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    Z Gerontol Geriat 2011 · 44:19–26DOI 10.1007/s00391-010-0152-3Eingegangen: 2. November 2010Angenommen: 15. November 2010Online publiziert: 11. Februar 2011© Springer-Verlag 2011

    S. Glodny · Y. Yilmaz-Aslan · O. Razum

    AG Epidemiologie & International Public Health,Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld

    Storytellingals InterventionVerbesserung der häuslichen Pflege vontürkischen Migranten in Deutschland

    Beiträge zum Themenschwerpunkt

    Der Zugang zu Einrichtungen und An-geboten des deutschen Gesundheits-

    systems sowie deren adäquate Nut-

    zung sind für einige Gruppen in un-

    serer Gesellschaft erschwert. Sprach-

    schwierigkeiten, Informationsdefizite

    und ein Gesundheits- und Krankheits-

    verständnis, das von dem der Mehr-

    heitsbevölkerung abweicht, können

    für die Gruppe der Migrant(inn)en

    Barrieren darstellen [11]. Es wird die

    Entwicklung und Erprobung eines In-

    terventionsansatzes, genannt Story-telling, beschrieben, der türkischen

    Pflegebedürftigen und ihren Ange-

    hörigen helfen soll, solche Barrieren

    zu überwinden.

    Ältere türkischstämmige Migrant(inn)ensind die am stärksten wachsende Bevöl-kerungsgruppe in Deutschland. Da Mig-ranten im Laufe ihres Arbeitslebens häu-figer körperlich belastende Tätigkeitenund Schichtarbeit ausführen musstenund sich im Alltag möglicherweise dis-kriminiert fühlten, können belastungsbe-dingte und psychische Erkrankungen imVergleich zu Deutschen früher und häu-figer auftreten [, ]. Chronische Erkran-kungen, Pflegebedürftigkeit und Mul-timorbidität werden in dieser Bevölke-rungsgruppe im Alter vermutlich beson-ders stark zunehmen [, ].

    Werden Menschen mit türkischemMigrationshintergrund pflegebedürftig,so übernehmen vornehmlich Angehörige(z. B. Ehefrau, Mutter, Tochter) die Pfle-

    ge. Etwa der Pflegebedürftigen wer-den zu Hause versorgt – häufig ohne Un-terstützung durch professionell Pflegende.Eine stationäre Unterbringung des pflege-bedürftigen Angehörigen erfolgt nur inAusnahmefällen []. Der steigende An-teil berufstätiger Frauen, Änderungen inder Familienstruktur sowie die zuneh-mende geographische Fragmentierungder Familien erschweren die Pflegesitua-tion oder führen dazu, dass die Angehö-rigen nicht mehr als Pflegende zu Verfü-

    gung stehen [].

    EDer Wunsch, pflegebedürftige

    Familienmitglieder ohne

    Fremdhilfe zu versorgen, kann

    nicht immer realisiert werden.

    Die mit der Pflege einhergehenden körper-lichen und psychischen Anforderungenführen zu hoher Belastung und nicht sel-ten Überforderung der pflegenden Ange-hörigen []. Unterstützung und Ange-bote der Altenhilfe werden von türkisch-stämmigen Migrant(inn)en aus Unkennt-nis oder aufgrund von Barrieren bei Zu-gang und Inanspruchnahme bisher weniggenutzt. Diese Zielgruppe wird über die„Kommstruktur“ unseres Gesundheits-wesens nur ungenügend erreicht. Dazuträgt bei, dass die im Gesundheitsbereichüblicherweise eingesetzten Kommuni-kationsstrategien die Migrant(inn)en oftnicht ausreichend ansprechen. Zudem be-stehen in dieser Zielgruppe häufig Vorbe-halte gegenüber patientenaktivierenden

    Lösungsansätzen. Für eine Verbesserungder Pflege von Migranten reicht es dahernicht, allein die bestehenden Informati-onsdefizite zu beheben, sondern es sindzunächst Kommunikationshindernisseunterschiedlicher Art zu überwinden. Da-neben müssen Pflegebedürftige und ihreAngehörigen ermutigt und befähigt wer-den, jeweils aktive Rollen zu übernehmen.Eine Intervention, mit der sowohl Wissen vermittelt als auch Empowerment geför-dert werden kann, ist das Storytelling.

    Darunter sind der moderierte Austauschund die Diskussion eigener Erfahrungenim Kreise von Menschen mit ähnlichenProblemen zu verstehen, angeregt durchdas Erzählen einer für die Problemstel-lung typischen Geschichte.

    Storytelling

    Das Erzählen von Geschichten ist ei-ne Form der Kommunikation, die Men-schen aus allen Kulturen bekannt ist. Je-der Mensch hat schon Geschichten ge-hört und darüber gesprochen, und je-der Mensch kann Geschichten erzählen,z. B. über Herausforderungen, denen ersich mit mehr oder weniger großem Er-folg gestellt hat. In den letzten Jahren wirddas Geschichtenerzählen – Storytelling –gezielt eingesetzt, um Zuhörer zu aktivie-ren, ihnen Informationen zu vermittelnund gezielt Reaktionen oder Handlungenzu stimulieren. Ein solcher Interventions-ansatz wird auch als narrativ (erzählend)bezeichnet.

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    EDie beteiligten Personen sollten einen

    gemeinsamen Bezugspunkt haben.

    Beim Storytelling als Form der Gruppen-kommunikation erzählen Mediatoren Ge-schichten aus der Erfahrungswelt der je-

    weiligen Teilnehmer. Die beteiligten Per-sonen sollten einen gemeinsamen Be-zugspunkt oder ähnliche Interessen undProbleme aufweisen, um eine Basis fürdas Storytelling bzw. die Geschichten zuschaffen. Dadurch werden die Teilnehmerdirekt in das Geschehen involviert. Inhalteund Informationen aus den Geschichtensind für sie verständlicher und können ef-fektiver aufgenommen werden. Die zu Be-ginn erzählte Geschichte oder Erfahrungkann dann als Ausgangspunkt für das Er-zählen weiterer Geschichten oder Erleb-

    nisse durch die Teilnehmer dienen. Siesind somit nicht nur Zuhörer, sondernauch Erzähler und erkennen im Erzähl-prozess, dass auch andere, ihnen ähnlicheMenschen vergleichbare Probleme habenwie sie selbst. Das wiederum regt eineDiskussion über mögliche Lösungsstra-tegien an und aktiviert dadurch die Teil-nehmer. Der Austausch muss in einemgeschützten Raum stattfinden, d. h. dieTeilnehmer müssen sicher sein, dass dasGesprochene nicht zur Beurteilung oder

    Kontrolle verwendet oder nach außen ge-tragen wird [].

    Storytelling wird seit Jahren in Un-ternehmen zur Weiterbildung derMitarbeiter(innen) eingesetzt. Dem liegtdie Beobachtung zugrunde, dass dasGeschichtenerzählen zu einem verbes-serten Informationsaustausch unter denMitarbeiter(inne)n führen kann. Dadurchlassen sich die Kosten für Aus- und Wei-terbildung reduzieren, z. B. so geschehenin den er Jahren bei der Firma Xer-ox [].

    E Jeder Mensch kann Geschichten

    erzählen, die als Ausgangspunkt für

    aktivierende Gruppendiskussionen

    dienen können.

    Im Bereich des Gesundheitswesens wirdStorytelling bereits in der diagnostischenBegegnung, im therapeutischen Pro-zess, in der Arzt- und Patientenschulungund in der Forschung eingesetzt []. Da-bei kann die Interaktion in unterschied-

    lichen Konstellationen zwischen den Ak-teuren aus dem Gesundheitsbereich (z. B.Arzt, Pflegepersonal) und den Patientenoder Betroffenen erfolgen. Ein narrativer,selbsthilfeorientierter Ansatz in Form desStorytellings wurde bereits erfolgreich im

    Rahmen der Aus- und Weiterbildung imGesundheitswesen in Gruppen verschie-dener Nationalität (z. B. Türken, Iraner,Chinesen) erprobt []. Zweisprachige Mit-arbeiter aus dem Gesundheitsbereich er-hielten eine -wöchige Schulung mit In-formationen zum Umgang mit Diabetesund im Bereich der Patientenedukation.Danach wurden wöchentlich Treffen mitDiabetikern in der jeweiligen Mutterspra-che durchgeführt. Eine Evaluation fand imRahmen des Gruppenlernens in der Aus-und Weiterbildung anhand von Lernzie-

    len statt, die über einen Fragebogen abge-fragt wurden. Im Bereich der Demenzfor-schung wurde ein Storytelling-Ansatz mitdementen Personen durchgeführt. Diequalitative Analyse ergab, dass das Ge-schichtenerzählen den Teilnehmern half,sich zu erinnern und Assoziationen zukürzlich Erlebtem herzustellen [].

    Im hier vorgestellten Projekt saba wur-de das Storytelling erstmals im Bereichder häuslichen Pflege von Menschen mitMigrationshintergrund eingesetzt.

    Saba (evde sağlık ve bakım)

    Das Akronym saba steht für den Aus-druck „evde sağlık ve bakım“ und bedeu-tet „Gesundheit und Pflege zu Hause“.Das im Rahmen des Pflegeforschungs- verbunds NRW seit geförderte Pro- jekt richtet sich an türkische Pflegebedürf-tige und ihre pflegenden Angehörigen. Eszielt – als komplexer und kulturell ange-passter Interventionsansatz – besondersauf die Unterstützung der Pflegenden inForm einer Stärkung des Selbstmanage-ments und Empowerments. Dazu wur-de auf Basis des Storytellings nach Green-halgh et al. [] ein selbsthilfeorientierterInterventionsansatz entwickelt, bei demsich die Pflegenden im Rahmen der An-gehörigentreffen über eigene pflegebezo-gene Erfahrungen in ihrer Mutterspra-che austauschen. Dieses gegenseitige Er-zählen von Erlebnissen und Geschichtenfindet in Anwesenheit speziell geschulterMediator(inn)en statt.

    Geplant war die Erprobung der Inter- vention im Rahmen einer kontrolliertenrandomisierten Studie und die Evaluationmit validierten Instrumenten, die vor undnach der Intervention zum Einsatz kom-men sollten.

    Rekrutierung derStudienteilnehmer(innen)

    Türkische Pflegebedürftige und ihre pfle-genden Angehörigen wurden mit unter-schiedlichem Erfolg über zwei verschie-dene Zugangswege rekrutiert.

    In einer registerbasierten Ziehung einerZufallsstichprobe wurden in einem Da-tensatz des Medizinischen Dienstes derKrankenversicherung Westfalen-Lippe(MDK WL) mithilfe eines namenbasier-

    ten Algorithmus Begutachtungen von tür-kischstämmigen Personen identifiziert.Von den ca. . Begutachtungen imZeitraum bis fanden . Be-gutachtungen an türkischstämmigen Per-sonen statt. Nach Anwendung der Ein-und Ausschlusskriterien und Ziehen ei-ner Zufallsstichprobe wurden tür-kischstämmige Pflegebedürftige posta-lisch kontaktiert. Sie bzw. ihre pflegendenAngehörigen wurden zu Informationsver-anstaltungen in räumlicher Nähe zu ihrem

    Wohnort eingeladen. Etwa ein Fünftel derAngeschriebenen konnte über die angege-bene Adresse nicht mehr erreicht werden.Von den verbliebenen Personen rea-gierten nur Personen (,). Von die-sen ließen sich Pflegebedürftige und ih-re pflegenden Angehörigen zu einer Teil-nahme am Projekt saba motivieren.

    Parallel dazu wurde ein zugehenderAnsatz auf Basis der sozialen Netzwerke umgesetzt. Türkischstämmige Schlüssel-personen (z. B. aus türkischen Selbsthil-fegruppen, Vereinen) wurden in die Re-krutierung einbezogen, da diese Personenbereits Kontakte zu Familien mit pflege-bedürftigen Angehörigen hatten und ei-ne Vertrauensbasis bestand. Diese Schlüs-selpersonen wurden aufgesucht, über dieStudie saba informiert und um eine Un-terstützung bei der Rekrutierung poten-zieller Studienteilnehmer gebeten. Überdie Schlüsselpersonen wurden Terminezu Hausbesuchen bei potenziellen Stu-dienteilnehmern arrangiert. Im Rahmen von Hausbesuchen in Anwesenheit der

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     jeweiligen Schlüsselperson wurden insge-samt türkische Pflegebedürftige und ih-re pflegenden Angehörigen von einer tür-kischen Mitarbeiterin zur Studienteilnah-me motiviert [].

    Vor Beginn der Intervention in Form

    der Angehörigentreffen wurde eine Ein-willigung („informed consent“) von al-len teilnehmenden Pflegebedürftigenbzw. deren gesetzlichen Vertretern und von den pflegenden Angehörigen einge-holt. Tonaufnahmen der Treffen wurdennur angefertigt, wenn alle Teilnehmer da-mit einverstanden waren. Dies wurde je-weils zu Beginn eines Angehörigentref-fens geklärt. Alle an der Studie mitarbei-tenden Personen – die Mitarbeiter(innen)der Universität Bielefeld, Mediator(inn)enund MDK-Gutachterinnen – unterschrie-

    ben vor Beginn ihrer Tätigkeit eine Da-tenschutzerklärung, um die Datensicher-heit der Studienteilnehmer(innen) zu ga-rantieren. Die zuständige Ethikkommis-sion des Universitätsklinikums Münsterprüfte das Studiendesign sowie die ein-gesetzten Instrumente und stimmte demVorgehen zu (Ethikvotum Nr. (B) --f-S).

    Entwicklung der Intervention

    Die Intervention im Projekt saba erfolgtein Schritten: Zunächst wurden für dieZielgruppe relevante Themen identifi-ziert, dann Startergeschichten entwickelt,anschließend ergänzende Informations-pakete erstellt und schließlich die Medi-atoren geschult.

    Identifizieren relevanter Themen

    Auf Basis der Literatur und in Rückspra-che mit professionell Pflegenden wurdenThemenbereiche zusammengestellt, dieals Oberthema für die Angehörigentref-fen dienten. Im Projekt saba waren diesfolgende Themenkomplexe (. Abb. 1):F Pflegeversicherung und deren Leis-

    tungenF Aspekte der physischen und psychi-

    schen GesundheitF MobilitätF WohnenF Patientenverfügung/Vorsorgevoll-

    macht

    Zusammenfassung · Abstract

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    S. Glodny · Y. Yilmaz-Aslan · O. Razum

    Storytelling als Intervention. Verbesserung der häuslichen Pflegevon türkischen Migranten in Deutschland

    ZusammenfassungDie Zahl pflegebedürftiger Menschen inDeutschland nimmt stetig zu. BesondersMenschen mit Migrationshintergrund kön-nen aufgrund von Zugangsbarrieren wieSprachschwierigkeiten und Informationsde-fiziten die Einrichtungen und Angebote desGesundheitssystems nicht adäquat nutzen.In dem vorliegenden Artikel wird die Umset-zung des Projekts saba beschrieben, in demauf Basis des Storytellings ein selbsthilfeo-rientierter Interventionsansatz für türkischePflegebedürftige und ihre pflegenden Ange-hörigen entwickelt und erprobt wurde. In An-wesenheit von speziell geschulten Gesundh

    eitsmediator(inn)en mit Türkisch als Mutter-sprache fanden regelmäßige Treffen mit den

    pflegenden Angehörigen statt. Während derTreffen konnten die pflegenden Angehörigendurch gegenseitiges Erzählen ihre Pflegeer-fahrungen und Informationen austauschen.Die Intervention diente zur Förderung desSelbstmanagements und Empowerments dertürkischen Pflegebedürftigen und ihrer pfle-genden Angehörigen. Informationsdefizi-te und Zugangsbarrieren können somit ab-gebaut und die Nutzung von Hilfen und An-geboten von Pflegemaßnahmen erleichtertwerden.

    Schlüsselwörter

    Storytelling · Türkische Migranten · PflegendeAngehörige · Häusliche Pflege · Selbsthilfe

    Storytelling. An intervention to improve home care of Turkish migrants

    Abstract

    The number of people in need of nursingcare in Germany is continuously increasing.As a result of problems with the foreign lan-guage and a lack of information, there areobstacles especially for people with a migra-tional background toward the use of profes-sional help and offers for people in need ofcare. This report describes the saba study. Weused the method of storytelling as a self-helporiented intervention strategy within thegroup of Turkish persons in need of care andtheir relatives who provide care. Health me-diators facilitated weekly group meetings ofTurkish family caregivers. During these meet-

    ings, the family caregivers talked to each oth-er about their experiences. By sharing theirstories, they increased their knowledge andinformation. The intervention encourag-es empowerment and self-management ofTurkish people in need of care and their fami-ly caregivers. The study helps Turkish personsin need of care and their family caregivers toobtain knowledge and lower the barriers foraccess to the German Healthcare System.

    KeywordsStorytelling · Immigrants · Family caregivers ·Home care · Self-care

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    Das erste Gruppentreffen diente dem ge-meinsamen Kennenlernen sowie der Pla-

    nung und Festlegung der Reihenfolge, inder die Themen bearbeitet werden sollten.Die pflegenden Angehörigen konnten beidieser Gelegenheit weitere, für sie relevan-te Themen vorschlagen.

    Entwickeln der Startergeschichten

    Zu jedem Themenbereich wurde eineStartergeschichte als Ausgangspunkt fürden Erfahrungs- und Informationsaus-tausch während der Gruppentreffen ent-wickelt. Die Geschichten mussten be-stimmte Charakteristika und eine einheit-liche Struktur aufweisen. In einer kurzenEinführungsphase werden Informationenüber die Personen und die Ausgangssitu-ation in der Geschichte gegeben (Istzu-stand). In der anschließenden Problem-beschreibungsphase wird die Ursache desProblems dargestellt und das Problem be-nannt. Die Folgen des Problems werden inder Abschlussphase beschrieben. Das Endeder Geschichte soll offen bleiben, um die

    Teilnehmer zum Erzählen und Diskutie-ren zu motivieren [, ].

    Die Geschichten wurden auf Deutschentwickelt und anschließend ins Tür-kische übersetzt (. Abb. 2). In beidenSprachen wurde jeweils überprüft, ob dieGeschichten den genannten Anforde-rungen entsprachen. Zudem wurden dieGeschichten laut vorgelesen, um die Dau-er und Verständlichkeit der Geschichteabzuschätzen.

    Erstellen der Informationspakete

    Informationen auf Deutsch und Türkischzu den verschiedenen für die Pflegendenrelevanten Themen (. Abb. 1) wurdenzusammengetragen und ggf. aktualisiert.Diese Informationen und die themenzu-gehörigen Startergeschichten wurden als„offene Materialsammlung“ in Form einesHandbuchs den Mediator(inn)en überge-ben. Das Informationspaket enthielt zu-dem eine Inhaltsangabe mit der Themen-übersicht, Hinweise zum Gebrauch undeine kurze Beschreibung zum Ablauf derAngehörigentreffen.

    Schulung zur Weiterqualifi-zierung der Mediatoren

    Für das Gelingen der Storytelling-Me-thode müssen die Mediator(inn)en – als„Kristallisationspunkte“ der Gruppen-

    kommunikation [] – gute kommunika-tive Kompetenzen aufweisen. Dazu gehörtunter anderem die Fähigkeit des aktivenZuhörens. Beim aktiven Zuhören versuchtder Empfänger (hier Mediator/in) die In-halte/Informationen, die ihm/ihr der Sen-der (hier Gruppenteilnehmer/in) gege-ben hat, in eigenen Worten wiederzuge-ben und an den Sender zurückzuspiegeln.Das hilft zu überprüfen, ob die Informa-tionen richtig verstanden wurden. Auchkommunikative Anpassung und Empa-thie – die Fähigkeit, sich auf sein Gegenü-

    ber auf kognitiver, emotionaler und inter-aktiver Ebene einzustellen – sind Voraus-setzung für eine erfolgreiche Umsetzung,ebenso wie entsprechendes Wissen undMotivation []. Für die Studie saba wur-den daher türkischsprachige Gesundheitsmediator(inn)en aus dem Projekt „Mi-Mi: Mit Migranten für Migranten“ enga-giert und nochmals speziell geschult. Di-ese Mediator(inn)en waren bereits vor-her vom Ethno-Medizinischen ZentrumHannover ausgebildet worden, um Infor-

    mationsveranstaltungen in ihrer Mutter-sprache über gesundheitsrelevante The-men durchzuführen [].

    EDie Gesundheitsmediator(inn)en

    sollten aus dem gleichen Kulturkreis

    stammen wie die Studienteilnehmer.

    Im Rahmen von saba erhielten dieMediator(inn)en eine zweitägige Wei-terqualifizierung mit theorieorientiertenund praktischen Anteilen. Sie basierte auf Bausteinen:

    Baustein 1. Die Mediator(inn)en wur-den über den Hintergrund und den Ab-lauf der Studie saba informiert.

    Baustein 2. Die Grundlagen des Inter- ventionsansatzes Storytelling und dieUmsetzung des narrativen Ansatzes inForm von Angehörigentreffen wurden vermittelt. Im Gegensatz zu ihren bishe-rigen Einsatzbereichen müssen die Me-diator(inn)en keine Vorträge halten. Viel-

    Themenbereiche (1. Treffen) / Konu Bölümleri

    Kennenlernen und Zusammentragen relevanterThemenbereiche, Abstimmung der Themenreihenfolgemit den Teilnehmern

    Pflegeversicherung/Bakım Sigortası

    Leistungen,Beantragung,Begutachtung

    Institutionelle Unter-

    stützung / KurumsalDestek 

    AmbulanteVersorgung/ StationäreVersorgung, Kurzzeit-/Verhinderungspflege,Behindertenwerkstätte

    Hygiene / Hijyen(Temizlik)

    Körperpflege,Dekubitus,Inkontinenz,Zähne und Zahnersatz

    Mobilität undWohnen/ Mobilite veİkamet

    behindertengerechteWohnung, Hilfsmittel,Sturzprophylaxe

    Ernährung / Beslenme

    Nahrung (Zubereitung,Darreichung)Übergewicht,Hilfsmittel, Diabetes

    Pflege durch Angehö-rige / YakınlarTarafından Bakım

    Entlastungsangebote,Angehörigenpflege-kurse

    Diabetes / ŞekerHastalığı

    ErkrankungErnährungMedikamente/Fasten

    Demenz / Bunama

    Erkrankung, Aus-prägung, psychischeAuseinandersetzung

    Patientenverfügung,

    Vorsorgevollmacht /Hastalık Vekaleti,Bakım Vekaleti

    Grundsicherung imAlter, Patientenverfü-gung/Betreuung,Ansprechpartner

    Erkrankungen imAlter / Yaşlılıkta

    Hastalık 

    Erkrankungen: Krebs ,Diabetes, Herz-/Kreis-lauferkrankungen,Rheuma, Parkinson,psychische Erkran-kungen (Depression)

    Abb. 1 8 Themenbereiche im Projekt saba

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    mehr schaffen sie durch das Vorlesen derStartergeschichte Kristallisationspunktefür die Gruppengespräche und überneh-men die Moderationsrolle während derAngehörigentreffen.

    Baustein 3. Die Themenschwerpunkte,die für Pflegebedürftige und ihre pfle-genden Angehörigen relevant sind, unddie Startergeschichten zur Erarbeitungdes jeweiligen Themenkomplexes wur-den den Mediator(inn)en vorgestellt.

    Baustein 4. Die theoretischen Grundla-gen der vorangegangenen Bausteine wur-den anhand von Übungen aufgearbeitetund umgesetzt. Dazu wurden Angehö-

    rigentreffen in Form von Rollenspielendurchgeführt. Abwechselnd übernahm jeweils ein(e) Teilnehmer(in) die Rolledes Mediators und las eine der Starterge-schichten vor. Anschließend versuchte er/sie, das Gespräch zu moderieren. Die rest-lichen Teilnehmer(innen) übernahmendie Rolle der pflegenden Angehörigen.

    Baustein 5. Im Rahmen dieser Rollen-spiele wurden auch Übungen zu Schlüs-selkompetenzen (z. B. aktives Zuhören,Empathie, Authentizität, Nachfragetech-niken) durchgeführt sowie Fragen undUnklarheiten anhand von Beispielen er-klärt.

    Im Anschluss an jedes Rollenspiel be-kamen die Mediator(inn)en ein Feedbackzum Ablauf des durchgespielten Angehö-rigentreffens, der Moderation und ggf. zuVerbesserungsmöglichkeiten.

    Baustein 6. Abschließend wurden dieformalen Rahmenbedingungen der Tref-fen vorgestellt. Dazu gehörten Angabenzu den Räumlichkeiten, Ablauf der Tref-fen (mit Nachfrage zur Einwilligung vonTonaufnahmen) und Terminabsprachen.

    Zum Abschluss der Schulung wurdeden Mediator(inn)en das Informationspa-ket mit türkischem und deutschem Ma-terial zur Verfügung gestellt und ein Eva-luationsbogen zur Weiterqualifizierungs-

    Abb. 2 7 Beispiel für eineStartergeschichte zum The-menschwerpunkt Diabetes

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    schulung an die Teilnehmer(innen) ver-teilt.

    Durchführung der Intervention

    Insgesamt türkische Pflegebedürftige

    nahmen mit ihren pflegenden Angehöri-gen an den Interventionen der Studie sa-ba teil. Somit konnten vier Angehörigen-gruppen gebildet werden. Drei Gruppenin Hamm und Bielefeld trafen sich insge-samt -mal für Stunde pro Woche. DieMitglieder der Gruppe aus Herne fandensich -mal für jeweils Stunden zu einemAngehörigentreffen zusammen. Zu Be-ginn eines jeden Treffens wurden die Teil-nehmer gefragt, ob sie einer Tonaufnah-me zustimmen würden.

    Während des ersten Angehörigentref-

    fens lernten sich die Teilnehmer kennen,die Themen wurden vorgestellt und dieReihenfolge festgelegt. Zusätzliche The-menvorschläge wurden zu diesem Zeit-punkt nicht gemacht. Bei den nachfol-genden Treffen las die Mediatorin bzw. derMediator zu Beginn jeweils eine der Star-tergeschichten (. Abb. 2) vor. Anschlie-ßend übernahm sie/er die Rolle des Zu-hörers. Die Geschichten motivierten diepflegenden Angehörigen zum gegensei-tigen Erzählen ihrer eigenen, pflegebezo-

    genen Erfahrungen (Greenhalgh spricht von „sharing stories“, also Geschichtenmiteinander teilen []). Die Angehörigensprachen über ihre Bedürfnisse und Sor-gen und tauschten Erfahrungen aus. Dasführte häufig zu emotionalen Momenten,in denen den eigenen Gefühlen freier Laufgelassen wurde, was anschließend als psy-chische Entlastung beschrieben wurde.

    EDie Gespräche verlaufen trotz gleicher

    Startergeschichte unterschiedlich.

    Schwierige Gesprächssituationen wurden von der Mediatorin bzw. dem Mediatormoderiert. Wenn nötig lenkten sie das Ge-spräch wieder auf das eigentliche Themazurück. Zum Abschluss eines jeden Ange-hörigentreffens stellte die Mediatorin bzw.der Mediator mit Unterstützung der pfle-genden Angehörigen die wichtigsten Sa-chinformationen kurz zusammen. Bei ei-nigen Treffen wurden den pflegenden An-gehörigen Informationen z. B. in Formeiner Broschüre („Gesundheit Hand in

    Hand“/“Sağlığınız için el ele“) mitgege-ben. Die Treffen der einzelnen Gruppenentwickelten sich trotz identischer Star-tergeschichten unterschiedlich, da die in-dividuellen Geschichten ihrer Mitgliederund die daraus resultierenden verschie-

    denen Reaktionen den Gesprächsverlaufbestimmten. Die türkische Mitarbeiterinbesuchte ein bis zwei Treffen jeder Ange-hörigengruppe, um die Umsetzung derIntervention zu beobachten und die Reak-tion bzw. Akzeptanz der pflegenden An-gehörigen zu dokumentieren.

    Verstetigung

    Einige pflegende Angehörige konntenaufgrund der Pflegesituation, einer Be-rufstätigkeit oder ihrer familiären Situati-

    on nicht regelmäßig oder gar nicht an denAngehörigentreffen teilnehmen. Der Ge-sprächsbedarf und die Motivation in denGruppen waren aber so hoch, dass sichdie Angehörigen in Bielefeld und Hammseit der letzten Intervention im April weiterhin getroffen haben. Aktuell (StandOktober ) gründen die türkischstäm-migen pflegenden Angehörigen in Herneund Bielefeld eine Selbsthilfegruppe bzw.einen Selbsthilfeverein. Dabei werden sie von einer Mitarbeiterin des Projekts sa-

    ba unterstützt, die auch die Beratung undBetreuung pflegender Angehöriger wei-terführt.

    Evaluation

    Die Daten aus der formalen Evaluationder Interventionen werden derzeit analy-siert. Im Projekt saba kamen folgende Ins-trumente (in Türkisch) vor der Interventi-onsphase (Baselineerhebung) und zu zweiErhebungszeitpunkten im Anschluss andie Interventionsphase zum Einsatz:F Die Pflegebedürftigen wurden mit

    dem EQ-D und der visuellen Ana-logskala (VAS) zur subjektiv wahrge-nommenen Lebensqualität befragt.

    F Über die häusliche Pflegeskala (HPS)wurde die Belastung und über diePerceived Stress Scale (PPS) der sub- jektiv empfundene Stress der pflegen-den Angehörigen erfragt.

    F Des Weiteren wurde ein Fragebogenzum Empowerment eingesetzt.

    Der objektive Gesundheitszustand wurdeüber Formulargutachten zur Feststellungder Pflegebedürftigkeit vom MDK zu zweiErhebungszeitpunkten (vor und nach derIntervention) erhoben.

    Durch den hohen zeitlichen und per-

    sonellen Aufwand bei der Rekrutie-rung [] konnte die ursprünglich ge-plante Fallzahl nicht erreicht werden. DieStudienteilnehmer(innen) stellen keineZufallsstichprobe dar, sondern sind eineselbst selektierte Gruppe. Aufgrund derkleinen Fallzahl konnten die ursprünglichdefinierten Ein- und Ausschlusskriterienkeine Anwendung finden. Da etwa zweiDrittel (n=) der Pflegebedürftigen eineDemenz, geistige Behinderung oder einepsychische Erkrankung aufwiesen, relati- viert sich die Aussagekraft der eingesetz-

    ten Instrumente (EQ-D und VAS).

    EDer Einfluss auf die Qualität der

    häuslichen Pflege ist noch ungeklärt.

    Aufgrund der kleinen Fallzahl und derengen Vernetzung der Studienteilnehmerkonnten keine Kontrollgruppen einge-richtet werden. Daher werden eine semi-quantitative Analyse der anhand der ge-nannten Instrumente erhobenen Datensowie eine ausführliche qualitative Ana-

    lyse der Mitschnitte von Angehörigentref-fen vorgenommen. Schwierigkeiten undProbleme im Rahmen der Evaluation sinderst noch aufzuarbeiten, sodass zum jet-zigen Zeitpunkt nicht sicher nachgewie-sen werden kann, welchen Einfluss die In-tervention auf die Qualität der häuslichenPflege ausgeübt hat.

    Fazit

    F Storytelling stellt einen kulturell an-

    gepassten Interventionsansatz dar.

    F Voraussetzung für die erfolgreiche

    Umsetzung ist der Aufbau eines Ver-

    trauensverhältnisses, der sich über

    türkischstämmige Schlüsselpersonen

    realisieren lässt.

    F Migrantenspezifische Barrieren kön-

    nen durch die Umsetzung der Story-

    telling-Methode mit muttersprachli-

    chen Mediator(inn)en abgebaut wer-

    den.

    F Es wird den pflegenden Angehörigen

    ermöglicht, ihre persönlichen Prob-

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    leme bei der Pflege darzustellen und

    sich mit anderen Pflegenden austau-

    schen.

    F Im Rahmen des Projekts saba setz-

    ten die Studienteilnehmer die gewon-

    nenen Informationen im Pflegealltag

    um.F Nach Abschluss der Intervention er-

    folgt weiterhin eine Beratung und Be-

    treuung der pflegenden Angehöri-

    gen. Eine Verstetigung der Interven-

    tion wird derzeit in Form einer Selbst-

    hilfegruppe und eines Selbsthilfever-

    eins umgesetzt.

    KorrespondenzadresseDipl.-Biol. S. GlodnyAG Epidemiologie & International Public Health,

    Fakultät für Gesundheitswissenschaften,Universität BielefeldPostfach 10013133501 [email protected]

    Interessenkonflikt.  Die korrespondierende Autorinerklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht. Die Studiewurde vom BMBF im Rahmen des Pflegeforschungs-verbundes NRW finanziert.

    Literatur

      1. Beniers C (2006) Managerwissen kompakt. Inter-kulturelle Kommunikation. Hanser, München

      2. Brzoska P, Reiss K, Razum O (2010) Arbeit, Migrati-on und Gesundheit. In: Badura B, Schröder H, KloseJ, Macco K (Hrsg) Fehlzeiten-Report 2010. Vielfaltmanagen: Gesundheit fördern – Potenziale nut-zen. Springer, Berlin Heidelberg New York, S 129–139

      3. Frenzel K, Müller M, Sottong H (2004) Storytelling.Das Harun-al-Raschid-Prinzip. Die Kraft des Erzäh-lens fürs Unternehmen nutzen. Hanser, München

      4. Glodny S, Razum O (2008) Verbesserung derhäuslichen Pflege von türkischen Migranten inDeutschland: kontrollierte prospektive Studie mitnarrativem Interventionsansatz. In: Schaeffer D,Behrens J, Görres S (Hrsg) Optimierung und Evi-denzbasierung pflegerischen Handelns. Juventa,Weinheim, S 132–152

      5. Greenhalgh T, Collard A (2003) Narrative basedhealth care: sharing stories. A multiprofessionalworkbook. BMJ, London

      6. Greenhalgh T, Collard A, Begum N (2005) Sharingstories: complex intervention for diabetes educa-tion in minority ethnic groups who do not speakEnglish. BMJ 330(7492):628–631

      7. Greenhalgh T, Hurwitz B (2005) Narrative-basedmedicine – sprechende Medizin. Huber, Bern

      8. Holm AK, Lepp M, Ringsberg KC (2005) Dementia:involving patients in storytelling – a caring inter-vention. A pilot study. J Clin Nurs 14(2):256–263

      9. Menkhaus B, Salman R, Hohmann T (2005) End-bericht zum MiMi-Projekt für die Projektlauf-zeit von August 2003 bis Oktober 2004. http://www.bkk-bv-gesundheit.de/bkk-promig/filead-min/template/download/Endberichte/Projektbe-richt_2003–2004.pdf (Stand 03.11.2010)

    10. Okken PK, Spallek J, Razum (2008) Pflege tür-kischer Migranten. In: Bauer U, Büscher A (Hrsg)Soziale Ungleichheit und Pflege. VS, Wiesbaden,

    S 396–42211. Razum O, Geiger I, Zeeb H, Ronellenfitsch U (2004)

    Gesundheitsversorgung von Migranten. DtschÄrztebl 101(43):A2882–A2887

    12. Razum O, Zeeb H, Meesmann U et al (2008) Migra-tion und Gesundheit. Schwerpunktbericht der Ge-sundheitsberichterstattung des Bundes. Robert-Koch-Institut, Berlin

    13. Tüsün S (2002) Wenn türkische Frauen pflegen.In: Schnepp W (Hrsg) Angehörige pflegen. Huber,Bern, S 90–111

    14. Yilmaz Y, Glodny S, Razum O (2009) Soziale Netz-werkarbeit als alternatives Konzept für die Rekru-tierung türkischer Migranten zu wissenschaftli-chen Studien am Beispiel des Projektes saba. Hal-lesche Beiträge zu den Gesundheits- und Pflege-

    wissenschaften 8(30):636–653

    Zu dieser Publikation haben S. Glodny und Y. Yilmaz-Aslan zu gleichen Teilen beigetragen und teilen sichdie Erstautorenschaft.

    Kein Krebs trotz Mutationen

    Alterswarzen weisen onkogene Mutationen

    auf, sind aber dennoch harmlos. Dies zeigte

    eine Studie, die Alterswarzen als gutartige

    Hauttumoren untersuchte, welche vor al-

    lem in der zweiten Lebenshälfte auftreten.Demnach wiesen 90% der Alterswarzen min-

    destens eine onkogene Mutation, und mehr

    als ein Drittel sogar Mutationen in zwei ver-

    schiedenen Krebsgenen auf. Dieser Befund ist

    bemerkenswert, weil sich Alterswarzen trotz

    dieser Mutationen nicht zu bösartigem Haut-

    krebs entwickeln. Die Gründe hierfür sind

    noch weitgehend unbekannt. Eine weitere

    Erkenntnis der Forschungsarbeit ist, dass bei

    Patienten mit vielen Alterswarzen die einzel-

    nen Tumoren trotz räumlicher Entfernung

    von der gleichen Vorläuferzelle abstammen

    können. Da Alterswarzen durch ihre Exposi-

    tion gut zugänglich sind, eignen sie sich gut

    als Modelltumor. Von der Erforschung der

    Mechanismen, warum Alterswarzen trotz

    onkogener Mutationen gutartig bleiben,

    erhoffen sich die Wissenschaftler in Zukunft

    Erkenntnisse, was auf der molekulargeneti-

    schen Ebene den Unterschied zwischen gut-

    artigen und bösartigen Tumoren bestimmt.

    Literatur: Hafnera C., Toll A, Fernández-Casa-

    dob A. (2010) Multiple oncogenic mutations

    and clonal relationship in spatially distinctbenign human epidermal tumors. Proc Natl

    Acad Sci USA;107(48):20780-5.

    Quelle: Universitätsklinikum Regensburg,

    www.uniklinikum-regensburg.de

    Fachnachrichten

    26   |  Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 1 · 2011