Spätresultate von Gelenkbolzungen

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XVI. AUS DEll OB.TIIOP:~DISCHEN HEILANSTALT VON Da. GAUGELE, ZWICKAU I. SA. Spgtresultate yon Gelenkbolzungen. Von Dr. reed. Robert Weiss~ lI, Arzt der Anstatt. Mit 2 Abbildungen im Text. Zur Feststellung geliihmter Gelenke hatte Lexer auf dam Chirurgen- kongress 1908 die Vereinigung der das Gelenk bildenden Knochen mit Knochen- Perioststiicken empfohlen, die die zueinander beweglichen Knochen zapfen- artig fixieren sollten. In Ermangelung yon frischen Knochen wurde auch ausge- kochter Leichenknochen verwandt. Die Anwendung toten Knochens wies auf dam Wage rein mechanischer Fixierang noch waiter und so fiihrte Bade auf dam Orthopi/denkongress 1910 seine Gelenkbolzung mit Elfenbeinstiften vor. Diese Methode schien einen Fortschritt zu bedeuten schon wegen des leichter zu beschaffenden Materials, als auch wegen der bedeutend vereinfachten Operationsweise. Ein mit Periost bekleideter frischer Knochen ver]angt ein schonenderes und umstgndlicheres Vorgehen, ein glatter Elfenbeinstift lgsst sich leicht durch eine kleine Hautwunde in sin Gelenk eintreiben. Die Bade'sehe Bolzung war daher wegen ihrer Einfachheit sehr verlockend und schien aueh Erfolge zu versprechen. Dr. Gaugele hat bei dam zahl- reichen Material yon spinaler Kinderliihmung des Kriippelheims Zwickau- Marienthal 14 Gelenke 1910 mit Elfenbeinstiften gebolzt und dariiber aueh in der Zeitschrift fiir orthopiidische Chirurgie 1911 berichtetl). Jetzt, nach- dam man einen ~'berblick yon 21/4 Jahren gewonnen hat, kann die Frage nach den erzielten Erfolgen mit einem abschliessende Urteil beantwortet werden. Es waren im ganzen 14 Gelenke bei Kindern yon ~t bis 14 Jahren mit Elfenbeinstiften naeh der Bade'schen Methode gebolzt worden. Es war m5glich yon 12 Gelenken eine Nachschau zu halten (4 Knie- und 8 Fuss- gelenke). Bei einem Knaben yon 4 Jabren, dem beide Fussgelenke gebolzt waren, sind beide Stifte noch intakt. In einem Fussgelenke jedoch ist tier Bolzen aus seiner Lage verschoben. Er ist jetzt waiter in die Markh5hle tier Tibia ~) Zur subkuta~en Arthrodeso nach Bade. Zeitschr. fi orthop~id. Chir. 28. Bd.

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XVI.

AUS DEll OB.TIIOP:~DISCHEN HEILANSTALT VON Da. GAUGELE, ZWICKAU I. SA.

Spgtresultate yon Gelenkbolzungen. Von

Dr. reed. Robert Weiss~ lI, Arzt der Anstatt.

Mit 2 Abbildungen im Text.

Zur Feststellung geliihmter Gelenke hatte L e x e r auf dam Chirurgen- kongress 1908 die Vereinigung der das Gelenk bildenden Knochen mit Knochen- Perioststiicken empfohlen, die die zueinander beweglichen Knochen zapfen- artig fixieren sollten. In Ermangelung yon frischen Knochen wurde auch ausge- kochter Leichenknochen verwandt. Die Anwendung toten Knochens wies auf dam Wage rein mechanischer Fixierang noch wai ter und so fiihrte Bade auf dam Orthopi/denkongress 1910 seine Gelenkbolzung mit Elfenbeinstiften vor. Diese Methode schien einen Fortschritt zu bedeuten schon wegen des leichter zu beschaffenden Materials, als auch wegen der bedeutend vereinfachten Operationsweise. Ein mit Periost bekleideter frischer Knochen ver]angt ein schonenderes und umstgndlicheres Vorgehen, ein glatter Elfenbeinstift lgsst sich leicht durch eine kleine Hautwunde in sin Gelenk eintreiben. Die B a d e ' s e h e Bolzung war daher wegen ihrer Einfachheit sehr verlockend und schien aueh Erfolge zu versprechen. Dr. G a u g e l e hat bei dam zahl- reichen Material yon spinaler Kinderliihmung des Kriippelheims Zwickau- Marienthal 14 Gelenke 1910 mit Elfenbeinstiften gebolzt und dariiber aueh in der Zeitschrift fiir orthopiidische Chirurgie 1911 berichtetl). Jetzt, nach- dam man einen ~'berblick yon 21/4 Jahren gewonnen hat, kann die Frage nach den erzielten Erfolgen mit einem abschliessende Urteil beantwortet werden.

Es waren im ganzen 14 Gelenke bei Kindern yon ~t bis 14 Jahren mit Elfenbeinstiften naeh der Bade ' s chen Methode gebolzt worden. Es war m5glich yon 12 Gelenken eine Nachschau zu halten (4 Knie- und 8 Fuss- gelenke).

Bei einem Knaben yon 4 Jabren, dem beide Fussgelenke gebolzt waren, sind beide Stifte noch intakt. In einem Fussgelenke jedoch ist tier Bolzen aus seiner Lage verschoben. Er ist jetzt waiter in die Markh5hle tier Tibia

~) Zur subkuta~en Arthrodeso nach Bade. Zeitschr. fi orthop~id. Chir. 28. Bd.

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vorgedrungen, die Fixierung zwischen Talus und Kalkaneus ist verloren ge- gangen. Das Ende des Stifles liegt dicht iiber der Gelenkfl~iche des Kalka-

neus (Fig. 1). Die sind alle gebrochen.

Fig. 1.

in die iibrigen 10 Gelenke eingetriebenen Elfenbeinstifte In einem Kniegelenk haben sich beide Bolzen abgestossen.

m Fig. 2.

im anderen Kniegeteak des gleichen Kindes musste ebenfalis einer entfernt werden, der andere ist gebrochen. Es wurde die Beobachtung gemacht, dass die Bolzen in den Kniegelenken am wenigsten gentigten, bier wurde zuerst

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ihr Brechen festgestellt. In den gebolzten Fussgelenken liegt die Bruchstelle des Bolzens erwartungsgem~iss im Gelenk zwischen Unterschenkelknochen und Talus. In einem Falle ist der Stilt sogar doppelt gebrochen, eine zweite Bruchstelle tiegt noch im Gelenk zwischen Talus und Kalkaneus (Fig. 2). In den RSntgenbildern sieht man hie ein splitterartiges Brechen der Stifte, der Bruch liegt in der Gelenk]inie und ist immer ein glatter Querbruch; ein Moment , das immer zu beachten ist, da ja im Kniegelenk die grossen Gefii~se dutch splitternde Fragmente sehr gefiihrdet sein kSnnen, obwohl diese Befiirchtung auch bei gtattem Bruch bei dem beobachteten Verschieben der Stifte berechtigt ist.

Da schon kurz nach der Operation in einem Fall eiu Bruch des Stiftes festgestellt wurde, mussten die Kinder trotz der fixierten Gelenke Bandagen tragen. Die meisten Stifte also sind trotz stiitzender Schiene gebrochen oder in den kurzen Intervallen, wo die Schiene aus irgend welchen Grfinden ab- genommen war.

Es scheint demnach selbst die geringe Gewalteinwirkung aufs schienen- versteifte Bein zu geniigen, um die Stifte zu brechen. Die beiden noch erhaltenen Bolzen haben vietleicht noch nicht diese kleine Belastungsprobe durchgemacht. St~irkere Gewalteinwirkung auf die gebolzten Gelenke durch Fall oder Sturz ist bei den Kindern, die sfiindig in klinischer Behandlung standen, mit Sicherheit auszuschliessen, nur bei einem Kind konnte nach einem Fall vom Stuhl ein Bruch der Stifte sofort nachgewiesen werden. Die meisten Briiche der Stifte wurden nicht sofort festgestellt. Klagen fiber Schmerzen im Knie und eintretende Kriimmung des Gelenkes kl~irten bald auf, was gescbehen war.

h'ach diesen Erfahrungen ist die B a d e ' s c h e Bolzung im Krilppelheim nicht mehr a,lsgeffihrt worden. Doch warum musste die Methode, die so verlockend schien, scheitern ? :~Ian butte der Trag- und Widerstandsfiihigkeit der Stifte zu viel zugemutet. Ein gewisses~ wenn auch nur geringes Federn der Gelenke war nach der Bolzung in den Fussgelenken immer nachzuweiseu gewesen. Wenn man sich aueh im Kniegelenk nicht davon iiberzeugen konnte, so muss man doch immerhin bei einem mit einem KSrper yon gewisser Elastizit~tt wie Elfenbein gebolzten Gelenk eine gewisse ~irtueIle Inanspruch- nahme des Gelenkes annehmen. Es greift also bei starkem Vorniiber- neigen oder gar falls der 0perierte bei fixiertem Fuss zu Fall kommt, das gauze Gewicht des KSrpers an einem ziemtieh langen Hebelarm an einem kaum Bleistift starken Elfenbeinst[ft an.

Die Wahl der Elfenbeinstifte zur Verbindung der schlotternden Gelenke schien ein Fortschritt zu sein, die Operation war dadurch so einfach geworden. Die Stifte hatten jedoch die h'achteile des Fremdk~pers. Bei eingepflanztem lebenden Knochen kommt nicht allein die mechanische Bolzung in Frage, sondern es l~sst sich immer noch hoffen, dass dureh selb- st~ndiges Wachstum und Wucberung auch der umliegenden Gewebsteile mit der Zeit eine solidere Fixierung der Gelenke sich einstelle. Bei den Elfen- beinstiften hatte man durch Ruhigstellung und vielleicht auch durch die

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infolge der Nagelung der Gelenkfl~ichen hervorgerufenen Reizung eine Ver- 5dung des Gelenkes erwartet. In allen 12 nachgepriiften F/illen jedoch ist im RSntgenbild keine Andeutung einer beginnenden u vorhanden. Auch Folgen, an die man bei der ersten Bolzung nicht gedacht, die aber jetzt ganz erwtinscht w~iren, sind nicht eingetreten, dass n~,mlich durch die gebrochenen Stifte eine chronische Reizung der Gelenkfl~chen entstehe und so zu einer arthritischen Ankylose fiihren kSnnte. So lassen die Elfen- beinstifte als FremdkSrper keine Besserung oder Erstarkung der Haltfs mit der Zeit erwarten, sondern der Tr~ger ist st~ndig der Gefahr ausgesetzt, dass der eingeftigte Bolzen bricht, selbst wenn es ]hm wider Erwarten gelungen sein sollte? den Stift jahrelang zu konservieren. Als weiterer Nachteil des FremdkSrpers kommt die Gefahr der allm~hlichen Resorption in Frage. Die Elfenbeinstifte scheinen allerdings sehr schwer resorbierbar zu sein, denn jetzt nach fiber 2 Jahren zeigen die Stifte nut etwas mehr abgestumpfte Spitzen, die Umrisse und die Bruchstellen zeigen geringfiigige Einbuchtungen, im R5ntgenbild erszhienen die Schatten etwas weniger schart'. In ihrer Um- gebung zeigt die Knochenstruktur einen deutlichen Demarkationswall, so wird ihre Verbindung mit dem durehdrungenen Knochen gelockert, und es ist Anlass zu den oben beschriebenen Verschiebungen der Bolzen gegeben.

Die Bolzung kann nach diesen Erfahrungen sich keine Geltung als gelenkversteifende Operation verschaffen und es diirfte bis auf weiteres die Anfrischung der Gelenkfl~chen die sicherste Methode der Versteifung bleiben.