Stadt mit Energie-Effizienz SEE Stuttgart...Fraunhofer-Institut für Bauphysik Nobelstr. 12 70569...

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Bericht S tadt mit E nergie-E ffizienz SEE Stuttgart Abschluss Phase 2 Arbeitsplan Phase 3 Dezember 2010 Landeshauptstadt Stuttgart in Kooperation mit EnBW Energie Baden-Württemberg AG Fraunhofer-Institut für Bauphysik Universität Stuttgart

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  • Bericht

    Stadt mit Energie-Effizienz

    SEE Stuttgart

    Abschluss Phase 2

    Arbeitsplan Phase 3

    Dezember 2010

    Landeshauptstadt Stuttgart

    in Kooperation mit

    EnBW Energie Baden-Württemberg AG

    Fraunhofer-Institut für Bauphysik

    Universität Stuttgart

  • Impressum

    Gesamtprojektleitung

    Landeshauptstadt Stuttgart

    Amt für Umweltschutz

    Abteilung Energiewirtschaft

    Gaisburgstr. 4

    70182 Stuttgart

    beteiligte Partner

    EnBW

    Energie Baden-Württemberg AG

    Kriegsbergstraße 32

    70174 Stuttgart

    Fraunhofer-Institut für Bauphysik

    Nobelstr. 12

    70569 Stuttgart

    Universität Stuttgart

    Keplerstr. 7

    70174 Stuttgart

    Autoren

    Jürgen Görres, Hans Erhorn, Markus Friedrich, Richard Beck,

    Mihaela Berechet, Ludger Eltrop, Marlies Härdtlein, Martin Kranert, Benjamin Rabenstein, Bernd

    Raubal, Nino Schäfer, Johannes Schrade, Manfred Wacker, Sandra Wassermann.

    Das Vorhaben wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

    Förderkennzeichen: 03SF0365

    Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.

  • Inhalt

    1 Ziele 1

    1.1 Gesamtziel des Vorhabens 1

    1.2 Wissenschaftliche und technische Arbeitsziele des Vorhabens 3

    1.3 Übertragbarkeit und Anwendungspotenzial 6

    1.4 Projektkonsortium 6

    2 Ausgangssituation 8

    2.1 Bevölkerung 8

    2.2 Wirtschaft 8

    2.3 Topographie und Flächennutzung 9

    2.4 Klima 9

    2.5 Gebäudebestand 9

    2.6 Verkehr 12

    2.7 Energieversorgung 13

    2.8 Stand der Wissenschaft und Technik 14

    2.8.1 Gebäude 14

    2.8.2 Verkehr 14

    2.8.3 Ver- und Entsorgung 15

    2.8.4 Entscheidungsprozesse und Verhalten von Privatpersonen 16

    2.9 Arbeiten der Antragsteller 17

    3 Ergebnisse der zweiten Projektphase 21

    3.1 Makroskopisches Bilanzmodell 21

    3.1.1 Modellbeschreibung 21

    3.1.2 Teilmodell Energieversorgung 23

    3.1.3 Teilmodell Verkehr 30

    3.1.4 Teilmodell Stoffströme 33

    3.1.5 Ergebnisse 36

    3.2 Entwicklung und Bewertung von Maßnahmen 48

  • Inhalt

    3.2.1 Maßnahmen Verkehr 51

    3.2.2 Maßnahmen privater Konsum / Haushalte 54

    3.2.3 Maßnahmen öffentliche Einrichtungen und Dienstleistungen 56

    3.2.4 Maßnahmen Industrie und GHD 57

    3.2.5 Maßnahmen Energieerzeugung 58

    3.3 Gesamtschau und Bewertung der Maßnahmen 58

    3.4 Umsetzungskonzepte für Maßnahmen 59

    4 Ausführliche Beschreibung des Arbeitsplans Phase 3 61

    4.1 AP 1: Modellspezifikation und Erarbeitung von Umsetzungskonzepten 61

    4.2 AP 2: Weiterentwicklung des makroskopischen Bilanzmodells 61

    4.3 AP 3: Entwicklung eines mikroskopischen Bilanz- und Strategiemodells 61

    4.3.1 AP 3.1 Entwicklung Haushaltsmodell 63

    4.3.2 AP 3.2 Anpassung existierender Modelle für Sektoren 64

    4.3.3 AP 3.3 Verknüpfung der Teilmodelle 66

    4.3.4 AP 3.4 Datenversorgung und Modellkalibration 67

    4.3.5 AP 3.5 Modellanwendung 67

    4.4 AP 4: Abschätzung von Optimierungspotenzialen 68

    4.5 AP 5: Entwicklung einer Energie Road Map bis 2050 70

    4.6 AP 6: Umsetzung von Maßnahmen 70

    4.6.1 AP 6.1: Umsetzung konkreter Maßnahmen im Bereich öffentlicher Einrichtungen und

    Dienstleistungen 70

    4.6.2 AP 6.2: Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung eines energieeffizienten Verhaltens

    von Privatpersonen 72

    4.6.3 AP 6.3: Entwicklung eines Contracting Modells für Wohngebäude 76

    4.6.4 AP 6.4: Umsetzung von Maßnahmen in Gewerbe, Handel und Dienstleistung 81

    4.6.5 AP 6.5: Umsetzung von Maßnahmen in der Energieversorgung 81

    4.6.6 AP 6.6: Energieerzeugung mit erneuerbaren Energien 82

    4.6.7 AP 6.7: Kommunikationsstrategien 84

  • Inhalt

    4.7 AP 7: Evaluierung der Maßnahmen und Erfolgskontrolle 88

    4.8 Meilensteinplanung 89

    5 Verwertungsplan 89

    6 Netzplan 90

    7 Finanzierungsplanung für Projektphase 3 90

    8 Notwendigkeit der Zuwendung 91

    9 Literaturverzeichnis 92

    Anhang 1: Ergänzende Tabellen

    Anhang 2: Forschungsprojekte im Zusammenhang mit dem hier geplanten Vorhaben

    Anhang 3: Maßnamenkatalog

  • SEE Stuttgart

    1

    1 Ziele

    1.1 Gesamtziel des Vorhabens

    Voraussetzung für eine zukunftsfähige Gesellschaft ist neben ökonomischem Wohlstand und

    sozialer Wohlfahrt auch eine intakte Umwelt. Hierzu ist es erforderlich, die Emissionen an

    Schadstoffen – insbesondere klimarelevanter Schadstoffe – deutlich zu reduzieren und den

    Ressourcenverbrauch effizienter zu gestalten. Ziel ist dabei, eine nachhaltige Energieversorgung

    aufzubauen. Hierzu muss der Energieverbrauch auf ein Minimum begrenzt und der verbleibende

    Energiebedarf mit dem lokalen Energieangebot gedeckt werden. Diese Umgestaltung der Energie-

    versorgung ist eine zentrale Aufgabe insbesondere für die Kommunen als Träger öffentlicher

    Belange, die es zu lösen gilt, damit Städte zukunftsfähig bleiben.

    Stuttgart hat in diesem Bereich in der Vergangenheit bereits Maßnahmen erfolgreich umgesetzt.

    Dazu gehört seit über 30 Jahren ein Energiemanagement für die stadteigenen Liegenschaften, das

    mit einem zentralen Controlling, energetischen Vorgaben, einem stadtinternen Contractingmodell,

    über 30 Anlagen mit erneuerbaren Energien und insbesondere mit vorbildhaften, energetischen

    Demonstrationsvorhaben den Energie- und Wasserverbrauch signifikant reduziert hat. Mit

    vertraglich abgesicherten Energievorgaben in privaten Bauvorhaben, einem Förderprogramm im

    Energiebereich und einem Energieberatungszentrum für Privatpersonen im Wohnbau wurden

    bereits richtungsweisende Ansätze in der Stadt begonnen. Mit dem Projekt Stadt mit Energie-

    effizienz (SEE Stuttgart) sollen diese Ansätze ausgebaut, vorangetrieben und in eine Strategie für

    die ganze Stadt münden.

    Die hohe Importabhängigkeit Deutschlands bei derzeit stark steigenden Preisen auf den Welt-

    energiemärkten erfordert weiterreichende Schritte der Energieeinsparung und Effizienzsteigerung.

    Städte und Kommunen müssen in diesem Prozess Weitsicht üben und sich mit möglichen

    Veränderungen strategisch auseinandersetzen, um bei einsetzenden signifikanten Veränderungen

    rechtzeitig reagieren zu können. Hierzu gehören neben der kurzfristigen Anpassung der Energie-

    versorgung an sich verändernde wirtschaftliche Randbedingungen auch die mittelfristige

    Auseinandersetzung mit möglichen demographischen und strukturellen Veränderungen im

    Einzugsgebiet, sowie die langfristige Ausrichtung der Struktur der Energieversorgung an die

    Qualität und Quantität des regionalen Energieaufkommens. In diesen Prozess müssen alle

    Beteiligten einer Kommune eingebunden werden.

    So unumstritten die Notwendigkeit zur Energieeinsparung und Ressourceneffizienz in Gesellschaft

    und Politik ist, so schwierig gestaltet sich die Festlegung auf konkrete Ziele sowie die

    Verständigung über die „richtigen“ Strategien und Maßnahmen. Ursachen dafür sind unter

    anderem die Schwierigkeiten bei der Wirkungsbeurteilung von Maßnahmen im Rahmen der

    Formulierung von politischen/planerischen Strategien (generelle Wirksamkeit als auch der Beitrag

  • SEE Stuttgart

    2

    von Maßnahmen zur treffsicheren Erreichung der Ziele) und die Unsicherheit über Art und Umfang

    von Opportunitätskosten im Falle der Zielerreichung und mögliche sozialen Verteilungswirkungen

    von Kosten. Ein geeignetes Werkzeug kommunaler Strategieplanung können Modelle sein, mit

    denen die Wirkungen verschiedener Maßnahmen im Hinblick auf ihre individuelle wie auch

    kumulative Wirksamkeit bewertet werden können. Vor diesem Hintergrund soll mit dem Projekt

    SEE ein makro- und mikroskopisches Bilanz- und Strategiemodell zur Flankierung der

    kommunalen Strategie- und Maßnahmenplanung entwickelt werden. SEE unterstützt als

    makroskopisches Modell die synoptische Bilanzierung sektoraler Energieverbräuche. Auf dieser

    Basis sollen realistische Minderungsziele mit sektoralen „Umsetzungspflichten“ formuliert werden.

    Als mikroskopisches Modell zielt SEE auf die individuellen Verhaltensweisen von einzelnen

    Akteuren (insbesondere der privaten Haushalte) als Reaktion auf gewählte bzw. geplante

    Maßnahmen. Hier geht es um die Beurteilung der Wirksamkeit von Einzelmaßnahmen basierend

    auf definierten Verhaltens- und Reaktionswahrscheinlichkeiten.

    Das Projekt SEE verfolgt dazu folgende Ziele:

    1. Entwicklung eines makroskopischen Bilanzmodells

    2. Entwicklung eines mikroskopischen Strategiemodells

    3. Identifizierung von Optimierungspotenzialen

    4. Erstellung einer Road Map Energie bis zum Jahr 2050

    5. Umsetzung identifizierter Maßnahmen

    6. Evaluierung der Maßnahmen und Erfolgskontrolle

    Im Folgenden werden diese Teilziele genauer dargelegt.

    Das Projekt SEE unterstützt so eine systematische Herleitung kommunaler Strategien zur

    Ressourceneinsparung, die Auswahl geeigneter Maßnahmen und das Monitoring ihrer

    Wirksamkeit. SEE sieht im Sinne einer Langzeitentwicklung und einer Lebenszyklusbetrachtung

    eine Betrachtung der energetischen Prozessketten im gesamten Stadtgebiet vor. Damit soll

    sichergestellt werden, dass die Steigerung der Energieeffizienz und die Erreichung von gesetzten

    Minderungszielen ohne (nicht erkannte) regionale und/oder überregionale Transfers von negativen

    Externalitäten erfolgt. Auch sollen soziale Verteilungswirkungen von Opportunitäts- bzw.

    Anpassungskosten stets mit betrachtet werden. In dieser Betrachtung müssen alle Sektoren einer

    Stadt einbezogen werden.

    Die in der zweiten Projektphase für das Stadtgebiet Stuttgart durchgeführte Makrobilanzierung der

    Energieflüsse und eine darauf aufbauende Wirksamkeitsabschätzung absehbarer Entwicklungen

    und potenzieller Maßnahmen zeigt, dass das Ziel einer 20 % Reduzierung des Energieverbrauchs

    bis 2020 erreichbar ist. Die dazu notwendigen Effizienzsteigerungen müssen in allen Sektoren

    über einen bestimmten Zeitraum verteilt umgesetzt werden. Die Bereitschaft für die Umsetzung ist

    Optimierungs-

    potenziale

    identifizieren

    Erfolgskontrolle:

    Wirkungen

    monitoren

    Optimierungs-

    maßnahmen

    umsetzen

    Bilanz und

    Strategiemodell

  • SEE Stuttgart

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    unterschiedlich vorhanden. Entsprechend müssen Dienstleistungsmodelle entwickelt werden, um

    möglichst viele Bereiche (Bürger, Wohnungseigentümer, Industriefirmen, ...) zu motivieren und zu

    sensibilisieren. Damit dies gelingt, ist eine kontinuierliche Bilanzierung im Makromaßstab aber

    auch im Mikromaßstab über einen längeren Zeitraum notwendig. Damit die Umsetzung dieses

    gesamten Prozesses gelingt, sind flankierende Kommunikationsmaßnahmen notwendig, die sich

    auf die Stadt selbst und auf die Akteure der Stadt sowie auf private Haushalte beziehen.

    1.2 Wissenschaftliche und technische Arbeitsziele des Vorhabens

    Ausgehend von der Vorstellung, dass jeder Energieverbrauch durch Aktivitäten menschlicher

    Individuen verursacht wird, kombiniert das Projekt SEE zur Bilanzierung und Optimierung des

    Energieverbrauchs einen Top-Down1 Ansatz mit einem Bottom-Up1 Ansatz.

    Entwicklung eines makroskopischen Bilanz- und Strategiemodells

    Ein Stadtgebiet wird im Bereich der leitungsgebundenen Energien in der Regel von einem

    Netzbetreiber versorgt. Daher ist es möglich, zentrale Kennwerte für die Energieversorgung des

    Stadtgebietes aufzubereiten und mit Kennwerten der nicht leitungsgebundenen Energien zu

    ergänzen. Mittels eines Top-Down Ansatzes wird so der gesamte Energieverbrauch der Stadt

    Stuttgart erfasst und mit Hilfe eines makroskopischen Bilanzmodells den einzelnen Sektoren

    (Haushalt, Industrie, Verkehr, Gewerbe/Handel, Dienstleistung) zugeordnet. Dieser Ansatz kann

    später zu einem Benchmarksystem für andere Kommunen ausgeweitet werden.

    Entwicklung eines mikroskopischen Bilanz- und Strategiemodells

    Für die Sektoren Haushalt, Verkehr und Dienstleistungen, die den Kern des städtischen

    Lebensraums bilden, wird das makroskopische Bilanzmodell mit einem Bottom-Up Ansatz zu

    einem mikroskopischen Strategiemodell erweitert. Das Strategiemodell ermöglicht es, die

    Wirkungen menschlichen Handelns auf der Ebene des Individuums, die Wirkungen politischer

    Entscheidungen und die Wirkungen technischer Maßnahmen in Hinblick auf den Energiebedarf

    und die Anteile erneuerbarer Energien abzuschätzen. Entsprechend dem Verursacherprinzip wird

    beim Bottom-Up Ansatz der Energieverbrauch auf der Mikroebene den nachfolgenden Objekten

    zugeordnet und dann über alle Objekte aufsummiert:

    • private Personen und Haushalte: Energie für Wohnen, privaten Konsum, privaten Verkehr.

    • öffentliche Einrichtungen: Energie für Gebäude und Betrieb der Einrichtungen.

    1 Mit Top-Down und Botton-Up werden verschiedene Vorgehensweisen in der Analyse bezeichnet. Während

    der Top-Down ansatz vom Allgemeinen und Abstrakten ausgeht und Folgerungen zum Spezielen und

    Konkreten ableitet geht der Botton-Up-Ansaz den umgekehrten Weg, vom Speziellen zum übergeordneten

    Allgemeinen.

  • SEE Stuttgart

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    • öffentliche Dienstleistungen: Energie für Straßenbeleuchtung, Wasserversorgung,

    Abfallentsorgung.

    • Gewerbe/Handel/Industrie: Energie für Gebäude, Produktion, Personenwirtschaftsverkehr,

    Güterwirtschaftsverkehr.

    Identifizierung von Optimierungspotenzialen

    Die Anwendung des Bilanz- und Strategiemodells ermöglicht es, verschiedene Szenarien für eine

    zukünftige Entwicklung der Stadt Stuttgart durchzuspielen, so dass relevante Handlungsfelder und

    effiziente Maßnahmen identifiziert und priorisiert werden können. Ziel des Forschungsvorhabens

    ist es, Optimierungspotenziale in Städten in den Bereichen Wohnen, Verkehr, Versorgung und

    Entsorgung zu quantifizieren und Maßnahmen zur Nutzung der Potenziale im Hinblick auf ihre

    Wirksamkeit, Finanzierbarkeit und Durchsetzbarkeit zu bewerten.

    Unter Verwendung von Erfahrungen der Stadt Stuttgart im Energie- und Verkehrsbereich (cities for

    mobility, energetische Modellvorhaben, kommunales Energiemanagement, Begleitung von

    privaten Neubauvorhaben, Energieberatung von Bauherren, Energie- und Klimaschutzkonzept)

    und partiellen Kennwerten aus Pilotobjekten, wie z. B. der EU Concerto oder EU ecobuildings-

    Initiative oder den Demonstrationsprojekten des BMWi Förderschwerpunkts EnOB und EnEff-Stadt

    sowie des BMVBS Förderschwerpunkts „Nachhaltige Stadtentwicklung“ sollen mit dem

    entwickelten Modell Potenziale zur Energieoptimierung abgeschätzt werden. Darüber hinaus

    erlaubt ein systematisch angelegter Screeningprozess die erschließbaren Potenziale einzelner

    Sektoren besser einzugrenzen.

    Road Map Energie bis 2050

    Mit den erarbeiteten wirtschaftlich erschließbaren Optimierungspotenzialen kann eine langfristige

    dynamische Energie Road Map unter Annahme verschiedener Entwicklungsstrategien erarbeitet

    werden. Das bereitgestellte Werkzeug erlaubt es, sich verändernde Prozesse kontinuierlich in die

    Entscheidungsfindungsprozesse der städtischen Organe einzubinden und an die Evaluierungs-

    ergebnisse anzupassen. Als quantifizierbare Zielwerte werden Energiebedarf und Anteil an

    erneuerbaren Energien als Hauptindikatoren geführt. Das langfristige Ziel der Energie Road Map

    ist es, den Energiebedarf der Stadt an das lokale Energieangebot anzupassen und so die

    Importabhängigkeit des Rohstoffs Energie zu senken.

    Umsetzung von Maßnahmen

    Aus den Erfahrungen bisheriger Demonstrationsprojekte auf europäischer und nationaler Ebene

    hat sich gezeigt, dass die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand entscheidend ist für die Akzeptanz

    von Maßnahmen im privaten Bereich. Daher gilt es, kurzfristig signifikante Effizienz-

    verbesserungen im Bereich der öffentlichen Einrichtungen zu realisieren und zu kommunizieren.

  • SEE Stuttgart

    5

    Parallel sind die Dienstleistungen im privaten und öffentlichen Bereich auszubauen. Hier gilt es

    besonders neue innovative Ansätze zu erproben und zu neuen Geschäftsfeldern weiter zu

    entwickeln.

    Ein besonderes Verbesserungspotenzial wird im Bereich der Gebäudesanierung gesehen. Die

    derzeitigen Sanierungsraten im Gebäudebestand liegen bei unter 2 % im Jahr; der Sanierungsstau

    ist besonders ausgeprägt im Bereich der privaten Gebäudebesitzer. Viele Eigentümer scheuen

    sich aufgrund der Komplexität der Aufgabe derartige Arbeiten einzuleiten. Im Projekt sollen daher

    alternative Werkzeuge für diese Bevölkerungsgruppe entwickelt und pilothaft angewendet werden.

    Als innovative Dienstleistung soll ein Contractingmodel für Privathaushalte unter Einbindung

    unterschiedlicher Mittelgeber, Anbieter und Leistungsnehmer entwickelt und getestet werden.

    Um das energieeffiziente Verhalten von Privatpersonen zu fördern, wird ein spezielles Analyse-

    und Optimierungsprogramm für private Haushalte entwickelt. Ähnlich dem Energiepass für

    Gebäude wird ein Instrument erstellt, das den Energieverbrauch im Haushalt (Heizung, elektrische

    Geräte, Fahrzeuge) und aller Aktivitäten der Haushaltsmitglieder (Verkehrsverhalten, Konsum-

    verhalten) dokumentiert. Mit Hilfe eines Energie-Benchmarking werden die Haushaltsmitglieder

    über die Qualität ihrer technischen Geräte und über ihr energierelevantes Verhalten informiert.

    Darauf aufbauend wird für jeden Haushalt ein individuelles Optimierungsprogramm erstellt.

    Im Bereich Sektor Gewerbe, Handel und Dienstleistung sollen mittels eines von der Kommune

    moderierten „runden Tisches“ die bisherigen Erfolge ausgebaut und kommuniziert werden. Die

    Maßnahme soll im Erfolgsfall im Laufe des Projektes auch auf den Industriesektor ausgeweitet

    werden.

    Der Energieversorgungssektor wird durch verschiedene Maßnahmen die Effizienzsteigerung der

    Stadt unterstützen. Neben dem Aufbau einer Biogasanlage ist der Ausbau der Fernwärme mittels

    Verdichtung des derzeitigen Netzes vorgesehen, sowie die Erstellung einer biomassegefeuerte

    Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage. Begleitend soll die Steigerung der thermischen und photo-

    voltaischen Solaranlagen im Stadtgebiet gezielt vorangetrieben werden.

    Um sicherzustellen, dass die skizzierten Maßnahmen auch die Bedürfnisse der privaten Haushalte

    und der betroffenen korporativen Akteure der Stadt berücksichtigen, wird ihre Umsetzung

    kommunikativ begleitet. Ausgewählte Maßnahmen werden darüber hinaus von Beginn an durch

    Beteiligungsverfahren unterstützt, um einerseits die Akzeptanz für die Maßnahmen zu erhöhen

    und um andererseits das spezifische Wissen von Stakeholdern für die Ausgestaltung der

    Maßnahmen zu nutzen.

  • SEE Stuttgart

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    Evaluierung der Maßnahmen und Erfolgskontrolle

    Alle energierelevanten Maßnahmen im Gebiet der Stadt Stuttgart werden mit Hilfe des Bilanz- und

    Strategiemodells erfasst und bewertet. Das Bilanz- und Strategiemodell soll ein kontinuierliches

    Controlling der Energieströme in der Stadt Stuttgart ermöglichen und die Wirksamkeit der

    gewählten Maßnahmen dokumentieren. Die Evaluierung der umgesetzten Maßnahmen soll sowohl

    im mikroskopischen als auch im makroskopischen Bereich erfolgen. Hierzu werden die

    ausgewählten öffentlichen Liegenschaften und die noch zu definierenden Bereiche wie z.B. eine

    Stichprobe von Privathaushalten einem längerfristigen Energiemonitoring unterzogen. Darüber

    hinaus wird über die Entwicklung des leitungsgebundenen Gesamtenergieverbrauchs auf der

    Kommunengemarkung regelmäßig durch den Energieversorger berichtet.

    1.3 Übertragbarkeit und Anwendungspotenzial

    Die Ergebnisse des Projekts sind in die bereits existierenden Ansätze der Stadt im Umweltschutz

    zu integrieren. Hierzu zählt ein im Jahr 2007 entwickeltes 10-Punkteprogramm des

    Oberbürgermeisters, in welchem die Aufgabenfelder der Klimaschutz- und Energiepolitik

    zusammengefasst sind.

    Die im Projekt SEE entwickelten Erkenntnisse sollen in einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit mit

    möglichst vielen Beteiligten in Stuttgart diskutiert und weiter vorangetrieben werden. Nur so lassen

    sich Bewusstseinsveränderungen bei den Einwohnern in Stuttgart aber auch bei den

    Entscheidungsträgern in der Politik, in der Industrie, in der Wirtschaft, in der Energieversorgung

    oder wo auch immer erreichen. Außerdem ist die Stadt in verschiedenen nationalen (Deutscher

    Städtetag) und internationalen Netzwerken (Rat der Gemeinden und Regionen in Europa, Energie

    Cités, Klimabündnis) vertreten, die eine Verbreitung der Ergebnisse sicherstellen. Darüber hinaus

    müssen aber auch von Seiten der Stadt in ihrem Einflussbereich Entscheidungen herbeigeführt

    werden, die den Wandel zur nachhaltigen Energieversorgung unterstützen und sicherstellen.

    1.4 Projektkonsortium

    Das Projektkonsortium umfasst als Projektpartner die Landeshauptstadt Stuttgart, die Energie

    Baden-Württemberg AG, das Fraunhofer-Institut für Bauphysik und die Universität Stuttgart.

    • Die Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) fungiert als Projektkoordinator. Die Stadt übernimmt die

    Moderatorenrolle und bringt wissenschaftliche Einrichtungen und die notwendige Akteuren in

    Stuttgart zusammen. Sie übernimmt die Aufgabe, Entscheidungsträger einzubinden, die

    notwendigen Maßnahmen weiterzuverfolgen und deren Umsetzung langfristig sicherzustellen.

  • SEE Stuttgart

    7

    • Die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) bringt Ihre Erfahrung als Betreiber von

    Energieversorgungsanlagen und Verteilernetzen in das Vorhaben ein. Dies beinhaltet auch die

    Expertise aus Praxistests regenerativer Versorgungsanlagen.

    • Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) ist maßgeblich für die Erstellung der Gesamtbilanz,

    für die makroskopische Modellbildung des Energieverbrauchs im Gebäudebereich und sich

    daraus ableitenden Verbesserungspotenzialen, für die mikroskopische Modellvertiefung im

    Gebäudebereich und die Erarbeitung von Umsetzungsstrategien für den Sektor öffentliche

    Einrichtungen und Dienstleistungen und für die Entwicklung der Road Map zuständig

    • Die Universität Stuttgart (UniS) ist an der Modellentwicklung und der Identifizierung von

    Optimierungspotenzialen beteiligt. Im Rahmen des makroskopischen Bilanzmodells übernimmt

    sie den Bereich Verkehr und Entsorgung. Beim mikroskopischen Bilanz- und Strategiemodell

    liegt der Schwerpunkt auf dem Bereich der privaten Haushalte. Sie bearbeitet das Arbeitspaket

    Energieerzeugung mit erneuerbaren Energien und entwickelt außerdem Kommunikations-

    strategien für die Maßnahmenumsetzung. Am Projekt sind folgende Institute beteiligt, die in der

    dritten Projektphase bei Bedarf um weitere Institute erweitert werden:

    • Institut für Eisenbahn- und Verkehrswesen (IEV)

    • Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendungen (IER)

    • Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung (IREUS)

    • Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft (iswa), Lehrstuhl für

    Abfallwirtschaft und Abluft

    • Institut für Straßen- und Verkehrswesen (ISV), Lehrstuhl für Verkehrsplanung und Verkehrs-

    technik (VuV)

    • Interdisziplinärer Forschungsschwerpunkt Risiko und Nachhaltige Technikentwicklung

    (ZIRN).

    Kooperativ werden in das Projekt SEE eingebunden:

    • ADAC Württemberg e. V.

    • Architektenkammer Baden-Württemberg

    • Banken

    • Deutsches Zentrum für Luft- und

    Raumfahrt

    • Einzelhandelsverband Baden-

    Württemberg

    • Energieberatungszentrum Stuttgart

    • Flughafen Stuttgart

    • Handwerk in Stuttgart

    • Industrie: Bosch, Daimler AG

    • Kirchen

    • Mieterverein

    • Stuttg. Haus- und Grundbesitzerverein e.V.

    • Stuttgarter Straßenbahn AG

    • Südwestverband Brennstoff-/Mineralöl-

    handel

    • Wohnbauunternehmen

    • Verkehrsclub Deutschland Kreisverband

    • Verkehrswacht Stuttgart e. V.

  • SEE Stuttgart

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    2 Ausgangssituation

    2.1 Bevölkerung

    Gegenüber 1990 ist die Einwohnerzahl 1990 von 598.698 auf 593.070 Ende 2008 leicht gesunken.

    Momentan ist aber ein Wachstum der Bevölkerung zu verzeichnen. Gemäß der Prognose des Sta-

    tistischen Amtes wird die Einwohnerzahl in Stuttgart zunächst noch leicht ansteigen und ab etwa

    2018 zurückgehen. Für das Jahr 2025 wird mit 594.500 ein ähnlicher Bevölkerungsstand erwartet

    wie im Jahr 2009.

    Im Jahr 2008 stellten die jungen Erwachsenen zwischen 18 und unter 35 Jahren über ein Viertel

    der Stuttgarter Bevölkerung, während der entsprechende Wert auf Landesebene bei lediglich 20 %

    lag. Hingegen ist der Anteil der 40- bis unter 60-Jährigen im Vergleich zum Land geringer

    ausgeprägt. Da anhaltend vor allem junge Menschen nach Stuttgart wandern und hier dazu

    beitragen, dass auch weiterhin viele Kinder geboren werden, fällt die Alterung im Vergleich zu

    anderen Städten und Regionen Baden-Württembergs gering aus. Das Durchschnittsalter wird sich

    entsprechend nur geringfügig von 42 auf 43 Jahre erhöhen.

    Ende 2008 hatten 38,5 % der Stuttgarter einen Migrationshintergrund, zumindest bis zum Jahr

    2018 wird dieser Anteil weiter steigen. Insgesamt deuten die Ergebnisse der Einwohnerprognose

    auf eine vorübergehende Abschwächung der Prozesse des demografischen Wandels hin.

    2.2 Wirtschaft

    Die Wirtschaftsstruktur Stuttgarts stellt sich als vielseitiger Mix aus Global Playern und lebendigem

    Mittelstand dar. Unternehmen aus allen Branchen und Wirtschaftszweigen operieren in Stuttgart.

    Dabei können sie von hervorragend qualifizierten Arbeitskräften und von einer exzellenten

    Forschungs- und Entwicklungslandschaft profitieren. Der Stuttgarter Weinbau profitiert vom milden

    Klima. Die wichtigsten Eckdaten:

    • Höchste Exportrate aller deutschen Städte: 61 %

    • Anteil hoch qualifizierter Beschäftigter: 20,2 %

    • Kaufkraft je Einwohner: 21.161 Euro

    • Kaufindex 112,6 (100 ist Bundesdurchschnitt, GfK)

    • Arbeitslosenquote 2008: 5,3 % (Bundesdurchschnitt 7,4 %)

    • 346.433 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort Stuttgart im Jahr 2008.

    Davon 39,2 % Einwohner, 60,8 % Berufspendler von außerhalb.

    • 2,74 Millionen Übernachtungen 2008 (Rekord)

    • 1.161 ankommende und abgehende Schiffe 2008 im Stuttgarter Hafen - wasserseitiger

    Güterumschlag: 1,087 Mio. t

  • SEE Stuttgart

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    2.3 Topographie und Flächennutzung

    Naturräumlich liegt Stuttgart in einer geomor-

    phologischen Depression, dem Stuttgarter Kes-

    sel. Aus der vertikalen Ausdehnung zwischen

    207 m und 549 m ü. NN resultiert eine durch-

    schnittliche Höhenlage von 260 m über Nor-

    malnull.

    Die Gemarkungsgrenze schließt insgesamt

    20.735 ha ein. 54 % der Fläche sind als Parks,

    Freizeitflächen, landwirtschaftlicher Fläche,

    Weinbau, Wald und Wasserflächen unverbaut.

    52 % des Waldes befinden sich im Besitz der

    Stadt. Durch Stuttgart fließen der Neckar und

    weitere kleinere Flüsse.

    Verkehrs-fläche15%

    Gebäude- und Freifläche

    29%

    Wald 24%

    Gewässer1%

    Erholung6%

    Landwirtschaft23%

    sonstige Nutzung2%

    Abbildung 1: Flächennutzung

    Einwohnerdichte: 2 890 Ew/km2

    2.4 Klima

    Sonnenscheinreichtum und milde Witterung kennzeichnen das Stuttgarter Klima. Die mittlere jähr-

    liche Globalstrahlung liegt um 1200 kWh pro m2 und Jahr. Die jährliche Durchschnittstemperatur

    beträgt 10 °C. Auf der Filderhochfläche am südlichen Stadtrand ist die mittlere Lufttemperatur

    1,4 Grad niedriger. Im Mittel der drei Sommermonate Juni, Juli, August scheint in Stuttgart die

    Sonne mehr als 7 Stunden täglich. Im Innenstadtbereich beträgt die mittlere Juli-Temperatur

    18,8 °C. Die bewaldeten Höhen um die Innenstadt und die zentral gelegenen Grün- und

    Erholungsflächen führen zu angenehmer Abkühlung im Sommer.

    Die Tal- und Kessellagen des Stadtgebiets bewirken verhältnismäßig schwache Windbewegung.

    Im Jahresmittel beträgt die Windgeschwindigkeit in Stuttgart nur 1,90 m/s (am Flughafen 2,4 m/s).

    Die Hauptwindrichtung ist mit 22 % bis 30 % Häufigkeit Südwest.

    2.5 Gebäudebestand

    Wohngebäude

    Im Jahr 2008 umfasste der Wohnungsbestand in Stuttgart 296.084 Wohnungen (siehe Tabelle 1).

    Hiervon sind 98 % in Gebäuden mit überwiegender Wohnnutzung zu finden, die verbleibenden

    2 % befinden sich in Gebäuden mit hauptsächlich Nichtwohnnutzung. Die Gesamtgeschossfläche

    in Wohngebäuden ergibt sich zu 36,2 Mio. m², wovon rund 12 % als Nutzflächen für Geschäfte,

  • SEE Stuttgart

    10

    Büros und sonstige Nichtwohnnutzung verwendet werden. Der Wohnungsleerstand liegt für

    Stuttgart bei unterdurchschnittlichen 1,3 % [Unterreiner F.E. 2010].

    Tabelle 1: Wohnungsbestand in Stuttgart [MZ 2006]

    Gebäudeart Anzahl Wohneinheiten (WE)

    In Wohngebäude 288.991

    Einfamilienhäuser 22.171

    Zweifamilienhäuser 26.696

    Kleine Mehrfamilienhäuser (3-6 WE) 105.525

    Mittelgroße Mehrfamilienhäuser (7 – 12 WE) 92.604

    Große Mehrfamilienhäuser (13 – 20 WE) 12.921

    Wohnblocks (> 20 WE) 29.073

    In Nichtwohngebäuden 7.093

    Gesamtbestand Wohneinheiten 296.084

    Rund 17 % aller Wohnungen sind in kleinen Wohngebäuden mit bis zu zwei Wohneinheiten zu fin-

    den, wovon ein Großteil von den jeweiligen Eigentümern bewohnt wird. Bei Wohnungen in Mehr-

    familienhäusern ab 3 Wohneinheiten liegt die Eigentümerrate hingegen nur bei 24 % (siehe

    Abbildung 2). Eine sehr große Bedeutung für den Mietmarkt haben die ansässigen

    Wohnbaugesellschaften. Allein die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH

    (SWSG) besitzt mit 18.031 Wohnungen knapp ein Zehntel aller Mietwohnungen im Stuttgarter

    Stadtgebiet [SWSG 2008]. Zudem werden rund 39.500 Wohneinheiten von ehemals gemein-

    nützigen Wohnungsunternehmen vermietet. In dieser Zahl noch nicht enthalten sind freie

    Wohnungsunternehmen und Kirchen.

    0

    20,000

    40,000

    60,000

    80,000

    100,000

    120,000

    140,000

    1 WE 2 WE 3 - 6 WE > 6 WE Nichtwohn-gebäude

    Woh

    nein

    heite

    n

    Mietswohnung

    Eigentumswohnung

    Abbildung 2: Eigentumsverhältnisse im Stuttgarter Wohngebäudesektor

  • SEE Stuttgart

    11

    Die Altersstruktur der Wohnbebauung im Stadtgebiet Stuttgart ist stark geprägt durch die Bauten

    aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Knapp die Hälfte der heutigen Wohnfläche wurde zwi-

    schen 1900 und 1957 errichtet. Der Wohnflächenanteil von Wohnungen mit einem Baualter vor

    1984, die vor in Krafttreten der 2.Wärmeschutzverordnung errichtet wurden, liegt bei rund 84 %.

    Abzüglich bereits sanierter Wohnungen stellt dieser Anteil ein großes Energieeinsparpotenzial dar.

    Die Neubauquote im Wohnbau liegt bei unter 0,5 % p.a., für die Sanierungsrate wird vom

    deutschlandweiten Durchschnittswert von 2 % p.a. ausgegangen.

    1984

    84.0%

    0%

    10%

    20%

    30%

    40%

    50%

    60%

    70%

    80%

    90%

    100%

    1840 1860 1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000

    Ge

    scho

    ssflä

    chea

    ntei

    l

    Abbildung 3: Altersstruktur der Wohngebäude im Stadtgebiet Stuttgart

    Nichtwohngebäude

    Im Vergleich zu Wohngebäuden liegen für Nichtwohngebäude nur Daten mit geringerem Detaillie-

    rungsgrad vor. Aus dem Gebäudekataster der Stadt Stuttgart ergibt sich eine Gesamtgeschossflä-

    che für Nichtwohngebäude von 30 Mio. m², wobei rund 5 Mio. m² in Gebäuden ohne Energiever-

    sorgung, wie Garagen, Überdachungen und Gartenhäusern zu finden sind. Mit rund 30 % der Ge-

    schossflächen sind Bürogebäude die häufigste Nutzungsart, gefolgt von Geschäfts-, Betriebs- und

    Fabrikgebäuden. Die Geschossfläche der Liegenschaften der Stadt Stuttgart ohne stadteigene

    Wohngebäude liegt bei 2,4 Mio. m², die der landeseigenen Gebäude inklusive Universität beträgt

    knapp 2,0 Mio. m².

  • SEE Stuttgart

    12

    Tabelle 2: Geschossflächen der Nichtwohngebäude in Stuttgart nach Nutzungsart

    Nutzung Fläche [Mio. m²]

    Bürogebäude 7,37

    Geschäftshaus 3,43

    Betriebsgebäude 2,66

    Fabrikgebäude 2,38

    Lagergebäude 1,85

    Sonstige Nutzung 7,31

    Nichtwohngebäude 25,0

    2.6 Verkehr

    Das Verkehrsangebot in Stuttgart ist von der Kessellage der Stadt geprägt. Die Stadt verfügt im

    Gegensatz zu den meisten deutschen Großstädten über kein Ringstraßensystem was zu relativ

    hohen Verkehrsbelastungen in der Innenstadt führt. Das Angebot im öffentlichen Verkehr (ÖV)

    umfasst das S-Bahn-, das Stadtbahn- und das Busnetz. Die S-Bahn besteht aus 6 Linien, die in

    der Innenstadt gebündelt in einem Tunnel geführt werden. Auch die Stadtbahn verkehrt sowohl

    ober- als auch unterirdisch. Im Busverkehr kommen in Stuttgart hauptsächlich Niederflurgelenk-

    busse zum Einsatz. Dieses ÖV-Angebot wird durch das Fahrradverleihsystem „call a bike“ mit 65

    Stationen im Stuttgarter Stadtgebiet ergänzt.

    Die Nachfrage im Personenverkehr wird wie überall in Deutschland vom Pkw-Verkehr dominiert.

    2008 waren 308.650 Fahrzeuge in Stuttgart zugelassen. Der Anteil des öffentlichen Verkehrs ist

    verglichen mit anderen Städten überdurchschnittlich hoch. Der Radverkehr liegt dagegen aufgrund

    der Topografie unter dem Durchschnitt.

    Tabelle 3: Modal Split2 der Verkehrsmittel im Stadtgebiet Stuttgart

    Verkehrsmittel Modal Split bezogen auf die Zahl der Wege Modal Split bezogen auf die Personenkilometer

    Pkw-Selbstfahrer 36 % 55 %

    Pkw-Mitfahrer 9 % 14 %

    ÖV 22 % 22 %

    Rad 6 % 4 %

    Fuß 27 % 5 %

    2 Modal Split wird die Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsmittel (Modi) genannt.

  • SEE Stuttgart

    13

    Übergeordnetes Straßennetz

    Stuttgart

    Autobahnen

    Bundesstraßen

    Gewässer

    ÖV-Verkehrsnetz

    Stuttgart

    Bus

    S-Bahn

    Stadtbahn

    Abbildung 4: Übergeordnetes Straßennetz und ÖV-Verkehrsnetz Stuttgart [Stat. S 2007]

    Als Stadt der kurzen Wege präsentiert sich Stuttgart beim Thema Naherholung: Fast 90 % der

    Bevölkerung leben in maximal 250 m Luftlinienentfernung von einer Grün- oder Erholungsfläche.

    Als Kern der Metropolregion Stuttgart übersteigt die Zahl der Einpendler (210.000 Personen/Tag)

    die Zahl der Auspendler (65.000 Personen/Tag) deutlich.

    2.7 Energieversorgung

    Die EnBW versorgt als Netzbetreiber die Stuttgarter Kunden mit Erdgas, Strom, Trinkwasser und

    Fernwärme. Am 225 km langen Fernwärmenetz sind rund 7.800 Kunden bzw. 3.400 Gebäude in

    der Innenstadt von Stuttgart angeschlossen. Die Energielieferung von Strom und Gas an die

    Kunden erfolgt durch eine Vielzahl von Energiehändlern. An der nichtleitungsgebundenen Energie-

    versorgung partizipieren unterschiedlichste Brennstoffhändler. Trotz rückläufiger Marktanteile hat

    Heizöl nach den leitungsgebundenen Energieträgern die größte Bedeutung für die Energie-

    versorgung. Während der Anteil an Kohle und Kohleprodukten bei der Energieversorgung nahezu

    keine Rolle mehr spielt, ist bei den erneuerbaren Energieträgern eine deutliche Zunahme zu

    verzeichnen.

    Im Stadtgebiet Stuttgart gibt es zwei Heizkraftwerke für die allgemeine Versorgung in denen Kohle,

    Erdgas und Abfall in Kraftwärmekopplung zu Strom und Fernwärme umgewandelt wird. Zusätzlich

    existieren diverse kleinere Energieerzeugungsanlagen wie das HKW Pfaffenwald der Universität

    Stuttgart, Industriekraftwerke des verarbeitenden Gewerbes und Blockheizkraftwerke in Wohnan-

    lagen, Betrieben und öffentlichen Liegenschaften. Der Anteil regenerativer Energiesysteme wird

    hauptsächlich bestimmt durch Wasserkraftwerke und Klärgas- bzw. Biogas-BHKW. Photovoltaik-

    und Windkraftanlagen spielen für die Energieerzeugung in Stuttgart nur eine untergeordnete Rolle.

  • SEE Stuttgart

    14

    2.8 Stand der Wissenschaft und Technik

    2.8.1 Gebäude

    Der Energiebedarf im Neubausektor ist bedingt durch die kontinuierliche Weiterentwicklung von

    Baustoffen und –systemen, seit Jahrzehnten stark rückläufig. Niedrigenergiehäuser haben sich

    zum Standard entwickelt; Passivhäuser und 3-Liter-Häuser werden als Highend-Lösungen am

    Markt zu vertretbaren Kosten angeboten und erste Plusenergiehäuser werden zu Marktlösungen

    fortentwickelt. Auch im Bereich der Sanierung sind die energetischen Niveaus der Neubauten

    häufig die Zielmarken, die es dank hochwertiger Bausysteme zu erreichen gilt.

    In der Entwicklung befinden sich im besonderen Maße versorgungssystemintegrierte

    Baukomponenten, Superdämmungssysteme, Bauteilanschlusssysteme und multifunktionale und

    dynamisierbare Fassadenkomponenten, sowie kostenoptimierte Komponentenentwicklungen.

    Daneben sind visualisierende Verbrauchsanzeigen und nutzerunterstützende Steuerungssysteme

    besonders im Nichtwohnungsbau Gegenstand der umsetzungsnahen Forschung und Entwicklung.

    Forschungsbegleitende Hypothese

    Die größten Optimierungspotenziale im Gebäudebereich schlummern im Wärmebereich der

    selbstgenutzten Ein- und Zweifamilienhäuser aus den 50er bis 80er Jahren, gefolgt von den

    Gebäudebeständen der Wohnungsbaugesellschaften aus dem gleichen Zeitraum [BMVBS 2007].

    Darüber hinaus sind im privaten und öffentlichen Dienstleistungssektor sowohl Raumwärme- als

    auch Stromeinsparpotenziale von über 50 % schon heute bei Sanierungen wirtschaftlich

    erschließbar. Neue Dienstleistungsstrukturen und Finanzierungsmodelle müssen die technischen

    Entwicklungen unterstützen um zu einer raschen Marktumsetzung zu gelangen.

    2.8.2 Verkehr

    Zwischen 1991 und 2005 ist es in Deutschland gelungen, die Effizienz der Verkehrsmittel so zu

    verbessern, dass heute über alle Verkehrsmittel pro Liter Kraftstoff 68 % mehr Verkehrsleistung

    erbracht werden. Trotzdem hat der Endenergieverbrauch im Verkehrssektor in diesem Zeitraum

    um rund 8 % zugenommen. Der Anteil des Verkehrssektors am gesamten Energieverbrauch ist

    damit in Deutschland von 26 % auf 29 % gestiegen. Die Zunahme der Verkehrsleistung im privaten

    Personenverkehr hat bei einer stagnierenden Bevölkerungszahl zwei wesentliche Ursachen. Zum

    einen hat sich die Altersstruktur so verändert, dass das Verkehrsaufkommen gestiegen ist, da

    Kinder im Mittel weniger Wege als Erwachsene durchführen. Zum anderen haben sich die

    Fahrtweiten erhöht. Menschen können oder müssen weiter entfernte Ziele wählen. Weil die

    Fahrtweite zunimmt, entfallen immer mehr Fahrten auf den Pkw, der für größere Entfernungen und

    suburbane Siedlungsstrukturen das beste Verkehrsmittel darstellt.

  • SEE Stuttgart

    15

    Über die energie- und emissionsrelevanten Wirkungspotenziale einzelner Maßnahmen im

    Verkehrssektor (fahrzeugtechnische Maßnahmen, Koordinierung von Lichtsignalanlagen, Straßen-

    benutzungsgebühren, Parkgebühren, Durchfahrtsverbote, Verbesserung der Verkehrsleittechnik)

    und die Wirkungen allgemeiner Energiepreiserhöhungen auf das Verkehrsverhalten liegen wenig

    quantitativ abgesicherte Erkenntnisse vor. Es ist nicht bekannt, in welchem Umfang private

    Haushalte Fahrten mit motorisierten Verkehrsmitteln durch eine andere Organisation ihrer

    Aktivitäten, durch eine veränderte Ziel- oder Verkehrsmittelwahl substituieren können, bei

    steigenden Energiepreisen sogar substituieren müssen.

    Die Kenngrößen für eine Bilanzierung des Energieverbrauchs und der Emissionen im Verkehr

    können aus nationalen Statistiken [BMVBS 2006] in Kombination mit Verkehrsmodellen abgeleitet

    werden. Als Inputdaten für ein mikroskopisches Strategiemodell stehen Befragungen zum

    Mobilitätsverhalten [MID 2008] von Haushalten und Verkehrsmodelle zur Verfügung.

    Forschungsbegleitende Hypothese

    Die größten Optimierungspotenziale im städtischen Verkehr liegen im privaten Personenverkehr,

    gefolgt vom städtischen Wirtschaftsverkehr und im Verkehr der ÖV-Fahrzeuge. Um das Potenzial

    im privaten Personenverkehr zu nutzen, müssen in erster Linie die Aktivitätenketten der Menschen

    so beeinflusst werden, dass die Fahrtweite reduziert und die Nutzung energieeffizienter

    Verkehrsmittel möglich wird. Das erfordert langfristig eine angepasste Stadtstruktur, die kurze

    Wege ermöglicht. Kurzfristig müssen den Haushalten neue Möglichkeiten zur Verfügung gestellt

    werden, ihr Mobilitätsverhalten zu analysieren und zu optimieren. Dabei sind die Zeitbudgets, die

    Finanzbudgets und spezifische Randbedingungen jedes Haushalts zu berücksichtigen.

    2.8.3 Ver- und Entsorgung

    Die Energieversorgungsstruktur wird sich langfristig signifikant von der heutigen Prägung

    unterscheiden. Im Bereich der Energieversorgung nimmt die Vielfalt der Versorgungssysteme

    dabei eher zu als ab. Ein Trend geht zu umgebungstemperaturnahen Systemtemperaturen

    (Niedrigexergiesystemen - LowEx), um die Verluste zu minimieren und den Einsatz regenerativer

    Energien zu erhöhen. Darüber hinaus sind Systeme zur kombinierten Erzeugung von Wärme,

    Kälte und Strom auf Basis nicht fossiler Brennstoffe, begünstigt durch die europäischen und

    nationalen politischen Rahmenbedingungen stark im Markttrend. Konkurrierend dazu steht der

    politisch geförderte Ausbau der Nah- und Fernwärmesysteme.

    Aufgrund der steigenden Vielfalt auf der Bedarfs- und auf der Angebotsseite werden sich

    Lastprofile und die hydraulischen Verhältnisse in den Versorgungsnetzen im Laufe der Jahre und

    im saisonalen Verlauf verändern. Die Netze wandeln sich von bisherigen Angebotsnetzen zu

    Bedarfsnetzen. Das „smart grid“ wird nicht nur im Strombereich Einzug finden. In der Entwicklung

  • SEE Stuttgart

    16

    befinden sich ferner Kleinst-Blockheizkraftwerke auf Basis biogener Brennstoffe, die es erlauben

    einen wärmegeführten Betrieb zu realisieren und so die kostenintensive Anbindung an Wärme-

    netze zu vermeiden. Um einen möglichst wirtschaftlichen Betrieb zu ermöglichen, werden diese

    häufig mit Speichersystemen kombiniert. Darüber hinaus sind solare Kühlungssysteme und (bio)-

    gasbetriebene geothermische Wärmepumpensysteme bis hin zu Hybridgeneratoren ebenso

    Gegenstand der anwendungsnahen Forschung und Entwicklung wie auch effizienzsteigernde

    Maßnahmen im Kraftwerksbereich. Bei der Erschließung von natürlichen Energiequellen haben

    Wärme/Kälte aus Abwasser, unterirdischen Bauwerken, Abfall oder Klärschlamm durch Vergärung

    und/oder Verbrennung eine zunehmende Bedeutung.

    In Deutschland werden über 50 % der häuslichen Abfälle einer Verwertung zugeführt. Neue

    Ansätze zur Energieoptimierung befassen sich somit sowohl mit Konzeptionen und Technologien

    zur Reduzierung des Energieverbrauchs als auch mit Technologien zur Steigerung der

    Wärmenutzung und Stromproduktion aus Reststoffen. Trotzdem ist die Ressourceneffizienz noch

    deutlich zu steigern (Sachverständigenrat für Umweltfragen 2008). Darüber hinaus ist ein

    deutliches Potenzial zur Verbesserung der Energieeffizienz von Entsorgungsanlagen, besonders

    bei biologischen und thermischen Abfallbehandlungsanlagen zu konstatieren. Bis zu 10 % des

    bundesdeutschen Erdgasverbrauches kann durch Biogaserzeugung abgedeckt werden

    (Wuppertal-Institut 2008). Einen besonderen Stellenwert nehmen auch Energiemanagement-

    systeme sowohl im dezentralen als auch im regionalen Versorgungsbereich ein [Erhorn, H. und

    Hauser, G. 2008].

    Forschungsbegleitende Hypothese

    Der gleichzeitige Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung, verbunden mit einem Ausbau der Nah-

    /Fernwärme, der Nutzung von Abwärme aus Industrie oder Abwasser, die konsequente

    Umsetzung des baden-württembergischen erneuerbaren Wärmegesetzes bei Heizungs-

    sanierungen, verbunden mit einem Boom für thermische Solaranlagen und die in Stuttgart

    konsequent verfolgte erhöhte Verschärfung der Anforderungen der Energieeinsparverordnung

    können sich entsprechend den Anwendungen ergänzen und zu einem gesamtwirtschaftlichen

    Optimum führen.

    2.8.4 Entscheidungsprozesse und Verhalten von Privatpersonen

    Art und Umfang der Ressourcennutzung ergibt sich aus der Summe aller menschlichen Aktivitäten.

    Menschliche Aktivitäten werden dabei maßgebend von Bedürfnissen geleitet. Nach Abraham

    Maslow reichen die menschlichen Bedürfnisse von primären physiologischen Grundbedürfnissen

    (Essen, Trinken, Schlafen, Kleidung) über Sicherheitsbedürfnisse (geordnete Strukturen, Stabilität,

    Schutz), Zugehörigkeitsbedürfnisse (Kontakte, soziale Beziehungen, Gemeinschaft), Geltungs-

    bedürfnisse bis hin zum Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. Definiert man ein Bedürfnis als das

  • SEE Stuttgart

    17

    Verlangen einen tatsächlichen oder empfundenen Mangel zu beseitigen, dann führen Bedürfnisse

    zu konkreten Verhalten, d.h. zu Aktivitäten, die den aktuellen Zustand verändern. In vielen Fällen

    wird menschliches Verhalten dabei nicht nur von Bedürfnissen und den sie leitenden Werten

    bestimmt, sondern auch von den Gegebenheiten der sozialen und natürlichen Umwelt. In

    Abhängigkeit der Gegebenheiten bietet sich dem Menschen als Akteur nicht nur eine Handlungs-

    option zur Befriedigung seiner Bedürfnisse, sondern eine Menge von Optionen. Diese verfügbaren

    Handlungsoptionen ergeben sich insbesondere aus den natürlichen Gegebenheiten (Klima,

    Geografie, Raumstruktur), dem gesellschaftlichen Umfeld (politische Entscheidungsprozesse,

    soziale Kontakte), den technischen Möglichkeiten (Verfügbarkeit und Anwendbarkeit einer

    Technik), den Eigenschaften der handelnden Person (Werthaltungen, Erfahrungen, Einstellungen,

    finanzielle Mittel etc.) und aus der Kenntnis der Handlungsoptionen (verfügbare Angebote).

    Forschungsbegleitende Hypothese

    Menschen wählen in einem mehr oder weniger bewussten Entscheidungsprozess aus den

    verfügbaren Handlungsoptionen aus. Will man den Ressourcenverbrauch in privaten Haushalten

    effizienter gestalten, dann muss man zum einen durch entsprechende Gestaltung von

    Rahmenbedingungen die Potenziale zur Steigerung der Effizienz anbieten und zum anderen den

    Menschen das Wissen bezüglich der Gestaltungsmöglichkeiten von Handlungen zukommen

    lassen. Insbesondere das Alltagshandeln zeigt ein hohes Potenzial zur Energieeinsparung auf.

    Hier gilt es anzusetzen und das Potenzial der Energieeinsparung im Alltag mit geeigneten

    Rahmenbedingungen sowie technischen Innovationspotenzialen zu kombinieren.

    2.9 Arbeiten der Antragsteller

    Landeshauptstadt Stuttgart (LHS)

    Die Landeshauptstadt Stuttgart hat mit dem Klimaschutzkonzept Stuttgart (KLIKS) seit 1996

    wegweisende Schritte im Klimaschutz unternommen und gesamtstädtisch durch die Umsetzung

    der darin enthaltenen Maßnahmen deutliche Erfolge in der Reduzierung des Energieverbrauchs

    und der Treibhausgasemissionen erzielt. Das Konzept wurde mehrfach fortgeschrieben. In diesem

    Kontext wurde 2007 als zentrales Element der Klima- und Energiepolitik der Stadt Stuttgart ein 10-

    Punkte-Programm entwickelt. In diesem Programm spielen neben nachhaltiger Stadtentwicklung,

    Boden- und Gewässerschutz, die Bereiche Energie sparen und Energieeffizienz sowie

    umweltfreundliche Verkehrsentwicklung die zentrale Rolle. Im direkten Einflussbereich der

    Kommune liegen die stadt-eigenen Liegenschaften. Durch das seit 30 Jahren bestehende Energie-

    management wurde der Energieverbrauch der städtischen Gebäude signifikant reduziert. Für den

    Betrieb und die Planung im Energiebereich wurden energetische Leitlinien entwickelt. Ein

  • SEE Stuttgart

    18

    stadtinternes Contractingmodell hilft Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz umzusetzen.

    Der Anteil an erneuerbaren Energien zur Versorgung der Gebäude wurde kontinuierlich gesteigert.

    Ein besonderer Fokus lag in den vergangenen Jahren auch auf dem Bereich Energieforschung.

    Mit einer Reihe von Projekten war es möglich, den Energieverbrauch bestehender Gebäude

    deutlich zu reduzieren. Die so sanierten Pilotprojekte (bis zu 75 % Primärenergiereduktion) dienen

    einerseits als Demonstrationsobjekt für Planer, Gebäudenutzer und Bauherren. Darüber hinaus

    werden die aus den Projekten gewonnenen Erkenntnisse auf andere Vorhaben übertragen und die

    stadtinternen Anforderungen im Energiebereich entsprechend fortgeschrieben. Das jüngste Projekt

    ist die Sanierung einer Schule zur PLUS-Energieschule (Fördergeber BMWi).

    Neben den kommunalen Liegenschaften werden bei Neubauvorhaben innerhalb des gesamten

    Stadtgebiets erhöhte Anforderungen beim baulichen Wärmeschutz gestellt und vertraglich fixiert.

    Über ein städtisches Energiesparprogramm wurden überwiegend im örtlichen Handwerk Gesamt-

    investitionen von knapp 90 Mio. Euro ausgelöst. Im Rahmen einer kostenlosen Energieberatung

    werden Bauherren auch im Nichtwohnungsbau über energiesparende und energieeffiziente

    Bauweisen informiert. Private Bauherren im Wohnungsbaubereich werden über das 1999

    gegründete Energieberatungszentrum Stuttgart e.V. neutral und kostengünstig informiert. Zum

    Leistungsspektrum gehören Informationsveranstaltungen, Energiediagnosen und der so genannte

    Stuttgarter Sanierungsstandard.

    Der öffentliche Nahverkehr in Stuttgart und in der Region wird konsequent, qualitativ, wie

    quantitativ ausgebaut. In der Mobilitätsberatung wird ein Beratungsservice für alle Verkehrsarten,

    umweltfreundliche Verkehrsmittel und entsprechenden Entwicklungsplänen angeboten. Die

    Umweltberatung der Stadt Stuttgart informiert die Bevölkerung über Möglichkeiten zur Energie-

    einsparung und zu allgemeinen Fragen im Umweltschutz.

    Energie Baden-Württemberg AG (EnBW)

    Die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) ist als Energieversorgungsunternehmen in allen

    Stufen der Erzeugung und Verteilung von Energie tätig und verfügt über umfangreiche

    Erfahrungen im Betrieb von Kraftwerken und Netzen. Sie beschäftigt sich mit zahlreichen

    Projekten zu Steigerung der Energieeffizienz im Bereich der Energieerzeugung in konventionellen

    Kraftwerken. Die Bestrebungen zum C02-freien Kraftwerk werden tatkräftig unterstützt.

    Alle neuen Entwicklungen zur alternativen Energieerzeugung werden aufmerksam begleitet und in

    Vorserien-Anlagen getestet (z. B. Brennstoffzellen). Die EnBW investiert in die CO2-freie Energie-

    erzeugung (Wasserkraft, Windenergie, tiefe Geothermie). Im Bereich der Gasversorgung unter-

    stützt sie die Biogas-Einspeisung in die Erdgasnetze.

  • SEE Stuttgart

    19

    Für die Entwicklung neuer Siedlungsgebiete erstellt die EnBW Energiekonzepte in Zusammen-

    arbeit mit der Kommune und dem Bauträger. Industrie, Gewerbe und Privatkunden werden bei

    Schritten zur Steigerung der Energieeffizienz und damit zur Reduzierung des Energieverbrauchs

    unterstützt. Der Einsatz intelligenter Zähler (Smart Metering) bietet insbesondere Haushalten die

    Möglichkeit, den Energieverbrauch zu minimieren. Die EnBW arbeitet an der Erstellung von

    Prototypen für intelligente Netze (Smart Grid). Lokale Erzeugung und Verbrauch werden eng

    abgestimmt, um ein energetisch und wirtschaftlich optimiertes Gesamtsystem zu erhalten.

    Zur Wärmeversorgung betreibt die EnBW ein ausgeprägtes Fernwärmenetz. Durch den Einsatz

    der Kraft-Wärme-Kopplung wird mit hohem Gesamtwirkungsgrad Strom und Wärme erzeugt.

    Dabei wird größtenteils Abfall als Energieträger eingesetzt. Lokal bei den Verbrauchern entstehen

    keinerlei Emissionen.

    Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP)

    Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik ist das im gebäudespezifischen Energieeffizienzbereich

    europaweit führende anwendungsorientierte Forschungsinstitut mit den Schwerpunkten: Planung,

    Betreuung und Beurteilung von Niedrigenergie-, Niedrigentropie-, Null- und Plusenergie-Häusern

    und -Siedlungen; Erarbeitung von energetischen Sanierungskonzepten für den Gebäudebestand

    und deren Umsetzung in baupraktische Lösungen; Entwicklung und Untersuchung von

    Fassadensystemen und Heizungs-, Lüftungs-, Solar-, Hybrid, Speicher-, Niedrigentropie- (lowEx)

    und Energieversorgungssystemen für den praktischen Gebäudeeinsatz; Erstellung und Entwick-

    lung von Gesamtenergiebilanzen (inkl. Ökobilanzanteil) von Gebäuden und Wärmeversorgungs-

    systemen; Analyse und Bewertung von Energiepotenzialen im Neubau und im Gebäudebestand;

    Berechnung und Messung von Luftströmungen in Räumen und großen Hallen (Atrien); Beurteilung

    des sommerlichen Temperaturverhaltens von Gebäuden; Berechnung und Messung der Beleucht-

    ung und Tageslichtversorgung in Gebäuden; Entwicklung und Pflege von computergestützten

    Planungsinstrumenten und Informationssystemen; Koordination integraler nationaler und internati-

    onaler Demonstrations- und Normungsvorhaben sowie Richtlinienkomitees, Konzeption und

    Koordination von nationalen und internationalen Studien und Transferprojekten der Internationalen

    Energie Agentur -IEA-, der Europäischen Union, von Bund, Ländern und Kommunen sowie der

    Industrie, Entwicklung und Umsetzung von Demonstrationszentren, Ausstellungen, Informations-

    veranstaltungen und –broschüren, Weiterbildungs- und Wissenstransfer Seminare, Veranstal-

    tungen, Programme, Evaluation von Forschungs-, Förder- und Transferprogrammen öffentlicher

    und privater Projektträger.

    Hinsichtlich des Projekts besonders hervorzuheben sind:

    • über 200 richtungsweisende Demonstrationsprojekte mit Förderung von BMWi und EU

    • die originäre Mitarbeit bei der Ikarus Datenmodellentwicklung

  • SEE Stuttgart

    20

    • die Koordination der Bewertungsmethoden zur Energieeffizienz von Gebäuden und Siedlungen

    • die stetige Fortentwicklung von marktgängigen Gebäudesystemen zu Plusenergiehaus-

    konzepten

    Universität Stuttgart (UniS)

    Die Institute der Universität Stuttgart verfügen über umfassendes Know-How und große Erfahrung

    im Gebiet der Modellierung und Optimierung komplexer Systeme. Bezogen auf das Thema

    energieeffiziente Stadt wurden an der Universität Stuttgart u.a. folgende Arbeiten durchgeführt:

    • Die Institute für Straßen- und Verkehrswesen sowie Eisenbahn- und Verkehrswesen verfügen

    über umfassende Erfahrungen in der Verkehrsmodellierung über alle Verkehrsträger. Sie

    betreuen das Verkehrsmodell der Region Stuttgart und können so differenzierte Aussagen zur

    heutigen und zukünftigen Verkehrsnachfrage, Verkehrsleistung und zum verkehrsbezogenen

    Energieverbrauch machen.

    • Das Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung verfügt über umfassende Kompetenzen

    mit demographischen Prognosen, Szenarien der Raum- und Siedlungsentwicklung sowie der

    Modellierung von ökologischen, ökonomischen und sozialen Wirkungen räumlicher Prozesse.

    • Das Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft befasst sich seit Jahren

    mit energetischen Aspekten bei der Abwasser- und Abfallentsorgung. Dazu gehören die

    biologische Wasserstoffproduktion, das Potenzial und der Einsatz von Brennstoffzellen auf

    Kläranlagen, der Einsatz von Co-Substraten bei der Vergärung, sowie Energieanalysen.

    • Das Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) führt wissen-

    schaftliche Arbeiten und Lehraufgaben im Bereich Energietechnik, Energiewirtschaft, Umwelt

    und Gesellschaft durch. Ein Schwerpunkt liegt im Bereich der Systemanalyse, Modellierung und

    Folgenabschätzung für Technologien und Energiesysteme von der lokalen bis zur inter-

    nationalen Ebene. Die Abteilung „Systemanalyse und Erneuerbare Energien – SEE“ widmet

    sich der Analyse erneuerbarer Energien und einer nachhaltigen Energieversorgung.

    • Der Interdisziplinäre Forschungsschwerpunkt Risiko und Nachhaltige Technikentwicklung

    (ZIRN) befasst sich u.a. mit der systemischen Analyse von Voraussetzungen und Folgen

    nachhaltiger Technikentwicklung im Zusammenspiel mit politischen, wirtschaftlichen und

    zivilgesellschaftlichen Elementen. Beispielprojekte, die sich mit Fragen der Energieeffizienz,

    insbesondere auch der Akzeptanz von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz

    befassen sind z.B. das vom BMBF geförderte Projekte „Energie nachhaltig konsumieren –

    nachhaltige Energie konsumieren“ oder das vom BMU geförderte Projekt „Soziale, öffentliche,

    ökonomische und politische Akzeptanz von Fördermaßnahmen zur Verbesserung der Effizienz

    im Bereich Elektrizitätsnutzung und von nachhaltiger Mobilität bei privaten Haushalten“.

  • SEE Stuttgart

    21

    3 Ergebnisse der zweiten Projektphase

    Der Arbeitsplan für das Projekt SEE umfasst 7 Arbeitspakete, die in der zweiten Projektphase

    (Erarbeitung von Umsetzungskonzepten) und in der dritten Projektphase (Umsetzungsprojekte)

    bearbeitet werden. Bestandteile der zweiten Projektphasen waren:

    • die Entwicklung eines makroskopischen Bilanzmodells,

    • die Spezifikation eines mikroskopischen Strategiemodells,

    • die Entwicklung und Bewertung von Maßnahmen für ein Umsetzungskonzept.

    3.1 Makroskopisches Bilanzmodell

    Die Bilanzierung der Energieströme einer Großstadt wie Stuttgart ist aufgrund seiner

    Vielschichtigkeit sehr komplex.

    3.1.1 Modellbeschreibung

    Als Bilanzgrenze der Energieströme im Stadtgebiet Stuttgart wurde die Gemarkungslinie der Stadt

    Stuttgart gewählt, wobei reine Transittrassen wie die Autobahnen A8 und A81, das Verkehrs-

    aufkommen durch Fernzüge und Schiffsverkehr und der Durchfluss von Stoffströmen aus der

    Bilanzierung ausgeklammert wurden.

    Die Bilanzierung ist an die Methodik der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen [AGEB 2008]

    angelehnt. Das Schema der entwickelten Energiebilanz besteht aus einer Matrix mit Spalten, in

    denen die eingesetzten Energieträger kategorisiert und zusammengefasst ausgewiesen werden

    und aus Reihen, in denen das Aufkommen, die Umwandlung und die Verwendung der jeweiligen

    Energieträgern erfasst sind.

    1) Primärenergiebilanz

    In der Primärenergiebilanz werden Aufkommen und Herkunft von Energieträgern vor etwaigen

    Umwandlungsprozessen innerhalb des Stadtgebiets dargestellt. Es wurde dabei zwischen

    Gewinnung im Stadtgebiet und der Einfuhr von Energieträgern unterschieden. Abweichend vom

    Schema der Energiebilanzen der Länder wurde die Ausfuhr von Energieträgern nicht bereits beim

    Energieaufkommen verrechnet, sondern wurde als Teil des Verbrauchs betrachtet. Das

    Gesamtaufkommen ergibt sich somit entweder von der Entstehungsseite her als Summe aus

    Import und innerstädtischer Gewinnung oder aber von der Verwendungsseite als Summe aus

    Endenergieverbrauch, Export, nichtenergetischer Verbrauch und Saldo der Umwandlungsbilanz.

    Der Energiebedarf zur Bereitstellung eines Energieträgers in Stuttgart wurde mittels Primär-

    energiefaktoren gemäß DIN V 18599-1 dargestellt (siehe Tabelle 15, Anhang 1: Ergänzende

    Tabellen). Die Primärenergiefaktoren beinhalten den Energiegehalt des Energieträgers, sowie den

  • SEE Stuttgart

    22

    energetischen Verbrauch für den Transport und die Weiterverarbeitung. Dabei wurde für den

    importierten Strom von einem weit über die Stadtgrenzen hinaus vernetzten Markt ausgegangen,

    weshalb die nationalen Faktoren des Strommix Deutschland einer primärenergetischen

    Berechnung zugrunde gelegt wurden. Im Gegensatz dazu ist das Fernwärmenetz der EnBW ein in

    sich geschlossenes System. Somit wurden die Vorketten für die Bereitstellung von Fernwärme, in

    Abhängigkeit von Erzeugungsart und eingesetzter Energieträger, explizit für den Stuttgarter Raum

    ermittelt. Abfall, Deponiegas und Klärgas wurden ohne Betrachtung ihrer Vorketten angesetzt.

    2) Umwandlungsbilanz

    In der Umwandlungsbilanz wird die physikalische und chemische Umwandlung von Energieträgern

    innerhalb des Stadtgebiets Stuttgart erfasst. Hierzu wird zwischen Umwandlungseinsatz, Um-

    wandlungsausstoß und den anlagenbedingten Umwandlungsverlusten unterschieden.

    Der Umwandlungseinsatz umfasst all jene Energieträger, die einer Energieerzeugereinheit zuge-

    führt werden, wie Kohle, Erdgas und Biomasse in Verbrennungsanlagen und solare Strahlung,

    Wasserkraft und Umgebungswärme in regenerativen Energiesystemen. Bei regenerativen Ener-

    giesystemen wurde für den Umwandlungseinsatz das theoretische Maximum angenommen, bei

    konventionellen Erzeugereinheiten die entsprechenden Betreiberdaten. Die bei der Umwandlung

    entstehenden Produkte Strom und thermische Energie werden als Umwandlungsausstoß

    bezeichnet. Der Umwandlungsausstoß wurde als Bruttowert angesetzt ohne Berücksichtigung von

    Eigenverbrauch des Energiesektors, Leitungsverlusten und Fackelverlusten.

    Die Differenz zwischen Umwandlungseinsatz und Umwandlungsausstoß geht als Umwandlungs-

    verlust in die Energiebilanz mit ein. Der Umwandlungsverlust gibt Aufschluss über die Effizienz der

    jeweiligen Energieerzeugungseinheit. In der Bilanzierungsmatrix wurden die Umwandlungsverluste

    jenem Energieträger zugewiesen, der als Endprodukt nach dem Umwandlungsprozess zur Verfü-

    gung steht. Bei Erzeugereinheiten mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) wurden die Verluste unter

    dem Energieträger Strom ausgewiesen, somit wurde die Nutzung von Abwärme der Strom-

    erzeugung gutgeschrieben.

    Die Energieerzeugereinheiten wurden unterteilt nach Anlagenart, eingesetztem Energieträger und

    jeweiligem Betreiber, in Heizkraftwerke der allgemeinen Versorgung mit und ohne KWK, reine

    Heizwerke, Industriekraftwerke, Blockheizkraftwerke (Erdgas, Biogas oder Klärgas), Windkraft-

    anlagen, Wasserkraftwerke, Photovoltaik, solarthermische Anlagen und Wärmepumpen. Nicht

    energetische Umwandlungseinheiten wie Hochöfen und Raffinerien wurden ebenfalls mit bilanziert.

    3) Endenergiebilanz

    Der Energieverbrauch der unmittelbar der Erzeugung von Nutzenergie dient, wird als Endenergie-

    verbrauch in die Energiebilanz mit aufgenommen. Bei den Verursachern wurde zwischen vier

  • SEE Stuttgart

    23

    Sektoren unterschieden, den privaten Haushalten, Gewerbe, Handel und Dienstleitung (GHD),

    Industrie und Verkehr.

    Die Energieversorgung lässt sich gliedern in zentrale und dezentrale Energieerzeugung und

    leitungsgebundene und nichtleitungsgebundene Versorgung. Zur zentralen Energieerzeugung

    gehören die Erzeugereinheiten der Energieversorgungsunternehmens, die Strom und Wärme für

    den allgemeinen Bedarf generieren, aber auch kleinere Anlagen wie Photovoltaikanlagen und

    BHKW, die ihre energetischen Umwandlungsprodukte in ein zentrales Versorgungsnetz ein-

    speisen. Dezentrale Erzeuger hingegen sind ausschließlich für Bedarfsdeckung eines klein-

    räumigen, abgegrenzten Systems vorgesehen.

    Strom, Fernwärme und Erdgas werden für gewöhnlich leitungsgebunden über öffentliche

    Versorgungsnetze verteilt. Verbrauchswerte zu diesen Energieträgern liegen beim Netzbetreiber

    vor. Nichtleitungsgebundene Energieträger wie Kohle, Mineralöl und Biomasse werden nicht

    zentral erfasst. Verbrauchswerte für diese Energieträger müssen daher basierend auf Marktstudien

    und Statistiken zur Heizungsstruktur und auf Messdatenstatistiken abgeschätzt werden.

    Der Energieverbrauch des Sektors Verkehr basiert auf einem Verkehrsmodell für die Stadt Stutt-

    gart (siehe Kapitel 3.1.3 Teilmodell Verkehr). Zu unterscheiden ist zwischen dem Verkehrs-

    aufkommen des Personenindividualverkehr (Pkw), der Lastkraftfahrten (Lkw), des schienengebun-

    denen öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) und des nicht schienengebundenen ÖPNV. Der Energie-

    verbrauch für Beleuchtung und Verkehrssicherheit sowie der Kraftstoffverbrauch des Bau-

    gewerbes, der Landwirtschaft und der Industrie wurden nicht im Sektor Verkehr erfasst, sondern

    den jeweiligen Sektoren zugeteilt.

    Für die Unterteilung des Endenergieverbrauchs nach Verwendungszweck wurde auf Erkenntnisse

    des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft [Tzscheutschler, P. et al. 2009] zurück-

    gegriffen, die basierend auf den Energiedaten Deutschland des Bundesministeriums für Wirtschaft

    eine Unterteilung des Endenergieverbrauchs in Deutschland nach Verbrauchssektor, Verwen-

    dungszweck und Energieträger vorgenommen haben [BMWi 2009].

    3.1.2 Teilmodell Energieversorgung

    Für die energetische Bilanzierung der zentralen Energieerzeugung und leitungsgebundenen

    Versorgung konnten aggregierte Verbrauchswerte des Netzbetreibers EnBW ohne größere

    Umrechnungen genutzt und auf die vier Sektoren verteilt werden. Für das verarbeitende Gewerbe

    ab 20 Mitarbeitern wurde zudem eine jährliche Statistik zum energetischen Verbrauch genutzt

    [Stat. BW 2008], die ebenso wie die Energieverbrauchsdaten der städtischen Liegenschaften in die

    Bilanz mit aufgenommen wurden. Verbrauchswerte nichtleitungsgebundener Energieträger wurden

  • SEE Stuttgart

    24

    anhand von Marktstudien und Statistiken zur Heizungsstruktur und auf Messdatenstatistiken der

    Schornsteinfegerinnung Stuttgart abgeschätzt.

    Energieerzeugung in Stuttgart

    Die Energieerzeugung in Stuttgart ist vorwiegend durch zwei große Heizkraftwerke zur allgemei-

    nen Versorgung in Münster und Gaisburg geprägt, in denen Abfall, Kohle und Erdgas umgesetzt

    werden und die das Stadtgebiet mit in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugter elektrischer und thermi-

    scher Energie versorgen. Unabhängig vom öffentlichen Netz wird im universitätseigenen

    Heizkraftwerk Pfaffenwald Strom und Wärme für den Universitätscampus in Vaihingen und die

    angrenzenden gewerblichen Liegenschaften erzeugt. Ein beachtlicher Anteil der Energie-

    erzeugung entfällt zudem auf Wasserkraftanlagen, wohingegen Windkraft nahezu keine Rolle

    spielt. Der Versorgungsmix wird durch eine Vielzahl kleiner Anlagen wie Industriekraftwerke,

    BHKW, Photovoltaik und solarthermische Anlagen ergänzt.

    Erdgasversorgung

    Das Endenergieaufkommen für Erdgas im Jahr 2008 ergibt sich aus den Netzbetreiberzahlen der

    EnBW, Gasnetz GmbH. Der Gesamtverbrauch an Erdgas wurde anhand der Kundenkartei der

    EnBW auf die Sektoren Haushalte, Gewerbe, Handel, Dienstleistung (GHD) und Industrie

    aufgeteilt. Zudem wurde basierend auf den Informationen des statistischen Landesamts Baden-

    Württemberg für den Sektor Industrie der Erdgasverbrauch des verarbeitenden Gewerbes mit

    mehr als 20 Mitarbeitern separat ausgewiesen und der Verbrauch der städtischen Liegenschaften

    als Teil des Sektors GHD differenziert aufgeführt.

    Neben dem direkten Erdgasverbrauch in den Sektoren wird Erdgas auch zur Energieerzeugung

    innerhalb des Stadtgebietes in den Heizkraftwerken (HKW) der EnBW, im HKW Pfaffenwald und in

    diversen kleineren Blockheizkraftwerken zu Strom und Wärme umgesetzt. Das verarbeitende Ge-

    werbe erzeugt zudem Strom in eigenen Industriekraftwerken. Die Erdgasmengen, die in diesen

    privaten Energieerzeugern umgewandelt werden, haben bereits im Gesamtendenergieverbrauch

    der jeweiligen Sektoren Berücksichtigung gefunden und mussten daher bilanziell mit den

    Verbrauchsdaten der EnBW verrechnet werden.

    Fernwärmeversorgung

    Als Betreiber des Fernwärmenetzes verfügt die EnBW über exakte Verbrauchszahlen ihrer Stutt-

    garter Fernwärmekunden in Form von Jahressummen. Anhand der Kundendaten und

    Verbrauchsmengen wurde der Gesamtverbrauch auf die jeweiligen Sektoren umgerechnet, wobei

    wiederum für das verarbeitende Gewerbe und die städtischen Liegenschaften zusätzlich ein

    bottom-up Ansatz zur feineren Untergliederung genutzt wurde.

  • SEE Stuttgart

    25

    Die Netzbetreiberdaten der EnBW erlauben darüber hinaus auch Aussagen zu Übertragungs-

    verlusten innerhalb des Fernwärmenetzes. Hinsichtlich Herkunft der thermischen Energie wurde

    zudem zwischen Erzeugung im Stadtgebiet und Import aus dem benachbarten HKW in

    Altbach/Esslingen unterschieden.

    Stromversorgung

    Ausgenommen die universitätseigene Stromversorgung, der Strom aus Industriekraftwerken des

    produzierenden Gewerbes und der Fahrstrom der deutschen Bahn wird elektrische Energie unab-

    hängig vom Stromanbieter ausschließlich über das Stromnetz der EnBW an die Stuttgarter Strom-

    kunden geliefert. Durch eine Extrapolation der Daten des Energievertriebs der EnBW, die einen

    großen Marktanteil in Stuttgart abdeckt, lässt sich der Gesamtstromverbrauch auf die jeweiligen

    Sektoren verteilen. Die industrielle Stromverbrauchsmenge enthält neben dem Anteil des

    verarbeitenden Gewerbes auch den Stromverbrauch der Stuttgarter Straßenbahnen AG, deren

    Verbrauch dem Sektor Verkehr zugerechnet wurde. Für die städtischen Liegenschaften sind

    detaillierte Informationen zum Stromverbrauch in die Bilanz mit aufgenommen worden.

    Ein geringer Anteil dieses Gesamtstromverbrauchs wird innerhalb des Stadtgebiets zur Energie-

    umwandlung eingesetzt. Für die bilanzielle Verrechnung wurde anhand der Besitzverhältnisse

    dieser Energieerzeugereinheiten der Stromverbrauch den jeweiligen Sektoren zugewiesen.

    Neben dem Stromverkauf wird auch im Energiesektor selbst elektrische Energie verbraucht. Zum

    einen treten bei der Übertragung und Verteilung der elektrischen Energie Verluste auf, zum

    anderen benötigen die Kraftwerksbetreiber selbst eine gewisse Energiemenge für den Betrieb ihrer

    Anlagen und Liegenschaften.

    Anhand der Netzbetreiberdaten der EnBW lässt sich für den verbrauchten Strom auch eine Unter-

    suchung hinsichtlich Herkunft durchführen. Diese Informationen erlauben also eine Unterschei-

    dung zwischen erzeugtem Strom im Stadtgebiet und Stromimport. Für die Energiegewinnung in

    Stuttgart wird darüber hinaus auch die Zusammensetzung der Energieerzeugung ausgewiesen, da

    mittels der Netzbetreiberdaten der EnBW die eingespeisten Strommengen den jeweiligen Energie-

    erzeugern zugewiesen werden können. So ergibt sich eine eigene Energieerzeugungsstruktur für

    die Stadt Stuttgart, die Aufschluss über den Anteil erneuerbarer Energien im Stadtgebiet geben

    kann. Jedoch wurde für eine primärenergetische Betrachtung und für die CO2-Emissions-

    bilanzierung unabhängig von der Herkunft des Stroms mit den Faktoren für den Strommix

    Deutschland gearbeitet, da die Stuttgarter Energieerzeugereinheiten als Teil des Strommix

    Deutschland nicht isoliert betrachtet werden können.

    Neben den Energieerzeugereinheiten, die ihre gesamte produzierte Strommenge in das Stromnetz

    der EnBW einspeisen, kann es auch Insellösungen geben. Die erzeugte Strommenge wird hier zur

  • SEE Stuttgart

    26

    Gänze für den eigenen Energiebedarf produziert und ist somit nicht durch das Energieversor-

    gungsunternehmen EnBW erfassbar. Aufgrund der Vergütungsanreize durch das erneuerbare

    Energien Gesetz wird davon ausgegangen, dass der Anteil an Photovoltaikanlagen und BHKW in

    privatem Besitz, die nicht in das öffentliche Netz einspeisen, verschwindend gering ist.

    Ausgenommen hiervon sind Stromerzeugungsanlagen des verarbeitenden Gewerbes, deren

    Eigenverbrauchsmengen durch das statistische Landesamt BW erfasst werden.

    Mineralöle und Mineralölprodukte

    Zu den Mineralölen und Mineralölprodukten gehören neben den Kraftstoffen Benzin und Diesel,

    die vorwiegend im Sektor Verkehr eingesetzt werden, auch Heizöl und Flüssiggas. Während zu

    den Verbrauchswerten von Flüssiggas in der Industrie statistische Zahlen vorliegen, gibt es zum

    Heizölverbrauch in den verschiedenen Sektoren keine zentrale Erfassung. Deshalb wurden für die

    Energiebilanzierung die Zahl an Ölheizungsanlagen im Stadtgebiet und deren Verbrauchswerte

    abgeschätzt.

    Die Abschätzungsergebnisse basieren auf einer Auswertung der Erhebungsbögen für die Mess-

    datenstatistik der Schornsteinfegerinnung Stuttgart aus dem Jahr 2008 (siehe Tabelle 16) im

    Anhang 1: Ergänzende Tabellen). In dieser Statistik, sind alle Feuerungsstätten, die wieder-

    kehrend nach der 1.BImSchV zu überwachen sind, erfasst. Öl-Feuerungsanlagen mit einer

    Nennleistung kleiner als 11 kW, die nur bei der Inbetriebnahme messpflichtig sind, wurden

    basierend auf den Erfahrungen der Schornsteinfegerinnung Stuttgart abgeschätzt. Die Anzahl

    kleiner Gasfeuerungsanlagen mit einer Leistung kleiner 11 kW werden anhand der Erhebungs-

    statistiken aus CO-Messungen an raumluftabhängigen und raumluftunabhängigen Gasfeuerstätten

    ermittelt. Während raumluftunabhängige Feuerstätten einer jährlichen Messpflicht unterliegen,

    werden raumluftabhängige Anlagen nur alle zwei Jahre überprüft. Für die Abschätzung dieser

    Anzahl wurde davon ausgegangen, dass exakt die Hälfte der Anlagen in 2008 überprüft wurde. Bei

    der Berechnung der gesamten installierten Brennerleistung wurde für die jeweiligen Leistungs-

    bereiche vereinfachend vom arithmetischen Mittelwert ausgegangen. Für Verbrennungsanlagen

    mit einer installierten Leistung über 100 kW wurde ein Mittelwert von 120 kW angesetzt.

    Tabelle 4: Heizölverbrauch der Sektoren Haushalte, GHD und Industrie in Stuttgart

    Sektoren Erdgas Heizöl Verhältnis

    Haushalte 2.137 GWh 646 GWh 3,31

    Verarbeitendes Gewerbe 293 GWh 105 GWh 2,79

    Industrie 1.099 GWh 409 GWh 2,68

    GHD 100 GWh 36 GWh 2,68

    Stadt 183 GWh 17 GWh 10,77

    Gesamt 3.807 GWh 1.213 GWh 3,14

  • SEE Stuttgart

    27

    Der Gesamtheizölverbrauch ergibt sich demnach als Verhältniszahl der gesamten installierten

    Leistung von Ölfeuerungsanlagen in Stuttgart zur Gesamtleistung von Gasfeuerungsstätten

    multipliziert mit dem Verbrauchswert für Erdgas unter der Annahme, dass die Nutzungsgrade

    ungefähr gleich sind. Gemäß der Wohnungsmarktbefragung der Stadt Stuttgart liegt das Verhältnis

    zwischen Erdgas- und Heizölfeuerstätten für den Sektor Haushalte mit 3,31:1 leicht über der

    Verhältniszahl gemittelt über die Feuerungsstätten aller Sektoren von 3,14:1. Für das

    verarbeitende Gewerbe ab 20 Mitarbeiter ergibt sich aus den Energiezahlen des statistischen

    Landesamts eine entsprechende Verhältniszahl von 2,79:1, in den städtischen Liegenschaften liegt

    das Verhältnis bei 10,8:1. Die Aufteilung des restlichen Heizölverbrauchs auf die Sektoren GHD

    ohne städtische Liegenschaften und auf den Sektor sonstige Industrie wurde eine analoge

    Anlagenstruktur in den beiden Sektoren angesetzt (siehe Tabelle 4).

    Im Energieerzeugungssektor spielen Mineralöl und Mineralölprodukte eine eher untergeordnete

    Rolle. In den Kraftwerken der EnBW wird Heizöl nur als Hilfsenergie zur Anheizung der Kessel ge-

    nutzt, während in den kleineren Energieerzeugeranlagen des Landes, der Stadt und privater

    Betreiber Heizöl teilweise als zweiter Brennstoff neben Erdgas auch für die Energieerzeugung ein-

    gesetzt wird. Zu diesen Anlagen liegen Verbrauchswerte der jeweiligen Betreiber vor.

    Festbrennstoffe

    Über die Feuerungsstätten der verbleibenden nichtleitungsgebundenen Energieträger Steinkohle,

    Braunkohle und Biomasse gibt es keine Erhebung der Schornsteinfegerinnung auf die zurückge-

    griffen werden könnte, weshalb deren Anteil an der Energieversorgung ausschließlich auf Basis

    der Wohnungsmarktanalyse des statistischen Amts der Stadt Stuttgart, auf der Zusatzerhebung

    zum Mikrozensus 2006 und auf Erhebungen des statistischen Landesamts Baden-Württemberg

    zum Energieverbrauch der Industrie beruhen.

    Aus der Wohnungsmarktanalyse des Jahres 2004 ergibt sich ein Anteil von Kohleheizungen in

    Wohngebäuden bezogen auf die Wohnfläche von 0,92 %, wobei vorwiegend Haushalte in Gebäu-

    den, die in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts erbaut wurden, mit Kohle heizen. Auf-

    grund der geringeren Dämmstandards dieser Gebäude und der geringeren Anlageneffizienz von

    Kohleheizungen im Vergleich zu Gas- und Ölheizungen wurde der Anteil von Kohle am

    Heizenergieverbrauch der Haushalte mit 1,2 % abgeschätzt. Das verarbeitende Gewerbe

    verbraucht seit Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts keine Kohle und Kohle-

    produkte mehr. Der Kohleanteil an der Heizenergie der städtischen Liegenschaften liegt bei

    deutlich unter 0,01 %. In den Landesgebäuden wird keine Kohle eingesetzt.

  • SEE Stuttgart

    28

    Für die Sektoren GHD und sonstige Industriebetriebe sind zum Kohleverbrauch keine Informatio-

    nen verfügbar. Als grobe Nährung wurde aus den Energiedaten für Deutschland das Verhältnis

    zwischen Kohleanteil in Haushalten und im Sektor GHD angesetzt und mit dem Anteil Heizenergie

    am Gesamtverbrauch der Haushalte multipliziert. So ergibt sich ein Energieverbrauchsanteil von

    Kohle an den Sektoren sonstige Industrie und GHD von jeweils 0,7 %.

    Der Hauptheizungsanteil an regenerativen Heizsystemen und Heizungsanlagen, die mit Biomasse

    befeuert werden, liegt gemäß der Wohnmarktanalyse der Stadt Stuttgart in privaten Haushalten bei

    rund 1,4 %. Neben den Hauptheizungen gibt es auch eine Vielzahl von Zusatzheizungen. Entspre-

    chend einer bundesweiten Analyse zur Wärmegewinnung aus Biomasse [Kaltschmitt, M. et

    al. 2004] liegt die Zahl der Holzzusatzheizungen um einen Faktor 3 über der Anzahl an

    Hauptheizungen für Biomasse, jedoch werden diese Anlagen in der Regel auch nur zu einem

    Drittel der Zeit genutzt. Bei gleicher Leistung und gleichem Nutzungsgrad ergibt sich grob eine

    Verdopplung des Energieverbrauchs an Biomasse für den Sektor Haushalte bezogen auf die

    Anzahl Hauptheizungen.

    Für das verarbeitende Gewerbe ergibt sich aus der Statistik des Landes Baden-Württemberg eine

    sehr geringe Menge Biomasse, die weit unter 0,1 % liegt. In den städtischen Liegenschaften, die

    teilweise über Holzpelletanlagen und Holzhackschnitzelkessel beheizt werden, liegt der Anteil an

    Biomasse bei mehr als 2 % des Gesamtenergieverbrauchs. Anhand dieser Richtgrößen wurde der

    Biomasseverbrauch des Sektors GHD mit 1,0 % und der sonstigen Industrie mit 0,1 % des Heiz-

    energiebedarfs abgeschätzt.

    Nahwärmeversorgung und Erneuerbare Energien

    1) HKW Pfaffenwald

    Das größte Wärmeverteilungsnetz neben dem Fernwärmenetz der EnBW wird durch das univer-

    sitätseigene HKW Pfaffenwald gespeist. In Form von Wärme, Kälte und Dampf wird der Vaihinger

    Universitätscampus sowie die angrenzenden Forschungsinstitute und studentischen Wohnheime

    mit Energie versorgt.

    2) BHKW

    Im Stadtgebiet Stuttgart existieren diverse BHKW, die in Kraftwärmekopplung sowohl Strom als

    auch Wärme erzeugen. Vom Energieversorgungsunternehmen EnBW werden solche BHKW er-

    fasst, die ihren Strom in das öffentliche Netz einspeisen. Wird die gesamte anfallende Abwärme

    bei der Stromerzeugung verbraucht, erhält der Betreiber eine Sondervergütung auf die produzierte

    Strommenge. Für die Berechnung der erzeugten Wärmemenge wird von einem durchschnittlichen

    elektrischen Wirkungsgrad von 33 % und eines thermischen Wirkungsgrades von 50 % aller

    BHKW ausgegangen

  • SEE Stuttgart

    29

    3) Solarthermie

    Basierend auf Daten des Marktanreizprogramms Erneuerbare Energien [Solaratlas 2009] und

    einer Analyse zum Solarthermiemarkt in Stuttgart des Steinbeis Forschungsinstituts, wurde eine

    installierte thermische Leistung von 16.308 kW ermittelt. Anlagen, die im Jahr 2008 errichtet

    wurden sind zu 50 % in die Berechnung eingeflossen. Die rund 4000 m² Solarabsorberfläche der

    Stuttgarter Freibäder gehen mit einem Bewertungsfaktor von 0,7 in die Erhebung mit ein. Der

    Anteil von mittelgroßen und großen Solaranlagen mit einer Kollektorfläche von größer 40 m², die

    im Marktanreizprogramm nicht gefördert werden, ist mit 2.100 kWhth abgeschätzt. Die installierte

    Kollektorleistung pro 1000 Einwohner liegt somit bei rund 30 kWth deutlich unter dem deutschland-

    weiten Vergleichswert von 94 kWth [BMWi 2009].

    Für die Ermittlung der erzeugten Wärmemenge wurde von einer durchschnittlichen Kollektor-

    leistung von 0,7 kWth/m² [IEA 2004] und einer durchschnittlichen Strahlungsintensität für 2008 von

    1.121 kWh/m²a [Stadtklima 2008] ausgegangen. Mit einem Verschattungsfaktor von 0,9 und einem

    Systemwirkungsgrad von 30 %, ergibt sich eine erzeugte solarthermische Gesamtenergiemenge

    von 7,5 GWh/a.

    Rund 96 % der solarthermischen Anlagen, die zwischen 2001 und 2008 im Marktanreizprogramm

    Erneuerbare Energien [Solaratlas 2009] in Stuttgart gefördert wurden, entfallen auf den Sektor

    Haushalte, wobei für Anlagen zur Warmwasserbereitung und für Anlagen zur Heizungs-

    unterstützung nahezu identische Marktanteile zu verzeichnen sind. Für die rund 3000 kW

    thermische Leistung von Kleinanlagen, die vor 2001 errichtet wurden, wird eine analoge Verteilung

    angenommen.

    Die Stadt Stuttgart selbst betreibt derzeit 6 thermische Solaranlagen zur Warmwasserbereitung

    sowie diverse thermische Absorberanlagen für die städtischen Freibäder, die zusammen eine

    thermische Solarenergie von 1.246 MWh in 2008 erzeugt haben. Die restlichen thermischen So-

    laranlagen werden auf die Sektoren GHD und Industrie verteilt, wobei von einer Verteilung 70:30

    ausgegangen wird.

    4) Wärmepumpen

    Je nach Art der Wärmequelle wird bei Wärmepumpen zwischen Erdreich-, Wasser- und Luft-Wär-

    meanlagen unterschieden. Da Erdreich- und Wasser-Wärmepumpen genehmigungs- und anzei-

    gepflichtig sind, gibt es eine statistische Erhebung der Stadt Stuttgart zu diesen Anlagen. Gemäß

    dieser Statistik existieren im Jahr 2008 im Stadtgebiet 196 erdreichgekoppelte Wärmepumpenan-

    lagen mit einer Gesamtwärmeentzugsleistung von rund 4.975 MW. Für die Berechung des Wär-

    meertrags wurde von einer durchschnittlichen Betriebsdauer je Wärmepumpenanlage von 3.000

    Stunden pro Jahr, einer mittleren Wärmeentzugsleistung für Erdsonden und Bohrpfähle von

    50 W/m und für flächige Systeme von 15 W/m² sowie einer durchschnittlichen Jahresarbeitszahl

  • SEE Stuttgart

    30

    des Gesamtsystems Wärmepumpe von 3,0 ausgegangen (siehe Tabelle 17, Anhang 1:

    Ergänzende Tabellen).

    Zur installierten Leistung von Luft-Wärmepumpen sind für Stuttgart keine statistischen Zahlen

    verfügbar, weshalb deren Anteil am Wärmepumpenmarkt auf Basis bundesweiter Absatzzahlen

    des Bundesverband Wärmepumpen e.V. mit 25 % abgeschätzt wurde. Für die Berechnung des

    Energieertrags wurde von einer durchschnittlichen Leistung von 7,5 kW, einer mittleren Betriebs-

    dauer von 2.500 Stunden pro Jahr und einer Arbeitszahl von 2,3 ausgegangen.

    Die Verteilung der Wärmepumpenanlagen auf die Sektoren wurde so abgeschätzt, dass 60 % der

    thermischen Energie in den privaten Haushalten genutzt wird, die restlichen 40 % dem Gewerbe-,

    Handel- und Dienstleistungssektor zuzuordnen sind, wobei auf die städtischen Liegenschaften

    rund 1.909 MWh thermische Energie aus Wärmepumpen entfallen.

    3.1.3 Teilmodell Verkehr

    Motorisierter Straßenverkehr

    Der Energieverbrauch im motorisierten Straßenverkehr hängt ab vom spezifischen Verbrauch der

    Fahrzeuge [l/100Fzgkm] und der Fahrleistung [Fzgkm]. Die spezifischen Verbrauchsfaktoren wur-

    den mit Hilfe des Handbuches für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (HBEFA) [Keller, M. et

    al. 2004] abgeleitet. Die Fahrleistung in Stadtgebiet Stuttgart wurde aus dem Verkehrsmodell der

    Region Stuttgart differenziert nach Pkw und Lkw berechnet.

    Die Fahrleistung umfasst den motorisierten Individualverkehr auf allen Straßen im Stuttgarter

    Stadtgebiet mit Ausnahme der Bundesautobahn A8. Das Verkehrsmodell der Region Stuttgart lie-

    fert Werte für die Fahrleistung an einem durchschnittlichen Werktag für Pkw und Lkw klassifiziert

    nach Verkehrssituation (Stau, freier Verkehr) und Längsneigung. Durch Multiplikation der spezifi-

    schen Verbrauchsfaktoren mit den Fahrleistungen eines Werktages ergibt sich der werktägliche

    Kraftstoffverbrauch. Bei Pkw wurden zusätzlich Verbrauchszuschläge für Kaltstarts berücksichtigt.

    Diese tragen dem Sachverhalt