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1 Stellungnahme zum Entwurf der GD Wettbewerb für Leitlinien zu Umwelt- und Energiebeihilfen für 2014 - 2020 Berlin / Bonn / Brüssel 12.02.2014 Der BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. und der bvse – Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. – danken der EU- Kommission für die Möglichkeit, zu dem Entwurf der Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien (Environmental- and Energy Aid Guidelines – EEAG) Stellung nehmen zu können. Der BDE ist europaweit der größte Zusammenschluss privater Entsorgungsunternehmen. Als Wirtschafts- und Arbeitgeberverband vertritt er die Interessen seiner Mitglieder gegen- über den politischen Institutionen in Deutschland und der EU und ist Tarifpartner der Ge- werkschaften. Zu seinen ca. 750 Mitgliedsunternehmen zählen neben Familienbetrieben und leistungsstarken Mittelständlern auch alle großen Unternehmen der Entsorgungsbranche sowie deutsche Tochterunternehmen international tätiger Konzerne. Der bvse vertritt als Branchendachverband die Interessen von 700 überwiegend mittelstän- dischen Entsorgungs- und Recyclingunternehmen aus Deutschland und Europa. Die qualifi- zierten Umweltdienstleister beschäftigen etwa 50.000 Arbeitnehmer und erwirtschaften einen jährlichen Gesamtumsatz von 10 Milliarden Euro. Im bvse sind alle Fachsparten der Recycling- Sekundärrohstoff- und Entsorgungsbranche vertreten. Die deutsche Entsorgungsbranche ist von den Leitlinien naturgemäß im Hinblick auf mögli- che Beihilfen im Bereich der Abfallbewirtschaftung betroffen. Sie ist jedoch auch besonders im Hinblick auf Beihilfen in Form von Ermäßigungen von Abgaben auf den Strompreis zur Förderung erneuerbarer Energien betroffen. Denn die stoffliche Verwertung von Abfällen (Recycling) zur Schonung von Ressourcen und die Aufbereitung von nicht rezyklierbaren Abfällen zu hochwertigen Kunststoffrecyclaten und zu ebenfalls ressourcenschonenden Ersatzbrennstoffen (solid recovered fuel/ specified recovered fuel – SRF) sind energieinten- sive Tätigkeiten, die unter erheblichem Kosten- und Wettbewerbsdruck stehen. Durch die als Umlageverfahren ausgestaltete Förderung erneuerbarer Energien steigen die Strom- preise erheblich an. Das Recycling und die SRF-Herstellung bedürfen daher in Deutschland und der EU unter Umständen staatlicher Fördermaßnahmen, um gegenüber Konkurrenten in Drittstaaten und gegenüber weniger umwelt- und ressourcenschonenden aber dafür kos- tengünstigeren Abfallbehandlungsarten wettbewerbsfähig zu bleiben. Anderenfalls würde die Umverteilung von Kosten der Erzeugung ressourcenschonender erneuerbarer Energien auf die Erzeugung von ebenfalls ressourcenschonenden Kunststoffrezyklaten und Ersatz-

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Stellungnahme zum Entwurf der GD Wettbewerb für Leitlinien zu Umwelt- und Energiebeihilfen für 2014 - 2020

Berlin / Bonn / Brüssel 12.02.2014 Der BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. und der bvse – Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. – danken der EU-Kommission für die Möglichkeit, zu dem Entwurf der Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien (Environmental- and Energy Aid Guidelines – EEAG) Stellung nehmen zu können. Der BDE ist europaweit der größte Zusammenschluss privater Entsorgungsunternehmen. Als Wirtschafts- und Arbeitgeberverband vertritt er die Interessen seiner Mitglieder gegen-über den politischen Institutionen in Deutschland und der EU und ist Tarifpartner der Ge-werkschaften. Zu seinen ca. 750 Mitgliedsunternehmen zählen neben Familienbetrieben und leistungsstarken Mittelständlern auch alle großen Unternehmen der Entsorgungsbranche sowie deutsche Tochterunternehmen international tätiger Konzerne. Der bvse vertritt als Branchendachverband die Interessen von 700 überwiegend mittelstän-dischen Entsorgungs- und Recyclingunternehmen aus Deutschland und Europa. Die qualifi-zierten Umweltdienstleister beschäftigen etwa 50.000 Arbeitnehmer und erwirtschaften einen jährlichen Gesamtumsatz von 10 Milliarden Euro. Im bvse sind alle Fachsparten der Recycling- Sekundärrohstoff- und Entsorgungsbranche vertreten. Die deutsche Entsorgungsbranche ist von den Leitlinien naturgemäß im Hinblick auf mögli-che Beihilfen im Bereich der Abfallbewirtschaftung betroffen. Sie ist jedoch auch besonders im Hinblick auf Beihilfen in Form von Ermäßigungen von Abgaben auf den Strompreis zur Förderung erneuerbarer Energien betroffen. Denn die stoffliche Verwertung von Abfällen (Recycling) zur Schonung von Ressourcen und die Aufbereitung von nicht rezyklierbaren Abfällen zu hochwertigen Kunststoffrecyclaten und zu ebenfalls ressourcenschonenden Ersatzbrennstoffen (solid recovered fuel/ specified recovered fuel – SRF) sind energieinten-sive Tätigkeiten, die unter erheblichem Kosten- und Wettbewerbsdruck stehen. Durch die als Umlageverfahren ausgestaltete Förderung erneuerbarer Energien steigen die Strom-preise erheblich an. Das Recycling und die SRF-Herstellung bedürfen daher in Deutschland und der EU unter Umständen staatlicher Fördermaßnahmen, um gegenüber Konkurrenten in Drittstaaten und gegenüber weniger umwelt- und ressourcenschonenden aber dafür kos-tengünstigeren Abfallbehandlungsarten wettbewerbsfähig zu bleiben. Anderenfalls würde die Umverteilung von Kosten der Erzeugung ressourcenschonender erneuerbarer Energien auf die Erzeugung von ebenfalls ressourcenschonenden Kunststoffrezyklaten und Ersatz-

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brennstoffen unter dem Strich zu einer Aufhebung des Ressourcenschutzeffektes führen. Das Recycling von Abfällen und die Aufbereitung von Abfällen zu SRF stellen Schwerpunkte der wirtschaftlichen Tätigkeit der BDE-Mitgliedsunternehmen dar. Die Branchendachverbände BDE und bvse befürworten den Ausbau erneuerbarer Energien und begrüßt grundsätzlich den Ansatz der Kommission, mit der Ausweitung der Leitlinien auf den Energiebereich den Mitgliedstaaten und Wirtschaftsteilnehmern Rechtsklarheit und Rechtssicherheit auch im Hinblick auf Fördermaßnahmen in diesem für die Wirtschaft so wichtigen Bereich zu verschaffen. Begrüßenswert ist auch, dass die Kommission sich des Risikos von Standortverlagerungen von Wirtschaftszweigen bewusst ist, die durch Erhö-hungen der Strompreise infolge des Ausbaus erneuerbarer Energien von Wettbewerbsnach-teilen betroffen sind. Allerdings greift der Ansatz der Kommission zu kurz, allein auf die Ge-fahr einer Standortverlagerung der Unternehmen und dabei wiederum nur auf den Aspekt des „carbon leakage“ abzustellen. Wettbewerbsnachteile durch steigende Produktions- und Bearbeitungskosten infolge deutlich höherer Strompreise durch die Förderung erneuerba-rer Energien werden auch dazu führen, dass (Sekundärroh-)Stoffe und Materialien, deren Gewinnung energieintensiv ist und denen eine besondere Bedeutung für die Rohstoffver-sorgung und die Ressourceneffizienz der europäischen Wirtschaft zukommt, entweder gar nicht gewonnen werden oder aber künftig in größerem Umfang aus der EU abfließen. Dies ist unter ökobilanziellen Aspekten nachteilig und widerspricht der EU 2020-Strategie. Die Kommission selbst weist in der Einführung zu den Leitlinien auf die Bedeutung und die Inhal-te der EU 2020-Strategie hin. Davon sind insbesondere Abfälle betroffen, deren stoffliche Verwertung zur Gewinnung von Sekundärrohstoffen (Recycling), wie etwa von Kunststoffrecyclaten, oder Aufbereitung zu hochwertigen, fossile Energieträger substituierenden Ersatzbrennstoffen (SRF) energiein-tensiv ist. Diese Energieintensität ist bei den weit überwiegenden, heute angewendeten Verfahren gegeben. Der BDE fordert die Europäische Kommission daher auf, ihre Leitlinien im Hinblick auf Beihilfen in Form von Ermäßigungen von Abgaben auf den Strompreis zur Förderung erneuerbarer Energien (Punkt 5.7) dahingehend zu überarbeiten, dass nicht nur Beihilfen zur Vermeidung von Standortverlagerungen und von „carbon leakage“ ermöglicht werden, sondern auch Beihilfen zugelassen werden, die dafür sorgen, dass Stoffe und Tätig-keiten in der EU gehalten werden bzw. konkurrenzfähig bleiben, die dazu beitragen, den CO2-Ausstoss zu verringern und die Versorgung der EU-Wirtschaft mit (Sekundär-) Roh-stoffen zu gewährleisten. Dazu zählen zuvorderst das Recycling von Abfällen und die Her-stellung von Ersatzbrennstoffen aus Abfällen.

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A. Forderung nach einer Korrektur der Leitlinien im Hinblick auf Beihilfen in Form von Ermäßigungen von Abgaben auf den Strompreis zur Förderung erneuer-barer Energien (Punkt 5.7)

5.7 Aid in the form of reductions in funding support for electricity from renewa-ble sources (…) (184) In order to ensure that the aid has an environmental effect the aid should be

targeted to avoid that without a reduction in the cost burden, certain sectors are at risk of relocating outside the EU. The aid should be limited to sectors that are exposed to a significant risk of carbon leakage due to the funding of support to energy from renewable sources. Accordingly, the aid can only be granted if the sector intensity of trade with third countries is above [10]% and the costs of funding renewable energy support lead to a substantial increase in production costs calculated as a proportion of the gross value added amounting to at least [5]%.

Die Leitlinien sollten Beihilfen in Form von Ermäßigungen von Abgaben auf den Strompreis zur Förderung erneuerbarer Energien nicht nur unter dem Aspekt des „carbon leakage“ be-trachten, sondern auch andere negative Auswirkungen der Abgaben auf den Strompreis zur Förderung erneuerbarer Energien auf die Umwelt-, Ressourcen- und Rohstoffpolitik der Gemeinschaft mit berücksichtigen. Zudem sollte das Kriterium der Handelsintensität fallen-gelassen werden. „Carbon leakage“ und andere klima- und ressourcenpolitische Effekte, die im Focus der Energie- und Umweltbeihilfen stehen, hängen mit der Handelsintensität unse-res Erachtens nicht unmittelbar zusammen. Jedenfalls müsste unter dem Kriterium der Handelsintensität einer Branche auch der Handel innerhalb der EU berücksichtigt werden. Das gilt insbesondere für die Abfallwirtschaft. Hier droht weniger die Gefahr des „carbon leakage“ im Sinne einer Verlagerung von CO2-Emissionsquellen, sondern es droht die Ver-schlechterung der Ressourceneffizienz durch einen absoluten Verlust von (Sekundär-)Rohstoffen und einen Mehrverbrauch von fossilen Energieträgern in einem Mitgliedstaat, z.B. in Deutschland. Die Gewinnung von Sekundärrohstoffen aus Abfällen, wie beispielsweise von Kunststoffre-cyclaten, und die Substitution von fossilen Energieträgern wie Kohle und Öl durch Ersatz-brennstoffe (SRF), die aus Abfällen gewonnen werden, sind wichtige Bestandteile der EU 2020-Strategie und konkret der europäischen Politik zur Steigerung der Ressourceneffizi-

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enz und zur Sicherung der Rohstoffversorgung. Sie sind zudem durch die Abfallrahmenricht-linie 2008/98/EG umweltrechtlich vorgegeben. Die Aufbereitung von Abfällen ist eine energieintensive Tätigkeit, die unter starkem Konkur-renz- und Kostendruck steht. Die Gewinnung von Sekundärrohstoffen und Ersatzbrennstof-fen aus Abfällen wird erheblich erschwert, wenn Tätigkeiten der Abfallaufbereitung nicht von Ermäßigungen auf Abgaben auf den Strompreis zur Förderung erneuerbarer Energien oder sonstigen Förderungen zur Minderung der Aufbereitungskosten (Produktionskosten) profi-tieren können. Hohe Strompreise führen dazu, dass das Recycling von Abfällen und die Auf-bereitung von Abfällen, wie beispielsweise von Kunststoffrecyclaten, zu SRF wirtschaftlich nicht mehr attraktiv und nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Die Energiekosten sind für das Kunststoffrecycling preisbestimmend, da sie bis zu 50 % der Bruttowertschöpfung ausma-chen können. Kosten- und Konkurrenzdruck entsteht durch die sehr viel preiswertere Ver-brennung nicht aufbereiteter Abfälle in reinen Müllverbrennungsanlagen (MVA) innerhalb und außerhalb der EU sowie durch niedrigere Recyclingkosten in Drittstaaten mit niedrige-ren Strompreisen (z.B. in Asien). Dadurch drohen recycelbare oder heizwertreiche Abfälle entweder unbehandelt in MVA mit niedrigerer Energieeffizienz – innerhalb oder außerhalb der EU – verbrannt zu werden oder in Drittstaaten abzufließen, wo sie aufgrund niedrigerer Stromkosten günstig stofflich verwertet (recycelt) werden können. In beiden Fällen gehen der Europäischen Union wertvolle Sekundärrohstoffe bzw. alternative, ressourcenschonen-de Energieträger verloren. Eine weitere Ebene des Konkurrenzdrucks besteht durch den Einsatz von überwiegend auf internationalen Märkten bezogenen Primärenergieträgern wie Kohle und Erdöl. Diese Entwicklung stünde in krassem Widerspruch zu den Vorgaben des EU-Abfallrechts und zu den Zielen der EU 2020-Strategie und den Klimaschutzzielen der Gemeinschaft. Da-her sollte im Sinne der Kohärenz des Gemeinschaftsrechts und der Gemeinschaftspolitiken die Kommission in ihren Energie- und Umweltbeihilfeleitlinien auch die Förderung von Ab-fallverwertungsmaßnahmen durch Ermäßigungen von Abgaben auf den Strompreis zur För-derung erneuerbarer Energien ermöglichen. Dabei sollte die Zulässigkeit einer Förderung nicht von der Handelsintensität mit Drittstaaten abhängig gemacht werden, da sie im Hin-blick auf Ressourcenschonung und Klimaschutz nicht relevant ist. Sollte an dem Kriterium der Handelsintensität festgehalten werden, müsste aber jedenfalls auch der Handel inner-halb der EU mit berücksichtigt werden. Denn hohe Abfallbehandlungskosten infolge von Abgaben auf den Strompreis zur Förderung erneuerbarer Energien führen nicht nur zu ei-nem Abfließen von Sekundärrohstoffen in Drittstaaten, sondern bergen insbesondere auch die Gefahr, dass die Abfälle in MVA innerhalb der EU verbrannt werden. Die hochwertige, ressourcenschonende Abfallaufbereitung, wie beispielsweise in Form von Kunststoffrecyc-laten und der SRF-Herstellung, steht mithin nicht nur im Verhältnis zu Drittstaaten unter Wettbewerbsdruck, sie ist auch durch innergemeinschaftliche Konkurrenz niederwertigerer und kostengünstigerer Abfallbehandlungsarten bedroht.

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B. Änderungsvorschlag

Der BDE Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. erlaubt sich , der Kommission einen Textvorschlag für die Neufassung der Randnummer (184) des Leitlinienentwurfs vorzuschlagen:

(184) In order to ensure that the aid has an environmental effect the aid should be targeted to avoid that without a reduction in the cost burden, certain sectors or economic activities are at risk of relocating outside the EU. The aid should be limited to sectors that are exposed to a significant risk of carbon leakage (i) or that are suffering from a distortion of competition by an increase in production or process costs (ii) due to the funding of support to energy from renewable sources. Accordingly, the aid can only be granted if the sector in-tensity of trade with third countries is above [10]% and the costs of funding renewable energy support lead to a substantial increase in production costs calculated as a proportion of the gross value added amounting to at least [5]%.

Alternativer Satz 3:

Accordingly, the aid can only be granted if the sector intensity of trade with EU-member states or third countries is above [10]% and the costs of funding renewable energy support lead to a substantial increase in production costs calculated as a proportion of the gross value added amounting to at least [5]%.

C. Begründung

I. Vorgaben des Gemeinschaftsrechts und der Gemeinschaftspolitiken zur nach-haltigen Abfallbewirtschaftung

Das EU-Abfallrecht gibt eine möglichst hochwertige Abfallbehandlung, wie sie das Kunst-stoffrecycling oder der Aufbereitung von Abfällen zu Ersatzbrennstoffen (SRF) darstellen, vor. Unter dem Aspekt der Ressourceneffizienz und der Rohstoffversorgung fordert auch die EU 2020-Strategie eine nachhaltige Bewirtschaftung von Abfällen.

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1. Abfallrechtliche Vorgaben der Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG

Die am 12. Dezember 2008 in Kraft getretene Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (Abfallrahmenrichtlinie, AbfallRRL) legt in Artikel 4 allen Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen im Bereich der Abfallvermeidung und -bewirtschaftung in der EU eine fünfstufige Abfallhierarchie als Prioritätenfolge zugrunde:

1) Vermeidung,

2) Vorbereitung zur Wiederverwendung,

3) Recycling im Sinne einer stofflichen Verwertung,

4) sonstige, z.B. thermische Verwertung,

5) Beseitigung. Recycling ist gemäß Art. 3 Nr. 17 AbfallRRL 2008/98/EG „jedes Verwertungsverfahren, durch das Abfallmaterialien zu Erzeugnissen, Materialien oder Stoffen entweder für den ur-sprünglichen Zweck oder für andere Zwecke aufbereitet werden. Es schließt die Aufberei-tung organischer Materialien ein, aber nicht die energetische Verwertung und die Aufberei-tung zu Materialien, die für die Verwendung als Brennstoff oder zur Verfüllung bestimmt sind.“ Jedoch lassen sich nicht alle Abfälle wiederverwenden, recyceln oder sonst stofflich verwer-ten. Für eine große Menge stellt sich nur die Möglichkeit der thermischen Verwertung oder der Beseitigung. Die Abfallverbrennung ist gemäß Art. 3 Nr. 15 AbfallRRL 2008/98/EG dann eine Verwertung, wenn die Abfälle „innerhalb der Anlage oder in der weiteren Wirtschaft einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem sie andere Materialien ersetzen, die an-sonsten zur Erfüllung einer bestimmte Funktion verwendet worden wären oder die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese Funktion erfüllen.“ Dies gilt insbesondere dann, wenn die Hauptverwendung des Abfalls als Brennstoff oder als anderes Mittel der Energieerzeu-gung erfolgt. Werden Abfälle in einer Anlage verbrannt, deren Zweck in der Behandlung fes-ter Siedlungsabfälle besteht (Müllverbrennungsanlage – MVA), ist für die Einstufung der Ver-brennung als Verwertung weitere Voraussetzung, dass die Anlage einen bestimmten Ener-gieeffizienz-Grad erreicht: mindestens 0,60 für in Betrieb befindliche Anlagen, die nach gel-tendem Gemeinschaftsrecht vor dem 1. Januar 2009 genehmigt werden, und 0,65 für Anla-gen, die nach dem 31. Dezember 2008 genehmigt werden. Die Berechnung dieses Kennwer-tes erfolgt durch eine ebenfalls in der Abfallrahmenrichtlinie dem Grunde nach festgelegten Formel, sogenannte R 1-Formel, deren genaue Ausgestaltung im Wege des Komitologiever-fahrens erfolgt.In Bezug auf die Abfallhierarchie ist also die Verbrennung zur Verwertung (thermische Verwertung) der Verbrennung zur Beseitigung vorzuziehen.

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Innerhalb der thermischen Verwertung wiederum ist eine effiziente, hochwertige Verwer-tung anzustreben. Das wird durch die Aufbereitung der zu verbrennenden Abfälle zu hoch-kalorischen, d.h. heizwertreichen Ersatzbrennstoffen (SRF) erreicht. Denn SRF werden nicht einfach in MVA verbrannt, sondern sie werden gezielt als Ersatz für fossile Energieträger wie Kohle und Öl hergestellt und eingesetzt, z.B. in Großfeuerungsanlagen der Industrie, in Kraftwerken und in Zementwerken. Dies kann unter Verwendung der SRF als alleinigem Brennstoff, sogenannte Monoverbrennung, oder im Wege der Mitverbrennung geschehen. Das europäische Umweltrecht schreibt somit das Recycling und die möglichst hochwertige thermische Verwertung von Abfällen vor. Daher sollte im Sinne der Kohärenz des Gemein-schaftsrechts unter beihilferechtlichen Aspekten die Förderung des Recyclings bzw. der Aufbereitung von Abfällen zu SRF gestärkt, zumindest aber ermöglicht und nicht verhindert werden.

2. EU 2020-Strategie und Bedeutung des Recycling und der Ersatzbrennstoff-produktion für Ressourcenschutz und Ressourceneffizienz

Mit der EU 2020-Strategie verfolgt die EU das Ziel, zu einem intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstum zu gelangen. Zur Konkretisierung und Umsetzung der EU 2020-Ziele hat die Kommission sieben Leitinitiativen aufgestellt. Eine dieser Leitinitiativen der EU-2020-Strategie ist die Initiative für ein Ressourcenschonendes Europa (KOM(2011) 21). Da-rin erklärt die Kommission, dass eine effizientere Ressourcennutzung ein entscheidenden Faktor der Wachstums- und Beschäftigungspolitik in Europa ist. Angesichts knapper wer-dender Ressourcen muss Europaressourceneffizienter werden, damit die Wettbewerbsfä-higkeit der europäischen Industrie und der Schutz der Umwelt sichergestellt werden kön-nen. Ein sparsamerer Ressourcenumgang leistet nach Ansicht der Kommission zudem einen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Verringerung der Treibhausemmissio-nen. Angesichts starker Schwankungen der Grundstoffpreise und Verzerrungen auf den globalen Rohstoffmärkten durch protektionistische Maßnahmen sieht die Kommission die effiziente und sichere Versorgung der Europäischen Wirtschaft mit Rohstoffen gefährdet. Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Kommission in der Mitteilung „Grundstoffmärkte und Roh-stoffmärkte: Herausforderungen und Lösungsansätze“ KOM(2011)25 eine integrierte stra-tegische Vision vorgelegt, um die Herausforderungen auf den Märkten für Grund- und Roh-stoffe anzugehen. Dabei verfolgt sie einen drei-Säulen-Ansatz:

1. Säule: Sicherung des Zugangs zu Rohstoffmärkten,

2. Säule: Erschließung von Projekten der Rohstoffförderung auf europäischem Boden,

3. Säule: Förderung von Ressourceneffizienz und Recycling.

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Die Kommission erachtet Ressourceneffizienz und Recycling somit als wesentlich für die Sicherung der Rohstoffversorgung der EU. Die Kommission misst dabei dem Recycling eine besondere Bedeutung zu: in der Leitinitiative für ein Ressourcenschonendes Europa (KOM(2011) 21) erklärt sie, dass eine Erhöhung der Recyclingraten nicht nur zu mehr Res-sourceneffizienz führt, sondern auch zur Versorgungssicherheit mit Rohstoffen beiträgt. Neben der Rückgewinnung von Kunststoffen leistet auch die Aufbereitung von Abfällen zu Ersatzbrennstoffen (SRF) einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz. Denn SRF haben in der Regel einen höheren Heizwert als unbehandelte Siedlungsabfälle und sind daher bei der Substitution fossiler Brennstoffe effektiver – SRF aus heizwertreichen Abfall-fraktionen werden daher oft in energieintensiven Bereichen wie der Zement- und Kalkher-stellung oder in Braunkohle- und zum Großteil in Industriekraftwerken mit verbrannt um die ansonsten benötigten energiereichen fossilen Energieträger zu ersetzen. Sie mindern dabei nicht nur die CO2-Emissionen, sondern können durch die kombiniertes Recycling (u.a. Er-schliessung von Fe-, NE-Metallen, PVC, …) auch bei Betrachtung aller Nachhaltigkeitskrite-rien im Rahmen der Lebenszyklusanalyse (Life-cycle –assessment, LCA) wichtige Umwelt-entlastungseffekte im Vergleich zum Einsatz von primären Rohstoffen sichern (s.a. Unter-suchungen des JRC der EU-Kommission im Rahmen des EU-Projektes RECOMBIO1). Die Vorzüge der SRF-Nutzung gegenüber der Abfallbehandlung in normalen Müllverbrennungs-anlagen (MVA) werden auch durch ein Gutachten der Technischen Universität München, Lehrstuhl für Rohstoff- und Energietechnologie (Prof. Dr.-Ing. Martin Faulstich), über „CO2-Minderungspotenziale und Anwendung der Klimaschutzinstrumente in EFRE-Ziel-2-Gebieten (EULV 25)“ im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesund-heit und Verbraucherschutzbestätigt2. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass „die Verwendung von Siedlungsabfällen als Ersatzbrennstoffe in Kohlekraft- und Zementwerken […] nach derzeitigem Datenbestand als die ökologisch sinnvollere Verwertungsvariante zu bewerten (ist), da beim Einsatz in diesen Anlagen keine zusätzlichen Emissionen entstehen. Die Energie muss zur Verfügung gestellt werden, sei es aus fossilen oder regenerativen Energieträgern. In Müllverbrennungsanlagen entstehen durch die Verbrennung zusätzliche Emissionen. Aufgrund der mangelnden Energieabgabemöglichkeiten in einigen Anlagen ent-steht durch die Müllverbrennung auch nicht der erwünschte Effekt durch Substitution von fossilen Energieträgern.“ Gerade die Anbindung an Fern- und Prozesswärmenetze stellt einen entscheidenden Vorteil der SRF-Nutzung gegenüber bestehenden Müllverbrennungs-anlagen dar.

1 http://recombio.eu-projects.de/ 2 Im Internet abrufbar unter: http://uok.bayern.de/portal/internalfile/download/EULV25_Endbericht_anonymisiert_1231319667973.pdf

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II. Starker Wettbewerbsdruck auf die ressourcenschonende Abfallbehandlung in Form des Recyclings und der Aufbereitung von Abfällen zu hochwertigen Er-satzbrennstoffen

1. Sekundärrohstoffgewinnung durch Kunststoffrecycling

Beim Kunststoffrecycling übernehmen die Recyclingunternehmen Kunststoffabfälle von Sammlungen aus Haushaltungen und Industrie und verarbeiten diese in aufwändigen Ver-fahrensschritten zu Mahlgütern, Regranulaten, Agglomeraten/Kompaktate, Regenera-te/Compounds, das sind die Recyclate, und Erzeugnissen. Diese Recyclate und Erzeugnisse ersetzen und ergänzen einerseits Primärkunststoffe undersetzen andererseits andere Werkstoffe wie Holz, Beton oder Stahl. Die Kunststoffrecycler in Deutschland teilen sich auf in Betriebe, die überwiegend Recyclate produzieren und in Betriebe, die Recyclate zusam-men mit Neuware zu Erzeugnissen weiterverarbeiten. Damit muss sich das Kunststoffre-cycling sowohl auf Seite der Recyclatproduktion wie auch auf Seite der Weiterverarbeitung in Erzeugnisse dem internationalen Wettbewerb stellen, der insbesondere durch die natio-nalen Energiepreise verzerrt ist. Die Unternehmen des Kunststoffrecyclings beziehen den Rohstoff sowohl aus Deutschland wie auch aus dem EU-Ausland und aus Drittstaaten. Der Absatz der Produkte erfolgt international; dabei sind Exportquoten von über 50 % keine Sel-tenheit. Die Verfahrensschritte des Recyclings sind in der Regel Zerkleinern, Waschen, Trennen, Trocknen, Extrudieren oder Agglomerieren und schließlich die Produktion von Erzeugnissen. Bei Agglomeraten, Granulaten und Compounds sind zusätzlich thermische Umformungen erforderlich. Diese Tätigkeiten sind energieintensiv. Die Energiekosten sind für das Kunst-stoffrecycling preisbestimmend, da sie bis zu 50 % der Bruttowertschöpfung ausmachen können. In Deutschland werden durch das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Kurztitel Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG) Abgaben auf den Strompreis zur Förderung erneuer-barer Energien im Sinne von Punkt 5.7 des Leitlinienentwurfs erhoben, sogenannte EEG-Umlage. Derzeit kommen einige Unternehmen, die Kunststoffe recyceln, aufgrund einer Einordnung als produzierende Unternehmen oder aufgrund einer Ermessensentscheidung des für die EEG-Umlagebefreiung zuständigen Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhr-kontrolle (BAFA) in den Genuss einer Ermäßigung auf die EEG-Umlage. Würde die Ermäßi-gung entfallen, etwa weil sie nach den neuen Leitlinien der Kommission für Energie- und Umweltbeihilfen als unzulässige staatliche Beihilfe gewertet wird, so würden sich die Kosten für die Recyclingunternehmen bei der Beschaffung um 25 – 35 Euro/Tonne und bei der Ver-marktung um 40 – 50 Euro /Tonne erhöhen. Dadurch würde sich die Wettbewerbssituation des Kunststoffrecyclings in Deutschland gegenüber dem Recycling in Drittstaaten und ge-genüber der Abfallverbrennung in MVA weiter erheblich verschlechtern.

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a. Wettbewerbsdruck durch thermische Abfallverwertung

Im Jahr 2011 wurden in Deutschland insgesamt 2,35 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle stofflich verwertet. Dem steht eine energetische Verwertung von 3,03 Mio. Tonnen Kunst-stoffabfällen gegenüber. In Deutschland werden also schon heute deutlich mehr Kunststoffe verbrannt als stofflich verwertet. So entzieht die klassische Müllverbrennung in Deutschland große Mengen an Kunststoffen einer nachhaltigen Ressourcennutzung. Einen erheblichen Anreiz zur Verbrennung anstelle des Recyclings geben die wesentlich ge-ringeren Kosten der thermischen Abfallbehandlung in reinen Müllverbrennungsanlagen (MVA) im Vergleich zu einer stofflichen Aufbereitung bzw. zum Recycling. Die Preise für die Verbrennung einer Tonne Siedlungsabfall in einer MVA variieren in Deutschland stark, z.B. ist ein deutliches Nord-Süd-Gefälle zu konstatieren. Als Mittelwert lässt sich jedoch ein Preis von ca. 65,00 Euro pro Tonne veranschlagen. Das Kunststoffrecycling beispielsweise kann dagegen bis zu 225,00 Euro pro Tonne kosten. Zwar lassen sich Recyclate vermarkten, doch schwanken die Erlöse je nach Recyclat und in Abhängigkeit von den volatilen Preisen für Pri-märrohstoffe ganz erheblich. Die Kosten der stofflichen Aufbereitung können also bei wei-tem nicht immer durch die Vermarktung aufgefangen werden. Die günstigen Verbrennungspreise kommen dadurch zu Stande, dass es in Deutschland er-hebliche Überkapazitäten an thermischen Abfallbehandlungsanlagen gibt. Diese Situation wird sich auf Dauer nicht ändern sondern eher noch verschärfen, so dass die Verbrennung dauerhaft günstiger sein wird als das umwelt- und wirtschaftspolitisch eigentlich gewollte Recycling. Eine Studie der Prognos AG3 im Auftrag des Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) aus dem Jahr 2009 zum Abfallmarkt in Deutschland und seiner möglichen Entwick-lung bis 2020 („Der Abfallmarkt in Deutschland und Perspektiven bis 2020“, im Folgenden: NABU-Studie4) zeigt die große Diskrepanz zwischen Verbrennungskapazitäten und verfüg-baren Abfällen in Deutschland auf. Der Studie nach wird sich das Aufkommen an Haus- und Sperrmüll (ohne Industrie- bzw. Gewerbeabfall) in Höhe von 16,1 Mio. Tonnen im Jahr 2006 auf 13,9 Mio. Tonnen bis zum Jahr 2020 verringern. Ursachen dafür sind der Bevölkerungs-rückgang, gesteigerte Anstrengungen zur Müllvermeidung, Getrenntsammlung und Recyc-ling sowie eine verstärkte Verwertung von Bioabfällen. Diesem Hausmüllaufkommen stan-den im Jahr 2008 Kapazitäten in Müllverbrennungsanlagen in Höhe von 18,5 Mio. Ton-

3 Die Prognos AG, Basel, Henric Petri-Str. 9, CH-4010 Basel, ist ein Beratungsunternehmen, das seit 1959 Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft berät; website: www.prognos.com. 4 Im Internet abrufbar unter: http://www.nabu.de/themen/konsumressourcenmuell/muell/abfallundrecycling/10651.html

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nen/Jahr gegenüber, die sich bis zum Jahr 2015/2020 auf ca. 19,6 Mio. Tonnen/Jahr erhö-hen dürften. Die schon für das Jahr 2008 festzustellende Überkapazität für die Verbrennung von Hausmüll in Höhe von über 2 Mio. Tonnen wird sich der Studie zu Folge in Zukunft also noch erheblich vergrößern. Je nach Szenario für die Entwicklung der Abfallmengen und für Kapazitätsprognosen kann die Diskrepanz zwischen den für die Verbrennung zur Verfügung stehenden Haushaltsabfällen und der Verbrennungskapazität im günstigsten Fall 7 Prozent (bezogen auf die für die Verbrennung zur Verfügung stehenden Abfälle), im schlechtesten Fall 21 Prozent betragen. Auch auf europäischer Ebene besteht ein erhebliches mengenmäßiges Ungleichgewicht zwischen dem Recycling von Kunststoffabfällen und der Verbrennung von Kunststoffabfäl-len: Der von PlasticsEurope herausgegebenen Studie „Plastics – the Facts 2013. Analysis of European latest plastics production demand and waste data“5 zu Folge gelangen europaweit 6,6 Mio. Tonnen Kunststoffabfälle in das Recycling und 8,9 Mio. Tonnen in die Verbrennung; auch auf europäischer Ebene hier überwiegt somit die unwiederbringliche Zerstörung der Stoff- und Energieressource Kunststoff. Die Entwicklungen deuten auch international auf eine enorme Kapazitätssteigerung bei Ab-fallverbrennungsanlagen hin. So hat sich allein in den Niederlanden die Kapazität an MVA von 2007 bis 2011 um 35 % auf 7,85 Mio t/Jahr erhöht. Einer Studie der Unternehmensberatung Frost & Sullivan zu Folge wird der weltweite Markt für die thermische Abfallverwertung bis zum Jahr 2016 um 11 Mrd. US-Dollar auf 29 Mrd. US-Dollar zunehmen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Verbrennungspreise im Vergleich zu den Recyclingkosten weiterhin niedrig bleiben, so dass auch in Zukunft die große Gefahr besteht, dass an sich rezyklierbare Abfälle – und mit ihnen wertvolle Sekundärrohstoffe – in Verbrennungsanlagen innerhalb und außerhalb der EU abfließen.

b. Wettbewerbsdruck durch günstigere Behandlungsmöglichkeiten im Ausland – Abfluss von rezyklierbaren Kunststoffabfällen in Drittstaaten

Die größten Wettbewerber für das in Deutschland aufgebaute Kunststoffrecycling sind Auf-bereiter und Verarbeiter von Sekundärkunststoffen in Fernost. Hier sind v.a. die Volksre-publik China einschließlich Hongkong, Indien, Vietnam und Malaysia zu nennen. Etwa 1 Mio. Tonnen an Kunststoffabfällen werden jährlich aus Deutschland in die VR China und nach Hongkong exportiert (EUWID Recycling und Entsorgung 12.2013, S. 23). Dabei spielen güns-tige Transportkosten eine Rolle; so sind aufgrund der umfangreichen Exporte an Fertigpro-dukten von China nach Europa erhebliche Transportkapazitäten auf dem Rückweg verfüg-bar, so dass Abfälle zur Vermeidung von Leerfahrten preiswert nach China verschifft werden

5 Im Internet abrufbar unter: http://www.plasticseurope.org/Document/plastics-the-facts-2013.aspx?FolID=2

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können. Die Frachtkosten in die VR China liegen beispielsweise deutlich unter denjenigen, die von Deutschland nach Spanien anfallen. In der VR China werden die eingeführten Kunst-stoffabfälle zu deutlich geringen Kosten – allerdings auch unter schlechteren ökologischen Bedingungen und zu schlechteren Arbeitsbedingungen als in Deutschland und Europa – auf-bereitet und zu Produkten verarbeitet, die anschließend wieder in die Weltmärkte einge-bracht werden. Damit sind die Märkte in Fernost die bedeutendsten Konkurrenten für das Kunststoffrecycling in Deutschland und der EU. Die deutschen und europäischen Kunst-stoffrecycler stehen also im direkten Wettbewerb mit den Produktionskosten im außereu-ropäischen Ausland. Auf die große Bedeutung der Energiekosten für die Recyclingkosten wurde bereits hingewiesen. Beispielhaft für den Abfluss rezyklierbarer Kunststoffabfälle aus Deutschland bzw. der EU ist das PET-Recycling. Dieses ist in Deutschland nur wirtschaftlich möglich, solange die Produk-tionskosten mit denen ausländischer Mitbewerber vergleichbar sind. Problematisch ist für die deutschen Recycler in diesem Zusammenhang insbesondere, dass im Ausland Überka-pazitäten an Behandlungsanlagen für gebrauchte PET-Flaschen bestehen. Das wirkt sich senkend auf die dortigen Preise für Recyclingtätigkeiten aus. Infolge dessen werden qualita-tiv hochwertige Rohstoffe aus dem deutschen Sammelsystem exportiert und stehen dem heimischen Recyclingmarkt nicht mehr zur Verfügung. Beispielsweise hat der umfangreiche Aufkauf von PET-Flaschen, die in Deutschland über das Pfandsystem gesammelt werden, durch Unternehmen aus der VR China das PET-Flaschenrecycling in Deutschland 2004 stark in Bedrängnis gebracht. Durch die Verknappung der verfügbaren Menge an gebrauchten PET-Flaschen entsteht – bei gleichzeitig höheren Energiekosten in Deutschland – ein höhe-rer Preisdruck auf die deutschen Recycler, verglichen mit Unternehmen im Ausland. Darüber hinaus muss das recycelte PET neben den vorhandenen Recyclingprodukten aus anderen Staaten, insbesondere aus Asien, auch immer mit den gut verfügbaren, international herge-stellten Primärwaren konkurrieren. Die Qualitätsanforderungen leiten sich aus den Anforde-rungen der verarbeitenden Industrie ab und müssen der für den Lebensmittelbereich gefor-derten Spezifikation bzw. dem Reinheitsgrad von Neuware entsprechen. Ausschlaggebend für die Konkurrenzfähigkeit von rezykliertem PET ist in daher erster Linie der Preis. Rezykla-te werden nur dann von den Flaschenherstellern eingesetzt, wenn es einen attraktiven Preisabstand zwischen PET-Neuware und recyceltem PET gibt.

2. Aufbereitung von Abfällen zu Ersatzbrennstoffen

Ersatzbrennstoffe (SRF) sind Brennstoffe, die aus Abfall gewonnen werden. Grundstoffe für die Herstellung von SRF sind in der Regel nicht-recycelbare Kunststoffe, Abfall zur Verwer-tung aus der Industrie, Sortierreste aus Wertstoffsortieranlagen sowie Gewerbeabfälle. Es handelt sich um Abfallfraktionen, die auf Grund ihrer Zusammensetzung und Eigenschaften i. d. R. höhere Heizwerte aufweisen als das Abfallgemisch. Der Brennwert der zu SRF verar-

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beiteten Abfälle liegt bei ca. 11 bis 22 MJ/kg. Ersatzbrennstoffe unterliegen grundsätzlich detaillierten Qualitäts- und Materialanforderungen, denn ansonsten könnten sie in Indust-riekraftwerken und Mitverbrennungsanlagen wie Zementwerken nicht zum Einsatz kom-men. Im Vergleich zu der thermischen Behandlung von Abfällen in herkömmlichen Müllver-brennungsanlagen (MVA) haben Industriekraftwerke und Mitverbrennungsanlagendeutlich schärfere und umfänglichere Qualitätskriterien für die eingesetzten Brennstoffe. Durch die verschiedenen Schritte bei der Herstellung von SRF, also die spezifische Vorsor-tierung, die mehrstufige Zerkleinerung, die Abtrennung von Schwer- und Störstoffen durch Siebung und Sichtung, die Entfrachtung von Schwermetallen und PVC-Abtrennung z.B. durch sensorgestützte Sortierung, die Gewinnung enthaltener Fe- und NE-Metalle, werden einerseits die notwendigen physikalischen und chemischen Eigenschaften (Spezifiaktionen) des Brennstoffs gewährleistet, andererseits Brennstoffproduktion und Recycling sinnvoll miteinander kombiniert. Diese Arbeitsschritte sind zwar sehr energieintensiv, jedoch substi-tuieren die auf diesem Wege hergestellten, hochwertigen Ersatzbrennstoffe in Industrie-, Heiz- und Zementkraftwerken fossile Brennstoffe und zwar insbesondere Braun –und Stein-kohle, was zu einer Ersparnis von ca. 1 t CO2/t SRF führt. Gewonnene Fe- und NE-Metalle aber auch ggf. aussortierte Papier- , Holz- oder Kunststofffraktionen bedeuten eine zusätz-liche Bereitstellung von sekundären Ressourcen. Nicht andersartig verwertbare Reste kön-nen schliesslich in Müllverbrennungsanlagen eingesetzt werden. Durch die Kombination aus Recycling und hocheffizienter energetischer Verwertung können bei Betrachtung aller 15 LCA-Nachhaltigkeitskriterien wichtige Umweltentlastungseffekte im Vergleich zum Einsatz von primären Rohstoffen gesichert werden (s.a. Untersuchungen des JRC der EU-Kommission im Rahmen des EU-Projektes RECOMBIO6). Die Stromkosten sind auch für die SRF-Produktion preisbestimmend, da diese insbesondere für hochwertige Brennstoffe bis zu 25 % der Bruttowertschöpfung ausmachen können. Im Gegensatz zu der thermischen Behandlung von Abfällen in herkömmlichen Müllverbren-nungsanlagen geht es bei der energetischen Nutzung des aufwendig aufbereiteten Ersatz-brennstoffs also allem um dessen Eigenschaft als Energieträger und eine optimale Kombina-tion mit dem Recycling. Auch die Aufbereitung und Verwendung der Abfälle als effiziente SRF steht unter dem Wettbewerbsdruck der „normalen“ Abfallverbrennung in MVA. Zwar erzielen gute Brennstoffqualitäten mittlerweile einen positiven Marktwert, allerdings ist die SRF-Herstellung auch mit einem Aufbereitungsaufwand, zusätzlichem Materialumschlag und Transportaufwand verbunden. Daher ist die Verbrennung der Abfälle in einer MVA ab einem MVA-Verbrennungspreis von ca. 70 EUR/t attraktiver als die Produktion und der energieeffiziente Einsatz von SRF. Die Akquisition von Gewerbeabfällen (aus denen häufig SRF hergestellt werden) für den Einsatz in MVA erfolgte 2013 in Deutschland in einigen Re-gionen zu Preisen von unter 60 EUR/t. Eine weitere Verzerrung würde entstehen, wenn Ge-

6 http://recombio.eu-projects.de/

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winnung und Herstellung von primären fossilen Brennstoffen (z.B. Braunkohle) von Zusatz-belastung aufgrund der bundesdeutschen Energiewende befreit würden (u.a. EEG-Umlage), diese Befreiung aber für SRF, also sekundäre Brennstoffe, nicht gewährt würde. Dies würde den erklärten Zielen der EU 2020-Strategie eindeutig entgegen laufen.

III. Fazit

Die hochwertige, ressourcenschonende bzw. –effiziente Behandlung von Abfällen in Form des Recyclings und der Herstellung von Ersatzbrennstoffen (SRF) ist sowohl umweltrecht-lich durch die Abfallhierarchie der Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG, als auch umwelt- und wirtschaftspolitisch unter dem Aspekt der Ressourceneffizienz und der Gewährleistung einer sicheren Rohstoffversorgung der EU geboten. Recycling und die Aufbereitung der Ab-fälle zu SRF sind energieintensive Tätigkeiten, an deren Gesamtkosten die Energiekosten einen hohen Anteil haben. Dabei stehen sie unter starkem Wettbewerbsdruck der thermi-schen Verwertung in gewöhnlichen Müllverbrennungsanlagen (MVA) innerhalb der EU, die infolge massiver Überkapazitäten zu wesentlich niedrigeren Preisen als das Recycling oder die SRF-Herstellung erfolgt. Recycling und damit auch die SRF-Produktion stehen zudem unter dem Wettbewerbsdruck einer kostengünstigen stofflichen Verwertung außerhalb der EU, vor allem in Asien und im Wettbewerb mit primären Ressourcen. Zur Erfüllung der um-weltrechtlichen sowie umwelt- und wirtschaftspolitischen Vorgaben und Ziele der EU ist es deshalb unbedingt notwendig, die Kosten einer hochwertigen Abfallbehandlung innerhalb der EU wettbewerbsfähig zu halten. Die Kommission selbst erklärt die Förderung der Res-sourceneffizienz und des Recyclings zu einer tragenden Säule der Rohstoffpolitik der Ge-meinschaft. Die Bereitstellung von sekundären Ressourcen durch Recycling und SRF-Produktion sind unverzichtbarer Bestandteil der EU 2020-Strategie. Dies darf nicht durch wettbewerbsverzerrende Eingriffe in Frage gestellt werden und muss bei der beihilferechtli-chen Beurteilung von Ermäßigungen auf Abgaben auf den Strompreis zur Förderung erneu-erbarer Energien berücksichtigt werden. Daher sollte die Kommission diese Förderung auch durch staatliche Beihilfen der Mitglied-staaten in Form von Ermäßigungen von Abgaben auf den Strompreis zur Förderung erneu-erbarer Energien für Unternehmen, die Abfälle recyceln und/oder zu hochwertigen SRF auf-bereiten, grundsätzlich zulassen. Punkt 5.7 der Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien sollte entsprechend in der unter B. vorgeschlagenen Weise ergänzt bzw. klargestellt werden. Peter Kurth Eric Rehbock Präsident BDE Hauptgeschäftsführer bvse