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Spur in der Landschaft Eine Reise entlang des Grünen Bandes in Thüringen vom Vogtland bis zum Harz

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Spur in der LandschaftEine Reise entlang des Grünen Bandes in Thüringen vom Vogtland bis zum Harz

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Vom Todesstreifen zur Lebenslinie - Das Grüne Band in Thüringen2

Impressum

Herausgeber: BUND ThüringenTrommsdorffstr. 599084 ErfurtTel.: 0351 – 555 03-10Fax: 0351 – 555 [email protected]: Karin Kowol, Thomas WeyGrafiken/Fotos: s. S. 53Gestaltung: Stephan Arnold, basierend auf dem Corporate Design „Grünes Band Deutschland“ von ideeundwerbung.deDruck: Druckerei FehldruckBUND Thüringen 2012

Die Erstauflage der Broschüre wurde gefördert durch die Heinrich-Böll-Stiftung ThüringenDie Neuauflage wurde finanziert im Rahmen des ENL-Projektes „Verbesserung des Offenlandbiotopverbunds am Grünen Band, die Fördermittel werden von der Oberen Naturschutz-behörde im Thüringer Landesverwaltungsamt ausgereicht. Die Stiftung Naturschutz Thüringen trägt ebenfalls einen Zuschuss bei. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck,auch auszugsweise, nur mit schriftlicherGenehmigung der Autoren.Mineralölfrei gedruckt auf 100 % Recyclingpapier.

Inhalt3 Einige Worte vorweg . . .5 Vom Todesstreifen zur Lebenslinie7 Erste Reaktionen nach der friedlichen Revolution8 Eine Reise entlang des Grünen Bandes in Thüringen11 Vogtland – Oberes Saaletal13 Hohes Thüringer Schiefergebirge und Frankenwald16 Steinachtal – Linder Ebene20 Leitbild für die Biotoppflege im Grünen Band24 Thüringer Wald – Vorland25 Südthüringer Grabfeld29 Rhön31 Werra und Zuflüsse36 Werrabergland40 Eichsfeld43 Harz48 Chronik der Grenze / Chronik des Grünen Bandes56 Spur in der Landschaft 56 Eine Reise entlang des Grünen Bandes

Wertvolle Feuchtgebiete erhalten – Titschengrund im Saale-Orla-Kreis / Tausendgüldenkraut

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Vom Todesstreifen zur Lebenslinie - Das Grüne Band in Thüringen 3

Mehr als zwanzig Jahre ist es nun her, dass die Mauer fiel, dass Menschen auf beiden Seiten wieder zusammen kommen konnten und sich vor allem für Ostdeutsche das Leben von Grund auf änderte. Zwanzig Jahre ist es auch her, dass sich auf Einladung des BUND Naturschützer beider Seiten trafen und den Begriff „Grünes Band“ prägten. Schon seit den 1970er Jahren und natürlich während der Umwälzungen Ende 1989 hatte der BUND eine faszinierende Vision: Ein Grünes Band quer durch Deutschland, ein lebendiges Mahnmal deutsch-deutscher Geschichte und eine Perlenkette der Natur mitten im dicht besiedelten Europa – und das alles dort, wo kurz zuvor Menschen andere Menschen mit tödlicher Perfektion voneinander trennen wollten: im innerdeutschen Grenzstreifen.

Viel hat sich verändert seitdem: Das ehemalige Zonenrandge-biet ist in die Mitte Deutschlands gewandert. Die wirtschaftli-che Entwicklung hat den früheren Osten geteilt in boomende neue Wirtschaftszentren und Gebiete, aus denen Menschen abwandern. Die Menschen auf beiden Seiten haben sich auf die neue Situation eingestellt. Gerade Schüler wissen oft nur wenig über die Geschichte der Teilung. Das früher beinahe unzerschnittene Band hat durch Straßenbau, Bergbau und intensive Landwirtschaft Lücken bekommen. Manche seltene Arten sind durch Nutzungsintensivierung in fruchtbaren Gebieten, aber auch durch Nutzungsaufgabe an Grenzertragsstandor-ten auch im Grünen Band wieder auf dem Rückgang.

Aber es gibt auch Positives zu berichten: Die Gemeinschaft derer, die sich für den Schutz des Grünen Bandes einsetzen, ist enorm gewachsen, von einigen Artenkennern in der bayerisch-thüringischen Grenzregion bis zu einer Vielzahl an Akteuren der verschiedensten Fachrichtungen in ganz Europa.Menschen entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs vom Eismeer bis zum Schwarzen Meer setzen sich gemeinsam für eine Geschichtsverarbeitung und ein ökologisches Netzwerk in Europa ein – Freundschaft anstelle von Misstrauen.

Nach langem Ringen und intensiver Lobbyarbeit des BUND, unterstützt durch den Freistaat Thüringen, hat die Bundes-republik Deutschland hat ihre bundeseigenen Flächen zu Naturschutzzwecken an die Länder übertragen statt sie an Privatpersonen zu verkaufen und damit das Grüne Band zer-reißen zu lassen. In Thüringen ist es die Stiftung Naturschutz, die ca. 3.900 ha Grünes Band übernommen hat und in eine

naturschutzkonforme Nutzung über-führt bzw. dort Wildnis zulässt,

wo mangels Nutzung das Offenland nicht erhalten

werden kann.

Einige Worte vorweg . . .Exkursion zur 20Jahrfeier Grünes Band Thüringen

Landschaftspflege erhält Magerrasen mit Orchideen-Fuchssches Knabenkraut.

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Vom Todesstreifen zur Lebenslinie - Das Grüne Band in Thüringen4

Der BUND mit seinen Landesverbänden hat sich die ganze Zeit für das Grüne Band eingesetzt: Von Lobbyarbeit, ohne die das Grüne Band schon längst zerrissen wäre, über Umweltbildung, die Schülern

Geschichte und Natur nahe bringt, bis hin zu den vielen Projekten, mit denen Flächen erworben, Acker

umgewandelt, Magerrasen gepflegt und Fließgewässer renaturiert werden. Mehr als 20 Jahre wurde daran gearbeitet, dass auch in Zukunft das Grüne Band erhalten bleibt und das Rückgrat eines europäischen Biotopverbunds bildet.

Dennoch bleibt viel zu tun: Nach wie vor müssen Lücken ge-schlossen, Halbtrockenrasen, Bergwiesen und Zwergstrauch-heiden gepflegt und die Vernetzung ins Umland gesichert werden. Wir wollen unseren Kindern die Vielfalt an Tieren, Pflanzen und Lebensräumen erhalten und ihnen unsere Ver-gangenheit erklären können.

Ihr Ron Hoffmann(Landesvorsitzender des BUND Thüringen)

Wünsche für das Grüne Band

„Vor nahezu 40 Jahren begannen meine ersten Untersuchun-gen am Grünen Band. Seit fast einem Vierteljahrhundert ist es unter Federführung des BUND eines der wichtigsten Natur-schutzprojekte Deutschlands. Aber von dem 1400 km langen Biotopverbund sind trotz aller Anstrengungen fast 400 km bis heute ungeschützt. Die rechtliche Sicherung des Grünen Ban-des durch die Bundesländer als „Nationales Naturmonument“ ist die Aufgabe für die nächsten Jahre. Dringend ist auch die Wiederherstellung eines wirklich zusammenhängenden Grü-nen Bandes v.a. dort, wo Anfang der 1990er Jahre Äcker und Intensivgrünland schmerzhafte Lücken in das Band gerissen haben. Es bleibt viel zu tun für die unersetzbare Artenfülle im Grünen Band. Daher freuen wir uns über jede Spende und Unterstützung!“ Dr. Kai Frobel, BUND-Projektleiter Grünes Band

„Ich wünsche mir, dass unsere gemeinsame Vision von Bio-topverbund und Erinnerungslandschaft nicht nur Natur- und Denkmalschützer verbindet, sondern Menschen unterschied-lichster Bevölkerungsgruppen. Wir erleben es immer wieder in der Zusammenarbeit mit Land- und Forstwirten, Lehrern und Touristikern, und bei ehrenamtlichen Pflegeeinsätzen mit un-terschiedlichen sozialen Gruppen. Ich wünsche mir, dass das Grüne Band zum Symbol dafür wird, dass man jede Grenze überwinden und jedes Vorurteil abbauen kann.“ Beate Schrader, Vorstandsmitglied der Stiftung Naturschutz Thüringen

Exkursion mit einigen der Spender, denen wir die Sicherung von mehr als 130 ha im Grünen Band Thüringen verdanken. links: Landschaftspflege erhält Magerrasen mit Orchideen-Fuchssches Knabenkraut

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Todesstreifen

Heute kann man sich kaum noch vorstellen, wie die ehemalige innerdeutsche Grenze als breite Schneise die Landschaft zer-schnitt. Sie war eine kaum überwindbare Trennlinie zwischen zwei Gesellschaftssystemen und den dort lebenden Men-schen. Viele Schicksale und viel Leid war mit dieser Grenze verbunden: Familien wurden auseinander gerissen, Menschen mit Zwang aus ihrer Heimat umgesiedelt. Jede Annäherung an die Grenze führte bereits im Umland zu umfassenden Kontrol-len. Beim Versuch, diesem Gesellschaftssystem den Rücken zu kehren oder einfach nur mit Freunden und Verwandten auf der anderen Seite des „Vorhangs“ zu leben, starben allein in der Zeit vom 13.08.1961 bis zum 09.11.1989 mehr als 700 Menschen. Der kalte Perfektionismus, mit dem 2,2 Milliarden DDR Mark nur für den „Schutz der Staatsgrenze“ ausgege-ben, mehr als 50.000 Mann an der Grenze eingesetzt, 60.000 Selbstschussanlagen installiert und 1.322.700 Erdminen ver-legt wurden, lässt einen noch heute erschrecken. Offiziell sollte der „Antifaschistische Schutzwall“ die DDR vor Eindringlingen schützen – die Grenzsicherungsanlagen waren aber nach innen gerichtet. Den Grenzsoldaten wurde eingeschärft, „dass jeder Grenzverletzer – ganz gleich, in welche Richtung er die Grenze durchbrechen will – als Feind unserer Republik handelt“.

Aufbau der Grenzanlagen:

1 Landesgrenze, 2 Grenzschild, 3 Grenzpfahl, 4 vorgelager-tes Hoheitsgebiet 5/6 Streckmetallzaun mit Tor für Grenzer, 7 KFZ-Sperrgraben und Minenfeld, 8 Spurensicherungs-streifen K6 geeggt, 9 Kolonnenweg, 10 Lichtsignalanlage, 11 Ruf- und Sprechsäule, 12/13 Beobachtungstürme, 14/15 Führungsstelle/-bunker, 16,19 Hunde-zwinger und –laufanlage, 17 Grenzsignalzaun 2 mit Tor, 18 Stromverteilungs/Schaltanlage, 21 Betonsperrmauer um Ortschaften, 22 Kontrollpunkt an den Zufahrtstraßen

Vom Todesstreifen zur LebenslinieBei Gompertshausen sind noch

Reste alter Grenzanlagen erhalten

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Das Grüne Band bei Mackenrode / Arnika / Sukzession im Grünen Band bei Hellingen

Lebenslinie

Für Menschen eine Quelle der Angst, schuf der Eiserne Vor-hang für die Natur ein letztes Refugium. Zwischen den mili-tärischen Sperranlagen fanden viele seltene und gefährdete Tiere und Pflanzen Schutz. Quert man die frühere Grenze zu Fuß, findet man noch heute an vielen Stellen einen Rest von Wildnis: Grasland mit Büschen, Pionierwald, idyllische Bäche, Schilfröhrichte und Moore. Die für Menschen fast unpassierbare Grenze hatte sich in vierzig Jahren der Teilung zu einem Rückzugsraum für die Natur entwickelt. Seltene oder vom Aussterben bedrohte Arten wie Schwarzstorch, Birkhuhn, Braunkehlchen und Ziegenmelker fanden hier einen Lebensraum. Die Grenze verlief durch alle Naturräume, durch bewaldete Mittelgebirgshochlagen und Ackerebenen, durch Feuchtgebiete und Felsfluren. Seltene Tiere und Pflanzen fanden ihren Weg vom Thüringer Wald zur Rhön, vom Werra-bergland zum Harz.Die Landschaft ist absichtslos ein Denkmal deutscher Ge-schichte geworden. Übrigens findet man bei genauem Hinse-hen nicht nur die Spuren der Teilung. Menschliche Nutzung hat überall ihre Spuren hinterlassen, sei es, dass man alte Grenz-steine z.B. zwischen dem bayerischen Königreich und dem Königreich Sachsen-Meiningen findet oder dass alte Land-nutzungsformen wie z.B. Schieferbergbau, Waldweide oder Niederwaldwirtschaft noch erkennbar sind.

Weil das Grüne Band wenig zerschnitten war, offen gehalten, aber nicht gedüngt wurde, haben sich vor allem Arten nieder gelassen, die aus unserer oft intensiv und einheitlich genutzten Kulturlandschaft verschwunden sind: Wiesenbrüter wie Braunkehlchen und Bekassine, Tagfalter wie Dunkler und Heller Wiesenknopf-Ameisen-bläuling. Heidebewohner wie Heidelerche und Ziegenmelker, Orchideen wie Bienen-Ragwurz und Knabenkräuter haben im Grünen Band ihre Nische gefunden. Tiere mit dem Bedürfnis nach großräumig unzerschnittenen und ungestörten Flächen wie Schwarzstorch oder Wachtelkönig profitierten von der geringen wirtschaftlichen Entwicklung in den grenznahen Räumen beiderseits der innerdeutschen Grenze.Das Grüne Band ist mehr als die Summe einiger wertvoller Biotope: Einer Perlenkette gleich gewinnt es seinen Wert durch den Verbund der Einzelperlen. Mit einer Länge von 1393 km und einer Breite von 50 bis 200 Metern ist es ein für Mitteleuropa einzigartiger Baustein in einem ökologischen Netzwerk Europa.

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Die Frage, ob man sich erinnern und dieses le-

bendige Denkmal erhalten möchte, wurde nach der

Grenzöffnung bei den Men-schen im früheren Grenzgebiet

sehr kontrovers diskutiert, hän-gen an dieser Grenze doch Einzel-

schicksale wie Trennung von Familien, Zwangsumsiedlung und Flucht mit tödlichem

Ausgang. Viele Menschen waren der Ansicht, dass man dieses Kapitel der Geschichte am liebsten vergessen würde. Landwirte, die in der Nachbarschaft wirtschafteten und manche Alteigentümer vertraten die Ansicht, dass auf diesem Gebiet so lange Restriktionen lagen, dass man den ehemali-gen Grenzstreifen sofort und vollständig zur ackerbaulichen Nutzung oder Bebauung freigeben sollte und sprachen von einer zweiten Enteignung, sollte das untersagt werden. Der Naturschutz war damit konfrontiert, in eine Ecke mit einem menschenverachtenden Regime gestellt zu werden, auch wenn viele Naturschützer nicht nur unsere Natur schützen woll-ten, sondern die Gefühle Betroffener durchaus nachvollziehen konnten. In vielen Gesprächsrunden, Einzelgesprächen und Bildungsveranstaltungen diskutierten Naturschützer, Eigentü-mer, Land- und Forstwirte über mehrere wesentliche Fragen:

» Werden schmerzliche Erinnerungen am besten verarbeitet, wenn man jedes Zeichen auslöscht oder liegt eine Chance darin, Erinnerungsorte zu erhalten?

» Muss man nicht manchmal das öffentliche Interesse (z.B. Erhaltung unserer Artenvielfalt und des Biotopverbunds wie auch des Denkmalschutzes und der Geschichts- und Umweltbildung) stärker gewichten als das private Interesse eines Eigentümers oder Nutzers?

» Gibt es nicht mehr Gemeinsamkeiten zwischen Landwirt-schaft und Naturschutz, als es in der Diskussion oft den Anschein hat?

Das permanente Gespräch hatte Folgen. Der Bauernverband hat nach langen Diskussionen den Kernbereich des Grünen Bandes vom Kolonnenweg zur Landesgrenze als Vorrangflä-che für den Naturschutz akzeptiert. Naturschutz und Land-wirtschaft, nach wie vor nicht in allen Punkten einig über die Landnutzung, kooperieren in vielen Bereichen: Große Teile des Grünen Bandes werden von Schafen, Ziegen, Jungrindern oder Mutterkühen extensiv beweidet oder gemäht. Die Ausdehnung auf größere Flächen hängt vor allem von der landwirtschaft-lichen Förderpolitik abViele Menschen im grenznahen Raum freuen sich mittlerweile darüber, dass mit der Verbreitung der Idee des Grünen Bandes auch das Interesse an der Re-gion wächst.

Erste Reaktionen nach der friedlichen Revolution

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Mit der alten „Pferdebahn“ kann man heute auf dem Kolonnenweg

von der alten Papiermühle nach Blankenstein fahren.

Das Grüne Band in Thüringen bildet die Grenze zu Bayern, Hessen und Niedersachsen und quert im Verlauf von 763 Kilometern die verschiedensten Naturräume vom Dreilände-reck Sachsen-Bayern-Thüringen im Vogtland bis zum Harz im Norden. Damit liegt auf Thüringer Gebiet mehr als die Hälfte des ehemaligen Grenzstreifens.

Während in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern das Grüne Band vielerorts durch Fließgewässer- und Feuchtbio-tope bestimmt wird, ist für das Grüne Band Thüringens ungenutztes oder extensives Grasland ver-schiedener Standortverhältnisse typisch vom Trockenrasen bis zum feuchten Seggenried. Langweilig ist dies dennoch nicht, da in jedem Na-turraum andere Aspekte und Arten vorkommen. Typische Bewohner sind der Neuntöter und das Braunkehlchen, die Charakterart des Grünen Bandes. Auch Pionierwäl-der nehmen mittlerweile großen Raum ein.

Die besondere Ungestörtheit, die im Schatten der Grenze herrschte, findet sich heute vor allem noch in entlegeneren Bereichen z.B. des Thüringer Schiefergebirges, der Rhön, des Werraberglandes und im Harz. Allerdings gehen hier wertvolle Magerrasen und Zwergstrauchheiden teilweise durch Sukzes-sion verloren. Erfreulich ist jedoch, dass nur ca. zehn Prozent des Grenzstreifens in Acker oder artenarmes Intensivgrünland umgewandelt wurden. Größere Lücken durch legale oder ille-gale Landnahme finden sich in den besonders ertragreichen

Gebieten des Eichsfeldes und Südthüringens. An den Hauptverkehrsachsen kommen größere Verän-

derungen durch Straßenbau, sowie Indu-strie- und Gewerbeansiedlungen hinzu.

Im Folgenden werden vom Vogt-land im Südosten bis zum Harz

im Norden die landschaftlichen Besonderheiten im Grenzge-biet dargestellt und einige der möglichen Ausgangs-punkte für Begehungen aufgezeigt.

Eine Reise entlang des Grünen Bandes in Thüringen

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Die Qualität des Kolonnenwegs ist recht unterschiedlich – das Grüne Band ist in Thüringen oft Grasland mit aufkommenden Büschen.

Praktische Hinweise

Das Grüne Band ist ein Rückzugsraum für Tiere und Pflanzen, die Ruhe und Ungestörtheit brauchen. Soll dieser Rückzugs-raum erhalten bleiben, sollte man einige Dinge beherzigen: Bleiben Sie bitte auf dem Kolonnenweg: Den Tieren und Pflan-zen zuliebe sollte man auf eine Erforschung von Dickichten und Steilhängen verzichten. Gerade in besonders ungestörten Bereichen sollte man sich leise bewegen und einen Bogen um Stellen machen, an denen mit Brutplätzen zu rechnen ist. Dass man seltene und geschützte Pflanzen nicht pflücken sollte, muss selbstverständlich sein.

Hinzu kommt, dass eine Begehung des Grenzstreifens abseits des Kolonnenweges nicht hundertprozentig ungefährlich ist. Der Grenzstreifen gilt laut offiziellen Angaben der Bundesregie-rung als „nach menschlichem Ermessen minenfrei”. Einige wenige noch vorhandene Minen insbesondere an Steilhängen und in schwer zugänglichem Gelände können allerdings nicht ausgeschlossen werden. Praktisch heißt dies, dass man sich vorsichtig verhalten sollte: In regelmäßig beweideten oder gemähten offenen Flächen ist ein Auftreten von Minen sehr unwahrscheinlich. Die Erforschung von Steilhängen, Dickich-ten, feuchten Senken und Bachauen sollte man dagegen nicht riskieren. Gebiete mit einem erhöhten Restrisiko sind in der Regel mit Schildern gekennzeichnet.

Ein gut ausgebauter und ausgeschilderter Wander- oder Radweg ist das Grüne Band als Ganzes nicht. Den Grenz-streifen zu finden, ist manchmal nicht so einfach: An Straßen, die die Grenze queren, erkennt man die Grenze am einfachsten an den Landkreisschildern direkt auf der Landesgrenze. Von den alten Bundesländern kommend folgt das Grüne Band mit durchschnittlich 110 m Breite, denn das Grüne Band liegt ja komplett auf der Seite der ehemaligen DDR. Fehlt in der Landschaft der Kolonnenweg, sucht man nach einem Brache-streifen, evtl. mit einem Feldweg. Selbst bei Ackerflächen ist manchmal noch ein Rest des Grünen Bandes als Brache oder Heckenstruktur zu erkennen. Im Wald dagegen erkennt man das Grüne Band oft an Schneisen, die zum Teil zugewachsen, aber auch dann noch deutlich jünger als der umliegende Wald sind. Häufig, aber nicht immer, wissen Einheimische, wo die ehemalige Grenze lag. Auf Wanderkarten des Fritsch-Verlages sind Landesgrenze und Kolonnenweg eingetragen, auf den Karten, die für den Norden Thüringens vorliegen, meist nur die Grenze.

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Gutes Schuhwerk ist nötig, da die Rillen und Öffnungen im Plattenweg des Kolonnenweges zu verknacksten Knöcheln führen können. An einigen Stellen ist der Kolonnenweg bereits beseitigt, meist als Vorbereitung für eine grenzüberschreitende ackerbauliche Nutzung. Teilweise existiert noch ein Feldweg, der je nach Wetterlage mehr oder weniger begehbar ist. In manchen Gebieten ist der Grenzstreifen inklusive Kolonnen-weg als Weide abgezäunt.Informationen zum Wandern findet man unter: www.gruenes-band-wandern.de, www.erlebnisgruenesband.de, www.ironcurtaintrail.eu, sowie auf den Flyern „Grenzwanderweg im Wartburgkreis“, „..Landkreis Hildburghausen“ und „..Landkreis Sonneberg“Grenzlandmuseen, Denkmale und Gedenkstätten veranschaulichen Grenzgeschichte. In den Außenanlagen kann man oft Reste Sperranlagen und auch Teile des Grünen Bandes besichtigen. Die einzelnen Gedenkstätten und Museen sind dabei sehr unterschiedlich konzipiert: Während sich in manchen v.a. militärgeschichtliche Ausstellungsstücke finden, werden in anderen Informationen zur jüngsten und jüngeren deutschen Geschichte gegeben oder Ausschnitte aus dem All-tagsleben an der Grenze dargestellt. Die Broschüre „GRENZ-MUSEEN“ mit einer Darstellung der einzelnen Gedenkstätten und Grenzmuseen ist zu beziehen unter: Arbeitsgemeinschaft der Museen, Denkmale und Gedenkstät-ten an der ehemaligen innerdeutschen Grenze, c/o Deutsch-deutsches Museum Mödlareuth, Mödlareuth N2. 13, 95183 Töpen-Mödlareuth.

Dort wo das Grüne Band weniger abwechslungsreich ist, weil es z.T. durch Fichtenmonokulturen verläuft, lohnen sich oft Abstecher ins Umland. Auch die Initiativen, das Grüne Band erlebbar zu machen, haben die bestehenden Rad- und Wan-derrouten entlang des Grünen Bandes meist abwechselnd östlich und westlich der Grenze geplant, um Ausflugsziele im grenznahen Raum zu integrieren und empfindlicher Brutplätze zu umgehen.

Exkursion anlässlich der BUND-Feier zum 20-jährigen Jubiläum des Grünen Bandes

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Das Grüne Band zwischen Blankenberg und Pottigarechts: Grüne Keiljungfer

Mödlareuth an der Grenze der drei Freistaaten Bayern, Sachsen und Thüringen wurde nach dem Krieg geteilt. Die Grenzanlagen zogen sich mitten durch den Ort, was ihm den Spitznahmen „Little Berlin“ einbrachte.Hier beginnt der thüringische Teil des Grenzstreifens. In die kuppige, meist landwirtschaftlich bewirtschaftete Hochfläche aus paläozoischen Gesteinen haben sich die Täler der Saale und ihrer Zuflüsse eingeschnitten. Diese relativ naturnahen Fließgewässer bieten nicht nur Lebensraum für die verschie-densten Tier- und Pflanzenarten, sondern vermitteln auch dem Menschen Ruhe und Ausgeglichenheit.Die Grenze verläuft nach einem überackerten Abschnitt vor Mödlareuth zunächst entlang von Mittelgebirgsbächen und –flüssen, die zum Einzugsgebiet der Saale gehören: im idyllischen Tannbachtal bis zur Mündung in die Saale, ab Hirschberg entlang der Saale und ab Blankenstein entlang der Thüringischen und Fränkischen Muschwitz. Das Grüne Band besteht aus den Gewässern und ihren Randstreifen, meist in Grünlandnutzung oder als Auwald.Der Saale-Orla-Weg als regionaler Wanderweg begleitet die Grenze von Mödlareuth bis Blankenstein und zweigt dann nach Norden ab in Richtung der touristisch gut erschlossenen Saale-Talsperren. Im Zuge des Projektes „Erlebnis Grünes Band“ (www.erlebnisgruenesband.de) wurden Infotafeln errichtet, Touren ausgearbeitet und touristische Angebote gestaltet.

Durch die Jahrzehnte der Teilung hat sich das Einzugsgebiet der Oberen Saale als Rückzugsraum entwickelt, was Schwarz-storch, Korn- und Wiesenweihe, Wiesenpieper und Braun-kehlchen zu Gute kommt. Die Täler, in denen es auch Teiche gibt, bieten Lebensraum für seltene Pflanzen wie Moor-Klee, Arnika und Breitblättriges Knabenkraut. An kleinen sauberen Waldbächen leben die Libellenarten „Grüne Keiljungfer“ und „Zweigestreifte Quelljungfer”.An den Steilhängen von Saale und Selbitz finden sich Trocken- und Felsbiotope, in denen Uhu, Fledermäuse und Schlingnatter leben. Die naturnahen Wälder im ehemaligen Reußschen Forst beheimaten Rauhfußkauz, Sperlingskauz, Schwarzspecht und Hohltaube.

Vogtland – Oberes Saaletal

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Grenzanlagen in Mödlareuth / Begrüßung im wiedervereinigten Mödlareuth / Trollblume

STATION 1: Deutsch-deutsches Museum Mödlareuth

Sehr lohnenswert ist ein Besuch des deutsch-deutschen Museums im ehemals geteilten Mödlareuth mit Besichtigung der Grenzanlagen. Das Grenzmuseum zeigt Dokumente der deutschen Teilung, einen Kinofilm zur Geschichte des geteilten Ortes, sowie einen beschilderten Weg entlang der rekonstruierten Sperranlagen. Von dort aus kann man dem Saale-Orla-Weg durch die ruhigen Tallagen von Tannbach und Saale folgen, die in diesem Bereich bis Blankenstein die Grenze bilden. Unterhalb von Blankenstein befindet sich ein Wanderparkplatz am Anfangspunkt des Rennsteigs. Von hier aus lässt sich das Grüne Band in Richtung Westen entlang der Thüringischen Muschwitz erlaufen. Verschiedene Rundwanderwege bieten sich an. Einkehrmöglichkeiten befinden sich in der Krötenmüh-le (ca. 2 km westlich der Ortsverbindungsstraße Lichtenberg – Seibis) oder in Seibis oder Blankenstein selbst. Hier wechseln sich schöne Fließgewässerstrecken an der Thüringische Mu-schwitz, trockene Heideflächen mit aufkommenden Büschen und bewaldete Abschnitte ab.

Kartengrundlagen: Fritsch Wanderkarte 1:50.000 Nr. 48 „Naturpark Thüringer Schiefergebirge – Obere Saale“, AD-FC-Radtourenkarte 1:150.000 Oberfranken – Vogtland

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Grünes Band bei Probstzella – im Haus des Volkes finden Sie Informationen zum Grünen Band.

Nach Westen steigt das Gelände an, bis bei Brennersgrün im Thüringer Schiefergebirge Höhenlagen von 700 Metern erreicht werden. In der großflächigen Waldlandschaft des Thüringer Schiefergebirges mit tief eingeschnittenen, dunklen Tälern und einigen landwirtschaftlich genutzten Hochplateaus stößt man vielerorts auf Spuren der Geschichte: Schieferbergbau und Waldweide, Glasbläserei und Goldwäscherei in den Tälern, Holzwirtschaft an den Hängen mit Abtransport des Holzes auf Flößen. Das Leben war nicht das einfachste. Die Bergwiesen und Borstgrasrasen der Täler und Hänge lieferten Kräuter, die von den „Raanzern“ (Kräuterhändlern) weithin verkauft wurden.Die Bergwiesen bieten vielen Arten Lebensraum und dem Men-schen gerade im dunklen Fichtenwald Licht und Abwechslung. Da die Nutzung des Mähguts nicht mehr rentabel ist, wachsen die Wiesen allerdings zunehmend zu. Wo mit Naturschutzmit-teln die Wiesen noch gemäht werden, finden sich Orchideen wie Fuchssches und Breitblättriges Knabenkraut. Auch die Arnika ist hier zuhause, die Charakterart der Bergwiese, die entzündungshemmende Stoffe enthält und als Arzneimittel verwendet wird. Trotz der reinen Fichtenforste, die große Teile des Schiefer-gebirges einnehmen, wurden im Rahmen einer Grenzstrei-fenkartierung mehrere stark gefährdete oder vom Aussterben bedrohte Arten nachgewiesen, wie Schwarzstorch, Birkhuhn, Bekassine und Zweigestreifte Quelljungfer. Das Birkhuhn be-nötigt zum Überleben die Bachtäler und den Grenzstreifen als wichtige Verbindungen zwischen den wenigen Kernlebensräu-

men. In Tälern wie Tschirner und Nordhalbener Ködel finden sich zudem Bachneunauge, Groppe, Elritze, sowie eine reiche Tagfalter-, Laufkäfer- und Spinnenfauna. In den Schieferstein-brüchen bei Lehesten leben Uhu und Fledermäuse.Vor 1990 eine gras- oder heidebewachsene Schneise durch Fichten- und Kiefernwälder, ist das Grüne Band heute häufig ziemlich zugewachsen. Heideflächen und Grasfluren wurden durch Samenanflug aus den benachbarten Fichtenmonokul-turen verdrängt. Wünschenswert wäre für diese Waldgebiete im Grünen Band ein Wechsel aus „Urwald” und Offenland.

Zwergstrauchheiden: Keulenbärlapp und ZiegenmelkerZwergstrauchheide gehört zu den Lebensraumtypen, die im Grünen Band am stärksten zurückgehen. Früher durch intensive Nutzung entstanden (Waldweide und Abplaggen als Streueinlage in Ställen), fehlt heute eine lukrative Verwertung des Schnittguts. Zu Zeiten der innerdeutschen Grenze wurde die Heide offen gehalten, um den Grenzern freies Sichtfeld zu schaffen. Durch Sukzession verschwinden nun allmählich typische Arten wie der Keulenbärlapp, die Heidelerche oder der Sandlaufkäfer.Im Rahmen mehrerer Projekte wird versucht, Zwergstrauch-heide wieder freizustellen und in eine Nutzung zu bringen. Hierfür wäre aber besonders eine finan-zielle Förderung der Beweidung erforderlich, da Heide wenig nahrhaft ist. Auch eine regelmäßige Nutzung des Aufwuchses als Energieholz hält die

Hohes Thüringer Schiefergebirge und Frankenwald

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Die Heide bei Lichtenhain wird durch Ziegen offengehalten. / Ziegenmelker / Keulenbärlapp

Heide offen, entweder in Form ei-ner echten Niederwaldnutzung oder

aber einfach durch die Entnahme von Brennholz durch Anwohner der benach-

barten Gemeinden. Reine Pflegeeinsätze ohne Verwertung des Schnittguts stellen eine teure Angelegenheit dar, wenn sie nicht im Rahmen von Ehrenamtlereinsätzen durchgeführt werden.

Der Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus) ist ein Vogel der nährstoffarmen schütter bewachsenen Freiflächen, meist Heiden, innerhalb lichter nährstoffarmer Kiefernwälder. Der Untergrund des typischen Ziegenmelkerlebensraumes ist arm und meist sandig. Die Baumbedeckung ist licht, Jungwuchs wächst langsam, es gibt einige Schneisen und Auflichtungen mit einzelnen Überhältern (Einzelbäumen), die der Ziegenmel-ker als Singwarten nutzt. Der Name „Ziegenmelker“ wurde von Plinius den Älteren geprägt in seinem Werk: „Naturalis historia“. Der Legende nach soll er nachts die Milch aus den Ziegen gesaugt haben, wodurch diese erblindet oder gar gestorben sind. Diese Geschichte rührt wohl daher, dass sein nächtlicher Ruf in der einsamen Heide unheimlich wirkt. In Wahrheit wird der Ziegenmelker von den Insekten angelockt, die um das Weidevieh schwirren.

Der Keulenbärlapp (Lycopodium clavatum) besteht aus einem am Boden kriechenden Spross und aufrecht stehenden Sei-tenästen. Durch die nadeligen Blättchen erscheint die Pflanze pelzig, daher auch der Name Wolfsklaue. Der Keulenbärlapp wurde schon im Mittelalter als harntreibendes Mittel, bei Gicht oder äußerlich bei Wunden und Ekzemen eingesetzt. Heute ist er ein wichtiges homöopathisches Heilmittel.

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Rinderbeweidung im Tettautal

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STATION 2: Tettautal und Nebentäler im Hohen Thüringer Schiefergebirge

Die Tettau mit ihren Nebentälern ist eines der bedeutendsten Fließgewässer Süd-Thüringens mit ihren feuchten Hoch-staudenfluren, artenreichen Berg-Mähwiesen und Borst-grasrasen. Hier kommen hochgradig gefährdete Arten vor wie Bachneunauge und Lilagoldfalter. Der BUND Thüringen erwirbt hier Flächen, um wertvolle Berg- und Feuchtwiesen wiederherzustellen. Von Schauberg aus bildet die Tettau auf etwa einem Kilometer nach Süden die Grenze. Der hier ver-laufende Radwanderweg biegt mit der Tettau von der Grenze ab und verläuft durch das abgeschiedene Naturschutzgebiet Tettautal bis nach Heinersdorf. Der Ausflug kann mit einem Besuch in der Gedenkstätte Heinersdorf-Welitsch verbunden werden. Eine Bahnanbindung besteht zur Linie Lichten-fels – Saalfeld ab dem Bahnhof Pressig-Rothenkirchen. Das Thüringer Schiefergebirge ist als Fremdenverkehrsgebiet gut erschlossen. Für Wanderer gibt es die verschiedensten Touren vom überregionalen Rennsteig bis zu kleinen örtlichen Wan-derwegen. Man trifft vielerorts auf die Geschichte der Region von Glasbläserei über Goldwäscherei und Schieferbergbau bis zur Kräuterkunde. Touren sind beschrieben unter www.erlebnisgruenesband.de und in Cornelius, Reiner: „Vom Todesstreifen zur Lebenslinie – Natur und Kultur am Grünen“, Band Frankenwald-Vogtland, Niederaula Auwel – Verlag.

Kartengrundlagen: Fritsch Wan-derkarte 1:50.000, Nr. 48 „Natur-park Thüringer Schiefergebirge – Obere Saale“; ADFC-Radtourenkarte 1:150.000 Oberfranken – Vogtland

Der Schwarzstorch ist der scheue Verwandte des Weißstorchs. Das monogame Pärchen baut große Ne-ster in alte Bäume und auf Felsen. Die Nahrung besteht im Wesentlichen aus Fisch. Der Schwarzstorch frisst aber auch andere kleine Tiere und Wasserpflanzen. Verglichen mit dem Weißstorch kann der Schwarzstorch sich durch eine große Bandbreite verschiedener Laute ausdrücken. Im Winter zieht er nach Afrika. Er brütet in urwüchsigen wasserreichen Laub- und Mischwäldern, z.T. auch in Kiefernalthölzern. Die Horste befinden sich auf hohen Waldbäumen, häufig in größerer Ent-fernung vom Wasser. Seine Nahrung sucht er gerne an kleinen Bergbächen z.B. des Schiefergebirges. Als Kulturflüchter ist der Schwarzstorch störungsempfindlich.

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Vom Todesstreifen zur Lebenslinie - Das Grüne Band in Thüringen16

Nach Renaturierung fließt die Föritz wieder naturnah.

Blaukehlchen brauchen naturnahe Auen.

In den südlichen Ausläufern des Thüringer Schiefergebirges bei Sonneberg verläuft das Grüne Band in der Steinachniederung der Linder Ebene. Mehrere nach Süden entwässernde Fließ-gewässer haben sich in ein breites pleistozänes Schotterbett eingetieft. Das Einzugsgebiet der Steinach mit den Zuflüssen Föritz, Rodach und Haßlach mit ihren Feuchtwiesen und Teichen stellt ein wichtiges Feuchtgebietsverbundsystem in intensiv genutzter Agrarlandschaft dar. Die im Frühjahr regel-mäßig überfluteten Wiesen von Steinach und Föritz werden von Bekassine, Blaukehlchen, Kiebitz, Wachtelkönig, der Sumpfschrecke und dem seltenen Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling besiedelt.Noch zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts berichteten Naturkundler von ausgedehnten Sümpfen, Moorflächen, Feuchtwiesen und Seerosenteichen in Steinachtal und Lin-der Ebene bei Sonneberg. Durch massive Veränderungen in der Landschaft haben sich viele Arten der Feuchtgebiete zurückgezogen oder sind ausgestorben. Durch die Lage an der innerdeutschen Grenze und insbesondere durch den Er-halt des Grünen Bandes konnten sich dennoch einige seltene Arten halten, die ansonsten vermutlich verschwunden wären. Extensiv genutzte Teiche in den Auen von Steinach und Föritz sind wichtige Amphibienlebensräume. Die Föritzaue ist neben der Teuschnitzaue das bedeutendste Wiesenbrütergebiet im Landkreis Kronach. Zudem treten hier die vom Aussterben bedrohten Arten Bachperlmuschel und Grüne Keiljungfer auf.

STATION 3: Erstes Biotopschutzprogramm am Grünen BandAufgrund der Bedeutung des Gebietes für den Biotopverbund hat der Bund Naturschutz in Bayern hier das Arten- und Bio-topschutzprogramm Steinachtal – Linder Ebene initiiert. Das grenzüberschreitende Projekt war ein grenzüberschreiten-des Projekt der Freistaaten Bayern und Thüringen diente Der Erhaltung und Wiederherstellung von Feucht¬gebieten. Hier begann der Erwerb von Flächen durch die BUND Landesver-bände Bayern und Thüringen, um die Grenzstreifenbiotope zu erhalten, auf deren Fläche verschiedene Nutzer bereits ein Auge geworfen hatten. Ohne die Spendenmittel vieler Natur-liebhaber wäre dies nicht möglich gewesen. Hier wurde mit der Umsetzung einer Vision begonnen: Das Grüne Band selbst als Biotopverbindung zwischen wertvollen Biotopen zu erhalten und entlang z.B. von Fließgewässern mit wertvollen Lebensräumen im Umland zu vernetzen. Stefan Beyer von der Ökologischen Bildungsstätte Oberfran-ken in Mitwitz betreut die Projekte im Grünen Band seit mehr als zwanzig Jahren und besitzt umfassende Kenntnisse über Flora und Fauna der Region. Die Bildungsstätte bietet Vorträge und geführte Exkursionen zum Grünen Band in den Landkrei-sen Lobenstein, Sonneberg und Hildburghausen an. Ein mögli-cher Ausgangspunkt für eine Begehung des Grenzstreifens ist die Straße zwischen Schwärzdorf und Sichelreuth. Hält man an der Querung des Grenzstreifens, kann man nach Osten in Richtung Föritzgrund laufen und sowohl den Grenzstreifen als

Steinachtal – Linder Ebene

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auch die Föritz erkunden, die im Rahmen des Biotopschutzpro-gramms ökologisch aufgewertet wurde. Im Naturschutzgebiet „Wustungen Rotheul kann man entlang des Kolonnenweges noch Zwergstrauchheide und Rohbodenstandorte erleben.Dem ersten Arten- und Biotopschutzprogramm am Grünen Band folgten verschiedene Folgeprojekte: Die ABSP-Projekte „Rodachtalachse“ und „Lange Berge“ und schließlich das Naturschutzgroßprojekt „Grünes Band Rodachtal – Lange Berge-Steinachtal“ (www.ngpr-gruenes-band.de).

Naturschutzgroßprojekte sollen national bedeutsame Natur- und Kulturlandschaften erhalten und damit herausragende Lebensräume seltene Tier- und Pflanzenarten schützen und entwickeln. Ziel ist es, großflächige Areale als Ganzes zu erhalten, um be-sonders schützenswerten Tier- und Pflanzenarten genügend Lebensraum zu sichern und negative Außeneinflüsse so weit wie möglich fernzuhalten. Im Umfeld des Grünen Bandes Deutschland gibt es mittlerweile 6 abgeschlossene bzw. begon-nene Naturschutzgroßprojekte (Schaalseelandschaft, Lenzener Elbtalaue, Niedersächsischer und Sachsen-Anhaltinischer Drömling, Grünes Band Eichsfeld-Werratal und Grünes Band Rodachtal-Lange Berge-Steinachtal). Hier sollen Kerngebiete naturschutzrechtlich gesichert und optimale Landschaftspflege etabliert werden. In Südthüringen geht es um den Erhalt von Feuchtgrünland, Heiden, Trocken- und Halbtrockenrasen, aber auch um den Erhalt wertvoller Mittelwälder und Ackerwildkraut-fluren und alter Kulturpflanzen wie dem Emmer.

Kartengrundlagen: Fritsch Wanderkarte 1:50.000 Nr. 48 „Naturpark Thüringer Schiefergebirge – Obere Saale“, Nr. 51 „Naturpark Frankenwald“, Nr. 50 „Oberes Maintal“; ADFC-Radtourenkarte 1:150.000 Oberfranken – Vogtland

Die Ökologische Bildungsstätte Oberfranken in Mitwitz betreut das Projekt und seine Folgeprojekte seit mehr als zwanzig Jah-ren und besitzt umfassende Kenntnisse über Flora und Fauna der Region. Sie bietet Vorträge und geführte Exkursionen zum Grünen Band in den Landkreisen Lobenstein, Sonneberg und Hildburghausen an. Ein möglicher Ausgangspunkt für eine Be-gehung des Grenzstreifens ist die Straße zwischen Schwärzdorf und Sichelreuth. Hält man an der Querung des Grenzstreifens, kann man nach Osten in Richtung Föritzgrund laufen und sowohl den Grenzstreifen als auch die Föritz erkunden, die im Rahmen des Biotopschutzprogramms ökologisch aufgewertet wurde.

Laubfrösche (Hyla arborea) sind die kleinsten einheimischen Frösche. Sie bewohnen strukturreiche Landschaften mit feuchten Bereichen und Sitzwarten. Zum Laichen benötigen sie sonnenexponierte wasserpflanzenreiche Weiher, Teiche und Tümpel. Diese Ansprüche werden im Grenzstreifen an vielen Orten erfüllt. Der Laubfrosch findet sich an verschiedenen Stellen des Grünen Bandes vom Schiefergebirge über die Rhön bis zum Eichsfeld. Gefährdet ist der Laubfrosch durch Intensivierung der Teich- und Grünlandnutzung, Ackerumbruch und Änderung der Flurstrukturen.

Blick Richtung Bischofsau: Hier befindet sich eins der letzten Refugien für Bekassine, Blau- und Braunkehlchen. Rechts: Laubfrosch

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Grünlandwirtschaft und Obst- und Gemüseanbau. Vor der Einführung künstlicher Dünger und Pestizide wurde jeder Fleck nutzbarer Erde entsprechend seiner Standortbedingungen genutzt. Das Nebeneinander verschiedenster Nährstoff- und Feuchtigkeitsverhält-nisse und unterschiedlicher Nutzungsar-ten hat Lebensräume für viele Arten geschaffen. Ein mosaikar-tiges Landschaftsbild mit kleinräumigem Wechsel wird auch vom Menschen als sehr angenehm empfunden.Die Entwicklung des zwanzigsten Jahrhunderts hat dagegen zu einer Konzentration der Nutzung auf die ertragreichen Standorte der Ebenen und Plateaus geführt. Hier sind aufgrund des verstärkten Einsatzes von Düngern und Pestiziden viele Tiere und Pflanzen verschwunden. Im Bergland dagegen ver-schwinden ehemalige Grünlandflächen, da sich eine Nutzung

nicht mehr lohnt.Der BUND will die Artenvielfalt im Grenz-

streifen erhalten. Dazu müssen wir wissen, wer dort lebt und die künf-

tige Strategie daran ausrichten. Ein Mosaik aus Wildnisinseln

mit Schafweiden, Mähwiesen und Brachflächen ist wohl am besten geeignet, damit das Grüne Band auch spä-ter noch als Perlenkette zu erkennen ist.

Ziegen halten Magerrasen im FFH-Gebiet Kielforst offen

Vor Beweidung werden Gehölze entfernt

THEMA | Pflege oder WildnisNicht nur am ehemaligen Grenzstreifen stellt sich die für Laien schwer vermittelbare Frage, warum Flächen gemäht und von Büschen befreit werden sollen, wenn dies wirtschaftlich nicht rentabel ist. Bedeutet Naturschutz nicht, dass Flächen sich selbst überlassen werden?Mitteleuropa, völlig der Natur überlassen, würde sich bis auf wenige Sonderstandorte wie Felsen, Moore und Fließgewässer überall bewalden. Je nach Standort würden unterschiedliche Waldtypen entstehen, Lebensraum für die verschiedensten Tiere und Pflanzen. Arten des Offenlandes kämen nur in Windbruch- oder Brandschneisen und in durch Großsäuger beweideten Gebieten vor. In der heutigen Landschaft können die natürlichen Waldentwicklungsprozesse umso wirkungsvol-ler greifen, je größer die Flächen sind. Der Grenzstreifen ist hierfür zu schmal, kann aber eine wertvolle Verbindung zwischen naturnahen Wäldern darstellen. Innerhalb derzeitiger Waldmonokulturen kann er eine Ni-sche darstellen, einen Rückzugsraum für im Umfeld nicht mehr vorhandene Arten.Für die Offenhaltung des Grünen Bandes, d.h. Grünlandbewirtschaftung ohne Einsatz von Pestiziden und künstlichen Nährstoffen, spricht das Vorkommen seltener Arten des Offenlandes. Vor 150 Jahren gab es in Mitteleuropa ein kleinräumiges Mosaik aus Ackerbau,

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Hutelandschaft bei Stressenhausen im Umfeld des Grünen Bandes

Vor Ort spielt die Artenzusam-mensetzung eine entscheidende Rolle für die Frage, ob das Grüne Band offengehalten werden soll oder für Waldarten teilweise zuwachsen sollte. Allerdings hängt diese Strategie auch von vielen äußeren Gegebenheiten ab: Der Naturschutz kann und will keine „Museumslandschaft unter der Glasglocke“ erhalten. Der Erhalt einer vielfältigen Kultur-landschaft kann nur gelingen, wenn diese vor Ort gewollt ist und denen, die sie pflegen, ein Auskommen gewährt.

Das bedeutet, dass die Subventionsleistungen, die in die Landbewirtschaftung fließen, noch stärker an die Leistungen gekoppelt werden müssen, die mit ihr erbracht werden. Der Schäfer, der seine Schafe und Ziegen auf dem Grünen Band entlang treibt und so gleichzeitig alle benachbarten Schutz-gebiete mit beweiden kann, sichert nicht nur seinen eigenen Lebensunterhalt. Er erhält Lebensräume für Tiere und Pflanzen und eine abwechslungsreiche Landschaft für Menschen und er produziert gleichzeitig gesunde Lebensmittel. Ökologisch verträgliche Nutzung muss sich für den Landwirt mindestens genauso lohnen wie klassische Intensivproduktion. Denn sie zieht auch Menschen in Regionen, die sonst eher verlassen würden.

Hutelandschaften – Beweidung mit Heckrindern und Koniks als Modell für

die Offenhaltung von Auen?In einer feuchten Aue unweit des Grünen Bandes

wurde bei Stressenhausen im Grabfeld ein Modell gestar-tet: Wo bisher Grünland nur schwer bewirtschaftet werden konnte, stehen jetzt ganzjährig Heckrinder (eine Rückzüch-tung der früher heimischen Auerochsen) und Konikpferde und weiden 70 ha Feuchtgrünland ab. Diese Nutzung erzeugt abwechslungsreiche Lebensräume Während im Sommer die Tiere fast bis zum Bauch im wüchsigen Grasland stehen, fin-det man im zeitigen Frühjahr eine kurzrasige Landschaft vor, die sich langsam wieder begrünt. Bei Starkregen bilden sich temporäre Gewässer, die zahlreiche Vögel anlocken. Mit den Großsäugern kommen jede Menge Insekten, von denen sich viele Vogelarten ernähren. Die Biomasse wird optimal ver-wertet, kein Traktor bleibt im Morast stecken und die örtliche Gastwirtschaft profitiert von den Besuchern. Heckrindfleisch schmeckt übrigens vorzüglich. Näheres findet sich unter www.hutelandschaft-rodachaue.de

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Oberziel für die Biotoppflege:Seit der Grenzöffnung haben in vielen Teilen des Grünen Bandes infolge der natürlichen Sukzession bewaldete Be-stände zugenommen. Für die Biotoppflege der terrestrischen Bereiche im Grünen Band ist das grundlegende Oberziel, an allen geeigneten Standorten einen halboffenen Zustand mit einem mosaikartigen Wechsel aus Extensivgrünland, Brachen, teils vegetationsfreien Sonderstandorten und verbuschten bzw. bewaldeten Bereichen zu erreichen und damit neben der unmittelbaren Lebensraumfunktion auch eine geeigne-te Biotopverbundstruktur für Arten mit unterschiedlichen ökologischen Ansprüchen zu entwickeln. Das Grüne Band soll möglichst in seinem gesamten Verlauf in der Landschaft deutlich erkennbar sein.

Thesen für die Biotoppflege zu einzelnen Biotoptypen:Leitbild/Ziele: Die Wälder im Grünen Band sind standort-typisch und zeichnen sich durch eine Vielfalt an naturnahen Lebensgemeinschaften aus. Insbesondere die vor der Gren-zöffnung entstandenen, oft über Jahrzehnte ungenutzten Wälder werden weiter einer naturnahen und vom Menschen weitgehend unbeeinflussten Eigenentwicklung überlassen. In Wäldern hat das Grüne Band jedoch insbesondere auch die Funktion als Biotopverbundachse für Arten des Offenlandes oder Lichtwaldarten, für die ein halboffener Charakter des ehemaligen Grenzstreifens angestrebt werden soll.

Im November 2011 trafen sich Naturschützer, Landwirte, Forst-wirte und Landschaftsplaner, um sich über die optimale Pflege des Grünen Bandes auszutauschen. Dabei wurde folgendes gemeinsame Leitbild verabschiedet:

Leitbild/Vision: Das Grüne Band im Jahre 2020Das Grüne Band stellt ein länderübergreifendes und nationales Biotopverbundsystem im Sinne des Bundesnaturschutzge-setzes § 21 (3) dar. Das Grüne Band enthält und verbindet sehr wertvolle, z.T. international oder bundesweit bedeutsa-me Schutzgebiete sowie natürliche, naturnahe und extensiv genutzte Biotope auf ca. 1400 km Länge und in insgesamt 9 Bundesländern. Die biologische Vielfalt und Eigenart des Grünen Bandes ist sehr groß und beruht auf einem regional unterschiedlichen vielseitigen Wechsel zwischen Gewässern, Offenland und Wald. Das Grüne Band ist vielfältig gegliedert und strukturiert, weist eine spezifische Ausstattung der Pflanzen- und Tierwelt auf und zeichnet sich dabei durch einen hohen Reichtum an Klein- und Sonderstrukturen aus. Das Grüne Band ist ein vielfältiger Lebens-, und Rückzugs-raum vieler hochgradig gefährdeter Pflanzen- und Tierarten. Durch eine nachhaltige Flächensicherung und umfassendes Managementkonzept mit angepassten Maßnahmen (z.B. ungestörte Entwicklung, extensive und nachhaltige land- und forstwirtschaftliche Pflege und Nutzung) wird die Biotop- und Artenausstattung erhalten und gefördert.

Leitbild für die Biotoppflege im Grünen Band

Das Grüne Band in der Rhön

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Umsetzung: Zu diesem Zweck sollen jüngere Waldsukzessio-nen (nach 1989) und Forste vor allem wenn sie überwiegend von Fichte oder Kiefer geprägt werden, zu den Ursprungsbioto-ptypen (z.B. Heide, Magerrasen) zurück entwickelt werden. Ist dies nicht möglich, ist das langfristige Ziel für diese Flächen der Umbau zu laubholzreichen Mischwäldern mit einer aus-geprägten Waldrandentwicklung oder aber fallweise (bzw. in Abhängigkeit von vorkommenden Zielarten) zu Waldbestän-den, die traditionellen Waldnutzungsformen entsprechen (z.B. in Mittelgebirgsbereichen eine niederwaldartige Nutzung als Habitat für das Haselhuhn).

Leitbild/Ziele: Da das Grüne Band im Zuge des Grenzregimes auf weiten Bereichen früher offen gehaltenen wurde und sich damit für eine hohe Zahl besonders gefährdeter Offenlandarten zu einem wichtigen Lebensraum entwickelt hat, kommt dem Offenland eine besondere Bedeutung zu. Das Grüne Band stellt in weiten Teilen einen großflächig zusammenhängenden und ökologisch vielfältigen, von Grünland und Heiden domi-nierten Lebensraum dar, in dem hochgradig gefährdete und für Offenland typische Arten in stabilen Beständen vorkommen. Das Offenland weist eine naturnahe Biotoptypenausstattung auf und enthält Biotoptypen feuchter und nasser bis trockener Standorte in extensiver Nutzung bzw. Pflege. Grünlandgesell-schaften unterschiedlicher Nutzungsintensitäten inklusive von Bracheflächen und teils vegetationsfreien Sonderstandorten bilden zusammenhängende und strukturreiche Komplexe mit

Heckenlandschaften. Die Eigenheit des Offenlandes im Grünen Band besteht oft aus seiner kleinräumigen Verschachtelung mit Gebüschen und seiner Vielzahl an Kleinstrukturen, aus seinem Anteil an ungenutztem Grasland und Ruderalfluren, aus dem Nebeneinander von Pionierrasen und Staudenfluren, Feucht- und Trockenstandorten. Das Grüne Band stellt insgesamt in vielen Bereichen den letzten Lebensraum für viele gefährdete Arten dar, die Übergangbereiche von Gehölzen zu nicht oder extensiv genutzten Grünland-Strukturen benötigen. Diese Bereiche sind z.B. als Lebensraum wertgebender Vogelarten (z.B. Raubwürger, Neuntöter, Braunkehlchen etc.) von großer Bedeutung.

Umsetzung: Extensive, an den Zielarten orientierte Beweidung im Sinne einer halboffenen Weidelandschaft (Größenordnung 0,3 bis 1 Großvieheinheit pro Hektar und Jahr) ist grundsätzlich eine besonders geeignete Biotoppflege, da sie unregelmäßig ausgeprägte Strukturen schafft mit der Bandbreite von Offen-boden, Altgrasbrachen bis zu einzelnen Gebüschgruppen, was auch der ehemaligen Strukturierung nahe kommt.Vor allem in botanisch wertvollen Abschnitten des Grünen Bandes ist eine meist einmalige Mahd (ohne Düngung und Einsatz von Bioziden) sinnvoll. Dabei sind uni-forme Mahdflächen zu vermeiden. Anzustreben ist darüber hinaus ein gestaffeltes Mahdregime, um Rückzugsflächen anzubieten. Ziel ist eine mosaikartige Nutzung mit einem Nebenein-

Wenn keine regelmäßige Pflege stattfindet, wächst das Grüne Band v.a. in Waldgebieten schnell zu. links: Rote Lichtnelke

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ander von Mahdflächen, Saumflächen und ein- bis mehrjährigen, linearen Bra-chestreifen von mindestens 10 m Breite und einzelnen Büschen und Bäumen.In Bereichen mit fortgeschrittener Suk-zession sollen durch Verfahren der Erstpflege die Voraus-setzungen für eine spätere extensive Nutzung bzw. Pflege geschaffen werden (s. auch Wälder).Bestehende Förderprogramme, z.B. die Kultur- und Land-schaftspflegeprogramme einzelner Länder oder Vertragsnatur-schutzprogramme sollten hier ebenso wie neu zu schaffende, flexible Förderinstrumente ihre Anwendung finden. Wichtige Elemente dabei könnten sein: Spezifisches Programm für halboffene Flächen, Erschwerniszulage für Kleinparzelliertheit, vereinfachte Antragsstellung und Kontrolle, Treueprämie für langfristige Teilnahme, langfristige Vertragssicherheit; Auf-nahme von Kleinstrukturen (z.B. Sperrgraben) und Brachen in den Katalog der Landschaftselemente im Sinne von Cross Compliance mit Flexibilisierung der Flächenobergrenze. Mittel aus dem regionalen Tourismusbereich sollten für die Pflege und Erlebnisstruktur des Grünen Bandes eingesetzt werden, da beide die naturtouristischen Erlebnismöglichkeiten des Grünen Bandes wesentlich verbessern.Außerhalb geschlossener Wälder soll im Bereich des Grünen Bandes vor allem in intensiv genutzten Agrarlandschaften

ein angemessener Gehölzanteil angestrebt werden. Optimal wäre ein gestufter Aufbau mit einem hohen

Anteil offener und halboffener Bereiche.

Leitbild/Ziele: Gewässer innerhalb des Grünen Bandes sind natürlich bis naturnah ausgebildet und weisen eine sehr gute bis gute Wasserqualität sowie typische Arten- und Le-bensgemeinschaften auf. Fließgewässer haben eine naturnahe Gewässerstruktur, sind durchgängig und zeichnen sich durch naturnahe Gewässerdynamik aus. Sie besitzen neben einem breiten Pufferstreifen zur angrenzenden Landnutzung eine naturnahe Ufervegetation, wie z.B. typische bachbegleitende Gehölzsäume, feuchte Hochstaudenfluren, oder Hartholz- und Weichholzauen. Besondere Gewässerstrukturen wie z.B. Alt-arme sind in typischen Ausprägungen vorhanden und werden erhalten und geschützt. Standgewässer zeichnen sich durch naturnahe Schwimmblatt-, Unterwasser- und Ufervegetation (z.B. Schilf- und Röhrichtgürtel, Bruchwälder) und Verlan-dungsbereiche aus.

Umsetzung: Befestigte Uferbereiche und ausgebaute Fließ-gewässerabschnitte sollen in ihrem ökologischen Kontext renaturiert werden. Für besonders sensible Bereiche sollen Konzepte für die Besucherlenkung bzw. Nutzung (z.B. Fische-rei) entwickelt und umgesetzt werden. Synergieeffekte mit der WRRL sollen genutzt werden.

Fließgewässer naturnah erhalten / links: Wiederanschluss eines Altarms im Rahmen eines vom BUND initiierten Modellvorhabens.

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Thesen für die Entwicklung des Grünen Bandes im landschaftlichen Kontext:

Leitbild/Ziele: Das Grüne Band erfüllt in seiner ganzen Länge die Funktion als Bestandteil des länderübergreifenden Bio-topverbunds und ist mit entsprechenden Kerngebieten und Korridoren beiderseits des ehemaligen Grenzstreifens vernetzt.

Umsetzung: Neue Umbrüche, standortfremde Aufforstun-gen, Grünlandintensivierungen und Zerschneidungen und Flächenverluste durch Infrastrukturmaßnahmen, Siedlungen und Gewerbe im Grünen Band sind unbedingt zu verhindern. Lücken im Grünen Band sollen geschlossen werden. Um die Biotopverbundfunktionen wieder herzustellen, müssen Acker-flächen in Brachen, Gehölzstrukturen oder extensiv genutztes Grünland überführt werden; Intensivwiesen und -weiden sind zu extensivieren und ggf. auszuhagern. Anschlüsse an benach-barte Biotope sollen im Sinne einer Quervernetzung entwickelt werden.

Leitbild/Ziele: Das Grüne Band hat neben der bundesweiten naturschutzfachlichen Bedeutung zudem eine historische Funktion als Erinnerungslandschaft (z.B. Nationales Naturmo-nument) für die überwundene Teilung Deutschlands.

Umsetzung: Ein Gesichtspunkt bei der Biotoppflege sollte auch der bandförmige, sich visuell von der umgebenden Nutzlandschaft abhebende naturnahe Charakter des Grünen Bandes sein. In diesem Zusammenhang sind alle baulichen Relikte der ehemaligen Grenzanlagen wie Kolonnenweg, Sperrgraben, Zaunreste oder Beobachtungstürme aus Grün-den des Denkmalschutzes zu erhalten

Moor im Sonneberger Unterland / Grünes Band bei Hellingen

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Zwischen Schalkau und Bad Rodach im südlichen Vorland des Thüringer Waldes gelangen wir zu den lichten Kiefernwäl-dern des Buntsandsteinwaldlandes und den Magerrasen der Meininger Kalkplatten. Im Naturschutzgebiet „Magerrasen bei Emstadt und Itzeaue“ konnte der BUND mit Spendenmitteln und Zuschüssen der Stiftung Naturschutz Thüringen mehr als 15 ha Kalkmagerrasen erwerben und durch Schafe beweiden lassen. Der Erfolg ist sichtbar: Am Emstädter Sack finden wir noch Golddistel, Kreuzenzian und Heidelerche. Besonders wertvoll sind auch die umfangreichen Heideflächen der Görs-dorfer Heide. Das große zusammenhängende Heidegebiet im Buntsandstein mitten im Wald mit Feuchtgebieten im Umfeld bot Lebensraum für Birkhuhn und Ziegenmelker, Sumpf- und Schwertschrecke, Laub- und Moorfrosch. Nachdem das Grüne Band schon fast wieder bewaldet war, konnten im Rahmen des Projektes „Biodiversität und Energieholz“ der Naturstiftung David (www.naturstiftung.de) Heideflächen wieder freigestellt und in Beweidung übernommen werden. Auch im Naturschutz-gebiet Harraser Leite sind im Grünen Band noch wertvolle Magerrasen erhalten geblieben.

Thüringer Wald – Vorland

oben: Magerrasen bei Emstadt / Kreis oben: Rotbraunes Wiesenvögelchen rechts: Kuhschelle

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Blick über das Grüne Band am Galgenberg auf die Gleichberge

Das Südthüringer Grabfeld im Landkreis Hildburghausen ist mit seinen fruchtbaren Böden über teilweise lößbedeckten Gesteinen des Keupers überwiegend ackerbaulich genutzt. Aus dem leicht hügeligen Land ragen einzelne Basaltkegel wie die Gleichberge und Gipsmergelkuppen wie der Lange Berg heraus. Alte Laubmittelwälder aus Eichen, Hainbuchen und auch Elsbeeren bieten dem seltenen Hirschkäfer oder dem Grünen Gabelzahnmoos Lebensraum. Die Trockenstandorte v.a. an den Südhängen sind für Heu-schrecken und Tagfalter von besonderer Bedeutung: Die Schlechtsarter Schweiz in Thüringen und der Spanshügel in Oberfranken bieten mit trockenen Sandstandorten Lebens-raum für Tagfalter wie den vom Aussterben bedrohten Zahn-flügelbläuling. Im Grünen Band finden sich auch der Helle und der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling.Die Auen von Milz, Helling und Kreck sind Rückzugsgebiete für seltene Brutvögel wie Korn- und Wiesenweihe, Bekassine und Blaukehlchen. Mit den Wanderschäfern können Tier- und Pflanzenarten entlang des Grünen Bandes ziehen und gelan-gen so ohne größere Schwierigkeiten von einem Naturschutz-gebiet zum nächsten.

Allerdings ist im Grabfeld – wie auch in anderen Agrarland-schaften mit guten Böden – das Grüne Band seit der Wende an einigen Stellen, z.T. illegal, umgeackert und in intensive Nutzung überführt worden. Eine große Unterbrechung im Biotopverbund stellt die A71 dar, die auf mehr als 700 m direkt auf das Grüne Band gebaut wurde und Wanderwege z.B. für die seltene Wanstschrecke unterbricht.

Im Rahmen des europäischen Interreg-Projektes „GREENNET“ werden modellhaft in sechs Regionen am Grünen Band (dar-unter dem Grabfeld) Konzepte entwickelt, um Lücken wieder zu schließen. Dabei stellen alle Partner Lösungsansätze und landschaftspolitische Instrumente zusammen, mit denen in ihrer Modellregion ökologische Netzwerke erhalten und entwickelt werden können. Dazu gehören ausreichende För-dermittel für naturverträgliche Landbewirtschaftung genauso wie die Möglichkeit, Naturschutzmaßnahmen über Ersatz und Ausgleich zu finanzieren oder in der Region Werbung für ein erlebbares Grünes Band zu machen (www.greennet-project.eu). Der BUND koordiniert die Lobbyarbeit auf internationaler Ebene und ist in zwei Modellregionen vertreten.

Südthüringer Grabfeld

Biene auf Kartäusernelke

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Das NSG Milzgrund bietet Lebensraum für seltene Arten wie Wanstschrecke, Wiesenknopfameisenbläuling und Bekassine

Für eine Heuschrecke ist die Wanstschrecke (Polysarcus denticauda) sehr groß (bis zu 4,5 cm), dennoch findet man sie fast nur zur Paarungszeit. Mit ihrer leuchtendgrünen Farbe mit gelben und schwarzen Einsprengseln ist sie perfekt an etwas frischere krautreiche Wiesen angepasst. Man hört das Männchen zwischen Mitte Juni und Mitte Juli, wenn es von langen Grashalmen singt, um die Weibchen anzulocken. Hat man den Gesang einmal gehört, erkennt man ihn immer wieder: ein sehr lautes Sirren, was sich langsam steigert und am Ende verklingt wie ein abgewürgter Automotor. Doch diese langen Grashalme sind zur Paarungszeit häufig bereits abgemäht. Durch die zunehmende Zerschneidung der Landschaft kommt die flugunfähige Wanstschrecke nur schwer zum nächsten Lebensraum. Und der Name kommt nicht von ungefähr. Mit ihrem dicken Bauch (Wanst) ist die Wanstschrecke auch zu Fuß sehr langsam. Dazu kommt, dass ihre Lieblingskräuter wie der Wiesenstorchschnabel oder der Klappertopf auf in-tensiver genutzten Wiesen weniger zu finden sind. Dadurch wurde sie so selten, dass man sie in Thüringen schon für ausgestorben hielt bis man sie nach der Wende zwischen Rhön und Grabfeld im Grünen Band wieder fand. Hier haben sich Altgrasbestände gehalten und das Grüne Band verbindet verstreute Lebensräume. Doch auch hier kommt es heute stellenweise zur Nutzungsintensivierung. Der BUND Thüringen hat das Artenschutzprojekt „Willi Wanstschrecke will ins Grüne Band“ initiiert, um für den Erhalt der Lebensräume zu werben.

STATION 4: Gedenkstätte Billmuthausen

Mit der Gedenkstätte Billmuthausen zwischen Bad Colberg und Gauerstädt wird an einen für die Betroffenen mit beson-deren Härten verbundenen Aspekt der deutsch-deutschen Geschichte erinnert: Die „Schleifung“ von Gehöften und Wei-lern, die in unmittelbarer Grenznähe lagen und die Zwangs-umsiedlung der Bewohner bei Nacht und Nebel. Mit den Aktionen „Ungeziefer“ 1952 und „Kornblume“ 1961 wurden über 10.000 Menschen aus ihren Dörfern zwangsweise ins Landesinnere umgesiedelt. Die Auswahl erfolgte willkürlich. In den Ankunftsorten waren sie oft bereits vor Ankunft als kriminell oder asozial gebrandmarkt, was tiefe Traumata hin-terließ. Während aus manchen Orten nur willkürlich ein Teil der Bewohner abtransportiert wurde, wurden andere Dörfer im 500-Meter-Streifen des sogenannten Sperrgebietes wie Billmuthausen, Liebau oder Erlebach komplett abgerissen.Vom einstigen Dorf Billmuthausen mit seinen Bauernhöfen und der Kirche sind nur noch der Friedhof und eine vergessene Trafostation erhalten. Daneben steht der Beobachtungsturm der Grenzanlagen. Die Grenze verläuft etwa vierhundert Meter nördlich der Gedenkstätte. Ein Besuch der Gedenkstätte lässt sich mit einer Rad- oder Wandertour entlang der grenznah gelegenen Aue von Rodach und zur Feste Heldburg verbinden (ausgeschilderte Wanderwege).

Kartengrundlagen: Fritsch Wanderkarte Nr. 89 „Naturpark Hassberge“

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THEMA Das Grüne Band EuropaNicht nur in Deutschland trennte nach dem zweiten Weltkrieg eine massive unmenschliche Grenze Menschen auf beiden Seiten voneinander. Der Eiserne Vorhang teilte Europa vom Eismeer bis zum Schwarzen Meer in zwei völlig verschiedene Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme. Wie in Deutschland entstanden entlang dieser menschenleeren Zone auch im gro-ßen Maßstab großflächig kaum zerschnittene Lebensräume, in denen sich seltene Tiere und Pflanzen ansiedelten.Riesige Wälder Skandinaviens, große Küsten- und Flach-wasserbereiche der Ostsee, Moore und Flussauen, Seen und Grasland der verschiedensten Standorte beherbergen eine Vielzahl an Arten und erinnern uns, was Europa an Landschaf-ten zu bieten hat.Seit 2004 haben sich viele Akteure zusammen gefunden: Re-gierungs- und Nichtregierungsorganisationen, Universitäten und Raumplaner aus 24 Ländern bilden nun eine Gemeinschaft zum Schutz des über 12.500 Kilometer langen Grünen Ban-des Europa. Dabei gibt es Arbeitsgruppen in den einzelnen Regionen (Fennoskandien, Ostsee, Zentraleuropa und Süd-osteuropa) mit jeweils einem regionalen Koordinator und einer Steuerungsgruppe aus Akteuren der einzelnen Regionen, die die Aktivitäten am gesamten Grünen Band koordiniert. Für das Grüne Band Zentraleuropa ist das BUND-Projektbüro Grünes Band der regionale Koordinator.www.europeangreenbelt.org

Tagung zum Grünen Band Europa 2005 in Mitwitz, Nationalpark Fertö-Hanság an der Grenze Österreich-Ungarn

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Vom Todesstreifen zur Lebenslinie - Das Grüne Band in Thüringen

Maisacker Gerade auf ertragreichen Standorten wird der Grenzstreifen bevorzugt umgeackert, nicht immer legal. rechts: Auf der anderen Seite erhalten Schafe wertvolle Offenlandbiotope

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THEMA Landwirtschaft und Naturschutz im Grünen BandDie Idee, den ehemaligen Grenzstreifen als Grünes Band als Perlenkette der Natur und Denkmal deutscher Geschichte zu erhalten, fand am Anfang nicht nur Freunde. Hauptargument v.a. für Alteigentümer und potentielle Nutzer der Flächen war das Stichwort „zweite Enteignung” (s.o.). Nachdem vierzig Jahre lang die Nutzung eigener Flächen verboten gewesen sei, dürfe heute nicht der Naturschutz diktatorisch bestehende Eigentumsrechte antasten oder landwirtschaftliche Nutzfläche entziehen. Auf der anderen Seite ärgern sich ehren- und haupt-amtliche Naturschützer gegen die Dreistigkeit, mit der in den neunziger Jahren im vermeintlich rechtsfreien Raum Flächen umgebrochen wurden, auf die manche der Landwirte keine Nutzungsrechte besaßen. Wichtig ist hier Kommunikation: Landwirtschaft und Naturschutz müssen sich nicht entgegen-stehen. Im Gegenteil: Gerade in den Mittelgebirgsregionen gehen dem Naturschutz überall wertvolle Flächen dadurch verloren, dass die Nutzung aufgegeben wird. Dies ist die Folge einer Subventionspolitik, die Überschussproduktion subven-tioniert anstatt die Landwirtschaft als Partner für nachhaltiges und naturverträgliches Wirtschaften zu gewinnen. Viele Land-wirte sind bereit, Bergwiesen zu mähen oder von Schafen wie auch Rindern beweiden zu lassen, wenn dadurch keine finanziellen Einbußen zu erwarten sind. Die radikale Kürzung der Mittel für Vertragsnaturschutz in Thüringen hat allerdings dazu geführt, dass an vielen Orten, wo sich Landwirte und Naturschützer über die Art der Nutzung einig sein könnten,

über kurz oder lang entweder die Nutzung intensiviert wird oder Wald entsteht. Zudem hat der Naturschutz die Aufga-be, die Natur als Gemeingut zu erhalten und landschaftliche Schönheit manchmal auch gegenüber privaten Interessen zu ver¬teidigen. Hier müssen praktische Lösungen gefunden werden. So werden beispielsweise über Flurneuordnungsver-fahren Flächen ins Grüne Band getauscht, d.h. der Landwirt, der Ackerbau betrieben möchte, tauscht sein Flurstück im Grünen Band gegen eines außerhalb.Schafbeweidung ist eine der Möglichkeiten, den Grenzstrei-fen als wertvollen Offenlandbiotop zu erhalten. Das Problem besteht darin, dass gerade in Zeiten geringer Preise für Schaf-produkte und gekürzter Mittel des Vertragsnaturschutzes die Schafhaltung finanziell nicht attraktiv ist. Ackerbau ist übrigens nicht grundsätzlich eine Gefahr für den Naturschutz: In nährstoffärmeren Bereichen finden sich im Umfeld des Grünen Bandes naturschutzfachlich wertvolle Kalkscherbenäcker mit seltenen Ackerwildkräutern wie der Turgenje. Die Artenvielfalt geht dann zurück, wenn großflächig unter Einsatz von viel Dünger und Pestiziden gewirtschaftet wird. Kleinteilige ungespritzte Äcker mit alten Kultursorten stellen eine Bereicherung der Artenvielfalt dar.

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Grünes Band bei Henneberg rechts: Braunkehlchen

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Bei Henneberg im Landkreis Schmalkalden–Meiningen gelangt man allmählich in die Rhön.Das vielgestaltige Mittelgebirge im Dreiländereck Thüringen, Bayern, Hessen gilt seit langem als Paradies für Wanderer. Eine mittelalterliche Rodungsphase führte zu weitgehend waldfreien Kuppen, die durch langjährige extensive Grünlandbewirtschaf-tung offengehalten wurden und dem Wanderer freien Blick in die Landschaft ermöglichen („Land der offenen Fernen”). Im länderübergreifenden Biosphärenreservat Rhön werden mo-dellhaft naturverträgliche Nutzung und regionale Vermarktung ländlicher Produkte praktiziert, unter dem Blickwinkel von Umwelt- und Gesundheitsproblemen eine absolut zeitgemäße Strategie: Die Produktion heimischer angepasster Produkte wie Saft von Streuobstwiesen oder Lamm- und Rindfleisch aus der Landschaftspflege erhält die Landschaft attraktiv und schafft gesunde Lebensmittel, die nicht durch halb Eu-ropa transportiert werden müssen. Es funktioniert allerdings nur, wenn in Billigarbeit und unter schlechten Ökostandards produzierte Ware nicht trotz des Transportweges günstiger beim Kunden ankommt. Dies ist eine Herausforderung an die EU-Förderpolitik, die sich dem Problem der hohen Transport-nebenwirkungen noch nicht gestellt hat. Das Gelände steigt von Henneberg nach Westen hin allmählich an. Bei Birx im Dreiländereck Bayern-Hessen-Thüringen streift das Grüne Band die Hohe Rhön und erreicht seinen höchsten Punkt in Thüringen mit knapp 800 Metern. Hier zieht es sich meist als ungenutzte Schneise durch den Wald, im Offenland wird es z.T. mit Rindern beweidet.

Die Vorderrhön südöstlich und nördlich von Birx kennzeichnet eine kleinräumige Vielfalt aus Wiesen, Weiden, Acker-, Wald- und Streuobstflächen, die mit Bergen, Tälern, natürlichen Fließgewässern, Mooren und Trocken-standorten als sehr abwechslungsreich empfunden wird. Den Untergrund bilden Sedimente aus Oberem Buntsandstein und Muschelkalk, unterbrochen durch Balsaltkegel. Eine Vielzahl seltener Vögel, Tagfalter, Heuschrecken und Reptilien lebt hier, wie z.B. Braunkehlchen, Neuntöter, Berg-eidechse und Wachtelweizen-Scheckenfalter. Die Siedlungen der Rhön sind überwiegend klein und ländlich geprägt.

Braunkehlchen lieben offenes extensiv genutztes Land, Feuchtwiesen und Brachflächen. Der Grenzstreifen mit seinen ausgedehnten Offenflächen und einzelnen Stauden, die als Singwarten genutzt werden, bot dem Braunkehlchen einen optimalen Lebensraum. Nach der Wende sind große Bereiche des Grünen Bandes gerade in Thüringen brachgefallen. Durch natürliche Sukzession verschwinden dort die Charakterarten des extensiven Graslandes

Rhön

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STATION 5: Friedensweg

Von einer privaten Initiative (Bürger für sanften Tourismus in Hermannsfeld e.V.) wurde bereits in den den 90er Jahren ein Grenzwanderweg mit vierzig Informationstafeln angelegt. Er beginnt am ehemaligen Grenzübergang Henneberg–Eußen-hausen (am Grenz¬denkmal „Goldene Brücke”) und führt teilweise auf dem Kolonnenweg, teilweise ent¬lang grenznaher Wege bis nach Birx. Vierzig Tafeln zur deutsch-deutschen Ge¬schich¬te, Grenzdenkmale und die Wegeführung durch die strukturreiche Landschaft der Rhön mit Abstechern zu Zielen im Umland erlauben einen Einblick in Kulturgeschichte und Naturkunde. Leicht erreichbare Ausgangs- und Endpunkte sind die B19 zwischen Henneberg und Eußenhausen mit Parkmög-lichkeiten und die Straße Weimarschmieden – Helmershausen. Der „Wanderbegleiter Friedensweg”, herausgegeben vom Verein „Bürger für den sanften Tourismus in Hermannsfeld e.V. verbindet heimat- und naturkundliche und kulturgeschichtliche In¬for¬¬mationen mit der Darstellung von Einzelschicksalen und politischen Hintergründen.

STATION 6: Grenzwanderweg Geisa (Rhön)

Zwischen Buttlar und Kaltenwestheim begann, vom Land-ratsamt Wartburgkreis (Matthias Kirsten) initiiert, bereits 1995 ein Musterprojekt zur Wanderwegeplanung am Grünen Band: Eine lokale Arbeitsgruppe unter Federführung des Flurneuordnungsamts Meiningen, bestehend aus Behör-den, kommunalen Vertretern und Verbänden, entwickelte

beispielhaft ein Konzept, das das Grüne Band für Wanderer und Touristen erschließt, ohne die Natur zu beeinträchti-gen. Dabei wurden lokale Wanderwege, Grenzanlagen und Denkmale, Besonderheiten von Natur und Landschaft, sowie kulturelle Angebote der benachbarten Orte einbezogen. Nach jahrelanger Vorplanung für eine vierzig Kilometer lange We-geführung, die den Wanderer durch die abwechslungsreiche Landschaft am Grenzstreifen und im Umfeld führen soll und ihm ein Naturerleben ermöglichen soll, ohne die besonders störungsempfindlichen Tierarten zu vertreiben, schien das Projekt an ungeklärten Eigentumsverhältnissen zu scheitern. Der lange Atem setzte sich auch hier durch. Mittlerweile gibt es den Grenzwanderweg nicht nur im Wartburgkreis, sondern auch in den benachbarten Kreisen.

Wo die Ortsverbindungsstraße Geisa–Rasdorf die Grenze schneidet, befindet sich die Mahn-, Gedenk- und Bildungs-stätte „Point Alpha”. Die ehemaligen Grenzanlagen der DDR, ein früherer US-Stützpunkt zur Beobachtung der Grenze, sowie einstige russische Kontrollstationen bilden ein militär-historisches Denkmalensemble des „Kalten Krieges”. In der Umgebung befindet sich das Naturschutzgebiet „Rasdorfer Berg” zum Schutz von Kalkmagerrasen und artenreichem Ex-tensivgrünland. Point Alpha und BUND Thüringen kooperieren bei Bildungsveranstaltungen.

Kartengrundlagen: Fritsch Wanderkarte Westlicher Thüringer Wald und Vordere Rhön, ADFC-Radtourenkarte Thüringer Wald/ Rhön, M 1:150.000

Exkursion zu Point Alpha im Rahmen des Interreg-Projektes GREEN BELT mit 8 Nationen / links: Rotbraune Stendelwurz

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Wiesenknopf-Ameisenbläuling am Großen Wiesenknopf

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Mit der Werra und dem Grünen Band treffen sich zwei be-deutende ökologische Korridore mehrfach und verlaufen auf größeren Strecken sogar gemeinsam. Die Werra und ihre Zuflüsse stehen mit dem Grünen Band über lange Strecken in Verbindung: Bereits die Ulster fließt über lange Strecken in weniger als drei Kilometern Entfernung parallel zur Grenze. Mehr als siebzig Kilometer verläuft die Werra grenznah und bildete an mehreren Stellen direkt die Grenze. Für Fließgewässer bedeutete nicht nur in Deutschland die Grenzsituation häufig, dass Gewässer und Aue von Ausbau und Nutzungsintensivierung weitgehend verschont blieben. Das Grüne Band stellt hier oft einen Puffer zur angrenzenden Intensivnutzung dar. Werra und Ulster blieben im Grenzbereich einige Nischen erhalten.Der unterschiedliche geologische Untergrund im Werraein-zugsgebiet brachte eine Vielzahl verschiedener Lebensräume hervor: Die Ulster kommt aus dem Unteren Muschelkalk der Vorderrhön und fließt durch das Salzunger Buntsandsteinland in die Werra. Ihre naturnahe Aue ist in den FFH-Gebieten „Ul-ster“ und „Ulsteraue“ unter Schutz gestellt. Stark geschützte Arten wie Gelbbauchunke, Bachneunauge, Groppe und Dunk-ler Wiesenknopfameisenbläuling finden hier ein Refugium. Die Werra verläuft zwischen Dankmarshausen und Wartha durch eine Zechsteinsenke. Das lösliche Salz im Untergrund ließ eine breite Flussaue mit ausgeprägten Mäandern und Sonderbio-topen entstehen wie z.B. den Auslaugungsseen Forstloch und Breitunger Seen und der Binnensalzstelle Rohrlache.

Der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea nausithous) ist eine europaweit gefährdete Schlüsselart ex-tensiv genutzter feuchter Grünlandhabitate. Man findet ihn auf typischen Standorten des Großen Wiesenknopfs, z.B. an den Rändern von Flachmooren und Gewässern, aber auch auf feuchten Wiesen. In unserer heutigen Kulturlandschaft ist er grundsätzlich auf Mahd und Beweidung angewiesen, auf Bestände des Großen Wiesenknopfes und eine ausreichende Anzahl von Nestern der Wirtsameisen. Seine bläulichen Flü-geloberseiten sind stark verdunkelt, während die Unterseiten charakteristisch zimtbraun gefärbt sind und eine schwarze Punktreihe aufweisen. Der Große Wiesenknopf mit seinen dunkelroten Blütenköpfchen dient als Nahrungsquelle und Schlafplatz, zudem finden hier Balz, Paarung und Eiablage statt. Auch die Bläulingsraupe ernährt sich von den Blüten des Wiesenknopfs. Für die weitere Entwicklung der Raupen sind dann bestimmte Knotenameisen notwendig. Die Rau-pen überwintern im Ameisenbau, wobei sie sich mit einer Art „Ameisenparfüm“ schützen. Dadurch wird die eigentlich als Beute betrachtete Schmetterlingsraupe nicht gefressen, son-dern von den Ameisen geduldet! Hier vertilgt sie bis zu 600 Ameisenlarven. Als Gegenleistung überlässt sie den Ameisen ein zuckerhaltiges Sekret. Eine Gefahr für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling stellt die Zerstörung der Lebensräume, Entwässerung sowie Aufgabe oder Intensivierung der Nutzung und Mahd während der frühen Larvenstadien dar.

Werra und Zuflüsse

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Bei Lauchröden mäandriert die Werra noch

Gelbbauchunke

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Der Kalibergbau verursacht jedoch einen hohen Salzeintrag in die Werra und sogar ins Grundwasser, weshalb der BUND sich seit langem für umweltverträglichere Lösungen einsetzt. Bei Unterbreizbach hat sich die Kalihalde bereits bis ans Grüne Band herangeschoben.Die Aue wird in vielen Bereichen landwirtschaftlich intensiv genutzt. Die Grenzsituation hat dennoch Reste einer Flus-slandschaft erhalten, wie sie früher typisch war: Trotz über-regionaler Verkehrstrassen (u.a. mehrfache Querung der A4), Kalibergbau, fruchtbarer Böden und Gewerbe blieben an der teils noch mäandrierenden Werra Restbestände charakteristi-scher Auenbiotope wie Auwälder, Feuchtgrünland, Auwald, Schilf, temporäre Kleingewässer erhalten.Durch Begradigungen ist allerdings das Flussbett tief ein-gegraben, was zu einer Grundwasserabsenkung in der Aue geführt hat. Einzelne Altarmreste wie bei Lauchröden zeugen vom früheren Verlauf der Werra. Hier initiierte der BUND das Modellvorhaben „Auenrenaturierung für eine Lebendige Wer-ra“, bei dem u.a. der Altarm wieder angeschlossen wurde.Die stark gefährdeten Arten Gelbbauchunke, Bekassine, Blaukehlchen und Schwarzstorch sind Relikte aus Zeiten, in denen Flüsse ihr Erscheinungsbild sowohl im Jahresgang als auch im Verlauf des Flußbettes immer wieder änderten und Lebensraum für eine Vielzahl von Arten boten.

Die Gelbbauchunke war früher ein klassischer Bewoh-ner periodisch überschwemmter Flussauen, da sie in seichten warmen, vegetationsarmen Tümpeln laicht, wie sie nach Hochwasser häufig stehen bleiben. In der ein-getieften begradigten Aue fehlen diese Lebensräume, weswegen sie zunehmend auf Ersatzbiotope wie Truppen-übungsplätze mit Panzerrinnen ausgewichen ist. Die Gelbbauchunke erreicht eine Größe von 3.5 – 5cm. Mit ihrer warzigen oliv-grauen Oberfläche ist sie ihrer Umgebung hervorragend angepasst. Auffällig gefärbt ist die Unterseite, mit den Innenseiten der Gliedmaßen, den Fingern und Zehen. Sie sind intensiv hellgelb bis orange gefärbt mit grauen bis schwarzblauen Flecken – eine Warntracht zur Abschreckung vor Fressfeinden. Über die Haut sondern die Gelbbauchunken ein leicht flüchtiges Gift ab. Dieses Gift dient zum Schutz der Haut vor Bakterien, aber auch vor Fressfeinden. Die Pupillen sind herzförmig. Die Gelbbauchunke hat keine Schallblasen, daher sind ihre Rufe relativ leise. Würmer und Gliederfüßler bilden ihre Nahrungsgrundlage.

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Das Dankmarshäuser Rhäden als bedeutsamer Brut- und Rastplatz für Vögel, überschattet vom „Monte Kali“

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STATION 7: Dankmarshäuser und Obersuhler Rhäden

Dieses länderübergreifende Schutzgebiet ist eine besondere Perle in der Werraaue. Die Aue ist hier besonders breit, da Aus-laugungen der Salze des anstehenden Zechsteins zu einem sukzessiven Nachsacken des Untergrunds geführt haben. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war der Rhäden noch ein See mit umgebenden Feuchtwiesen, bis er zur Grünlandgewinnung trocken gelegt wurde. Doch in den 70er Jahren ergriffen hessische Naturschützer unter der Leitung von Walter Gräf die Chance: Ohne die Behörden durch langes Nachfragen aufzuschrecken, began-nen sie, Drainagen zuzuschieben und das alte Feuchtgebiet wiederherzustellen. Ihre Vision, im Rhäden wieder Störche anzusiedeln, hat sich durch Ihr bemerkenswertes Engage-ment inzwischen erfüllt. Ein kompliziertes System erlaubt es, den Wasserstand gezielt zu regeln, um beispielsweise durchziehenden Watvögeln Schlammbänke und Flach-wasserzonen anbieten zu können. Das Schutzgebiet auf hessischer Seite wurde nach der Wende durch ein Thüringer Schutzgebiet ergänzt – eines der ersten gesamtdeutschen Schutzvorhaben über-haupt. Erste Kontakte zwischen Naturschützern „hüben“ und „drüben“ gab es vorher selbst über den Eisernen Vorhang hinweg. Heute brüten und rasten jedes Jahr viele seltene Vögel hier, wie bei-

spielsweise Bekassine, Großer Brachvogel oder Rohrweihe. Der Rhäden ist ein Beispiel geworden, wie durch mutigen und hartnäckigen Einsatz Einzelner viel bewegt werden kann. Ein Besuch lohnt sich!

Kartengrundlagen: Fritsch Wanderkarte Westlicher Thüringer Wald und Vordere Rhön, ADFC-Radtourenkarte Thüringer Wald/ Rhön, M 1:150.000, Topographische Karten 1:25.000: 5025 und 5026.

Die Bekassine, aufgrund ihres Rufs auch „Himmelsziege“ genannt, lebt in feuchten Wiesen und Seggenzonen am Rande von Gewässern oder Hoch- und Niedermooren. Sie benötigt größere, lückig bewachsene, schlammige Flächen zur Nah-rungssuche und genügend Deckung für das Gelege. Allerdings darf die Vegetation nicht zu hoch sein. Um die Bekassine

zu erhalten und zu fördern, müssen großflächige extensiv genutzte Feuchtwiesen mit geringer

Verbuschung vorhanden sein.

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Die A73 wurde auf 700 m direkt auf das Grüne Band gebaut. Der Kaliabbau führt zu extremer Artenarmut in der idyllischen Werra und versalzt die Aue und das Grundwasser.

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THEMA Eingriffe im Grünen BandDie Verhältnisse im Grünen Band waren kaum vergleichbar mit anderen Flächen in Deutschland mit Ausnahme einiger Truppenübungsplätze. Nur neun Grenzübergänge zerschnit-ten diese Achse. Auf einem Streifen von ca. 110 m Breite und mehr als 1400 km Länge gab keine intensive Nutzung. Außer den Grenzsoldaten und einigen wenigen regimetreu-en Landwirten in den achtziger Jahren kam niemand in den Grenzstreifen. Diese Ungestörtheit für die Natur änderte sich mit der Grenzöffnung schlagartig. Stillgelegte Straßenverbindungen zwischen benachbarten Orten wurden zu Land- und Bundesstraßen ausgebaut. Für die Menschen des grenznahen Raumes sehr wichtig, stellt dies für viele Tiere eine Barriere dar, andere verschwinden wegen der Lärmbelastung. In Thüringen wird das Grüne Band einige Male von Autobah-nen (A9, A4, A71, A73, A38) gequert. Allein die A4 schneidet bzw. tangiert den Grenzstreifen auf einer Strecke von ca. 20 km in der mit Feuchtgebieten und Salzvegetation wertvollen Werraaue mehrfach.

Rohstoffabbau ist ein weiterer Faktor, der die ökologische Wertigkeit des Grenzstreifens und des grenznahen Raumes beeinträchtigt. Dabei lassen sich diese Eingriffe aufgrund bereits erteilter Genehmigungen oft nicht mehr verhindern. Im Südharz wird der Gipsabbau bis ans Grüne Band heran betrieben, der Kaliabbau hat das Grüne Band bereits an-

gegriffen, ganz zu schweigen von den Salzbelastungen der Werra und des Grundwassers durch Einleitungen der Lauge. Neben diesen großen Eingriffen wird auch Sand und Kies im Umfeld des Grünen Bandes abgebaut.

In Gebieten mit hochwertigen landwirtschaftlichen Böden ist der Nutzungsdruck auf alle landwirtschaftlich nutzbaren Flächen besonders hoch. In Thüringen betrifft dies v.a. das Eichsfeld und das Südthüringer Grabfeld. Hier wurden seit der Wende größere Flächen wieder bewirtschaftet und vorhande-ne Biotope zerstört, z. T. auch illegal. Dabei hat ins¬besondere in der offenen Agrarlandschaft der Erhalt des Grenzstreifens auch für die Landwirtschaft Vorteile: Erosion wird gebremst und Nützlinge können sich im Grenzstreifen halten und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verringern helfen. Auch für den Erholungswert der Landschaft ist ein Streifen Wildnis inmitten der genutzten Landschaft sehr wertvoll.

Bei Herleshausen verlässt die Grenze die Werraaue, verläuft durch die abwechslungsreiche Landschaft des Werraberg-landes, um bei Großburschla wieder zur Werra zu gelangen. Großburschla war eine der Enklaven entlang der Grenze, auf drei Seiten von der Grenze eingeschlossen. Wer ins Kernland der DDR wollte, brauchte Passierscheine, jeder Besucher aus dem Kernland wurde kontrolliert. Auch der Nachbarort Alten-burschla war auf drei Seiten von der Grenze eingeschlossen, die Grenzanlagen waren allgegenwärtig.

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Junge Wildkatzen / Pechnelke / Hauhechelbläuling / Mauerpfeffer

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Nach weiterem Verlauf durchs Werrabergland begleitet das Grüne Band zwischen Lindewerra und Bad-Sooden–Allen-dorf nochmals die hier relativ schmale Werra. Hier wird es überwiegend als Acker oder Intensivgrünland genutzt. Dabei bietet gerade die Aue mit einer verlandeten Kiesgrube die Chance, mit geringem Aufwand (Grünland mit Verzicht auf Düngereinsatz), viel für den Naturschutz zu erreichen. Da der Kolonnenweg in der Werraaue weitgehend zurückgebaut ist, empfiehlt es sich für den Besuch des Grünen Bandes den grenznah verlaufenden Werraradweg zu benutzen.

THEMA ArtenvielfaltJedes Jahr sterben eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten aus, andere Arten werden immer seltener. Dies hat mit einer Veränderung unse-rer Landnutzung zu tun. Damit sich gefährdete heimische Arten halten, ausbreiten oder wieder ansiedeln können, müssen wir die verschiedenen Lebensräume erhalten und Biotope vernetzen. Wenn wir die Arten kennen, die in der Landschaft leben können wir unsere Planungen darauf einstellen. Das Grüne Band hat un-beabsichtigt extensiv offen gehaltene Lebensräume erhalten und Biotope miteinander vernetzt. Dies wollen wir erhalten.

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Das Grüne Band nördlich Eisenach – Standort vieler Orchideen.

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Das Werrabergland zwischen Eisenach und Heiligenstadt ist eines der abwechslungsreichsten Gebiete, durch die das Grüne Band verläuft. Auf hessischer wie auf thüringischer Seite stellt es einen großflächig naturnahen Lebensraum dar mit Felsen, Wäldern und extensiv genutztem artenreichen Grün-land. Das Gelände weist starke Gefälle mit häufigem Wechsel zwischen verschiedenen geologischen Substraten auf, die an Felskanten, Hangabbrüchen und Prallhängen der Werra zum Vorschein treten: Auf den Hochflächen und an Steilhängen sind es Sedimente des Unteren Muschelkalk. Sockel und Unterhänge bestehen aus Gipsmergeln, Dolomiten und Sand-steinen des Mittleren und Unteren Buntsandsteins. Markant sind in Grenznähe die Kalkfelsen Heldrastein, Kielforst und Dreiherrenstein. Der Wechsel der Geologie spiegelt sich auch im Wechsel der Vegetation wider und macht Spaziergänge auf dem Kolonnenweg mit Abstechern ins Umfeld zu einem Erleb-nis. Kalk-Halbtrockenrasen, Silikatmagerrasen, Zwergstrauch-Heiden und Felsfluren stellen besonders wertvolle Biotope dar. Auf dem Kielforst kommt z.B. auch der seltene Thymian-Ameisenbläuling vor. Das Grüne Band besteht meist aus mehr oder weniger verbuschendem Grasland, Pionierwäldern aus Birke, Esche, Ahorn oder Zitterpappel und Felsfluren. Das gesamte Gebiet ist sehr reich an Orchideen und Enzianen. Große Vorkommen der Walderdbeere bieten im Sommer ein schönes Bild. Das Grüne Band stellt einen ausgesprochenen Rückzugsraum für seltene Vögel und Tagfalter dar.

Der besondere Wert des Werraberg-landes lässt sich auch an der Aufrei-hung von Naturschutzgebieten auf beiden Seiten des Grünen Bandes erkennen.

STATION 8: Baumkreuz bei Ifta und Wanderungen durch das WerraberglandGenau dort, wo die B7 auf den Grenzstreifen trifft – 20 km westlich von Eisenach, unweit der Gemeinde Ifta – befindet sich das Baumkreuz: Zwei im November 1990 gepflanzte, sich kreuzende Alleen. Entlang des Grenzzaunes, der dort noch steht, wachsen aus dem einstigen Todesstreifen Eschen, die Straße wird von Linden gesäumt.Das Baumkreuz verstehen die Initiatoren als eine Skulptur auf der Grenze. Anders gesagt: Die Bäume wurzeln in der Grenzsituation ungeklärter Fragen zwischen West und Ost. Gleichzeitig ist mit dem Baumkreuz durchkreuzt, dass alles so bleiben muss, wie es ist. Die Bäume wachsen. Damit ist die Skulptur Baumkreuz Symbol für den Willen, Grenzen zu überschreiten. Das gilt vor allem für die Grenzen des Denkens.Das Baumkreuz ist Teil eines größeren Projektes, einer Allee zwischen Kassel und Eisenach. Es wird jährlich fortgepflanzt. Mehr als 1.000 Bäume sind seit 1990 in die Erde gesetzt worden, immer organisiert vom „Unternehmen Wirtschaft und Kunst – erweitert, gGmbH“, initiiert von Schülern Joseph Beuys‘. Zu der Baumkreuz-Gemeinde, die jedes Jahr im No-

Werrabergland

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Pflanzung am Baumkreuz

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vember pflanzt, gehören Bürgerinnen und Bürger aus den benachbarten Orten und aus Eisenach, Mitglieder des BUND, Künstlerinnen und Künstler, Kirchenleute, Wirtschaftsunter-nehmen – viele kommen von weit her. Diese „Pflanz-Treffen“ gehören ebenso zu dem Kunstwerk wie die Bäume.Von der B7 nach Süden wie nach Norden kann man zwei sehr typische Abschnitte des Grünen Bandes erlaufen: In südlicher Richtung folgt man dem Kolonnenweg entlang von verbuschtem Grasland bis Pferdsdorf. Dort schließt kurz vor der Autobahn das Naturschutzgebiet Kielforst an. In nördlicher Richtung kann man entlang einer Schneise durch den Wald zum Heldrastein laufen, von dem aus man eine wunderbare Aussicht über die Werra bei Treffurt hat. Im Rahmen des ENL-Vorhabens „Verbesserung des Offenlandbiotopverbunds am Grünen Band Thüringen“ stellt der BUND gemeinsam mit der Stiftung Naturschutz Thüringen einige der verbuschenden Magerrasen im Werrabergland frei. Sie werden anschließend von Schafen und Ziegen beweidet.

THEMA Wie umgehen mit der Vergangenheit: Spuren tilgen oder erinnern?Die innerdeutsche Grenze mit Minen und Schießbefehl war ein menschenfeindliches und unglaublich aufwändiges Bauwerk mit dem Ziel, die DDR als geschlossenes System zu erhalten. Jeder, der mit dieser Grenze zu tun hatte, hat seine persön-lichen Erinnerungen und seine eigene Art, sich mit diesen Erinnerungen auseinander zu setzen. Die Grenze, ein Schnitt

in der Landschaft, eine Wunde in der Seele der Betroffenen, kann Symbol des Verarbeitungsprozesses sein – der Einschnitt wird überwachsen. Auf den Spuren der Angst einflößenden Grenzanlagen entsteht etwas, das sich von der Umgebung unterscheidet: in der Ackerlandschaft ein Brachestreifen, zwischen Fichtenmonokulturen im Wald eine Weide oder ein Streifen Wildnis. Der Grenzstreifen war eine harte Trennlinie, die als Grünes Band mehr und mehr in die Landschaft einwächst, ohne völlig zu verschwinden. Auch in der menschlichen Seele bleibt eine Spur nach negativen Erlebnissen. Erhalten. Manch-mal beeinflussen die Erinnerungen der Eltern noch das Leben der Kinder. vWer es vermag, sollte die Erinnerung als Chance nutzen, die Zukunft zu gestalten. Auch in Jahrzehnten wird die Grenze erkennbar sein, doch nicht überall und nur für jene, die die Augen offen halten. Es wäre schön, wenn das Kind, das mit seinen Eltern spazieren geht, fragt, warum hier der Wald anders aussieht, warum dort ein vergessener Grenzpfo-sten steht und wenn die Eltern eine eigene ganz persönliche Erklärung abgeben können, dem Kind erklären können, was hier passiert ist und wie die Eltern die deutsch-deutsche Geschichte erlebt haben.

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Werramäander unterhalb des „Ministerblicks“ / Fransenenzian

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STATION 9: Naturschutzgebiet Kelle – Teufelskanzel

Von Lindewerra aus läuft man zunächst an der Werra entlang durch schöne Hangwälder steil zm Werratalblick hinauf. Der Volksmund nannte ihn auch „Ministerblick”, um auszu-drücken, dass von dort aus die Politprominenz die Aussicht über die Werra in den Westen genoss. Der Kolonnenweg ist noch vorhanden, aber für Fahrzeuge gesperrt, da die steile Strecke durch das Naturschutzgebiet zu Mutproben gereizt hat. Eine Wanderung zur Burg Hanstein bietet sich an. Von weitem sichtbar, ist sie eine der bekanntesten Burgruinen Mitteldeutschlands, gelegen in unmittelbarer Grenznähe. Wer anstrengendere Touren nicht scheut, wandert in einer Rundtour zur Teufelskanzel.Die Werra ist auf westlicher Seite Naturschutzgebiet. Der Werra-Radweg verläuft ein Stück entlang der Grenze.

Kartengrundlagen: Die Karte Freizeit im Naturpark Eichsfeld-Hainich-Werratal, Artifex Kartenverlag, 99947 Bad Langensalza (Grenzverlauf nicht eingetragen, entspricht aber von BABA4 bei Pferdsdorf bis B80 bei Hohengandern der Naturparkgrenze), Topographische Karte 1:50.000 des Thüringer Landesvermes-sungsamtes, Ausgabe mit Wanderwegen: Eichsfeld Hainich Werratal

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Die „Gobert“ / Helmknabenkraut / Agentenschleuse / Neuntöter

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STATION 10: Von Aspach bis Kella

Das Grenzlandmuseum Schifflersgrund kann Ausgangs- oder Endpunkt eines Spaziergangs am Grünen Band sein. Zu errei-chen von der Straße Bad Sooden – Allendorf nach Sickenberg, kann man dem Plattenweg in beide Richtungen folgen.Von Aspach aus (wenige Kilometer weiter) läuft man mit ein wenig Anstrengung entlang des Grünen Bandes durch die Na-turschutzgebiete Stein-Rachelsberg und Goburg-Silberklippe, sehr schöne Naturschutzgebiete mit Magerrasen, Eiben-Bu-chen- und Hangmischwäldern. Der Weg entlang artenreicher Enzianwiesen mitten im Wald mit wunderschönen Ausblicken zieht derzeit viele Wanderer an. Folgt man dem Kolonnenweg Richtung Kella, stößt man auf ein weiteres Detail deutsch-deutscher Geschichte, mit Schildern beschrieben, eine „Agentenschleuse”. Durch ein Betonrohr von einem Meter Durchmesser unter den Sperranlagen sollen Agenten nachts in den Westen geschleust worden sein. In den gut kontrollierten Sperrgebieten, wo jeder jeden kannte, sollen diese Menschen und auch die Abläufe ziemlich bekannt gewesen sein. Die Orte Aspach und Sickenberg teilen mit drei weiteren Dörfern ein besonderes Schicksal: Ursprünglich zu Hessen und damit zur amerikanischen Besatzungszone gehörig, wurden sie im September 1945 im sog. Wanfrieder Abkommen gegen zwei thüringische Dörfer „getauscht”. Grund war die sog. Whisky-Wodka-Linie, die Eisenbahnverbindung Göttingen – Bebra,

die unterhalb der Burg Hanstein auf drei Kilometern durch die sowjetische Besatzungszone führte. Um sich vom sowjeti-schen Wohlwollen unabhängig zu machen, wurden Aspach, Sickenberg, Vatterode, Hennigerode und Weidenbach der sowjetischen Zone zugeschlagen.

Kartengrundlagen: Die Karte – Freizeit im Naturpark Eichs-feld-Hainich-Werratal, 1:50.000 Artifex Kartenverlag, 99947 Bad Langensalza (Grenzverlauf nicht eingetragen, entspricht aber von BABA4 bei Pferdsdorf bis B80 bei Hohengandern der Naturparkgrenze), Topograp

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Von den Muschelkalkplatten des Werraberglandes gelangt man unterhalb des Hansteins bei Hohengandern in die teil-weise lößüberdeckten Agrarebenen des mittleren und nörd-lichen Eichsfeldes. Das Eichsfeld ist aufgrund der früheren Zugehörigkeit zum Mainzer Erzbistum auch heute noch stark durch den katholischen Glauben beeinflusst. Kleine ländliche Siedlungen inmitten der Agrarlandschaft des Nordthüringer Buntsandsteinlandes prägen das Landschaftsbild. Das flachwellige Hügelland ist überwiegend landwirtschaftlich genutzt. Wo die Grenze bereits verschwunden ist, erkennt man sie aus der Luft anhand der großen Ackerschläge im Osten. In Hanglagen finden sich Wald und Grünland. An manchen Stellen ragen Muschelkalkrücken mit wertvollen Halbtrockenrasen heraus.Eine bereits 1990 durchgeführte Kartierung von Naturschutz-verbänden und der Universität Göttingen belegte, dass auch in Agrarlandschaften ohne herausragende Naturraumaus-stattung der Grenzstreifen einen Rückzugsraum für seltene und gefährdete Arten wie Laubfrosch, Schwarzkehlchen und Wachtelkönig darstellte. Die einstweilige Sicherstellung von 120 km Grünes Band lief allerdings nach wenigen Jahren ohne Fortführung aus; größere Bereiche wurden komplett umgeackert und Müllablagerungen sind an der Tagesordnung. Teilweise zeugen noch ein Stück Kolonnenweg oder eine einsame Baumreihe am Grabenrest von der Grenze.

Trotz der zum Teil sehr großflächigen Ackernutzung finden sich dennoch Gehölzinseln, Wäldchen, Kuppen mit Halb-trockenrasen, Feuchtgebiete und extensiv beweidetes Grünland. Im Rahmen des Naturschutzgroßprojektes „Grünes Band Eichsfeld- Werratal“ (www.naturschutzgrossprojekt-eichsfeld-werratal.de) soll das Grüne Band als Rückgrat im Biotopverbund erhalten und verbessert werden. Vom Grü-nen Band ausgehend will man wertvolle Lebensräume wie Fließgewässer und ihre Auen, Buchenwälder und Extensiv-grünland, Magerrasen, Heiden und Streuobstwiesen erhalten und entwickeln, ein Ansinnen, was in der Region zunächst positiv aufgenommen wurde, allerdings wegen befürchteter Nutzungseinschränkungen von Teilen der Forst- und Land-wirte abgelehnt wird, wie dies bei entsprechenden Projekten zunächst oft der Fall ist.

EichsfeldBlick vom WestÖstlichen Tor auf das Grüne Band

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THEMA Zweite Enteignung oder gemeinsamer Einsatz für den Schutz der Natur? – Eigentumsverhältnisse im Grünen BandVierzig Jahre lang war der innerdeutsche Grenzstreifen Nie-mandsland, die Menschen, die hier einmal wohnten, ackerten, von einem Dorf zum anderen wollten, wurden von ihrem Besitz ausgeschlossen, wenn sie nicht sogar in ganz andere Regio-nen der DDR umgesiedelt wurden. Kein Wunder eigentlich, dass heutige Beschränkungen des Rechts auf Eigentum sehr emotional diskutiert werden. In einem komplizierten Prozess der Rückübertragung der Flächen im Grünen Band wurden Flächen, die vierzig Jahre in Staatsbesitz waren, ehemaligen Eigentümern auf Antrag zurückgegeben. Nach der Rückübertragung haben die neu-en alten Eigentümer das Recht, diese Flächen wieder zu bewirtschaften, soweit sie keinem Schutzstatus unterliegen bzw. anderen Auflagen unterworfen sind. In der Praxis be-fanden sich einige Eigentümer im Umfeld der Grenze und hatten persönliches Interesse an der Wiederaufnahme der Nutzung. In anderen Fällen wurden die Flächen oft an Land-wirte verpachtet, teilweise mit sog. Risikopachtverträgen. Die oft zitierte These der zweiten Enteignung ließ sich von Anfang an nicht pauschal auf alle Eigentümer übertragen, da manche Eigentümer froh waren, v.a. Grenzertragsböden für Naturschutzzwecke zu verkaufen oder verpachten. Um das Grüne Band zu erhalten, hat der BUND in Thüringen mit Hilfe engagierter Spender mittlerweile etwa 135 ha im Grünen Band

erworben. Hier werden seit Ende der 90er Jahre modellhafte Naturschutzprojekte umgesetzt. Der BUND hat sich von Anfang an dafür eingesetzt, insbe-sondere die großen Flächen in öffentlichem Eigentum für den Naturschutz zu retten. Nachdem mit dem sog. Mauergrund-stücksgesetz ein Veräußerungsgebot der bundeseigenen Flächen an Privatpersonen festgehalten wurde, war ein Zer-reißen des Grünen Bandes in viele Teile zu befürchten. Der BUND betrieb dennoch umfangreiche Lobbyarbeit, letztlich mit Erfolg. 2004 bot der damalige Umweltminister Jürgen Trittin die bundeseigenen Flächen den betroffenen Bundes-ländern und verschiedenen Naturschutz-Stiftungen mit der Zweckbestimmung „Naturschutz“ an. Nach langem Ringen um die Details unter maßgeblicher Beteiligung des Freistaats Thüringen wurde 2011 schließlich auch die letzte Übertra-gungsvereinbarung unterzeichnet. In Thüringen ist bereits seit Januar 2010 die Stiftung Naturschutz Thüringen größter Flächeneigentümer mit ca. 3.900 ha. Hier werden nun nach und nach die Flächen aus der intensiven Nutzung genommen bzw. wertvolle Offenlandstandorte wieder freigestellt, damit die Artenvielfalt im Grünen Band erhalten bleibt.

In fruchtbaren Regionen bleibt teilweise nur ein kleiner Rest vom Grünen Band

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STATION 11: Westöstliches TorZwischen Ecklingerode und Teistungen befindet sich das „WestÖstliche Tor”, ein Land-Art-Projekt des BUND, gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, der Naturstiftung David und der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung.Der BUND hatte die Idee zu einer Kette von WestÖstlichen Toren auf der Grenze: Kunst und Natur sollten als Symbol von Begegnung und Erinnerung eine Symbiose eingehen. Entstanden ist das WestÖstliche Tor bei Teistungen als ein offenes Tor auf dem ehemals so menschenfeindlichen und heute so belebten Grenzstreifen mitten in Deutschland und umrahmt von Naturschutzflächen des BUND und der Heinz-Sielmannstiftung, die von Schafen offen gehalten werden.Bereits die Ausschreibung des künstlerischen Wettbewerbes und die damit verbundenen Diskussionen zwischen Künstlern und Naturschützern, zwischen „Ossis” und „Wessis” waren wertvoll für die Auseinandersetzung mit unserer jüngsten Ge-schichte. Die Jury entschied sich für das „Eichstor”, ein Modell der Landschaftsarchitekten Hubert Schätzle und Anka Förster:

Auf dem Kutschenberg bei Gerblingerode gelegen und von weitem sichtbar, ragen zwei Eichenstämme in den Himmel, die sich in der Torschwelle aus Stahl spiegeln. Während die Ei-chenstämme langsam verfallen, werden sie allmählich von den ringsum gepflanzten Bäumen und Sträuchern überwuchert.

Das WestÖstliche Tor, Symbol der Begegnung und der Erin-nerung, Symbol des Wachstums und der Natur feierte am 9. November 2001, zwölf Jahre nach dem Mauerfall Richtfest und wurde am 19. Juni 2002 von Michail Gorbatschow eingeweiht. Am 13.Juni 2012 konnte schon das zehnjährige Bestehen gefeiert werden. Das Projekt wurde von vielen Händen getragen, kommunale Vertreter waren ebenso wie Handwerker aus der Region beteiligt.

Für einen Tagesausflug bietet es sich an, das Grenzlandmu-seum bei Teistungen zu besuchen und anschließend entlang des Kolonnenweges bis zum WestÖstlichen Tor zu laufen. Schneller erreichbar ist das WestÖstliche Tor von der Straße Gerblingerode–Ecklingerode aus.

Kartengrundlagen: Topographische Karte 1:50.000 des Thüringer Landesvermessungs-amtes, Ausgabe mit Wanderwegen: Eichsfeld

Michail Gorbatschow weiht das WestÖstliche Tor ein.

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Folgt man dem Grenzstreifen nach Norden, gelangt man in die südlichen Ausläufer des Harzes, des geschichtsträchtigen, sagenumwobenen Gebirges mitten in Deutschland. Der Harz, vor dem Krieg ein Wanderparadies, war im Osten vierzig Jahre lang Sperrgebiet. Der Brocken, heute wie früher beliebtes Ausflugsziel mit Granitfelsen namens Hexenwaschbecken und Teufelskanzel, lag in der Sperrzone. So hat auch im Harz die Abgeschiedenheit im Schatten der Grenze die Natur geschützt. Im Harzvorland haben sich triassische Sedimente abgelagert, d.h. Sedimente des Muschelkalkmeeres, des Buntsandstein und des Keuper. Die Gipskarstlandschaft des Südharzes ist besonders eindrucksvoll. Karst ist die Auslaugung von Gestei-nen mit hoher Wasserlöslichkeit (in diesem Fall Gips) durch Wasser, was zur Entstehung von Felsen, Höhlen und Erdfällen, trichterförmigen Mulden führt. Ein weiteres Phänomen ist die unregelmäßige Wasserführung der Fließgewässer. An manchen Stellen verschwinden Gewässer im Untergrund und tauchen an anderer Stelle wieder auf.

Eine Gefahr für diese einzigartige Naturlandschaft, die seit Jahren als länderübergreifendes Biosphärenreservat vorge-schlagen wird, stellt der Gipsabbau dar. Wegen klimatischer und geologischer Besonderheiten ist die Gipskarstlandschaft des Südharzes mit ihren naturnahen Kalkbuchenwäldern und Kalkmagerrasen in der Rüdigsdorfer Schweiz weltweit einmalig. Zahlreichen gefährdeten Tier- und Pflanzenarten bietet der Gipskarst Lebensraum und Rückzugsmöglichkei-

ten. Für die vom Aussterben bedrohte Mopsfledermaus liegt das bedeutendste Überwinterungsquartier Deutschlands im Thüringer Südharz. Wildkatze, Feuersalamander und zahlrei-che Orchideenarten finden hier Rückzugsräume. Der BUND Thüringen hat sich seit 1990 für die Ausweisung des Südharzes als Biosphärenreservat eingesetzt. Doch keine der bisherigen Landesregierungen hat den Raubbau gestoppt, obwohl es umweltfreundliche Alternativen gibt und die Region von ei-nem sanften Tourismus in der einzigartigen Landschaft mehr profitieren würde. Der Gipsabbau zieht sich bei Walkenried direkt bis ans Grüne Band.

Immerhin, im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Thüringer Landesregierung steht, dass die Regierung bis 2012 die Ein-richtung eines Biosphärenreservats prüfen und entscheiden will. In einem ersten Schritt wurde der Südharz wenigstens als Naturpark ausgewiesen (www.naturpark-suedharz.de).An der Straße Rothesütte – Hohegeiß stoßen die Länder Niedersachsen-Thüringen-Sachsen-Anhalt aneinander. Nach Norden schließt sich der Hochharz an, der aufgrund seiner Ve-getationszonierung mit Pflanzen der montanen, hochmontanen und subalpinen Stufen und der vielfältigen und großflächigen Lebensräume als Nationalpark auf beiden Seiten der Grenze (Niedersachsen-Sachsen-Anhalt) geschützt ist.

Harz Seit mehr als zehn Jahren kämpft der BUND für den Erhalt der Gispkartslandschaft Südharz. rechts: Feuersalamander

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Blick vom Heinrich-Heineweg auf die Eckertalsperre / Luchs

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Der Harz ist eine der Erlebnisregionen aus dem Projekt „Er-lebnis Grünes Band“. Auch hier sollen Geschichte und Natur entlang der ehemaligen Grenze dem Menschen nahe gebracht werden. Im Besucherzentrum Torfhaus kann man sich über das Grüne Band, das Leben im Nationalpark und die verschiede-nen Angebote im Harz informieren

Im Harz findet man beides: Unberührte Wildnis für Luchs, Wildkatze und Auerhuhn wie auch Offenlandlebensräume für Gefleckte Keulenschrecke, Keulenbärlapp und Dukatenfalter.

STATION 12: Harzer Grenzwege

Der „Harzer Grenzweg“ führt auf alten Grenzpfaden und dem ehemaligen Kolonnenweg, entlang vom Grenzmuseum Tetten-born durch die Gipskarstlandschaft Südharz, die Okeraue und das Eckertal über den Brocken bis zum Grenzturm Rhoden, der wieder für Besucher hergerichtet wurde. Wer sich für ältere Geschichte interessiert, kann entlang der historischen Themenroute entlang der preußischen Grenze aus dem 19. Jahrhundert wandern. Vom Torfhaus ausgehend lassen sich viele weitere Routen erkunden, auch unter fach-kundiger Leitung (http://www.torfhaus.info).www.gruenes-band-harz.de

Auch in den Betonplatten herrscht Artenvielfalt / Goldhabichtskraut

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THEMA Erlebnis Grünes Band Das Grüne Band soll als einzigartiger Biotopverbund, als schützenswerter Erholungs- und Erlebnisraum und lebendiges historisches Denkmal langfristig erhalten und entwickelt wer-den. Bereits seit den 90er Jahren versuchte man, Menschen das Grüne Band nahe zu bringen ohne seltene Tiere zu stören oder Lebensräume zu beeinträchtigen. Kerngedanken waren, dass Menschen nur schützen, was sie kennen und dass man Natur und Kulturgeschichte verträglich erleben kann, wenn man Routen plant, die empfindliche Räume umgehen und in-teressante Ziele links und rechts einbezieht. Ab 2006 sollte das Thema in großem Rahmen und fundiert untersucht werden: Ziel des vom BUND wissenschaftlich begleiteten Projektes „Erleb-nis Grünes Band“ war es, mit spezifischen Erlebnisangeboten zu Natur und Geschichte den Bekanntheitsgrad des Grünen Bandes zu steigern und naturverträglichen Tourismus zu etablieren. Das Grüne Band sollte als Biotopverbund und Teil des Nationalen Naturerbes sowie als lebendiges Symbol zur Erinnerung an die deut-sche Teilung sichtbar und erlebbar sein. Mit dem Modellvorhaben wurden Bedingungen und Potentiale für die Entwicklung von nachhaltigem Tourismus entlang der frü-heren innerdeutschen Grenze erforscht.

In drei Modellregionen wurden landschaftspflegerische Maßnahmen durchgeführt, Wander- und Radwege markiert, sowie Informationstafeln und Ausstellungen erstellt. In Besu-cherzentren werden professionell geführte Touren und the-matische Veranstaltungen angeboten. Pauschalangebote für Übernachtung und Touren wurden entwickelt, die sowohl vor Ort als auch über Reiseveranstalter buchbar sind. Detaillierte Informationen hierzu finden sich auf der Internetplattform unter www.erlebnisgruenesband.de

Exkursion im Harz / Birkhahn

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Europäisches Schutzgebiet Tettautal Klettnitzgrund: früher verlief hier der Signalzaun

THEMA Schutzgebietsausweisung als Mittel zur Sicherung des GrenzstreifensNach der Wende gab es große Anstrengungen, größere Teile des Grenzstreifens durch einen Schutzstatus nach Natur-schutzrecht zu sichern. Naturschutzbehörden der Landkreise planten die Ausweisung ihrer Anteile am Grünen Band als Geschützte Landschaftsbestandteile oder Naturschutzgebiete. Von den damals geplanten Geschützten Landschaftsbestand-teilen sind allerdings auch nach zwanzig Jahren nur ein Bruch-teil endgültig gesichert, von den geplanten Naturschutzgebie-ten nur ca. 60%. Größere Teile des Grünen Bandes gerade in den Mittelgebirgen befinden sich in Großschutzgebieten wie dem länderübergreifenden Biosphärenreservat Rhön, den Naturparken und dem Nationalpark Harz sowie den Schutz-gebieten nach europäischem Naturschutzrecht (FFH-Gebiete und Vogelschutzgebiete). Eine Ausweisung als Schutzgebiet mit höherer Schutzkategorie verhindert natürlich am besten massive Eingriffe in den Naturhaushalt, ist allerdings aufwändig im Verfahren und in der Region oft schwer durchsetzbar, da mit Nutzungseinschränkungen verbunden. Während langer Planungsphasen werden häufig bereits Fakten geschaffen und Lebensräume beeinträchtigt.

Bundesamt für Naturschutz und BUND streben eine Aus-weisung des gesamten Grünen Bandes als „Nationales Na-turmonument“ an. Damit könnte dem besonderen Wert des ganzen Grünen Bandes als wichtiger Baustein im ökologischen Netzwerk Rechnung getragen werden.

Herbstzeitlose

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Sperranlagen zwischen Nord- und Südkorea (links) bzw. Ost- und Westdeutschland

Thema Grenzen trennen – Natur verbindetDie innerdeutsche Grenze war nicht die einzige unüberwindba-re Grenze: Noch heute gibt es ähnlich stark gesicherte Gren-zen, teilweise zwischen Arm und Reich, teilweise zwischen unterschiedlichen politischen Systemen. Interessant ist, auf welcher Seite die Sperranlagen liegen: Während der Eiserne Vorhang als „antifaschistischer Schutzwall“ des Kommunis-mus gebaut wurde, grenzen sich dort, wo es um Wahrung des Lebensstandards gegenüber Ärmeren geht, die reicheren Länder ab: z.B. entlang der 3144 km langen Grenze zwischen Mexiko und den USA, wo illegale Einwanderung verhindert werden soll und sich in Folge meist das lukrative, mit viel Leid verbundene Schleppergewerbe etabliert. Die Zahl der Men-schen, die bei dem Versuch, die Grenze zwischen Mexiko und den USA illegal zu überschreiten, sterben, wird auf mehrere hundert jährlich geschätzt (news.de). In Israel wurden auf 759 km Länge Sperranlagen zwischen dem israelischen Kernland und dem Westjordanland errichtet, um die Zahl der Selbstmordanschläge in Israel zu verringern. Sie bestehen aus einem schwer gesicherten Metallzaun mit Stacheldraht, einem Graben, einem Zaun mit Bewegungs-meldern, einem geharkten Sandstreifen zur Verfolgung von Fußabdrücken, einem asphaltierten Patrouillenweg, teilweise auch hohen Mauern. Kritisiert wird, dass es sich hier um eine Defacto-Annexion von Palästinensergebieten handelt, da die Grenzziehung von der des Waffenstillstandsabkommens von 1949 abweicht und insbesondere fruchtbares Land und

Zugang zu Wasser abtrennt. Auch zwischen dem israelischen Kernland und dem Gazastreifen wurden auf 54 km Sperran-lagen gebaut und eine 300 m breite Beobachtungszone ein-gerichtet, in der auch unbewaffnete Bauern unter Beschuss gerieten.Auch Europa selbst hat sich abgeschottet: Während vor allem das Mittelmeer eine natürliche Barriere bildet, die dennoch täglich Flüchtlinge oft in kleinen, überfüllten Booten zu über-winden versuchen, wurden in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla ähnlich drastische Sperranlagen errichtet, um den Strom der Flüchtlinge aus Afrika einzudämmen, die in Europa auf ein besseres Leben hoffen. Nord- und Südkoreas aktuelle Grenzsituation ähnelt der frü-heren innerdeutschen Grenze: Wie in Deutschland wurden nach dem 2. Weltkrieg Freunde und Verwandte voneinander getrennt, weil das kommunistische Regime sich zum kapita-listischen Süden abschotten wollte. Auf einer Länge von 235 km trennt ein 4 bis 10 km breites Sperrgebiet die Menschen in Nord- und Südkorea voneinander. Seit einigen Jahren wächst in Südkorea das Interesse am Projekt „Grünes Band“ bei Po-litikern, Wissenschaftlern und Naturschützern. Man hofft, die Erfahrungen aus dem deutschen Grünen Band bei einem poli-tischen Wechsel auf Korea übertragen zu können. Bleibt zu hoffen, dass auch an diesen Grenzen Kommunikation und Menschlichkeit über Ab-schottung siegen und Konflikte politisch gelöst werden!

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Die Grenze

11.9.1944 Im Londoner Protokoll wird zwischen Großbritan-nien, USA und UdSSR die Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen vorgesehen und der Verlauf der Grenze zwischen den Besatzungszonen festgelegt. Bei der Kon-ferenz von Jalta wird das Londoner Protokoll genehmigt.

8.5.1945 Die deutsche Wehrmacht kapituliert.17.9.1945 Das Wanfrieder Abkommen regelt eine Gren-

zänderung mit Tausch von fünf thüringischen gegen zwei hessische Dörfer.

30.6.1946 Die Sowjetische Militärverwaltung sperrt die De-markationslinie zu westlichen Besatzungszonen.

23.5.1949 Gründung der Bundesrepublik Deutschland7.10.1949 Gründung der Deutschen Demokratischen Republik.26.5.1952 Verordnung des Ministerrates der DDR über Maß-

nahmen an der Demarkationslinie, Einrichtung einer 5 km Sperrzone und eines 500 m breiten Schutzstreifens. In der Aktion „Ungeziefer“ wurden entlang der gesamten Grenze „nicht vertrauenswürdige“ Menschen zwangsausgesiedelt.

13.8.1961 Beginn des Mauerbaus, Aktion „Kornblume“: Wei-tere Zwangsaussiedlung aus Orten in Grenznähe.

1961–1972 Ausbau der Grenzanlagen, Verlegung von Minen, Installation von Selbstschussanlagen.

1983–1985 Abbau von Minen und Selbstschussanlagen im Zuge des Milliardenkredits an die DDR

Sommer 1989 Massenflucht von DDR-Bürgern über Buda-pest, Warschau und Prag in die BRD.

9.11.1989 Öffnung der Grenzen von der DDR zur BRD.1.7.1990 Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion BRD-DDR.3.10.1990 Beitritt der DDR zur BRD.

Das Grüne Band

Ab 1970er Jahre Systematische Erfassung des Vogelartenbe-standes, darunter Braunkehlchen, Ziegenmelker, Neuntöter und Bekassine, auf 140 km Grenzlänge im Raum Südthürin-gen / Coburg durch Aktive des Bund Naturschutz in Bayern (BN), des bayerischen Landesverbandes des BUND

Dezember 1989 Vierhundert Umweltschützer aus Ost und West treffen sich auf Einladung des BN in Hof und fordern in einstim-miger Resolution den Schutz des Grenzstreifens. Der BN ver-wendet und prägt dabei erstmals den Begriff „Grünes Band“.

Anfang 90er Jahre Mühsamer Kampf des Naturschutzes: Kartierungen, Beantragung der besonders wertvollen Ge-biete als Naturschutzgebiete, Lobbyarbeit bei Politikern und Behörden, lokale Projekte – parallel entstehen Lücken durch Ackerbau, Straßen, Aufforstung.

1993/94 Minenräumaktion – das Grüne Band gilt nun als „nach menschlichem Ermessen minenfrei“.

1995 Mit dem Mauergrundstücksgesetz wird die Rücküber-tragung der Flurstücke im Grenzgebiet geregelt. Das Mau-ergrundstücksgesetz sieht allerdings auch den Verkauf der verbleibenden bundeseigenen Flächen vor, zugunsten eines Fonds zur Förderung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Zwecke in den Neuen Ländern.

Chronik der Grenze / Chronik des Grünen Bandes

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1995 Das Land Thüringen versucht, auf dem Wege der Landent-wicklung in Arbeitsgruppen von Landnutzern, Eigentümern, Naturschutz- und Landwirtschaftsbehörden unter der Leitung der Flurneuordnungsämter zu einvernehmlichen Lösungen für das Grüne Band zu kommen.

1998 Erstes grenzüberschreitendes Arten- und Biotopschutz-programm „Steinachtal Linder Ebene“ zum Schutz des Grünen Bandes gestartet: Modellhaft wird das Grüne Band gesichert und Achsen ins Umland entwickelt.

1999 Gründung des Projektbüros Grünes Band des BUND in Nürnberg

2001/2002 Projekt „Bestandsaufnahme Grünes Band“ wird vom Bundesamt für Naturschutz gefördert – als Basis für ein überregionales Konzept zum Schutz des Grenzstreifens.

2002 Das WestÖstliche Tor als Symbol für Begegnungen über die Grenzen hinweg und für den Schutz der Natur am Grünen Band wird eingeweiht. Die Idee „Grünes Band Europa“ wird zum ersten Mal erwähnt.

2004/5 Treffen zum Grünen Band Europa – Partner aus 24 Ländern organisieren sich zum Schutz des GB Europa – der BUND wird regionaler Koordinator für das Grüne Band Zentraleuropa

2006–2008 Interreg-Projekt GREENBELT: Lückenanalyse für das GB Zentraleuropa, gemeinsame Internetseite, Studie zur Erreichbarkeit

2006–2011 Projekt Erlebnis Grünes Band – Ziel: Grünes Band erlebbar machen und gleichzeitig schützen, gefördert vom BfN und wissenschaftlich begleitet vom BUND.

2010 Naturschutzgroßprojekte „Grünes Band Rodachtal – Lange Berge – Steinachtal, initiiert vom BUND und Grünes Band Eichsfeld Werratal (Heinz-Sielmann-Stiftung) starten, gefördert vom BfN

2010 Start des Energieholzprojektes der Naturstiftung David des BUND: Ziel Evaluierung der Möglichkeit, Kosten der Landschaftspflege zu senken und Schnittgut zu verwerten

2011–2014 Interreg-Projekt GREENNET – Ziel: Konzepte für den Lückenschluss in Modellregionen

2011–2014 Projekt „Fortentwicklung der Initiative Grünes Band Europa“, in dem Kommunikationsstrategien und nachhaltige Strukturen zur europaweiten Koordination erarbeitet werden, gefördert vom BfN.

2011–2013 ENL-Projekt „Verbesserung des Offenlandbio-topverbunds am Grünen Band Thüringen“, gefördert durch ELER, zur Pflege und Innutzungsnahme wertvoller Offen-landstandorte

2011 Auf der Fachtagung „Management des Grünen Bandes“ gemeinsam durchgeführt vom BfN und BUND, wird ein Leitbild für die Biotoppflege im Grüne Band verabschiedet.

2012–2014 Projekt „Aktualisierung der Bestandsaufnahme Grünes Band mit Schwerpunkt der Veränderungen in Offenlandbereichen“ wird vom BUND im Auftrag des Bun-desamtes für Naturschutz durchgeführt.

2012–2017 Im Projekt „Lückenschluss Grünes Band“ im Rah-men des Bundesprogramms „Biologische Vielfalt“ sollen unter Trägerschaft des BUND Lücken im Grünen Band geschlossen und seitliche Vernetzungsmöglichkeiten ermittelt werden.

Linke Seite: Reste alter Sperranlagen / Grenzöffnung bei Sichelreuth / oben: Erstes Grüne-Band-Treffen in Hof / Unterzeichnung der Flächenübertragung / Unterzeichnung 2. Resolution in Hof

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Was muss getan werden, um das Grüne Band zu schützen?

Ein Hauptproblem des Naturschutzes ist der Rückgang der biologischen Vielfalt durch die Verkleinerung und Isolation von Lebensräumen. Für den Erhalt, die langfristige Ausbreitung und Wiederansiedlung gefährdeter heimischer Arten ist die Erhaltung und Entwicklung von Biotopverbundsystemen er-forderlich. Das Grüne Band kann einen bedeutenden Beitrag dazu leisten.

Wir brauchen:

» Erhalt aller Flächen des Grünen Bandes und Lückenschluss für die seit 1990 eingetretenen Flächenverluste

» Sicherung des Grünen Bandes als zusammenhängenden Biotopverbund durch die Ausweisung als „Nationales Na-turmonument“

» beschleunigte Ausweisung der Schutzgebiete: Nur ein Teil der 1990 geplanten Schutzgebiete in Thüringen sind rechts-kräftig ausgewiesen.

» Biotoppflege: Bereitstellung ausreichender Finanzmittel für die Pflege des Offenlands Nutzung vieler Formen der Landschaftspflege wie Mahd, Beweidung, Niederwaldnut-zung, regelmäßige Brennholzentnahme, Workcamps und Ehrenamtlereinsätze

» Information der Eigentümer über die Bedeutung des Grünen Bandes für den Naturschutz und über Fördermöglichkeiten für naturverträgliche Nutzung bzw. Pflege der Flächen

» Aufstockung der Fördermittel für Biotoppflege im Grenz-streifen

» Erarbeitung detaillierter Entwicklungspläne auf der Grund-lage der vorhandenen Daten

» weiterer Flächenerwerb besonders wertvoller oder gefähr-deter Gebiete durch Naturschutzverbände und -stiftungen

Pflegemaßnahme bei internationalem Workcamp-Waldhyazinthe / Bienen-Ragwurz

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Wichtige Adressen

BUND Landesverband ThüringenTrommsdorffstr. 5, 99084 ErfurtTel. 0361 / 555 03 10, Fax 555 03 [email protected]

BUND-Projektbüro Grünes BandHessestrasse 4, 90443 NürnbergTel. 0911 / 57 52 94-0, Fax 57 52 [email protected]

BUND BundesgeschäftsstelleAm Köllnischen Park 1a, 10179 Berlin030/27586-0

Ökologische Bildungsstätte Oberfranken – Wasser-schloss MitwitzUnteres Schloss, 96268 MitwitzTel. 09266 / 99 19 99 3, Fax [email protected]

BUND Kreisverband-Schmalkalden-MeiningenWintergasse 8, 98617 MeiningenTel. 036 93 / 42 [email protected]

Stiftung Naturschutz ThüringenHallesche Straße 16, 99085 ErfurtTel.: 0361 /[email protected]

Erlebnisregionen:

Region Harz Harzer TourismusverbandMarktstraße 45, 38640 GoslarTel. 05321 34040, Fax 05321 340466info(at)harzinfo.de, www.harzinfo.de

Region Thüringer Wald & Schiefergebirge/FrankenwaldRegionalverbund Thüringer Wald e.V.Krankenhausstraße 12, 98693 Ilmenau Tel.: 03677-68996-0, Fax: -6info(at)thueringer-wald.com, www.thueringer-wald.com

Region Eichsfeld HVE Eichsfeld Touristik e.V.Gülden CreutzRossmarkt 3, 37339 Leinefelde Worbis Tel: 036074 / 621650, Fax: 036074 / 62165-0info(at)eichsfeld.de, www.eichsfeld.de

Alter DDR-Grenzstein / Der BUND Thüringen veranstaltet regelmäßig Schülerprojekte

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Literaturtipps und Quellen:

» Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., Projekt-büro Grünes Band (hrsg.): Biotopmanagement im Grünen Band, Nürnberg 2012

» Christmann, Leister: „Zur eigenen Sicherheit? – Geschichte der geschleiften Höfe und ihrer Bewohner im Geisaer Amt“, Eigenverlag, ISBN 978-3-00-034850-1

» Deutsch-Deutsches Grenzlexikon, Der Eiserne Vorhang und die Mauer in Stichworten, Schriftenreihe 17, ISBN: 3-932677-17-X, herausgegeben vom: Bürgerkomitee des Landes Thüringen e.V.

» Beyer, S.: Steinachtal & Linder Ebene – Ein Naturführer durch Zeit und Landschaft, Mitwitz 2004

» Cornelius, Reiner: Vom Todesstreifen zur Lebenslinie – Natur und Kultur am Grünen“, Niederaula Auwel – Verlag, s. Kasten

» Frobel, K., Riecken, U., Ullrich, K., 2009. Das „Grüne Band“ – das Naturschutzprojekt Deutsche Einheit. Natur und Land-schaft 84 (9/10), pp. 399-403.

» Frobel et. al (2011): Erlebnis Grünes Band, Schriftenreihe Naturschutz und Biologische Vielfalt 113, Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg, 255 Seiten.

» Geidezis, L., Bausch, Th., Schlumprecht, H. (2011): Erlebnis Grünes Band – Entwicklung und Nutzung von Synergien zwischen Naturschutz und Tourismus. Natur und Landschaft 86 (12), PP. 539-542.

» Gepp, J., Schneider, A.: Perlen am Grünen Band Österreichs – Vom Eisernen Vorhang zum Naturjuwel, Leykam Graz 2012

» Kaminsky, Anne: Orte des Erinnerns: Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR, Bundeszentrale für Politische Bildung

» Klaffenboeck: GRENZgehen.

» Lang, A., Geidezis, L., Schneider-Jacoby, M. (†); Strauss, A. (2009): Das Grüne Band Europa: Gemeinsames Naturerbe als Basis für eine neue regionale Identität. Natur und Land-schaft 84 (9/10), pp. 404-408.

» Schätzlein, G. u.a.: Grenzerfahrungen Bayern – Thüringen, 3 Bde, Hildburghausen 2004 und 2005.

» Scherzer, L: Der Grenzgänger, 2005.

» Schlumprecht, H., Ludwig, F., Geidezis, L., Frobel, K.: Na-turschutzfachliche Schwerpunktgebiete im Grünen Band, BFN-Skripten 152/ 2006.

» Schlumprecht, H., Ludwig, F., Geidezis, L., Frobel, K.: Das Grüne Band – Ein Handlungsleitfaden, BFN 2006

» Schätzlein, Gerhard et. al.: Grenzerfahrungen Bayern – Thü-ringen, Band 1 bis 3, Hildburghausen 2004/ 2005

» Scherzer, Landolf: Der Grenzgänger, Berlin 2005:

» Schwaderer, G., Spangenberg, A., Schneider-Jacoby, M., Willinger, G., 2009. Grünes Band Balkan als Lebensraum für bedrohte Arten. Natur und Landschaft 84 (9/10), pp. 420-425.

» Schlumprecht, H., Kreutz, M., Lang, A., 2009. Schutzwürdige Landschaften am Grünen Band – eine europaweite Übersicht als Arbeitsgrundlage für grenzübergreifendes Management und Handeln. Natur und Landschaft 84 (9/10), pp. 409-413.

» Wilhelm, H: Wanderbegleiter Friedensweg – Entlang der thüringisch-bayerischen Grenze von Henneberg bis Birx, Hermannsfeld 2001

» Wrbka, Th., Zmelik, K., Grünweis, F. M. (Eds), The European Green Belt – Borders. Wilderness. Future. Verlag Bibliothek der Provinz Flug über das Grüne Band, Naturschutz und Biol. Vielfalt, Heft 86, 2009. DVD mit 12 S. Booklet, 10,90 €, BfN Schriftenvertrieb, www.lv-h.de/bfn

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Vom Todesstreifen zur Lebenslinie - Das Grüne Band in Thüringen 53

Wanderführer am Grünen Band

Sieben lange Sommer war Reiner Cornelius unterwegs, um das gesamte Grüne Band Deutschland zu erwandern. Das Ergebnis ist diese Buchreihe:Cornelius, Reiner: „Vom Todesstreifen zur Lebenslinie – Na-tur und Kultur am Grünen Band“, Niederaula Auwel – Verlag mit den Bänden: » Küste – Schaalsee (2009) » Elbe-Wendland (2009) » Harz (2012) » Eichsfeld-Werrabergland (2009) » Wartburg – Werra – Rhön (2010) » Von der Rhön zum Thüringer Wald (2011) » Frankenwald/Vogtland (2012)

Webseiten:

www.dasgrueneband.infowww.europeangreenbelt.orgwww.erlebnisgruenesband.dewww.gruenes-band-wandern.de

Bildautoren

(K=Bild im Kreis)Ralf-Uwe Beck (37), Stefan Beyer (2, 11K, 14, 14K unten, 24K1, 31K, 56li.), Susanne Beyer (7K), Bildarchiv BN (14K, 15K, 16K, 27li, 29K, 34K, 39K1, 39K3, 44K1, K3, 49li), Klaus Fink (10, 37K), Stefan Fredlmeyer (13), Kai Frobel (TitelK67, 7k, 16, 23, 45K, 47, 48re), Ralf Göring (2k), Stephan Gunkel (31, 32K, 33, 34re), Frank Henkel (7K, 17K), Kison (44), Isaak Kirsch (10), Matthias Kirsten (49re), Karin Kowol (TitelK2, TitelK3, 4K, 5, 6K1, 6K2, 8, 8K, 9, 9K, 11, 12, 15, 17, 19, 20, 21, 23K, 24, 25K, 26, 27, 28, 29, 35K, 36, 36K, 38K, 39K2, 41, 44K2, 46, 46K, 56re), Melanie Kreutz (TitelseiteK4, K5, 26K, 35K2, K3, 44, 50K1, K2, Klaus Leidorf (Titel, 6, 10, 22, 25, 32, 35, 38, 39, 40), Dieter Leupold (50), Ilke Marschall (34li), Thomas Stephan (35re), Eun-jin Park (47k), Alexander Purps (4), Ernst Sammer (49 Mitte), Thomas Saupe (30), Helmut Schlumprecht (3K, 21K, 35K1), Jürgen Schmidl (42, 42K), Edith Spanknebel (3, 56K), Dr. Burkhard Vogel (24k2), Thomas Wey (TitelK1, 7, 18, 18K, 20, 8K, 32K, 35K3, 51), Klaus Winter (22K)

Sonderangebote exklusiv für BN-MitgliederGesamtserie (7 Bände): 135 €, Teilserien (3 Bände): 60 €

Lesegenuss und Bilder im Überschwangdazu Tourenvorschläge für Radler und Wanderer

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Vom Todesstreifen zur Lebenslinie - Das Grüne Band in Thüringen54

Prof. Dr. Hubert WeigerBUND-Vorsitzender

schützt und erhält gemeinsam mit dem BUND die Vielfalt der Natur und denReichtum seltener Arten am 1.393 Kilometer langen ehemaligen

innerdeutschen Grenzstreifen.

Grünes-Band-Patenschaft

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Dr. Manfred von Mustermann

BUND_100925_GB-Paten_Bestaetig_mehrfach_2012 22.10.12 15:48 Seite 3

1.393 kostbare Kilometer – Schüt-zen Sie als Pate das Grüne Band!

Nur mit Ihrer Hilfe kann das Grüne Band überleben!Die einzigartige Natur entlang der inner-deutschen Grenze ist gefährdet. Auf 1.393 Kilometern Länge leben im Grünen Band über eintausend bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Fischotter, Braunkehlchen und Lungenenzian gehören dazu. Doch Bewirtschaftung und Bebauung drohen das Grüne Band zu zerstören. Mit Ihrer Spende können wir den ein-zigartigen Biotopverbund Grünes Band nachhaltig schützen und erhalten. Ab einer Spende von 5 Euro monatlich erhalten Sie Ihre persönliche Patenschaftsurkunde.Werden Sie Pate des Grünen Bandes!

Online: www.bund.net/patenschaften, Email: [email protected] Telefon: 030 / 275 86-429

Herzlichen Dank!

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Vom Todesstreifen zur Lebenslinie - Das Grüne Band in Thüringen

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EschwegeMühlhausen

Eisenach

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Schiefer-gebirge

WestÖst liches Tor

Steinachtal Linder Ebene

Heiligenstadt

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Das Grüne Band in Thüringen im Text beschriebene Stationen Hauptankaufsgebiete des BUND Thüringen

Das Grüne Band in ThüringenHier finden Sie die im Text beschriebenen Stationen und die Ankaufsgebiete des BUND Thüringen

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Spur in der Landschaft Eine Reise entlang des Grünen BandesBereits vor der Öffnung der innerdeutschen Grenze entdeckten Biologen des BUND, dass ausgerechnet im Schatten von Stachel-draht und Beobachtungstürmen seltene Tiere und Pflanzen ein Refugium gefunden hatten. Schon 1989 luden sie Naturschützer aus DDR und BRD ein, sich auszutauschen und dieses „Grüne Band“ zu bewahren. Seitdem bemühen wir uns um seinen Schutz.

Diese Broschüre möchte einen Eindruck vermitteln von den Schätzen am Grünen Band und der aufwändigen Arbeit, unsere Natur zu erhalten. Folgen Sie uns auf einer Reise am Grünen Band von der Saale bis zum Harz!