ST.IL Winter 2010/100 - Die Steiermark Illustriere

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www.steiermark.com Der Wau-Effekt Mit dem Hundeschlitten durch den steirischen Winter. Ein tierischer Fahrbericht. > Seite 06 Wir sind Apfel 165.000 Tonnen Äpfel werden pro Jahr in der Steiermark geerntet. Welche Sorte sich wofür eignet? Experten verkosten. > Seite 28 100 Grad im Schatten Mehr als nur warme Luſt: Auch steirische Spezialisten machen Saunakabinen zum trendigen Einrichtungsgegenstand. > Seite 40 Kalt, aber kuschelig Nr. 7 | Winter 2010/2011 STEIERMARK. ILLUSTRIERTE Das Magazin für Kenner und Liebhaber

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Der Wau-Effekt. Wir sind Apfel. Mit dem Hundeschlitten durch den steirischen Winter. Ein tierischer Fahrbericht. Mehr als nur warme Luft: Auch steirische Spezialisten machen Saunakabinen zum trendigen Einrichtungsgegenstand. 165.000 Tonnen Äpfel werden pro Jahr in der Steiermark geerntet. Welche Sorte sich wofür eignet? Experten verkosten. Das Magazin für Kenner und Liebhaber nr. 7 | Winter 2010/2011

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Der Wau-Eff ektMit dem Hundeschlitten durch den steirischen Winter.Ein tierischer Fahrbericht. > Seite 06

Wir sind Apfel165.000 Tonnen Äpfel werden pro Jahr in der Steiermark geerntet. Welche Sorte sich wofür eignet? Experten verkosten. > Seite 28

100 Grad im SchattenMehr als nur warme Luft : Auch steirischeSpezialisten machen Saunakabinen zumtrendigen Einrichtungsgegenstand. > Seite 40

Kalt,aber kuschelig

nr. 7 | Winter 2010/2011

STeIeRMARK.ILLUSTRIERTEDas Magazin für Kenner und Liebhaber

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SeITe 04 > Kurz und gut Was die Steiermark alles hat.

SeITe 06 > Partner mit der kalten Schnauze Galoppierende Pfoten: Mit dem Hundeschlitten durch die tief verschneite Winterlandschaft. Dafür muss man nicht nach Kanada oder Finnland.

SeITe 09 > Piep, Piep, Piiiieeep! Sich einmal wie ein Weltcupläufer fühlen. Auf der Riesneralm kann diese Eindrücke jeder mit nach Hause nehmen. In Form eines Rennvideos.

SeITe 10 > Ein Winter wie damals 2013 wird in der Steiermark eine Alpine Ski-Weltmeister- schaft stattfinden. Nicht zum ersten Mal. Eine Rückblick.

SeITe 14 > Eins, zwei, Wechselschritt Tanzen boomt. Anfänger und Fortgeschrittene, Meisterinnen und Muffel können ihr Schritt-Repertoire während eines Thermenaufenthalts perfektionieren.

SeITe 16 > Achtung Schleudergefahr Eisstockschießen ist in der Steiermark Nationalsport. Da wird jeder zugefrorene Teich zum Stadion für beherzte Wettkämpfe um Dauben und Knödel.

SeITe 19 > Guten Flug Als Luftpost in die Steiermark. Das Angebot der Airlines.

SeITe 20 > Im Kugelhagel Freilich zwingt einen niemand, die ganze Tafel oder sämt- liche Kugeln auf einen Sitz zu vernaschen. Aber wie man den Kreationen steirischer Schokolade-Produzenten widerstehen soll, steht auf keiner Verpackung.

SeITe 22 > Ein echter Steirer Wienerschnitzel, Salzburger Nockerl und Tiroler Gröstl bekommen Konkurrenz aus der Steiermark: Eine eigene Germknödel-Kreation erobert die Skihütten.

SeITe 24 > Frisch, saftig, steirisch Strudel, Ringe, Saft, Marmelade, Mus oder einfach nur reinbeißen: Aus steirischen Äpfeln kann man fast alles machen. Nur welche Sorte eignet sich am besten wofür?

SeITe 28 > Alte Meister Innovative Industrie, pulsierende Kreativszene, florierender Handel. Dazwischen, in den Nischen des modernen Wirtschaftslebens, haben sich aber traditionsreiche Handwerksberufe konserviert.

SeITe 30 > So ein Zirkus Zum zweiten Mal gastiert im Advent Vollblut-Künstler Adrian Schvarzstein beim „Cirque Noël“ in Graz. Ein Gespräch über den Zauber des Verzauberns.

SeITe 32 > Stylish shoppen Die Steiermark zieht an – nicht nur zum Erholen, auch zum Einkaufen.

SeITe 34 > Im Brutkasten der Sportcoupés Autos der Zukunft - made in Styria

SeITe 35 > Sitzen und schwitzen In der kalten Jahreszeit zieht es die Menschen in warme Saunakabinen. Aus unspektakulären Keller- möbeln sind zeitgeistige Designstücke geworden.

SeITe 38 > Schlaf gut! Nicht alle setzen im Winter auf Pulsbeschleunigung. Ruhe- suchenden bietet die Steiermark ausreichend Platz. Die Tiere liefern Vorbilder für einen gepflegten Winterschlaf.

SeITe 40 > Hinweise und Impressum

Melden Sie sich bitte unter [email protected] an und Sie erhaltendie nächste Ausgabe im Februar 2011 druckfrisch gratis zugeschickt.

Willkommen im ST.IL-Leserclub!

STEIRIScHE MIScHunG

Nikolaus trifft Jedermann Plötzlich zerreißt ein scharfer Peitschenknall die angespannte Stille. Schellengeläute und dumpfes Grollen mischen sich in die aufwal-lende Unruhe, steigert sie zu höllischem Lärm und kündigt die Ankunft seltsamer Gestalten mit kunstvoll-grimmigen Holzmasken und zot-teligen Fellen und Pelzen an: Sie nennen sich Quartiermacher, Nachtwächter, Schimmelreiter, Luzifer und Bartl. Begleitet werden sie von einer Heerschar von Krampussen mit langen Ruten und den sogenannten Strohschab, schrägen, ganz in Stroh gehüllten Figuren. Die Schab wer-den schon Ende November aus händisch gedro-schenem Kornstroh gebunden. Sie bestehen aus dem Kittel, dem Oberteil, dem Kopfteil und aus Hörnern, die bis zu vier Meter lang sind. So hat man sich den Besuch des heiligen Nikolaus wohl nicht vorgestellt. Tatsächlich steht der gütige Bi-schof beim traditionellen Nikolospiel in Bad Mit-terndorf nicht allein im Rampenlicht. Vielmehr ist das seit mehr als einhundert Jahren immer am 5. Dezember aufgeführte Volksstück ein bizarres Brauchtumstheater mit einer Vielzahl charismatischer Angstgestalten und einem tra-gischen Subhelden als bäuerlichem Jedermann: Ein alter Bettler wird nämlich während seiner Beichte vom Tod mit geschwungener Sense aus dem Leben gerissen. Erst am Ende des Stücks, dessen Textpassagen in der Originalfassung aus dem letzten Jahrhundert vorgetragen werden, geht die Herrschaft der Krampusse zu Ende. Fünf Mal spielt das vielköpfige Ensemble von Männern und Burschen dieses Stück während seines prozessionsähnlichen Marsches von der Ortschaft Krungl bis nach Bad Mitterndorf. Ge-startet wird am 5. Dezember um 17 Uhr. www.ausseerland.at

Seitenweise Ausreden, dass man nicht weiß, wo die Steiermark liegt und was sie touristisch zu bieten hat, gibt es jetzt keine mehr. Al-lein in den vergangenen Monaten erschienen in den renom-miertesten Fachverlagen fünf neue Steiermark-Reiseführer: Polyglott, Marco Polo, MERIAN, Trescher sowie der Hoffmann-Verlag haben neue Handbücher, Magazine oder Bildbände mit Insider-Tipps, Hintergrundinformationen, geschichtlichen Erklärungen, anregenden Reportagen, einladenden Bildern, ausführlichem Kartenmaterial und Tourenvorschlägen her-ausgebracht. Alle neuen Steiermark-Reiseführer sind bestell-bar unter www.steiermark.com/buecher.

Himmlische Dachlandschaft Dem Himmel näher kann man in der Steiermark nirgends sein. Denn Österreichs National-Skitour führt geradewegs über das Gipfelplateau des Dachsteins, den mit knapp 3000 Meter höchsten Gipfel des Landes. Mit Aussichtspunkten auf eine beeindruckende Bergarena wird dabei nicht gegeizt, was die Dachstein-Überquerung zu einer der schönsten Touren des Alpenraums macht. Sie startet auf steirischer Seite bei der Bergstation der Gletscherbahn auf 2700 Meter Seehöhe und endet im oberösterreichischen Obertraun. Dazwischen liegen knapp 25 Kilometer gemütliche Skitouren-Strecke – großteils geht es nämlich bergab (die kurzen Anstiege sind auch mit normalen Alpinski zu bewältigen). Der Rücktransport nach Schladming ist bei entsprechendem Touren-Wetter an den Wochenenden und dienstags mit Bussen der Planai-Bahnen organisiert, an den übrigen Tagen mit dem Zug möglich. Informa-tionen unter www.derdachstein.at.

Glas für GlasFür August Schmölzer war es eine Premi-ere. Erstmals schrieb er ein Filmdrehbuch. Als Schauplatz für die Familienkomödie „Der Winzerkrieg“ wählte der Theater- und Filmschauspieler (u.a. „Schindlers Liste“) seine unmittelbare weststeirische Heimat rund um Stainz. „Damit ging ein langjähriger Traum in Erfüllung“, freut sich Schmölzer, der in der 1,6 Millionen Euro-Produktion einen umsatzgierigen Diskontweinerzeuger mimt. Neben ihm stand während der Dreharbeiten im Som-mer 2010 Uschi Glas in der weiblichen Hauptrolle vor der Kamera. Die deutsche Filmschau-spielerin gibt eine überzeugte Biowinzerin, die sich gegen die drohende Übernahme ihres familieneigenen Weinbergs wehrt. Daraus entwickelt sich eine launig-verzwickte Filmge-schichte, die im Frühjahr 2011 via ARD und ORF ihren Weg in die Wohnzimmer finden wird. ©

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Universum als WeltkulturerbeIm dritten Anlauf hat es Mitte 2010 geklappt: Das Barockschloss Eg-genberg kann sich seither in einem Atemzug mit der Chinesischen Mauer, den Pyramiden von Gizeh oder dem Bikini-Atoll UNESCO-Welterbe nen-nen. Als Erweiterung der bereits seit 1999 in die prestigeträchtige Liste aufgenommenen Grazer Altstadt gilt der Prunkbau im Westen der steiri-schen Landeshauptstadt damit ab so-fort als ideeller Besitz der gesamten Menschheit, den das betroffene Land schützen muss. Eine fast überirdische

Aufgabe, denn das Haus ist als symbolisches Abbild des Universums erbaut. Als riesiges Gleichnis. So stehen die insgesamt 365 Fenster für die Tage eines Jahres, die 52 Fenster der Prunkzimmer für die Sonntage des Jahres. Dass es exakt 24 dieser Prunkzimmer gibt, refl ektiert die Stunden eines Tages. Die vier Ecktürme repräsentieren die vier Winde, und die vier Elemente Erde (Boden), Luft, Wasser (Gräben) und Feuer (rotes Dach) sind ebenso in die durchdachte Zahlenmystik des Schlosses miteinbezogen. Zentrale Räumlichkeit ist der Planetensaal mit einem Zyklus von über 500 Deckengemälden, die als charakteristi-sches Zeugnis für frühbarockes Weltverständnis gelten. Erbaut wurde der Komplex 1625 vom Italiener Pietro de Pomis als Residenz des kaiserlichen Statthalters Hans Ulrich von Eggenberg (1568-1634). Das Schloss ging später auf die Familie Herberstein über und wurde 1939 vom Land Steiermark erworben und dem Universalmuseum Joanneum ein-gegliedert. Heute beheimatet es die Alte Galerie und das Archäologiemuseum des Landes.www.museum-joanneum.at

Schlemmermark Die Vorgaben sind streng: Zwei Drittel der auf der Speisekarte angebotenen Gerichte müssen steirisch sein, dann erst erfüllt man als Wirt die Kriterien, um offi zieller „Kulinarium Steiermark“-Betrieb werden zu können. 117 wurden zuletzt von Lan-deshauptmann-Stv. Hermann Schützenhöfer mit dem Qualitätssiegel ausgezeichnet. Sie garantieren Regionalität und saiso-nale Frische der in den Kochtöp-fen zu schmackhaften Köstlich-keiten verarbeiteten Produkte. Schwere Zeiten also für Sushi, Carpaccio, Pizza oder Burger.www.kulinariumsteiermark.at

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Partner mit der kalten SchnauzeMit dem Hundeschlitten durch den Winter.Das ist Alaska-Flair mitten in der Steiermark.

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Okay, okay – war nicht so gemeint. Aus vier vorwurfsvollen Augenpaaren blitzt einem

so etwas Ähnliches wie „Das war jetzt aber nicht dein Ernst?!“ entgegen. Auslöser der Re-aktion war eine kurze Aktivierung der Bremse. Das schmeckt den vier Augenpaaren gar nicht. Ihre Körper sind in diesem Moment auf Vollgas, zumindest aber auf einen gediegenen Dauerlauf programmiert. Für unsachgemäße Bremsma-növer ist da kein Platz. Aber es ist doch flotter um die Kurve gegangen als gedacht. Der Tritt auf die sogenannte Krallenbremse folgte eher instinktiv. Der Schlitten kommt unter einer üp-pig angeschneiten Tanne ruckartig zum Stehen. Die zu den Augenpaaren gehörenden Hunde-körper haben dafür kein Verständnis und wollen weiter. Erst rund drei Kilometer haben sie den Fremden auf dem Schlitten hinter sich durch die Winterlandschaft im obersteirischen Johnsbach gezogen. Das kann noch nicht alles gewesen sein. Eh nicht, eh nicht – nur das mit den Kurven muss dann doch noch ein bisserl geübt werden. Vom Fahrer. Die Hunde kennen und können es. Bei sieben- bis achttausend Kilometer Laufleis-tung während der Wintermonate aber auch kein Wunder. Das charakteristische Geräusch aus

„Ho“, „Tschi“ – die Kommandos haben nichts mit Korea zu tun, sondern

sagen den Hunden, wohin der Musher gerne abbiegen möchte: nach links

oder rechts. Die Tiere beherrschen die dafür notwendige Kurventechnik, die

Schlitten-Fahrschüler nicht immer.

Knirschen und Knacken, das die Bremse wieder löst, erkennen die Hunde ohne hinzusehen. Um-gehend springen sie ins Geschirr und dampfen wieder Vollgas davon. Mit 15 bis 20 Kilometer pro Stunde saust man so im Gespann mit den vier Hunden über den präparierten Trail (bei acht Hunden können es bis zu 30 km/h sein).

Es hat etwas Archaisches, wie einst die Polar-steppenbewohner durch den Schnee zu pflügen. Längst haben bei ihnen Motorschlitten die Tier-Gespanne abgelöst. Vielerorts sind sie heute alsprofessionell betriebene Sportgeräte oder/und touristisches Angebot im Einsatz. Auch in der Steiermark, wo man unter anderem auf der Tauplitz oder eben in Johnsbach Alaska- und Sibirien-Atmosphäre erleben und als „Musher“ selbst einen Hundeschlitten führen kann. Dafür ist eine kurze Einführung in Technik, Tricks und Regeln notwendig.

Regel Nummer 1: Nie von der Bremse runter, wenn man stehen bleiben will. Denn sobald die Hunde keinen Widerstand mehr spüren, lau-fen sie schon wieder los. Regel Nummer 2: Nie auf die Bremse rauf (oder sie aus Unsicherheit

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schleifen lassen), wenn man fahren will. Das er-schwert den Hunden ihre Arbeit. Vielmehr geht es um einen sensiblen Umgang mit der Krallen-bremse für scharfe Manöver beziehungsweise der Bremsmatte aus Gummi. Sie kann der Mush-er mit seiner Ferse vorsichtig zwischen die Kufen drücken, um das Tempo entsprechend dosieren zu können. Auch die richtige Belastung der Ku-fen ist entscheidend, um das Gefährt im richti-gen Winkel in und durch die Kurve zu dirigieren. Das erfordert einige Koordinationsfähigkeit von Musher, Schlitten und den Hunden. Während sich vorne die Hunde abmühen, soll man selbst dabei möglichst „relaxed auf den Kufen stehen“, er-klären die Instruktoren. Das heißt im Konkreten: Körpermittelpunkt über den Schlitten bringen, leicht in die Knie gehen, bei Steigungen die Hun-de durch ein mit den tierischen Bewegungen sy-chronisiertes kräftiges Abstoßen mit einem Bein unterstützen. Und sonst „einfach nur genießen“, sagen die Hundeführer von Sieglinde Herzmaiers „Checkpoint Adventure Team“. Die Tiere würden das auch tun, werden aufkommende Zweifel zerstreut: „Sie brauchen einem nicht leid zu tun, auch wenn ihnen der Schlecker heraushängt, lau-fen sie genau ihr Tempo.“

Es sind besonders lauffreudige Rassen, deren Ur-großväter allesamt aus dem hohen Norden stam-men: Kleine, wendige Siberian Huskies, seltene, wuschelige Samojeden, die mächtigen Alaskan Malamutes, die „Lokomotive des Nordens“ genannt werden, weil sie auch einen Kleinwa-

gen wegziehen können, Grönland-Huskies, die sich für spezielle Fächergespanne eignen (eine Formation, die als Schutzmaßnahme gegen die Einbruchgefahr am Eis dient), oder Mischlinge, die mit langbeinigeren und etwas gelehrigeren Jagdhunden gekreuzt werden. Immer gilt es für den Musher, zum einen von den Tieren als Ru-delsführer anerkannt zu werden, zum anderen aus seiner Meute harmonierende Gespanne zu-sammenzufügen: der „Leader“ ganz vorne, die „Wheeler“ dahinter (bei einem Sechser-Gespann kommen dazwischen noch „Teamdogs“ dazu). Durchschnittlich gibt es eine Zugbelastung von zehn Prozent des Eigengewichts des Schlittens, wobei die Hunde direkt vor dem Schlitten die größte Belastung haben. Die vorderen Hunde sind dagegen für Tempo und Richtung verant-wortlich. Sie müssen demzufolge kommandosi-cher sein und die internationale „Musherspra-che“ verstehen: „Tschi“ für rechts, „Ho“ für links, „Hou“ für halt und „Hike“ für los. Schon während der Sommer- und Herbstmonate wird mit eigens konstruierten Schlitten trainiert (laut Tierschutzgesetz nur bis zu einem Temperatur-maximum von 15 Grad), vor allem wird aber auf

das Sozialisieren und Spielen in der Gruppe Wert gelegt. Ab ihrem 18. Lebensmonat werden die Tiere in die Arbeit mit dem Schlitten eingeführt. Die Newcomer sind zu Beginn des Winters immer besonders aufgekratzt.

Aber auch die erfahrenen Oldies warten aufge-regt kläffend auf ihren Einsatz. Übermütig hüp-fen sie hin und her, wälzen sich freudig im Schnee und genießen ihre regelmäßigen Streicheleinhei-ten mit langem Hals und zugekniffenen Augen.Der anfängliche Überschwang geht relativ rasch in ein stetes Dahintraben über. Dann und wann schert einer der Hunde aus, um nach einem Maul- voll Schnee zu schnappen, dann und wann sor-gen spitze Kurven rund um Bäume für Nerven-kitzel, dann und wann fordern Bergauf-Stücke auch die Kondition des Mushers. Nach getaner Arbeit wartet auf die Tiere neben der nächsten Streicheleinheit die tägliche Portion speziell zu-sammengemischte Kraftnahrung. Spätestens dann sind auch die ruppigen Bremsmanöver des Fahranfängers schon wieder vergessen. www.rafting.at/Hundeschlitten www.gesaeuse.at

Startaufstellung. Manche springen, manche sitzen, manche bellen, manche dösen, manche genießen: Die Vorbereitungsrituale der Schlit-tenhunde auf ihren Einsatz sind unterschiedlich. Aber geht’s dann los, haben die Tiere eines gemein: Sie sind (fast) nicht zu bremsen.

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Weltcup für jedermannSteiermark-Premiere: Auf der permanenten Rennstreckeauf der Riesneralm kann man sich für knapp eine Minute wie einWeltcupläufer fühlen. Und die Impressionen auch mit nach Hause nehmen: als Video, das im Internet abrufbar und weltweit verschickbar ist.

Spannung liegt in der schneidig kalten Luft. Ein letztes Mal wird die Skibrille unter dem

Helm zurechtgerückt, ein letztes Mal die Bin-dung kontrolliert. Wie bei unzähligen TV-Über-tragungen von Weltcuprennen gesehen, rammt man mit wilder Entschlossenheit unmittelbar vor der Ausfahrtslucke zunächst den rechten Ski-stock in den Schnee. Dann den linken. Ungestüm wie die Hufe eines jungen Pferdes stampfen die Ski auf den Schneeboden im Starthäuschen.

Piep! – Das Signal, dass der Countdown für die Zeitnehmung aktiviert ist, sorgt für den letzten Adrenalin-Kick. Piep!! Der hoch konzentrierte Blick klebt auf der Ideallinie durch die ersten beiden Tore. Die Kamera, die unmittelbar über einem das ganze Prozedere mitfilmt, ist längst vergessen. Piiiieeeep!!! Los geht’s.

Auch die zweite Kamera auf der anderen Seite der Piste, die dank erhöhtem Standort fast die gesamte Rennstrecke überblickt und dank „in-telligenter“ Technologie automatisch mit dem Fahrer mitschwenkt, wie er auf seiner Jagd nach der Bestzeit durch den Torstangenwald brettert.Nach einjähriger Entwicklungsphase wurde die-ses Service für Skifahrer auf der Riesneralm in der Region Schladming-Dachstein im vergangenen Winter eingeweiht. Bislang noch ein steirisches Unikum – und nicht nur deswegen ein besonde-rer Reiz für Skifahrer aller Alters- und Könnens-Stufen. Denn das Video des eigenen Rennens kann – ähnlich wie bisher schon in mehreren Ski-gebieten das individuelle Profil der absolvierten

Höhenmeter eines Skitages – im Internet abge-rufen werden. Eine auf der Liftkarte abgedruckte Kennzahl reicht, um das Skimovie ansehen, aufs Handy oder den PC herunterladen und an seinen eigenen Fanklub verschicken zu können.

Alles, jedes Detail, ist darauf zu sehen. Das kann manchmal ein bisserl ernüchternd sein. Nicht nur wegen der (wie im „echten TV“) am unte-ren Bildrand mitlaufenden Zeitnehmung. Denn angefühlt hatte es sich mindestens wie der perfekte Double-Einsatz für Hermann Maier, als man sich da hochexplosiv aus dem Starthäus-chen katapultierte, sich mit zwei, drei impulsiven Doppelstockeinsätzen auf Rekordkurs brachte und die ersten Tore in aerodynamischer Hocke schluckte wie eine heißhungrige Raubkatze.

Später am Abend, beim Abrufen des Videos, er-innert das Gesehene eher an ein fast ganz nor-mal-gemütliches Losfahren und Herumkurven eines Durchschnittsmöchtegernmaxis. Aber das

aufwühlende Gefühl ist auch beim Bilderkonsum wieder da. Dieses prickelnde Rennfieber, das die Beschreibung der eigenen sportlichen Großtat noch ein klitzekleinwenig auftoupiert. Etwas härter präparierte Passagen werden in der Wie-dergabe zu einem pickelharten Steilhang, die fa-milienfreundliche Kurssetzung zur hinterhältigen Schikane und die kurze Gleitpassage zu einem Lackmustest für Mensch und Maschine, bevor im Ziel die, naja, Fast-Bestzeit aufleuchtet. „Wie wild das ist, sieht man ja im Fernsehen nicht so genau“, wird man einen alten Sportkommenta-toren-Spruch bemühen, um zu versuchen, das mitleidige Nicken der mit dem Video Beglückten zu neutralisieren. Ohne wirklichen Erfolg. So bleibt nur die ultimative Kampfansage: „Na gut, dann kommt’s das nächste Mal mit, dann wer-det ihr schon sehen …“ Und alle anderen später auch. Am Video. www.riesneralm.atwww.schladming-dachstein.atwww.steiermark.com/ski

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1982Das waren noch Zeiten

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Ein Winterwie damals

Wer sich an die 1980er-Jahre erinnern kann, hat sie nicht erlebt, heißt es. In dieser Radikalität stimmt die Gedächtnislückenbegeisterung freilich nicht. Und es wäre auch schade. Denn immerhin fand 1982 die Alpine Ski-Weltmeisterschaft in Schladming statt. Und auch sonst tat sich einiges. Manches konservierte, vieles revolutionierte sich seither. Ein Rück- und Ausblick. Weil 2013 in Schladming/Steiermark ja wieder um WM-Medaillen gefahren wird.

1982: „Wir alle wussten: Noch kein Titel, alles hängt an uns Abfahrern“, erinnert sich

Harti Weirather an einen „gewaltigen Druck“. 50.000 fanatische Zuschauer peitsch-ten den Tiroler aber schließlich am 6. Februar 1982 zu einer, die gesamte Skination rettenden Goldmedaille. Mit Startnummer 11 rast er in 1:55,10 Minuten über die Planai und gewinnt mit 48 Hundertstel Vorsprung auf den Schwei-zer Conradin Cathomen und 63 Hundertstel auf den Salzburger Erwin Resch – die WM ist gerettet. Denn bis dahin hatten sich die heimi-schen Skifahrer euphemistisch ausgedrückt als überaus zuvorkommende Gastgeber präsen-tiert: Das Medaillengewinnen überließ man vorwiegend den anderen Nationen. In einer Großzügigkeit, die an den Rande einer Blamage führte. Bis zum vorletzten Tag der WM hielt das österreichische Team nämlich bei gerade einmal einer Medaille: Jimmy Steiner hatte Bronze in der Kombination gewonnen, die damals noch nach einem komplizierten Punktemodus und in zwei Slalomdurchgängen und vier Tage später mit der Abfahrt entschieden wurde (seit der WM 2007 abgelöst durch die Superkombina-tion mit einem Slalomdurchgang am selben

ming will als „grüne WM“ international neue Maßstäbe setzen.

Weitgehend gleich bleibt dagegen der Strecken-verlauf der Herren-Abfahrt. Nur den Start will man etwas nach oben verlegen. Damit werden annäherungsweise Vergleiche, zumindest aber Gegenüberstellungen mit 1982 möglich. So ver-traut Weirather bei seinem Sieglauf auf einen in den Tagen vor dem Rennen noch eilig auf der Tauplitz getesteten 2,23 Meter langen Ski mit Loch in der Schaufel, der heute im Original im Bestand des Wintersportmuseums in Mürzzuschlag ist. Hersteller Fischer bewirbt bei dem später in den Längen von 1,80 bis 2,10 Meter im Handel um umgerechnet 275 Euro (3790,- Schilling) angebotenen, untaillierten Ski vor allem sein neuartiges „Antivibrationssys-tem“. Heute bietet Konkurrent Atomic mit seiner revolutionären „Doubledeck-Technologie“ ei-nen separaten Unter- und Oberski, die zu einem taillierten Hightech-Produkt kombiniert werden, das sich individuell auf die Pistenverhältnis-se und den Fahrer einstellt und Letzteren rund 600 Euro kostet – Bindung allerdings inklusive (anno 1982 musste man für die hippe Tyrolia 360 noch einmal extra ins Geldbörsel greifen). Und während mittlerweile der Helm auf der Piste auch für Hobbyfahrer obligat ist, kurven damals Ingemar Stenmark und Co noch mit legendären Pudelhauben durch den Torstangenwald, der aber immerhin auch schon aus Kippstangen besteht.

Abseits der Piste wird die technologische Ent-wicklung von drei Jahrzehnten noch deutli-cher. So ist das Pressezentrum der Ski-WM 82 mit gerade einmal 100 sogenannten

Tag wie die Abfahrt). Die Damen hatten bei ihren Rennen im benachbarten Haus/Ennstal überhaupt ausgelassen.

Der Sieg in der Königsdisziplin Herrenabfahrt überstrahlt die breiten sportlichen Schatten aller-dings mit grellem Licht. Vor allem für einen Schl-adminger ist es die Meisterprüfung zum „Gold-schmied“: Erfolgstrainer Charly Kahr liefert nach David Zwilling (1974), Franz Klammer (1976), Sepp Walcher (1978) und Leonhard Stock (1980) zum fünften Mal hintereinander den Abfahrts-Champion bei Olympischen Spielen oder Welt-meisterschaften. Noch dazu direkt vor seiner ei-genen Haustüre. Dort, wo heute die Bauarbeiten am WM-Stadion für 2013 hurtig vorangetrieben werden. Es entsteht ein architektonisch spekta-kuläres Zielareal am letzten Stand der Technik samt teilweise in den Berg versenktem Parkhaus. „Die Alpine Ski-WM 2013 bringt eine regionale Wertschöpfung, die touristischen und sportli-chen Nutzen für Jahrzehnte mit sich bringt“, ist WM-Sportdirektor Hans Grogl stolz. Insgesamt mehr als 200 Millionen Euro werden allein von der öffentlichen Hand in die lokale Infrastruktur investiert, dazu kommen noch einmal knapp 85 Millionen für überregionale Bahnverkehrspro-jekte. Besonderer Wert wird auf die ökologische Nachhaltigkeit der Investitionen gelegt, Schlad-

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Fernsprechstellen und 50 Fernschreibern ausgestat-

tet, 280 Stromleitungen werden für die ausländischen TV-Sta-

tionen extra vergraben. Zeit-gleich jubelt eine Berghütte

in den Tiroler Alpen über ihr erstes Funktelefon.

„Star Trek II“ und „E.T., der Außerirdische“, aus den Boxen wummern die fi ebrigen Beats von Michael Jacksons „Th riller“. 28 Jahre vor seinem aktuellen Posthum-Album kommt diese wohl beste (damals Langspiel-)Platte der Popikone auf den Markt. Aus öster-reichischer Sicht sorgt ebenfalls 1982 Falcos „Kommissar“ für die Hymne einer ganzen Generation. Auch sonst tut sich rund um die Hit-paraden einiges mit nachhaltiger Wirkung: Die schwedische Super-Trouper-Mamma-Mia-Dan-cing-Queen-Formation Abba löst sich auf, dafür erhält Madonna ihren ersten Plattenvertrag und in Deutschland gründen sich die für damalige Verhältnisse mutig-frechen Anarcho-Rebellen-Bands „Die Toten Hosen“ und „Die Ärzte“. Ein brutaler Kontrapunkt zum „Ein bisschen Frieden“-Gesumse, mit dem Nicole im April 82 den Eurovision Song Contest gewinnt. Aber daran können sich viele und wollen sich manche ohnehin nicht mehr so genau erinnern.

Es war die Zeit der Föhnfrisurmähnen und ausladenden Scheitel, der Bundfalten- und Karottenhosen, der mit fetten Mustern bedruck-ten Jeans, die Zeit der hellen Sakkos, bunten Wollpullover, schmalen Lederkrawatten und des aufkommenden Neon-Trends. Vieles ist im Zuge der regelmäßigen Recyclingschleife der Mode mittlerweile wieder in die Kategorie „in“ zurück-gekehrt. Anderes war nie wirklich weg. Leider. Noch immer zählt der 82er-Hit „Polonäse Blan-kenese“ des deutschen Brachialkomikers Gottlieb Wendehals zu den sicheren Partykrachern unter rammelvollen Après-Ski-Schirmen. Kleiner Test: Um Ihre Textsicherheit zu überprüfen, vervoll-ständigen Sie bitte folgende Liedzeilen: „Wir zie-hen los mit ganz großen Schritten …“ oder „Hier fl iegen gleich die Löcher aus dem Käse …“ Na, geht doch, oder? Eben! Auch der musikalische Aufputz des Eröffnungsballs der Ski-Weltmeister-schaft in Schladming – die deutsche Formation „Dschinghis Khan“ und der damals 15-jährige Kurti Elsasser – lieferte einige Hits, die sich un-auslöschbar in die kollektive Erinnerung gefräst haben wie Schwünge in einen Tiefschneehang.

Und das damalige WM-Maskottchen „Hopsi“, ein pausbäckiger Hase mit Skimütze und gewin-nendem Lächeln, hat es ohnehin bis knapp vor die Unsterblichkeit geschafft. Fest steht: Hopsis Erbe steht – wie Österreichs Abfahrer 1982 – un-ter mächtigem Erfolgsdruck. Man darf gespannt sein, wer ihm nachfolgen wird, 2013 inder Steiermark, Land der Ski-WM.www.steiermark.com/ski

... bis ins RebenlandDie Geschichte des offi ziellen WM-Weins 1982 und was die steirische Landeshymne damit zu tun hat.

„Ja, wir haben den WM-Wein gemacht“, erinnert sich Roland Tscheppe. Die Idee kam dem süd-steirischen Winzer durch die damals schon sehr intensiven Kontakte des Skiklubs Schladming zur Union Leutschach. Gegenseitige Besuche, Skitouren beziehungsweise Kellerpartien führten schon bei Weltcup-Rennen vor der WM zu zünftigen Leutschacher Weinverkostungen in Schladming. Als schließlich die Weltmeisterschaft ins Haus steht, ist relativ schnell klar, dass dafür ein eigener WM-Wein kreiert werden soll. Eigentlich war es am Ende ein Dreier-Paket: Ein Welschriesling (als Haupt-sorte), ein Morillon (als körperreiche und vollmundige und dennoch trockene Alternative) und ein

St. Laurent für die Rotweinfreunde. „Wir wollten damit auch die Vielfalt des steirischen Sortiments darstellen“, begründet Tscheppe und verweist auf die Landeshymne als zusätzlichen Motivationsfaktor und Auftrag: „Hoch vom Dachstein an ... bis ins Rebenland“ – diesen Bogen steirischer Vielfalt wollte man ins internationale Schaufenster stellen.

So trafen sich die wirtschaftlichen Interessen der Ennsta-ler und Südsteirer. In der Obersteiermark war mit der WM ein Durchbruch geschafft, während die steirischen Winzer seinerzeit gerade auf dem Weg waren, ihre Weine aus dem Massenangebot der übrigen österreichischen Weinbauge-biete durch Qualität und Spezialität herauszuheben. Bei der Preisentwicklung merkt man, dass das gelungen ist. Das WM-Paket wurde damals an die Gastronomie um um-gerechnet 1,4 bis 1,7 Euro pro Flasche verkauft. Zum Ver-gleich: Der Preis für ein Krügerl Bier (0,5 Liter) lag damals im Gasthaus zwischen 16 und 18 Schilling, umgerechnet 1,1 und 1,3 Euro.

tionen extra vergraben. Zeit-gleich jubelt eine Berghütte

in den Tiroler Alpen über ihr erstes Funktelefon.

... bis ins RebenlandDie Geschichte des offi ziellen WM-Weins 1982 und was die steirische Landeshymne damit zu tun hat.

„Ja, wir haben den WM-Wein gemacht“, erinnert sich Roland Tscheppe. Die Idee kam dem süd-steirischen Winzer durch die damals schon sehr intensiven Kontakte des Skiklubs Schladming zur Union Leutschach. Gegenseitige Besuche, Skitouren beziehungsweise Kellerpartien führten schon bei Weltcup-Rennen vor der WM zu zünftigen Leutschacher Weinverkostungen in Schladming. Als

Kostenpunkt: Schlanke 180.000 Schilling (knapp über 13.000 Euro) – heute, in Zeiten von 0 Euro-Handys und Flatrate-WLAN-Angeboten, un-vorstellbar. Am steinzeitlichen Computermarkt duellieren sich Atari und Commodore C64, auf den Falkland Inseln Argentinien und Großbritan-nien und Grönland verabschiedet sich per Volks-abstimmung aus der damaligen Europäischen Gemeinschaft. War die gute, alte Zeit also doch nicht so gut? „Doch schon“, beeilen sich verklärte Nostalgiker zu versichern/sagen, aber umgekehrt gilt nicht alles, was damals top und trendig war, heute automatisch als prekäre Peinlichkeit. Manches hat es sogar zum Kultstatus geschafft. Gerade das Jahr 1982 hat diesbezüglich tiefe Spuren in den Chroniken hinterlassen. Im Kino laufen

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2013Das werden noch Zeiten

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Ein Pendelschritt geht immerTanzen kann aus Partnern Gegner machen. Damit anschließend ausGegnern wieder Partner werden, empfiehlt sich ein fachkundiger Tanzkurs.Wenn er im Dunstkreis einer Therme über die Bühne geht, könnenaus harten Abwehrknospen zarte Begeisterungspflänzchen werden.

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Sie: Tanzen also. Wurde das stete weibliche Drängen und gebetsmühlenartige „Wäre das nichts, Schatz?“ also

doch von Erfolg gekrönt. War es die Aussicht auf einen relativ losen Unterrichtsstundenplan? Die Nähe zu den Buschenschanken in der Nachbarschaft? Das großzügige Wellnessangebot in der angeschlossenen Therme? Wie auch immer: Aus der Lautsprecherbox wummern die ersten Töne eines Cha-Cha-Cha, die Gruppe beginnt im Takt zu wip-pen. Und der Tanzmuffel steht tatsächlich neben mir.

Er: Tanzen also. Die Unterwanderung der maskulinen Bedenken passierte sub-kutan, sanft dosiert, aber beständig bis die „Nein, das wäre nichts für mich, Schatz!“-Ablehnungsfront irgendwann kolla-bierte. Die Schwachstelle wurde blitzschnell und eiskalt ausgenutzt. Aber es ist ja nur eine Stunde pro Tag und außerdem sind die Buschenschanken nicht weit. Schon wum-mern aus den Lautsprecherboxen die ersten Töne von was auch immer, die Gruppe rund um einen beginnt im Takt zu wippen. Und sie steht neben mir und grinst.

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„Der Partner ist zu Beginn eine Art von Gegner“, sagt Werner Dietrich. Der Tanzlehrer aus Bad Mit-terndorf muss es wissen, war er doch 2010 für die Choreografi e der Polonaise am Wiener Opernball verantwortlich. Dass daraus kein kollektives Ge-metzel wurde, ist Dietrichs zweitem Leitsatz ge-schuldet: „Respekt und Toleranz ist das oberste Gesetz überhaupt beim Tanzen“, mahnt er zu Contenance und dem selbstlosen Verhaltensko-dex, „den Fehler immer zuerst bei sich selbst zu suchen“. Das ist gar nicht so einfach.

Sie: Warum führt er nicht? Wenn er mich wenigstens in die falsche Richtung lenken würde, aber da kommt ja gar nichts. Dass es so schwierig wird, hätte ich mir nicht gedacht. Der hat sicher keine Ahnung, mit welchem Fuß er überhaupt beginnen muss, geschweige denn, ob langsam oder schnell. Und dieser hilfl ose Blick. Er könnte einem fast leid … Nein, stopp! Also: Wann beginnt er denn jetzt endlich mit dem ersten Schritt?

Er: Warum lässt sie sich nicht führen? Jetzt muss ich mich eh schon auf meine Füße konzentrieren und dann wehrt sie sich auch noch. Außerdem wie war das jetzt: Links oder rechts? In welche Richtung? In welchem Tempo überhaupt? Dass das so kompliziert sein muss. Und dann auch noch ihr Blick: Ist es Mitleid? Hoffnung? Unge-duld? Auch egal, also: Wann soll ich denn jetzt mit dem ersten Schritt beginnen?

„Wenn einem nichts einfällt: Ein Pendelschritt geht immer!“, rät Tanzlehrer Dietrich. „Das schaut gut aus und beschäftigt die Partnerin, weil sie ja immer damit rechnen muss, dass man mit dem nächsten Takt beginnt – alles Psy-chologie“, spricht er den Männern augenzwin-kernd Mut zu und weist ihnen den Weg in einen schrittmonotonen Notausgang.

„Und Sie lächeln und warten – auch wenn er das ganze Stück über den Einsatz nicht trifft“, klingt die Empfehlung für die Frauen nicht ganz so ermutigend. Auch wenn sie bei der Umset-zung dieser Bewegungsmuster traditionell ta-lentierter und schneller sind. Aber es gehe eben darum, das Führen und Sich-führen-Lassen zu lernen. Der Impuls muss dabei von ihm kommen, die Reaktion von ihr. Und das alles möglichst im Takt, denn erst wenn man sich dem Rhythmus unterwirft, wird aus einem losen Zur-Musik-Be-wegen echtes Tanzen.

Auf den eigenen Kopf als ordnende Kraft im Cha-os kann man sich da zunächst nicht verlassen. Es braucht nämlich 60 bis 80 Wiederholungen, um ein Bewegungsmuster grobmotorisch so gespei-chert zu haben, dass es mehr oder weniger auto-matisch abgerufen werden kann. Aber wenn es erst einmal beiden gelingt, ist es, als würde man dieselbe Sprache sprechen: Man fühlt sich ver-standen. Zu kleineren Missverständnissen kann es dennoch immer kommen.

Sie: (tanzend: Rück – Platz – Wechselschritt – Wechselschritt – Rück – Platz – Wechsel-schritt – Wechselschritt – …) Na bitte, geht doch!

Er: (tanzend: Rück Platz Wechselschritt Platz Rück Schritt aus.) Na geh, schon wieder falsch!

„Tanzen ist ein ständiges Gleichgewichtsverla-gern, eine Kunst, die die normalen Bewegungen veredelt“, philosophiert Dietrich, während sich ein Dutzend Paare rund um ihn dreht. Man-che mit spielerischer Leichtigkeit. – Es sind die Stammgäste, die aus ganz Österreich und teils aus Norddeutschland, Italien und der Schweiz für die regelmäßigen Tanzwochen in die oststei-rische Heiltherme Bad Waltersdorf kommen. Die Neueinsteiger dagegen meist mit hoch konzen-trierter Miene, wo minimale Lippenbewegungen das Sicherheit gebende Mitzählen der Taktschlä-ge verraten. Penibel sortiert liegen im Kopf die Schrittkombinationen parat, die man für die „Promenade“ oder den „Appell“ auf das Par-kett zirkeln will – und dennoch verursachen die Zehen einen Auffahrunfall nach dem anderen. Noch. Denn „wenn es jetzt nicht klappt, dann beim zehnten oder zwanzigsten Mal“, spendet der Instruktor Trost und Zuversicht, während er in seinen 10.000 abgespeicherten Musiktiteln den Soundtrack für den nächsten lateinameri-kanischen Tanz aktiviert. So richtig, meint er, so richtig können würde man es erst, wenn man sich während des Tanzens über den nächsten Urlaub unterhalten kann.

Er: (tanzend: Appell vor vor …) Schatz, wie wär’s im Winter mit einer Skiwoche in Schladming?

Sie: (tanzend: … seit – rück …) Wir könnten auch im Herbst in die Südsteiermark fahren.

Er: (tanzend: … rück seit) Und sollten wir uns nicht gleich informieren, wann es hier in Waltersdorf den nächsten Kurs gibt?

Der Tanzlehrer lächelt.

www.heiltherme.atwww.thermenland.at

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A wen’g z’wen’gEisstockschießen ist in der Steiermark Nationalsport. Jedes Winterwochenendetrotzen Zehntausende Aktive der Kälte und den Tücken des traditionsreichen Freiluftsports. Die „Infektionsgefahr“ ist groß – auch wenn man zunächst nicht alles versteht.

Zittern die Knie wegen der Kälte? Wegen des rutschigen Untergrunds? Oder ist es banale

Premierenangst? Wohl eine Mischung aus al-lem. Denn die erfrischenden 15 Grad unter null, die spiegelblanke Eisfläche, auf der man steht, und die neugierigen Blicke sämtlicher Mann-schaftsmitglieder, die wie unsichtbare Pfeile im Rücken stecken, geben eine Kulisse ab, die für eine adrenalinstimulierte Nervenkostümierung sorgen. Gut, dass das Fach-Chinesisch der Ex-perten auch beim Eisstockschießen für Anfänger undechiffrierbar bleibt. Das nimmt zusätzlichen Druck. Was immer der Veteran auch meint, als er einem ein herzhaftes „Fahr’ eini auf die Daub’n sche laut!“ mit auf den Weg gibt – man versteht es zwar nicht, aber weil es so motivierend klingt,

schickt man dem Absender ein zuversichtliches Lächeln zurück. Oder ist es verzweifelter Galgen-humor?

Es folgt der Versuch, eine Kopie jenes Bewe-gungsablaufs seinem Körper abzutrotzen, den der vorangegangene Spieler auf den dick zuge-frorenen See gezaubert hat. Den Reaktionen der Mannschaftskollegen nach zu schließen, gelingt es ganz passabel. „Der ziagt (zieht)“, heißt es in den Kommentaren der Beobachter, was be-deutet, dass der hinausgewuchtete Eisstock am nächsten beim angepeilten Ziel liegen geblieben ist. Gottlob nicht „zu laut“ (= zu weit) oder „zu leise“! Als Zeichen seiner Zufriedenheit winkt auch der Mannschaftskapitän am anderen Ende

der rund 40 Meter langen Spielbahn wie wild mit einer kleinen Fahnenstange. Sie erinnert an jene an den Ecken eines Fußballfelds, zeigt diesfalls aber an, wer der „Moar“ ist. – Wieder so ein für Laien rätselhafter Namens- und Verhaltenscode.

Die Bezeichnung für den Mannschaftskapitän wurzelt im Mittelalter, als der Verwalter eines Gutshofes als „Meier“ oder „major domus“ (Hausmeier) bezeichnet wurde. Dieser „Major“ war unter anderem auch der Anführer einer Jagdgesellschaft. Das Eisstockschießen hat sich etwas dieses ursprünglichen Jagdcharakters bewahrt und so werden die Versuche seit je-her „geschossen“ und nicht „gespielt“, „ge-schoben“ oder gar „versucht“. Die treffendste Bezeichnung für „die Abgabe eines Versuchs“ ist deshalb immer noch ein „Schuss“. Gezielt wird auf einen Holzwürfel mit zehn Zentimeter Seitenlänge – die „Daube“. Sie verdankt ihren Namen den Brauerei-Knechten, die in der Früh-zeit des Eisstockschießens den Zielwürfel aus den dicken Bodenbrettern der Bierfässer, den so- genannten „Fassdauben“ heraussägten. Jede Brauerei hatte betriebsbedingt einen oder auch mehrere „Brau-Weiher“. Diese kleinen Teiche garantierten bei Minusgraden hervorragende Eisschieß-Bedingungen.

Heute wird auf so ziemlich jeder zugefrorenen Wasserfläche der Steiermark gespielt. In Stanz, einer 2000-Einwohner-Gemeinde in einem Sei-tental des Mürztals rund 80 Kilometer nordöst-lich von Graz, ist es der lauschige Badeteich am Ortsrand. Die Heimstätte des lokalen Eisstock-vereins ist international erprobt, war 2004 sogar Austragungsort der Weltmeisterschaft im Weit-schießen (der Weltrekord liegt bei beachtlichen 566 Metern). An diesem Nachmittag ist es das ewig junge Duell zwischen Sparverein und Eis-stockverein, das für Spannung und hämische Zwischenrufe sorgt. ©

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Helden einer eigenen (Sprach-)Welt: Damit ein Stock „ziagt“, darf man ihn nicht „zu laut“ Richtung Daube schießen. Na dann!

„Schau’, was der macht: A wen’g z’wen’g …“, wird ein nicht ganz so geglückter (weil „ein wenig zu wenig“ langer) Schuss eines Kon-trahenten kommentiert. Der Moar reagiert sofort, schickt einen seiner gefürchteten Präzisionsschützen ins Rennen: „Heinz, ziag an amoi und probier’ a Maßerl“, lautet die entsprechende Regieanweisung vom Mann mit der Fahne, was be-deutet, sein Vertrauter solle seinen Stock möglichst nahe an die Daube schießen – und nicht, was Variante zwei gewesen wäre, versuchen, einen gegnerischen Stock aus dem Nahbereich der Daube wegzubugsieren. In der heißen Phase einer Partie wird aus dem brachial an-mutenden Kraftsport fast nanotechnologische Feinarbeit. Es geht um Millimeter. Im Zweifels-fall wird mit Zollstab nachgemessen. Der Moar gibt die Taktik vor, wer wann wohin zu schie-ßen hat; seine „Knechte“ mühen sich mit bil-

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AKTIV

Birken- oder Eschenholz.

Es sind traditionsreiche Arbeitsgeräte eines tra-ditionsreichen Sports. Wie lange es das Eisstock-schießen genau gibt, weiß allerdings niemand. Als historischer Anhaltspunkt dient ein Werk des niederländischen Maler-Großmeisters Pieter von Breughel, der um 1565 auf zwei seiner Gemälde Eisschießen auf zugefrorenen Grachten (Kanälen) gemalt hat. Rund 270 Jahre später entsteht ein Aquarell, das den „steirischen Prinzen“ Erzher-zog Johann beim Eisschießen am Leopoldstei-ner See zeigt. Dort, in Eisenerz, wird auch der erste Eisschützenverein 1875 als 1. Bürgerliche Eisschützengesellschaft gegründet. Der heutige WSV Eisenerz Stadt ist der Nachfolgeverein und damit der älteste Verein der Welt. Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts gibt es die ersten Ansätze zum sportlichen Eisschießen. In den 1920er-Jah-ren hat sich dieser Sport schon so weit durch-gesetzt, dass man Verbände gründet und Meis-terschaften durchführt, 1938 schafft man es als Vorführbewerb zu den Olympischen Winterspie-len. Heute sind allein in der Steiermark über 600 Vereine mit knapp 50.000 gemeldeten Spielern registriert. Dazu kommen noch einmal so viele Hobbysportler.

Im Stanzer Duell wird es ernst. „Jetzt schleichen sie sich an“, ahnt ein Spieler im stärker werden-den Gegner sportliches Unheil heraufdämmern. „Die Anni is’ g’fährlich“, wird die sich bereit ma-chende Schützin mit einer Mischung aus Bewun-derung und Warnung begrüßt. Sofort wird aber auf psychologische Kriegsführung umgestellt. „Wie lang’ läutest no?“, werden die sturen Ein-schwingbewegungen der Athletin gestört. Sie hat ihr Standbein auf der rutschfreien Matte, der sogenannten „Fuaß’n“, möglichst unerschütter-lich stationiert. Schwingt noch einmal. Ein gra-ziler Ausfallschritt. Der Stock schlittert über die vom Wind glatt rasierte Eisfläche. „Der brennt!

Wenns Schicksal net einschlägt, geht si’ des no aus“, hört man von der Menschentraube, die sich draußen rund um die Daube positioniert hat, Zuversicht herüberschwappen. Ein, zwei dumpfe Stoßgeräusche der aufeinanderprallen-den Stöcke später hat sich das Spiel tatsächlich noch einmal gedreht. Jetzt geht es um alles. Zu-mindest aber um die spätere Gasthausrechnung. Denn bei einem traditionellen steirischen „Knö-delschießen“ sind die Verlierer dazu verdammt, später im Gasthaus zugunsten der Gewinner einen höheren Preis für das namensgebende Es-sen zu bezahlen. Es ist zwar nur ein symbolischer Unterschied von ein paar Euro („Es geht ja vor allem um die Gaude“, sagt der Vereinsobmann). Aber mehr als der Umstand, dass sich der Sie-ger-Moar über einen deutlich größeren Knödel als der Unterlegene freuen darf, schmerzt den Verlierer die als Zeichen der Niederlage einge-schnitzte Kerbe in seiner Fahnenstange. „Moar, auf!“, lautet daher das beinahe flehen-de Kommando der Mannschaft an ihren Chef. Er soll, er muss es jetzt im abschließenden direkten Duell mit dem Kapitän der Gegner richten. Auch im Klubhaus ist die Spannung greifbar. „Noch ei-nen Tee, bitte – mit Geschmack“, wird im Antlitz von Pokalen, Wimpeln und Erinnerungsfotos zur Beruhigung auf hochprozentige Geschmacksver-stärker gesetzt. „Da anklopfen“, deutet draußen ein Mitspieler auf einen Stock, den es wegzu-schießen gilt. Tatsächlich sprengt ein zielgenauer Treffer den Stock des Konkurrenten weg, wäh-rend der Schuss des gegnerischen Moars ohne Berührung an Freund, Feind und Daube durch-pfeift und am hinteren Ende der Bahn über die aufgeschüttete Schneebande katapultiert wird. „Geh’ verschwind“, ärgert sich der Schütze. „A wen’g z’wen’g!“, hört man sich fachkundig johlen. Die Knie zittern längst nicht mehr, der Begeisterungsvirus des steirischen Stock-Fiebers hat einen endgültig gepackt. www.hochsteiermark.atwww.streuobstregion.at

lardähnlichen Kunststößen an der Umsetzung. „Horchst ma du zu a?“, schimpft der Moar. „Volle Mitzi eina do“, fordert der Moar. „Der g’foit ma – bravo Pepperl“, lobt der Moar. „Der is’ ein alter Fuchs“, ringt der Treffer selbst einem Konkurrenten Anerkennung ab. Um den Gegner weiter zu demoralisieren, tut der Schütze seine Leistung abfällig als Selbstverständlichkeit ab: „I kenn’ eben mein’ Stock.“ Das ist de facto keine ganz unlösbare Aufgabe, weil viele der handgefertigten Spielgeräte aus Birnen- oder

Ahornholz den Namen des Eigentümers als Schmuckelement an der Oberfläche

eingebrannt haben. Zur Unter-scheidbarkeit der Teams

tragen die vier bis fünf Kilo schweren Spiel-

geräte der Gäste „ M a s c h e r l “

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Graz FlughafenInformation: Tel: +43 (0) 316 / 29020, www.fl ughafen-graz.at

Auf dieSteiermark fl iegenMan kann sich per Auto, Zug, Fahrrad oder zu Fuß fortbewegen. Auch schön.Aber heißt es nicht „Nur Fliegen ist schöner“? Na eben. Ob von ganz weit weg oder aus der unmittelbaren Nachbarschaft : Viele Airlines versorgen die Welt ganzjährig mit regelmäßigen Flügen in die Steiermark. Und das Rückfl ugticket kann man sich sparen. Es ist hier viel zu gemütlich, um wieder nach Hause zu fl iegen. www.steiermark.com

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Spinnereienim Kopf – Genuss am GaumenMit Kreativ-Chocolatier Josef Zotter als Zugpferd hat sich in der Steiermarkeine kleine Szene von Schokolade-Manufakturen etabliert. Es sind ambitionierteAußenposten zur Verteidigung einer Geschmackskultur abseits des Mainstreams. 

Der Trend geht Richtung Genuss. „Die Leute wollen Qualität und leis-ten sich lieber von etwas Gutem weniger als sich viel von schlechter

Massenware zu kaufen“, freut sich Peter Linzbichler. Er führt in der Grazer Innenstadt im Schatten der Franziskanerkirche ein exquisites Süßwarenge-schäft und hat sich unter anderem auf Schokoladen im Premium-Segment spezialisiert. Neben italienischen, französischen und deutschen Produkten hat Linzbichler auch Steirisches im Sortiment. „Den internationalen Ver-gleich brauchen die steirischen Produzenten nicht zu scheuen“, sagt er. Das ist vor allem Josef Zotter geschuldet.

Der Kreativ-Chocolatier aus Bergl bei Riegersburg in der Oststeiermark hat 1999 eine eigene Schokoladenproduktion gestartet. Heute gilt Zotter als Wegbereiter für auf den ersten Blick unmögliche Schoko-Kreationen: „Bergkäse-Walnüsse-Trauben“, „Hanf & Mocca“, „Kaffeepflaume mit Speck“ oder „Grammelnuss“ sind Beispiele für einen doch eher unkonven-tionellen Zugang zum Thema Geschmack. Es funktioniert, weil Zotter eige-ne Herstellungsverfahren für Kuvertüren entwickelt hat, aber vor allem weil in einer fermentierten Kakaobohne mehr als 600 Aroma-Komponenten stecken. Aromen, die sich auch in anderen Nahrungsmitteln wiederfinden und deshalb in eine oder zur Schokolade passen (können). Die Grenze des guten Geschmacks ist damit aber noch lange nicht erreicht. Mit ein biss-chen Experimentierfreude findet die Süßigkeit auch in der Hauptspeisen-Abteilung ihren Platz. „Zanderfilet mit Schokokruste“ oder „Entenbrust mit Chili-Schokoladensauce“ sind nur zwei Rezeptbeispiele, die der gelern-te Koch und Konditor Zotter empfehlen kann.

Im Sog dieser Extravaganzen haben sich auch Berufskolle-gen Zotters Gedanken rund um die Verarbeitung von Schokolade gemacht und beglücken den Markt mit er-frischenden Produktideen. So eröffnete Josef Kern 2003 im obersteirischen Obdach sei-ne eigene Konfiseriewaren-erzeugung. Auf Basis einer soliden beruflichen Erfah-rung hat sich der Obersteirer auf die Erzeugung von Scho-

kokugeln spezialisiert. Als Reminiszenz an Kerns Heimatregion, das Zirben-land, ist beispielsweise eine eigene „Zirbenkugel“ aus Zartbitterschokolade, gefüllt mit Zirbentrüffelmasse aus Schokolade, Schlagobers, angesetztem Zirbenschnaps und Honig, entstanden. Aber auch Apfel-, Lärchen-, Kürbis-kern- und Walnusskugeln hat er in seinem Sortiment. Insgesamt 250.000 Stück produziert er pro Jahr. Die Ideen dazu „kommen von selbst“, „er-geben sich“ oder sind Resultat von „Spinnereien, die man im Kopf hat“ (Kern). Auch bei der „Grazer Schlossbergkugel“ hat der Obersteirer seine Finger im Spiel. Er produziert sie mittlerweile in verschiedenen Varianten (Haselnuss-Mandelnougat mit Orangen-Apfel-Marzipan in Milchschokola-de oder Schoko-Trüffel mit Haselnusslikör in Zartbitterschokolade). Verkauft werden sie bei Linzbichler in Graz, wo es auch andere regionale Schokolade-Einzigartigkeiten gibt: süß-herbe Schilchertrüffel-Kugeln beispielsweise, bei denen die weststeirische Weinspezialität Schilcher in Form eines Gelees ein-gearbeitet ist oder „Schilcher-Destillat“-Schokolade, für die der oststeirische Edel-Schnapsbrenner Alois Gölles die Grundlage liefert.

Die Bandbreite der Mischideen scheint endlos – wenn auch nicht immer alles realisierbar ist. „Cirka zehn Prozent der Ideen werden verworfen“, schätzt Stefan Felber. Er hat für die familieneigene Bäckerei und Kondito-rei in Birkfeld im oststeirischen Joglland mit einer Schoko-Manufaktur vor einigen Jahren eine zusätzliche Betriebsschiene eröffnet, die von Naschkat-zen immer stärker frequentiert wird. Zehn Tonnen Rohschokolade wurden zuletzt verarbeitet, die Produktion stieg binnen drei Jahren von 35.000 auf 90.000 Tafeln (2009), darunter so verwegene Varianten wie Wiesen-kräuter-, Maiwipferl- oder Edelweiß-Schlüsselblumen, Prosecco-Creme oder Chili-Schokolade. Auch in Sachen Vermarktung baut Felber auf Inno-vation: Wie Zotter bietet auch Felber seinen Besuchern eine transparente Produktionsstraße, bei beiden erfährt man Hintergründe und generelle Informationen über die Schokolade-Produktion (bei Zotter sogar mitsamt einem selbst produzierten Kinofilm über die Bauern in Lateinamerika, die die Kakaobohnen liefern), bei beiden kann man kosten vor dem Kaufen, beide lassen die Verpackungen ihrer Produkte von Künstlern gestalten. Das unterstreicht die Einzigartigkeit. Daneben wird auf immer neue Marketing-Spins gesetzt. Felber hat für seine Schokotafeln Banderolen mit einem Duftstreifen entwickelt. Wenn man daran rubbelt, kriecht einem das Aroma der Fülle schon in die Nase, bevor man es noch auf der Zunge schmeckt. Es funktioniert: Eine kleine Handbewegung lässt den zarten Geruch von frischen Orangen aufsteigen – und schon rinnt einem das Wasser im Mund zusammen. – So einfach funktioniert die Kunst der Verführung.

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Zotter wiederum bietet stylish abgepackte Trinkschokolade-Mischungen an, ebenso kreisrunde Schokoladetafeln oder „Chocoshots“, bei denen flüssige Schokolade mit Himbeerbrand, Whisky oder Bourbon verfeinert und in Sprit-zen abgefüllt wird und man sich so das Abbrechen und Zerkauen der Scho-kolade zugunsten einer Direktinjektion auf den Gaumen erspart. Bei Bettina Moser-Fink ist dagegen auch die Verpackung aus Schokolade. Die findige Konditorin aus Aflenz in der Hochsteiermark steckt ihre Schokopralines in eine selbst produzierte Kaffeekanne aus Schokolade. Daneben gibt es sai-sonal abgestimmt mehr als zwanzig verschiedene Schokosorten, im Winter unter anderem befüllt mit Grappa oder Weinbrand. Ebenfalls feminine Raffi-nesse lässt Katharina Reinisch aus dem weststeirischen Frauental aufblitzen, die unter dem Namen „schokati“ zarte Trüffelkreationen produziert.

Es ist ein bunter Haufen von Überzeugungstätern, die sich dem Kampf gegen die Geschmacksverflachung durch industrielle Massenware ver-schrieben haben. Als direkte Konkurrenz sieht man sich aber nicht, eher als Nischenplayer, wobei die Nische wächst. „Die Nachfrage ist gewaltig ge-stiegen“, sagt Schoko-Experte Linzbichler. Für die Kunden bleibt es anfangs freilich ein kulinarisches Abenteuer, müssen sie sich doch von ihren von Kindheit an eingeprägten Geschmacksmustern trennen. Linzbichler: „Viele fallen am Beginn aus allen Wolken, wenn sie merken, wie Schokolade auch schmecken kann.“ „Es ist wie beim Wein ein Herantasten“, vergleicht Kon-fiseriemeister Kern. „Dann merkt man, dass es schon etwas Spezielles ist.“ Bleibt die Sache mit den ... „Nein“, bremst Zotter augenzwinkernd, „Kalo-rien sind nirgends drinnen, weil wir keine draufschreiben.“ Na dann ...

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Steirischer Knödel

Muss so ein Germknödel immer mit Powidl gefüllt und Mohn bestreut sein? Antwort:

Nein, muss nicht. Kann man pro Tag zehn andere Teiglaberl-Kreationen essen? Ja,

man kann. Und warum soll man sich das antun? Um eine neue steirische Spezia-lität zu erfinden. Haben sich zumindest

Astrid und Andreas Krainer gedacht. Die beiden jungen, aber bereits mit zwei Sternen und einer Gault Millau-Haube,

einer Guide Michelin-Auszeichnung und mit Falstaff-Lob ausgestatteten Küchenchefs des gleichnamigen Familienbetriebs in Lan-

genwang sind „Eltern“ des „Original steiri-schen Germknödels“. Standesgemäß kommt er mit Kürbiskernkrokant statt Mohnhauberl und begleitet von Apfelmus und brauner Butter da-

her, saftig-fruchtige Kletzenfülle ersetzt das klebrige Powidl. Serviert wird er mittlerweile in Hütten in allen

größeren Skigebieten der Steiermark. Kann der weiß-grü-ne Kreativknödel zur ernsthaften Konkurrenz für die böh-

mischstämmige Powidl-Mohn-Massenware werden?Antwort: Nein – er ist es bereits.

www.kulinariumsteiermark.at

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Äpfel – 80verführerische RezepteMehr als 5000 Apfelsorten gibt es weltweit. Die wich-tigsten Anbauge-

biete in Österreich, die Unterschiede und Eigenheiten der heimischen Sorten und Tipps, wie man sie nach traditionellen Rezepten oder in der modernen Küche verarbeitet, bietet die Weststeirerin Maria Steinbauer in ihrem Buch (Pichler-Verlag).

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FrischeApple-Saftware

Die Zeiten, in denen Konsumenten nur zwischen roten, gelben und grünen Äpfeln unterschieden haben, sind vorbei. Immer stärker zählen charakteristische Geschmacksnoten und die belebenden Eigenschaften verschiedener Apfelsorten bei der Kaufentscheidung. Nur welche Sorte wofür?

Der Volksmund irrt, beharren die steirischen Apfelbauern: Es sei kein Apfel gewesen,

dessen Genuss zur Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies führte, sondern eine un-bestimmte Frucht vom „Baum der Erkenntnis“. Der Apfel habe sich erst später in die Geschichte hineingeschmuggelt. Rein marketingtechnisch aber auch kein Fehler. Man kennt das Kernobst. Weltweit und besonders in der Steiermark, von wo rund 85 Prozent der österreichischen Apfel-ernte kommen. Knapp 190.000 Tonnen waren es zuletzt, die in einem Jahr von den Bäumen gepflückt wurden – 165.000 davon in der Stei-ermark, vor allem rund um die 25 Kilometer lange „Steirische Apfelstraße“, die sich östlich von Weiz durch die Hügellandschaft schlän-gelt. Würde man diese Menge an Äpfel einzeln aneinanderreihen, würde die Straße von Puch/Weiz sogar bis in die chinesische Metropole Pe-king reichen. Die Wertschöpfungskette wäre mit derartigen Experimenten freilich noch nicht dra-matisch verlängert. Deshalb wird der steirische Apfel auf konventionelle Art als Lebensmittel verkauft und verarbeitet, wobei dem Konsumen-ten die Sortenvielfalt zum Verhängnis werden kann: Welche Sorte eignet sich besonders gut wofür? Im exklusiven „ST.IL“-Test zeigen sich dabei gravierende Unterschiede. Denn Apfel ist nicht gleich Apfel. Ob als Kompott oder Marme-lade, als Saft oder Schnaps, als Mus oder Most, als Apfelstrudel oder Bratapfel: Es lohnt sich, seine Geschmacksnerven mit der jeweils pas-senden Sorte zu verwöhnen.

Kein distinguierter Luxus. Es gibt ja ohnehin schon für jeden Anlass eine eigene Mode, ein eigenes Essen, ein eigenes Lied, für die Nost-

algiker eine eigene Briefmarke zum Sammeln und für die Smartphone-Generation ein passen-des App zum Herunterladen. Warum also nicht auch beim Herunterladen von Äpfeln vom Re-gal in den Einkaufskorb anwendungskritischer werden? Es muss nicht immer die Standard-Saftware der steirischen Hauptsorten Golden Delicious, Gala, Arlet, Idared und Jonagold sein, die beglücken, wie eine Expertenjury für „ST.IL“ in einem anonymisierten Vergleichstest von zehn in der Steiermark angebauten Sorten herausde-stilliert hat. Während in der wissenschaftlichen Pomologie jede Apfelsorte durch Bewertungs-kriterien wie Gestalt, Farbe und Geschmack der Früchte, Form des Kerngehäuses, die Wuchsform der Bäume, aber auch das Aussehen der Blätter und der Blüten charakterisiert wird, geht es hier ausschließlich um eines: den besten Geschmack.

Freilich gibt es sie noch, die Favoriten. So setzt sich bei der Blindverkostung in der Kategorie „Apfelspalten“ der als Aufsteiger gehandelte Gala nicht zuletzt aufgrund seines knackigen Anbisses durch. Dahinter mit dem Topaz aber eine relativ junge Apfelsorte und mit dem Gol-den Delicious der steirische Klassiker. Schon in der Kategorie „Mus“ kommt es dann zu einem revolutionsartigen Kantersieg des Topaz vor dem Elstar und dem knackig-aromatischen Braeburn, wobei bei der Herstellung der Kostproben in der Obstbaufachschule Gleisdorf – wie in allen an-deren Kategorien – sämtlichen Sorten Chancen-gleichheit eingeräumt wurde, indem möglichst wenige bis keine der sonst üblichen Gewürze oder Geschmacksverfeinerungsmittel verwendet wurden. Auch die Lagerbedingungen der Testäp-fel wurden akribisch nivelliert.

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TELLER & GLAS

Bei der Verarbeitung als Kompott und Marme-lade schlägt der Golden Delicious mit seinem ausgewogenen Zucker-Säure-Verhältnis dann zurück. Die Bewertung der Konkurrenz fällt teils vernichtend aus. „Mehlpapp“ fällt Apfelex-perten Karl Schloffer zu einem Kandidaten ein. „Der hat nur im ersten Moment einen schöneren Körper“, beschreibt Anita Hofer, Chefi n des „Kir-chenwirt“ in der Apfelmetropole Puch bei Weiz, den schließlich als Dritter durchs Kompott-Ziel gehenden Elstar. In der Königsdiziplin „Saft“, in der die Eigenschaften der Frucht am besten durchkommen, weil sie weder durch Koch- noch Konservierungsmethoden verfälscht sind, reiht die Jury den Topaz zum zweiten Mal an die Spit-ze, während der Braeburn für Apfelbuch-Autorin Maria Steinbauer „sehr distanzierend“ bleibt. Auch der Pinova kann nicht reüssieren. Apfel-bäuerin Josefa Wilhelm dazu: „Zwar säuerlich, aber ohne Aroma und damit nicht harmonisch.“

Der große Auftritt des Pinova folgt aber schon eine Kategorie später: Er gewinnt die Apfelstru-del-Wertung vor dem Elstar und dem Arlet. Nicht erst seit Arnold Schwarzenegger das Stru-delrezept seiner Mutter in der Restaurant-Szene Hollywoods etablierte, zählt der steirische Apfel zu einem wichtigen Imageträger und Export-produkt der Steiermark außerhalb Österreichs. Schon in der Monarchie galt steirisches Obst als Qualitätsprodukt und wurde in vielen Kronlän-dern der österreichisch-ungarischen Monarchie als besondere Spezialität zu hohen Preisen ge-handelt. Sogar am Hofe des russischen Zaren wusste man steirische Äpfel zu schätzen. Heute geht rund die Hälfte der Ernte ins Ausland. In mehr als 30 Ländern weltweit kann man frisch-saftig-steirisches Obst genießen.

In Österreich selbst ist der Apfel ohnehin unbe-stritten die beliebteste Obstart. Jährlich werden

zwischen Boden- und Neusiedlersee im Lebens-mittelhandel mehr als 70.000 Tonnen verkauft. Pro Kopf und Jahr verzehren die Österreicher laut Angaben der Agrarmarkt Austria (AMA) rund 29 Kilo Äpfel, wobei über die Jahre ein deutlicher Zuwachs festzustellen ist: 1995 lag der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch noch bei 23 Kilo.

Wachsen soll auch die Verarbeitungsquote als Bratapfel, den man als kulinarische Winterspezi-alität reanimieren will. Aber auch dafür kommt es auf die Wahl der richtigen Sorte an. „Der passt nicht“, fällt das Urteil von Meisterkoch Alois Thaller für den Braeburn in dieser Kategorie ver-nichtend aus. Mit dem Golden Delicious dagegen ist er zufrieden: „Der saugt die Butter ein, gibt den Fruchtsaft ab und hat insgesamt eine gute Konsistenz“, lobt der Küchenchef des Posthotel in Anger bei Weiz. Für den Sieg in dieser Wertung reicht es dennoch nicht. Der Jonagold setzt sich

Ob im Strudel, als Marmelade, zu Saft gepresst, zu Schnaps ver-feinert oder im Obstkorb:Für jeden der 165.000 Tonnen steirische Äpfel gibt es die für ihn optimale Verar-beitungsvariante.

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hier erstmals vor dem Topaz durch. Bei den abschließenden getrockneten Apfelrin-gen kann noch einmal der Elstar voll punkten, was ihm auf Basis einer auch sonst konstanten Bewertung im Vorderfeld am Ende den Sieg in der Gesamtwertung über alle acht Kategorien einbringt. „Das deckt sich mit den Absätzen im Ab-Hof-Verkauf“, bestätigt Schloffer die All-roundqualitäten des Elstar. Schloffer ist einer von rund 2800 Apfelbauern in ganz Österreich. Die Hälfte davon kommt aus der Steiermark. Die für die Erwerbsproduktion genutzte Fläche beträgt österreichweit rund 6000 Hektar, von denen sich wiederum cirka 4800 Hektar in der Steiermark befi nden. Der Apfelanbau hat hier eine lange Tradition. Die erste urkundliche Nachricht über

den Obstbau in der Steiermark stammt aus dem Jahr 1074 aus dem Benediktinerkloster Admont. Sie bezieht sich auf das Kloster selbst und be-sagt, dass sich um die Mitte des 11. Jahrhun-derts beim Meierhof ein großer Obstgarten be-funden habe. Dass dort auch Äpfel gewachsen sind, kann angenommen werden, selbst wenn keine exakteren Aufzeichnungen existieren. In Mitteleuropa erlebte die Apfelkultur aber erst im 19. Jahrhundert einen großen Aufschwung: Innerhalb kurzer Zeit wurden 1300 Apfelsorten gezüchtet. Wegen der hohen Nachfrage nach nur wenigen Standardsorten ist in den letzten

Jahrzehnten die Sortenvielfalt stark gesunken. Heute erleben die alten Apfelsorten aber eine Renaissance. Ein Team von Forschern am Institut für Pfl anzenwissenschaften der Universität Graz hat sich in den letzten Jahren intensiv mit alten Apfelsorten in der Steiermark beschäftigt und sich einen Überblick über die noch vorhandenen Sorten gemacht. Das erstaunliche Ergebnis ihrer Studie: Es wurden allein in der Steiermark 196 alte Apfelsorten erhoben. www.apfelstrasse.at

Zutaten (für 4 Personen):

4 Bratäpfel100g Rohmarzipan

50 g Staubzucker

1 Stamperl Rum1 Packerl Vanillezucker

40 g Kokosett10 g gehackte Walnüsse

etwas Zitronenschale

Zubereitung:Zuerst wird das Kerngehäuse mit einem

Ausstecher entfernt. Rohmarzipan mit

Staubzucker, Rum und Kokosett vermengen,

gehackte Walnüsse, Vanillezucker und etwas

Zitronenschale dazugeben und damit weitere

ausgestochene Äpfel füllen. Auf ein

Backblech stellen und bei 190 Grad rund

20 bis 25 Minuten im Rohr braten.

Bratapfel mit Kokos-Marzipanfülle

Geschmacksfrage: Apfel-Profi s testen für ST.IL mit feinemSensorium und empfi ndlichem Gaumen die verschiedenenSorten auf ihre Verarbeitungstauglichkeit. Die Verkostungs-ergebnisse überraschen teilweise auch die Experten.

Alois Thaller jun.Apfelkoch

Anita HoferApfelköchin

Maria SteinbauerEdelbrand-Sommeliere

Josefa WilhelmApfelbäuerin

Karl SchlofferApfelbauer und EdelbrennerLeiter der ST.IL Verkostung

Apfelhoheit Elisabeth

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TREnd & TRAdITIon

Wenn Meister träumenMehr als 50.000 Unternehmen gibt es in der Steiermark.Zwischen großen Industriekonzernen, traditionsreichenHandelsbetrieben und trendigen Dienstleistungsanbieternfinden sich auch Experten für alte Handwerkskunst.

Es hätte auch Holzfällen in Amerika oder Ent-wicklungshilfe in Afrika sein können. Gewor-

den ist Walter Vonbank aber Orgelbauer. Der gebürtige Vorarlberger lebt heute in Triebendorf im oberen Murtal und ist einer von 40 Orgel-baumeistern in Österreich, allerdings der einzige, der als Kleinbetrieb sämtliche Teile der Orgel in Eigenproduktion herstellt: vom Gießen der Pfei-fen über das Herstellen der Mechanik und das Zusammenfügen von Tausenden Holzteilen nach alten Tischlermethoden bis zur Abstimmung der Klaviatur – und schließlich dem Stimmen des Instruments, bei dem mittels selbst gefertigter Werkzeuge an den Pfeifen Feinabstimmungen im Hundertstelmillimeterbereich vorgenommen werden.

„Es ist die vielseitigste Arbeit der Welt“, schwärmt Vonbank und verweist auf „ein un-endliches Spektrum“ verwendeter Rohmateriali-en. Stahl, Blech, Messing und Blei ist ebenso da-bei wie Leder, Knochen und die verschiedensten heimischen Holzarten. So wird jahrhundertealte Instrumentenbautradition mit moderner Technik und persönlichem Forschergeist verbunden. Er wolle „von der Vergangenheit lernen, die Ge-genwart wahrnehmen und etwas für die Zukunft schaffen“, spannt der Orgelbauer einen zeitli-chen Legatobogen über seine Arbeit. Vom Re-parieren über das Restaurieren bis zum Neubau reicht die Palette. In steirischen Kirchen in Mu-

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peln. Es ist Maßarbeit, bei der die Proportionen zwischen Stange und Kugel exakt auf die Eigen-schaften der Glocke abgestimmt werden. 300 Glockenklöppel hat Schweiger schon produziert – die läuten unter anderem in Indien, Japan und Südafrika.

Josef Reichts Produkte wiederum stehen in un-mittelbarer Symbiose mit den Glocken: Reicht ist Turmuhrmacher und betreut als solcher die jahrhundertealten Uhrwerke auf Kirchtürmen. Aus rund 200 Einzelteilen besteht die komple-xe, aber präzise Zahnrad-Mechanik, die bis zu 800 Kilo schwer sein kann. Österreichweit gibt es nur zwei Spezialisten auf diesem Gebiet. Der Oststeirer Reicht ist einer davon und setzt damit eine Berufstradition fort, die bis ins 13. Jahrhun-dert zurückgeht.

Es sind vier Beispiele für außergewöhnliche Be-rufe und ihre Geschichte und Gesichter, wie sie der Grazer Fotograf Heinz A. Pachernegg abseits von anonymer Massenware und monotonen Fließbandjobs für sein Buch „Von Gürtlern und Kuglern“ (Leykam Verlag) zusammengetragen hat. Immer wieder sprechen die Handwerksmeis-ter darin von ihrem „Traumberuf“, vielfach sind es über mehrere Generationen weitergeführte Familienbetriebe wie im Fall der Lodenwalkerei von Jörg Steiner in der Ramsau am Fuße des Dachsteins, wo seit fünf Generationen die wi-

derstandsfähigen Bekleidungsstücke aus feins-ter Wolle hergestelltwerden, womit man der älteste steirische Gewerbebetrieb (seit 1434) ist. Auch der buchtitelgebende Kugler Thomas Riener aus Voitsberg in der Weststeiermark kann auf Berufsunterlagen seines Urgroßvaters zurückgreifen. Mithilfe von Schleif-scheiben aus Metall und Indus-triediamant werden Kristall-luster-Teile, Trinkgläser undGlasschalen mit feinen Ornamenten verziert. Oder restauriert – wie beispielsweise im Wiener Raimund Theater, im Hotel Sacher oder in diversen Kir-chen in Kärnten. Auch ein Kunstglasmacher, ein Ap-parateglasbläser, ein west-steirischer Büchsenmacher, ein Bootsbauer aus dem Ausseerland und ein Köhler fi nden sich in Pachern-eggs „Made in Styria“-Panoptikum, das eine Brücke aus der Wirt-schaftsgeschichte in die Gegenwart schlägt und beweist, dass neben Hightech auch für hohe Handwerkskunst Platz bleibt.

rau, Admont, Langenwang und Piber, aber auch in Niederösterreich, Kärnten und dem Burgen-land hat Vonbank schon „Spuren“ hinterlassen.

Ebenfalls in Kirchen anzutreffen sind die Werk-stücke von Otto Knizacek-Piller, Johann Schwei-ger und Josef Reicht. Knizacek-Piller ist Gürtler, „was aber nichts mit Gürteln im herkömmlichen Sinn zu tun hat“, erklärt er und verweist auf die historischen Wurzeln seines Berufs, die bis ins Mittelalter zurückreichen. Damals war man für die Verbindung von Leder und Metallteilen vor allem bei Ritterrüstungen zuständig, danach konzentrierte sich die Arbeit auf die prunkvollen sakralen Ausstattungsgegenstände der Got-teshäuser: Kerzenständer, Kelche, Weihwasser-kessel, Beleuchtungskörper etc. – aus Messing, Silber und Kupfer und in detailverliebter Hand-arbeit hergestellt. Restaurierungen und Neuaus-stattungen derartiger Objekte gehören auch zu den „Spezialitäten“ des seit 1839 bestehenden Grazer Familienbetriebs von Knizacek-Piller.

Johann Schweigers Meisterstücke wirken da-gegen etwas grobschlächtiger, sind aber um nichts weniger sensibel. Schweiger ist Schmied und stellt als einziger derartiger Spezialbetrieb Österreichs auch Klöppel für Kirchenglocken her. Bei 850 bis 1100 Grad Schmiedetemperatur hämmert, klopft und presst Schweiger niedrig legierten Stahl zu bis 80 Kilo schweren Klöp-

Ob Klöppel für Kirchenglocken, Orgeln und Inneneinrichtungen für Gotteshäuser oder alte Uhrwerke: Überall sind Meister-hände gefragt. Der Grazer Fotograf Heinz A. Pachernegg hat seltene Traditionsberufe für sein Buch vor den Vorhang geholt.

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TREnd & TRAdITIon

… ein Lichtlein brennt

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Ob Zirkus, Theater oder Straßenkunst: Mehrzweck- und VollblutkünstlerAdrian Schvarzstein gilt als Garant für ein begeistertes Publikum.Das nächste Mal in Graz zu sehen ist er beim weihnachtlichen „Cirque Noël“.

Adrian Schvarzstein weiß, wie es ist, ein Au-ßerirdischer zu sein. Er war selbst einer. Als

Kunstfigur mit grüner Haut und vollkommen in grüne Kleidung gesteckt stolperte er in seinem Programm „Green Man“, vom Alltag sichtlich überfordert, mit seinem grünen Tretroller durch die Gassen einer Stadt. Schvarzstein weiß auch von Bettgeschichten mit wildfremden Leuten auf wildfremden Plätzen in wildfremden Städten zu berichten. Er hat sie als schmalzlockiger Unter-leiberl-Träger und mit einem altmodischen Bett als einzigem Requisit selbst erlebt – und damit regelmäßig üppige Trauben von Zuschauern un-terhalten. Schvarzstein, laut Eigendefinition eine Mischung aus Argentinier, Spanier und Italiener, ist Clown, Schauspieler, Regisseur für Zirkus und Theater. Als energiegeladener Showman versteht er es in den verschiedensten Rollen, zu verstören, zu provozieren – und vor allem: sein Publikum zu begeistern. Genre-übergreifend: Sei es als mehr-maliger Gast beim Grazer Straßenkunstfestival „La Strada“, sei es als künstlerischer Leiter einer szenischen Darstellung von Monteverdis achtem Madrigalbuch im Rahmen des steirischen Som-mermusikfestivals „styriarte“ im letzten Sommer oder sei es als hyperaktiver Lebenskünstler, der mitsamt seines „Circus Klezmer“-Ensembles im vergangenen Dezember im Rahmen des Cirque Noël für ausverkaufte Vorstellungen in Serie sorgte. Das könnte wieder passieren.

Schvarzstein kommt auch im Advent 2010 nach Graz. Zwischen 17. und 30. Dezember gastiert er mit der Produktion „Call me Maria“ erneut im „Dom im Berg“. Vom Veranstaltungsort im Inneren des Schlossbergs ist der Vollblutkünstler mindestens ebenso angetan wie vom hiesigen Publikum. „Fantastischer Platz“ fällt ihm zum „Dom“ ein, als „enthusiastisch, begeisterungsfä-hig, aber auch erfahren und kritisch“ beschreibt er die Menschen. Seine Vergleichsbasis ist breit.Der 1967 in Buenos Aires geborene Künstler stu-dierte zunächst Archäologie in Jerusalem, später Commedia dell’Arte in Italien, wurde während seiner mittlerweile 20-jährigen beruflichen Tätig-keit aber von allen Spielarten des europäischen Theaters geprägt. Über den Umweg von Theater und Oper hat er schließlich zur Straßenkunst und zum Cirque Nouveau gefunden und ist in den vergangenen Jahren mit vielen Straßentheater-truppen, Zirkusgruppen und Opernkompanien aufgetreten, darunter viele Jahre hindurch mit dem Circus Ronaldo aus Belgien. Zu Hause fühlt sich der Weltenbummler überall.

Auch in Graz. Mit seinen eigenen Produktionen ist er hier fast schon Stammgast. Sein neu-es Stück wird im Rahmen der dritten „Cirque Noël“-Spielzeit seine Premiere erleben. Es spielt im Barcelona der 1950er-Jahre. Eine Zeit, in der in Spanien vieles durch die Franco-Diktatur verboten war, aber es dennoch fast alles gab. Auch den Rock ’n’ Roll, den in „Call me Maria“ amerikanische Matrosen in Form von Schall-platten mit in eine verschlafene Bar bringen. Es entwickelt sich ein für Schvarzsteins Stücke typi-sches Panoptikum des Aufeinandertreffens von verschiedenen Kulturen. Manchmal wird es zur brutalen Kollision von Modernem und Traditio-nellem, manchmal zum zarten Auffahrunfall zwi-schenmenschlicher Gefühle. Immer aber steht die Botschaft im Vordergrund, dass eine andere Kultur nicht a priori etwas Negatives ist. Beim „Circus Klezmer“ diente ein kleiner Marktplatz in einem jüdischen Shtetl als Kulisse für eine zauberhaft-melancholische, mit herzerfrischen-der Zirkuskunst unterlegte Erzählung über die Hochzeitsfeierlichkeiten eines jungen Paares. Bei „Call me Maria“ sorgen zwei amerikanische Matrosen für kontrastreiche Verhaltensmuster unter der Bar-Belegschaft. Blinde Begeisterung für das Fremde stößt auf argwöhnische Ableh-nung. Die Sprache wird in beiden Stücken zur Nebensächlichkeit degradiert, als Kommunika-tionsmittel zwischen den zehn Bühnenakteuren dominieren Musik, Gestik und Akrobatik. „Eine sehr menschliche Geschichte, die überall und immer wieder spielt“, schreibt Schvarzstein dem Plot eine zeitlose Allgemeingültigkeit abseits der konkreten Inszenierungen zu.

Der Umgang mit dem Fremden sei eine ständige Herausforderung für eine Gesellschaft. Freilich könne man alles als Problem sehen, was für Schvarzstein aber eine „sehr antike“ gedankli-che Herangehensweise bleibt. Er rät vielmehr zu einem „Ändern des Chips im Gehirn“: „Mache das Fremde zum Normalen, weil es Teil der Ge-sellschaft ist“, empfiehlt er. „Es ist so simpel!“Dass es im wirklichen Leben nicht immer ganz so einfach ist, weiß er aber aus seiner eigenen beruflichen Erfahrung. So ist er als grüner Au-ßerirdischer in Zagreb schon einmal von der Polizei verhaftet worden, in Belgien von einem eifersüchtigen Mann verfolgt worden, in Eng-land mussten auf die Zuckerln, die er ins Pub-likum warf, Allergiewarnungen gedruckt werden und auch mit dem Auf-die-Bühne-Holen von Personen aus dem Publikum, ein fixer Bestand-

teil von Schvarzsteins improvisationsverliebten Shows, ist er schon auf Vetos von übervorsich-tigen Veranstaltern gestoßen. „Diese vielen Vor-schriften und der Versuch, alles reglementieren und verbieten zu wollen, ist nicht mehr normal und bremst die Kreativität“, ärgert er sich. Ganz aufhalten hat er sich davon aber noch nie las-sen. Sein Ventil bleiben die Rollen, in die er schlüpft: die liebenswerten Revoluzzer, die von der Utopie der perfekten Anarchie träumen, die verstörenden Außerirdischen, die der stumpfen Rationalität mit der unbeschwerten – und nur vordergründigen – Unlogik des clownhaften Le-benskünstlers entgegen treten. Oder eben das Christkind, das den Rock ’n’ Roll als pfiffige Auf-weckmelodie in den dumpf dahinwummernden Alltagsrhythmus bringt. Zu hören in Graz – als weihnachtliche Welturaufführung. www.cirque-noel.atwww.graztourismus.at

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Stylish shoppen Es muss nicht immer ein schrilles Shoppingcenter oder

die pulsierende Einkaufsstraße in der Altstadt sein: Auch ein schon vor mehr als 150 Jahren als Genuss- und Ver-gnügungslocation erbautes Repräsentationsgebäude am Ufer eines kleinen Teiches und am Rande eines großzügigen Naherholungswaldes eignen sich als Shoppingfi eber-Infek-tionsherd. Markus Lederleitner bietet in seiner Dependence im Grazer Hilmteichschlössl eine anregende Mischung aus Gastronomie, Gärtnerei und Gartenmöbel-Studio. So ge-nießt man die grüne Kulisse nicht nur bei einem entspann-ten Kaffee, man kann sich die Pfl anzen, die einen umgeben, oder den Sessel, auf dem man sitzt, gleich einpacken lassen. www.lederleitner.at

Honig in Tuben, Kuchen im Glas, Klang-vasen, Marmelade-Köstlichkeiten

oder Gewürzboxen mit dazupassendem Kochbuch: Außergewöhnliches gehört zum gewöhnlichen Sortiment des klei-nen Genussladens „Tischlein deck dich“ in der Grazer Kaiserfeldgasse. Inhaberin Martina Nittel setzt neben Gaumen- auch auf Augenschmaus und bietet Dekorati-ves rund um Kochtopf und Tischdesign. Und wem das Selberkochen trotzdem zu mühsam ist, dem kann Nittel mit der Vermittlung von „Mietköchen“ helfen.www.tischlein.net

Das Herz von Leonore Höfl er schlägt für außergewöhn-liches Design. Und weil diesbezüglich die eigenen

Ansprüche im Graz der Jahrtausendwende irgendwie nicht entsprechend erfüllt wurden, gründete sie einfach ihr ei-genes Geschäft: Modernes und Raritäten, kurz „MuR“, entstand. In der Enge Gasse mitten in der historischen Alt-stadt bietet man mittlerweile Gustostücke von nahezu 200 Designern. Zur Auswahl stehen klingende Namen wie Ka-rim Rashid, Arne Jacobsen, Charles und Ray Eames, Roland Rainer – Designklassiker oder junge Designer. Möbel, Glas, Lampen, Accessoires, Originelles für Designliebhaber, Ge-schenksuchende oder Schaufensterbummler. „MuR“ ist ein neuer Geschäftstyp, mit dem Angebot einer Designgalerie und der ungezwungenen Atmosphäre eines Museumsshops.www.mur.co.at

shoppen

Im Schatten und Sog des Grazer Kunsthauses hat sich in den vergangenen Jahren eine kleine feine Kreativ-

szene entwickelt. Eine Handvoll exquisiter Shops und Boutiquen bietet entlang der Mariahilferstraße weniger alltägliche Geschenks- und Souvenir-Ideen. So kann man bei „kwirl“ aus Produkten von 60 Marken und Designern wählen, unter ihnen Kapazunder wie Vivian Westwood, Zaha Hadid oder Karim Rashid. Aber auch junge hei-mische Kreativköpfe wie White Elephant, perludi oder breadedEscalope präsentieren sich im Kon-text von zeitgenössischem internationalem Design. „Bei der Sortimentsauswahl legen wir verstärkt Wert auf Umeltbewusstsein und fairen Handel“, sagt „kwirl“-Gründerin und Inhaberin Iris Kastner. www.kwirl.at

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Wenn aus einem Hobby ein Beruf wird, muss Leidenschaft dahinterstecken. „Ich bin süchtig nach Seifen“, gesteht Viktoria Seiffarth augenzwinkernd. Seit über

fünf Jahren beschäftigt sie sich intensiv mit dem Reinigungsbehelf und hat mittler-weile in ihrer Seifenmanufaktur in Dienersdorf bei Hartberg in der Oststeiermark eine bunte Produktpalette handgemachter Pfl anzenölseifen im Angebot. Die ver-arbeiteten Zusatzstoffe reichen von ätherischen Ölen (Lavendel, …) über Duftöle (Erdbeere, Flieder, …) bis zu würzigen Kräutern, sämigem Oliven- oder Mandelöl und feiner Kakaobutter, die Seifenkreationen von kleinen Badepralinen, die sich in der Badewanne in ein geschmeidiges Ölbad aufl ösen, über Seifentorten (!), die man wie einen echten Kuchen mittels Küchenmesser in kleine Stücke fi lettieren kann, bis zu

eigens für Firmen angefertigte Seifen in speziellen Formen oder mit Logos. Sämtliche Seiffarth-Seifen verbindet, dass sie ohne Konservierungsmittel und Tierversuche auskommen. Erhält-lich sind die Seifen übers Internet, auf Märkten oder direkt bei Seiffarth, wo man sich seinen Lieblingsduft selbst „herausschnuppern“ kann. www.seif-art.com

Flüchtlinge aus dem Design-Mainstream und überzeugte Nachhaltigkeitsfreaks fi nden bei „zerum“ in Graz Asyl. Denn das junge, kreative Lifestyle-Label bietet (in erster Linie) T-

Shirts, die nach den strengen „Fair Ware“-Richtlinien produziert werden. Das bedeutet: pesti-zidfreie Bio-Baumwolle, Solar- und Windenergie sowie Regenwasser-Einsatz in der in Koope-ration mit sozialen Einrichtungen organisierten Produktion. Der Exklusivitätscharakter wird im Design verstärkt. Denn die Shirts gibt es pro Design in einer limitierten Aufl age von maximal einhundert Stück. Wem das immer noch zu viel Massenware ist, kann selbst aktiv werden. Kreativköpfe, die ihre Arbeiten (Grafi ken, Illustrationen und sonstiges Artwork) gerne als „li-mited edition“ auf Fairtrade-Bio-Baumwolle-Shirts gedruckt sehen wollen, können nämlich bei regelmäßigen „zerum“-Designwettbewerben mitmachen. Die vier besten Designs werden auf der zerum-Facebook-Site präsentiert. Das Design mit den meisten „Gefällt mir“-Klicks gewinnt und wird in einer limitierten Aufl age von 40 Stück gedruckt und über den Onlineshop angeboten. So schnell wird man selbst zum Modedesigner. www.zerum.at

Man kennt den Wein und das Bier aus der Steiermark. Ab sofort gibt es auch einen eigenen Steiermark-Tee: Die „Grüne Mi-

schung“ ist eine Bio-Kräuterteemischung, die in ihrer geschmackli-chen Zusammensetzung und dem angenehm-anregenden Aroma Gusto auf einen Steiermark-Urlaub macht. Die Wurzeln für diese herz-erwärmende Tee-Spezialität liegen übrigens im „ST.IL“-Magazin. Ein etwas anderes Werbesujet in der letzten Winterausgabe hat die inno-vationsfreudigen Grazer Kaffee- und Teespezialisten der Firma Hornig hellhörig werden und experimentieren lassen. Das Resultat gibt es jetzt in stylischen Triangel-Teebeuteln. Noch nie hatte Genuss mehr Stil. Im Handel und bei www.hornig.at.

Jetzt also auch Berlin. Nach einem ersten Expansions-schritt von der Homebase Graz aus Richtung Wien hat

die steirische Modedesignerin Lena Hoschek nunmehr auch in Berlin eine Zweigstelle. Mitten in Berlin-Mitte erfrischt die junge Steirerin, die ihre Profession unter anderem bei Catwalk-Rebellin Vivienne Westwood lernte, mit ihrer unverwechselbaren Modelinie. Zarte Stoffe, romantische Farben und exzentrische Muster im Retro-Stil der 40- und 50er-Jahre, die nicht nur US-Pop-Sternchen Katy Perry begeis-tern, sondern auch bei der Fashion Week Berlin re-gelmäßig für Aufsehen sorgen. www.lenahoschek.at

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Im Brutkastender SportcoupésDie Autoindustrie gehört zueiner der Stützen der steirischenWirtschaft . In Graz werden nebendem Uropa der SUVs auch schnittige Sportcoupés für renommierteMarken wie Mercedes, AstonMartin oder Peugeot produziert.

Die Zeit war knapp. Nur knapp zwei Jahre blieben den Entwicklern, Designern und

Ingenieuren Zeit, um aus einem Konzeptfahr-zeug des französischen Peugeot-Konzerns ein straßentaugliches Sportcoupé mit dem geheim-nisvollen Kürzel RCZ zu formen. Eine Herausfor-derung – auch für einen erfahrenen Spezialisten wie Magna. Das austro-kanadische Unterneh-men, das vom gebürtigen Steirer Frank Stronach gegründet wurde, gilt heute mit rund 74.000 Mitarbeitern immerhin als drittgrößter Autozu-lieferer der Welt. Und als Spezialist für kniffl ige Aufträge.

Beim RCZ übernahm Magna erstmals die kom-plette Entwicklung und Herstellung eines Fahr-zeugs. Das schnittige Sportcoupé ist damit ein „waschechter Steirer“, auch wenn es einen fran-zösischen Pass hat – und eigentlich im virtuellen Raum entstanden ist. Denn aus Gründen der Zeit- und Kostenersparnis wurde das Serienfahr-zeug vollständig am Computer entwickelt. Man verzichtete auf die sonst übliche Prototypen-generation. Die Daten der Konzeptstudie, eine überschaubare Liste von rund 30 Punkten, mit denen Peugeot die wesentlichen Wünsche an das Fahrzeug festlegte, wurden in Design- und Entwicklungsstudios gemixt. Auch die Tests der einzelnen Komponenten und Eigenschaften wie Akustik, Aerodynamik oder Sicherheitsfeatures des rassigen Vehikels wur-den virtuell simuliert, ohne einen wesentlich teureren realen Test durchführen zu müssen. So existiert im Fall des Peugeots die Test- und Pro-duktionsstraße eigentlich doppelt: einmal als vir-tuelles Modell im Computer, und später als tat-sächliche Hardware, wo entlang ausgeklügelter Ablaufsysteme seit Jahresbeginn 2010 die Autos

zum Angreifen montiert werden.Unter anderem setzen Roboter und menschliche Hände 3309 Schweißpunkte, um die rund 4000 Einzelteile, aus denen ein Fahrzeug besteht, zu-sammenzufügen. Wobei diese Aufl istung noch großzügig ist, denn die Ingenieure rechnen den gesamten Motor als einen einzigen Bestandteil. Bis zu vierzehn Fahrzeuge pro Stunde können entlang der hoch spezialisierten, aber dennoch fl exiblen Produktionsstraße gefertigt werden. Die Kulisse hat nichts von dreckig-verschmier-ten, ohrenbetäubenden Industriehallen der Ver-gangenheit. In einer beinahe klinisch sauberen Umgebung wird auf Sicherheitsvorkehrungen für die Mitarbeiter ebenso penibel geachtet wie auf millimetergenaue Montagevorgänge.

Die Liste der von Magna derart in der Steiermark für renommierte Marken mitentwickelten und zusammengeschraubten Modelle ist lang und ansehnlich. Im Grazer Werk, das sich zwischen Autobahn und südlicher Stadtgrenze ausbreitet, liefen in den vergangenen Jahren unter anderem der Jeep Grand Cherokee, das Saab 9-Cabrio, der Chrysler Voyager, der BMW X3 oder der Urgroßvater der modernen straßentauglichen

Geländewagen-Generation (SUV) vom Band: die legendäre Mercedes G-Klasse, die auf eine bereits mehr als 30-jährige Modellgeschichte zurückblicken kann, die untrennbar mit dem steirischen Produktionsstandort verbunden ist.

Insgesamt wurden bei Magna in Graz zu Spit-zenzeiten pro Jahr 250.000 Fahrzeuge produ-ziert. Heute sind es immer noch deutlich mehr als 150.000 – und die Marken und Modelle ge-hören weiterhin zum Who is who der PS-Szene. BMW lässt sein Mini-Allradmodell hier zusam-menbauen, dazu kommen prestigeträchtige Kra-cher der Sportcoupé-Szene wie der Aston Martin Rapide oder der Mercedes SLS, für den die ge-samte Aluminiumkarosserie sowie die extrava-ganten Flügeltüren in Graz produziert werden. Im Hintergrund ist man freilich schon einen Schritt weiter. In den Labors und auf den Test-ständen wird bereits an den Autos der Zukunft geforscht. Bereits 2012 will Magna serienmäßig Elektrofahrzeuge produzieren. Graz spielt dies-bezüglich eine zentrale Rolle, denn eines der beiden Zentren des Weltkonzerns für diese neue Technologie wurde bereits hier angesiedelt.

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ImSchwitzkasten

Schweiß statt Eis. Gerade an kalten Wintertagen hat die Sauna Hochsaison. Aus den in düstere Kellerwinkel verräumten Schwitzkabinen sind längst

wohnliche Entspannungsoasen und Energietankstellen in modernemDesign geworden. Produziert werden sie auch in der Steiermark.

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WELLnESS

Auf bis zu einhundert Grad klettert die Queck-silbersäule an besonders kalten Tagen. Denn sobald die Landschaft auskühlt, sich Regen-tropfen langsam in Schneeflocken verwandeln und die Sonne später auf-, dafür früher unter-geht, hat die Hitze Hochsaison. Winterzeit ist Saunazeit. „Aufguss statt abfrieren, schwitzen statt zittern“, lauten die entsprechenden Ziel-vorgaben in Sachen Regeneration und Wohlfüh-len. Nicht nur im skandinavischen Raum, wo in den finnischen Wäldern die Wiege der zünftigen Holzblock-Sauna gestanden ist, oder in den traditionellen orientalischen Dampfbädern ge-nießt man die anregende Wirkung heißer Luft.

Auch in steirischen Breiten schätzt man das anstrengungsfreie

Schwitzen. Kei-

verarbeiteten Erlen-Hölzer aus der Südoststeier-mark. Um ihm die Feuchtigkeit zu entziehen, wird es entweder luftgetrocknet oder in einer eigenen Trockenkammer verarbeitungsbereit gemacht.

Auch auf der anderen Seite der Niederen Tauern, in Liezen im obersteirischen Ennstal, hat sich ein traditionsreicher ehemaliger Holzverarbeitungs-betrieb auf die Sauna-Erzeugung konzentriert. Das Familienunternehmen Deisl kann auf eine mehr als 500-jährige Firmengeschichte zurück-blicken, seit rund zwei Jahrzehnten hat sich aus dem ursprünglichen Holzfachmarkt ein Spezia-list für die Herstellung hochqualitativer Saunen entwickelt. Verarbeitet werden neben kanadi-schem Zedernholz und nordischen Fichten auch heimische Zirben. Während die Zedern mit ihrem würzigen Geruch und der eleganten, fein gema-serten Oberflächenstruktur überzeugen, sind es bei Zirbenholz der eher süßliche Duft des Harzes und der ätherischen Öle und die rustikalere Op-tik (mit sichtbaren Asteinschlüssen), die für eine unverwechselbare Charakteristik sorgen, erklärt Firmenchef Josef Deisl. In beiden Fällen wird das Holz ausschließlich in Blockbohlen-Mas-sivbauweise (ohne Lack, Leim oder Isolierung) verarbeitet. Das hat natürlich auch seinen Preis. Rund das Vierfache einer banalen Baumarktsau-na kosten die individuellen Maßanfertigungen. Aber die Nachfrage steigt. Bei Deisl, eigenen Angaben zufolge mit 15 Mitarbeitern der größte rein österreichische Sauna-Erzeuger, werden pro Jahr 500 Saunen produziert und von Liezen aus an Kunden in ganz Europe ausgeliefert. Die Ex-ponate werden dabei immer exklusiver.

Die immergrüne Zirbe kommt in alpinen Höhenlagen zwischen 1300

und 2800 Meter vor und verträgt Tem-peraturen bis unter minus 40 Grad.

Unter allen Nadelhölzern wächst sie am langsamsten und mit einem Alter

von bis zu eintausend Jahren gilt sie als „Königin der Alpen“.

Seit Jahrhunderten wird Zirbenholz zur Inneneinrichtung und auch für Saunen verwendet, denn aufgrund

seines hohen Gehalts an ätherischen Ölen und Harz weist das Zirbenholz einen angenehmen Geruch auf, der

sich positiv auf den Wohlfühlcharakter einer Sauna auswirkt, da sich die Düfte

besonders beim Aufheizen entfalten.

ne Therme, fast kein Hotel und immer weniger Privathäuser verzichten auf eine Sauna als Aus-stattungstool.

Viele greifen dabei auf steirisches Fachwissen und Qualitätsarbeit zurück. Sowohl im Mur- als auch im Ennstal wird man diesbezüglich fündig. In der 1100-Seelen-Gemeinde Schöder in der Nähe von Murau hat der ursprüngliche Säge- und Tischlerei-Familienbetrieb von Peter Stoff schon vor rund dreißig Jahren mit dem Sauna-bauen begonnen und sich in den vergangenen zehn Jahren auf die Produktion von maßge-fertigten Saunen spezialisiert. Als Rohmaterial greift Stoff auf steirisches Holz zurück. Während die für die Mehrzahl der Saunen verwendeten Fichten mehr oder weniger vor der Haustüre in

den obersteirischen Himmel wachsen, kommen die für die Edel-

varianten

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36 ST.IL STEIERMARK.ILLUSTRIERTE

Vor der Sauna Zeit nehmen.

Weder mit vollem Bauch noch mit Hunger in die Sauna gehen.

Duschen, damit die Haut leichter schwitzen kann. Ganz wichtig: abtrocknen. Man sollte trocken in die Sauna gehen.

In der Sauna: Kurze heiße Saunagänge belasten den Kreislauf weniger als lange warme.

Zwei Minuten vor Verlassen der Kabine aufsetzen und die Füße bewegen, um die Blutzirkulation anzuregen.

Die Sauna nicht zu früh verlassen. Wer nicht richtig aufgewärmt ist, für den wird das Abkühlen zur Qual.

Nach der Sauna: Erst einige Minuten an der frischen Luft auf und ab gehen, um den Kreislauf

in Schwung zu bringen und etwas Wärme über die Haut abzulassen.

Den Schweiß mit kaltem Wasser abspülen. Bei Beinen und Händen beginnen, der Oberkörper kommt zum Schluss. So wird das Blut in Richtung Herz getrieben.

Wichtig ist der Kältereiz – nur so kann die Sauna ihre volle Wirkung entwickeln. Eine lauwarme Dusche ist zwar angenehm, macht aber den Effekt des Saunagangs zunichte.

Nach einer Ruhephase kann der zweite oder dritte Saunagang beginnen. Als Faustregel gilt: Die Abkühlphase soll etwa doppelt so lange wie die Wärmephase sein.

Quelle: Robert Kropf: „Das große Saunabuch“ (Kneipp Verlag, Wien, 2009)

Der perfekteSaunagang

„Die Kellersauna ist tot, es lebe das private Spa“, fasst Robert Kropf die jüngsten Entwicklungen zusammen. Der gebürtige Steirer hat für sein „Großes Saunabuch“ (Kneipp Verlag) allgemeine Fakten, individuelle Tipps und aktuelle Trends rund um die populären Schwitz-kästen zusammengetragen. Demnach sind die Zeiten vorbei, in denen die Sauna in den letzten Winkel des Kellers verräumt wurde – als Lückenbüßer unter dem Stiegenhaus, als Nachbar des Heizkellers. Stattdessen wird die Sauna Teil des erweiterten Wohnraumes in Badezimmern, im Schlafbereich oder im aufgelassenen Kinderzimmer. „Das Material Glas hilft dabei, dass der Sauna-Innenraum mit dem Außenraum verschmilzt“, sagt Kropf. Tatsächlich lösen immer öfter elegant-groß-zügige Glasfronten die klobig-urigen Holztüren mit der kleinen Sichtlucke ab, bestätigt Josef Deisl. Dadurch wird die Sauna zum schmückenden Mobiliar wie ein Wand-verbau oder Kachelofen aufgewertet. „Der Trend geht zu sehr exklusiven, ausgefallenen Privatkabinen, die alle Stücke spielen“, unterstreicht Deisls Murauer Kollege Peter Stoff. Längst hat sich die Sauna nämlich auch in puncto Ausstattung zu einem Hightech-Raum entwickelt. Die Steuergeräte werden immer kleiner, aber leistungsfä-higer. Über Touchscreen kann man nicht nur Temperatur und Feuchtigkeitsgrad der Luft, sondern auch verschie-dene Farblicht-Kombinationen und Duftvariationen wäh-len. Ein eigener Energiespar-Modus sorgt für ökologisch unbedenkliches Genießen. Für echte Überzeugungstäter gibt es die zusammenfaltbare Sauna zum Mitnehmen und Anschließen an jeder Steckdose. Und in Finnland macht der Schwitzkult sogar in luftiger Höhe keine Pau-se: In Lappland baumelt zwischen ganz normalen Gon-delkabinen für Skifahrer und Wanderer eine eigene Sau-na-Gondel. Vier Personen können darin Richtung Gipfel schwitzen. Und während die einen ihre Heimsauna per Smartphone noch von der Piste aus einschalten, damit sie rechtzeitig aufgeheizt ist, wenn man nach Hause kommt, und andere zusammenfaltbare und via Steck-dose aktivierbare Schwitzkammern zum Mitnehmen ins Wohnmobil laden, genießen echte Saunaafi cionados stresslos die geräumig gestalteten Spa-Landschaften mit ihrer großzügigen Sauna- und Infrarotkabinen-Auswahl in den einschlägigen Wellness-Oasen der Steiermark. Da kann Finnland bleiben, wo es ist: ganz weit weg. www.steiermark.com/wellness

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STEIERMARK – TIER und MEnScH IM WInTERScHLAF

Man tut ihm Unrecht, wenn man dem Dachs völlige Winter-Lethargie unterstellt. Denn „Grimbart“ hält keinen Winterschlaf, sondern nur eine gepflegte Winterruhe. Das ist ein gro-ßer Unterschied, weil er seine Körper-funktionen nicht auf einen radikalen Stand-by-Modus zurückfährt (wie der Igel), sondern nur unwesentlich re-duziert. So können Dachse weiterhin Reize von außen wahrnehmen und binnen kürzester Zeit wieder aktiv werden. Wenn es sich auszahlt – denn in den bis zu fünf Meter unter Tag liegenden labyrinthähnlichen Gängen und Schlafkammern mitten im dichten Unterwuchs eines Waldes ist es für hastige Bewegungen eigentlich viel zu gemütlich. www.murtal.at

Es gilt neben dem Steinbock als wahrscheinlich bekanntestes Tier der Alpen: das Murmeltier. Und das, obwohl es seine Präsenz an der Oberfläche von Almen auf ein halbes Jahr beschränkt. Die andere Hälfte hält es Winterschlaf. Dabei rollen sich die Tiere in Gruppen zusammen und fahren ihre Körperfunktionen auf ein absolutes Minimum zurück. Sie atmen dann nur mehr zwei Mal pro Minute, der Puls geht von 200 auf 20 Schläge pro Minute zurück, die Körpertemperatur sinkt auf unter fünf Grad, der Energieverbrauch auf weniger als zehn Prozent der Sommer-werte. So reichen die dicken Fettreserven, um über den Winter zu kommen. www.schladming-dachstein.at,www.ramsau.com, www.gesaeuse.at, www.ausseerland.at

Wenn schon die Sonne ihre Tagesarbeitszeit dramatisch redu-ziert, sollte sich auch der Mensch nicht so wichtig nehmen und durch Überaktivität die Gemütlichkeit des Winters stören. Also runter vom Gas – und rein in die warme Stube. 39 Betriebe in der Steiermark bieten dafür mit einem eigenen „Winterschlaf“-Angebot den passenden Entschleunigungsrahmen. Kuschelige Zimmer mit viel Holz, Badezimmer meist mit Badewanne, regi-onale Küche, offener Kamin und Bibliotheken laden zum Genie-ßen und Auftanken ein. So kann der Frühling noch ruhig vor der Türe warten. www.steiermark.com/winterschlaf

Selbst die „fleißigen Bienen“ haben sich für den Winter eine eigene Kuscheltaktik zurechtgelegt, um den kalten Temperaturen zu trotzen: Sie formieren sich zwischen November und Februar zu sogenann-ten Wintertrauben. Dabei vibrieren sie eifrig mit Flü-geln und Muskeln und erzeugen so innerhalb des Insektenknäuels Temperaturen von bis zu über 30 Grad. Mitten in dieser Wintertraube sitzt die Königin und hat es gemütlich warm, während es an den Au-ßenrändern auf rund 13 Grad abkühlen kann. Wird es den Tieren dort zu kalt, drängen sie nach innen und andere, erwärmte Bienen gelangen auto-matisch nach außen. Es erinnert ein bisschen an die Besucherbe-wegungen vor Lokalen mit Rauchverbot im Inneren. www.sws.st

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Es sind die Männchen, die sich als Erste auf die faule Haut legen. Schon im Oktober, nachdem er sich eine dicke Fettschicht angefressen hat, legt sich Herr Igel zur Ruhe, einige Zeit später rollt sich auch Frau Igel zu einer Kugel zusammen, zuletzt schlafen die Jungtiere ein. Die Lebensfunktionen lodern ab dann auf Sparflamme (unter fünf Prozent im Vergleich zum aktiven Tier). Schuld ist der Nahrungsmangel, denn die schlechte Wärmeisolierung der 6000 bis 8000 Stacheln erfordert viel Stoffwechselwärme, um die Körpertemperatur von 34 Grad aufrechterhalten zu können. Und diese Anstrengung ersparen sie sich im Winter. www.graz.at

Wie der Dachs gönnt sich auch der Bär keinen Winterschlaf. Es würde viel zu lange dauern, bis sich ihr mächtiger Körper im Frühjahr wieder auf die normale Temperatur erwärmt. Da er aber in der kalten Jahreszeit deutlich weniger Futter findet, hält sich Meister Petz im Winter mit seinen körperlichen Aktivitäten nobel zurück und genießt dahindösend den Wellnessfaktor einer re-laxten Winterruhe. Die Körpertemperatur sinkt dabei von 38 auf 34 Grad, auch Herz- und Atemfrequenz sind leicht herabgesetzt – aber bei Bedarf binnen kürzester Zeit wieder auf Vollbetrieb hochfahrbar. www.hochsteiermark.at

In der Steiermark sind 24 Arten von Fledermäusen nachgewiesen. Die nacht-aktiven Flugtiere rasten

sich tagsüber in Baum- und Felshöhlen, Stollen, Gewölben oder Dachböden aus. Einmal werden sie Ende des Sommers noch zu Touristen und fliegen in ihre Winterquartiere (Höhlen, Stollen), die oft weit von den Sommer-Aufenthaltsorten entfernt liegen. Dort ist dann Schluss mit Bewegung. Die Tiere hän-gen sich kopfüber an die Decke und halten Winter-schlaf. Dabei sinkt die Körpertemperatur von 38 Grad auf nur einige Grad über null, die Atemfrequenz wird auf vier bis acht Züge pro Minute reduziert. www.oststeiermark.com

Sein Name ist Programm. Der Sieben-schläfer ruht tatsächlich fast zwei Drittel eines Jahres. Ab Ende September bis April schlafen die mausähnlichen, nachtaktiven Nagetiere in Baumhöhlen oder bis zu ein-einhalb Meter tiefen Bodenklüften, aber auch in Dachstühlen von Gebäuden. Als natürlichen Lebensraum bevorzugen die zierlichen Tiere mit den großen, schwarzen Augen, rundlichen Ohren und einem buschi-gen Schwanz unterwuchsreiche Laub- und Mischwälder zwischen 1000 und 1500 Me-ter Seehöhe. Und davon hat die Steiermark als waldreichstes Bundesland Österreichs einige zu bieten. www.thermenland.at

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STEIERMARK TouRISMuSA-8042 Graz, St. Peter-Hauptstraße 243 Tel.: +43 (0) 316/4003-0, Fax: +43 (0) 316/4003-10, [email protected]

Herausgeber: Steiermark Tourismus. F.d.I.v: Dir. Georg Bliem. Projektleitung: Ute Hödl. Fotos: © Bildarchiv Steiermark Tourismus(Fotografen: Leo Himsl, ikarus.cc, Lanxx, Markus Leodolter, photo-austria.at; Popp-Hackner, Harry Schiffer,) sowie Bilder von Partnern und Bildagenturen.Cover/Rückseite: © Steiermark Tourismus / ikarus.cc. Konzeption & Gestaltung: Raunigg und Partner, Werbeagentur. Text: Klaus Herzler.Druckerei: Klampfer, St. Ruprecht an der Raab. Stand: August 2010.

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