

grenzen und damit einhergehend, traditionelle Beschaftigungsformen auflosen. In

dieser Arbeit wurde deshalb argumentiert, dass gerade vor dem Hintergrund der Ver-

anderung einer "old economy" hin zu einer "new economy", wobei im Zuge dieser

Verandemng immaterielle und intangible Ressourcen einen immer grSfieren Stellen-

199

Page 210: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

wert einnehmen und damit die Organisation, die Produktion und die Nutzung von

Wissen eine wesentliche Quelle von Untemehmenserfolg ist. Die Verarbeitung von

Wissen wird in den einschlagigen Wissensmanagement-Modellen als arbeitsteiliger

Prozess verstanden, bei dem Daten und Informationen verarbeitet werden und daraus

in Organisationen Wissen produziert wird. Ganz zentral ist dabei das Verstandnis, dass

in den einschlagigen Wissensmanagement-Modellen zwischen impliziten und expli-

ziten Wissensformen differenziert wird.

Wie Dierickx und Cool (1989) aber in ihrer Auseinandersetzung mit der Position von

Barney (1986) gezeigt haben, geht es nicht nur um die Produktion unverwechselbarer,

knapper und schwer imitierbarer Ressourcen, sondem eben darum, diese Ressourcen

im Produktionsprozess zur Verfugung zu stellen. Die Implikationen fUr das Manage­

ment einer Untemehmung sind damit klar: Es geht nicht (oder nicht nur) um die Posi-

tionierung am Markt, sondem der Fokus der Aufgaben muss sich auf die Nutzung und

damit den Einsatz der "einzigartigen Fahigkeiten und Ressourcen" richten (Dierickx

und Cool, 1989:1504). Dass zum einen "einzigartige FShigkeiten und Ressourcen"

nicht auf Faktormarkten zur Verfugung stehen, sondem in der Untemehmung produ­

ziert werden, ist ein wichtiger Aspekt der Argumentation. Zum anderen machen je-

doch Dierickx und Cool (1989:1508) darauf aufmerksam, dass die Spezifitat von Res­

sourcen vielfach erst durch die Interdependenz mit anderen spezifischen Ressourcen

und Fahigkeiten entsteht. Penrose hat beispielsweise argumentiert: "It is the heteroge­

neity ... of productive services available or potentially available from its resources that

gives each firm its unique character" (Penrose, 1959:75). ^ Der wesentliche Vorteil der

ressourcenorientierten Theorie der Firma, gegeniiber herkommlichen Theorien

(Schmidt, 1998) ist nicht nur der, dass die Organisation der Wertsch5pfungsprozesse,

also die Produktion, nicht als "Black Box" betrachtet wird, sondem die Herstellung

und Verwendung wesentlicher untemehmensspezifischer Ressourcen als Ergebnis

endogener Faktoren gesehen wird. ^ In diesem Zusammenhang wird der Entstehungs-

25 "Productive services are not man-hours, or machine-hours or bales of cotton, or tons of coal, but the actual services rendered by the men, machines, cotton, or coal in the productive process" (Penrose, 1959:74). Mahoney und Pandian (1992) differenzieren fUnf Schulen in der OrganisationsOkonomik: Agency Theory (Eisenhardt und Martin, 2000), Property-Rights-Ansatz (Alchian und Woodward, 1988), der Transaktionskostenansatz (Williamson, 1985), evolutionSre Ansatz (Nelson und Winter, 1982) und der ressourcenorientierte Ansatz (Barney, 1986; Penrose, 1959).

200

Page 211: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

prozess untemehmensspezifischer Ressourcen als ein stochastischer begriffen, well

nicht alle relevanten Variablen (a) identifiziert und (b) kontrolliert werden kQnnen

(Dierickx und Cool, 1989:1509). Es l sst sich also folgende Uberlegung formulieren:

Untemehmensspezifische Ressourcen und Fahigkeiten sind elementare Quellen nach-

haltiger Wettbewerbsvorteile. Die relevanten Organisationsvariablen ihrer Entstehung

kOnnen weder voUstandig identifiziert, noch kontrolliert werden.

Wenn diese Feststellung emsthaft in die weitere Uberlegungen aufgenommen wird,

dann sollte sich zeigen, dass nicht spezifische Faktoren jeweils kontrolliert bzw. ge-

steuert werden konnen, sondem - was hier nicht strittig sein soil - allgemeine Eigen-

schaften der Organisation (wie sie im empirischen Teil dieser Arbeit diskutiert wur-

den). In einschlSgigen Wissensmanagement-Ansatzen ist es das Ziel die Produktion

und Distribution von Wissen in Organisationen zu managen. Die zentrale Aufinerk-

samkeit widmet man dabei der Transformation von impliziten in explizite Wissens-

formen. Ich habe in dieser Arbeit argumentiert, dass ein Grofiteil des tatsachlichen

Wissens einer Organisation implizit bleibt und in organisationalen Routinen einge-

bettet ist. Vielfach wird dieses Wissen als lokales Wissen bezeichnet. Man geht davon

aus, dass der Umstand, dass es lokal ist, etwas Negatives an sich hat. Lokales Wissen

wird im extremen Fall als ein isoliertes Wissen verstanden. Es ist Wissen, das un-

mittelbar durch Erfahrungen generiert wird und in Zusammenhang mit einer konkreten

Tatigkeit erworben wurde. Aus der Sicht der Wissensmanagement-Modelle ist dieses

Wissen in einer Organisation nur von begrenztem Nutzen, well es sich dabei um per-

sOnliche Erfahrungen handelt, die fur andere Organisationsmitglieder nicht unmittelbar

greifbar und zugMnglich sind (vgl. Boisot, 1995:115). Wie ich in dieser Arbeit zu

zeigen versucht habe, telle ich diese Schlussfolgerungen nicht. Der GroBteil dieser

persSnlichen Wissensformen Wird tiber informelle Beziehungen ausgetauscht.

Wahrend - so meine Interpretation - die Wissensmanagement-Modelle den Re-

flexionsprozess, der in der Produktion und Reproduktion von Wissen ein wichtiges

Element darstellt, auf der Ebene der Experten (d. h. des Managements, Stabstellen,

konkreter Hierarchien) konzipiert, sehe ich es als unverzichtbar, auf der persOnlichen

Ebene, bzw. dort wo lokales und konkretes Wissen entsteht. Reflexion zu erm5glichen

und zuzulassen. Wie ich argumentiert habe, ist dieser Reflexionsprozess nur dann tat-

sachlich moglich, wenn neue Wissensformen nicht als Bedrohung bestehender

Routinen, Kompetenzen und Hierarchien interpretiert werden, sondem als Verbes-

serung und Emeuerung derselben. Ist das nicht so, dann riicken die KontroUe des Wis-

sensaustauschs und die Kontrolle der Mechanismen der Wissensgenerierung und

201

Page 212: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

-verbreitung in den Vordergmnd. Die effizientesten Mechanismen der Kontrolle blei-

ben dann die Strukturierung der Information, die Selektion und Sondierung von Daten,

mit denen ein fest etablierter Filter (Kode) installiert wird, damit Wissen greifbar und

zugSnglich wird. Aus der Sicht des Wissensmanagements wird dadurch der Wert Res-

source Information erhSht, weil der Kreis der NutznieBer beschrSnkt werden kann.

Gleichzeitig werden damit aber Wissensformen depersonalisiert. Der Effekt ist je-

doch, dass die Produktion und die Verbreitung von Wissen nicht zwangslSufig verbes-

sert werden.

Fiir die Organisationsgestaltung stellt sich damit die Frage, ob Transparenz und Frei-

raum, partizipative Entscheidungsstrukturen und selbstbestimmtes und selbst-effi-

zientes Handeln gefordert wird. Ich habe zu zeigen versucht, dass die wesentliche

Barriere fiir die effiziente Verbreitung von Wissen die in der Praxis fehlende Integra­

tion der ausdifferenzierten Aufgaben darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzu-

stellen, dass die Abstimmung intangibler Leistungserstellungsprozesse erhebliche Ko-

ordinationskosten verursacht. Diese Kosten entstehen aber niclit nur dadurch, dass

Informationsasymmetrien existieren, sondem sie entstehen vor allem dadurch, dass bei

einem hohen Abstraktionsgrad, der fiir eine effiziente Diffusion von Wissen einge-

fordert wird, in der Anwendung des Wissens Probleme auftreten, weil der Kontext der

Interpretation und der Kontext der Abstraktion nicht mehr zugSnglich ist.

Mit diesen Uberlegungen habe ich dann zu zeigen versucht, dass jedes Organisations-

mitglied in einem unterschiedlichen AusmaB in ein soziales Netzwerk von Be-

ziehungen eingebettet ist. In meiner Diskussion der N-Form von Hedlund (1994) habe

ich herausgestrichen, dass der "Kontext der sozialen Struktur" eine wichtige Funktion

nicht nur in der Diffusion, sondem gerade auch in der Produktion von Wissen ein-

nimmt. Diesen von Hedlund (1994:75) eingeforderten Kontext der sozialen Struktur

habe ich in dieser Arbeit mit den Uberlegungen von Penrose (1959) in Verbindung ge-

setzt. Wie ich zeigte, sieht Penrose (1959) und im Anschluss an sie eine Reihe von

Autoren (Barney, 1986; Peteraf, 1993) gerade das "organisationale Beziehungsgeflecht

von Fahigkeiten" als zentrales Konzept, das erklart, warum Firmen unverwechselbare

Ressourcen nicht nur produzieren, sondem auch produktiv nutzen. Damit verlagert

sich jedoch die Problemstellung (vgl. Boisot, 1995; Nonaka und Takeuchi, 1995a) von

der Transformation impliziter Wissensformen auf die Herstellung und Gestaltung jener

sozialen Struktur und/oder jenes organisationalen Beziehungsgeflechts mit der/dem

Firmen "ihre produktiven Ressourcen nutzen" (Penrose, 1959:15). In diesem Kontext

habe ich die Struktur sozialer Netzwerke thematisiert.

202

Page 213: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

In meiner Diskussion von Nonaka und Takeuchi (1995a) habe ich kritisiert, dass ihr

Managementkonzept sich darauf beschrankt, das Management zu beraten, ohne sich

tatsachlich mit der Population der Wissensarbeiter im Untemehmen auseinanderzu-

setzen. Wie erwShnt, scheint das paradoxe an diesem Modell zu sein, dass das Pro­

blem, wie es sich vor nahezu 100 Jahren fur Taylor stellte, auf den Kopf gestellt wird.

Wahrend Taylor nicht die Absicht hatte den eigentlichen Arbeiter in seine Vision der

effizienten Fabriksproduktion einzubeziehen, soil im SECI-Modell das Management

dafur sorgen, dass Wissen produziert und verteilt wird, aber die tatsSchlichen Wissens-

produzenten spielen dabei eine Nebenrolle. An diese Kritik anschliefiend habe ich

deshalb den Ansatz von Kaser und Miles (2002) diskutiert, die sich mit der Funktion

von Vertrauen und der Wirkung der intrinsischen Motivation auf den Austausch von

Wissen beschafligen. Sie unterscheiden dabei zwischen extrinsischen und intrinsischen

Anreizen, greifen diese Idee von Deci und Flaste (1995) auf und zeigen, dass implizite

Wissensformen nur dann ausgetauscht werden, wenn der Grad an intrinsischer Motiva­

tion hoch ist. ErgSnzend stellen sie fest, dass Vertrauen selbst ein notwendiger Be-

standteil ist, damit uberhaupt zwischen Akteuren implizite Wissensformen ausge­

tauscht werden.

In meiner Diskussion des Konzepts der individualisierten Untemehmung von Bartlett

und Ghoshal (1997) habe ich in einer kritischen Aufarbeitung der Argumente der

Autoren zu zeigen versucht, welche Eigenschaften eine Organisation entwickeln muss,

damit Wissen produziert werden kann. In meiner Darstellung habe ich darauf aufmerk-

sam gemacht, dass eines der wesentlichen Probleme, mit denen sich das Modell von

Bartlett und Ghoshal auseinandersetzt, jenes ist, wie Organisationen die Kreativitat

und das Talent ihrer Mitarbeiter freisetzen konnen. Auch sie setzen auf vertrauens-

wiirdige interpersonale Beziehungen in Organisationen, die sie flir den Austausch und

fur die Produktion von Wissen als unverzichtbar erachten. Ich habe deshalb jene

Strukturen thematisiert, unter denen Vertrauen, Kooperation, Wissensproduktion und -

diffusion in Untemehmen moglich werden. Das zentrale Thema dabei ist Sozialkapital,

das ich als wesentliche Infrastruktur verstehe, die es ermOglicht, Wissen nicht nur zu

produzieren, sondem produktiv zu teilen. Ganz im Gegensatz zur Transaktionskosten-

theorie (Williamson, 1985) argumentierte ich, dass die Produktion und Koordination

von spezialisiertem Wissen in eine soziale Struktur von Beziehungen eingebettet ist.

Ich habe zu zeigen versucht, dass in jeder Organisation soziale Bindungen existieren,

die nicht ausschliefilich iiber den rationalen, nutzenmaximierenden Akteur erklSrt

werden kOnnen. Akteure sind keineswegs nur herzlose Rechenmaschinen, sondem

203

Page 214: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

setzen ihre Handlungen eingebettet in soziale Beziehungen (vgl. Wassermann und

Faust, 1999:13). Einzelne Akteure stehen in vielfaltigen reziproken Beziehungen zu

anderen Akteuren. Sie sind in diese Beziehungen unterschiedlich stark eingebettet. Das

AusmaB dieser Einbettung beeinflusst in unterschiedlichem AusmaB die tatsachlichen

Handlungen der Akteure (vgl. Granovetter, 1985). Wie ich argumentiert habe, ist auf

Dauer jenes Verhalten, das nicht uber materielle Anreize gesteuert wird, wie der

informelle Austausch von Wissen, oder die Kooperation zwischen Akteuren in

Organisationen, nur uber wirksame Normen und Regeln, die in den institutionellen

Apparat der Organisation eingebettet sind, zu gewahrleisten. Meine zentrale These in

diesem Zusammenhang war, dass die Effizienz und die EffektivitSt des Austauschs

idiosynkratischer Ressourcen vom existierenden Sozialkapital und dem bestehenden

Vertrauen bestimmt werden. Wahrend in der orthodoxen Wirtschaftstheorie, soziale

Verpflichtungen und Normen iiberhaupt als Storfaktor klassifiziert werden, lasst sich

zeigen, dass vielfach wirtschaftliche Transaktionen uberhaupt erst stattfinden, wenn

zwischen Anbieter und Abnehmer eine vertrauenswiirdige Beziehung existiert. Ist das

nicht der Fall, entstehen zum Teil erheblich h5here Transaktionskosten, oder es findet

uberhaupt kein Austausch statt.

Zudem ist festzuhalten, dass wir als Personen, permanent in soziale Beziehungen in-

vestieren. Ein Effekt davon ist, dass die damit konstituierte soziale Struktur, in die wir

eingebettet sind, uns erst als wirtschaftliche Akteure handlungsfahig werden lasst.

Wahrend beispielsweise Williamson (1985) und Levi (2000) argumentieren, dass

soziale Verpflichtungen sich schadlich auf wirtschaftliche Transaktionen auswirken,

zeigen eine Reihe von empirischen Studien (z. B. Lamming, 1993; Dyer, 1997), dass

vertrauensvoUe soziale Bindungen und Beziehungen, die auf Dauer angelegt sind,

einen positiven wirtschaftlichen Effekt erkennen lassen. Dieser Punkt ist in der Netz-

werktheorie unumstritten. In der Netzwerktheorie wird beispielsweise argumentiert,

dass uber interorganisationale, feste, d. h. dauerhafte Bindungen "strategische Res­

sourcen" (vgl. Sydow, 1993; Gulati und Singh, 1998:781) erschlossen werden. Dies ist

nicht nur zwischen Organisationen ein wichtiges Element, um Ressourcen zu nutzen,

sondem auch innerhalb der Organisationsgrenzen.

Ich habe in diesem Zusammenhang meine These diskutiert, dass der wirtschaftliche

Erfolg sozialer Beziehungen damit zusammenhangt, dass dichte, reziproke und dauer­

hafte soziale Bindungen erst die Produktion, den Austausch und den Zugang zu idio-

synkratischen Wissensformen in einer Organisation ermoglichen. Ich habe dabei argu­

mentiert, dass Sozialkapital uber den funktionalen Wert der Kultur, wie sie Boisot

204

Page 215: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

(1995), Nonaka und Takeuchi (1995a), Hedlund (1994) oder Bartlett und Ghoshal

(1997) in ihren Ansatzen diskutieren, hinausreicht. Zentral in den Uberlegungen in

dieser Arbeit war, dass soziales Kapital ein intangibler Vermogenswert in Unter-

nehmen ist. Die Intangibilitat besteht darin, dass soziales Kapital erst den Wert des als

essentiell betrachteten Bundels an Ressourcen in Untemehmen aktiviert und als ein-

zigartige und unverwechselbare Quelle von Wettbewerbsvorteilen greifbar und pro-

duktiv werden lasst. Wahrend der Effekt von Vertrauen darin besteht, auf Weisungs-

rechte und kostspielige Vertrage zu verzichten, ist der Effekt von Sozialkapital, dass

durch die bestehenden Bindungen nicht nur vorhandene Ressourcen erschlossen

werden, sondem neue Ressourcen uberhaupt erst entstehen. Sozialkapital ist so inter-

pretiert die soziale Infrastruktur fiir ein intelligentes Untemehmen.

Soziales Kapital wurde vor dem Hintergrund dieser Uberlegungen in dieser Arbeit als

der Vorrat an aktiven Beziehungen definiert. Sozialkapital ist so gesehen ein Ver-

mSgenswert, der durch die intensive Nutzung der existierenden Beziehungen erst akti­

viert wird. Es ist somit das Ergebnis intakter sozialer Bindungen.

Ein wichtiger Aspekt in der Diskussion meiner Thesen ist, dass die Bereitschaft in

soziale Beziehungen zu investieren, von der Dauer der Beschaftigung in einem Unter-

nehmen abhSngt. Dies ist auch der Punkt, an dem ich meine These aufhSnge, warum in

all jenen Fallen, in denen in Organisationen prekare und kurzfristige Beschaftigungs-

formen existieren, weniger Sozialkapital aufgebaut wird.

Ganz generell war es mir ein wichtiges Anliegen in dieser Arbeit, nicht nur die posi-

tiven Effekte von Sozialkapital in einer allgemeinen Theorie auszuarbeiten, sondem

vor allem auch Hypothesen zu generieren, die im Rahmen einer empirischen Unter-

suchung iiberpruft werden konnten. Ich habe mich daher in einem eigenen Abschnitt

mit der sozialen Netzwerkanalyse beschafligt und gezeigt, mit welchen Instrumenten

und mit welchen Methoden der Vorrat an Sozialkapital und die tatsachliche Struktur

des sozialen Netzwerkes in Untemehmen untersucht werden konnen. Dabei habe ich

versucht herauszuarbeiten, dass Mitglieder in einem Netzwerk nicht nur am Vorrat an

Sozialkapital partizipieren, sondem durch die Nutzung der vorhandenen Ressourcen

und Beziehungen das vorhandene Sozialkapital vergroBem. Ich nenne dies, wie er-

wahnt, die intelligente Infrastruktur funktionierender sozialer Bindungen in Organi­

sationen. Soziale Netzwerke sind so verstanden effizient, well sie nicht nur die

Normen und Werte konstituieren (Coleman, 1990), die z.B. Opportunisten bestrafen,

sondem die intakte Struktur besitzen, die Bestrafung effektiv auch umzusetzen. So-

205

Page 216: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

ziale Netzwerke sind in diesem Sinne effizient, weil sie nicht nur die Struktur besitzen,

mit der Fahigkeiten, Talent, tangible und intangible Ressourcen bereitgestellt werden,

sondem diese Ressourcenflusse in hohen MaBe selbst steuem und dadurch permanent

neue Ressourcen schaffen.

Im empirischen Teil der Arbeit wurde vor diesem konzeptionellen Hintergrund ein

Modell skizziert, das zeigen soil, unter welchen Bedingungen Sozialkapital und Ver-

trauen in Organisationen entstehen. Zu diesem Zweck wurde eine Fragebogenunter-

suchung durchgefiihrt. Vor dem Hintergrund einer kritischen Diskussion der ein-

schlagigen Literatur wurden Items konstruiert, mit denen konkrete Organisations-

variablen im Rahmen der Befragung erfasst wurden. Mithilfe einer Faktorenanalyse

wurden mikro-organisationale Variablen generiert. Unter Rtickgriff auf die ein-

schlagige Organisations- und Wissensmanagementliteratur habe ich, bezogen auf die

einzelnen Variablen sieben Hypothesen konstruiert. Die Diskussion der generierten

mikro-organisationalen Faktoren hatte den Zweck zu zeigen, unter welchen Be­

dingungen einerseits Vertrauen und Sozialkapital in Organisationen gebildet wird.

Dieser empirische Befund ist allerdings als ein erster Schritt zu sehen, von dem aus es

vor allem darum geht, sich mit dem Thema und der Entstehung von Vertrauen und

Sozialkapital noch weiter zu beschaftigten. Der Befund zeigt sehr deutlich, dass Ar-

beitsinhalt, Partizipation, Feedback und der Untemehmenserfolg wichtige Wirkungs-

zusammenhange markieren, um Vertrauen und Sozialkapital in Untemehmen zu er-

klaren. Daruber hinaus zeigt der Befund, dass wissensorientierte Untemehmen letzt-

lich nicht auf partizipative Managementstrukturen verzichten konnen und es primar

darum geht autonomiefordemde ArbeitsgestaltungsmaBnahmen einzurichten, um die

Produktion und die Diffusion von Wissen zu starken. Die vorherrschende Doktrin der

Kontrolle von Wissensproduktions- und Wissensdiffusionsprozessen zeigt sich hierbei

offensichtlich als kontraproduktiv.

In der empirischen Analyse hat sich gezeigt, dass der Aufbau von Vertrauen von den

Faktoren Arbeitsinhalt, Partizipation, Feedbackorientierung, Selbstbestimmtheit posi-

tiv und von den Faktoren Arbeitsdruck/Stress negativ beeinflusst wird. Der Vorrat an

Sozialkapital wird jedoch, wie der Befund nahe legt, von den Faktoren Partizipation

und Feedbackorientierung erklart. Ein Aspekt der empirischen Priifung der formu-

lierten Hypothesen war, konkret jene Unterschiede zu priifen, die zwischen den ver-

schiedenen Gruppen von Beschaftigungsformen festzustellen sind (VoUzeitbe-

schaftigte, Teilzeitbeschaftigte, befristet und unbefristet Beschaftigte). Dabei wurde

angenommen, dass zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschafligten einerseits und zwi-

206

Page 217: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

schen befristet und imbefristeten Beschaftigten jeweils gravierende bzw. deutliche

Unterschiede festzustellen sind. Diese Vermutung hat sich nur zum Teil bestatigt. In-

sofem ist dem zuzustimmen, well zwischen den einzelnen Gruppen, z. B. den befristet

und unbefristet Beschaftigten und zwischen den VoUzeit- und Teilzeitbeschaftigten

tatsachlich Unterschiede, sowohl im Aufbau von Vertrauen, als auch im Aufbau von

Sozialkapital zu beobachten sind. Der Unterschied zeigt sich in den verschiedenen

Gruppen darin, wie in der Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse dargelegt,

dass jeweils die Faktoren mit denen Vertrauen und Sozialkapital erklSrt werden, je­

weils ein sehr unterschiedliches Gewicht bzw. einen unterschiedlichen Einfluss auf die

abhSngigen Variablen einnehmen.

Letztlich zeigt sich deutlich, dass Organisationen, die ihre intangiblen Ressourcen pro-

duktiv nutzen, in kompetente und selbstandige ArbeitsgestaltungsmaBnahmen inves-

tieren mussen und nicht darauf verzichten konnen, Mitarbeiter in Entscheidungspro-

zesse zu integrieren. Wissensorientierte Untemehmen benotigen feedbackorientierte

Management- und Fuhrungsstrukturen, wenn sie Vertrauen und Sozialkapital in ihren

Organisationen aktivieren wollen. Und diese Untemehmen werden auf Management-

konzepte setzen, die mit Offenheit und Transparenz arbeiten, well damit Voraus-

setzungen geschaffen werden, dass Mitarbeiter selbstverantwortlich in den Aufbau von

Vertrauen investieren und aktiv soziales Kapital generieren.

207

Page 218: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

V. Anhang: Deskriptive Analyse der Untersuchung

Im Rahmen der fur diese Arbeit durchgefuhrten Untersuchung wurden mithilfe eines

strukturierten Fragebogens 278 Interviews mit Beschaftigten in osterreichischen und

deutschen Untemehmen, die ihren Standort in Osterreich haben, durchgefiihrt. Ziel der

empirischen Untersuchung war es, fur das in dieser Arbeit skizzierte konzeptionelle

Modell und die explizierten Hypothesen einen empirischen Test durchzufiihren. Die

empirische Arbeit verstehe ich als explorative Studie, die dazu dienen soil, eine empi-

rische Uberprufung der Hypothesen Nr. 1 bis 7 vorzunehmen.

Ziel der empirischen Arbeit ist es nicht, ein neues Wissensmanagementmodell zu ent-

werfen. Der Weg einer empirischen Studie mithilfe eines strukturierten Fragebogens

wurde gewahlt, um konkrete Bedingungen und Charakteristika in einer Organisation

im Rahmen dieser explorativen Studie herauszuarbeiten. Der Fragebogen ist im An­

hang dieser Arbeit wiedergegeben. Ich habe auf die in derartigen Arbeiten sehr oft be-

liebte Darstellung der Ergebnisse in Form von Kreuztabellen verzichtet. Vor allem

deshalb, well es hier primar darum geht, den generellen Zusammenhang zwischen den

herausgearbeiteten Variablen im Rahmen einer multiplen Regressionsanalyse und

durch die Berechnung der einzelnen B-Werte der ausgewiesenen Faktoren das je-

weilige Gewicht der einzelnen Faktoren zu untersuchen.

Im Vordergrund steht also der empirische Test der Hypothesen Nr. 1 bis 7. Im Rahmen

dieser empirischen Studie geht es mir nicht primSr darum, eine representative Be-

standsaufnahme des Wissensaustauschs in ausgewahlten osterreichischen und

deutschen Untemehmen - unter Berucksichtigung der einschlagigen Variablen - her­

auszuarbeiten. Mir geht es vielmehr darum, eine empirische Arbeit durchzufiihren, mit

deren Ergebnissen weitere Untersuchungen initiiert werden konnen. Es geht also, ein-

mal einen ersten Schritt in der Erhebung valider und verlasslicher Daten durchzu-

ftihren, um die theoretischen Uberlegungen im Rahmen des empirischen Modells zu

testen.

Mir ist bewusst, dass derartige empirische Arbeiten immer nach Verbesserungen und

Erganzungen verlangen. Beispielsweise ware es wunschenswert, Daten zur Verfugung

zu haben, die das Ergebnis einer Langsschnittanalyse in ausgewahlten Untemehmen

sind. Eine Vergleichbarkeit iiber mehrere Untemehmen und uber mehrere Jahre hin-

weg wurde es erlauben, eine Vergleichbarkeit iiber den Verlauf der von mir hier aus­

gewahlten organisationalen Variablen, gerade in Bezug auf Aussagen iiber den Aufbau

209

Page 219: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

von Vertrauen und sozialem Kapital in Untemehmen zu erzielen. Aus pragmatischen

GrOnden habe ich mich jedoch entschieden, an der Verfeinerung meines konzeptio-

nellen Modells zu arbeiten und die Verbesserung und Absicherung meiner Hypothesen

in den Vordergrund zu steilen, auch deshalb, um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu

sprengen. Es zeigt sich aber an derartigen Anmerkungen, in welche Richtung zusatz-

liche und an diese Arbeit anschliefiende empirische Vorhaben gehen mussen.

Zur Berechnung der ZusammenhSnge in meinem konzeptionellen Modell (bzw. in den

verschiedenen Modellvarianten) habe ich mich fur die gSngige multiple Regression

(Bortz und D5ring, 1995:298) entschieden, da es das in den sozialwissenschafllichen

Disziplinen noch immer am haufigsten verwendete statistische Verfahren darstellt. Der

Vorteil dieses Verfahrens besteht meines Erachtens darin, dass die im Rahmen des

getesteten Modells aufgestellten Hypothesen einem sehr brauchbaren empirischen Test

unterworfen werden. ZusammenhSnge, die also im Modell eine sehr wichtige RoUe

spielen und als Hypothesen ausformuliert sind, kSnnen einem expliziten Test unter-

zogen werden. Vor allem kann ich damit Aussagen iiber den Erklarungswert der

Hypothesen treffen und muss nicht auf mehr oder weniger plausible Vermutungen

Oder konstruierte Einzelfallbeispiele in der Argumentation zuriickgreifen.

Im Rahmen des Fragebogens habe ich neben den tiblichen soziodemographischen

Daten (Alter, Einkommen, Geschlecht etc.) im Wesentlichen versucht, zwei Aspekte

zu untersuchen. Einmal ging es mir darum, spezifische Charakteristika der Organi­

sation (des Untemehmens), der die Befragten angehoren, zu erheben. Die Ergebnisse

dieser Fragebogenuntersuchung habe ich im vorangestellten Teil der Faktorenanalyse

diskutiert. Zum anderen diente die Untersuchung dazu, sowohl das vorhandene Sozial-

kapital zu bewerten bzw. zu messen und den Vorrat an Vertrauen zu erheben.

Da ich in dieser Arbeit primSr daran interessiert bin, den Einfluss auf die Bildung von

Sozialkapital und Vertrauen herauszuarbeiten und die gewonnenen Ergebnisse resp.

Zusammenhange mit der Qualitat der Beschaftigungsverhaitnisse in Zusammenhang

zu steilen, war die Schwierigkeit, mit welchen Fragebogen-Items am verlSsslichsten

Eigenschaften der Organisation (wie Kooperationsbereitschafl, Reziprozitat, Ver­

trauen, Zufriedenheit, Ehrgeiz, Feedback) erhoben werden konnen. Was die empi­

rische Literatur zu diesen Fragen betrifft existieren wenige unmittelbar brauchbare

Vorarbeiten, auf die ich mich in der Befragung stUtzen konnte. Einzelne Aspekte habe

ich von Likert (1961), Hackman und Oldham (1980) und Deci und Flaste (1995) auf-

genommen und in meine Formulierung der Fragebogen-Items eingearbeitet. Auch

210

Page 220: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

habe ich versucht, Fragebogen-Items zu formulieren, um die Identifikation und die

Loyalitat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegeniiber festzustellen. Dabei war die

Uberlegung die, von welchen Faktoren die Bindung des Arbeitnehmers an die Organi­

sation (bzw. an den Arbeitgeber) abhSngig ist.

Ganz zentral in meinem konzeptionellen Modell ist die Uberlegung, dass die Loyalitat

vom Beschaftigungsverhaltnis selbst (der Vertragsform, befristet bzw. unbefristet und/

Oder Dauer der Beschaftigung) abhSngt. Freilich spielt dabei die Uberlegung eine

RoUe, ob die Qualitat des Beschaftigungsverhaltnisses selbst (Arbeitsinhalt, Be-

ziehungen zu KoUegen und Vorgesetzten resp. die Einstellung der Organisation zu

Fragen der Partizipation) eine Wirkung zeigt. Aber der Unterschied zwischen einem

standardisierten VoUzeitarbeitsplatz, der in der Kegel unbefristet ist, und ver-

schiedenen atypischen Arbeitsformen - so meine Vermutung - soUte sich in der unter-

schiedlichen Wirkung der verwendeten Faktoren zeigen. Die Gr66e dieses Unter-

schiedes soUte sich in der Annahme und in der Ablehnung der Hypothesen bezogen

auf die Differenzierung der verschiedenen Arbeitsverhaltnisse zeigen. Aus erkennt-

nistheoretischen Uberlegungen heraus wSre nattirlich die Frage interessant, wie grol3 in

der gemessenen Einstellung Unterschiede zwischen den Geschlechtem, bei ver­

schiedenen Alters- und Einkommensgruppen und auf verschiedenen hierarchischen

Ebenen zum Tragen kommen. Diese Fragen standen aber nicht im Vordergrund der

hier untersuchten Uberlegungen.

Ich habe mich letztlich entschieden, den Fragebogen so gestalten, dass sich die Be-

fragten auf eine jeweils ausformulierte Aussage festlegen sollten. Fiir den Grofiteil der

Fragen habe ich mich fiir eine fiinfstufige Likert-Skala entschieden, um die Einstellung

der Befragten zu einem vorformulierten Item festzustellen. Die von Likert ver­

wendeten Rating-Skalen erlauben es, zu verschiedenen Behauptungen die Einstellung

der Befi-agten festzustellen. Likert-Skalen haben den Vorteil, dass die Einstellung zu

schwer quantifizierbaren Merkmalen getestet werden kSnnen. Der Nachteil liegt darin,

dass der mittlere Skalenwert sehr oft nicht eindeutig interpretierbar ist (Bortz und

Doring, 1995:204).

2.1. Datenerhebung

Im Rahmen von zwei Serien einer Fragebogenuntersuchung (eine im Herbst 2001 und

eine im Fruhjahr 2002) v^oirden insgesamt 278 Fragebogeninterviews durchgefuhrt. 93

Fragebogeninterviews wurden mit Unterstiitzung von Studierenden und der Rest vom

Autor selbst durchgefiihrt. Die Arbeitnehmer, die den Fragebogen ausfiillten, ar-

211

Page 221: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

beiteten in osterreichischen und deutschen Untemehmen in Osterreich. Das Daten-

sample umfasst dabei 53 Untemehmen aus verschiedenen Branchen.

2.2. Zusammenfassung und Interpretation

2.2.1. Ausbildungsgrad

Einen Uberblick Uber den Ausbildungsgrad und die Verteilung der Ausbildung ist in

Tabelle 16 zu sehen. Mehr als 50 % verfugen uber eine Matura, ein Studium ohne Ab-

schluss bzw. Studium mit Abschluss; 35 % der Befragten geben an, eine Lehre oder

Matura und Lehre abgeschlossen zu haben.

Tabelle 16 Ausbildung

GUltig

Fehlend Gesamt

Pflichtschule abgeschlossene Lehre Lehre mit Matura Matura ohne Lehre Studium ohne Abschluss Studium mit Abschluss Gesamt System

HSufigkeit

12 69 16 96 45 33 271 7 278

Prozent

4,3 24,8 5,8 34,5 16,2 11,9 97,5 2,5 100,0

GUltige Prozente 4,4 25,5 5,9 35,4 16,6 12,2 100,0

Kumulierte Prozente 4,4 29,9 35,8 71,2 87,8 100,0

Das durchschnittliche Alter der Befragten liegt bei 31,7 Jahren. Das durchschnittliche

monatliche Nettoeinkommen liegt bei den Befragten bei knapp €1.270,--; 55 % der

Befragten sind Manner, 45 % Frauen. Im Ausbildungsgrad ist in dem Fragebogen-

sample kein wesentlicher geschlechtsspezifischer Unterschied festzustellen. Sehr wohl

aber ist in dem Sample der Befragten deutlich sichtbar, dass Frauen erheblich weniger

verdienen als Manner.

2.2.2. Beschdftigungsvertrag, Art des Dienstverhdltnisses

Eines der wesentlichen Ziele der Fragebogenerhebung war es, Daten zu gewinnen, mit

denen, Unterschiede zwischen der Mobilitat von Arbeitnehmem, der Bereitschafl von

Beschaftigten in vertrauenswiirdige Beziehungen mit KoUegen und Vorgesetzten zu

investieren und der Dauer und Art der Beschafligung im Untemehmen zu gewinnen.

In dem Fragebogensample wurden folgende Beschaftigungsverhaltnisse bei den Be­

fragten erhoben. Tabelle 17 gibt dazu einen Uberblick.

212

Page 222: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

befristet (< 1 Jahr) Befristet(>l < 2 J ) befristet > 3 Jahre unbefristet ungliltige Angaben Gesamt System

HSufigkeit

27 18 13 207 3 268 10

Prozent

9,7 6,5 4,7 74,5 1,1 96,4 3,6

GUltige Prozente 10,1 6,7 4,9 77,2 1,1 100,0

Kumulierte Prozente 10,1 16,8 21,6 98,9 100,0

Tabelle 17 Beschaftigungsvertrag (AusmaB der vertraglichen Beschaftigungsdauer)

GUltig

Fehlend Gesamt 278 100,0

Ganz in Sinne des allgemeinen Trends sind 10 % der Befragten in einem Arbeitsver-

haltnis, das auf weniger als 1 Jahr befristetet ist. 6,7 % der Befragten verfugen iiber

einen auf weniger als zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag. Knapp 5 % verfugen iiber

ein auf drei Jahre befristetes Arbeitsverhaltnis; 74,5 % der Befragten stehen in einem

unbefristeten Arbeitsverhaltnis.

2.2.3. Beschdftigungsdauer

Knapp 20 % der Befragten geben an, weniger als ein Jahr bei dem gegenwSrtigen Ar-

beitgeber beschaftigt zu sein; immerhin knapp 30 % geben an, seit fiinf Jahren beim

gegenwartigen Arbeitgeber beschaftigt zu sein; 20 % der Befragten geben mindestens

10 Jahre und wieder 20 % mehr als 10 Jahre als gegenwSrtige Dauer der Be-

schaftigung beim aktuellen Arbeitgeber an.

Tabelle 18 Dauer der BeschSftigung (Wochenarbeitszeit)

GUltig

Fehlend Gesamt

Vollzeitbeschaftigung Teilzeit > 20 h Teilzeit < 20 h geringfiigig B freie(r) MA Gesamt System

HSufigkeit

146 47 12 39 27 271 7 278

Prozent

52,5 16,9 4,3 14,0 9,7 97,5 2,5 100,0

GUltige Prozente 53,9 17,3 4,4 14,4 10,0 100,0

Kumulierte Prozente 53,9 71,2 75,6 90,0 100,0

Tabelle 18 zeigt einen Uberblick iiber die Verteilung von Teil- und Vollzeitbeschafti­

gung bzw. geringfiigig Beschaftigten und freien Mitarbeitem bei den Befragten. Fast

54 % der Befragten sind in einem VoUzeitbeschaftigungsverhaltnis, etwa 17 % geben

an, in einem TeilzeitarbeitsverhSltnis mit 20 Wochenarbeitsstunden zu arbeiten, nur

4,4 % geben an, eine Teilzeitbeschaftigung mit einer Wochenarbeitszeit von weniger

als 20 Stunden zu haben. 15 % der Befragten sind geringfiigig beschaftigt und

immerhin 10 Prozent sind freie Mitarbeiter.

213

Page 223: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

2.2.4. Mobilitdt der Beschdftigten

Eine der Fragen der Untersuchung lautete, wie hoch die Loyalitat der Mitarbeiter ge-

genuber ihrem gegenwartigen Arbeitgeber ist. Eine MSglichkeit dies festzustellen ist,

zu fragen, wie lange der Befragte die Absicht hat, beim aktuellen Arbeitgeber weiter-

hin beschafligt zu sein. Dabei ist es interessant, gewisse Abstufungen zu unter-

scheiden; wollen Arbeitnehmer auf jeden Fall bei dem jetzigen Arbeitgeber weiterbe-

schaftigt sein, wie lange noch, oder suchen sie z. B. schon aktiv eine neue Be-

schaftigung bzw. wiirden sie einem guten Freund empfehlen in dem Untemehmen in

dem sie selbst tatig sind, zu arbeiten. Tabelle 19 gibt tiber das Antwortverhalten einen

Uberblick.

Tabelle 19 Mobilitat der Arbeitnehmer (Wie lang(

GUltig

Fehlend Gesamt

; mQchten Sie im Untemehmen bleiben?)

so lange ich kann IMnger als 5 Jahre 3 bis 5 Jahre 2 bis 3 Jahre 1 bis 2 Jahre solange ich kein anderes Angebot habe suche aktiv einen anderen Job Gesamt System

HSufigkeit

97 19 31 30 36 33 24 270 8 278

Prozent

34,9 6,8 11,2 10,8 12,9 11,9 8,6 97,1 2,9 100,0

GUltige Prozente 35,9 7,0 11,5 11,1 13,3 12,2 8,9 100,0

Kumulierte Prozente 35,9 43,0 54,4 65,6 78,9 91,1 100,0

Es ist plausibel, wenn die Daten in der Tabelle 19 angesehen werden, zumindest fiir 36

% der Beschaftigten anzunehmen, dass sie eine hohe Loyalitdt zu ihren Arbeitgebem

besitzen. Knapp 20 % (darunter etwa 9 %, die bereits aktiv einen anderen Job suchen

und immerhin 12 % der Befragten, die solange im jeweiligen Untemehmen arbeiten,

bis sie ein anderes, bessere Angebot haben) lieBen sich in die Kategorie von Be-

schaftigten einordnen, die ihre zukiinftigen Karrierechancen auBerhalb der Unter-

nehmung suchen. Fast ein Drittel der Befragten sind aber (wenn auch in unterschied-

lichen Zeitperspektiven von 1 bis 5 Jahren) darauf eingestellt, in der gegenwSrtigen

Firma zu bleiben. Insgesamt ist dieses Antwortverhalten als Indikator brauchbar, um

uber die Mobilitat der Beschdftigten Aussagen zu trefFen. Es ist sinnvoll davon auszu-

gehen, dass die Einschatzung der Mobilitat in groBem AusmaB davon abhangt,

welcher Wert den eigenen Qualifikationen beigemessen wird bzw. welche Ein-

schatzung uber die existierende Nachfrage dieser Qualifikationen auf dem Arbeits-

markt aktuell existiert.

214

Page 224: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Die Tabelle 20 fasst die Ergebnisse der Einschatzung der Befragten uber den poten-

ziellen Wert ihrer Quaiifikationen am Arbeitsmarkt zusammen. Zu sehen ist das Ant-

wortverhalten auf die Frage, wie sehr die Befragten glauben, mit den eigenen Quaii­

fikationen relativ rasch eine andere Arbeit zu fmden. Es ist offensichtlich, dass dieses

Antwortverhalten insgesamt sowohl von subjektiven Faktoren (Selbstbewusstsein) als

auch von objektiven Faktoren (Arbeitsmarktiage, Konjunktur etc.) abhSngt; ich gehe

jedoch von der Uberlegung aus, dass der Verbleib in der Firma mit der EinscliStzung

dieser Frage in Zusammenhang steht. Ein sehr loyaler Mitarbeiter ware dann eine Per­

son, die aufgrund ihrer Quaiifikationen am Arbeitsmarkt relativ rasch einen anderen

Job annehmen konnte und sich dennoch entscheidet, in der gegenwartigen Firma zu

bleiben bzw. die eigene Karriereplanung in der aktuellen Firma verfolgt.

Tabelle 20 Finde rasch neue Arbeit

GUltig trifft sehr stark zu trifft eher zu welB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft iiberhaupt nicht zu Gesamt

Fehlend System Gesamt

HSufigkeit

65 110 71 18 7 271 7 278

Prozent

23,4 39,6 25,5 6,5 2,5 97,5 2,5 100,0

Gultige Prozente

24,0 40,6 26,2 6,6 2,6 100,0

Kumulierte Prozente 24,0 64,6 90,8 97,4 100,0

Es ist zu sehen, dass 64 % der Befragten davon uberzeugt sind, relativ rasch eine

andere Arbeit zu fmden. Knapp 27 % wissen nicht so recht, ob das zutrifft oder ob das

ftir ihre Situation nicht zutrifft. Nur knapp 10 % (6,6 und 2,6) - und das fmde ich er-

staunlich - sehen es keinesfalls so, dass sie in relativ kurzer Zeit eine andere Arbeit in

einer anderen Firma fmden wiirden. LieBe man die Ergebnisse so einfach stehen, hiefie

das, dass nur 10 % der Befragten aufgrund mangelnder oder fehlender Altemativen in

der Firma verbleiben und mehr als zwei Drittel aller Befragten fest daran glauben, mit

ihren Quaiifikationen in anderen Firmen eine Arbeit zu finden, die ihren Interessen

entspricht. Man kann sich natiirlich auch fragen, ob dieses Bild der einzelnen Be­

fragten in der Mehrzahl der Falle nicht ein sehr positives ist, das mit der tatsachlichen

Realitat nicht in Uberstimmung zu bringen ist.

2.2.5. Vertrauen in Kollegen und Vertrauen in Vorgesetzte

In Tabelle 21 und Tabelle 22 ist das Antwortverhalten auf die Fragebogen-Items zu-

sammengefasst, mit denen das AusmaB des Vertrauens gegeniiber Kollegen und

gegentiber Vorgesetzten bewertet wurde.

215

Page 225: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Tabelle 21 GegenUber Vorgesetzten eine freundschaftliche Haltung

Giiltig

Fehlend Gesamt

trifift vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft tiberhaupt nicht zu Gesamt System N

Haufigkeit

88 104 42 35

1 7

276 2 278

Prozent

31,7 37,4 15,1 12,6 2,5 99,3 0,7 100,0

GUltige Prozente 31,9 37,7 15,2 12,7 2,5 100,0

Kumulierte Prozente 31,9 69,6 84,8 97,5 100,0

Zwei Drittel der Befragten (siehe Tabelle 21) geben an, dass sie gegeniiber ihrem un-

mittelbaren Vorgesetzten eine freundschaftliche Haltung einnehmen. Nur knapp 14 %

finden, dass sie eher keine oder (nur 2 %) uberhaupt keine freundschaftliche Haltung

ihrem Vorgesetzten gegeniiber einnehmen. Auch hier lieBe sich vermuten, dass sich

hinter dem Antwortverhalten eine prinzipiell positive Bewertung einer vielleicht gar

nicht so positiven Situation versteckt. Fur die Einschatzung des Grades an Vertrauen,

der in einer Organisation existiert, ist dies zwar zu berucksichtigen, es ist aber immer-

hin auch zulassig, davon auszugehen, dass in einem weniger positiv wahrgenommenen

Arbeitsumfeld noch immer "positive Einstellungen" generiert werden.

Ein ahnliches Bild zeigt das Antwortverhalten in Bezug auf die Frage "Wie hoch das

Vertrauen in KoUegen eingeschatzt wird". Tabelle 22 gibt dazu einen Uberblick.

Tabelle 22 Vertraue meinen KoUegen

GUltig

Fehlend Gesamt

trifft vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht Trifft eher nicht zu trifft Uberhaupt nicht zu Gesamt System

Haufigkeit

83 127 51 12 1 274 4 278

Prozent

29,9 45,7 18,3 4,3 0,4 98,6 1,4 100,0

GOltige Prozente 30,3 46,4 18,6 4,4 0,4 100,0

Kumulierte Prozente 30,3 76,6 95,3 99,6 100,0

Immerhin 30 % der Befragten fmden, dass sie ihren unmittelbaren KoUegen uneinge-

schrankt vertrauen und 45,7 % denken, dass sie "eher" ihren unmittelbaren KoUegen

vertrauen. Immerhin 20 % kOnnen diese Frage weder bejahen noch vemeinen. Die

Frage ist zweckmSBig, ob dieses indifferente Antwortverhalten tatsachlich als In-

differenz zu interpretieren ist oder doch eher als Zuriickhaltung, sich in dieser Frage

positiv oder negativ zu auBem. Knapp 4,5 % der Befragten geben an, ihren unmittel­

baren KoUegen eher kein und 0,5 % uberhaupt kein Vertrauen zu schenken.

216

Page 226: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Tabelle 23 AusmaB des Vertrauens, das in den unmittelbaren Vorgesetzten gesetzt

GUltig

Fehlend Gesamt

sehr hoch eher hoch mehr oder weniger eher gering sehr gering Gesamt System

Haufigkeit

55 149 48 20 4 276 2 278

Prozent Gultige Prozente

19,8 19,9 53,6 54,0 17,3 17,4 7,2 7,2 1,4 1,4 99,3 100,0 ,7 100,0

wird.

Kumulierte Prozente 19,9 73,9 91,3 98,6 100,0

In der Tabelle 23 zeigt sich ebenso ein recht positives Bild des Vertrauens der Be-

schaftigten gegeniiber ihrem unmittelbaren Vorgesetzten.

In den hier getroffenen Uberlegungen wird davon ausgegangen, dass Vertrauen als

Arbeitsgrundlage eine wesentliche Voraussetzung ist, um die intangible Ressource

Wissen, die nicht (iber formale Kommunikations- und Auflragswege weitergegeben

werden kann, zu nutzen. In hochgradig misstrauischen Arbeitsumwelten ist es wahr-

scheinlich, dass existierende Informationsasymmetrien in der AufgabenerfuUung hohe

Transaktionskosten in der Zusammenarbeit und im Austausch impliziter Leistungs-

erstellungsprozesse hohe Kosten verursachen. Neben derartigen Uberlegungen ist des-

halb auch wichtig, wieweit die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitem als sehr gut

bzw. erfolgreich eingeschatzt wird.

2.2.6. Interdependenz

Im Rahmen der Befragung habe ich die Einstellung zu folgender Frage erfasst: Kann

ich ohne Unterstutzung von Kollegen meine eigenen Aufgaben erfolgreich ausfiihren?

Im Normalfall zeigt das Antwortverhalten auf diese Frage den Grad an Interdependenz

fur eine erfolgreiche Aufgabenerflillung. In der Tabelle 24 ist das Antwortverhalten

zusammengefasst. Dabei ist zu erkennen, dass knapp 5 % in hohem MaBe auf die

Unterstutzung anderer Kollegen angewiesen sind. Noch immerhin bei knapp 22 % der

Befragten lautet die Antwort auf die eingangs formulierte Frage "trifft eher zu".

Tabelle 24 Ohne Unterstutzung der

GUltig trifft vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft uberhaupt nicht Gesamt

Kollegen nicht erfolgreich

zu

Haufigkeit

13 61 73 86 45 278

Prozent

4,7 21,9 26,3 30,9 16,2 100,0

GUltige Prozente 4,7 21,9 26,3 30,9 16,2 100,0

Kumulierte Prozente 4,7 26,6 52,9 83,8 100,0

217

Page 227: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Fast 27 % der Befragten sind von der Unterstutzung anderer Kollegen und Kollegen

abhSngig. Immerhin etwas mehr als 26 % konnen (oder wollen) diese Frage weder

positiv noch negativ beantworten; knapp 31 % sind der Uberzeugung, dass sie ihre

eigenen Arbeiten eher ohne Unterstutzung der Kollegen durchfiihren kSnnen und 16 %

vertreten die Auffassung, dass sie ihrer Einschatzung nach voUstandig auf die Unter­

stutzung von Kollegen verzichten kCnnen. Das ergibt insgesamt ein interessantes Bild

von der Einschatzung der Befragten iiber die notwendige und die existierende Inter-

dependenz in ihrem unmittelbaren Arbeitsumfeld.

Des Weiteren ist die Frage interessant, wie groB die einzelnen BeschSftigten die

gegenseitige AbhSngigkeit einscMtzen. In der Tabelle 25 geben 6,8 % der Befragten

an, von den Arbeitsergebnissen anderer Abteilungen in einem sehr starken AusmaB

abhangig zu sein. 23,4 % finden, dass diese Feststellung auf ihre konkrete Arbeits-

situation "eher zutrifft". Knapp 15 % der Befragten wollten sich zu dieser Frage nicht

SuBem. Immerhin - und das fmde ich erstaunlich - denken 30,3 % der Befragten, dass

ihre Arbeitsergebnisse "eher nicht" und 22,3 %, dass ihre Arbeitsergebnisse "iiber-

haupt nicht" von anderen Kollegen abhSngen.

Tabelle 25 Meine Arbeitsergebnisse sind sehr stark von

Gtiltig

fehlende Gesamt

triflft vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft Uberhaupt nicht zu Gesamt System

Haufigkeit

19 65 43 83 61 274 4 278

Arbeitsergebnissen anderer Prozent Gultige

Prozente 6,8 6,9 23,4 23,7 15,5 15,7 29,9 30,3 21,9 22,3 98,6 100,0 1,4 100,0

abhangig Kumulierte Prozente 7,3 31,0 46,7 77,0 99,3

Dieses Antwortverhalten ist insgesamt bedeutsam, da mehr als 50 % der Befragten

davon ausgehen, von anderen Arbeitsergebnissen unabhSngig zu sein. Das wtirde be-

deuten, dass fremder "throughput", also vorgelagerte Inputs und nachgelagerte Ar-

beitsprozesse als "irrelevant" ftir die eigene Arbeit eingestuft werden. Aus der Pers-

pektive der wissensorientierten Untemehmung ist dies paradox. Das Antwortverhalten

kann aber dahingehend interpretiert werden, dass subjektiv ineinander greifende

Arbeitsprozesse nicht wahrgenommen werden. Das kann positiv und negativ ver-

standen werden. Positiv dann, wenn Zusammenarbeit einfach funktioniert und kein

Problem in Organisationen darstellt, negativ, wenn davon ausgegangen werden kann,

dass Zusammenarbeit einfach vermieden wird.

218

Page 228: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

2.2.7. Identiflkation

Eine andere Frage ist, wie hoch die Mitarbeiter ihre Identiflkation mit den Zielen des

Untemehmens einschatzen. In der Tabelle 26 ist das Antwortverhalten auf dieses

Fragebogen-Item zusammengefasst. Knapp 55 % der Befragten identifizieren sich mit

den Zielen der Untemehmung.

Tabelle 26 Identiflkation mit den Zielen des Untemehmens ist hoch

GUltig

Fehlend Gesamt

trifft vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft (iberhaupt nicht zu Gesamt System

HSufigkeit

44 109 72 37 14 276 2 278

Prozent

15,8 39,2 25,9 13,3 5,0 99,3 0,7 100,0

GUltige Prozente 15,9 39,5 26,1 13,4 5,1 100,0

Kumulierte Prozente 15,9 55,4 81,5 94,9 100,0

Etwas mehr als ein Viertel der Befragten gibt auf diese Frage keine positive oder nega­

tive Antwort. Immerhin fast 20 % identifizieren sich mit den Zielen der Untemehmung

uberhaupt nicht (4,5 %) bzw. eher nicht (14,5 %). Interessant ist dieses Antwort­

verhalten deshalb, well angenommen wird, dass der Grad an Identiflkation mit den

Zielen der Untemehmen in Zusammenhang mit der Bereitschaft steht, in Sozialkapital

und Vertrauen zu investieren. Es ist meines Erachtens plausibel anzunehmen, dass

Mitarbeiter, die sich nicht mit den Zielen der Untemehmung identifizieren, sehr viel

weniger in die sozialen Beziehungen investieren, als Mitarbeiter, die sich hochgradig

mit der Untemehmung identifizieren k6nnen. So gesehen, ist die Identiflkation des

Mitarbeiters mit dem Untemehmen ein Indikator bzw. eine Voraussetzung, dass in den

Aufbau sozialen Kapitals Zeit und Energie investiert wird. Die Identiflkation von

Mitarbeitem mit einem Untemehmen ist aber nicht unabhSngig von ihrem subjektiven

und (soweit mSglich) objektiven Grad an Zufiiedenheit mit ihrer jeweiligen Arbeits-

situation, die wiedemm nicht unabhSngig von verschiedenen auBerbetrieblichen Fak-

toren zu sehen ist.

Die Tabelle 27 zeigt einen Uberblick tiber das Antwortverhalten der Befragten auf die

Frage, wie gut sich der Befragte mit unmittelbaren Kollegen versteht. Erstaunlich ist,

dass 46,7 % ihr Verhaltnis mit Kollegen als "sehr gut" bezeichnen, 38 % der Befragten

bezeichnen das Verhaltnis zu ihren Kollegen als eher gut. Diese hochgradig positive

Einschatzung ist bemerkenswert. Sie dtirfte aber zum Teil darauf zuruckzuftihren sein,

dass wir dazu neigen, Situationen positiver einzuschatzen als sie es tatsSchlich sind.

219

Page 229: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Tabelle 27 Verstehe mich mit KoUeg

Gultig

Fehlend Gesamt

trifft vollkommen zu trifift eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft iiberhaupt nicht zu Gesamt System

;en sehr gut Haufigkeit

129 105 37 3 2 276 2 278

Prozent

46,4 37,8 13,3 1,1 0,7 99,3 0,7 100,0

Gultige Prozente 46,7 38,0 13,4 1,1 0,7 100,0

Kumulierte Prozente 46,7 84,8 98,2 99,3 100,0

Knapp 13,5 % geben keine eindeutig positive oder negative EinschStzung auf diese

Frage an. Erstaunlich ist, dass nur knapp 2 % und darunter nur 0,7 % sich subjektiv

eingestehen, dass sie sich mit Kollegen eher nicht bzw. iiberhaupt nicht verstehen.

2.2.8. Feedback, Partizipation und Fehlertoleranz

Wissensintensive Leistungserstellungsprozesse konnen auf den intensiven, kommu-

nikativen Austausch innerhalb der Organisation nicht verzichten. Die Weitergabe und

die Produktion von Wissen stellt ein zentrales, konstitutives Element in der Wissens-

organisation dar. Ich habe deshalb in der Fragebogenerhebung Items konstruiert, die es

erlauben, den Grad an Partizipation, Feedback, Reziprozitat und Fehlertoleranz in

Organisationen zu bewerten. Hintergrund dieser Fragebogen-Items ist die Uberlegung,

dass Organisationen mit einem hohen Grad an Vertrauen und einem hohen Grad an

Sozialkapital mit geringen Transaktionskosten Wissen innerhalb und zwischen Ab-

teilungen austauschen. Zudem scheint es vorerst plausibel, dass in Untemehmen, in

denen Mitarbeiter sowohl untereinander als auch gegentiber ihren Vorgesetzten, und in

denen Vorgesetzte gegeniiber ihren Mitarbeitem Vertrauen haben, sehr viel produk-

tiver mit Kritik und Fehlem, die in einem Untemehmen formuliert und entdeckt

werden, umgegangen wird. Umgekehrt ist es offensichtlich, dass Organisationen, die

als konstitutives Element ihrer Organisationskultur Misstrauen pflegen, gegenUber

intemen und extemen Partnem bzw. Mitarbeitem einen pathologischen Umgang mit

Fehlem und Kritik praktizieren.

220

Page 230: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Tabelle 28 Fehler ansprechen ist in unserer

Giiltig

Fehlend Gesamt

trifft vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft aberhaupt nicht zu Gesamt System

Organisation

HSufigkeit

27 83 67 88 12 277 1 278

kein Problem

Prozent

9,7 29,9 24,1 31,7 4,3 99,6 ,4 100,0

GUltige Prozente 9,7 30,0 24,2 31,8 4,3 100,0

Kumulierte Prozente 9,7 39,7 63,9 95,7 100,0

Die Frage, ob die Organisationskultur den konkreten Mitarbeiter unterstiitzt eine ab-

weichende Meinung kundzutun, haben 9,7 % als vollkommen zutreffend und 29,9 %

als eher zutreffend bezeichnet (immerhin fast 40 % der Befragten). Mitarbeiter, die

diese Bewertung abgeben, gehen also davon aus, dass eine abweichende Meinung im

GroBen und Ganzen positiv wahrgenommen wird. Knapp ein Viertel der Befragten

nimmt auf die formulierte Feststellung eine indifferente Haltung ein. Immerhin sind es

aber 32 % der Befragten, die die Einstellung vertreten, dass eine abweichende

Meinung zu auBem im Untemehmen eigentlich nicht erwiinscht ist und 4,3 % geben

an, dass es uberhaupt nicht zutrifft, dass die jeweilige Organisationskultur eine ab­

weichende Meinung zulSsst. Eine andere Frage ist, welche Einschatzung die Mit­

arbeiter in Bezug auf die Bereitschafl "Arbeiten anderer Kollegen zu kritisieren"

haben. In der Tabelle 29 ist das Antwortverhalten der Befragten zu diesem Frage-

bogen-Item zusammengefasst.

Tabelle 29 Arbeiten von Kollegen zu kritisieren ist

GUltig

Gesamt Fehlend Gesamt

trifft vollkommen zu trifft eher zu weifl nicht so recht trifft eher nicht zu trifft Uberhaupt nicht zu

HSufigkeit

16 80 42 111

I 26 275 3 278

in unserer Organisation kein Problem Prozent Gtiltige

Prozente 5,8 5,8 28,8 29,1 15,1 15,3 39,9 40,4 9,4 9,5 98,9 100,0 1,1 100,0

Kumulierte Prozente 5,8 34,9 50,2 90,5 100,0

Das Antwortverhalten der Befragten zur Frage in Tabelle 28 kommt also hier noch

deutlicher zum Tragen, so die hier vertretene Interpretation der Ergebnisse. Dieses

Fragebogen-Item ist in der Absicht formuliert worden, festzustellen, ob eine Messung

der Kritikfahigkeit der Organisation als Ganzes vorgenommen werden kann. Das

Antwortverhalten auf die Frage der Kritikfahigkeit der Organisation ist bemerkens-

wert: Knapp 6 % fmden, dass es "vollkommen zutreffend" ist, Kritik zu auBem; noch

221

Page 231: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

28,8 % finden, es "trifft eher zu" Kritik zu auBem. Von den Befragten wissen 15 %

nicht, ob sie diese Frage zustimmend oder ablehnend beantworten soUen. Erstaunlich

ist, dass 40,4 % die Auffassung vertreten, es trifft eher zu, dass Kritik als negatives

Element interpretiert wird und 9,5 %, dass dies "vollkommen zutrifft". Das heiBt, dass

immerhin 50 % der Befragten eine negative Einstellung zur KritikauBerung haben.

In der klassischen Organisation, in der Uberwachungs- und Kontrollmechanismen zum

Alltag und zu den konstitutiven Elementen der praktizierten Managementphilosophie

zShlen, ist dies kein uberraschender Befund; fur eine wissensorientierte Untemehmung

ist dieser Gesamtbefund jedoch bedenklich. Es zeigt sich in der Bewertung dieser

Frage, dass die vorwiegende Mehrheit der Befragten Kritik als negativ erfahren. Es ist

also plausibel anzunehmen, dass Kritik subjektiv als "Verargerung, Misstrauen, Feind-

seligkeit" (Weinert, 1998:593) interpretiert wird.

Das Antwortverhalten auf einzelne Fragebogen-Items hangt naturgemaB in einem sehr

starken AusmaB von der gewahlten Formulierung ab. Ich habe deshalb versucht, die

Frage der Fehlertoleranz bzw. der Kritikfahigkeit der Organisationskultur in ver-

schiedenen Abstufungen und Formulierungen zu variieren. Eine Moglichkeit diese

wichtige Frage zu bewerten ist das Fragebogen-Item, mit dem ich versucht habe, die

Einstellung der Befragten zu messen, wie positiv ihrer Meinung nach die Organi-

sationen auf Verbesserungsvorschlage ihrerseits reagiert. Tabelle 30 "Fehler an-

sprechen ist positiv" und Tabelle 31 "Verbesserungsvorschlage" fassen das Antwort­

verhalten der Befragten zusammen. AuffMllig ist, dass der Hinweis auf Fehler sowohl

subjektiv als auch im Kontext der Organisationskultur eine sehr positive Bewertung

erkennen lasst.

Tabelle 30 Fehler ansprechen in der

GUltig

Fehlend Gesamt

trifft vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft Uberhaupt nicht zu Gesamt System

Organisation Haufig-keit 35 139 37 59 7 277 1 278

ist positiv Prozente

12,6 50,0 13,3 21,2 2,5 99,6 0,4 100,0

Gultige Pro­zente 12,6 50,2 13,4 21,3 2,5 100,0

Kumulierte Prozente

12,6 62,8 76,2 97,5 100,0

Etwas weniger als zwei Drittel der Befragten finden, dass es "vollkommen zutrifft"

(12,6 %) bzw. "eher zutrifft" (50,2 %), dass das Ansprechen von Fehlem positiv auf-

genommen wird. Aber immerhin knapp die Halfte ist indifferent (13,4 % der Be-

222

Page 232: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

fragten), 21,3 % finden, dass es "eher nicht positiv" ist, auf Fehler hinzuweisen und

immerhin 2,5 % meinen, dass dies tiberhaupt nicht positiv gesehen wird. Noch

differenzierter fallt das Antwortverhalten aus, wenn das Item in die Frage um-

formuliert wird, ob es in der Untemehmimg gem gesehen wird, wenn Verbesserungs-

vorschlage eingebracht werden.

Tabelle 31 Verbesserungsvorschiage

Giiltig trifft vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft tiberhaupt nicht zu Gesamt

werden sehr positiv aufgenommen Haufigkeit

31 128 94 24 1 278

Prozent GUltige Prozente

11,2 11,2 46,0 46,0 33,8 33,8 8,6 8,6 0,4 0,4 100,0 100,0

Kumulierte Pro­zente 11,2 57,2 91,0 99,6 100,0

Mehr als die Halfte der Befragten interpretiert das Einbringen von Verbesserungsvor-

schlagen als positive Erfahrung bzw. sieht die allgemeine Reaktion im Kontext der

Organisationskultur positiv. Darunter sind 11,2 %, fiir die dies "vollkommen zutrifft"

und 46 % der Befragten meinen, dies wiirde "eher zutreffen". Bemerkenswert ist den-

noch, dass knapp 34 % die Frage weder positiv noch negativ beantworten - was im

Vergleich zu den anderen Fragen ein relativ hoher Anteil ist. Immerhin etwas mehr als

8 % der Befragten fmden, dass dies "eher nicht zutrifft" und 0,4 % vertreten die Auf-

fassung, dass dies "tiberhaupt nicht zutrifft". Der Befund ist eindeutig - die Halfte aller

Befragten kann festhalten, dass "Verbesserungsvorschiage" im Organisationsalltag

positiv aufgenommen werden. Auch dieses Fragebogen-Item interpretiere ich als Indi-

kator der Funktionalitat einer wissensorientierten Organisation.

2.2,9. Kontrolle

Der Eindruck, den Uberwachungs- und KontroUmechanismen bei Mitarbeitem hinter-

lassen, hat bis zu einem gewissen Grad Einfluss auf die Effizienz und Effektivitat der

praktizierten Kommunikation. Deci und Flaste (1995) vertreten die Auffassung, je

hoher der Grad der subjektiv wahrgenommenen Kontrolle ist, verstanden auch als Ein-

schrankung der Autonomic und SouverSnitat des Einzelnen, umso geringer ist die Be-

reitschaft, "eigenstandig" und intrinsisch motiviert zu handehi. Es ist daher die Frage

interessant, wie einzelne Beschaftigte ihrer Einschatzung nach die "Kontrolle der Auf-

gabenerfullung" wahmehmen. Die Tabelle 32 "AufgabenerfUUung wird detailliert kon-

troUiert" fasst das Antwortverhalten der Befragten zusammen. Von den Befragten

fmden 44,2 %, dass die AufgabenerfUUung detailliert kontroUiert wird. 12,2 % fmden.

223

Page 233: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

dass eine detaillierte Kontrolle "voUkommen zutrifft" und 32,2 % finden, eine de-

taillierte Kontrolle "trifft eher zu"; ein relativ hoher Anteil (31,3 %) ist in dieser Frage

indifferent.

Tabelle 32 Aufgabenerftillung wird detailliert kontrolliert

Giiltig trifift vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft uberhaupt nicht zu Gesamt

HSufigkeit

34 89 87 52 16 278

Prozent

12,2 32,0 31,3 18,7 5,8 100,0

GUltige Prozente

12,2 32,0 31,3 18,7 5,8 100,0

Kumulierte Prozente 12,2 44,2 75,5 94,2 100,0

Aber immerhin 18,7 % finden, dass ihre AufgabenerfUllung "eher nicht detailliert

kontrolliert wird" und noch 5,8 % denken, dass ihre Aufgabenerfiillung "iiberhaupt

nicht detailliert kontrolliert", wird. Insgesamt interpretiere ich das Antwortverhalten

auf einzelne Fragebogen-Items aber nicht isoliert, sondem denke, dass die Gesamtheit

der einzelnen Charakteristiken, die mit diesen Fragebogen-Items in Zusammenhang

stehen, herausgearbeitet werden kSnnen.

2.2.10. Aufgabensigniflkanz, Aufgabenvielfalt, Arbeitszufriedenheit, Arbeitsdruck

Fur das in dieser Arbeit vorliegende Forschungsinteresse ist es hilfreich der Frage

nachzugehen, in welchem AusmaB Beschaftigte den Eindruck haben, ihren Aufgaben

gewachsen zu sein. Das Geftihl der Uber- und Unterforderung bei der Arbeit bildet -

wie bereits erwahnt - ein wesentliches Element der intrinsischen Motivation, d.h. der

tiber die Arbeit unmittelbar erfahrbaren Befriedigung. Hackman und Oldham (1980)

haben in mehreren Arbeiten in den 1970er und SOer Jahren gezeigt, dass Mitarbeiter

dann zufriedener sind, wenn sie Gelegenheit haben, aktiv an Entscheidungen, die ihre

Arbeitssituation betreffen mitzuwirken. Hackman und Oldham (1980) haben als eines

ihrer Ergebnisse der Motivationsforschung zum Teil recht konkrete Hinweise zur Um-

gestaltung der Arbeitsprozesse {job enrichment, job enlargement etc.) entwickelt.

Diese Vorschlage wurden von einer Reihe von Untemehmen in produktiver Weise

tibemommen (SchreySgg, 1999). Im Rahmen dieser Forschung geht man von der

Uberlegung aus, dass Mitarbeiter durch die gezielte Umgestaltung der Arbeit insge­

samt "motivierter, produktiver und zufriedener" sind (Weinert, 1998:182). Diese An-

sStze stehen in der Tradition der bekannten Hawthome-Experimente, die soziale Be-

ziehungen als produktiven Faktor identifizierten (vgl. Roethlisberger und Dickson,

1961). Insgesamt haben derartige empirische Arbeiten auf die Praxis einen relativ

224

Page 234: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

groBen Einfluss. Dies ist erstaunlich, da der Zusammenhang zwischen Arbeitszu-

friedenheit und Arbeitsleistung in vielen verschiedenen Studien als sehr gering

(r=0,17) ausgewiesen wurde (vgl. Weinert, 1998:81). Hingegen ist der Einfluss von

"Partizipation" auf den Faktor Arbeitszufriedenheit und auf die Leistung der Be-

schaftigten weitaus starker nachweisbar (siehe dazu Weinert, 1998:82) und dennoch

wird der Faktor "Partizipation" bei Arbeitsgestaltungsmafinahmen kaum beruck-

sichtigt.

Vor dem Hintergrund dieser empirischen Ergebnisse habe ich in der Konstruktion

meines Fragebogen-Items versucht, einzelne Einstellungen von Mitarbeitem bezogen

auf den konkreten Arbeitsinhalt zu messen. Ein interessantes Datum in diesem Zu­

sammenhang ist, wie sehr Mitarbeiter die Auffassung vertreten, dass sie den Auf-

gaben, die sie im Rahmen ihrer Arbeit erfullen, gewachsen sind. Studien weisen in

dieser Frage immer wieder aus, dass Beschaftigte das Gefuhl haben, der Arbeitsdruck

sei in den letzten Jahren permanent gestiegen (vgl. Merllie und Paoli, 2000). Von den

Befragten im Sample geben mehr als 93 % an, dass sie ihren konkreten Arbeitsauf-

gaben gewachsen sind. Diese hochgradige Zustimmung lasst vermuten, dass die sub-

jektive Wahmehmung moglicherweise verzerrt ist und die These wahrscheinlich, dass

Personen dazu neigen, nach aufien eine positive Darstellung einer nicht so rosigen

Realitat abzugeben. Bemerkenswert an diesem Antwortverhalten ist wohl auch, dass

sich keiner der Befragten "als vollkommen uberfordert" einstuft. Fur die Untemeh-

mung selbst ist dieses Ergebnis positiv als auch negativ: Positiv ist es in dem Sinne,

well das Antwortverhalten auf sehr selbstbewusste und souverane Mitarbeiter ver-

weist; negativ hingegen kann dieser Befund interpretiert werden, well es den Befragten

moglicherweise nicht gelingt, eine kritische Selbstreflexion vorzunehmen. Aufierdem

kann ein derartiges Antwortverhalten auf eine sehr stark ausgepragte Konkurrenz und

einer daraus folgenden Belastung hinweisen.

Tabelle 33 Bin meinen Aufgaben

Gultig

Fehlend Gesamt

gewachsen Haufigkeit

trifft vollkommen zu 141 trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu Gesamt System

115 14 5 275 3 278

Prozent

50,7 41,4 5,0 1,8 98,9 1,1 100,0

Gultige Prozente 51,3 41,8 5,1 1,8 100,0

Kumulierte Prozente 51,3 93,1 98,2 100,0

225

Page 235: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Eine ahnlich hochgradig positive Einschatzimg zeigt das Fragebogen-Item "Die Auf-

gaben, die ich bei der Arbeit zu erfiillen habe, machen mir im Grofien und Ganzen

Spafi". Die Verteilung der Antworten ist in Tabelle 34 zusammengefasst. Fiir 31,2 %

der Befragten trifft diese Aussage "vollkommen zu", fiir 55 % der Befragten trifft

diese Aussage "eher zu" - insgesamt verbinden also 86,2 % der Befragten mehr oder

weniger ein positives Erlebnis mit den ihnen zugewiesenen Aufgaben.

Tabelle 34

Gttltig

Fehlend Gesamt

Aufgaben machen SpaB

trifft vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft Uberhaupt nicht zu Gesamt System

HSufigkeit

86 152 17 17 4 276 2 278

Prozent

30,9 54,7 6,1 6,1 1,4 99,3 0,7 100,0

Gultige Prozente 31,2 55,1 6,2 6,2 1,4 100,0

Kumulierte Prozente 31,2 86,2 92,4 98,6 100,0

Immerhin sind es 7,8 % der Befragten, die sich eingestehen, mit den ihnen zuge­

wiesenen Aufgabe "eher keinen" bzw. "uberhaupt keinen" SpaB zu haben. Was ich

hier nicht beabsichtige, ist eine fur den Praktiker nahe liegende Schlussfolgerung zu

unterstiitzen, dass mit dieser Einschatzung des jeweiligen Fragebogen-Items eine Aus­

sage iiber die Qualitat der erbrachten Leistung zu machen sei. Bodek unterstreicht

hierzu: "Above all, people need to feel valued for their skills, their knowledge, and

their participation in the creative improvement process. Without this, people can be

comparatively well paid and still be dissatisfied with the quality of their work life".

(Bodek, 2003:36)

In einem zu diesem Fragenkomplex ergSnzenden Fragebogen-Item (siehe Tabelle 35)

wurde die Frage formuliert "Im Grofien und Ganzen bin ich mit der Leistung, die ich

im Untemehmen erbringe, zufrieden." Hier fallt das Antwortverhalten der Befragten

wieder differenzierter aus. Obwohl noch immer ein relativ hoher Anteil der Befragten

eine "sehr starke" oder "eher starke" Zustimmung zur Aussage "mit der erbrachten

Leistung zufrieden" abgibt, zeigt sich, dass zumindest ein Viertel der Befragten "eher

unzufrieden" mit der erbrachten Leistung ist. Knapp zwei Drittel der Befragten (63 %)

sind mit der erbrachten Leistung entweder "vollkommen" oder "eher" zufrieden. Nur

1,5 % der Befragten geben an, "uberhaupt nicht zufrieden" mit der erbrachten Leistung

zu sein.

226

Page 236: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Tabelle 35 Bin mit erbrachter Leistung

GOltig

Fehlend Gesamt

trifft vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft iiberhaupt nicht zu Gesamt System

zufrieden Haufigkeit

84 88 33 63 4 272 6 278

Prozent

30,2 31,7 11,9 22,7 1,4 97,8 2,2 100,0

GUltige Prozente

30,9 32,4 12,1 23,2 1,5 100,0

Kumulierte Prozente

30,9 63,2 75,4 98,5 100,0

Diese Einschatzung ist insgesamt ein interessanter Indikator, inwiefem eine Orga­

nisation bzw. ihre Mitglieder sich mit den erbrachten Leistungen zufrieden geben. Die

in der Literatur diskutierten Motivationstheorien legen nahe, dass das Ergebnis in

vielerlei Hinsicht diskussionswurdig ist. Die Einschatzung von "Zufriedenheit" hSngt,

so die einschiagige empirische Organisationsforschung, davon ab, wie groB der Grad

der subjektiven Einflussnahme auf den Erfolg von Arbeitsprozessen ist. Weinert unter-

scheidet in diesem Zusammenhang zwischen zwei Personentypen. Ein Typus, der

"intem-orientierte", findet, dass sein eigenes Verhalten sehr wohl eine positive

Wirkung auf den Arbeitserfolg austibt und ein dem gegentiber gestellter Typus, der

"extem-orientierte", findet, dass der Arbeitserfolg durch "exteme" von ihm nicht be-

einflussbaren Faktoren bestimmt wird (Weinert, 1998:107). Einen nicht kontrSren,

aber qualitativ anderen Standpunkt vertritt Deci und Flaste (1995), die beide aufgrund

ihrer empirischen Arbeiten davon tiberzeugt sind, dass Mitarbeiter, die als souver^ne

und autonome Personen in Arbeitsprozesse integriert sind, in einem hohen MaBe in-

trinsisch motiviert auch eine positive Einstellung zur Leistungserbringung haben.

Selbststeuerung und Self-Monitoring sind qualitative Eigenschaflen von Arbeitspro­

zessen, die als Ergebnis dieser Einstellung interpretiert werden kSnnen. Ebenso ist die

Einschatzung des eigenen Wertes und der Selbstwirksamkeit (Bandura, 1977 und

1997) als Konstrukt dieser Einstellungen zu verstehen. Nicht untypisch ist, dass die

empirische Forschung gezeigt hat, dass die konstruktiven Eigenschaflen "Selbstwirk­

samkeit" und "Selbstwertschatzung" miteinander in hohem MaBe korrelieren (vgl.

Bandura, 1997). Ohne auf die komplexen Details dieser personlichen Charakteristika

hier weiter einzugehen, ist es dennoch plausibel anzunehmen, dass ein hoher Grad an

Selbstwirksamkeit und Selbstwertschatzung als positiver Input zu interpretieren ist, da

ich annehme, dass die Reflexionsfahigkeit der Organisation als Ganzes (vgl. Oldham

und Cummings, 1996:614) von diesen organisationalen Eigenschaften abhSngt.

227

Page 237: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Zwei weitere Fragebogen-Items erganzen diesen hier angesprochenen Fragekomplex

der ReflexionsMigkeit einer Organisation. Zum einen ist es fiir einzelne Mitarbeiter

wichtig, wie bedeutend zugewiesene Aufgaben eingestuft werden. Und zum anderen

ist es von Bedeutung, wie abwechslungsreich die eigenen Aufgaben eingestuft bzw.

wahrgenommen werden. In der Tabelle 36 "Aufgaben sind sehr wichtig" ist das Ant-

wortverhalten zusammengefasst. Zu sehen ist, dass 21,6 % der Befragten die Signi-

fikanz der Aufgaben als sehr wichtig einschatzen; noch immerhin 55,8 % sehen die

von ihnen durchgefuhrten Aufgaben als "eher" sehr wichtig an. Insgesamt schatzen

etwas mehr als drei Viertel der Befragten in meinem Sample die von ihnen durchge-

fUhrten Aufgaben als "signifikant" ein.

Tabelle 36 Aufgaben, die ich erftille sind sehr wichtig (Aufgabensignifikanz)

GUltig trifft vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft tiberhaupt nicht zu

Gesamt

HSufigkeit

60 155 32 27 4

278

Prozent GUltige Pro-zente

21,6 21,6 55,8 55,8 11,5 11,5 9,7 9,7 1,4 1,4

100,0 _ 100,0

Kumulierte Prozente 21,6 77,3 88,8 98,6 100,0

Etwas weniger als 12 % nehmen zu diesem Fragebogen-Item eine indifferente Position

ein. Knapp 10 % der Befragten stufen die von ihnen durchgefuhrten Aufgaben als

"eher nicht signifikant" und nur 1,4 % der Befragten stufen die Aufgaben, die sie

durchfiihren, als "tiberhaupt nicht signifikant" ein.

Auch diese Organisationsvariable sehe ich als ein konstitutives Element wissens-

fundierter Leistungserstellungsprozesse. In den Uberlegungen dieser Arbeit ist dieses

Item bedeutsam, well davon ausgegangen wird, dass Mitarbeiter mit "wichtigen" Auf­

gaben (vgl. Oldham und Cummings, 1996:614) sehr viel aktiver und positiver Lem-

prozesse aufgreifen (Bandura, 1997) als Mitarbeiter, die glauben, eher unbedeutende

Aufgaben zu erfUUen. Aufgabensignifikanz als Eigenschaft sehe ich vor dem Hinter-

grund der empirischen Befunde, zudem als Voraussetzung und/oder Indikator eines

hohen Grades potenzieller intrinsischer Motivation bei den Mitarbeitem. Ein weiterer

Aspekt - inwieweit einzelne Mitarbeiter ihre FMhigkeiten und Qualifikation, die sie im

Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben einsetzen, als "vielfaltig" bzw. "ab­

wechslungsreich" interpretieren bzw. einschatzen, sehe ich ebenso als wesentlichen

Faktor, der die intrinsische Motivation der Beschaftigten und ihr Selbstwertgefuhl be-

einflusst.

228

Page 238: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Tabelle 37 Die eigenen Fahigkeiten und Qualifikation sind sehr vielfdltig (Aufgabenvariabilitat) Haufigkeit Prozent GultigePro- Kumulierte

Gultig trifft voUkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft uberhaupt nicht zu

72 112 33 48 13

25,9 40,3 11,9 17,3 4,7

zente 25,9 40,3 11,9 17,3 4,7

Prozente 25,9 66,2 78,1 95,3 100,0

Gesamt 278 100,0 100,0

Auch in der Frage der "Aufgabenvariabilitat" fallt zunachst die sehr positive Ein-

schatzung der Befragten auf. 26 % vertreten die Auffassung, dass es "vollkommen

zutreffend ist", dass die eingesetzten Qualifikationen und Fahigkeiten "sehr vielfaltig"

sind. Noch immerhin 40 % schatzen, dass dies "eher zutrifft" und nur knapp 12 % der

Befragten sind in dieser Frage indifferent. Obschon 17, 3 % der Befragten finden, dass

die notwendigen Qualifikationen und Fahigkeiten eher nicht "vielfaltig" sind und 4,7

%, dass die eingesetzten Fahigkeiten und Qualifikationen uberhaupt nicht als "viel­

faltig" einzuschatzen sind, uberrascht der eher positive Eindruck der Befragten.

2.2.11. Wissenstransfer, Wissensaustausch mit Kollegen

In wissensorientierten Leistungserstellungsprozessen ist die Frage des zeitlichen Auf-

wands, der investiert werden muss, um sich wichtige einschlagige Qualifikationen zur

Aufgabenerfiillung anzueignen von Bedeutung. Daneben ist die Frage wesentlich, wie

schwer oder wie leicht dieses Wissen transferierbar ist. Neben qualifikationsspezi-

fischen Aspekten beeinflussen den Transfer von Wissen nicht nur personenspezifische

Eigenschaflen, sondem auch allgemeine Charakteristika der Organisationskultur. Eine

Reihe von Aspekten wurde in diesem Zusammenhang in der Diskussion der Faktoren-

analyse und in der Entwicklung meiner Hypothesen angesprochen (z.B. Reflexions-

und Kritikfahigkeit der Organisation). Wissen zu transferieren, setzt voraus, dass

dieses Wissen in einer mitteilbaren Form vorliegt. Ich habe in der Untersuchung eine

Reihe von Fragebogen-Items konstruiert, um diese Frage beurteilen zu konnen. In ein-

schlagigen Wissensmanagement-Modellen wird diese Frage viel diskutiert. GroBteils -

so mein Eindruck - werden offensichtliche Fragen der Informationsasymmetrie in der

einschlagigen Diskussion in den Wissensmanagement-Modellen aber vemachlassigt.

Die von mir in der Befragung konstruierten Items erfassen jedoch nicht die vielfach

typischen Informationsasymmetrien, die zwischen einzelnen Bereichen und Personen

gerade im Hinblick auf die unterschiedlichen Wissensformen auftreten konnen.

229

Page 239: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Dennoch ist es interessant zu wissen, wie aufwSndig die Erarbeitung einzelner ein-

schlagiger Qualifikationen und Fahigkeiten eingeschatzt wird. Diese Einschatzung ist

nicht mit dem tatsachlichen Aufwand zu verwechseln. Sie kann aber als Indikator

verwendet werden, der Auskunft darUber gibt, ob berufliches Wissen bezogen auf kon-

krete Aufgabenerfullungen eher schwer oder eher leicht zu erwerben ist.

Tabelle 38 Die eigenen Qualifikationen sind nicht in kurzer Zeit erlembar (R)

gUltige Faile trifft vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft iiberhaupt nicht zu Gesamt

HSufig- Prozent giiltige keit Prozente 30 10,8 10,8 54 19,4 19,4 58 20,9 20,9 97 34,9 34,9 39 14,0 14,0 278 100,0 100,0

kumulative Prozent 10,8 30,2 51,1 86,0 100,0

Tabelle 38 gibt einen Uberblick der EinschStzung der Befragten zu diesem Frage-

bogen-Item. Bemerkenswert ist allemal, dass immerhin knapp 11 % denken, die

eigenen beruflichen Fertigkeiten sind in relativ kurzer Zeit erlembar und knapp 20 %

meinen, dies wiirde "eher zutreffen". Knapp 21 % der Befragten nehmen zu dieser

Frage eine indifferente Stellung ein. Knapp 35 % fmden, dass ihre eigenen Qualifi­

kationen und Fertigkeiten "eher nicht" in kurzer Zeit erlembar und 14 % finden, dass

ihre Qualifikationen und Fertigkeiten "iiberhaupt nicht" in kurzer Zeit erlembar sind.

Damit in Zusammenhang ist noch keine Information dartiber gewonnen, ob das er-

worbene Wissen einfach oder schwer an andere Kollegen und an andere Abteilungen

weiterzugeben ist bzw. wie schwierig oder diffizil sich dieses Wissen kommunizieren

lasst.

Tabelle 39 Wissen ist in meinem Aufgabenbereich nur sehr schwer direkt Kollegen mitzuteilen

GOltig

Gesamt 278 lOOjO 100^0

In der Tabelle 39 ist das Antwortverhalten auf das Fragebogen-Item "Wissen ist in

meinem Arbeitsbereich nur sehr schwer direkt anderen Kollegen mitteilbar" zusam-

mengefasst. Knapp ein Drittel der Befragten fmden, dass das Wissen ihres Aufgaben-

bereichs sehr schwer direkt Kollegen mitzuteilen ist; darunter sind 4 %, die diese Ein-

230

trifft vollkommen zu trifft eher zu weifi nicht so recht trifft eher nicht zu trifft Uberhaupt nicht zu

Haufigkeit

11 72 50 112 33

Prozent

4,0 25,9 18,0 40,3 11,9

GUltige Prozente 4,0 25,9 18,0 40,3 11.9

Kumulierte Prozente 4,0 29,9 47,8 88,1 100,0

Page 240: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

schatzung als "vollkommen zutreffend" bewerten und knapp 26 %, die sie als "eher

zutreffend" bewerten. Etwas mehr als die HSlfte der Befragten findet, dass diese Ein-

schatzung "eher nicht" bzw. "uberhaupt nicht" zutrifft. 40 % der Befragten finden, dass

Wissen aus ihrem Arbeitsbereich "eher nicht schwer" bzw. fast 12 % als "uberhaupt

nicht schwer" mitteilbar ist.

Die subjektive Einschatzung des Schwierigkeitsgrades von Wissenstransfer ist in einer

Organisation nicht unabhangig von der Auspr^gung spezifischer mikro-organisa-

tionaler Variablen zu treffen. Vordergrundig ist die allgemeine Kommunikations-

fahigkeit der Organisation zu nennen; ich gehe hier von der Uberlegung aus, dass eine

ganz spezifische Struktur des sozialen Netzwerks (der Dichte der Bindungen, der

Qualitat der Beziehungen) die Diffusion von Wissen beeinflusst. Ich denke allerdings

auch, dass konkrete personliche Erfahrungen, die im Rahmen der alltaglichen Routine

gemacht werden, zwar als Wissen fur die Organisation von groBer Bedeutung ist, aber

nicht im Detail explizit vorliegt und maximal als "Erfahrungsaustausch" anderen

Organisationsmitgliedem in impliziter Form zur Verfiigung gestellt werden kann.

Tabelle 40 Qualifikationen sind sehr schwer in kurzer Zeit transferierbar

Gultig

Fehlend Gesamt

trifft vollkommen zu

trifft eher zu weifi nicht so recht trifft eher nicht zu trifft uberhaupt nicht zu

Gesamt System

Haufigkeit

35

86 68 63 24

276 2 278

Prozent GUltige Prozente

12,6 12,7

30,9 31,2 24,5 24,6 22,7 22,8 8,6 8,7

99,3 100,0 0,7 100,0

Kumulierte Prozente 12,7

43,8 68,5 91,3 100,0

Dabei spielt die Einschatzung der Beteiligten eine RoUe, wie aufwandig in zeitlicher

Hinsicht der Transfer eigener FShigkeiten und Qualifikationen gesehen wird. Die Ein­

schatzung des Zeitaufwandes ist in Tabelle 40 wiedergegeben. Immerhin fmden 43,9

% der Befragten, dass die Qualifikationen "sehr schwer" (diese Einschatzung teilen

12,7 % der Befragten) und dass Qualifikationen "eher schwer" (diese Einschatzung

teilen 31,2 % der Befragten) transferierbar sind. Knapp ein Viertel beantwortet diese

Frage indifferent. Interessant ist, dass fast 30 % die Einschatzung teilen, dass die

eigenen Qualifikationen "eher nicht" (22,8 %) bzw. "uberhaupt nicht" (8,7 %) in

kurzer Zeit transferierbar sind. Dieser Befund ist interessant, es ist aber nicht mQglich

daraus abzuleiten, dass 43,8 % der Falle "Wissen in schwer transferierbarer Form" und

in 30 % der Falle "Wissen in leicht transferierbarer Form" in Organisationen vorliegt.

231

Page 241: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Diese EinscMtzung und dieser Befund mussen wohl dahingehend interpretiert werden,

dass sie teilweise auf einer vagen Beurteilung dessen beruhen, was als "Wissen bzw.

Qualifikation" bewertet wird. Damit in Zusammenhang ist aber dennoch die Frage

wichtig, wie "gut die Zusammenarbeit zwischen Kollegen und Kollegen" funktioniert.

Ich ging in der Konstruktion diesbezuglicher Fragebogen-Items davon aus, dass

einzelne Mitarbeiter die "Zusammenarbeit mit Kollegen" auch als anregend, interes-

sant und als positives Erlebnis erfahren mussen, damit schwierige Abstimmungs-

prozesse funktionieren konnen. Zumindest vertrete ich die Auffassung, dass Mitar­

beiter, die Interaktionen mit anderen Kollegen als anregend, interessant und als

freudiges Ereignis wahmehmen, mit sehr viel geringeren Transaktionskosten mit

anderen Kollegen interagieren als Mitarbeiter, die eine Zusammenarbeit als belastend

und uninteressant interpretieren. In der Tabelle 41 ist das Antwortverhalten auf das

Fragebogen-Item "Zusammenarbeit ist anregend" zusammengefasst.

Tabelle 41 Zusammenarbeit mit Kollegen fmde ich anregend, interessant und bereitet

Gaitig

Fehlend Gesamt

trifft vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft tiberhaupt nicht zu Gesamt System

HSufigkeit

39 181 32 20 5 277 1 278

Prozent Gultige Prozente

14,0 14,1 65,1 65,3 11,5 11,6 7,2 7,2 1,8 1,8 99,6 100,0 0,4 100,0

: mir Freude

Kumulierte Prozente 14,1 79,4 91,0 98,2 100,0

Fast 80 % der Befragten fmden die Zusammenarbeit mit Kollegen interessant und an­

regend. Das ist ein hoher Anteil. 14 % der Befragten fmden die Aussage "Zusammen­

arbeit mit Kollegen sei anregend und interessant" als vollkommen zutreffend fiir ihre

eigene Arbeitssituation. Immerhin sehen 9 % der Befragten die Zusammenarbeit als

"eher nicht" oder (1,8 %) als "tiberhaupt" nicht anregend und interessant. Knapp 12 %

deklarieren sich in dieser Frage nicht. Ganz allgemein fallt die sehr positive Ein-

schatzung auf.

Welters soUte mithilfe der Fragebogenuntersuchung festgestellt werden, wie stark die

Arbeitsaufgaben durch Vorgaben strukturiert sind. Damit kann eine Information

gewonnen werden, die zeigt, wie groB der Grad an eigenstandiger Aufgaben-

strukturierung ist und damit kann gezeigt werden, wie groB der Anteil des per-

sonlichen und idiosynkratischen Wissens an der Leistungserstellung ist. Das Antwort­

verhalten zu diesem Fragebogen-Item ist in der Tabelle 42 zusammengefasst.

232

Page 242: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Tabelle 42 Viele meiner TStigkeiten sind

Gaitig

Fehlend Gesamt

trifft vollkommen zu

trifft eher zu weifi nicht so recht trifft eher nicht zu trifft Uberhaupt nicht zu

Gesamt

System

I in keiner expliziten Arbeitsbeschreibung < Haufigkeit

56

100 62 46 13

277 1 278

Prozent Guhige Prozente

20,1 20,2

36,0 36,1 22,3 22,4 16,5 16,6 4,7 4,7

99,6 100,0

0,4 100,0

erfasst Kumulierte Prozente 20,2

56,3 78,7 95,3 100,0

56,3 % der Befragten finden, dass fur ihre Tatigkeiten, die sie im Rahmen ihrer Arbeit

durchfUhren, keine explizite Arbeitsbeschreibung vorhanden ist. 22,4 % der Befragten

deklarieren sich in dieser Frage nicht. Immerhin 21 % der Befragten meinen, dass

viele ihrer Tatigkeiten sehr wohl tiber eine explizite Arbeitsbeschreibung verfugen.

Ganz allgemein ist hier festzuhalten, dass nahezu 50 % der Befragten in der Auf-

gabenerfullung sehr stark auf eigene Entscheidungs- und Handlungsoptionen zurQck-

greifen konnen, wahrend 21 % iiber explizite Arbeitsbeschreibungen bzw. Arbeitsauf-

trage verfugen. Dieser empirische Befund iSsst zuerst einmal keine positive oder

negative Bewertung dieser unterschiedlichen Auspragung vermuten. Anzunehmen ist

jedoch, dass in den Fallen, in denen explizite Arbeitsbeschreibungen vorhanden sind,

die Organisation als solche davon ausgeht, "eindeutig" zu wissen "welche Aufgaben"

in konkreten Fallen "wie" zu erfullen sind. In dieser Hinsicht fmde ich die Inter­

pretation zuiassig, dass die Organisation Mitarbeitem "zumindest" formal einen ge-

ringeren Handlungsspielraum zugesteht, als in den Fallen, in denen explizite Arbeits­

beschreibungen fehlen.

2.2.12. Soziales Kapital, Kontakt zu Mitarbeitem, Verldsslichkeit von Kontakten

Soziales Kapital in Untemehmen entsteht, wenn einzelne Personen mit anderen Per-

sonen Beziehungen unterhalten. Der Wert des sozialen Kapitals entsteht auch durch

den Zugang zu den Ressourcen der verbundenen Personen, die untereinander Kontakte

unterhalten. Ganz im Sinne der ressourcenorientierten Theorie der Firma stelle ich

fest, dass nicht nur die Kontakte und die Bindungen wichtige Ressourcen sind, sondem

was daraus entsteht oder in der Organisation aus diesem organisationalen Beziehungs-

geflecht (Penrose, 1959) gemacht wird. Eine der zentralen Uberlegungen in dieser

Arbeit ist ja, dass Sozialkapital Transaktionskosten beim Austausch idiosynkratischer

Wissensformen senkt bzw. uberhaupt erst entsprechende Transaktionen ermOglicht.

Ohne Sozialkapital - so meine These - kommt es zu standigen Blockaden im sozialen

233

Page 243: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Lemzyklus in der Organisation (zum sozialen Lemzyklus siehe meine Diskussion von

Boisot, 1995), die nur dann uberbriickt werden kOnnen, wenn Wissen in explizite

Formen transformiert wird oder in expliziter Form vorliegt.

In der Untersuchung, die ich fiir diese Arbeit durchgefiihrt habe, ging es darum, Frage-

bogen-Items zu konstruieren, die es mir erlauben, die abhangige Variable "Sozial-

kapital" zu messen. Ich habe dies mit mehreren Fragebogen-Items versucht. Zum einen

wollte ich wissen, mit wie vielen Personen der Befragte im Rahmen seiner Aufgaben-

erftillung pro Tag Kontakt hat? Welters habe ich danach gefragt, mit wie vielen Per­

sonen der Befragte im letzten Monat auBerberuflich Kontakt hatte? Dann schien mir

die Frage wichtig, auf wie viele Personen sich der Befragte seiner Einschatzung nach

hundertprozentig verlassen kann? Eine Shnliche Frage lautete, in welchem AusmaB

sich der Befragte bei Problemen auf Kollegen verlassen kann? Mit diesen Fragebogen-

Items habe ich die Variable Sozialkapital konstruiert.

Es ist aber insgesamt nicht nur die Anzahl der Kontakte von Bedeutung, so meine ich

in Anlehnung an die bestehende Literatur zu diesem Thema, sondem es ist sinnvoll

davon auszugehen, dass die Bereitschaft, Kontakte zu knupfen, die im Rahmen der

Aufgabenerfiillung hilfreich sind, von Eigenschaften gepragt sind, die im weitesten

Sinne von einer vertrauensorientierten Organisationskultur abhangen. Neben den kon-

kreten Fragen der Einschatzung der Hohe des Vertrauens gegeniiber Vorgesetzten,

Kollegen etc. sehe ich deshalb die Bereitschaft in soziales Kapital zu investieren, also

soziale Beziehungen aufzubauen, primar davon bestimmt, ob Personen mit ihren un-

mittelbaren Kollegen eine freundschaftliche Beziehung unterhalten. In der Regel ist es

doch so, dass in Untemehmen sehr strikt zwischen reinen Arbeitsbeziehungen und

freundschaftlichen Beziehungen unterschieden wird.

Ich gehe also davon aus, dass in Arbeitsbeziehungen, die zusStzlich tiber freundschaft­

liche Bindungen verstSrkt werden, idiosynkratisches Wissen in sehr viel starkerem

AusmaB verbreitet wird und dass dieser Austausch mit sehr viel weniger opportunen

Elementen durchsetzt ist.

234

Page 244: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Tabelle 43 Mit unmittelbaren Kollegen ist dauerhafte Freundschaft m^glich

Gtiltig trifft vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu

trifft Uberhaupt nicht zu

Gesamt

HSnfigkeit

48 135 48 34

13

278

Prozent GUltige Prozente

17,3 17,3 48,6 48,6 17,3 17,3 12,2 12,2

4,7 4,7

100,0 100,0

Kumulierte Prozente 17,3 65,8 83,1 95,3

100,0

Tabelle 43 fasst das Antwortverhalten der Befragten fur das Fragebogen-Item "mit

unmittelbaren Kollegen dauerhafte Freundschaft" zusammen. 17,3 % der Befragten

fmden, dass die Moglichkeit einer dauerhaften Freundschaft mit Kollegen ihrer Ein-

schatzung nach "vollkommen zutrifft"; 48,6 % der Befragten (also fast die Halfte)

fmden, dass dies "eher zutrifft". Immerhin 17,3 % wollen oder kOnnen sich in dieser

Frage nicht deklarieren. 12,2 % fmden, dass sie eher keine Freundschaft mit ihren

Kollegen eingehen kOnnen/woUen und immerhin 4,7 % meinen, dass sie mit der Vor-

stellung, eine freundschaftliche Beziehungen mit ihren Kollegen einzugehen "uber­

haupt nichts" anfangen kSnnen.

Eine andere interessante Frage ist, wie sehr sich die Befragten nach eigener Ein-

schatzung auf ihre unmittelbaren Arbeitskollegen verlassen konnen. Mit der Antwort

auf diese Frage glaube ich einen brauchbaren Hinweis darauf zu haben, welche Quali-

tat die sozialen Bindungen aufweisen. In kniffligen Arbeitsprozessen und ganz be-

sonders bei Verbesserungsprozessen, wie sie die lemende Organisation in den Mittel-

punkt stellt, sehe ich es als notwendig an, dass sich Beschaftigte, wenn Probleme auf-

treten, "auf die Hilfe von Kollegen" verlassen kOnnen. In der Tabelle 44 sind die Ant-

worten auf diese Frage zusammengefasst.

Tabelle 44 Kann bei Problemen auf Kollegen zShlen

Gultig

Fehlend Gesamt

trifft vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft Uberhaupt nicht zu Gesamt

System

Haufigkeit

96 119 47 11 4 277 1 278

Prozent

34,5 42,8 16,9 4,0 1,4 99,6

0,4 100,0

GUltige Prozente 34,7 43,0 17,0 4,0 1,4 100,0

Kumulierte Prozente 34,7 77,6 94,6 98,6 100,0

Bemerkenswert scheint zunachst, dass sich knapp 35 % "vollkommen" und noch

immerhin 43 % "eher" auf ihre Kollegen verlassen konnen; so gesehen ist das ein sehr

235

Page 245: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

hoher Prozentsatz. 17 % der Befragten geben eine indifferente Antwort. Ein relativ

geringer Prozentsatz der Befragten findet, dass sie "eher nicht" (4 %) und nur 1,4 %

denken, dass sie "uberhaupt nicht" auf ihre Kollegen zShlen konnen. Der Befund ist

interessant. Auf der Ebene "der Kollegen" scheint ein recht groBer Grad an Zusam-

menhalt gewahrleistet zu sein. Das ist fur die Frage des Sozialkapitals insofem von

Bedeutung, da mit groBer Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass Per-

sonen mit Personen, zu denen eine hohe Affinitat gegeben ist, in sehr viel grofierem

Umfang "Bindungen aufrechterhalten" als mit Personen, zu denen keine AffmitSt be-

steht (vgl. Granovetter, 1973; Wasserman und Faust, 1999:30). Fiir den Wissensaus-

tausch kQnnte das dann bedeuten, dass der Austausch von formalen und informalen

Wissensformen, darunter fielen auch implizite und idiosynkratische Wissensformen,

gerade auf der Ebene der unmittelbar zusammenarbeitenden Kollegen effizient flink-

tionieren musste. Dariiber hinaus der Austausch aber Probleme bereitet. Im AUge-

meinen wiirde dies die soziale Lemzyklus-Theorie von Boisot (1995) unterstlitzen.

Damit stellt sich aber auch die Frage, mit wie vielen Personen grundsStzlich ein Mit-

arbeiter pro Tag im Durchschnitt Kontakt hat. Eine vollstandige Erhebung sSmtlicher

Kontakte, wie sie in der sozialen Netzwerkanalyse vorgenommen wird, wiirde ein sehr

konkretes Bild des sozialen Netzwerks einer Untemehmung liefem. In der Befragung

habe ich aus Zeit und Kostengrunden darauf verzichten mussen und mich darauf be-

schrSnkt zu fragen, mit wie vielen Personen Kontakte pro Tag unterhalten werden.

Die Tabelle 45 "Kontakt zu Mitarbeitem pro Tag" zeigt eine Zusammenfassung der

Antworten. Im Detail ist das Ergebnis interessant. Von den 274 gultigen Antworten,

die in die Auswertung aufgenommen worden sind, weisen mehr als 50 % aus, dass sie

mit 5 Personen pro Tag im Durchschnitt Kontakt haben. Fast 34 % der Befragten

haben mit nicht mehr als 10 Personen Kontakt. Weitere 10 % geben an, mit durch-

schnittlich 20 Personen Kontakt zu unterhalten. Es zeigt sich, dass die Zahl der Per­

sonen, mit denen pro Tag im Durchschnitt Kontakt besteht, relativ gering ist. Fur die

Frage der Wissensproduktion und Wissensdiffusion bedeutet dies, dass sich der inten­

sive Austausch auf eine relativ kleine Gruppe von Personen eingrenzt.

236

Page 246: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Tabelle 45 Anzahl der Kontakte zu Kollegen

GUltig

Fehlend Gesamt

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 12 13 15 18 19 20 25 30 36 40 50 250 Gesamt System

Haufigkeit

5 12 25 36 31 35 18 5 13 1 49 4 1 14 1 1 8 4 6 1 2 1 1 274 4 278

pro Tag Prozent

1,8 4,3 9,0 12,9 11,2 12,6 6,5 1,8 4,7 ,4 17,6 1,4 ,4 5,0 ,4 ,4 2,9 1,4 2,2 ,4 ,7 ,4 ,4 98,6 1,4 100,0

Gultige

1,8 4,4 9,1 13,1 11,3 12,8 6,6 1,8 4,7 ,4 17,9 1,5 ,4 5,1 ,4 ,4 2,9 1,5 2,2 ,4 ,7 ,4 ,4 100,0

Prozente Kumulierte Prozente 1,8 6,2 15,3 28,5 39,8 52,6 59,1 60,9 65,7 66,1 83,9 85,4 85,8 90,9 91,2 91,6 94,5 96,0 98,2 98,5 99,3 99,6 100,0

Die Frage der Qualitat der Kontakte ist damit jedoch noch nicht untersucht. In der Re-

gel wird im Rahmen der sozialen Netzwerkanalyse unterstellt, dass die Beziehungen,

die Mitarbeiter untereinander im privaten Rahmen in ihrer Freizeit aufrechterhalten,

qualitativ sehr viel wertvoller sind als rein berufliche. Plausibel ist, dass im Rahmen

von privaten Kontakten - im Sinne der Netzwerktheorie - starke Bindungen bestehen

{strong ties) mit denen, so meine These, sehr viel intensiver idiosynkratisches Wissen

ausgetauscht werden als uber schwache Bindungen (weak ties). Als zusatzliche

qualitative Auszeichnung privat unterstutzter beruflicher Beziehungen ist zu nennen,

dass grundsatzlich in der Anknupfung und Aufrechterhaltung von Beziehungen eine

hohe Transitivitat festzustellen ist. Tabelle 46 fasst die Antworten auf die Frage "Mit

wie vielen Kollegen hatten Sie im letzten Monat auBerberuflich Kontakt" zusammen.

237

Page 247: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Tabelle 46 Anzahl der privaten Kontakte zu Kollegen im letzten Monat

GOltig

Fehlend Gesamt

0 1 2 3 4 5 6 7 8 10 12 15 20 40 Gesamt System

HSufigkeit

37 41 55 39 21 28 7 9 2 13 3 5 4 1 265 13 278

Prozent

13,3 14,7 19,8 14,0 7,6 10,1 2,5 3,2 ,7 4,7 1,1 1,8 1,4 0,4 95,3 4,7 100,0

GUltige Prozente 14,0 15,5 20,8 14,7 7,9 10,6 2,6 3,4 ,8 4,9 1,1 1,9 1,5 0,4 100,0

Kumulierte Prozente 14,0 29,4 50,2 64,9 72,8 83,4 86,0 89,4 90,2 95,1 96,2 98,1 99,6 100,0

Die Halfte der Befragten gibt an, im letzten Monat mit zwei Personen auBerberuflich

Kontakt gepflegt zu haben. 34 % der Befragten unterhalten mindestens zu fiinf Per­

sonen pro Monat Kontakt. Abgesehen von eher extremen AusreiBem unterhalten 10 %

der Befragten im Durchschnitt pro Monat zu 10 Personen auBerberuflichen Kontakt.

Erganzend zu den beiden diskutierten Fragen hat mich interessiert, auf wie viele Per­

sonen sich die Befragten hundertprozentig verlassen kSnnen. In der Tabelle 47 sind die

Antworten zu dieser Erhebung zusammengefasst.

Es ist erstaunlich, dass sich fast zwei Drittel der Befragten auf einen relativ kleinen

Kreis von Personen hundertprozentig verlassen konnen. 3 bis 4 Personen sind im un-

mittelbaren Arbeitsumfeld fiir knapp zwei Drittel der Befragten sozusagen "absolut"

vertrauenswtirdig. Ich interpretiere dieses Ergebnis dahingehend, dass in meinem

Sample der Kreis der "absolut vertrauenswurdigen Personen" eine relativ kleine

Gruppe von 3 bis 4 Personen ausmacht (immerhin fiir fast 70 % der Befragten). Diese

Gruppe der "absolut vertrauenswurdigen Personen" defmiere ich als "eine Gruppe mit

sehr starken, strapazierfahigen sozialen Bindungen" und ich verstehe diese Ergebnisse

gemeinsam mit den anderen Fragebogen-Items als aussagefahigen Messwert des vor-

handenen Sozialkapitals in Untemehmen.

238

Page 248: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Tabelle 47 Personen, auf die Sie sich hundertprozentig verlassen konnen

GUltig

Fehlend Gesamt

0 1 2 2 3 4 5 6 7 8 9 10 12 15 20 Gesamt System

Haufigkeit

12 31 1 58 56 30 31 13 6 6 1 13 2 5 5 270 8 278

Prozent Giiltige Prozente

4,3 4,4 11,2 11,5 ,4 ,4 20,9 21,5 20,1 20,7 10,8 11,1 11,2 11,5 4,7 4,8 2,2 2,2 2,2 2,2 0,4 0,4 4,7 4,8 0,7 0,7 1,8 1,9 1,8 1,9 97,1 100,0 2,9 100,0

Kumulierte Prozente 4,4 15,9 16,3 37,8 58,5 69,6 81,1 85,9 88,1 90,4 90,7 95,6 96,3 98,1 100,0

2.2.13. Akzeptanz, Feedback und Partizipation bei Entscheidungsprozessen

Die Fahigkeit, wie intensiv einzelne Personen in einem Untemehmen in soziale Be-

ziehungen Zeit und Energie investieren, hangt, so die hier angestellte Uberlegung,

nicht nur von makrosozialen, sondem auch von mikrosozialen Variablen der Organi­

sation ab. Ein Faktor, der konkret untersucht wurde, ist die eigene EinscMtzung der

sozialen Akzeptanz. Ich bin dabei davon ausgegangen, dass Personen, die ein hohes

MaB an sozialer Akzeptanz erfahren, eher Kontakte zu anderen Kollegen kntipfen als

Personen mit einer subjektiv wahrgenommenen geringen sozialen Akzeptanz. Diese

Interpretation wird von Bandura (1977 und 1997) in seinen Arbeiten gestutzt. In der

Tabelle 48. "Finde bin von Kollegen akzeptiert" ist das Antwortverhalten zu diesem

Fragebogen-Item zusammengefasst.

Tabelle 48 Finde, bin von Kollegen akzeptiert

GUltig

Fehlend Gesamt

trifft vollkommen zu

trifft eher zu wei6 nicht trifft eher nicht zu trifft Uberhaupt nicht zu Gesamt System

Haufigkeit

126

124 23 3 0 276 2 278

Prozent

45,3

44,6 8,3 M 0 99,3 0,7 100,0

GUltige Prozente

45,7

44,9 8,3 1,1 0 100,0

Kumulierte Prozente 45,7

90,6 98,9 100,0

239

Page 249: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Was uberrascht, ist die hochgradig positive Einschatzung der sozialen Akzeptanz der

eigenen Person. Ein Anteil von etwas mehr als 45 % der Befragten schatzt sich als

"vollkommen akzeptiert" ein, und weitere 45 % finden, dass sie "eher akzeptiert"

werden. Nur 1,1 % finden, dass dies "eher nicht zutrifft" und 8,3 % der Befragten

deklarieren sich in dieser Frage nicht eindeutig. Offensichtlich ist, dass in dieser Frage

ein sehr positives Bild gezeichnet wird. Auch in diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit

groB, dass die Befragten sehr stark dazu neigen, eine sehr positive Realitat zu zeich-

nen. Ftir die Organisation als heiBt dies aber dann, dass Personen in sehr starkem

AusmaB "soziale Akzeptanz" als extrem wichtigen mikro- und makrosozialen Faktor

einstufen. Es ist plausibel, dass Konstrukte wie die "soziale Akzeptanz" einen erheb-

lichen Einfluss auf die Effizienz und Effektivitat von Kommunikationsprozessen und

damit auch auf die Wissensproduktion und -diffusion in Organisationen haben. Wie

dieser Einfluss gestaltet ist, darauf gibt wieder die soziale Netzwerktheorie bei Vorlie-

gen konkreter Daten Auskunft, weil dann die entstehenden und vorliegenden Cluster in

einem Netzwerk mit der existierenden sozialen Akzeptanz der Gruppenmitglieder ver-

glichen werden konnen. Das wurde aber in einer empirischen Untersuchung dieser

speziellen Frage die Erhebung der kompletten Ego-Netzwerke in einem Untemehmen

erfordem, was ein sehr kostenintensives und aufwendiges Forschungsvorhaben be-

deuten wurde.

Ein Fragebogen-Item, das in dieser Hinsicht aufschlussreich sein kann, ist die von mir

im Rahmen der Untersuchung gestellte Frage, "wie wichtig die eigene Meinung far

den Vorgesetzten bei Entscheidungen ist". Das ist - so meine Uberlegung - aber nur

dann der Fall, wenn einzelne Personen davon uberzeugt sind, dass ihre Meinung bzw.

ihr Input auch in das generelle Verhalten der Organisation einfliefit, d.h. die person-

lichen Erfahrungen diesen Eindruck auch bestatigen. In der Tabelle 49 "eigene

Meinung ist fur den Vorgesetzten wichtig" ist das Antwortverhalten auf diese Frage

zusammengefasst.

Tabelle 49 Eigene Meinung ist fUr den Vorgesetzten wichtig

Giiltig trifft vollkommen zu trifft eher zu weiB nicht so recht trifft eher nicht zu trifft uberhaupt nicht zu Gesamt

Haufigkeit

52 102 77 41 6 278

Prozent

18,7 36,7 27,7 14,7 2,2 100,0

Gultige Prozente 18,7 36,7 27,7 14,7 2,2 100,0

Kumulierte Prozente 18,7 55,4 83,1 97,8 100,0

240

Page 250: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Als langerfristige Auswirkung dieses Konstrukts einer Feedbackqualitat bzw. der FS-

higkeit zur Selbstreferenz einer Organisation hat Fiedler (1967) in seinen Unter-

suchungen zur Dynamik des Verhaltens von Gruppen zwischen "interagierenden, ko-

agierenden und konteragierenden Gruppen" gesprochen. Es lieBe sich so gesehen also

argumentieren, dass in all jenen Fallen, in denen der eigene Input "eher nicht" oder

"uberhaupt nicht" fur den Vorgesetzten zahlt bzw. als wichtig erachtet wird, sich

langerfristig kaum interagierende bzw. koagierende Handlungsstrukturen herausbilden,

sondem eher konteragierende Verhaltensmuster. Ich glaube, fiir die Produktion und die

Verbreitung von Wissensformen ist das ein wichtiger Faktor. In der ausgewiesenen

Tabelle 49 ist zu sehen, dass immerhin fast 19 % der Befragten finden, dass ihre

Meinung als Input "sehr wichtig" ist, noch 36,7 % der Befragten denken, dass dies

"eher zutrifft". Ein relativ grofier Anteil von 27,7 % weiB nicht genau "ob die Meinung

wichtig oder nicht wichtig ist". Fast 15 % der Befragten finden jedoch, dass ihre

eigene Meinung "eher nicht wichtig ist" und 2,2 % der Befragten finden, dass ihre

Meinung als Input "uberhaupt nicht" als wichtig betrachtet wird. Damit in Zusammen-

hang sehe ich das Antwortverhalten auf das Fragebogen-Item (siehe Tabelle 30 und

Tabelle 31), mit dem die Einstellung der Befragten erfasst wurde, ob Verbesserungs-

vorschlage bzw. die Ansprache von Fehler als positiver Input in der Organisation auf-

genommen wird.

241

Page 251: Sozialkapital, Vertrauen und Wissenstransfer in Unternehmen

Literaturverzeichnis

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