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BILDSTEIN Speckstein in Kunst und Gebrauch Speckstein - ein Wunderstein? Speckstein zeichnet sich durch eine Reihe bemerkenswer- ter Eigenschaften aus, die ihn zu einem sehr vielseitig ein- setzbaren Material machen. Er speichert Wrme, ist hitze- und frostbestndig, wirkt antistatisch, widersteht Basen und Suren, verursacht keinen Widerhall, ist leicht formbar, zeigt verschiedene Muster und Frbungen. Von jeher hat der weiche, seifige Speckstein den Men- schen fasziniert. Das beweisen bis 5000 Jahre alte Funde, die rund um die Welt gemacht wurden. Kultische und knstlerische Gegenstnde wie Schmuck, Grabbeilagen, Figuren, Gebrauchsgegenstnde wie Rollsiegel, Schmink- gefsse, Gussformen, llampen, Becher, Pfannen, fen wurden daraus geschaffen. Fr das bildhauerische Gestalten eignet sich am besten der weichere Stein, etwa aus Indien, China, Thailand, Aus- tralien, gypten, der ehemaligen Sowjetunion, Brasilien und Kanada. Die hufigsten Farben sind wei, violett, rosa, grn, grau, schwarz, braun und blau. Diese Farben kommen in vielen Abstufungen vor, zudem gibt es mehrfarbig marmorierte Sorten. In rohem oder halbpoliertem Zustand wirkt Speckstein staubig und grau. Farbe und individuelle Maserung zeigen sich erst, wenn der Stein poliert ist. In dieser Hinsicht hnelt Speckstein dem Marmor. Die einzelnen Schichten des Steins sind, wie beim Graphit, leicht gegeneinander verschiebbar, woraus sich die leich- te Bearbeitbarkeit erklrt. Eine groe Dichte und ein hohes spezifisches Gewicht 3g/cm 3 fhren dazu, dass man Speckstein leicht gltten und polieren kann. Speckstein spielt auch heute eine gewichtige Rolle in Hand- werk und Technik, sowie in Industrie und Architektur. Er dient als Baumaterial, ist Hauptbestandteil keramischer Massen bei der Herstellung hochwertiger Produkte, zum Beispiel in der Elektrokeramik, findet Absatz in der Fliesenindustrie und bei Feuerfestprodukten, dient feinstgemahlen als Fliehilfsmittel, wird in der Lebensmittel-, Kosmetik- und Pharma- Industrie verwendet, dient als Fllstoff in der Papier- und Farbmittelindustrie, wird in seiner Eigenschaft als Trennmittel in pulverisierter Form in der Kabel- und Gummi- produktion gebraucht, findet Verwendung in der Glas,- Farben- und Papierindustrie sowie in der Autoindustrie, gilt als Heilmittel, eignet sich gut als Ersatzstoff fr wertvollere Materialien, findet weltweit Einsatz in der Bildhauerei. Schminkpalette in aufklappbarem, mit Ritzdekor versehenem Etui Speckstein, sumerisch, um 3000 vor Chr. Deutsches Historisches Museum,Berlin Sammlung Schwarzkopf Foto: Werner Lieberknecht Spinnwirteln, mit unterschiedlichen Querschnitten, 9./10. Jhd. Fundort: Haithabu Foto: Die Specksteinfunde aus Haithabu, 1979 Großer, zweistufiger Giltsteinofen, bemalt, mit Wappen Hospenthal, Kanton Uri/Schweiz, Müllerhaus, dat. 1690 Foto: B. Furrer Kiugak Ashoona Cape Dorset, Nunavut Territory, Canada Iglu zerstörender Riese, 1999 Foto: Ansgar Walk Gestieltes Specksteingefäß aus einem wikingerzeitlichen Grabfund von Kvestad, Norwegen sowie trogförmiges Specksteingefäß aus einem Grab des 10. Jahrhunderts von Söndre Finstad, Norwegen. Museum Oslo Foto: Die Specksteinfunde aus Haithabu, 1979 Independence Hall, Philadelphia/USA Foto: Dan Smith Sockel und Fassungen aus „Steatit" für die Elekrotechnik Statue Speckstein, Iran, Ende 6. Jahrtausend v. Chr. Louvre, Paris Foto: Jastrow 2006

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BILDSTEINSpeckstein in Kunst und Gebrauch

Speckstein - ein Wunderstein?

Speckstein zeichnet sich durch eine Reihe bemerkenswer-ter Eigenschaften aus, die ihn zu einem sehr vielseitig ein-setzbaren Material machen. Er

speichert Wa¨rme,ist hitze- und frostbesta¨ndig,wirkt antistatisch,widersteht Basen und Sa¨uren,verursacht keinen Widerhall,ist leicht formbar,zeigt verschiedene Muster und Fa¨rbungen.

Von jeher hat der weiche, seifige Speckstein den Men-schen fasziniert. Das beweisen bis 5000 Jahre alte Funde,die rund um die Welt gemacht wurden. Kultische undku¨nstlerische Gegensta¨nde wie Schmuck, Grabbeilagen,Figuren, Gebrauchsgegensta¨nde wie Rollsiegel, Schmink-gefa¨sse, Gussformen, O¨llampen, Becher, Pfannen, O¨fenwurden daraus geschaffen.

Fu¨r das bildhauerische Gestalten eignet sich am bestender weichere Stein, etwa aus Indien, China, Thailand, Aus-tralien, A¨gypten, der ehemaligen Sowjetunion, Brasilienund Kanada.Die ha¨ufigsten Farben sind weiss, violett, rosa, gru¨n, grau,schwarz, braun und blau. Diese Farben kommen in vielenAbstufungen vor, zudem gibt es mehrfarbig marmorierteSorten. In rohem oder halbpoliertem Zustand wirkt Specksteinstaubig und grau. Farbe und individuelle Maserung zeigensich erst, wenn der Stein poliert ist. In dieser Hinsichta¨hnelt Speckstein dem Marmor.Die einzelnen Schichten des Steins sind, wie beim Graphit,leicht gegeneinander verschiebbar, woraus sich die leich-te Bearbeitbarkeit erkla¨rt. Eine grosse Dichte und einhohes spezifisches Gewicht �3g/cm3� fu¨hren dazu, dassman Speckstein leicht gla¨tten und polieren kann. Speckstein spielt auch heute eine gewichtige Rolle in Hand-

werk und Technik, sowie in Industrie und Architektur. Er

dient als Baumaterial,ist Hauptbestandteil keramischer Massen bei der Herstellung hochwertiger Produkte, zum Beispiel in der Elektrokeramik,findet Absatz in der Fliesenindustrie und bei Feuerfestprodukten,dient feinstgemahlen als Fliesshilfsmittel,wird in der Lebensmittel-, Kosmetik- und Pharma-Industrie verwendet,dient als Fu¨llstoff in der Papier- und Farbmittelindustrie,wird in seiner Eigenschaft als Trennmittel in pulverisierter Form in der Kabel- und Gummi-produktion gebraucht,findet Verwendung in der Glas,- Farben- undPapierindustrie sowie in der Autoindustrie,gilt als Heilmittel,eignet sich gut als Ersatzstoff fu¨r wertvollereMaterialien,findet weltweit Einsatz in der Bildhauerei.

Schminkpalette in aufklappbarem,mit Ritzdekor versehenem Etui

Speckstein, sumerisch, um 3000 vor Chr.Deutsches Historisches Museum,Berlin

Sammlung SchwarzkopfFoto: Werner Lieberknecht

Spinnwirteln, mit unterschiedlichenQuerschnitten, 9./10. Jhd.Fundort: HaithabuFoto: Die Specksteinfunde aus Haithabu, 1979

Großer, zweistufiger Giltsteinofen,bemalt, mit WappenHospenthal,Kanton Uri/Schweiz,Müllerhaus, dat. 1690Foto: B. Furrer

Kiugak AshoonaCape Dorset, Nunavut

Territory, CanadaIglu zerstörender Riese,

1999Foto: Ansgar Walk

Gestieltes Specksteingefäß

aus einem wikingerzeitlichen

Grabfund von Kvestad, Norwegensowie trogförmiges

Specksteingefäß aus einem Grab

des 10. Jahrhundertsvon Söndre Finstad,

Norwegen.Museum Oslo

Foto: Die Specksteinfundeaus Haithabu, 1979

Independence Hall,Philadelphia/USAFoto: Dan Smith

Sockel und Fassungenaus „Steatit" für dieElekrotechnik

StatueSpeckstein, Iran,

Ende 6. Jahrtausend

v. Chr.Louvre, Paris

Foto: Jastrow 2006

BILDSTEINSpeckstein in Kunst und Gebrauch

Speckstein - ein Werkstoff der Kulturen

Die weltweit zahlreichen Funde aus vor- und fru¨h-geschichtlicher Zeit weisen darauf hin, dass Specksteinneben Holz, Horn, Bernstein und Alabaster eines der a¨lte-sten verwendeten Materialien ist.Speckstein ermo¨glicht ein problemloses Gla¨tten und Po-lieren. Erst dann ist der leicht fettige Glanz und die mar-morgleiche Struktur des Materials deutlich. Unverwech-selbare Besonderheiten sind sein Aussehen, die Weichheitund die leichte Bearbeitungsweise des Steins.

Gefa¨sse und Kultobjekte aus Speckstein waren bereits inder sumerischen und a¨ga¨ischen Kultur in Gebrauch. InA¨gypten stammen a¨lteste Zeugnisse fu¨r die Verarbeitungvon Steatit - glasierte Perlen - aus dem 5. Jahrtausend vorChristus.

Entsprechen den Fundorten in Nordamerika und Kanada,Indien und Afrika �z.B. Zimbabwe und Sierra Leone� istbelegt, das die Specksteinschnitzerei ihren festen Platz inder Handwerkskunst hatte. Auch in Peru, Marokko,Syrien und dem Ural zeigen Funde die grosse Bedeutung,die Speckstein in la¨ngst vergangenen Zeiten hatte.Besonders beliebt waren Specksteinarbeiten in China. Erlo¨ste spa¨testens seit dem 14. Jahrhundert die Benutzungder viel teureren Jade ab.

Im no¨rdlichen Europa fand man Gebrauchsgegensta¨ndewie Beschwersteine, Gewichte, Senker fu¨r Fischereigera¨te,Gussformen fu¨r Bronze- und Silberbarren sowie Schmuck-stu¨cke. Allein die mehr als 3400 Einzelfunde aus der fru¨h-mittelalterlichen Wikingersiedlung Haithabu belegen einweit verzweigtes Netz von Konsumenten skandinavischerSpecksteinproduktion und die wichtige Bedeutung desSteins als Wirtschafts- und Handelsgut. Bis auf das westliche Alpengebiet, wo Specksteingefa¨ssebis in das 20. Jahrhundert in Gebrauch waren, ist in Euro-pa die Verwendung des Steins als Material fu¨r Gebrauchs-gegensta¨nde und kunstgewerbliche Objekte seltener.In der Blu¨tezeit des �Art Deco� er-langte Speckstein auch in Europain Kunst und Kunsthandwerk gro¨-ssere Wertscha¨tzung, suchte dieseneue Stilrichtung nach innovati-ven Materialien fu¨r ihre neuendekorativen �vor allem geometri-schen und linearen� Formen.

Die in der Ausstellung gezeigtenObjekte zeigen einen Querschnitt aus verschiedenen Kon-tinenten und einem Zeitraum von den fru¨hen Hoch-kulturen bis in die heutige Zeit. Die a¨ltesten Stu¨cke sinddabei ein Ko¨nigsrollsiegel aus Anatolien �Djemdet Nasr-Zeit� um 3000 v. Chr, ein spa¨t-sumerischer Votivkopf, 18.- 15. Jahrhundert v. Chr. sowie a¨gyptische Skaraba¨en um1600 v. Chr. Einen Schwerpunkt der Pra¨sentation bildet das ferno¨stlicheKunsthandwerk des 17. bis 19. Jahrhunderts mit Buddha-Figuren, Teeka¨nnchen, diversen Kleinplastiken sowiereichhaltig gestalteten Vasen, die in China vor den Haus-alta¨ren aufgestellt wurden. Sie dienten zum allta¨glichenGebrauch, zur Zierde oder zur kultischen und religio¨senErbauung. Gezeigt werden Schutzgottheiten und Glu¨cksgeister,Mittler- und Helfergestalten, die als solche zur Besetzungdes Hausalta¨rchens, das kaum in einem chinesischen Hausfehlte, geho¨rten.

Sitzende Figur, Königin (Smenkhkare?)Steatit, Ägypten,18. Dynastie, zw. 1379 und 1362 v. Chr.Louvre, ParisFoto: Insecula.com

StierkopfrhytonNeuer Palast Knossos, spätminoisch, 16. Jhd. v. Chr.Stierkopfrhyton aus Steatit mit Augen aus Bergkristall,eines der berühmtesten Kunstwerke der minoischen KulturArchäologisches Museum Heraklion, KretaFoto: Bildarchiv Steffens

Johannes ChrysostomusSteatit und Gold,

Konstantinopel, 1. Hälfte 11. Jhd.Louvre, Paris

Foto: Jastrow, 2005

Specksteinbearbeitungoben li.u.re.: Kourna/Ägypten, 1974

unten li.: China, 2005Fotos: Karl Heinz Arnold

unten re.: Specksteindreher,Wallis/Schweiz, um 1980

aus: La pierre ollaire, 1996

Lampe, SteatitNishapur/Persien, 10./11. Jhd.Metropolitan Museum of Art (MET 40.170.121)Foto: MET

Ninsun,Mutter des Gilgamesch,

Neo-sumerisch.Louvre, Paris

Foto: Jastrow, 2005

Anhänger in Form eines SchmetterlingsEmail und Steatit, England, um 1900Privatsammlung, EnglandFoto: The Bridgeman Art Library

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Speckstein trotzt als Baustein Wind und Wetter

Wegen seiner enormen Widerstandsfa¨higkeit wird Speck-stein schon seit Jahrhunderten als Baumaterial einge-setzt. Er eignet sich vor allem daher, weil er leicht zu bear-beiten und gleichzeitig besonders besta¨ndig gegen Wind,Wetter sowie andere Umwelteinflu¨sse ist.

Hervorragende Beispiele fu¨r „Specksteinarchitektur“ bie-tet Norwegen. Die mittelalterliche Kathedrale von Nido-ros in Trondheim, die Kathedrale von Stavanger sowie dieSt. Mary`s Kirche in Bergen zeugen davon.

Weitere Beispiele finden sich auf dem amerikanischenKontinent. In der barocken Bauplastik Brasiliens �Barock-kirchen des Bundesstaates Minas Gerais� spielt er eine be-deutende Rolle.

Speckstein wurde und wird auch benutzt um Ha¨user zuverscho¨nern, er kommt zum Beispiel als Bodenbelag oderzur Verkleidung von Innenwa¨nden und Fassaden zumEinsatz.

Kathedrale von Nidoros,Trondheim/NorwegenFoto: Steve LadmanIm norwegischen Trondheimsteht die älteste Speckstein-kirche der Welt.Seit dem 12. Jahrhundert trotzen die Wände, Portale undSkulpturen der Kathedrale dem rauhen Seeklima.Sie ist trotz ihres beträchtlichenAlters noch immer hervorragend erhalten.

Specksteinskulptur am Haupteingang derPohjola Versicherungsgesellschaft,

Helsinki/FinnlandFoto: Bernard Epstein

Das Gebäude wurde 1901 errichtet,Hilde Florin entwarf die Skulpturen.

Medaillon an der Front von Sao Francisco,Ouro Preto/Brasilien

Foto: David DavisIn dem Medaillon ist das Wunder von Alverne (Verzückung des Hl.

Franziskus) in Speckstein eingeschnitzt.Die Kirche wurde 1766-1794 errichtet und

beeindruckt mit ihrem reichen Fassaden-schmuck aus Speckstein, der neben demItacolomy-Granit ein häufig verwendeter

Baustoff in Ouro Preto ist.

Independence Hall, Philadelphia/USAFoto: Dan Smith

Beweis für die Haltbarkeit von Speckstein alsBaumaterial ist auch die Independence Hall

in Philadelphia. Sie wurde 1736 - 1741 errichtet.Hier sind Fenstergewände, Brüstungselemente,

Eckquader, Zahnleiste und Uhrgehäuse aus Speckstein.

Kirchenportal aus Speckstein, um 1670Pfarrkirche Münster, Wallis/Schweiz

Foto: Marco Werlen

Cristusstatue auf dem Corcovado in Rio de Janeiro/BrasilienFoto: Bildarchiv Steffens/Rudolf BauerDie 30 m hohe und 1.145 Tonnen wiegende Statuewurde von Heitor Silva Costa entworfen.Der französische Bildhauer Paul Landowski brauchte 5 Jahre bis zum Abschluss seiner Arbeit im Jahre 1931. Als Baumaterial verwendete manBeton mit einer Schicht Speckstein.

Wallfahrtskirche „Guter Jesus" von Congonhas/Brasilien, fertiggestellt 1772Weltkulturerbe seit 1985

Foto: Bildarchiv Steffens/Rudolf BauerLebensgross, aus Speckstein geschnitten, stehen zwölf Apostel am Rande einer Terrasse,

von der man weit ins Land blicken kann. Diese zwölf grossen, mit scheinbar dramatischer Bewegungausgestatteten Figuren, verkörpern eines der besten Kunstwerke der damaligen Epoche.

Sie wurden von Aleijadinho zwischen 1800 und 1805 geschaffen. Antonio Francisco Lisboa (1730-1814),genannt Aleijadinho, war der berühmteste Baumeister und Bildhauer des brasilianischen Barock.

Sein Werk ist in mehreren Kolonialstädten des Bundesstaates Minas Gerais erhalten.

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Feuer wärmt den Stein

Speckstein mit einem ho¨heren Anteil an Magnesit undPenninit, wie dieser zum Beispiel in Nordkarelien sowie inNorwegen und Schweden vorkommt, verfu¨gt u¨ber einehohe Wa¨rme- und Ka¨ltespeicherfa¨higkeit. Aus diesen ha¨r-teren Sorten der no¨rdlichen Hemispha¨re werden auchheute noch O¨fen und Kochgeschirre gebaut.

Seine gute Feuerfestigkeit und das hohe Wa¨rmespeicher-vermo¨gen haben den Vorteil, dass - im Gegensatz zu an-deren Gesteinen, die bei starker Hitzeeinwirkung zer-springen - Speckstein Jahrzehnte unbeschadet u¨berdauertund beispielsweise Speisen, einmal erhitzt und gegart,mehrere Stunden warm bleiben. Diese Eigenschaftenmachten den Speckstein zum begehrten Rohstoff fu¨rO¨fen, Lampen und Kochgeschirr. Archa¨ologische Fundebezeugen die Verarbeitung des Steins zu Kasserollen,Essesteinen und Gussformen.

Angesichts des Vorteils eines Specksteinofens - er gibt dieWa¨rme langsam und gleichma¨ssig ab - kommt es heute inZeiten eines neuen Energiebewusstseins zu einer Renais-sance dieser Ofenbauart. Die Firma TULIKIVI ist neben weiteren Anbietern heuteder weltweit gro¨sste Verarbeiter von Speckstein und Her-steller von industriell gefertigten Speichero¨fen. DerSpeckstein wird in der hu¨geligen Landschaft von Ostfinn-land in Juuka, Suomussalmi und Kuhmo abgebaut. DasUnternehmen bescha¨ftigt mehr als 600 Fachleute derSteinbranche.

Auch in den franzo¨sischen, schweizerischen, o¨sterreichi-schen und italienischen Alpengebieten wurde der sa¨ure-und feuerfeste Werkstoff vor allem fu¨r To¨pfe, O¨fen, Guss-formen und Schmelztiegel sehr gescha¨tzt. Selbst in einer Liste ro¨mischer Handwerksberufe findetman den �Specksteindreher�, welcher gedrehte bzw.gedrechselte Gefa¨sse aus Speckstein anfertigte, die als feu-erfestes Kochgeschirr dienten. Ein Importartikel aus demalpinen Raum waren aus Speckstein �Lavez� gedrechselteKochto¨pfe, Deckel und Backplatten, die vor allem fu¨r das3. und 4. Jahrhundert �Augusta Raurica, Kanton Basel�nachgewiesen sind.Specksteinpfannen wurden noch bis ins 20. Jahrhunderthinein zum langsamen Garen auf dem Kohleherd verwen-det. Die modernen Lebensgewohnheiten fu¨hrten zum Nie-dergang dieses jahrhundertealten Handwerks.

Barrengussformen, 9./10. Jh.Fundort: HaithabuFoto: Die Specksteinfunde aus Haithabu, 1979.

Verkauf von SpecksteinpfannenFoto: Eidg. Archiv fu¨r Denkmalpflege, Bern

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörten auf dem Markt in LocarnoSpecksteinpfannen zum alltäglichen Angebot.

Stube im Val d`Illiez,Wallis/Schweiz, um 1950Links: Giltsteinofen, dat. 1824Foto: Peter Ammon/AURABeim Walliser Ofen handelt es sich um einen großen, zwei- bis dreistöckigen Hinterladerofen,der von außen, von der Küche her, beheizt wurde. Zu seiner Herstellung verwendet man Speckstein,im deutschsprachigen Oberwallis „Giltstein“, in Zermatt wohl wegen seiner Weichheit „Lindflüe“,im französisch sprechenden Unterwallis „pierre ollaire“ genannt.Giltstein ist ein Gemisch aus Serpentin, Talk und Asbest. Serpentin ist das Ausgangsmaterial.Je mehr Talk enthalten ist, umso leichter ist der Stein zu bearbeiten. Beim Erhitzen wird er etwashärter, ohne jedoch zu reißen oder zu springen, was ihm eine Feuersicherheit verleiht,die ihn für den Ofenbau in den sonnengebräunten Holzhäusern des Wallis prädestiniert.

Aus einem aktuellen Prospekt der Firma TULIKIVI, Finnland

Specksteinofen „VALKIA“Foto: TULIKIVI, www.tulikivi.com

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Aus Speckstein wird High-Tec

Kleine Teile mit großer ZukunftErst mit der Einfu¨hrung der Gasbeleuchtung �erstmals inEngland, 1807� bekam Speckstein gro¨ssere Bedeutung,nachdem man, infolge einer Anregung von Justus vonLiebig, erkannt hatte, dass sich dieses Material hervorra-gend fu¨r die Herstellung von Gasbrennern eignet. Da beider Brennerherstellung nur ein relativ geringer Teil desAusgangsmaterials verwertet wurde, hatten sich be-tra¨chtliche Vorra¨te an pulverfo¨rmigem Speckstein ange-sammelt. Durch Zusatz von geringen Mengen Ton undFeldspat gelang es, die Ab-fa¨lle nach keramischen Ge-sichtspunkten zu verarbei-ten. Das neue Material er-hielt den aus dem Griechi-schen stammenden Namenfu¨r Speckstein: Steatit.

Das Nu¨rnberger Land entwickelte sich zum Zentrum derSteatitproduktion. Einen hochwertigen Speckstein bezogman aus Go¨pfersgru¨n, einem kleinen Ort in der Na¨he vonWunsiedel/Fichtelgebirge, mit zunehmender Produktionauch aus Indien und Australien. Gro¨sster Lieferant heuteist �Talc de Lucenac�, eine Mine in Australien. Bayern istheute ein weltweit fu¨hrendes Zentrum fu¨r die ProduktionTechnischer Keramik. Noch heute befinden sich hier fu¨nftraditionsreiche Unternehmen, die Bauteile aus Steatitsowie aus den neueren Oxid- und Nicht-Oxid-Keramikenproduzieren.

Heute sind typische Anwendungen Lampensockel,Reglersockel, Isolierko¨rper fu¨r KFZ-Scheinwerferbirnen,Isolierperlen, NH-Sicherungen, Geha¨useteile und Grund-platten. Verwendung findet dieses Material auch in denReglersockeln der Ceran-Kochfelder.

Speckstein la¨sst sich durch einen Brand bei 1300°C unterBeibehaltung seiner Form in ein hartes und widerstands-fa¨higes Material u¨berfu¨hren. Im Mittelalter fertigte manauf diese Weise zum Beispiel Kanonenkugeln, spa¨ter auchFlintenkugeln. Fu¨r das 18. Jahrhundert sind Specksteinfor-men fu¨r den Zinn-, Messing- und Silberguss belegt. Insge-samt war jedoch in der vorindustriellen Zeit die Nutzungvon Speckstein fu¨r handwerklich/technische Anwendun-gen gering.

Elektro- undSteatitindustrie imAufschwungBald kehrten sich die Ver-ha¨ltnisse um, indem manSpeckstein bewusst zerklei-nerte, um Steatit darausherzustellen. Einen gewal-tigen Aufschwung nahmna¨mlich die Fertigung vonSteatit in den 1920er Jah-ren, als man seine positiven Eigenschaften fu¨r die Elektro-technik entdeckte und wenig spa¨ter im Bariumsteatiteinen Werkstoff fand, der bei Hochfrequenz nur sehr ge-ringe Verluste aufwies. Gu¨nstig fu¨r die zunehmende Ver-breitung erwies sich auch die Mo¨glichkeit, Steatitteile imTrockenpressverfahren �z.B. Oskar Sembach, 1903� herzu-stellen und damit eine gute Masshaltigkeit zu erzielen.Steatit setzte sich als Isolationsmaterial in der Elektro-technik durch. Verwendet wurden die Steatitteile zumBeispiel in Lichtschaltern, Verteilerdosen, Lampenfassun-gen, Klingelkno¨pfen sowie in der Hochfrequenz- undFernmeldetechnik.

Werbeseite derSteatit-Magnesia Aktiengesellschaft, 1936

aus: www.xs4all.nl/˜aobauer/steatit-magnesia.htm

Specksteinverarbeitung zu Schweißerkreide, um 1930Johanneszeche bei Göpfersgrün/FichtelgebirgeFoto: Bergbauverein Johanneszeche e.V.

Preisliste, um 1935aus: Jubila¨umsschrift SembachTechnische Keramik 1904-2004

Fabrikgebäude (Teilansicht),vor 1936aus: Jubila¨umsschrift SembachTechnische Keramik 1904-2004

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Tatsa¨chlich gab es schon eine Art Steinbildhauerei inZimbabwe und zwar die realistische Darstellung wilderTiere, meistens in weichem Speckstein. Eine kleineGruppe lo¨ste sich von dieser, fu¨r die Touristen gedachtenProduktion. Massgeblich angeregt und gefo¨rdert vonMcEwen entwickelte sich zu Beginn der 1960er Jahre eineSzene junger talentierter afrikanischer Steinbildhauer. Zuden ersten geho¨rten Yoram Mariga, John Takawira,Henry Munyaradzi, Nicolas Mukomberanwa und JosephNdandarika. Sie alle wurden spa¨ter die fu¨hrenden Repra¨-sentanten der neuen Bewegung. McEwen verlangte vonden noch jungen Ku¨nstlern, Kunst um der Kunst willen zumachen und sich von ihren inneren Bildern und denMythen ihres Volkes, der Shona, inspirieren zu lassen. DerBegriff der �Shona Sculpture� war geboren. 1965 wurdendie ersten Arbeiten im Ausland gezeigt. 1968 warenArbeiten in einer Ausstellung des New Yorker Museum ofModern Art zu sehen. Mit der Sonderausstellung imPariser Muse´e Rodin �1971� erfolgte die internationaleAnerkennung. In ihren Motiven waren diese fru¨henArbeiten durchaus afrikanisch. In oft anthropomorphenFiguren versinnbildlichten sie den Glauben an dieurspru¨ngliche Einheit von Mensch und Tier.

Auch an anderen Orten wurde die Kreativita¨t gefo¨rdert.1966 gru¨ndete Tom Blomefield im Nordosten Zimbabwes,die vo¨llig andersartige Ku¨nstlergemeinschaft Tenge-nenge, welche von hohen Bergen und eindrucksvollenFelsen aus hartem, bearbeitbarem Serpentin umgeben ist.Am 11.11.1965 erkla¨rte Ian Smith einseitig die Unabha¨ngig-keit Rhodesiens, dies fu¨hrte zu internationalen Sank-tionen. Blomefield war es nicht mehr mo¨glich, seinen Ar-beitern, von denen viele aus Malawi, Mozambique, Sam-bia und Angola kamen, eine feste Arbeit zu geben. Er rietihnen von der Farmarbeit zur Kunst zu wechseln. Mita¨hnlichen Regeln wie McEwen, ermutigte Blomefield diewerdenden Ku¨nstler ihre Seele zu suchen und das zu ge-stalten, was dabei zum Vorschein kam. Es ist sein Ver-dienst, dass so ausserordentliche Talente wie Lemon Mo-ses, Bernard Matemera, Josiah Manzi, Wazi Maicolo,Amali Malola, Henry Munyaradzi und Sylvester Mubayizu ihrem Ausdruck fanden.

Steinbildhauerei in Zimbabwe

Die zimbabwische Steinskulptur ist eine singula¨re Er-scheinung im Kontext der afrikanischen Kunst. Eine ver-gleichbare Kunst hat es in keinem anderen afrikanischenLand gegeben. Singula¨r ist diese Kunst auch insofern, alssie praktisch aus dem Nichts, also aus keiner Traditionheraus entstand. In der Vergangenheit gab es eine Tendenz, die Arbeitender Bildhauer Zimbabwes als die einer einzigen kulturel-len Gruppe anzusehen und sie als Shona zu bezeichnen.Dies mag zu Beginn der Bildhauerbewegung dem Zweckder Kennzeichnung gedient haben. Etliche bedeutendeKu¨nstler geho¨ren in Wirklichkeit jedoch nicht dem Stammder Shona an.

Es waren die besonderen Umsta¨nde der Geschichte desLandes, die zu diesem Aufstieg beigetragen haben. In den1950er Jahren wurde Su¨drhodesien, wie Zimbabwe da-mals hiess, zur Bu¨hne eines vergleichsweise liberalen mul-tirassischen Experiments, zumindest in kultureller Hin-sicht. In der Hauptstadt Harare wurden eine Universita¨tsowie eine Nationalgalerie gegru¨ndet. Der erste Direktorder neuen Nationalgalerie wurde der Brite FrankMcEwen. Seine Rolle bei der Entwicklung der �neuenKunstrichtung� kann nicht u¨berscha¨tzt werden. Er hattein den 1930er Jahren in Paris erfahren, welche Impulsevon der ethnischen afrikanischen Kunst fu¨r die moderneeuropa¨ische Malerei und Plastik ausgingen. Sein Interessewar, zu den Wurzeln selbst zu gehen, die kreativenPotenzen Afrikas aufzuspu¨ren und in dem aufgeschlosse-nen Klima Rhodesiens die Entwicklung der einheimischen,wie er dachte, unverfa¨lschten Kunst zu fo¨rdern.

Geschnitzter Vogel,SteatitZimbabwe, 13.-15. Jh.Privatsammlung, EnglandFoto: The Bridgeman Art Library

Edward Chiwawawurde 1935 in Zimbabwe geboren. Seit 1970 arbeitet

er als Steinbildhauer zunächst in Tengenenge und dann in Harare.Er gilt als einer der erfolgreichsten

noch lebenden Bildhauer der ersten Generation.Ausstellungen:

Heritage Exhibition, National Art Gallery, Harare, 1986-1989Institut für Auslandsbeziehungen, Stuttgart, 1989

International Small Sculptures, Budapest, 1986Millesgarden Museum, Stockholm, 1990

Gruppenausstellungen in England, Australien, Deutschland,

Italien, Frankreich, Holland, Amerika seit 1998

Foto: shona-art.com

nach: Volker Wild. Skulpturen aus Zimbabweaus: www.privatsammlung-wild.de

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Zeitgenössische kanadische Inuit-Kunst

Die heute als charakteristisch bekannte Bildhauerkunst�Steinschnitzerei� der Inuit nahm ihren Anfang erst gegenEnde der 1940er Jahre zu der Zeit, als die Inuit versta¨rktaus ihren traditionellen Camps in feste Siedlungen zogen.Diese neue Kunstform, die schon bald als �Eskimokunst�bekannt wurde, kann zwar im Versta¨ndnis der westlichenKultur als �Kunst� bezeichnet werden, in der Sprache derInuit �der kanadischen Eskimos�, gibt es dafu¨r jedochkeine Begrifflichkeit. �Kunst� in ihrem Sinne ist gewo¨hn-lich ein Vorgang, der sich eher auf die Ta¨tigkeit des �Her-stellens� als auf das fertige Produkt selbst bezieht.

Schnitzarbeiten waren in der traditionellen Kultur derInuit weit verbreitet. Als Material fu¨r die mit kunstvollenDekorationen versehenen Gegensta¨nde des ta¨glichenLebens, dienten u.a. Elfenbein aus den Za¨hnen von Wal-ross und Narwal, Karibu-Geweih und Moschusochsen-horn. Den einfach zu bearbeitenden Speckstein verwen-dete man am Lagerplatz vor Ort, vor allem fu¨r Kochto¨pfeund fu¨r die flachen Schalen der Tranlampen. Die zur Her-stellung notwendigen Fertigkeiten und die verwendetenMuster, dieser in unserem Versta¨ndnis �funktionsbezoge-nen Kunst�, wurden von Generation zu Generation wei-tergegeben.

Zwar fu¨hrte die Anpassung an die neuen Lebensbedingun-gen zu Verwerfungen im traditionellen Sozialgefu¨ge derInuit, etwas Aussergewo¨hnliches jedoch hat das Aufeinan-dertreffen der traditionellen Inuit-Kultur mit der westli-chen Industriekultur bewirkt: einen ku¨nstlerischen Auf-bruch von ungeahnter Kraft, gerade zu jener Zeit, als dieIdentita¨t der Inuit am meisten bedroht war.

Eine besondere Rolle bei der eruptiven Entwicklungku¨nstlerischen Gestaltens spielte Cape Dorset am Su¨d-westrand der Baffininsel, mit einer grossen Anzahl vonKu¨nstlern, welche die zeitgeno¨ssische Inuit-Skulptur we-sentlich beeinflusst haben. Den Grundstock hierzu legtenJames und Alma Houston, die sich 1951 hier niederliessenund das kreative Potenzial der Inuit erkannten. Sie fo¨r-derten das Gestalten von ausdrucksstarken Skulpturenund spa¨ter auch die Anwendung europa¨ischer Steindruck-techniken. Daneben haben sich Baker-Lake und die Keewatin-Regionsowie Pangnirtung �Region Nunavut� zu wichtigen Zen-tren entwickelt. Ausser diesen grossen Kunstzentren gibtes viele weitere Siedlungen, wo namhafte Inuit-Ku¨nstlerarbeiten.

Je nach Region ist der Stein unterschiedlich hart und far-big, der traditionelle weiche Speckstein, eine weisse/graue/graugru¨ne Variante kommt vor allem im Su¨dostenNunavuts vor. Von dort stammen die meisten fein ausge-arbeiteten Tier- und Menschenfiguren, oft schwarz einge-fa¨rbt und poliert. Im Nordwesten findet man meist denharten, fast granita¨hnlichen Stein, hier entstanden diegrob behauenen, eher abstrakten Skulpturen. Heute istStein aller Ha¨rten und Schattierungen das Material derKu¨nstler. Moderne Maschinen wie Elektromeissel undSchleifgera¨te machen heute aber auch grosse, fein ge-formte Figuren mo¨glich.

A¨ltere Stu¨cke und Werke beru¨hmter Meister erzielen hoheSammlerpreise. Um Ka¨ufer vor illegalen Kopien zu schu¨t-zen, hat die kanadische Regierung ein Echtheitszertifikateingefu¨hrt. Neben diesen hochwertigen Einzelstu¨cken gibt es aucheine Produktion weniger bedeutender, meist kleinererObjekte, die vergleichbar der heutigen �Volkskunst� ausAsien, Su¨damerika, Afrika, Europa und Russland weitge-hend fu¨r den Touristen-Markt hergestellt werden.

nach: George Swinton. Sculpture of the Inuit, 1994.sowie: www.dfait-maeci.gc.ca

Eskimofamilie,der Mann schnitzend,

die Frau bei Näharbeitenaus:

National Geographic Magazin, Volume 31 �1917�, S. 564

Inuit-Steinschnitzer in seiner Arbeitshütte Napatsi Ashoona, Cape Dorset, 1999Foto: Ansgar Walk

Entscheidenden Einfluss aufdie Arbeitsweise hat der Zeit-punkt der Erblindung. Wo fu¨rspa¨t erblindete Menschen, be-sonders wenn sie sich dieFa¨higkeit zur Visualisierungbewahrt haben, die Meinungund Korrektur Sehender durch-aus von Bedeutung ist, habengeburts- und fru¨herblindete

Menschen eher die Mo¨glichkeit, rein aus der Erfahrungs-welt des haptischen Erlebens zu gestalten.

Speckstein eignet sich fu¨r den ersten Einstieg in das dreidi-mensionale Gestalten und nimmt in der Kunstpa¨dagogik,Kunsttherapie und Rehabilitation einen festen Platz ein.Speckstein ist kostengu¨nstig, la¨sst sich leicht beschaffenund mit einfachen Werkzeugen bearbeiten. Die Vielfalt inFarbe und Maserung, die seidige Gla¨tte der Oberfla¨che unddie Weichheit des Staubes ani-mieren zum Beru¨hren und Be-arbeiten. Besondere Bedeutungerlangt Speckstein in der kunst-pa¨dagogischen Arbeit mit seh-gescha¨digten Menschen, wie sieseit 1989 in der Werkstatt-Galerie 37 der Stiftung Blinden-anstalt Frankfurt am Main rea-lisiert wird.

BILDSTEINSpeckstein in Kunst und Gebrauch

Die Werkstatt-Galerie 37

Obwohl sich Skulpturen in ihrer Materialita¨t und Ko¨rper-lichkeit anbieten, auch tastend erfahren zu werden, wur-de blinden und sehbehinderten Menschen bis in die ersteHa¨lfte des 20. Jahrhunderts die Fa¨higkeit zum Erleben ei-nes Kunstwerkes und zur eigenen scho¨pferischen Leis-tung abgesprochen. Erst seit den 50er Jahren des 20. Jahr-hunderts wird �Bildhaftes Gestalten� an Blindenschulenunterrichtet.

Im Freizeitbereich reali-siert die Stiftung Blinden-anstalt mit der Werkstatt-Galerie 37 ein bundesweiteinmaliges Angebot, dasblinden und sehbehinder-ten Menschen die Ent-wicklung ihrer kreativenund gestalterischen Fa¨hig-keiten und Interessen er-mo¨glicht. Die Speckstein-arbeiten der Werkstatt-mitglieder im Alter zwi-schen 29 und 83 Jahren um-fassen ein breites Spek-trum von Schmuckanha¨n-gern und Gebrauchsgegen-sta¨nden bis hin zu figu¨r-lichen und abstrakten Formen. Anregungen fu¨r die Ge-staltung liefern neben eigenen Ideen, die Naturform desSteines, in der Galerie ausgestellte Skulpturen der Werk-stattmitglieder, Modelle sowie Museumsbesuche.

Der Tastvorgang ist ein ho¨chst komplexer Prozess, in demHaut- und Bewegungssinne zusammenwirken �haptischeWahrnehmung�. Die Haut, mit einer Fla¨che von knapp 2 m2

unser gro¨sstes Sinnesorgan, verfu¨gt u¨ber verschiedeneRezeptoren, die Druck, Wa¨rme, Ka¨lte, Vibration, Schmerz,Kitzel usw. empfangen. Bewegungsrezeptoren in Mus-keln, Sehnen und Gelenken vermitteln die Bewegung undStellung der Gliedmassen.

Bei Bedarf werden mittels Hilfslinien - tastbarer Rillen -die Proportionen festgelegt und so die Orientierung amStein erleichtert. Entlang der Hilfslinien werden Teilfor-men und Details herausgearbeitet. Die Oberfla¨che kannglatt poliert oder nachtra¨glich strukturiert werden. DasMaterial Speckstein ermo¨glicht eine langsame undschrittweise Entwicklung der Skulptur, bietet jedoch soviel Widerstand, dass sich das Objekt beim Ertasten nichtverformt. Mit ruhigen wiederholten Tastvorga¨ngen ko¨n-nen Form- und Strukturvera¨nderungen genau nachvoll-zogen werden. Bei gro¨sseren Objekten, deren Gesamtge-stalt sukzessive erfasst werden muss, erfordert dieser Pro-zess ein hohes Mass an Konzentration und ein gutes ra¨um-liches Vorstellungsvermo¨gen.

Besuch der Ausstellung „Von Köpfen und Körpern“Museum Giersch, Frankfurt am Main, 2006

Stiftung Blindenanstalt Frankfurt am Main, 2006Foto: Heike-Marei Hess

Mitglied der Werkstatt-Galerie 37 bei der Gestaltung eines Engels

Stiftung BlindenanstaltFrankfurt am Main, 2006

Foto: Heike-Marei Hess

Die Freizeitgruppe in der Werkstatt-Galerie 37

Stiftung BlindenanstaltFrankfurt am Main, 2006

Foto: Heike-Marei Hess

Mitglied der Werkstatt-Galerie 37 bei der Gestaltung einer MaskeStiftung Blindenanstalt Frankfurt am Main, 2006Foto: Heike-Marei Hess

Rehabilitand bei der Gestaltung eines HasenStiftung Blindenanstalt Frankfurt am Main, 2006Foto: Heike-Marei Hess