Strafrecht BT Köperverletzung (Fortsetzung) sowie Gefährdung des Lebens und der Gesundheit...

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Strafrecht BT Köperverletzung (Fortsetzung) sowie Gefährdung des Lebens und der Gesundheit Vorlesung vom 2. November 2009 HS 2009 Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber Institut für Strafrecht und Kriminologie Universität Bern

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Strafrecht BT

Köperverletzung (Fortsetzung) sowie

Gefährdung des Lebens und der Gesundheit

Vorlesung vom 2. November 2009

HS 2009

Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber

Institut für Strafrecht und Kriminologie

Universität Bern

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Körperverletzung (Art. 122 - 126) – Inhaltliche Gliederung bzw. Systematik

Körperverletzung

Fahrlässige Körperverletzung

(Art. 125)

Vorsätzliche Körperverletzung

Grund-tatbestand

Einfache Kv. (Art. 123

Ziff.1. Abs.1)

schwerefahrl. Kv.

Abs. 2

Qualifikation

Schwere Kv. (Art. 122)

einfachefahrl. Kv.

Abs. 1

Privile-gierung

Tätlichkeit(Art. 126)

Qualifikation(Ziff. 2)

Privilegierung(Ziff. 1 Abs. 2)

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Tätlichkeit (Art. 126) – Grundtatbestand

Art. 126: Tätlichkeit

1 Wer gegen jemanden Tätlichkeiten verübt, die keine Schädigung des Körpers oder der Gesundheit zur Folge haben, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.

> geringfügiger Angriff auf die körperliche Integrität, der die Schwelle zur einfachen Körperverletzung noch nicht erreicht, der aber über das allgemein übliche oder gesellschaftlich geduldete Mass des "Körper-kontakts" hinausgeht

> typische Beispiele: Ohrfeigen, Schläge, Fusstritte, Stösse,…

> grosses Ermessen des Gerichts

> "erhebliche Schmerzen" und "blutende Wunde" als Indizien für die Annahme einer einfachen Körperverletzung

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Tätlichkeit (Art. 126) – Qualifikationen (Abs. 2): Übersicht

Art. 126: Tätlichkeit

2 Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er die Tat wiederholt begeht:(…)

> Qualifikationsgrund: besondere Schutzbedürftigkeit des Opfers

> Unterschied zur qualifizierten einfachen Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 2 Abs. 3-6: Qualifizierung nur bei wiederholter Tatbegehung

- "mindestens zwei Vorfälle in kurzer Zeit" (BGE 129 IV 216, 222)

> Rechtsfolge: Offizialdelikte (Verfolgung von Amtes wegen)

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Tätlichkeit (Art. 126) – Qualifikationen (Abs. 2): Schutzbefohlene als Opfer (lit. a)

Art. 126: Tätlichkeit

2 Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er die Tat wiederholt begeht:a. an einer Person, die unter seiner Obhut steht oder für die er zu sorgen hat,

namentlich an einem Kind;(…)

> Obhuts- oder Sorgeverhältnis zwischen Täter und Opfer

- Opfer = Schutzbefohlene des Täters

- z.B. Kinder bis zur Volljährigkeit im Verhältnis zu ihren Eltern; Bewohner von Alters- und Pflegeheimen

> Unterschied zur qualifizierten einfachen Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 2 Abs. 3-6: Offizialdelikt nur bei wiederholter Tatbegehung

- "mindestens zwei Vorfälle in kurzer Zeit" (BGE 129 IV 222)

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Tätlichkeit (Art. 126) – Qualifikationen (Abs. 3): Häusliche Gewalt (lit. b - c)

Art. 126: Tätlichkeit

2 Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt, wenn er die Tat wiederholt begeht:b. an seinem Ehegatten während der Ehe oder bis zu einem Jahr nach der

Scheidung; oderbbis. an seiner eingetragenen Partnerin (…) während der Dauer der

eingetragenen Partnerschaft oder bis zu einem Jahr nach deren Auflösung; oder

c. an seinem hetero- oder homosexuellen Lebenspartner (= Konkubinat), sofern sie auf unbestimmte Zeit einen gemeinsamen Haushalt führen und die Tat während dieser Zeit oder bis zu einem Jahr nach der Trennung begangen wurde.

> Kreis der geschützten Opfer: Ehegatten; eingetragene Partner (Partnerschaftsgesetz); Konkubinatspaare (= nicht verheiratete bzw. nicht eingetragene Paare, die einen gemeinsamen Haushalt führen)

> Zeitraum: bis ein Jahr nach Scheidung bzw. Auflösung bzw. Trennung

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Tätlichkeit – Häusliche Gewalt: Verfahrensbestim-mung (Art. 55a)

Art. 55a (Einstellung des Verfahrens) Ehegatte, eingetragene Partnerin, eingetragener Partner oder Lebenspartner als Opfer

1 Bei einfacher Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 2 Abs. 3–5), wiederholten Tätlich-keiten (Art. 126 Abs. 2 Bst. b, bbis und c), Drohung (…) und Nötigung (…) kann die zuständige Behörde der Strafrechtspflege das Verfahren provisorisch einstellen, wenn:a. das Opfer:

1. der Ehegatte des Täters ist und die Tat während der Ehe oder innerhalb eines Jahres nach deren Scheidung begangen wurde, oder

2. die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Täters ist und die Tat während der Dauer der eingetragenen Partnerschaft oder innerhalb eines Jahres nach deren Auflösung begangen wurde, oder

3. der hetero- oder homosexuelle Lebenspartner bzw. der noch nicht ein Jahr getrennt lebende Ex- Lebenspartner des Täters ist; und

b. das Opfer (…) darum ersucht oder einem entsprechenden Antrag der zuständigen Behörde zustimmt.

2 Das Verfahren wird wieder aufgenommen, wenn das Opfer (…) seine Zustimmung innerhalb von sechs Monaten seit der provisorischen Einstellung des Verfahrens schriftlich oder mündlich widerruft.

3 Wird die Zustimmung nicht widerrufen, verfügt die zuständige Behörde der Strafrechtspflege die definitive Einstellung.

4 (…)

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Tätlichkeit (Art. 126) – Subjektiver Tatbestand

> Vorsatz; Eventualvorsatz reicht aus

> (nur vorsätzliche Tätlichkeit ist strafbar; es gibt keine strafrechtlich relevante fahrlässige Tätlichkeit)

> falls Vorsatz auf Körperverletzung i.e.S. gerichtet war, aber vom Verletzungserfolg her bloss eine Tätlichkeit eintritt: versuchte (einfache oder schwere) Körperverletzung (konsumiert die Tätlichkeit; unechte Konkurrenz)

> tritt ein schwererer Erfolg ein, als vom Täter gewollt worden ist: Tätlichkeit in echter Konkurrenz mit fahrlässiger Körperverletzung (oder fahrlässiger Tötung)

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Fahrlässige Körperverletzung (Art. 125)

Art. 125: Fahrlässige Körperverletzung

1 Wer fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

2 Ist die Schädigung schwer, so wird der Täter von Amtes wegen verfolgt.

> Abs. 1: einfache fahrlässige Körperverletzung

- Erfolg entspricht jenem von Art. 123- Antragsdelikt- analoge Anwendung von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 2 bei "leichten

Fällen" (Rechtsfolge: Strafmilderung gemäss Art. 48a; d.h. bloss Busse)

> Abs. 2: schwere fahrlässige Körperverletzung

- Erfolg entspricht jenem von Art. 122- Offizialdelikt; jedoch gleicher Strafrahmen wie einfache fahrlässige

Körperverletzung gemäss Abs. 1

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Fahrlässige Körperverletzung (Art. 125) – Konkurrenz zu Gefährdungstatbeständen

> Fahrlässige Köperverletzung bei gleichzeitiger Erfüllung eines Gefährdungstatbestands

- z.B. Art. 90 SVG (i.V.m. mit einer konkreten Sorgfaltspflicht)- Gefährdungstatbestand umschreibt die Sorgfaltspflicht, deren

Verletzung bei Eintritt eines Verletzungserfolgs (Körperverletzung) eine Strafbarkeit gemäss Art. 125 begründet

- wenn nur eine Person (als Opfer) betroffen ist: unechte Konkurrenz; Art. 125 konsumiert den Gefährdungstatbestand

- wenn neben der verletzten Person noch eine weitere Person konkret gefährdet worden ist: echte Konkurrenz

- wenn nur eine Person betroffen ist, diese aber keinen Strafantrag gestellt hat: Täter wird einzig wegen des Gefährdungsdelikts verurteilt

> bei vorsätzlichen Gefährdungsdelikten (z.B. Art. 127, Art. 128, Art. 129): echte Konkurrenz

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Körperverletzungsdelikte: Züchtigungsrecht gegenüber Kindern als Rechtfertigungsgrund?

> Eltern

- Art. 302 ZGB: elterliches Erziehungsrecht

- Züchtigungsrecht i.S. einer körperlichen Strafe oder Zurechtweisung

- darf Tätlichkeit nicht überschreiten; muss Ausnahme sein (Art. 126 Abs. 2 lit. a)

> Lehrerschaft

- Zulässigkeit kantonaler "Züchtigungs-Bestimmungen" im kantonalen Schulrecht fraglich

- sicherlich nicht aus Gewohnheitsrecht; höchstens gestützt auf kantonale gesetzliche Grundlage

> Drittperson (z.B. Hauswart)

- Züchtigungsrecht ausgeschlossen

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Körperverletzungsdelikte – Einwilligung des Ver-letzten: allgemein und bei ärztlichen Eingriffen

> Einwilligung allgemein

- bei einfacher Körperverletzung (und Nötigung): Einwilligung ist grundsätzlich immer rechtfertigend

- bei schwerer Körperverletzung: Einwilligung gilt als Rechtferti-gungsgrund, wenn die Hinnahme der Verletzung einem sittlichen, ethisch anerkannten Zweck dient

> bei ärztlichen Heileingriffen im Besonderen

- 1. Meinung: schon Tatbestand nicht erfüllt, weil sozialer Sinn gerade nicht die Schädigung der Gesundheit ist, sondern die Heilung

- 2. Meinung (inkl. Bundesgericht): auch ein ärztlicher Heileingriff erfüllt den Tatbestand einer Körperverletzung; Einwilligung des Patienten (bloss) als Rechtfertigungsgrund

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Körperverletzungsdelikte: Einwilligung in Sport-verletzungen

> relevant bei Kampfsportarten und Teamsportarten mit Körperkontakt (z.B. Fussball, Eishockey)

> Teilnahme an Sportveranstaltung bzw. -wettkampf als eigenverant-wortliche Selbstgefährdung (Einwilligung in das Verletzungsrisiko)

> Grenze der Einwilligung: Spielregeln

> Strafbarkeit der Körperverletzung bei absichtlicher und grober Verletzung der Spielregeln

- Fusstritt bei Boxkampf

- Faustschlag bei Fussballspiel

> absichtlicher Regelverstoss, ohne Verletzungsvorsatz: fahrlässige Körperverletzung

> absichtlicher Regelverstoss, (Eventual-) Vorsatz betreffend Verletzung: vorsätzliche Körperverletzung

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Körperverletzungsdelikte: Einwilligung in Sport-verletzungen – Bsp: BGE 134 IV 26

BGE 134 IV 26 (BGer-Urteil 6B-298/2007 vom 24. Oktober 2007)

SachverhaltAm 31. Oktober 2000 spielte Kevin Miller (Beschwerdegegner) für den HC Davos in einer Eishockey Nationalliga A Meisterschaftspartie gegen die ZSC Lions. Dabei foulte er Andrew McKim (Beschwerdeführer) grob. Die bei diesem Foul erlittenen gesundheitlichen Schäden zwangen Andrew McKim, seine Profikarriere zu beenden.Zum Foulspiel kam es in der zehnten Minute des ersten Spieldrittels. Der ZSC-Spieler Andrew McKim gelangte unmittelbar hinter dem Tor des HC Davos in Puckbesitz. Er nutzte seine vorhandene Bewegung aus und setzte seine Fahrt in einem Bogen fort, um in eine günstige Torschuss-position zu gelangen. 0.38 Sekunden nach der Schussabgabe wurde er durch Kevin Miller von hinten in den Rücken gecheckt. Durch den Check fiel er vornüber und schlug mit seinem Kopf auf dem Eis auf.

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Körperverletzungsdelikte: Einwilligung in Sport-verletzungen – Bsp: BGE 134 IV 26 (Fortsetzung)

Aus den Erwägungen(…) Für die Abgrenzung unerlaubter von noch tolerierten Risiken ist auf die im jeweiligen Wettkampf anwendbaren Spielregeln zurückzugreifen. (…) Bei der Realisierung des sportartspezifischen Grundrisikos sollte von strafrechtlicher Ahndung abgesehen werden. Zu diesem Grundrisiko gehören auch die mit körperkontaktbetonten Mannschaftssportwettkämp-fen zwangsläufig einhergehenden "normalen" Fouls und Verletzungen. Je krasser indes Regeln verletzt werden, die dem körperlichen Schutz der Spieler dienen, desto weniger kann von der Verwirklichung eines spieltypischen Risikos gesprochen werden und desto eher rückt eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Spielers ins Blickfeld. (…)Mit dem Verbot, Gegenspieler von hinten zu checken, soll genau das verhindert werden, was im vorliegenden Fall eingetreten ist, nämlich dass der gefoulte Spieler vornüber fällt und mit dem Kopf auf dem Eis aufprallt. Es ist somit erstellt, dass sich die Körperverletzung auf ein objektiv krass regelwidriges Verhalten des Beschwerdegegners zurückführen lässt. (…)

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Körperverletzungsdelikte: Einwilligung in Sport-verletzungen – Bsp: BGE 134 IV 26 (Fortsetzung)

Aus den Erwägungen (Fortsetzung)(zum subjektiven Tatbestand)(…) Er hat mithin die Möglichkeit eines Checks von hinten in den Rücken in Kauf genommen und die daraus resultierenden Verletzungen als mögliche, wenn auch unerwünschte Folgen, seinem vorrangigen Ziel untergeordnet, den Beschwerdeführer um jeden Preis am Abschuss zu hindern. Ausser Zweifel steht (…), dass er als professioneller Hockey-spieler um die mit einem Bodycheck in den Rücken verbundenen Verletzungsrisiken wusste.

UrteilZurückweisung an das Obergericht des Kantons Zürich zur Schuldig-sprechung wegen vorsätzlicher einfacher Körperverletzung gemäss Art. 123 Abs. 1 Ziff. 1 und fahrlässiger schwerer Körperverletzung gemäss Art. 122 Abs. 2 Var. 2.

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Gefährdung des Lebens und der Gesundheit (Art. 127 - 136) – Gliederung im Gesetz

> 1. Titel: Straftaten gegen Leib und Leben- Tötung (Art. 111 - 117)- Schwangerschaftsabbruch (Art. 118 - 121)- Körperverletzung (Art. 122 - 126)- Gefährdung des Lebens und der Gesundheit (Art. 127 - 136)

> Ziff. 4: Gefährdung des Lebens und der Gesundheit.- Art. 127: Aussetzung- Art. 128: Unterlassung der Nothilfe- Art. 128bis: Falscher Alarm- art. 129: Gefährdung des Lebens- Art. 130 - 132: Aufgehoben- Art. 133: Raufhandel- Art. 134: Angriff- Art. 135: Gewaltdarstellungen- Art. 136: Verabreichen gesundheitsgefährdender Stoffe an Kinder

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Gefährdung des Lebens und der Gesundheit (Art. 127 - 136) – Allgemeines

> Rechtsgut: Leben und körperliche Integrität

> Unterschied zu den Tötungs- bzw. Körperverletzungsstraftaten: Gefährdung des Rechtsguts genügt zur Deliktsvollendung; Vorverlegung der Strafbarkeit

> konkrete und abstrakte Gefährdungsdelikte- konkrete Gefährdungsdelikte: konkrete Gefahr für ein konkretes

Rechtsgut (d.h. für eine individuelle Person) ist tatsächlich eingetreten (Erfolgsdelikt)

- abstrakte Gefährdungsdelikte: Schaffung (oder Duldung) einer Situation mit typischerweise gefährlichem Charakter, ohne dass im Einzelfall ein Gefahrenzustand eingetreten sein muss (Tätigkeits-delikt)

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Aussetzung (Art. 127) – Allgemeines

Art. 127: Aussetzung

Wer einen Hilflosen, der unter seiner Obhut steht oder für den er zu sorgen hat, einer Gefahr für das Leben oder einer schweren unmittelbaren Gefahr für die Gesundheit aussetzt oder in einer solchen Gefahr im Stiche lässt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.

> Schutzzweck: Schutz Hilfloser vor einer Gefahr für ihr Leben oder einer schweren unmittelbaren Gefahr für ihre Gesundheit

> Definition: Aussetzung ist die vorsätzliche Herbeiführung (oder Nicht-Abwendung) einer konkreten Lebens- oder unmittelbaren Gesundheitsgefahr zum Nachteil eines Hilflosen durch einen Obhutspflichtigen

> Zwei Tatbestands-Alternativen (alternative Tathandlungen)

- 1. Aussetzen eines Hilflosen (= Aussetzung i.e.S.)- 2. Im-Stich-Lassen eines Hilflosen

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Aussetzung (Art. 127) – Objektiver Tatbestand: Tatobjekt und Täterperson

Art. 127: Aussetzung

Wer einen Hilflosen, der unter seiner Obhut steht oder für den er zu sorgen hat, (…)

> Tatobjekt (Opfer): Hilfloser

- = Person, der es nicht möglich ist, sich aus eigener Kraft vor Gefahren für Leben oder Gesundheit zu schützen

- persönliche Gründe: Alter, Krankheit, Gebrechen, …- besondere Umstände: Unfall, …

> Täterperson: wer für einen Hilflosen rechtlich zu sorgen hat oder unter dessen faktischer Obhut der Hilflose steht

- Aussetzung = Sonderdelikt- Garantenstellung im Sinne eines Beschützergaranten (= Obhuts-

garanten)

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Aussetzung (Art. 127) – Objektiver Tatbestand: Tathandlung

Art. 127: Aussetzung

einer Gefahr für das Leben oder einer schweren unmittelbaren Gefahr für die Gesundheit aussetzt oder in einer solchen Gefahr im Stiche lässt,

> zwei Tathandlungs-Alternativen: Aussetzen (= Begehungsdelikt) und Im-Stich-Lassen (= echtes Unterlassungsdelikt)

> Aussetzen: jede Annäherung zwischen Tatobjekt (Opfer) und Gefahrensituation (bzw. Gefahrenquelle)

> Im-Stich-Lassen: Nichtvornahme des zur Gefahrenabwehr Erforder- lichen und Möglichen

- praktisch relevante Konstellationen neben der 1. TB-Alternative: der Hilflose bringt sich selbst in Gefahr; ein nicht sorge- bzw. ob-hutspflichtiger Dritter bringt den Hilflosen in eine Gefahrensituation

- sowohl völliges Passivbleiben als auch ungenügende Hilfeleistung

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Aussetzung (Art. 127) – Objektiver Tatbestand: Gefährdungserfolg

Art. 127: Aussetzung

einer Gefahr für das Leben oder einer schweren unmittelbaren Gefahr für die Gesundheit aussetzt oder in einer solchen Gefahr im Stiche lässt,

> konkrete Lebensgefahr

> unmittelbare Gefahr für eine schwere Gesundheitsschädigung

> Gefahrabwendung muss objektiv (noch) möglich sein

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Aussetzung (Art. 127) – Objektiver Tatbestand: Subjektiver Tatbestand

> Vorsatz; Eventualvorsatz ausreichend

- gerichtet auf die Gefährdung

- bei Unterlassung (Im-Stich-Lassen): Täter muss mit der Möglichkeit des Gefahrenseintritts sowie mit der Abwendbarkeit der Gefahr durch sein Handeln rechnen

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Unterlassung der Nothilfe (Art. 128) – Allgemeines und Systematik

Art. 128: Unterlassung der Nothilfe

Wer einem Menschen, den er verletzt hat, oder einem Menschen, der in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt, nicht hilft, obwohl es ihm den Umständen nach zugemutet werden könnte,

wer andere davon abhält, Nothilfe zu leisten, oder sie dabei behindert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

> Art. 128: abstraktes Gefährdungsdelikt; (Un-) Tätigkeitsdelikt

> Abs. 1: echtes Unterlassungsdelikt

- Nichthelfen nach Verletzung (Pflicht trifft nur den Verletzer)- Nichthelfen bei unmittelbarer Lebensgefahr (Pflicht trifft alle

Personen)

>Abs. 2: Begehungsdelikt

- Dritte aktiv an der Nothilfe hindern oder sie dabei stören

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Unterlassung der Nothilfe (Art. 128) – Abs. 1 (Unterlassungsdelikt): Zumutbarkeit

Art. 128: Unterlassung der Nothilfe

(…) obwohl es ihm den Umständen nach zugemutet werden könnte,

(…)

> Zumutbarkeit der Hilfeleistung: bestimmt sich aufgrund nachträglicher Prognose ex ante

- Grad der eigenen Gefährdung- Beziehung des Hilfsfähigen zum Geschehen- persönliche Fähigkeiten, Hilfsmitttel, Erfahrungen, …

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Unterlassung der Nothilfe (Art. 128) – Abs. 1: durch die verletzende Person (1. TB-Alternative)

Art. 128: Unterlassung der Nothilfe

Wer einem Menschen, den er verletzt hat, (…) , nicht hilft, obwohl es ihm den Umständen nach zugemutet werden könnte,

(…)

> Täter muss eine Beeinträchtigung an Körper oder Gesundheit verursacht haben

- mindestens einfache Körperverletzung i.S.v. Art. 122- Verletzungshandlung muss nicht rechtswidrig oder schuldhaft sein

> tatbestandsmässiges Verhalten: Nichthelfen, obwohl Opfer hilfebe- dürftig ist

- belanglos: ob die unterlassene Hilfe tatsächlich Erfolg gehabt hätte

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Unterlassung der Nothilfe (Art. 128) – Abs. 1: bei unmittelbarer Lebensgefahr (2. TB-Alternative)

Art. 128: Unterlassung der Nothilfe

Wer einem (…) Menschen, der in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt, nicht hilft, obwohl es ihm den Umständen nach zugemutet werden könnte,

(…)

> Pflicht trifft "alle"

> Ursache der Lebensgefahr ist unerheblich; kann sogar durch das Opfer

selbstverschuldet sein

> unmittelbare Lebensgefahr: "Leben hängt an einem seidenen Faden"

> zur Hilfeleistung sind alle verpflichtet, die dazu in der Lage sind

- bei mehreren Personen trifft die Hilfepflicht jede von ihnen

> Inhalt der Pflicht

- Benachrichtigung eines Rettungsdienstes- bei Medizinpersonen und anderen Sachkundigen: erste Hilfe etc.

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Unterlassung der Nothilfe (Art. 128) – Abs. 2: Ver- oder Behinderung von Hilfe (3. TB-Alternative)

Art. 128: Unterlassung der Nothilfe

(…)wer andere davon abhält, Nothilfe zu leisten, oder sie dabei behindert, (…)

> nur bezogen auf Nothilfe im Sinne von Abs. 1 (durch Verletzter; bei unmittelbarer Lebensgefahr)

> Täter: jede Person; auch Personen, die nicht gemäss Abs. 1 zur Hilfe verpflichtet wären

> Tathandlung: jede Handlung, die gebotene Hilfe verunmöglicht oder erschwert

- verbale Aufforderungen; Zurückhalten von Hilfsbereiten; Blockieren der Zufahrt; …

> "andere": Hilfspflichtige nach Abs. 1 oder "professionelle Retter"

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Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Körperverletzung (Teil 2) und Lebensgefährdung etc. Folie 29

Unterlassung der Nothilfe (Art. 128) – Subjektiver Tatbestand

> Vorsatz; Eventualvorsatz reicht aus

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Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Körperverletzung (Teil 2) und Lebensgefährdung etc. Folie 30

Unterlassung der Nothilfe (Art. 128) – Konkurrenzen

> Verhältnis zu den vorsätzlichen Tötungsdelikten: unechte Konkurrenz

> Verhältnis zu den vorsätzlichen Körperverletzungsdelikten: unechte Konkurrenz; Art. 122 und 123 gehen vor

> Verhältnis zur fahrlässigen Tötung und zur fahrlässigen Körperverlet-zung: echte Konkurrenz

> Verhältnis zu Art. 92 Abs. 2 SVG

- echte Konkurrenz; Bestrafung gemäss Art. 92 Abs. 2 SVG- falls Verletzer am Unfallort verbleibt, ohne zu helfen: Bestrafung

gemäss Art. 128 (Art. 92 SVG gar nicht erfüllt)

Art. 92: Pflichtwidriges Verhalten bei Unfall

2 Ergreift ein Fahrzeugführer, der bei einem Verkehrsunfall einen Menschen getötet oder verletzt hat, die Flucht, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

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Falscher Alarm (Art. 128bis) – Allgemeines

Art. 128bis: Falscher Alarm

Wer wider besseres Wissen grundlos einen öffentlichen oder gemeinnützigen Sicherheitsdienst, einen Rettungs- oder Hilfsdienst, insbesondere Polizei, Feuerwehr, Sanität, alarmiert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

> Konkretes Rechtsgut: Funktionsbereitschaft von Rettungs- und Hilfsdiensten

> Spezialfall der Behinderung der Nothilfe

> abstraktes Gefährdungsdelikt

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Falscher Alarm (Art. 128bis) – Objektiver Tatbestand

Art. 128bis: Falscher Alarm

Wer wider besseres Wissen grundlos einen öffentlichen oder gemeinnützigen Sicherheitsdienst, einen Rettungs- oder Hilfsdienst, insbesondere Polizei, Feuerwehr, Sanität, alarmiert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

> Tatobjekt: nicht nur öffentliche Dienste, sondern auch privat Dienste, wenn sie gemeinnützige Aufgaben wahrnehmen

> Grundloser Alarm

- grundlos: völlig unberechtigt

- Alarm kann auf x-beliebige Art erfolgen

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Falscher Alarm (Art. 128bis) – Subjektiver Tatbestand

Art. 128bis: Falscher Alarm

Wer wider besseres Wissen grundlos einen öffentlichen oder gemeinnützigen Sicherheitsdienst, einen Rettungs- oder Hilfsdienst, insbesondere Polizei, Feuerwehr, Sanität, alarmiert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

> Vorsatz

> "wider besseres Wissen": Gewissheit, dass Alarm unberechtigt ist

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Falscher Alarm (Art. 128bis) – Konkurrenzen

> Verhältnis zu Art. 128 Abs. 2: unechte Konkurrenz; Art. 128 geht vor