STEFAN SZCZESNY DER KÜNSTLER ALS BOTSCHAFTER DES … · 2018. 11. 19. · auf die Arbeit am und im...

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16 riViErA SPECIAL KUNST DER KÜNSTLER ALS BOTSCHAFTER DES GLÜCKS Von ALFRED THUM NOVEMBER / DEZEMBER 2018 STEFAN SZCZESNY machen den Künstler zum Botschafter einer positiven Welterfahrung und damit des Glücks. Wer ist dieser Künstler, wo und wie lebt er, und wie schafft er es, diese Freudenbotschaft des Lebens ohne Kitschgefahr herüberzubrin- gen? Ein Besuch im lichten, weit- räumigen Atelier an der Spitze der Halbinsel von Saint- Tropez bringt Aufschluss und direkten Zugang zu Arbeit und Arbeitsweise von Stefan Szczesny. Oberstes Prinzip ist die Authentizi- tät: Er lebt hier an einem der unleugbar schö- neren Fleckchen der Erde und doch ist jedes Stück neuer Kunst eine sorgfältig erarbeitete Etappe auf der ewigen Suche nach dem adä- quaten Ausdruck. Keine Einschränkung, keine Missstimmung, keine Gefühlsmischungen Wiederkehrende Motive sind die Palmen und die Küste des Mittelmeers und der Karibik sowie die Schönheit des weiblichen Körpers, der in vollkommener Harmonie mit der üppi- gen paradiesischen Wohlfühlnatur dargestellt wird. Die Farben unter der subtropischen und tropischen Sonne sind stark, Farbmischungen sind tabu, sie würden die Strahlkraft der Far- ben mindern oder sie gar schmutzig machen. Szczesny bevorzugt starke Grundfarben, keine Einschränkung, keine Missstimmung, keine Gefühlsmischungen. In seinem Lebenswerk gibt es große Variatio- nen, es geht von zweidimensionalen Bildern auf traditionellen Bildträgern wie Papier und F ür Stefan Szczesny hat die Kunst die Aufgabe glücklich zu machen. Dies ist ein Bekenntnis aus späteren Jahren, doch das Positive dieses Ansatzes zeigt sich schon in der frischen Unbekümmertheit des jungen Szczesny, der in den 80er-Jahren als Neuer Wilder schlagartig bekannt geworden ist. Sein positives Verhältnis zur Natur, die Er- fahrung ihrer Schönheit und ihrer Sinnlichkeit Leinwand bis hin zu einem Zeppelin (im Zu- sammenhang mit einer großen Kunstaktion am Bodensee, dem Mainau-Projekt 2007), der durch Bemalung zu einer Mischung aus Skulptur und Bild geworden ist. Es umfasst aber auch Kunst am Bau, das heißt die volls- tändige äußere und innere Ausgestaltung von Einrichtungen wie Hotels oder von Privathäu- sern. Zudem wird er phasenweise im Theater aktiv und liefert das Bühnenbild für Inszenie- rungen in Zusammenarbeit mit namhaften Regisseuren. Zwitterskulpturen aus Metall, die zwei- und drei- dimensional zugleich sind Wie man im Sommer vergangenen Jahres in Saint-Tropez sehen konnte, nimmt die bil- dhauerische Arbeit einen wichtigen Teil des Schaffens von Szczesny ein. Mächtige Skulp- turen von etwa drei Metern Höhe waren in einer Open-Air-Ausstellung auf der Zitadelle von Saint-Tropez verteilt. Es sind eigenartige Zwitterskulpturen aus Me- tall, die zwei- und dreidimensional zugleich sind: Sie sind aus Metallplatten ausgeschnit- ten, also flach, und doch keine Halbreliefs, die auf eine Wand gepresst werden. Sie sind freistehend und rundum beschaubar. Oft bes- tehen sie sogar aus zwei Motiven, deren Flä- chen schräg hintereinander gesetzt sind, sodass die Skulptur als ganze wirklich dreidi- mensional ist. Das war übrigens dann auch eine Situation, in der aus dem Szczesny-Künstleratelier eine «Szczesny-Factory» wurde, das heißt die Zu- sammenarbeit einer Gruppe von handwerkli- chen Spezialisten zwecks Realisierung eines Großprojekts. Das Gespräch mit Szczesny findet in dem nach seinem Entwurf gebauten (gefühlt 200 Quadratmeter großen) Atelier in Saint-Tropez statt. Die Aufnahme ist freundlich, die Atmos- phäre so lind wie das Spätsommerlüftchen, das draußen weht. Er berichtet bereitwillig auch von seiner Familie, ins- besondere von seinem damals sehr bekannten Philosophen- Vater, zu dem er ein gutes, von fruchtbaren Gesprächen geprägtes Verhältnis hatte. Und Stefan Szczesny, facettenreicher Künstler aus München, im Laufe seines Lebens zum Weltbürger geworden zwischen New York und der Karibik, international renommiert, mediterran in seinem Selbstverständnis, seit zwanzig Jahren fest etabliert in Saint-Tropez: Die Spannweite seiner mate- riellen Existenz ist so groß wie seine künstlerische Aus- drucksvielfalt. Nun schickt er sich an, seine Verbundenheit mit Saint-Tropez in einer Stiſtung und einem zukünſtigen Museum zu zementieren. VIP-Besuch: Schauspieler Pierce Brosnan zu Gast in Szczesnys Atelier © D.R. Stefan Szczesny mit einer seiner Metall-Skulpturen © D.R. 310RZEIT_16_17.qxp_Mise en page 1 09/10/2018 08:40 Page16

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DER KÜNSTLERALS BOTSCHAFTERDES GLÜCKS Von ALFRED THUM

NOVEMBER / DEZEMBER 2018

STEFAN SZCZESNY

machen den Künstler zum Botschafter einerpositiven Welterfahrung und damit desGlücks. Wer ist dieser Künstler, wo und wie lebt er,und wie schafft er es, diese Freudenbotschaftdes Lebens ohne Kitschgefahr herüberzubrin-gen? Ein Besuch im lichten, weit- räumigenAtelier an der Spitze der Halbinsel von Saint-Tropez bringt Aufschluss und direkten Zugangzu Arbeit und Arbeitsweise von StefanSzczesny. Oberstes Prinzip ist die Authentizi-tät: Er lebt hier an einem der unleugbar schö-neren Fleckchen der Erde und doch ist jedesStück neuer Kunst eine sorgfältig erarbeiteteEtappe auf der ewigen Suche nach dem adä-quaten Ausdruck.

Keine Einschränkung, keine Missstimmung, keine GefühlsmischungenWiederkehrende Motive sind die Palmen unddie Küste des Mittelmeers und der Karibiksowie die Schönheit des weiblichen Körpers,der in vollkommener Harmonie mit der üppi-gen paradiesischen Wohlfühlnatur dargestelltwird. Die Farben unter der subtropischen undtropischen Sonne sind stark, Farbmischungensind tabu, sie würden die Strahlkraft der Far-ben mindern oder sie gar schmutzig machen.Szczesny bevorzugt starke Grundfarben, keineEinschränkung, keine Missstimmung, keineGefühlsmischungen.In seinem Lebenswerk gibt es große Variatio-nen, es geht von zweidimensionalen Bildernauf traditionellen Bildträgern wie Papier und

Für Stefan Szczesny hat die Kunst dieAufgabe glücklich zu machen. Dies istein Bekenntnis aus späteren Jahren,

doch das Positive dieses Ansatzes zeigt sichschon in der frischen Unbekümmertheit desjungen Szczesny, der in den 80er-Jahren alsNeuer Wilder schlagartig bekannt gewordenist. Sein positives Verhältnis zur Natur, die Er-fahrung ihrer Schönheit und ihrer Sinnlichkeit

Leinwand bis hin zu einem Zeppelin (im Zu-sammenhang mit einer großen Kunstaktionam Bodensee, dem Mainau-Projekt 2007), derdurch Bemalung zu einer Mischung ausSkulptur und Bild geworden ist. Es umfasstaber auch Kunst am Bau, das heißt die volls-tändige äußere und innere Ausgestaltung vonEinrichtungen wie Hotels oder von Privathäu-sern. Zudem wird er phasenweise im Theateraktiv und liefert das Bühnenbild für Inszenie-rungen in Zusammenarbeit mit namhaftenRegisseuren.

Zwitterskulpturen aus Metall, die zwei- und drei-dimensional zugleich sind Wie man im Sommer vergangenen Jahres inSaint-Tropez sehen konnte, nimmt die bil-dhauerische Arbeit einen wichtigen Teil desSchaffens von Szczesny ein. Mächtige Skulp-turen von etwa drei Metern Höhe waren ineiner Open-Air-Ausstellung auf der Zitadellevon Saint-Tropez verteilt. Es sind eigenartige Zwitterskulpturen aus Me-tall, die zwei- und dreidimensional zugleichsind: Sie sind aus Metallplatten ausgeschnit-ten, also flach, und doch keine Halbreliefs, dieauf eine Wand gepresst werden. Sie sindfreistehend und rundum beschaubar. Oft bes-tehen sie sogar aus zwei Motiven, deren Flä-chen schräg hintereinander gesetzt sind,sodass die Skulptur als ganze wirklich dreidi-mensional ist. Das war übrigens dann auch eine Situation, inder aus dem Szczesny-Künstleratelier eine«Szczesny-Factory» wurde, das heißt die Zu-sammenarbeit einer Gruppe von handwerkli-chen Spezialisten zwecks Realisierung einesGroßprojekts.

Das Gespräch mit Szczesny findet in demnach seinem Entwurf gebauten (gefühlt 200Quadratmeter großen) Atelier in Saint-Tropezstatt. Die Aufnahme ist freundlich, die Atmos-phäre so lind wie das Spätsommerlüftchen,das draußen weht. Er berichtet bereitwilligauch von seiner Familie, ins- besondere vonseinem damals sehr bekannten Philosophen-Vater, zu dem er ein gutes, von fruchtbarenGesprächen geprägtes Verhältnis hatte. Und

Stefan Szczesny, facettenreicher Künstler aus München, imLaufe seines Lebens zum Weltbürger geworden zwischenNew York und der Karibik, international renommiert,mediterran in seinem Selbstverständnis, seit zwanzig Jahrenfest etabliert in Saint-Tropez: Die Spannweite seiner mate-riellen Existenz ist so groß wie seine künstlerische Aus-drucksvielfalt. Nun schickt er sich an, seine Verbundenheitmit Saint-Tropez in einer Stiftung und einem zukünftigenMuseum zu zementieren.

VIP-Besuch: Schauspieler Pierce Brosnan zu Gast inSzczesnys Atelier © D.R.

Stefan Szczesny mit einer seiner Metall-Skulpturen© D.R.

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Die Freude an den starken Farben alsGlücksbotschafter findet man wiederin Ihren großen Skulpturen. Auffal-lend ist allerdings, dass eine ganzeReihe von ihnen in Schwarz gehaltenist. Das hat mit einer persönlichen Erfahrung inden Tropen zu tun: Die Sonne wirft dort sehrklar konturierte, tiefdunkle Schatten. MeineBilder rund um die Karibik enthalten deshalboft zweidimensionale schwarze Schattenfi-guren.

Wie läuft die technische Seite derHerstellung der um die drei Meterhohen Metallskulpturen ab?Ich zeichne einen Entwurf auf Papier. Er wirdgescannt. Das Ausschneiden aus der Metall-platte übernimmt ein computergesteuertesLaser- oder Wasserstrahlgerät.

Bei Großprojekten taucht der Name«Szczesny-Factory» als ausfüh-rendes Organ auf. Dies klingt nachAndy-Warhol- oder Jeff-Koons-Fac-tory, also nach einer typisch ameri-kanischen privaten Institution, diefabrikmäßig in großen Gebäuden mitvielen ständigen Mitarbeitern denWelt-Kunstmarkt mit großkalibrigenWerken versorgt. Ja, im Namen und im Geist der Bündelungvon Qualifikationen hat tatsächlich dieses«amerikanische Modell» Pate gestanden. Manmuss sich dann aber eine punktuelle Zusam-menarbeit einiger oder vieler Leute vorstellen,die zu einem Projekt zusammengerufen wer-den und die nach Beendigung des Projekts inihren normalen Arbeitskontext zurückkehren. Als äußerst reizvoll empfinde ich Aufträge, diemich als Schöpfer eines Gesamtkunstwerksfordern. Es sind «Kunst am Bau»-Projekte, die

ebenso vom Wunder des damaligen Coming-out als Künstler mittels einer in München or-ganisierten Ausstellung «RundschauDeutschland» einer Künstlergruppe, die unterdem Namen «Neue Wilde» in die neuereKunstgeschichte einging.

Könnte man sagen, dass es in Ihrerbildnerischen Arbeit hauptsächlichum zwei Motive geht: die (paradiesi-sche) Natur und die Frau? Das sind in der Tat Motive, die periodenweiseim Vordergrund stehen. Vergessen Sie abernicht, dass mein Werk sich über Jahrzehntespannt und eine Vielfalt von Themen und Mo-tiven umfasst. Als Beispiele nenne ich einePortraitserie, die Auseinandersetzung mitgroßen Figuren der Kunst- und Geistesge-schichte wie Caspar David Friedrich oderFriedrich Nietzsche.

Wie gehen Sie bei mittel- bis großfor-matigen Bildern vor: Machen Sie sichvorher Entwürfe, bevor Sie sich mitdem Pinsel an die Leinwand begebenoder ist es eher pure, spontane gesti-sche Malerei? Nein, ich mache keine Skizzen, aber ich habevorher ein klares Konzept in meinem Kopf en-twickelt, ich weiß, wie die Bilder am Endeauszusehen haben. Korrekturen während desArbeitsprozesses sind kaum nötig, die male-rischen Gesten beruhen auf jahrzehntelangerErfahrung.

Ihre Farben sind klar, stark und unver-mischt.Ja, ich mag keine Farbmischungen, sie wirkenwie verschmutzt auf mich. Farben sollen Trä-ger von positiven Emotionen sein, die Bildersollen Lebensfreude und Glück beim Betrach-ter auslösen.

also die äußere und innere Gestaltung von Ar-chitektur beinhalten. Ich blicke gerne zurückauf die Arbeit am und im Hotel Kempinski inEstepona in Spanien. Skulptur, Malerei inklu-sive Fresken, Keramik als Wandbilder, Vasenund Fußbodengestaltung, Glasmalerei undTeppichkunst finden sich zusammen, um einGanzes, eine vielstimmige harmonische At-mosphäre zu schaffen.

Sie bezeichnen sich als mediterra-nen Künstler. Ist der Begriff nicht zueng angesichts der langen Periodenin Ihrem Leben, die Sie ganz woan-ders verbracht haben, und ange-sichts des Wechsels der Thematikenin Ihren Werken? Die Bande zum Mittelmeer knüpften sich übermeine Eltern schon in der Kindheit und rissenZeit meines Lebens nie ab. Die Ferienzeitenmit meinen Eltern auf der Insel Elba warenebenso prägend wie das spätere Wurzel-schlagen auf der Halbinsel von Saint-Tropez.Ja, der langjährige Aufenthalt in New Yorkstellte einen Wendepunkt in meinem küns-tlerischen Leben dar. Die amerikanische Art,groß zu planen, es dann beherzt anzupacken,indem man unterschiedliche Qualifikationenzu einem Projekt zusammenführt und biszum guten Ende verfolgt – das hat mir impo-niert. Das «Art-Factory-Modell» habe ich fürmich und auf meine Weise modifiziert über-nommen. Die Wohn- und Arbeitssituation von StefanSzczesny in Saint-Tropez ist keineswegs ein«Goldener Käfig». Das Mikroklima in Saint-Tro-pez ist wirklich paradiesisch, man zählt hiermehr Sonnentage als woanders an der Côte-d’Azur, doch der Terminkalender ist voll, Auss-tellungseröffnungen in Galerien undTeilnahmen an großen Kunstmessen wie derArt Basel in Miami erfordern die persönlicheAnwesenheit des Künstlers. Und da sind auchnoch die von Szczesny besonders geliebtenKunst-am-Bau-Projekte, die zum Teil in priva-ter Reserviertheit weiterlaufen. Gespannt sein darf man auf einen Plan, derdas Werk Stefan Szczesnys auf lange Sicht inSaint-Tropez in Szene setzen wird: die Einrich-tung einer Stiftung und die Gründung einesMuseums innerhalb der Mauern der Stadt.

DIE GALERIEin Szczesnys Galerie «Espacedes Lices» in Saint-Tropezsind ausgewählte Werke,mittelgroße Bilder undKleinskulpturen, zu sehen. 9, Bd. Louis Blanc83390 Saint-TropezKontakt: Josyane QuinanzoniTel. +33 6 24 62 39 44www.szczesny-online.com

Stefan Szczesnys großes, lichtes Atelier in Saint-Tropez © D.R.

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