Spontane septale Schwellung der Nase mit lebensbedrohlichen Komplikationen

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HNO 2014 · 62:590–592 DOI 10.1007/s00106-014-2885-6 Online publiziert: 11. Juli 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 L. Muller · M. Schlegel Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Hals-/Gesichtschirurgie, Kantonsspital Aarau Spontane septale Schwellung  der Nase mit lebensbedrohlichen  Komplikationen Falldarstellung Anamnese Ein bisher gesunder 46-jähriger Mann stellte sich nach seinem Urlaub an der Bal- kanküste mit seit 3 Tagen progredienten Schmerzen im Bereich der Nasenschei- dewand vor. Ansonsten lagen keine Be- schwerden im HNO-Bereich vor, insbe- sondere keine Anhaltspunkte für Sinusi- tis oder Zahnaffektionen. Ein Trauma war nicht erinnerlich. Klinischer Befund Die HNO-ärztliche Untersuchung zeigte neben einer septalen, hochroten fluktuie- renden und ballonierten Nasenschleim- haut eine Schwellung der rechten Ge- sichtshälfte. Auf Druck im Nasenbereich gab der Patient starke Schmerzen an. Er befand sich in einem subfebrilen Status und wies eine Leukozytose von 9,3*10 9 /l sowie ein CRP von 423 mg/I auf. In der am Vortag extern durchgeführten Com- putertomographie (CT) des Schädels zeigt sich eine ausgeprägte septale Flüssigkeits- ansammlung sowie eine diskrete Ver- schattung des Sinus sphenoidalis, ethmoi- dalis und maxillaris beidseits, jedoch ohne klinische Relevanz. Redaktion F. Bootz, Bonn 590 | HNO 8 · 2014 Bild und Fall Bild und Fall

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Page 1: Spontane septale Schwellung der Nase mit lebensbedrohlichen Komplikationen

HNO 2014 · 62:590–592DOI 10.1007/s00106-014-2885-6Online publiziert: 11. Juli 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

L. Muller · M. SchlegelKlinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Hals-/Gesichtschirurgie, Kantonsspital Aarau

Spontane septale Schwellung der Nase mit lebensbedrohlichen Komplikationen

Falldarstellung

Anamnese

Ein bisher gesunder 46-jähriger Mann stellte sich nach seinem Urlaub an der Bal-kanküste mit seit 3 Tagen progredienten Schmerzen im Bereich der Nasenschei-dewand vor. Ansonsten lagen keine Be-schwerden im HNO-Bereich vor, insbe-sondere keine Anhaltspunkte für Sinusi-tis oder Zahnaffektionen. Ein Trauma war nicht erinnerlich.

Klinischer Befund

Die HNO-ärztliche Untersuchung zeigte neben einer septalen, hochroten fluktuie-renden und ballonierten Nasenschleim-haut eine Schwellung der rechten Ge-sichtshälfte. Auf Druck im Nasenbereich gab der Patient starke Schmerzen an. Er befand sich in einem subfebrilen Status und wies eine Leukozytose von 9,3*109/l sowie ein CRP von 423 mg/I auf. In der am Vortag extern durchgeführten Com-putertomographie (CT) des Schädels zeigt sich eine ausgeprägte septale Flüssigkeits-ansammlung sowie eine diskrete Ver-schattung des Sinus sphenoidalis, ethmoi-dalis und maxillaris beidseits, jedoch ohne klinische Relevanz.

RedaktionF. Bootz, Bonn

590 |  HNO 8 · 2014

Bild und FallBild und Fall

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»  Diagnose: Septumabszess

Therapie und Verlauf

Die Diagnose eines Septumabszesses wurde gestellt, und wir führten eine Abs-zessspaltung mit Lascheneinlage und Abstrichentnahme in Intubationsnarko-se durch. Es wurde nach Absprache mit der Infektiologie eine i.v.-Antibiotikathe-rapie mit Amoxicillin und Clavulansäu-re durchgeführt. Trotzdem verschlech-terte sich der Zustand des Patienten zu-nehmend. Am Folgetag entwickelte der Patient eine Tachydyspnoe mit Sauer-stoffabfällen und Thoraxschmerzen. In der CT des Thorax zeigten sich multip-le septische Embolien (. Abb. 1a). Der Patient wies nun eine akut aufgetrete-ne Abduzensparese und Ptose rechts auf. In einer erneuten CT des Schädels zeigte sich eine Thrombophlebitis der Venae supraorbitales rechtsbetont oh-ne weitere intrakranielle Komplikation (. Abb. 1b). Die Magnetresonanztomo-graphie (MRT) des Schädels wies außer-dem eine Phlegmone des retroseptal ex-trakonalen inferioren Orbitaweichteil-mantels links auf sowie eine Thrombo-phlebitis der bulbusnahen V. ophthal-mica beidseits, der V. angularis rechts und der proximalen V. facialis rechts oh-

ne Hinweis auf eine Sinus-cavernosus-Thrombose (. Abb. 2).

Eine therapeutische i.v.-Antikoagula-tion mit Heparin wurde begonnen. In der Lumbalpunktion waren erhöhte Zellen-zahlen ohne Mikroorganismusnachweis zu finden, sodass die Diagnose einer Me-ningitis gestellt wurde. Die Blutkulturen bestätigten eine Sepsis durch einen multi-resistenten Staphylococcus aureus, worauf ein Wechsel auf Vancomycin und Gen-tamycin i.v. in nierenadaptierter Form stattfand. Es entwickelte sich eine auf-fällige schmerzhafte Schwellung des lin-ken Sprunggelenks im Sinne einer septi-schen Arthritis. Die Gelenkpunktion zeig-te, bei jedoch methodisch bedingter ein-geschränkter Aussagekraft, eine negative Bakteriologie und keine Kristalle. Auf der Intensivstation erfolgte eine noch breite-re antimikrobielle Abdeckung bei akuter pulmonaler Verschlechterung (zusätzlich Daptomycin, Piperacillin/Tazobactam).

Der Patient entwickelte ein Multi-organversagen im Rahmen der nun ma-nifesten schweren Sepsis. Bei respiratori-scher Erschöpfung musste der Patient in-tubiert werden, und im weiteren Verlauf wurde eine Dilatationstracheotomie ange-legt. Trotz mehrmaliger Intervention mit ausgedehnter operativer Sanierung in-klusive Pansinusoperation beidseits und Mastoidektomie beidseits kam es zur Sep-

tumknorpeldestruktion mit Osteomyelitis des Os nasale mit konsekutiver Sattelnase sowie einer Gesichtsphlegmone mit mul-tiplen subkutanen Mikroabszessen des Mittelgesichts inklusive Oberlid links. Im weiteren Verlauf entwickelte der Patient septische Lungenabszesse mit einem ge-kammerten Pleuraempyem, welches eine videoassistierte Thorakotomie mit Pleur-ektomie, Dekortikation und Empyemaus-räumung nötig machte.

Bei progredientem Nierenversagen mit extrapyramidal-motorischem Syn-drom infolge Medikamentenüberdo-sierung (trotz nierenadaptierter Dosis) musste mehrmalig eine Hämofiltration und im Verlauf eine Dialyse durchgeführt werden. Auch trat bei dem Patienten ein nosokomialer Harnwegsinfekt mit Pseu-domonas aeruginosa und Candida albi-cans auf (zusätzliche Gabe von Cefepim und Fluconazol i.v.). Es kam außerdem zu einer antibiotikainduzierten Hepati-tis und makulopapullösem Exanthem am Stamm.

Unter all den genannten Maßnahmen kam es erfreulicherweise zu einer Restitu-tio ad integrum. Der Patient wurde nach Abschluss der stationären Behandlung in eine Rehabilitationsklinik verlegt. Im wei-teren Verlauf ist eine plastische Rekonst-ruktion der Nase geplant.

 D Wie lautet Ihre Diagnose?

Abb. 1 8 a CT des Thorax mit septischen Embolien. b CT des Schädels mit Thrombose der V. ophthal-mica superior beidseits

Abb. 2 8 MRT des Schädels mit Thrombose der V. ophthalmica superior beidseits

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Diskussion

Ein Nasenseptumabszess stellt eine Eiter-ansammlung zwischen Septumknochen oder -knorpel und Schleimhaut (Muko-perichondrium oder -periost) dar. Es han-delt sich um eine sehr seltene Erkrankung mit weniger als 10 Fällen im Jahr in gro-ßen Zentren [1, 2].

Die häufigste Erscheinung stellt die sekundäre Entzündung eines unbehan-delten, traumatischen Septumhämatoms dar. Seltener tritt dies iatrogen (Nasenchi-rurgie oder Zahnextraktion) auf. Weite-re Ursachen können schlecht eingestell-ter Diabetes mellitus, Sinusitis, Furunkel im Bereich der Nasenklappe und Zahn-entzündungen sein. Die spontane Form ist äußerst ungewöhnlich [1, 2, 3]. In der Literatur konnten wir keinen zweiten sol-chen Fall einer nichttraumatischen, spon-tanen Schwellung im Septumbereich der Nase mit schwerwiegenden Komplikatio-nen sichten.

Durch den zunehmenden Druck kommt es zur Störung der Blutversorgung des knorpeligen Septums mit Knorpelne-krose. Dies liefert ideale Voraussetzungen für ein Bakterienwachstum. Außerdem kann sich durch die ausgezeichnete Ge-fäßversorgung der Nase der Infektherd so-wohl intrakraniell (insbesondere über die V. angularis) als auch kardial und pulmo-nal ausbreiten, welches ein Lemierre-Syn-drom begünstigt (. Abb. 1a,b,. Abb. 2).

Neben funktionell/ästhetischen Kom-plikationen der Nase können durch die di-rekte Ausbreitung des Abszesses unmittel-bare lebensbedrohliche Komplikationen der Erkrankung wie z. B. orbitale Zelluli-tis und Abszess, Meningitis, extraduraler Abszess, Sinus-cavernosus-Syndrom und septischer Schock auftreten [1, 2, 3, 4].

Die häufigsten Erreger sind Staphylo-kokken (Staph. aureus und epidermidis), Streptokokken (Strep. pneumoniae) und Haemophilus (H. influenzae; [2]). Das Abstrichresultat liefert z. T. blande Ergeb-nisse, da viele Patienten bereits zum Zeit-punkt der Diagnosestellung antibiotisch vorbehandelt sind [2].

Typisch ist die relativ rasch auftreten-de Nasenatmungsbehinderung mit ballo-niertem Nasenseptum. Beschrieben wer-den außerdem äußerst starke Schmer-zen an der Nase, schlechter Allgemeinzu-

stand, Fieber, Kopfschmerzen und Druck-dolenz im Bereich der Nase [3].

Zur Beurteilung der Ausdehnung des Befundes empfiehlt sich eine bildgeben-de Untersuchung. In einer Notfallsitua-tion wie im vorgestellten Fall ist die CT die Methode der Wahl. Je nach Erkran-kungsverlauf ist eine MRT des Schädels/Gesichtsschädels zur Weichteildarstel-lung sowie zur Darstellung intrakranieller Komplikationen erforderlich. Bei entspre-chendem Verdacht sollte zusätzlich eine Angiographie (CT oder MRT) durchge-führt werden, um den Gefäßverlauf und damit beispielsweise eine Sinus-caverno-sus-Thrombose darzustellen.

Die Therapie besteht einerseits in einer chirurgischen Drainage des Abszes-ses mit Exzision des nekrotischen Gewe-bes. Es muss zwingend ein Abstrich zur mikrobiologischen Untersuchung mit Re-sistenzbestimmung entnommen werden. Zeitgleich sollte eine i.v.-Antibiotikathe-rapie erfolgen.

Die weitere Therapie richtet sich nach dem Krankheitsverlauf mit dem Ziel einer Fokussanierung. Im beschriebenen Fall-beispiel war eine aufwendige, intensiv-medizinische Behandlung mit mehreren operativen Therapien notwendig, um eine Heilung zu erreichen.

In Anschluss an die Therapie der aku-ten Entzündung muss nach einem Inter-vall von 6–12 Monaten, falls erforderlich, die plastische Rekonstruktion der Nase er-folgen [5]. Insbesondere bei Kindern und jüngeren Erwachsenen wird eine Nasen-rekonstruktion zeitnah durchgeführt [5].

Fazit für die Praxis

Der vorgestellte Fall zeigt einen – trotz unmittelbar erfolgter Therapie – fulmi-nanten Verlauf, ausgehend von einem spontanen Septumabszess. Der multi-resistente Keim und die gute Vaskulari-sation der Nase haben sicher zur Ausbil-dung des Lemierre-Syndroms beigetra-gen. Im Fall eines Nasenseptumabszes-ses sind breite Antibiotikatherapie sowie eine rasche chirurgische Therapie mit in-tensiver postoperativer Nachsorge ent-scheidend. Komplikationen sind jedoch wie im vorliegenden Fall nicht immer vermeidbar.

Korrespondenzadresse

Dr. L. MullerKlinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Hals-/Gesichts-chirurgie, Kantonsspital AarauTellstr., 5001 [email protected]

Interessenkonflikt .  L. Muller gibt an, dass kein Inter-essenkonflikt besteht.

Literatur

1.  Tsao Y, Lin C, Wang H (2005) Spontaneous nasal septal abscess. J Med Sci 25:251

2.  Jalaludin MA (1993) Nasal septal abscess – retro-spective analysis of 14 cases from University Hos-pital, Kuala Lumpur. Singapore Med J 34:435–437

3.  Pang KP, Sethi DS (2002) Nasal septal abscess: an unusual complication of acute spheno-ethmoidi-tis. J Laryngol Otol 116:543–545

4.  Salam B, Camilleri A (2009) Non-traumatic nasal septal abscess in an immunocompetent patient. Rhinology 47:476–477

5.  Menger DJ, Tabink IC, Trenité GJ (2008) Nasal sep-tal abscess in children: reconstruction with auto-logous cartilage grafts on polydioxanone plate. 134:842–847

592 |  HNO 8 · 2014

Bild und Fall