Strategien für Steuerverfahren Betriebsprüfung ... · und unverbindlich kommen lassen. Birkenfeld...

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www.aostb.de Strategien für Steuerverfahren Betriebsprüfung Rechtsschutz nach AO / FGO Steuerstrafrecht Berater .Modul Steuerliches Verfahrensrecht + Kurzanalysen mit Beraterhinweis Beiträge für die Beratungspraxis Aktuelle Kurzinformationen Anpassung von § 370 AO durch BeitrRLUmsG Rechtsprechung Anforderungen an eine Abtretungsanzeige Abweichende Steuerfestsetzung wegen sach- licher Unbilligkeit Antragsbefugnis und Beschwer des Vergü- tungsgläubigers Anmeldung von Insolvenzforderungen durch das FA Steuerberechnung und Wirkung des Tabellen- eintrags im Insolvenzverfahren Streitwert für Klagen Erfolgreicher Steuer-Rechtsschutz Die Richterablehnung im verfassungsprozessu- alen Kontext Bartone Interessenwahrung im Steuerstrafverfahren Aktuelle Rechtsprechung zum Steuerstrafrecht Tormöhlen Einführung in das Unternehmensstrafrecht (Teil 3) Heerspink Der Ex-Lebensgefährte als Informant und ein unvorhergesehenes Ergebnis Beyer Seiten 1–32 · PVSt 54545

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Strategien fürSteuerverfahrenBetriebsprüfungRechtsschutz nach AO/FGOSteuerstrafrecht

Berater.ModulSteuerlichesVerfahrensrecht

+

Kurzanalysen mit Beraterhinweis Beiträge für die Beratungspraxis

Aktuelle Kurzinformationen

Anpassung von § 370 AO durchBeitrRLUmsG

Rechtsprechung

Anforderungen an eine Abtretungsanzeige

Abweichende Steuerfestsetzung wegen sach-licher Unbilligkeit

Antragsbefugnis und Beschwer des Vergü-tungsgläubigers

Anmeldung von Insolvenzforderungen durchdas FA

Steuerberechnung und Wirkung des Tabellen-eintrags im Insolvenzverfahren

Streitwert für Klagen

Erfolgreicher Steuer-Rechtsschutz

■ Die Richterablehnung im verfassungsprozessu-alen Kontext Bartone

Interessenwahrung im Steuerstrafverfahren

■ Aktuelle Rechtsprechung zum SteuerstrafrechtTormöhlen

■ Einführung in das Unternehmensstrafrecht(Teil 3) Heerspink

■ Der Ex-Lebensgefährte als Informant und einunvorhergesehenes Ergebnis Beyer

Seiten 1–32 · PVSt 54545

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In diesem Heft

Kurzanalysen mit Beraterhinweis

Aktuelle Kurzinformationen

zAnpassung von § 370 AO durch Beitrei-bungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz 3

zWeitere gesetzliche Änderungen 3

zBERATER-TAG 2011 3

Die Rechtsprechung,die Sie kennen müssen!

zAnforderungen an eine AbtretungsanzeigeBFH v. 28.9.2011 – VII R 52/10 4

zAbweichende Steuerfestsetzung wegen sach-licher UnbilligkeitBFH v. 24.8.2011 – I R 87/10 5

zAntragsbefugnis und Beschwer des Vergü-tungsgläubigersBFH v. 7.9.2011 – I B 157/10 6

z Streitwert für Klage wegen dem Fünftel-steuersatz unterliegenden Gewinns – keineÄnderung für AdV-VerfahrenBFH v. 17.11.2011 – IV S 15/10 8

zEinbringung eines Privatdarlehens in einevermögensverwaltende GbRBFH v. 18.10.2011 – IX R 15/11 10

zErwerb von unverkörperten Mitgliedschafts-rechten an einer AGBFH v. 7.7.2011 – IX R 2/10 11

zKfz-Steuer als MasseverbindlichkeitBFH v. 8.9.2011 – II R 54/10 12

zAnmeldung von Insolvenzforderungen durchdas FABFH v. 24.8.2011 – V R 53/09 13

z Steuerberechnung und Wirkung des Tabel-leneintrags im InsolvenzverfahrenBFH v. 24.11.2011 – V R 13/11 14

z Pflicht zur Abgabe der Anlage EÜR recht-mäßigBFH v. 16.11.2011 – X R 18/09 15

Die Literatur,die Sie kennen müssen!

zKeine Angst vor dem FG! 15

zZum Hilfsantrag im Steuerprozess 16

Beiträge für die Beratungspraxis

Erfolgreicher Steuer-Rechtsschutz

Dr. Roberto Bartonen Die Richterablehnung im verfassungspro-

zessualen Kontext 18

Interessenwahrung imSteuerstrafverfahren

Helmut Tormöhlenn Aktuelle Rechtsprechung zum Steuerstraf-

recht – BVerfG-, BFH-, FG-, BGH- und LG-Entscheidungen 23

Dr. Frank Heerspink, RA/FAStrafR/FAStRn Einführung in das Unternehmensstrafrecht

(Teil 3) – Die Sanktionierung der Unterneh-mensleitung wegen der Verletzung ihrer Auf-sichtspflicht (§ 130 OWiG) 27

Dirk Beyer, RAn Der Ex-Lebensgefährte als Informant und

ein unvorhergesehenes Ergebnis – Ein Fallaus der Praxis 31

AO-StB 1/2012 1

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Beilagenhinweis:Dieser Ausgabe liegt die Beilage „Pump/Fittkau, DieVermeidung der Haftung ...“, Erich Schmidt Verlag, Berlin,bei. Wir bitten unsere Leser um freundliche Beachtung.

Vorschau auf die nächste AusgabeBeiträge zu folgenden Themen sind geplantÜ (Drohende) Zahlungsunfähigkeit und Anfechtung – Be-

weiserleichterungen für das Finanzamt?Ü Einzelermittlungen des AußenprüfersÜ Ausgewählte Beispiele für die Wiedereinsetzung in den

vorigen StandÜ Berichtigungen im Festsetzungsbescheid – im Ergänzungs-

bescheid (§ 179 Abs. 3) und Berichtigung nach § 183

Bearbeiter

Redaktion: Dr. Susanne Heiden (verantw. Redakteurin) · RAFASt Dipl.-Finw. Prof. Dr. Annette Stuhldreier, Anschrift desVerlags, Tel. 0221/93738-151 (Redaktions-Sekr.) bzw. -499(Vertrieb/ Abonnementsverwaltung), Fax 0221/93738-902 (Re-daktions-Sekr.) bzw. -943 (Vertrieb/Abonnementsverwaltung)Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen: RA FAStDr. Gerald Bauhaus · RiFG Krimhild Bauhaus · RA Dirk Beyer· ORR Johannes W. Buse · Dipl.-Finw. Karl-Heinz G�nther(Aktuelle Kurzinformationen) · VRiFG Ulrich Kr�mker · StBDipl.-Finw. Friedhelm Mihm, Lehrbeauftragter · RA StB Dr.Michael Nieland · RA FASt StB Dr. Dieter E. Rabback, Lehr-beauftragter · RA StB Dr. Ernst Erhard St�cker · RA FAStDipl.-Finw. Prof. Dr. Annette Stuhldreier · StB Dipl.-Finw.Knut StuhldreierAufs�tze und Kurzbeitr�ge: RA Dr. Frank Balmes · RiFG Dr.Roberto Bartone · RiBFH J�rgen Brandt · RA FASt ThomasCarl�, M.B.L.-HSG · Prof. Dr. Klaus-Dieter Dr�en · Dr.Andreas Eich · RA FASt Hans Dieter Eich · RAin FASt Dr.Eva-Maria Gersch · RA FASt Dipl.-Finw. Dr. R�diger Gluth ·RA FASt FAArb Prof. Dr. Frank Hardtke, Lehrbeauftragter ·RA FASt FAStrafR Dr. Frank Heerspink · RiFG Dipl.-Finw. Dr.Norbert Lemaire · RiFG Dr. Friedrich Loschelder, LL.M. · RAFASt Alexandra Mack · RA Prof. Dr. Arnold M�ller · RiFG Dr.Gregor N�cker · RA StB Harald Plewka · RA FASt Dipl.-Finw.Thomas Rund · RA StB Dr. J�rgen Schimmele · Vors. RiFGWolfgang Seibel · RA FASt Dr. Rainer Spatscheck · Vors.RiLG Helmut Torm�hlen · Dipl.-Finw. Prof. Dr. ChristophUhl�nder · Alexander von Wedelst�dt · RA FASt ThomasWenzler

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2 AO-StB 1/2012Inhalt

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Kurzanalysen mit Beraterhinweis

Aktuelle Kurzinformationen

z Anpassung von § 370 AO durch Bei-treibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz

Mit dem Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom7.12.2011 (BGBl. I 2011, 2952) hat der Gesetzgeber u.a.auch § 370 Abs. 6 AO geändert. Es handelt sich dabei umeine redaktionelle Anpassung an die EU-Regelungen überdas allgemeine Verbrauchsteuersystem. Danach kommt§ 370 AO auch dann zur Anwendung, wenn sich die Tatauf Ein- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem an-deren EU-, EWR- oder einem mit diesem assoziiertenStaat verwaltet werden bzw. wenn sich die Tat auf Um-satzsteuern bezieht.

Die Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 370 AOist am Tag nach der Gesetzesverkündung, d.h. am14.12.2011, in Kraft getreten.

zWeitere gesetzliche Änderungen

Am 28.12.2011 wurde das Gesetz zur Optimierung derGeldwäscheprävention vom 22.12.2011 im Bundesge-setzblatt (BGBl. I 2011, 2959) veröffentlicht. Geändertwurde u.a. auch § 31b Satz 2 AO, wonach nunmehr fürdie Finanzbehörden eine unmittelbare Mitteilungspflichtan das Bundeskriminalamt – Zentralstelle für Verdachts-meldungen – bei entsprechend festgestellten Tatsachenbesteht. Die Neuregelung tritt am Tag nach der Gesetzes-verkündung in Kraft.

Mit dem Gesetz zur Änderung von Vorschriften überVerkündung und Bekanntmachungen sowie der Zivil-prozessordnung und der Abgabenordnung vom22.12.2011 (BGBl. I 2011, 3044) wurden u.a. auch § 284Abs. 3 und Abs. 7 Satz 1 AO dahingehend ergänzt, dasssich die eidesstattliche Versicherung (Abs. 3) sowie dasVermögensverzeichnis (Abs. 7) auf die in § 284 Abs. 1und Abs. 2 AO (bislang nur Abs. 2) geforderten Angabenbeziehen. Die Rechtsänderung tritt am 1.1.2013 in Kraft(Art. 6 Abs. 3).

Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg

z BERATER-TAG 2011

Am 29.11.2011 fand zum zweiten Mal der BERATER-TAG statt, unser Seminar zu den steuerlichen Berater-Zeitschriften des Verlages Dr. Otto Schmidt. In diesemJahr stand er unter dem Thema:

Fallstricke in der Steuerberatungspraxis

Versteckte Gefahrenquellen erkennen und vermeiden

Wo im Einzelnen welche steuer-, haftungs-, zivil- (undauch berufs-) rechtlichen Gefahren für den steuerlichenBerater lauern – das zeigten die beiden erfahrenen Refe-renten (beide Partner der Kanzlei Jarosch & Partner) demüberaus interessierten und aktiven Publikum in einer sehrdynamischen und lebhaften Veranstaltung.

Extrem beratungsorientiert und intensiv auf die Belangeder Zuhörerschaft eingehend navigierten RA/FASt Dipl.-Finw. Dr. Rüdiger Gluth und RA/FASt Dipl.-Finw. Tho-mas Rund flexibel durch die einzelnen – mitunter mitei-nander verzahnten – Sachgebiete. Bereits die eingangsvon Herrn RA/FASt Dipl.-Finw. Thomas Rund vorgestell-tenl Probleme um die zivilrechtliche Haftung des Steuer-

beraters aus dem Mandatsvertrag (u.a. Schadenser-satz, Verjährungsfragen),

l ergänzt um Risiken im Zusammenhang mit dem Er-werb von Steuerberatungspraxen und

l anschließend erläuterte Haftungsfragen im Zusam-menhang mit Bilanzerstellungsmandaten (Achtung:Insolvenzverschleppung!)

führten zu einer regen Diskussion des interessierten Pub-likums. Der Weg über spezielle Problemfelder bei „Kri-senmandaten“, die den steuerlichen Berater oftmals auchin eine Zwickmühle zwischen Mandant und Dritten (wieBanken) bringen, führte sodann zu den von Herrn RA/FASt Dipl.-Finw. Dr. Rüdiger Gluth jeweils anhand vonPraxisfällen angesprochenen Themenbereichen wie z.B.:l Wie lässt sich bei der Übertragung von Betriebsver-

mögen mit/ohne Versorgungsleistungen – unter Be-achtung von Sperrfristen, Differenzen zwischen Ge-setzestext und Auffassung der Finanzverwaltung –

die Realisierung stiller Reserven vermeiden?l Pflichtteilsansprüche zur Minderung der Steuerlastl Welche GrESt-Befreiungen stellen sich bei verschie-

denen Rechtsformen?

Sowohl die anregende Form der fachlich exzellenten Prä-sentation, die rege Beteiligung der Teilnehmer als auchdie intensiven fachlichen Gespräche in den Seminarpau-sen lassen den BERATER-TAG 2012 mit Spannung er-warten!

Wir danken allen Teilnehmern für die Teilnahme undfreuen uns, wenn Sie auch im nächsten Jahr wieder dabeisind! Genaue Veranstaltungsdaten werden rechtzeitig be-kannt gegeben.

Redaktion

AO-StB 1/2012 3

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Die Rechtsprechung,

die Sie kennen müssen!

z Anforderungen an eine Abtretungsan-zeige

Eine Abtretung von Steuererstattungsansprüchenist unwirksam, wenn in der Abtretungsanzeigekeine stichwortartige Kennzeichnung des zugrun-de liegenden schuldrechtlichen Lebenssachver-halts enthalten ist. Dies gilt auch dann, wenn dasFeld „Sicherungsabtretung“ angekreuzt wird.

BFH v. 28.9.2011 – VII R 52/10AO § 46

Das Problem: Die Klägerin und Revisionsklägerin warAbtretungsempfängerin von Steuererstattungsansprüchen.In der Abtretungsanzeige auf dem amtlichen Vordruckhatte der Abtretende lediglich das Feld „Sicherungsabtre-tung“ angekreuzt, ohne weitere Angaben zum Grund derAbtretung zu machen. Das beklagte FA bestritt die Wirk-samkeit der Abtretung und erließ einen Abrechnungsbe-scheid, der feststellte, dass der Klägerin kein Zahlungsan-spruch gegen das FA zustand. Der gegen diesen Abrech-nungsbescheid erhobene Einspruch war ebenso wie dieKlage beim FG erfolglos. Daraufhin legte die KlägerinRevision ein.

Die Lösung des Gerichts: Das Gericht hat die Revisionals unbegründet zurückgewiesen. Der BFH verwies aufdie von ihm seit 2001 vertretene Ansicht, dass zur Be-zeichnung des Abtretungsgrundes gem. § 46 Abs. 3 AOeine kurze stichwortartige Kennzeichnung des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts erforderlich sei (vgl. BFHv. 13.11.2001 – VII R 107/00, BStBl. II 2002, 402). Diesgelte auch im Sonderfall einer Sicherungsabtretung, ob-wohl der amtliche Vordruck den unzutreffenden Eindruckerweckt, dass das Ankreuzen des entsprechenden Feldesgenüge. Das Gericht fordert die Finanzverwaltung auf,den Vordruck eindeutig zu gestalten.

Konsequenzen für die Praxis: Kennzeichnung: Bei derVerwendung des amtlichen Vordrucks zur Abtretung istdie BFH-Rspr. zur richtigen Anwendung dieses Vor-drucks zu berücksichtigen: Der Lebenssachverhalt, wel-cher der Abtretung zugrunde liegt, ist „zumindest stich-wortartig“ (so der BFH) anzugeben. In der Praxis werdendie Beteiligten einer Abtretung manchmal unsicher sein,welche Formulierung Rechtssicherheit schafft. Insoferngibt der BFH den Hinweis, dass die Formulierung denZweck der Abtretungsanzeige erfüllen muss. Der Zweckliegt darin, dem FA die Möglichkeit der schnellen undeinfachen Prüfung zu eröffnen, ob eine Sicherungsabtre-tung von Ansprüchen vorliegt, zu deren geschäftsmäßi-gem Erwerb oder Einziehung nach § 46 Abs. 4 Satz 3AO nur Unternehmen befugt sind, denen das Betreibenvon Bankgeschäften erlaubt ist (BFH v. 13.10.1994 – VIIR 3/94, BFH/NV 1995, 473). Das bloße Ankreuzen desFeldes „Sicherungsabtretung“ genügt somit nicht.

Voraussetzung für Wirksamkeit: Die formgerechte Ab-tretungsanzeige gem. § 46 Abs. 3 Satz 1 AO ist eine ma-

terielle Wirksamkeitsvoraussetzung und Tatbestands-merkmal der Abtretung (BFH v. 5.10.2004 – VII R 37/03, BStBl. II 2005, 238). Entspricht die Anzeige nicht dergesetzlichen Form, ist diese Abtretung gem. § 46 Abs. 2AO unwirksam. Die Abtretung wird erst wirksam, wennsie dem FA unterschrieben (vom Abtretenden und Abtre-tungsempfänger) vorliegt.

Verstoß gegen Treu und Glauben? Das FA muss dieWirksamkeit einer Abtretungsanzeige nicht bereits beiPosteingang abschließend beurteilen und die Beteiligtenauf Formmängel hinweisen. Dies bedeutet, dass die späte-re Berufung des FA auf einen Formmangel allenfalls imAusnahmefall einen Verstoß gegen Treu und Glauben be-deuten kann (BFH v. 5.10.2004 – VII R 37/03, BStBl. II2005, 238). Der BFH nimmt im vorliegenden Fall keinenderartigen Verstoß an. Das Vertrauen des Abtretungsemp-fängers in das irreführende amtliche Formular sei nichtschutzwürdig, weil die o.g. Rspr. aus 2001 zu den Anfor-derungen an die Kennzeichnung im Jahr der Abtretung(2006) bereits seit fünf Jahren bekannt gewesen war. Die-se Sichtweise ist m.E. zweifelhaft, da sich die Rspr. ausdem Jahr 2001 nicht ausdrücklich mit dem Sonderfall derSicherungsabtretung befasste. Die besondere Gestaltungdes amtlichen Vordrucks verleitet im Fall der Sicherungs-abtretung zu der irrigen Vorstellung, dass das Ankreuzendes besonderen Feldes genüge. Weil der Finanzverwal-tung im Jahr 2006 seit 2001 die Rspr. des BFH schon fünfJahre bekannt war, hatte sie hinreichend Gelegenheit, denVordruck auf mögliche irreführende Gestaltungen zuüberprüfen. Der BFH bagatellisiert die unzureichende Ge-staltung bzw. das Unterlassen der Finanzverwaltung alsder verantwortlichen Gestalterin.

Vordruck verdrängt nicht das Gesetz: Der BFH ver-weist ferner darauf, dass die unzutreffende Umsetzungdes Gestaltungsauftrags nicht dazu führen kann, dass sichdie Wirksamkeit einer Abtretung nach der Gestaltung desVordrucks richtet. Wörtlich stellt der BFH fest, dass dieFinanzverwaltung „nicht ermächtigt ist, durch die Gestal-tung dieses Vordrucks die nach dem Gesetz [...] zu stel-lenden Anforderungen zu modifizieren“. Diese Sichtweiseist m.E. im Hinblick auf den Grundsatz von Treu undGlauben unzutreffend. Hilfreich kann die Argumentationdes BFH für Fälle sein, in denen die FinanzverwaltungAngaben in Steuerformularen verlangt, wobei die gesetz-liche Ermächtigungsgrundlage für das Verlangen dieserAngaben nicht ersichtlich ist. Ein Beispiel ist die Diskus-sion über eine ausreichende Rechtsgrundlage für die An-lage EÜR. Aber auch in sonstigen Erklärungsvordruckenbefinden sich Fragen an den Steuerpflichtigen, deren ver-fahrensrechtliche (steuerliche) Relevanz fraglich ist. So-weit eine Ermächtigungsgrundlage für das Gebot, be-stimmte Angaben in Formularen zu machen, nicht er-sichtlich ist, kann der Berater auf das hier besprocheneUrteil verweisen: Die Finanzverwaltung darf Formularenur in dem Umfang gestalten, wie die Angaben steuer-rechtlich erforderlich sind und eine Rechtsgrundlage hier-zu besteht. Sollte die Finanzverwaltung von den gesetzli-chen Grundlagen und Anforderungen abweichen (wie imFall der Abtretungsanzeige), so ist der amtliche Vordrucknicht maßgebend.

4 AO-StB 1/2012Kurzanalysen mit Beraterhinweis

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Beraterhinweis: Der Abtretungsempfänger trägt das Ri-siko der Formwirksamkeit der Abtretungsanzeige i.S.d.§ 46 Abs. 3 AO. Er sollte zivilrechtlich mit dem Abtreten-den vereinbaren, mit welcher Formulierung der Abtreten-de dem FA die Abtretung anzeigt. Hierzu bietet es sichan, einen Entwurf der Abtretungsanzeige zum Bestandteilder zivilrechtlichen Vereinbarung zu machen.

RA Dirk Beyer, Bergisch Gladbach

z Abweichende Steuerfestsetzung wegensachlicher Unbilligkeit

Eine abweichende Steuerfestsetzung wegen sachli-cher Unbilligkeit kann auch in Betracht kommen,wenn der Steuerpflichtige durch eine objektiv un-zutreffende Auskunft einer nicht steuerverwalten-den Behörde davon abgehalten wird, von einer ge-setzlich vorgesehenen Möglichkeit der Steuerfrei-heit Gebrauch zu machen.

BFH v. 24.8.2011 – I R 87/10AO §163, § 227; DBA-USA 1989 Art. 19 Abs. 1Buchst. a.

Das Problem: Die Klägerin ist gebürtige Deutsche undseit 1981 bei einem US-amerikanischen Konsulat inDeutschland beschäftigt. Nach der Eheschließung mit ei-nem Italiener erwarb sie 1991 die italienische Staatsbür-gerschaft. Danach erhielt sie von der Verwaltungsbehördeihrer Gemeinde wiederholt die Auskunft, dass sie mitdem Erwerb der italienischen automatisch die deutscheStaatsangehörigkeit verloren habe. Diese Auffassungwurde vom Bayerischen Innenministerium noch im Janu-ar 2000 vertreten. Nachdem die Klägerin im Mai 2001 er-fahren hatte, dass diese Rechtsauffassung, unzutreffendist, gab sie eine Verzichtserklärung ab und verlor diedeutsche Staatsbürgerschaft am 13.11.2001.

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre1998 und 1999 gab die Klägerin – wie in den Vorjahren –

an, dass der vom amerikanischen Konsulat gezahlte Ar-beitslohn von der Einkommensteuer unter Progressions-vorbehalt freigestellt sei und begründete dies mit demsog. Kassenstaatsprinzip des Art. 19 Abs. 1 Buchst. aDBA-USA 1989 a.F. Das FA folgte für die Veranlagungs-zeiträume bis 1997 dieser Ansicht. Für die Streitjahre be-handelte es erstmals den Arbeitslohn als steuerpflichtigeEinnahmen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Ar-beit, weil die Klägerin doch noch deutsche Staatsangehö-rige sei. Die gegen die Einkommensteuerbescheide 1998und 1999 erhobenen Klageverfahren ruhen derzeit.

Die Kläger haben beim FA die abweichende Festsetzungder Einkommensteuer für 1998 und 1999 aus Billigkeits-gründen gem. § 163 AO mit dem Ziel beantragt, dass dieSteuer so festgesetzt wird, als ob der Arbeitslohn steuer-frei unter Progressionsvorbehalt sei. Sie berufen sich aufden Grundsatz des Vertrauensschutzes. Mehrere Behör-den hätten die Auskunft erteilt, dass der Verlust der deut-schen Staatsbürgerschaft der Klägerin bereits mit dem Er-werb der italienischen eingetreten sei. Das FA hat die An-

träge abgelehnt. Die deswegen erhobene Klage hat dasFG abgewiesen.

Die Entscheidung des Gerichts: Auf die begründete Re-vision hat der BFH das FG-Urteil (FG München v.4.3.2010 – 5 K 3273/08, DStRE 2011, 1290) und die an-gefochtenen Bescheide aufgehoben und das FA verpflich-tet, unter Beachtung seiner Rechtsauffassung erneut überdie Anträge auf abweichende Steuerfestsetzungen zu ent-scheiden.

Art. 19 Abs. 1 Buchst. a DBA-USA 1989 a.F. sieht unab-hängig von einer Besteuerung im Ausland die Steuerfrei-heit der dort geregelten Tätigkeitsvergütungen vor, wennsie an andere als deutsche Staatsangehörige gezahlt wer-den. Zu Recht haben deshalb FA und FG angenommen,dass eine Steuerfreiheit des Arbeitslohnes in Deutschlandnach dem sog. Kassenstaatsprinzip nicht gegeben war,weil die Klägerin in den Streitjahren noch deutscheStaatsangehörige war. Dadurch, dass sie im Jahr 1991 dieitalienische Staatsangehörigkeit durch Antrag erworbenhat, hat sie nach der damaligen Rechtslage nicht „automa-tisch“ die deutsche Staatsangehörigkeit verloren(BVerwG v. 29.9.1998 – 1 C 20/96, BVerwGE 107, 223);dies war erst am 13.11.2001 mit dem Verzicht der Fall.Die Klägerin ist so durch ein Fehlverhalten deutscher Be-hörden davon abgehalten worden, von dieser gesetzlichvorgesehenen Steuerfreiheit (durch den früheren Verzichtauf die deutsche Staatsangehörigkeit) Gebrauch machenzu können.

Die Ablehnung der Anträge auf abweichende Steuerfest-setzungen gem. § 163 Satz 1 AO durch das FA ist ermes-sensfehlerhaft. Das FA hat zu Unrecht angenommen, dievon den Klägern behaupteten unzutreffenden behördli-chen Auskünfte über den vermeintlich „automatischen“Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit könnten grund-sätzlich nicht i.S.d. § 163 AO zu einer sachlichen Unbil-ligkeit der Steuerfestsetzung für die Streitjahre führen.Damit liegt eine sog. Ermessensunterschreitung vor (BFHv. 11.3.2004 – VII R 52/02, BFHE 205, 14 = BStBl. II2004, 579; Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 5 AORz. 40 [Sept. 2009]). Auch ein für die Besteuerung ur-sächliches Fehlverhalten einer öffentlichen Stelle kannunabhängig davon, ob es sich um eine mit der Verwaltungvon Steuern befasste oder um eine anderweitig tätige Be-hörde handelt, schutzwürdiges Vertrauen eines Steuer-pflichtigen verletzen. Bereits früher hat der BFH zu § 131Abs. 1 Satz 1 RAO ein schützenswertes Vertrauen auf dieRichtigkeit einer behördlichen Auskunft anerkannt, wenndie Auskunft von einer nicht steuerverwaltenden Stelleerteilt wurde (BFH v. 23.2.1966 – II 60/63, BFHE 85,521 = BStBl. III 1966, 438). Das gilt nun auch für dieNachfolgeregelungen in § 163 und § 227 AO (Loose inTipke/Kruse, AO/FGO, § 227 AO Rz. 70 [Okt. 2011]).

FA und FG haben keine näheren Feststellungen dazu ge-troffen, ob, wann und auf welche Weise die Klägerin diefalschen Auskünfte erhalten hat. Im FG-Urteil werden dieAusführungen der Kläger dazu lediglich im Rahmen desstreitigen Beteiligtenvorbringens wiedergegeben. Für dieBeurteilung des Ausmaßes und der Intensität etwaiger be-hördlicher Falschauskünfte und der damit korrespondier-enden Anforderungen an die Sorgfaltsobliegenheiten der

AO-StB 1/2012 5Kurzanalysen mit Beraterhinweis

Rechtsprechung

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Klägerin sind nähere Feststellungen hierzu unerlässlichund müssen vom FA nachgeholt werden.

Konsequenzen für die Praxis: Eine Billigkeitsmaßnah-me (§§ 163 oder 227 AO) aus Gründen des Ver-trauensschutzes – wegen unrichtiger Auskunft des FA –

kommt äußerst selten in Betracht. Häufig wird eine Bil-ligkeitsmaßnahme mit der Begründung abgelehnt, dassder Kläger eine eindeutige Vertrauenssituation selbstdurch die Erteilung einer verbindlichen Zusage oder Aus-kunft des FA herbeiführen kann (BFH v. 7.10.2010 – V R17/09, BFH/NV 2011, 865; v. 5.11.2009 – IV R 13/07,BFH/NV 2010, 652). Ebenso kann der Steuerpflichtigeauch von einer anderen Verwaltungsbehörde eine ver-bindliche Zusage (Zusicherung) auf Antrag erhalten (§ 38VwVfG; Art. 38 BayVwVfG). An einer solchen Zusiche-rung dürfte es im Streitfall fehlen. Wenn aber das Bayeri-sche Innenministerium noch im Januar 2000 die Auffas-sung vertreten hat, dass in Fällen, wie dem der Klägerin,die deutsche Staatsangehörigkeit verloren war, stellt sichdie Frage, ob es die Klägerin für erforderlich halten muss-te, auch noch zusätzlich eine verbindliche Auskunft desFA oder eine Zusicherung der Kreisverwaltungsbehördeeinzuholen oder bereits so darauf vertrauen durfte, dassihr Arbeitslohn vom US-Konsulat steuerfrei unter Pro-gressionsvorbehalt war. Bisher vertrat der I. Senat eherdie gegenteilige Auffassung und formulierte: Ein schutz-würdiges Vertrauen kann nicht durch den Erlass allgemei-ner Verwaltungsvorschriften, insb. norminterpretierenderVerwaltungsanweisungen, geschaffen werden (BFH v.31.10.1990 – I R 3/86, BFHE 163, 478 = BStBl. II 1991,610).

Vertrauensgrenze in behördliche Auskünfte: Interes-sant am besprochenen Urteil ist, dass m.E. nun unklar ge-worden ist, wo in Zukunft die Grenze des Vertrauens inbehördliche Auskünfte verläuft. Das Urteil fordert näm-lich hier neben der Beurteilung des Ausmaßes und der In-tensität etwaiger behördlicher Falschauskünfte auch dieBestimmung der damit korrespondierenden Anforderun-gen an die Sorgfaltsobliegenheiten der Klägerin. Zu er-warten wäre deshalb, dass in Zukunft auch einfache Aus-künfte von FA und anderen Verwaltungsbehörden zuschutzwürdigem Vertrauen des Steuerpflichtigen berechti-gen (anders auch FG Hess. v. 18.10.1999 – 6 K 2063/97,EFG 2000, 50).

Beraterhinweis: Die zutreffende Klageart gegen einen,den begehrten Erlass (die begehrte abweichende Steuer-festsetzung), ablehnenden VA ist die Verpflichtungsklage(BFH v. 26.5.2000 – XI E 1/00, BFH/NV 2001, 43). Abernur ausnahmsweise spricht das Gericht eine Verpflichtungzum Erlass des begehrten VA aus (§ 101 Satz 1 FGO);nämlich bei der Ermessensreduzierung auf Null (BFH v.14.7.2010 – X R 34/08, BStBl. II 2010, 916). Das Gerichtdarf nie den begehrten Ermessensverwaltungsakt selbstaussprechen (BFH v. 11.7.1996 – V R 18/95, BStBl. II1997, 259). Die Formulierung im besprochenen Urteil:„Entgegen dem Hauptbegehren der Kläger kann der Senatauch nicht wegen einer Ermessensreduzierung auf Nullim umgekehrten Sinne den Erlassanträgen stattgeben.“ istdeshalb missverständlich formuliert.

Der Klageantrag muss darauf gerichtet sein, dass das Ge-richt den ablehnenden VA aufhebt und das FA verpflichtetwird, den begehrten Erlass (die abweichende Steuerfest-setzung) auszusprechen (§ 101 Satz 1 FGO), oder aberden Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauf-fassung des Gerichts neu zu bescheiden (§ 101 Satz 2FGO). Liegt keine Ermessensreduzierung auf Null vor(wie im besprochenen Urteil mangels Spruchreife), führtder Klageantrag, das FA zum Erlass des VA zu verpflich-ten, zu einer teilweisen Klageabweisung. Dies kann eineentsprechende nachteiligen Kostenfolge (§ 136 Abs. 1Satz 1 FGO), nämlich eine teilweise (regelmäßig hälftige)Kostentragung (BFH v. 24.9.1976 – I R 41/75, BStBl. II1977, 127), nach sich ziehen. Eine umfassendere Pflichtdes FG zur Sachverhaltsaufklärung und Herbeiführungder Spruchreife besteht nicht (BFH v. 25.8.2010 – X B149/09, BFH/NV 2011, 266). Ist die fehlende Spruchreifeauf unterbliebene Sachverhaltsermittlungen des FA zu-rückzuführen, sind dieser die ganzen Verfahrenskostenaufzuerlegen (§ 136 Abs. 1 Satz 3 FGO; BFH v.16.9.1992 – X R 169/90, BFH/NV 1993, 510; v.2.6.2005 – III R 66/04, BStBl. II 2006, 184).

VRiFG Dr. Christof Lindwurm, München

z Antragsbefugnis und Beschwer desVergütungsgläubigers

Ein beschränkt Steuerpflichtiger Vergütungsgläu-biger kann grundsätzlich einen Haftungsbescheid,dessen unmittelbarer Adressat der inländischeVergütungsschuldner ist, aus eigenem Recht mitEinspruch und Klage anfechten. Sowohl der Ver-gütungsschuldner als auch der Vergütungsgläubi-ger kann eine Aussetzung der Vollziehung desHaftungsbescheides beantragen.

BFH v. 7.9.2011 – I B 157/10AO § 90, § 162 Abs. 1, § 191, § 350, § 361 Abs. 2; EStG2002 § 50a Abs. 5 Satz 5; FGO § 40 Abs. 2, § 69 Abs. 2und 3, § 76 Abs. 1

Das Problem: Zwischen den Beteiligten ist im Rahmeneines Verfahrens betreffend die Aussetzung der Vollzie-hung (AdV) streitig, ob und in welcher Höhe die AStinzu 1. für den Abzug von Einkommensteuer auf an denASt zu 2. gezahlte Vergütungen nach der im Streitjahr2005 geltenden Fassung des § 50a EStG 2002 haftet.

Die AStin hatte mit dem in der Schweiz wohnenden AStWerbeverträge abgeschlossen, die Gegenstand von Au-ßenprüfungen waren. Darin verpflichtete sich der ASt zubestimmten Dienstleistungen und zur Einräumung eige-ner Rechte. Für seine vertraglichen Leistungen vereinbar-te der ASt mit der AStin ein jährliches Pauschalhonorar(„Leistungsphase I“), das sich nach Beendigung seineraktiven Karriere reduzierte („Leistungsphase II“). DieHöhe des Quellensteuerabzugs sollte im Einklang mit derdamals aktuellen Rechtsprechung vorgenommen werden,jedoch mit dem FA abgeklärt werden.

Zu Beginn des Jahres 2005 wandten sich die Prozessbe-vollmächtigten der Antragsteller an das FA (Antragsgeg-

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ner), um den Steuerabzug nach Maßgabe eines für ver-gangene Zeiträume festgelegten Schlüssels zur steuer-rechtlichen Aufteilung der einzelnen Teilleistungen vor-zunehmen. Mit einer entsprechenden Steueranmeldungfür das I. Quartal 2005 wurde ein Vergütungsanteil von29 % dem Steuerabzug unterworfen. Dagegen legte dieAStin Einspruch ein mit dem Begehren, nur 15 % derVergütung als abzugssteuerpflichtig anzusehen. Am11.12.2009 erließ das FA den angefochtenen Haftungsbe-scheid wegen Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag.Über den dagegen eingelegten Einspruch ist bislang nochnicht entschieden worden. Nachdem das FA eine AdVab-gelehnt hatte, setzte das FG die Vollziehung des Haf-tungsbescheids nur hinsichtlich eines Teilbetrags aus (FGHess. v. 27.8.2010 – 4 V 304/10).

Die Lösung des Gerichts: Der BFH beurteilte die Be-schwerde der Antragsteller als begründet, hob die Vorent-scheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.Es bedürfe weiterer Sachaufklärung, in welchem Umfangdie an den ASt ausgezahlte Vergütung nach dem Werbe-vertrag im Inland steuerpflichtig sei und das FA die AStinüber die von ihr angemeldeten Steuern hinaus in Haftunghabe nehmen dürfen.

Anfechtungsbefugnis des Vergütungsgläubigers: Derbeschränkt steuerpflichtiger Vergütungsgläubiger kannprinzipiell einen Haftungsbescheid, dessen unmittelbarerAdressat der inländische Vergütungsschuldner ist, aus ei-genem Recht mit Einspruch und Klage anfechten (BFH v.24.4.2007 – I R 39/04, BStBl. II 2008, 95).

Antrags- und Beschwerdebefugnis: Die Antragstellersind gleichermaßen beschwerde- und antragsberechtigt.Dies gilt nicht nur für die AStin, gegen die sich der Haf-tungsbescheid als Vergütungsschuldnerin richtet. Sowohlder Vergütungsschuldner als auch der Vergütungsgläubi-ger kann AdV beantragen, weil § 361 Abs. 2 AO und§ 69 Abs. 2 FGO nicht erkennen lassen, dass die Befug-nis zum Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz enger be-grenzt sein soll als die in § 350 AO und in § 40 Abs. 2FGO geregelte Rechtsbehelfsbefugnis (BFH v. 24.3.1999– I B 113/98, BFH/NV 1999, 1314). Daran hat der I. Senatdes BFH festgehalten.

Ausnahmen von diesem Grundsatz: Die Antragsbefug-nis des Vergütungsgläubigers im AdV-Verfahren und sei-ne Beschwer im Hauptsacheverfahren sind regelmäßigeinheitlich zu beantworten. Allerdings gilt dieser Grund-satz nicht ausnahmslos. Eine Einschränkung hat der BFHz.B. bei einer vom Vergütungsgläubiger beantragten AdVgegen eine Abzugsanordnung (§ 50a Abs. 7 EStG 1997)mit dem Ziel der Auszahlung des vom Vergütungsschuld-ner abgeführten Steuerbetrages an ihn vorgenommen(BFH v. 24.3.1999 – I B 113/98, BFH/NV 1999, 1314).Für den Fall einer Aufhebung der Vollziehung gilt dieweitere Einschränkung, dass bei einem Vollzug der Ver-gütungsgläubiger dem Vergütungsschuldner den angefor-derten Steuerbetrag zurückzahlen muss (BFH v.1.12.1993 – I R 48/93, BFH/NV 1994, 549). Im Streitfallhat der BFH keinen Anlass zur Entscheidung gesehen, obdie letztgenannte Einschränkung in gleicher Weise auchfür die AdV gilt oder für eine Einschränkung der Antrags-befugnis des Vergütungsgläubigers im Streitfall. Denn je-

denfalls hätten die Antragsteller das Bestehen eines sol-chen Rückforderungsanspruchs übereinstimmend vorge-tragen und das FA habe diesen nicht bestritten.

Voraussetzungen für die AdV: Nach § 69 Abs. 3 Satz 1FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehungeines angefochtenen VA ganz oder teilweise aussetzen.Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zwei-fel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen VA beste-hen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernst-liche Zweifel i.S.v. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereitsdann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefoch-tenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit spre-chende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, dieUnentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilungvon Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung ent-scheidungserheblicher Tatfragen bewirken (st. Rspr.,BFH v. 8.4.2009 – I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437).Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfah-ren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sach-verhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und derAktenlage ergibt (BFH v. 22.3.2005 – II B 14/04, BFH/NV 2005, 1179 m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist esnicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeitsprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrschein-lichkeit überwiegen.

Zurückverweisung durch den BFH im Beschwerde-verfahren: Im Beschwerdeverfahren über die Ablehnungeines Antrags auf AdV durch das FG hat der BFH als Tat-sachengericht grundsätzlich selbst die Befugnis undPflicht zur Tatsachenfeststellung. Er darf aber die Sacheauch an das FG zurückzuverweisen (BFH v. 19.5.2010 –

I B 191/09, BStBl. II 2011, 156 m.w.N.), wenn weder dieFeststellungen des FG noch der bisherige Vortrag der Be-teiligten oder der Akteninhalt für eine abschließende Ent-scheidung über die Gewährung oder Ablehnung einerAdV ausreichen und die Sache somit nicht spruchreif ist(§§ 132, 155 FGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO; ausführl.BFH v. 3.3.2009 – X B 197/08, BFH/NV 2009, 961). ImStreitfall waren umfangreiche Sachverhaltsfeststellungennachzuholen. Voraussetzung für die Haftungsinanspruch-nahme der AStin als Vergütungsschuldnerin ist das Vor-liegen von Einkünften i.S.d. § 50a Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1–3EStG 2002. In welchem Umfang dies im Streitfall gege-ben war, konnte der BFH auch bei summarischer Prüfungder Sach- und Rechtslage nicht entscheiden. Zudem kön-nen die vom ASt zu erbringenden Dienstleistungen unddie von ihm erfolgte Rechteeinräumung zu unterschiedli-chen Einkünften i.S.d. beschränkten Steuerpflicht führen,weshalb eine Aufteilung des gezahlten Pauschalhonorarsnotwendig werden könnte, sofern den Dienstleistungengegenüber der Rechteverwertung ein eigenständiger Cha-rakter zukommt und diese nicht nur von untergeordneterBedeutung sind.

Da die dem ASt gezahlten Vergütungen nur teilweisedem Steuerabzug unterliegen, sind die Vergütungen nachden Verhältnissen im Streitfall schätzweise aufzuteilen.Indes ließen sich weder dem FG-Beschluss, dem Vorbrin-gen der Beteiligten, dem sonstigen Akteninhalt oder prä-senten Beweismitteln Anhaltspunkte entnehmen, dieselbst nach dem – summarischen – Prüfungsmaßstab imAdV-Verfahren eine nachvollziehbare Bewertung der Ver-

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pflichtungen des Antragstellers und damit eine Aufteilungder Gesamtvergütung auf die gesondert zu beurteilendenEinkunftsquellen ermöglicht hätten.

Haftungsvoraussetzungen: Unterliegen Einkünfte desVergütungsgläubigers im Inland dem Steuerabzug für be-schränkt Steuerpflichtige gem. § 50a Abs. 4 i.V.m. § 49Abs. 1 EStG 2002, so ist der Vergütungsschuldner ver-pflichtet, den Steuerabzug für Rechnung des Vergü-tungsgläubigers vorzunehmen und die einbehalteneSteuer an das FA abzuführen (§ 50a Abs. 5 Satz 2 EStG2002). Wird diese Verpflichtung nur teilweise erfüllt, haf-tet der Vergütungsschuldner unmittelbar für die einzube-haltende und abzuführende Steuer (§ 50a Abs. 5 Satz 5EStG 2002, § 219 Satz 2 AO) und kann vom FA durchHaftungsbescheid in Anspruch genommen werden (vgl.§ 191 AO i.V.m. § 73g Abs. 1 EStDV 2000, § 3 SolZG).

Beraterhinweis: Die Besprechungsentscheidung hält ander BFH-Rspr. bezüglich der Rechtsbehelfs- und Antrags-befugnis des nur beschränkt steuerpflichtigen Vergü-tungsgläubigers fest. Für den 2. Rechtsgang weist derBFH darauf hin, dass die Bewertung und Aufteilung unterMitwirkung der Antragsteller (§ 90 AO, § 76 Abs. 1FGO), aus deren Sphäre die für eine Aufteilung notwen-digen Sachumstände herrühren, beispielsweise durch Of-fenlegung der dem Vertrag zugrunde liegenden unter-schiedlichen Kalkulationen für die jeweilige Leistungs-phase und die Heranziehung von Vergleichswerten, zuklären seien. Eine etwaige Verletzung der Mitwirkungs-pflicht kann trotz der bei Haftungsbescheiden bestehen-den Feststellungslast des FA eine Entscheidung zumNachteil der Antragsteller rechtfertigen (BFH v.29.11.2006 – I R 103/05, BFH/NV 2007, 1067).

Der Haftungsinanspruchnahme steht ferner nicht entge-gen, dass der Antragsteller mit seinen inländischen Ein-künften bereits zur beschränkten Steuerpflicht veranlagtworden ist. Der Haftungsbescheid enthält ebenso wenigwie die vom Vergütungsschuldner abzugebende Steueran-meldung (§ 50a Abs. 4 EStG 2002) eine Steuerfestset-zung gegen den Vergütungsgläubiger. Vielmehr verwirk-licht die Finanzbehörde (nur) die (eigene) Entrichtungs-schuld des Vergütungsschuldners auf die Anmeldung undAbführung der Abzugsteuer gem. § 50a Abs. 4 EStG2002. Es besteht insoweit keine wechselseitige Bindungs-wirkung. Deshalb ist, wenn ein Vergütungsschuldner ei-nen gegen ihn gem. § 50a Abs. 5 EStG ergangenen Haf-tungsbescheid anficht, der Vergütungsgläubiger, auf densich die Inanspruchnahme aus dem Haftungsbescheid be-zieht, nicht zu dem FG-Verfahren notwendig beizuladen(BFH v. 24.4.2007 – I R 39/04, BStBl. II 2008, 95).

Im Streitfall hat der BFH ferner einen entschuldbarenRechtsirrtum der ASt verneint. In der Rspr. ist anerkannt,dass eine Haftung des Vergütungsschuldners ermessens-fehlerhaft ist, wenn er Steuern infolge eines entschuldba-ren Rechtsirrtums nicht einbehalten hat (BFH v.13.9.2000 – I R 61/99, BStBl. II 2001, 67). Dazu mussdas FA den Vergütungsschuldner aufgrund einer Aus-kunft, einer Außenprüfung oder einer anderen Sachbe-handlung in den Glauben versetzt haben, er brauche füreinen bestimmten Tatbestand keine Steuer einzubehalten.

Schließlich steht der Haftungsinanspruchnahme auch dasauf das Abzugsverfahren bei Zahlungen an einen in derSchweiz ansässigen Vergütungsgläubiger anwendbareFreizügigkeitsabkommen zwischen der Europäischen Ge-meinschaft und ihren Mitgliedstaaten und der Schweizvom 21.6.1999 nicht entgegen. Das Abkommen rechtfer-tigt nicht die Minderung des Haftungsbetrages um die an-teiligen Steuern, die sich aus der Versagung des Abzugsvon Betriebsausgaben ergeben. Der BFH erörtert insoweitumfassend Auslegung und Anwendung diesesAbkommens.

RiBFH a.D. Dieter Steinhauff, München

z Streitwert für Klage wegen dem Fünf-telsteuersatz unterliegenden Gewinns– keine Änderung für AdV-Verfahren

1. Der Streitwert für ein Verfahren, in dem um dieQualifikation gesondert und einheitlich festgestell-ter Gewinne als der Fünftel-Regelung unterliegen-de außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 34 Abs. 2Nr. 1 EStG gestritten wird, ist pauschal mit 10 %des streitigen Gewinns zu bemessen, wenn nichtAnhaltspunkte dafür vorliegen, dass die betroffe-nen Mitunternehmer zu einem Großteil die Tarif-vergünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG beanspru-chen können.

2. Unter den Senaten des BFH gibt es keine Mehr-heit für eine Anhebung des Streitwerts von Ver-fahren wegen AdV. Der Streitwert solcher Verfah-ren wird auch künftig mit 10 % des Streitwerts inder Hauptsache bemessen.

BFH v. 17.11.2011 – IV S 15/10EStG 2002 § 34 Abs. 1; FGO § 11 Abs. 3, § 69 Abs. 3;GKG § 52 Abs. 1 und 2, § 63 Abs. 2 Satz 2

Das Problem: Die AStin ist ein Leasing-Fonds in derRechtsform der GmbH & Co. KG, an der ca. ... Komman-ditisten unmittelbar oder mittelbar über einen Treuhänderbeteiligt waren. Den im Streitjahr 2003 entstandenen Ge-winn aus der Veräußerung des verleasten Flugzeugs be-handelte das FA (Antragsgegner) nach einer Außenprü-fung abweichend von der bisherigen Gewinnfeststellungals nicht tarifbegünstigten laufenden Gewinn. Gegen dengeänderten Gewinnfeststellungsbescheid hatte die AStinEinspruch erhoben und die Aussetzung der Vollziehung(AdV) des Bescheids beantragt. Nach Ablehnung des An-trags durch das FG blieb auch die Beschwerde ohne Er-folg (BFH v. 24.9.2010 – IV B 34/10, BFH/NV 2011,241). Mit Schriftsatz vom 26.11.2010 begehrt die AStineine gerichtliche Festsetzung des Streitwerts.

Die Lösung des Gerichts: Zulässigkeit des Antrags:Der Antrag auf Streitwertfestsetzung ist zulässig. Nach§ 63 Abs. 2 Satz 2 GKG setzt in der Finanzgerichtsbarkeitdas Prozessgericht den Wert des Streitgegenstandes durchBeschluss fest, wenn ein Beteiligter oder die Staatskassedie Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für ange-messen erachtet (BFH v. 5.5.2009 – I R 84/07, BFH/NV2009, 1446). Dafür muss nach st. Rspr. des BFH ein be-

8 AO-StB 1/2012Kurzanalysen mit Beraterhinweis

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sonderes Rechtsschutzbedürfnis bestehen. Es fehlt i.d.R.,wenn sich die Höhe des Streitwerts aus den Anträgen derBeteiligten und der bisherigen Rspr. BFH zur Bemessungdes Streitwerts in gleichartigen Fällen eindeutig ermittelnlässt (BFH v. 23.5.2001 – IV S 1/01, BFH/NV 2001,1431; v. 26.4.2001 – V S 24/00, BStBl. II 2001, 498).

Streitwert bei Veräußerungsgewinnen: Es ist zwar ge-klärt, dass der Streitwert im Falle eines Streits über dieHöhe des festzustellenden Veräußerungsgewinns i.d.R.15 % des streitigen Betrags beträgt und bei sehr hohenVeräußerungsgewinnen in angemessenem Umfang anzu-heben ist (vgl. BFH v. 14.2.2007 – IV E 3/06, BFH/NV2007, 1155 m.w.N.). Betrifft der Rechtsstreit nicht dieHöhe, sondern die Qualifikation des Gewinns als Veräu-ßerungsgewinn, ist der Streitwert unter Berücksichtigungdes einkommensteuerlichen Vorteils aus der Tarifvergüns-tigung zu bemessen. Auf der Grundlage einer Tarifver-günstigung von 50 % des Regelsteuersatzes hat die Rspr.in der Vergangenheit einen pauschalen Streitwert von20 % (BFH v. 7.12.1988 – IV E 2/88, BFH/NV 1990, 51)bzw. 10 % bis 25 % (FG Köln v. 9.2.2009 – 10 Ko 2120/08, 10 Ko 2598/08, 10 Ko 2120/08, 10 Ko 2598/08, EFG2009, 978) für angemessen gehalten. Zur im Streitfallmaßgeblichen Rechtslage, nach der die Tarifvergünsti-gung in erster Linie in Gestalt der sog. Fünftel-Regelungdes § 34 Abs. 1 EStG zu gewähren ist, hat der BFH nochnicht Stellung genommen.

Streitwert bei Anwendung der Fünftel-Regelung: DerStreitwert für ein Verfahren, in dem um die Qualifikationgesondert und einheitlich festgestellter Gewinne als derFünftel-Regelung unterliegende außerordentliche Ein-künfte i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG gestritten wird, istpauschal mit 10 % des streitigen Gewinns zu bemessen,wenn nicht Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die be-troffenen Mitunternehmer zu einem Großteil die Tarifver-günstigung nach § 34 Abs. 3 EStG beanspruchen können.

Bemessungsfaktoren: Die Höhe des Streitwerts ist gem.§ 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klä-gers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Er-messen zu bestimmen. Die Zuordnung eines Gewinns zuden außerordentlichen Einkünften i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 1EStG bedeutet für den Steuerpflichtigen, dass dieser Ge-winn mit dem Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG belastetwird, wenn nicht ein Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG ge-stellt werden kann und gestellt wird. Die sog. Fünftel-Re-gelung bewirkt eine Tarifglättung, die je nach individuel-lem progressivem Tarif zu einem meist deutlich hinterdem Steuervorteil des ehemals halben Regelsteuersatzeszurückbleibt und bei Erreichen des Spitzensteuersatzesbereits aufgrund der regelbesteuerten Einkünfte keinenSteuervorteil bedeutet. Dies rechtfertigt eine Reduzierungdes pauschalen Streitwerts gegenüber dem bisher für nachdem halben Regelsteuersatz begünstigte Gewinne ver-wendeten Satz von bis zu 25 %. Danach ist ein Satz von10 % angemessen. Dieser ist nur auf bis zu 20 % anzuhe-ben, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Groß-teil der Feststellungsbeteiligten in den Genuss der an-tragsgebundenen Tarifvergünstigung nach § 34 Abs. 3EStG kommen werden.

Streitwert im AdV-Verfahren: Der Streitwert in einemVerfahren wegen AdV ist unter Fortsetzung der bisheri-gen BFH-Rspr. grundsätzlich mit 10 % des im Hauptsa-cheverfahren anzusetzenden Streitwerts zu bemessen(vgl. BFH v. 4.5.2011 – VII S 60/10, BFH/NV 2011,1721 betr. AdV eines Haftungsbescheides; v. 14.12.2007– IX E 17/07, BStBl. II 2008, 199; v. 26.4.2001 – V S 24/00, BStBl. II 2001, 498).

Festhalten mangels Zustimmung anderer Senate desBFH: Der IV .Senat des BFH hält zwar die von einigenFG für eine Erhöhung auf 25 % des Hauptsachestreit-werts genannten Gründe für überzeugend und geht davonaus, dass eine vom BFH vorgenommene Anhebung desStreitwerts auch zu einer Vereinheitlichung der Rspr. derFG beitragen würde. Mehrheitlich haben sich die anderenSenate des BFH bei einer informellen Anfrage jedoch da-gegen ausgesprochen.

Keine Entscheidung durch den Großen Senat desBFH möglich: Da die Höhe des Streitwerts gem. § 52Abs. 1 GKG „nach Ermessen“ zu bestimmen ist, würdemit der beabsichtigten Anhebung des Streitwerts nichti.S.d. § 11 Abs. 3 FGO von der Rspr. anderer Senate ab-gewichen werden. Eine Abweichung in einer Rechtsfragekommt insoweit nicht in Betracht, als das Gericht imRahmen des ihm durch die Vorschrift eingeräumten Spiel-raums auf der Grundlage zur Ermessensentscheidungtauglicher Gesichtspunkte entscheidet (BFH v.10.11.1971 – I B 14/70, BStBl. II 1972, 222; Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO,§ 11 FGO Rz. 58 [Juni 2007]). Deshalb muss der Senat ineigener Verantwortung über die Bemessung des Streit-werts entscheiden. Um die Einheitlichkeit der Rspr. desBFH zu wahren, hält er es angesichts der fehlendenMehrheit für eine Rechtsprechungsänderung im BFH fürgeboten, an den bisherigen Grundsätzen festzuhalten.

Konsequenzen für die Praxis: Die finanzgerichtlicheRspr. (vgl. z.B. FG Hamburg v. 31.10.2007 – IV 169/05,EFG 2008, 488, mit abl. Anm. v. Hollatz; FG Düsseldorfv. 14.11.2011 – 11 V 1531/11 A, juris) ist trotz der wie-derholt vom BFH (BFH v. 26.4.2001 – V S 24/00,BStBl. II 2001, 498; v. 14.12.2007 – IX E 17/07, BStBl. II2008, 199; v. 4.5.2011 – VII S 60/10. BFH/NV 2011,1721) bestätigten Rechtsauffassung, wonach der Streit-wert im Verfahren wegen AdV grundsätzlich 10 % desbeantragten Aussetzungsbetrages beträgt, uneinheitlichund geht unter teilweiser Zustimmung des Schrifttums(z.B. Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 135 FGORz. 165 m.w.N. [Mai 2010]) zunehmend von einemStreitwert von 25 % aus. Nach dem der IV. Senat desBFH überdies in der Besprechungsentscheidung aus-drücklich bemerkt, er halte die von einigen FG für eineErhöhung genannten Gründe für überzeugend, ist zu er-warten, dass die FG dieser Linie zunehmend folgen wer-den.

Der IV. Senat des BFH hat indes lediglich die Möglich-keit einer Divergenzanrufung des Großen Senats desBFH nach § 11 Abs. 2 FGO geprüft und verneint, hinge-gen die Möglichkeit einer Anrufung nach § 11 Abs. 4FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. nicht näheruntersucht. Insb. handelt es sich bei der Streitwertbemes-

AO-StB 1/2012 9Kurzanalysen mit Beraterhinweis

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sung faktisch nicht mehr um eine im Einzelfall gem. § 52Abs. 1 GKG zu treffende Ermessensentscheidung. Viel-mehr stellt der Ansatz von 10 % eine generelle, ohne eineim Einzelfall noch auf Ermesssensentscheidungen beru-hende Vorgabe dar. Streitwertfestsetzungen durch die FGkönnen in keinem Fall mehr einer Klärung im Rechtsmit-telverfahren durch den BFH zugeführt werden. Im Hin-blick auf diese Verfahrenslage müsste eine Anrufung desGroßen Senats des BFH wegen Grundsätzlichkeit derRechtsfrage erwogen werden.

Beraterhinweis: Auch ein Prozessbevollmächtigter kanneinen Antrag auf Streitwertfestsetzung im eigenen Namenstellen (BFH v. 26.4.2001 – V S 24/00, BStBl. II 2001,498). Anderenfalls erfolgt eine Festsetzung durch denKostenbeamten im Rahmen des sog. Kostenansatzes(§ 19 GKG) oder – wenn eine Festsetzung durch denKostenbeamten noch nicht erfolgt ist – durch den Ur-kundsbeamten der Geschäftsstelle im Rahmen der sog.Kostenfestsetzung betreffend die zu erstattenden Aufwen-dungen (§ 149 Abs. 1 FGO). Durch Erinnerung gegenden Kostenansatz (§ 66 GKG) oder die Kostenfestsetzung(§ 149 Abs. 2 FGO) kann die Streitwertfestsetzung zurÜberprüfung durch das Gericht gestellt werden. Weder ei-ne ordentliche Beschwerde (§ 128 Abs. 4 FGO; § 66Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5, Abs. 2 Satz 6GKG (BFH v. 8.12.2010 – IX E 6/10, BFH/NV 2011,1365) noch eine – generell unstatthafte – außerordentli-che Beschwerde (BFH v. 7.10.2010 – IX B 132/10, BFH/NV 2011,61) ist dagegen zulässig.

RiBFH a.D. Dieter Steinhauff, München

z Einbringung eines Privatdarlehens ineine vermögensverwaltende GbR

Bei der Einbringung eines Grundstücks gegen Ge-währung von Gesellschaftsrechten in eine vermö-gensverwaltende Personengesellschaft mit Vermie-tungseinkünften führt die Übernahme einer Ver-bindlichkeit, die die Personengesellschaft als Ge-genleistung von dem einbringenden Gesellschafterübernimmt zu Anschaffungskosten und zwar auchdann, wenn die Verbindlichkeit ursprünglich auf-genommen wurde, um ein privat genutztes Ge-bäude damit zu finanzieren.

BFH v. 18.10.2011 – IX R 15/11AO § 39 Abs. 2 Nr. 2, § 42

Das Problem: Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichenRechts (GbR), die von Eheleuten gegründet wurde, wobeider Ehemann (M) zu 10 % und die Ehefrau (F) zu 90 %beteiligt sind. M brachte bei der Gründung sein vermiete-tes Mehrfamilienhaus in die GbR ein. Im Gegenzug über-nahm die GbR u.a. die Zins- und Tilgungsverpflichtungenaus Darlehen, die M ursprünglich zur Finanzierung desselbstgenutzten Einfamilienhauses aufgenommen hatte.Im Rahmen ihrer Steuererklärung für die Streitjahre gingdie GbR für die Gesellschafterin F von einem teilentgelt-lichen Erwerb aus, errechnete auf dieser Basis die Abset-zung für Abnutzung (AfA) und erklärte entsprechend die

Schuldzinsen aus den übernommenen Darlehen. Das be-klagte FA sah in der Übernahme der Darlehen, die ur-sprünglich für das selbstgenutzte Einfamilienhaus aufge-nommen worden waren, keinen Anschaffungsvorgangund kürzte entsprechend die AfA sowie die als Wer-bungskosten geltend gemachten Schuldzinsen. Die Klageblieb erfolglos. Das FG nahm einen Gestaltungsmiss-brauch an, wegen Verlagerung privat veranlasster Auf-wendungen in den steuerlichen Bereich.

Die Lösung des Gerichts: Der BFH hat der hiergegengerichteten Revision stattgegeben. Bei der Einbringungvon Wirtschaftsgütern in eine GbR würden diese den Be-teiligten anteilig zugerechnet (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO).Dies gelte gleichermaßen für das Grundstück wie für dieVerbindlichkeiten. Die Klägerin übernehme im Zuge derÜbernahme der Gesellschaftsrechte für die Übertragungdes Grundstücks als Gegenleistung Verbindlichkeiten,aus denen bis dahin allein M verpflichtet gewesen sei. Daauch insoweit die Zurechnung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AOzu beurteilen sei, seien sowohl das Grundstück, als auchdiese Verbindlichkeiten zu 90 % F zuzuordnen und fürsie Anschaffungskosten. Da der Grund für die Schuld-übernahme im steuerrechtlich bedeutsamen Bereich derEinkünfteerzielung (Vermietung) liege, sei diese Gestal-tung nicht rechtsmissbräuchlich. Es gehe nicht um eineVerlagerung von privat veranlassten Aufwendungen, son-dern um eine Überlagerung des zunächst aus privatenGründen aufgenommenen und verwendeten Darlehensdurch einen neuen, nunmehr steuerrechtlich beachtlichenVeranlassungszusammenhang.

Konsequenzen für die Praxis: Kein Gestaltungsmiss-brauch: Der BFH weist ausdrücklich darauf hin, dass inder Einbringung der Darlehen in die GbR auch kein Ge-staltungsmissbrauch zu sehen sei. M habe es freigestan-den, ob, wann und an wen er sein Grundstück veräußert.Als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstückshabe die GbR Verbindlichkeiten des M übernommen.Hierin liege der wirtschaftlich beachtliche Grund. Auchder Umstand des teilentgeltlichen Erwerbs führe nicht da-zu, der Entgeltsabrede die steuerrechtliche Anerkennungzu versagen, sondern gegebenenfalls – wie auch hier vonder GbR erklärt – dazu, die Bemessungsgrundlage umden geschenkten Betrag zu kürzen. Es gehe – entgegender Auffassung des FG – eben nicht um eine Verlagerungvon privat veranlassten Aufwendungen auf die GbR, son-dern um eine Überlagerung der Zwecksetzung des zu-nächst aus privaten Gründen aufgenommenen und ver-wendeten Darlehens durch einen neuen, nunmehr steuer-rechtlich bedeutsamen (Veranlassungs-)Zusammenhang,indem die GbR das Darlehen als Gegenleistung übernom-men habe und es bei ihr zu Anschaffungskosten für einvon ihr erworbenes und der F zu 90 % zuordenbaresGrundstück geworden sei.

Beraterhinweis: Auch hier zeigt sich, dass der BFHgrundsätzlich – m.E. zu Recht – sehr zurückhaltend mitdem Instrument des Gestaltungsmissbrauchs umgeht. Be-reits mit Urteil vom 7.12.2010 (BFH v. 7.12.2010 – IX R40/09, BStBl. II 2011, 427) hat er zur Verlustnutzung imGesellschafterkreis entschieden, dass die verlustbringen-de Veräußerung eines Kapitalgesellschaftsanteils i.S.d.§ 17 Abs. 1 Satz 1 EStG an einen Mitgesellschafter nicht

10 AO-StB 1/2012Kurzanalysen mit Beraterhinweis

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deshalb rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 42 AO ist, weil derVeräußerer in engem zeitlichen Zusammenhang von ei-nem anderen Mitgesellschafter dessen in gleicher Höhebestehenden Gesellschaftsanteil an derselben Gesellschafterwirbt (vgl. zu dieser Thematik auch Demleitner, AO-StB 2010, 174).

RiFG Krimhild Bauhaus, Brühl

z Erwerb von unverkörperten Mitglied-schaftsrechten an einer AG

Ein Steuerpflichtiger erwirbt auch dann Mitglied-schaftsrechte an einer AG, wenn die Aktienurkun-den fälschlicherweise als Nennbetragsaktien aus-gestellt worden sind, obwohl die Satzung der Ge-sellschaft nur Stückaktien vorsieht.

BFH v. 7.7.2011 – IX R 2/10AO § 39; EStG § 17 Abs. 1; BGB § 133, § 398; AktG§ 8, § 23 Abs. 3 Nr. 4

Das Problem: Die G-AG wurde im Jahre 1999 mit einemGrundkapital von 50.000 €, eingeteilt in 50.000 auf denInhaber lautenden Stückaktien, gegründet und in dasHandelsregister beim AG M eingetragen. Gegenstand desUnternehmens der G-AG war die Entwicklung und Ver-marktung von Internetdiensten. Im Dezember 1999 stelltedie G-AG verbriefte Aktienurkunden nach einem Muster-vordruck der Deutschen Bundesbank her. Die durchnum-merierten und unterzeichneten Urkunden lauteten jeweilsauf einen sog. Nennbetrag. Die Summe der Nennbeträgeder ausgegebenen Aktien entsprach der Höhe des Grund-kapitals der AG.

Am 17.1.2001 vereinbarte der Kl. mit dem Aufsichtsrats-vorsitzenden der G-AG, sich im Umfang von 1,5 % desGrundkapitals und somit 750 Stück Aktien als Aktionärzu beteiligen. Der Aufsichtsratsvorsitzende der G-AGverpflichtete sich seinerseits, dem Kl. die gewünschtenAktien zum Kaufpreis von 1.200.000 DM zu verschaffen.Der Kl. erhielt am 23.2.2001 eine Aktie der Gesellschaftim Nennbetrag von 250 € sowie am 4.3.2001 vier Aktienim Nennbetrag von jeweils 125 € ausgehändigt.

Mit Vertrag vom 18.2.2002 verkaufte der Kl. seine Aktienzu einem Preis von 750 € an seine Schwester. Hierfür er-hielt der Kl. termingerecht den vereinbarten Kaufpreis,wobei seine Schwester das Geld auf ein Konto des Kl. beieiner Sparkasse bar einzahlte.

Der Kl. machte in seiner ESt-Erklärung für das Jahr 2002einen Veräußerungsverlust i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStGaus dem Verkauf der besagten Aktien i.H.v. 612.800 €

geltend. Das beklagte FA berücksichtigte den Veräuße-rungsverlust in den Bescheiden für das Streitjahr über EStund über die gesonderte Feststellung des verbleibendenVerlustabzuges zur ESt zum 31.12.2002 nicht. Einspruchund Klage blieben erfolglos. Das FG Münster vertrat inseinem Urteil die Auffassung, der Kl. sei weder durchÜbereignung von Aktienurkunden noch durch Abtretungvon Anteilsrechten Gesellschafter der G-AG geworden(FG Münster v. 25.2.2009 – 12 K 4333/05 E, F, EFG2010, 954). Durch die sachenrechtliche Übereignung der

Papiere seien keine Gesellschaftsrechte übertragen wor-den, da es laut der Satzung der G-AG keine Nennbetrags-aktien gegeben habe.

Die Lösung des Gerichts: Auf die Rev. des Kl. hat derBFH das Urteil des FG aufgehoben und der Klage stattge-geben. Der Kl. sei 2001 Aktionär der G-AG geworden.Der BFH hat dahin stehen lassen, ob die Aktienurkundenim Nennbetrag von 250 € und 125 € nach dem Grundsatz„falsa demonstratio non nocet“ als satzungskonformeStückaktien auszulegen waren. Denn jedenfalls durch dieÜbereignung der Aktien am 23.2. und 4.3.2001 sei derKl. Aktionär geworden. Zwar hätten die Aktien entgegender Satzung und somit fälschlicherweise einen Nennbe-trag ausgewiesen. Jedoch habe das FG außer Acht gelas-sen, dass sowohl die schuldrechtliche Einigung zwischendem Kl. und dem Aufsichtsratsvorsitzenden der G.-AGzum Erwerb einer 1,5%igen Beteiligung an der AG alsauch der dingliche Erwerb der Mitgliedschaftsrechte ander G.-AG zivilrechtlich wirksam seien. Denn eine solcheÜbertragung sei auch formfrei möglich und als Abtretungder maßgeblichen Rechte auszulegen. Insoweit verletzedas FG-Urteil die Norm des § 133 BGB. Die Verbriefungdes Mitgliedschaftsrechts in Form von Aktienurkundenhabe lediglich deklaratorische Bedeutung. Ein möglicherformeller Mangel der Aktie hindere nicht den Erwerb desMitgliedschaftsrechts (BGH v. 5.4.1993 – II ZR 195/91,BGHZ 122, 180 [194]).

Der Kl. habe seine Beteiligung auch wirksam entgeltlichauf seine Schwester übertragen und damit die Veräuße-rung einer wesentlichen Beteiligung im Privatbereichgem. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG vorgenommen. Der Vertragsei nach den Grundsätzen für Verträge unter nahen Ange-hörigen auch steuerlich anzuerkennen. Diese Grundsätzehätten auch Geltung für die Beurteilung von Anteilsver-äußerungen (BFH v. 6.10.2009 – IX R 4/09, BFH/NV2010, 623). Der Kaufvertrag sei hinreichend bestimmt,indem die laufenden Nummern und die Nennbeträge derAktien aufgeführt worden seien. Der Vertrag sei auch tat-sächlich vollzogen worden. Insbesondere sei die Käuferinnicht verpflichtet gewesen, den Kaufpreis per Überwei-sung zu zahlen.

Konsequenzen für die Praxis: Wirksame Beteiligungs-übertragung: Der Besprechungsentscheidung ist zuzu-stimmen. Zutreffend und in Anlehnung an die BGH-Rspr.lässt der BFH es genügen, dass ein Aktionär dadurch sei-ne Mitgliedschaftsrechte an der AG erwirbt, dass ihm dieentsprechenden Rechte nach § 398 BGB abgetreten wer-den. Dabei ist im Rahmen der Auslegung von Willenser-klärungen nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdruckszu haften, sondern es ist der wirkliche rechtsgeschäftlicheWille der Vertragsparteien zu eruieren (arg. § 133 BGB).Hierbei war zu beachten, dass eine AG entweder Nenn-betragsaktien oder Stückaktien ausgibt (§ 8 Abs. 1 AktG).Stückaktien lauten eben nicht auf einen Nennbetrag (§ 8Abs. 3 Satz 1 AktG), sondern vermitteln jeweils im glei-chen Umfang eine Beteiligung am Grundkapital (§ 8Abs. 3 Satz 2 AktG). Die Satzung regelt, welche Art vonAktien die Gesellschaft ausgibt. Die Satzung muss nach§ 23 Abs. 3 Nr. 4 AktG bestimmen, ob das Grundkapitalder Gesellschaft in Nennbetrags- oder Stückaktien zerlegtist. Im ersten Fall muss die Satzung die Nennbeträge, im

AO-StB 1/2012 11Kurzanalysen mit Beraterhinweis

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zweiten Fall die Aktienanzahl angeben. Die Umstellungvon Stückaktien auf Nennbetragsaktien bzw. umgekehrtwäre eine Satzungsänderung, die nach den restriktivenFormvorschriften der §§ 179 ff. AktG von der Hauptver-sammlung beschlossen und in das Handelsregister einge-tragen werden müsste (Hüffner, AktG, 9. Aufl. 2010, § 8Rz. 23).

Entgeltliche Anteilsübertragung: Weiter ist von Bedeu-tung, dass ein anzuerkennendes Veräußerungsgeschäftnach § 17 Abs. 1 EStG eine entgeltliche Übertragung desAnteils oder der jeweiligen Anteile voraussetzt. Die Über-tragung der wirtschaftlichen Inhaberschaft nach § 39Abs. 2 Nr. 1 AO ist ausreichend (Strahl in Korn, EStG,§ 17 Rz. 52 [Mai 2002]). Im Besprechungsfall ist im Hin-blick auf § 398 BGB sogar eine zivilrechtlich wirksameAnteilsübertragung erfolgt, so dass der BFH an sich nur§ 39 Abs. 1 AO und nicht § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO hätte an-wenden müssen.

Beraterhinweis: In den Fällen steuerorientierter Verlust-realisierung legt der BFH offenbar keinen übermäßigstrengen Maßstab an, auch wenn der Verlust aus einemVertrag mit einem nahen Angehörigen resultiert. DerBFH hatte schon früher ausgesprochen, dass entsprechen-de Fallgestaltungen im Zusammenhang mit Verlusten auswesentlichen Beteiligungen anzuerkennen seien (vgl. u.a.BFH v. 6.10.2009 – IX R 4/09, BFH/NV 2010, 623). ImÜbrigen wird bei einem Aktienkauf der Erwerber wirt-schaftlicher Eigentümer, wenn er auf Grund eines zivil-rechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich ge-schützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Positionerworben hat und die mit dem Anteil verbundenen we-sentlichen Rechte sowie das Risiko einer Wertminderungund die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegan-gen sind (st. Rspr.; vgl. BFH v. 4.7.2007 – VIII R 68/05,BStBl. II 2007, 937; v. 22.7.2008 – IX R 74/06, BStBl. II2009, 124).

VRiLG Helmut Tormöhlen, Bennstedt

z Kfz-Steuer als Masseverbindlichkeit

Nach Insolvenzeröffnung entstandene Kfz-Steuerist eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1Nr. 1 InsO, wenn das Fahrzeug, für dessen Haltendie Kfz-Steuer geschuldet wird, Teil der Insol-venzmasse ist. Die Freigabe der selbständigen Tä-tigkeit des Insolvenzschuldners nach § 35 Abs. 2InsO durch den Insolvenzverwalter ist für die Be-urteilung der Kfz-Steuer als Masseverbindlichkeitoder insolvenzfreie Verbindlichkeit ohne Bedeu-tung.

BFH v. 8.9.2011 – II R 54/10AO § 33, § 34; InsO § 35 Abs. 1 und 2, § 36, § 55 Abs. 1Nr. 1, § 80; KraftStG § 1 Abs. 1 Nr. 1

Das Problem: Der Kläger ist Insolvenzverwalter überdas Vermögen der S. Das FA setzt für die Zeit nach Eröff-nung des Insolvenzverfahrens die Kfz-Steuer für einenauf die S zugelassenen Pkw ihm gegenüber fest. Der Klä-

ger legte gegen die Festsetzung erfolglos Einspruch einund erhob Klage. Seiner Auffassung nach sei die Kfz-Steuer nicht als Masseverbindlichkeit zu beurteilen, weiler den Geschäftsbetrieb und in Zusammenhang damitauch das Fahrzeug der Schuldnerin aus dem Massebe-schlag gem. § 35 Abs. 2 InsO freigegeben habe. Dort ste-he:

Übt der Schuldner eine selbständige Tätigkeit aus oder beabsichtigter, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenz-verwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selb-ständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprücheaus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werdenkönnen.

Das FG (FG Düsseldorf v. 28.1.2010 – 8 K 236/09, EFG2011, 570) negierte die Relevanz der Vorschrift im vorlie-genden Fall. Es beurteilte demgegenüber generell das„Halten eines Kfz“ als Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO und wies die Klage ab.

Die Lösung des Gerichts: Der BFH hob die Entschei-dung des FG auf und verwies die Sache zurück.

Irrelevanz des § 35 Abs. 2 InsO: Zur Begründung folgteer zunächst der Begründung des FG, dass § 35 Abs. 2 In-sO für die Frage, ob die Kfz-Steuer Masseverbindlichkeitsei, ohne Bedeutung sei. Dies wäre nur dann der Fall,wenn es sich bei der Kfz-Steuer um eine Verbindlichkeitaus einer selbständigen Tätigkeit handeln würde. Dies seivorliegend nicht der Fall, da es für das Entstehen derSteuer nicht darauf ankäme, wie das Fahrzeug genutztwerde. Es bestehe somit kein unmittelbarer Zusammen-hang zwischen Steuer und Fahrzeug.

Freigabe des Kfz?: Dennoch ist das „Halten eines Kfz“nach Auffassung des BFH (entgegen der Ansicht des FG)nicht automatisch als Masseverbindlichkeit zu beurteilen.Es kommt vielmehr darauf an, ob das Fahrzeug selbst zuInsolvenzmasse gehört. Zur Beantwortung der Frage, obdas Fahrzeug Teil der Insolvenzmasse ist und damit einBezug der Kfz-Steuer zur Insolvenzmasse besteht, ist zuunterscheiden zwischenl der Freigabe des Fahrzeugs (sog. „echte Freigabe“)

undl der Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuld-

ners nach § 35 Abs. 2 InsO.

Echte Freigabe: Hat der Insolvenzverwalter eine echteFreigabe des Fahrzeugs erklärt, entfällt ein Bezug derKfz-Steuer zur Insolvenzmasse. Denn durch die Freigabe-erklärung wird das Fahrzeug aus der Insolvenzmasse ent-lassen und fällt in das insolvenzfreie Schuldnervermögenzurück. Inwieweit die Freigabe des Pkw erfolgte, wardurch das FG nicht geklärt worden. Aus diesem Grundewurde die Sache zurückverwiesen.

Konsequenzen für die Praxis: Die Freigabe der selb-ständigen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 InsO hat keine Aus-wirkungen auf die Massezugehörigkeit eines im Zeit-punkt der Insolvenzeröffnung vorhandenen Fahrzeugs.Durch diese Erklärung wird das Fahrzeug nicht aus derInsolvenzmasse entlassen. Denn eine Freigabe der selb-ständigen Tätigkeit gem. § 35 Abs. 2 InsO umfasst nurden Neuerwerb und nicht das im Zeitpunkt der Insolvenz-eröffnung bereits vorhandene Vermögen (Hirte in Uhlen-

12 AO-StB 1/2012Kurzanalysen mit Beraterhinweis

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bruck, InsO, 13. Aufl. 2010, § 35 Rz. 100; Wischemeyer,ZinsO 2009, 2121 [2125]).

Der IX. Senat BFH vertrat (vertritt weiterhin?) eine vomII. Senat abweichende Auffassung (BFH v. 16.10.2007 –

IX R 25/07, BFH/NV, HFR 2008, 269 mit Nachweisenauch zu früheren gleichlautenden Entscheidungen). Da-nach gehört(e) die nach Insolvenzeröffnung entstandeneKfz-Steuer unbeschadet einer möglichen Freigabe desFahrzeugs stets zur Masseverbindlichkeit so lange dieSteuerpflicht wegen der verkehrsrechtlichen Zulassungdes Fahrzeugs auf den Schuldner noch andauert.

Beraterhinweis: Es ist seitens des Insolvenzverwaltersdarauf zu achten, dass die Freigabe der selbständigen Tä-tigkeit nach § 35 Abs. 2 InsO von den Gerichten nicht da-hin ausgelegt wird, dass neben der selbständigen Tätig-keit zugleich im Wege der echten Freigabe (sämtliches)bereits vorhandenes unternehmerisches Vermögen desSchuldners freigegeben wird. Der Erklärungsinhalt einerFreigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2InsO entspricht insoweit nicht einer echten Freigabe einesGegenstandes.

Prof. Dr. Oliver Tillmann, Tecklenburg

z Anmeldung von Insolvenzforderungendurch das FA

Meldet das FA nicht titulierte Steuerforderungenin einer Summe zur Insolvenztabelle an, so ist dieAnmeldung wirksam, wenn durch den Inhalt derAnmeldung sichergestellt ist, dass nur bestimmteSachverhalte erfasst sind, die zur Verwirklichungdes gesetzlichen Steuertatbestandes geführt ha-ben.

BFH v. 24.8.2011 – V R 53/09AO § 251 AO

Das Problem: Das beklagte FA stellte nach Eröffnung ei-nes Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbHeine USt-Forderung gegen den Insolvenzverwalter (Klä-ger) durch Feststellungsbescheid fest. Diese Forderungenhatte das FA zuvor im Rahmen der Anmeldung zur Insol-venztabelle lediglich hinsichtlich Betrag und Zeitraumkonkretisiert, nicht jedoch die einzelnen umsatzsteuerli-chen Sachverhalte angemeldet. Die USt war durch dieGmbH nicht erklärt worden und wurde durch den Klägerbestritten. Das FG wies die Klage ab.

Die Lösung des Gerichts: Das Gericht hat das Urteil desFG aufgehoben und zur weiteren Sachaufklärung an dasFG zurückverwiesen. Gegenstand des Feststellungsver-fahrens könne nur eine Forderung sein, die mit der nach§ 174 InsO angemeldeten und gem. § 176 InsO zur Erör-terung gestellten identisch ist. Ist eine Umsatzsteuerforde-rung nicht tituliert (es fehlte im vorliegenden Fall die Um-satzsteuererklärung mit Festsetzungswirkung gem. § 168Satz 1 AO), so müsse das FA im Rahmen der Anmeldungnicht die einzelnen umsatzsteuerrechtlich erheblichenSachverhalte anführen und näher beschreiben. Es genüge,dass der Inhalt der Anmeldung die für die Erörterung dereinzelnen Forderungen notwendige Individualisierung

einzelner Sachverhalte ermöglicht. Bei einer Anmeldungeiner nicht titulierten Umsatzsteuerforderung ist diesesBestimmtheitsgebot nach Ansicht des Gerichts durch An-gabe von Betrag und Zeitraum der Steuerforderung ge-währleistet.

Konsequenzen für die Praxis: Die Abgrenzung zwi-schen Insolvenz- und Masseforderungen ist hinsichtlichder Rechtsfolgen bedeutsam:l Sind Steuerschulden Insolvenzverbindlichkeiten

gem. § 251 Abs. 3 AO, so sind diese während einesInsolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid fest-zusetzen, sondern durch VA festzustellen. EineDurchsetzung dieser Steueransprüche im Wege dersteuerlichen Beitreibung durch einen zu vollstrecken-den Festsetzungsbescheid ist nach Insolvenzeröff-nung ausgeschlossen (vgl. § 87 InsO).

l Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO)können hingegen nicht zur Tabelle angemeldet unddurch Feststellungsbescheid festgestellt werden. Die-se sind vielmehr durch Steuerbescheid gegen den In-solvenzverwalter festzusetzen (BFH v. 9.12.2010 – VR 22/10, BFHE 232, 301) und vom Insolvenzverwal-ter aus der Insolvenzmasse zu bezahlen (§ 34 Abs. 3i.V.m. Abs. 1 AO).

Der Regelungsgehalt des Feststellungsbescheids nach§ 251 Abs. 3 AO besteht in der Feststellung, dass demSteuergläubiger eine bestimmte Steuerforderung als In-solvenzforderung zusteht (st. Rspr. seit BFH v.26.11.1987 – V R 133/81, BStBl. II 1988, 199). Es wirdin der Literatur die Ansicht vertreten, dass gegen einensolchen Feststellungsbescheid mangels vollziehbaremRegelungsgehalt kein einstweiliger Rechtsschutz im We-ge der AdV oder einstweiligen Anordnung möglich sei(z.B. Tormöhlen, AO-StB 2010, 168 m.w.N.). Hiergegenkönnte sprechen, dass die Feststellung ein wichtiger Zwi-schenschritt auf dem Weg zur Befriedigung des FA alsGläubiger und damit rechtserheblich ist. Damit könntem.E. die Garantie des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19Abs. 4 GG) eingreifen.

Erforderlichkeit des Feststellungsverfahrens: Die Fest-stellung durch das FAl ist erforderlich i.S.d. § 251 Abs. 3 AO, wenn die

Steuerschulden bisher nicht durch Steuerbescheidfestgesetzt worden waren und der Insolvenzverwalternach Anmeldung zur Insolvenztabelle widerspricht.

l Wenn die bestrittene Insolvenzverbindlichkeit hinge-gen bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrensdurch Steuerbescheid festgesetzt und angefochtenwar, so ist ein Feststellungsbescheid nicht erforder-lich und das Einspruchsverfahren ist durch den Insol-venzverwalter aufzunehmen und fortzuführen.

l Ist der vorgenannte Steuerbescheid bereits vor Eröff-nung des Insolvenzverfahrens unanfechtbar gewor-den und widerspricht der Insolvenzverwalter der Ta-bellenanmeldung trotzdem, so kann das FA nach An-sicht des BFH aus Gründen der Rechtssicherheittrotzdem einen Feststellungsbescheid erlassen (BFHv. 23.2.2010 – VII R 48/07, Besprechung durch Tor-möhlen, AO-StB 2010, 168).

AO-StB 1/2012 13Kurzanalysen mit Beraterhinweis

Rechtsprechung

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Beraterhinweis: Nach § 55 Abs. 4 InsO n.F. (bei Insol-venzeröffnungen ab 1.1.2011) gelten Ansprüche aus demSteuerschuldverhältnis in jedem vorläufigen Insolvenz-verfahren ab Verfahrenseröffnung als Masseverbindlich-keiten, auch wenn nur ein vorläufiger „schwacher“ Insol-venzverwalter bestellt wird (vgl. zur Neuregelung Uhlän-der, AO-StB 2011, 84). Nach alter Rechtslage galt diesnur bei Bestellung eines „starken“ Insolvenzverwalters,d.h. wenn die Verfügungsbefugnis über das Schuldnerver-mögen auf den vorläufigen Insolvenzverwalter überge-gangen war.

RA Dirk Beyer, Bergisch Gladbach

z Steuerberechnung und Wirkung desTabelleneintrags im Insolvenzverfah-ren

1. Grundlage für die Forderungsanmeldung imInsolvenzverfahren nach §§ 174 ff. InsO ist dergem. §§ 16 ff. UStG berechnete Steueranspruchfür das Kalenderjahr. Im Jahr der Insolvenzeröff-nung ist die anzumeldende Steuer für den Zeit-raum bis zur Insolvenzeröffnung zu berechnen.

2. Die Steuerberechnung gem. §§ 16 ff. UStG un-terliegt weder den Beschränkungen der Insolvenz-aufrechnung noch denen der Insolvenzanfech-tung.

3. Werden zur Insolvenztabelle angemeldete An-sprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ohne Wi-derspruch in die Tabelle eingetragen, kommt derEintragung dieselbe Wirkung wie der beim Be-streiten vorzunehmenden Feststellung gem. § 185InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO zu und kann wie die-se unter den Voraussetzungen des § 130 AO geän-dert werden.

BFH v. 24.11.2011 – V R 13/11AO § 130, § 251; UStG §§ 16 ff.; Richtlinie 77/388/EWG Art. 18 Abs. 4; Richtlinie 67/227/EWG Art. 2;InsO § 174, § 178, § 185

Das Problem: Nachdem am 23.8.2006 das Insolvenzver-fahren eröffnet war, meldete das FA aufgrund der Um-satzsteuer-Voranmeldungen eine Insolvenzforderung fürUmsatzsteuer Juni bis August 2006 an. Die Forderungs-anmeldung wurde vom Insolvenzverwalter zur Tabelleanerkannt und in die Tabelle als festgestellt eingetragen.Am 25.5.2007 ging beim FA eine Umsatzsteuererklärungfür den Zeitraum 1.1. bis 22.8.2006 ein, die eine geringe-re Steuerschuld als nach den Umsatzsteuer-Voranmeldun-gen für 2006 auswies. Das FA behandelte die Umsatz-steuererklärung als Antrag auf Änderung des Tabellenein-trags und lehnte diesen Antrag ab, weil der Tabellenein-trag gem. § 178 Abs. 3 InsO wie ein rechtskräftiges Urteilwirke und nur unter den Voraussetzungen einer Restitu-tionsklage abzuändern sei.

Die Lösung des Gerichts: Nach dem BFH-Urteil kanndie unwidersprochene Anmeldung zur Forderungstabelleunter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 AO geändertwerden. Für die festgestellte Forderung wirkt die Eintra-

gung in die Tabelle nach § 178 Abs. 3 InsO wie einrechtskräftiges Urteil. Die Urteilswirkung des § 178Abs. 3 InsO entfällt aber bei der Eintragung von Ansprü-chen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 2 AO)ebenso wie beim Erlass eines Feststellungsbescheids nachBestreiten gem. § 185 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO unterden Voraussetzungen des § 130 AO.

Konsequenzen für die Praxis: Bei Ansprüchen aus demSteuerschuldverhältnis tritt beim Bestreiten einer ange-meldeten Forderung an die Stelle des Feststellungsurteilsgem. § 185 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO der Erlass einesbehördlichen Feststellungsbescheids. Dieser ist nach§ 130 Abs. 1 AO änderbar. Nach dieser Vorschrift kannein rechtswidriger VA, auch nachdem er unanfechtbar ge-worden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zu-kunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen wer-den. Es gibt keinen Grund, der Eintragung aufgrund blo-ßer Feststellung ohne Bestreiten weiter gehende Rechts-folgen als einer Feststellung nach Bestreiten zuzubilligen.Bei der Eintragung von Ansprüchen aus dem Steuer-schuldverhältnis ist § 178 Abs. 3 InsO daher einschrän-kend dahingehend auszulegen, dass dieser Eintragung le-diglich die Wirkung einer behördlichen Feststellung nachBestreiten gem. § 185 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO zu-kommt und wie diese unter den Voraussetzungen des§ 130 AO geändert werden kann, wobei die Entscheidunghierüber wie beim rechtzeitigen Bestreiten von der Ver-waltungsbehörde zu treffen ist.

Beraterhinweis: Dass der Gesetzgeber in § 130 Abs. 1AO die Rücknahme des VA in das Ermessen der Finanz-behörden gestellt hat, zeigt, dass einerseits nicht jeder alsrechtswidrig erkannte belastende VA zurückzunehmenist, während es andererseits auch nicht dem Zweck derErmächtigung zur Ermessensausübung entspricht, das Er-messen grundsätzlich nicht zugunsten der Steuerpflichti-gen auszuüben. Bei der Entscheidung, ob einem Begeh-ren auf Rücknahme eines unanfechtbaren VA zu entspre-chen ist, hat die Verwaltung daher im konkreten Fall ab-zuwägen, ob dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Ver-waltung und der Gerechtigkeit im Einzelfall oder dem In-teresse der Allgemeinheit am Eintritt von Rechtsfriedenund Rechtssicherheit der Vorzug zu geben ist. Dabeikommt es auf die Schwere und Offensichtlichkeit desRechtsverstoßes sowie darauf an, weshalb die Rechtswid-rigkeit des VA erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfristvom Steuerpflichtigen geltend gemacht wird. Deshalb istdas Ermessen durch das FA i.d.R. ermessensfehlerfreiausgeübt, wenn der Adressat die Gründe, die seiner Auf-fassung nach eine Rücknahme rechtfertigen, mit einemfristgerecht eingelegten Einspruch gegen den Bescheidhätte vorbringen können und keine besonderen Umständevorliegen, nach denen vom Adressaten die Rechtsverfol-gung im Einspruchsverfahren unter Berücksichtigung al-ler Umstände billigerweise nicht erwartet werden konnte.Nach diesen Grundsätzen übt das FA im Streitfall sein Er-messen nur dann fehlerfrei aus, wenn es einen der Um-satzsteuererklärung für den Zeitraum 1.1. bis 22.8.2006entsprechenden geänderten Tabelleneintrag veranlasst.

RA/StB Dr. Ernst E. Stöcker, Köln

14 AO-StB 1/2012Kurzanalysen mit Beraterhinweis

Rechtsprechung

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z Pflicht zur Abgabe der Anlage EÜRrechtmäßig

Die in § 60 Abs. 4 EStDV enthaltene Pflicht zurAbgabe der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3EStG auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck(Anlage EÜR) ist verhältnismäßig und zur Errei-chung der verfolgten Ziele geeignet.

BFH v. 16.11.2011 – X R 18/09AO § 118; EStG § 4 Abs. 3; EStDV § 60 Abs. 4

Das Problem: Im Streitfall reichte der seinen Gewinnnach § 4 Abs. 3 EStG ermittelnde Gewerbetreibende fürden Feststellungszeitraum 2006 (gesonderte Feststellung)nicht, wie in § 60 Abs. 4 EStDV vorgeschrieben, eineAnlage EÜR ein, sondern eine unter Anwendung der DA-TEV-Software erstellte Überschussrechnung. Das FAstellte den Gewinn wie erklärt fest, forderte den Steuer-pflichtigen jedoch gleichwohl zur Abgabe einer AnlageEÜR auf. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab dasFG dem Steuerpflichtigen recht, da es § 60 Abs. 4 EStDVfür unwirksam hielt, weil diese Vorschrift sich nicht imRahmen ihrer Ermächtigungsgrundlage halte (FG Müns-ter v. 17.12.2008 – 6 K 2187/08, EFG 2009, 818).

Die Lösung des Gerichts: Auf die Revision des FA hinhob der BFH das angefochtene Urteil auf und wies dieKlage ab. Zunächst stellte er fest, dass es sich bei derAufforderung, die Anlage EÜR innerhalb von vier Wo-chen nachzureichen, um einen anfechtbaren VA handelt.Denn auch die lediglich gesetzeskonkretisierende Auffor-derung zur Einreichung von Unterlagen, die der Steuerer-klärung beizufügen sind, stellt bereits einen VA dar. Umdie Vorlage von Unterlagen mit Zwangsmitteln erzwingenzu können, bedarf auch die abstrakte Pflicht zur Beifü-gung bestimmter Unterlagen der Konkretisierung und In-dividualisierung durch einen VA.

Nach Auffassung des BFH enthält § 60 Abs. 4 EStDVauch eine hinreichende Bestimmung von Inhalt, Zweckund Ausmaß der erteilten Ermächtigung. Inhalt der Er-mächtigung ist die Festlegung der den Einkommensteuer-erklärungen beizufügenden Unterlagen. Ihr Zweck liegtin der Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerungoder der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens. DasAusmaß der Ermächtigung geht auch nicht über das zurWahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung oder derVereinfachung des Besteuerungsverfahrens Erforderlichehinaus. Durch die Vorschrift sowie den vorgegebenenVordruck wird auch keine neue Form der Gewinnermitt-lung eingeführt. Vielmehr handelt es sich lediglich um ei-ne Konkretisierung und Standardisierung derjenigen An-gaben, die die Steuerpflichtigen in Fällen der Einnahme-Überschussrechnung bereits vor Inkrafttreten des § 60Abs. 4 EStDV zu machen hatten. Letztlich stehen auchdie Grundsätze des Parlamentsvorbehalts der Wirksam-keit des § 60 Abs. 4 EStDV nicht entgegen, da bei Ände-rung einer Rechtsverordnung durch den Parlamentsge-setzgeber das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GGnicht befolgt zu werden braucht.

Konsequenzen für die Praxis: Die Entscheidung hatüber die eigentliche entschiedene Rechtsfrage hinaus wei-

ter gehende Bedeutung, da sich der BFH ziemlich aus-führlich mit den sich verschärfenden elektronischen Kon-trollmechanismen im Bereich der Gewinneinkünfte ausei-nandersetzt. Er hält dies ausdrücklich für zulässig undkonstatiert dem Gesetzgeber auch ein schrittweises Ein-führen derartiger Mechanismen zunächst im Rahmen der(einfacheren) Gewinnermittlung durch Überschussrech-nung und sodann zeitversetzt demnächst im Bereich derGewinnermittlung durch Bestandsvergleich durch Ein-führung der E-Bilanz.

Beraterhinweis: Die Entscheidung macht deutlich, dassdie Finanzverwaltung nicht nur zur elektronischen Über-prüfung von Steuererklärungsdaten berechtigt ist, sondernauch bereits nahezu sämtliche Bereiche der Einkommen-steuererklärung erfasst sind. Mit der Einführung der E-Bi-lanz grundsätzlich für Wirtschaftsjahre, die nach dem31.12.2011 beginnen, fällt dann auch die „letzte Bastion“in Form der dann auch elektronisch abzugebenden undverkennzifferten Gewinnermittlung durch Bestandsver-gleich. Im Verglich zur Anlage EÜR werden sich dieelektronischen Überprüfungsmechanismen in ganz we-sentlichem Umfang erhöhen. Der BFH hat es daher alsdurchaus legitim erachtet, zunächst mit der einfacherenGewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu beginnen undhier die Verkennzifferung zu testen, bevor eine entspre-chende Standardisierung von Bilanzen und Gewinn- undVerlustrechnungen vorgenommen wird.

Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg

Die Literatur,

die Sie kennen müssen!

z Keine Angst vor dem FG!

Nacke gibt als Finanzrichter in seiner zweiteiligen Ab-handlung wertvolle Hinweise für Berater zum Umgangmit dem FG. Als wesentliche Ursache für die Zurückhal-tung von StB, gegen Einspruchsbescheide zu klagen,nennt er die mangelnde Kenntnis des FG-Verfahrens.Dies führe in der Tat häufig dazu, dass Klagen vor demFG unzulässig seien. In dem Beitrag stellt er deshalb diewesentlichen Grundlagen des Verfahrensrechts beim FGdar und gibt auch Einblicke in die internen verfahrensmä-ßigen Abläufe des Gerichts. Zusätzlich gibt er zahlreichepraktische Hinweise für den Umgang mit dem Gericht.Schwerpunktmäßig stellt er die Fragen zur Klagerhebungdar, insb. zur Fristberechnung, zu den Klagearten, zumInhalt der Klageschrift, zum verfahrenstechnischen Um-gang mit der Klage innerhalb des FG, zur Vorfälligkeits-gebühr und zum Ablauf des sog. vorbereitenden Verfah-rens durch den Berichterstatter. Ausgiebig widmet er sichder notwendigen Bezeichnung des Klagebegehrens undden Voraussetzungen und Rechtswirkungen der Aus-schlussfristen nach § 65 Abs. 2 Satz 2 und 3 sowie § 79bFGO. Er hebt die Maßnahmen zur Vorbereitung der

AO-StB 1/2012 15Kurzanalysen mit Beraterhinweis

Literatur

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mündlichen Verhandlung hervor und die in diesem Zu-sammenhang große Bedeutung eines Erörterungstermins.

In zweiten Teil seiner Darstellung widmet sich der Autorden Themen des vorläufigen Rechtsschutzes, der mündli-chen Verhandlung, dem Inhalt eines Gerichtsbescheidesoder Urteils sowie den Verfahrenskosten. Schwerpunkt-mäßig handelt er den im Vordergrund stehenden Rechts-schutz in Form der Aussetzung der Vollziehung nach§ 69 Abs. 2 und 3 FGO ab und weist auf die häufig nichthinreichend beachtete Zugangsvoraussetzung nach § 69Abs. 4 FGO hin.

Der Beitrag muss sich aus Platzgründen auf die wesentli-chen Grundlagen des FG-Verfahrens beschränken, so dasszwangsläufig eine Vielzahl gleichermaßen wichtiger De-tails unerwähnt geblieben ist. Unter den Fallgruppen derVerlängerung der Klagefrist ist zumindest die Regelungin § 55 Abs. 2 FGO zu erwähnen, wonach im Falle einerunterbliebenen oder unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrungfür die Einlegung des Rechtsbehelfs (Klage) eine Jahres-frist zum Zuge kommt. In Fällen einer unwirksamen Be-kanntgabe oder Zustellung beginnen Rechtsbehelfsfristenerst mit dem nachweisbaren Zugang des Schriftstücksbeim Empfangsberechtigten zu laufen (§ 8 VwZG).

Ein kurzer Hinweis ist auch auf die Sonderformen beiVA-bezogenen Klagen angebracht, und zwar im Interesseder Beschleunigung des Verfahrens, insb. bei bindendenVerwaltungsanweisungen, auf die Möglichkeit einerSprungklage gem. § 45 FGO, ferner im Falle der Untätig-keit der Verwaltung durch Nichtbescheidung eines Ein-spruchs auf die Möglichkeit einer Untätigkeitsklage nach§ 46 FGO und schließlich in den Fällen einer Erledigungdes VA, sei es bereits vor Erhebung der Klage oder erstwährend des FG-Verfahrens, auf die Möglichkeit derFortsetzungsfeststellungsklage gem. § 100 Abs. 1 Satz 4FGO.

Beraterhinweis: Insgesamt gibt der Beitrag wertvolleHinweise für den Berater und auch den Steuerpflichtigen,um ihnen den Zugang zum FG zu erleichtern. Der Erfolgfinanzgerichtlicher Rechtsbehelfe hängt indes häufig be-reits wesentlich vom Vorgehen im Besteuerungsverfahrenund spätestens im außergerichtlichen Rechtsbehelfsver-fahren (vgl. z.B. § 364b AO) ab. Insb. eine außergerichtli-che Verständigung sollte vorrangig im Rahmen des außer-gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens versucht werden,vorzugsweise im Rahmen einer Erörterung der Sach- undRechtslage gem. § 364a AO mit der Finanzbehörde.

Dem Wunsch der FG, bereits im Anschluss an eine Kla-geverfügung sich zum Verzicht auf die mündliche Ver-handlung gem. § 90 Abs. 2 FGO und ggf. mit einem Ein-verständnis der Entscheidung durch den konsentiertenEinzelrichter nach § 79a Abs. 3 und 4 FGO zu äußern,sollte keinesfalls vorschnell entsprochen werden. Derarti-ge Prozesserklärungen sind nicht mehr frei widerruflich.Insb. die mündliche Verhandlung bietet größere Möglich-keiten, das rechtliche Gehör in Anspruch zu nehmen. In-tensiv nutzen sollte der Berater hingegen das Instrumentdes Erörterungstermins nach § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1FGO. Im Rahmen derartiger Erörterungstermine gelingtvielfach nicht nur eine Beilegung des konkreten Streit-falls, sondern darüber hinaus bei weiteren, noch gar nicht

beim FG anhängigen Rechtsbehelfen eine Gesamtbereini-gung. Gewinnt der Berater nach dem Verlauf des Erörte-rungstermins einen insgesamt positiven Eindruck, sokann er nunmehr auf mündliche Verhandlung eventuellverzichten und ggf. auch sein Einverständnis mit einerEinzelrichterentscheidung erklären. Schließlich kann dasFG auch ohne Einverständnis der Beteiligten bei einem500 € nicht übersteigenden Streitwert ohne mündlicheVerhandlung entscheiden. Der Autor empfiehlt darüberhinaus eine frühzeitige und häufige Kontaktaufnahmezum Berichterstatter. Diese Empfehlung mag aus derSicht des Beraters durchaus zweckmäßig und hilfreich er-scheinen, begegnet indes unter dem Gesichtspunkt des al-len Beteiligten, also auch der Finanzbehörde, zu gewähr-enden rechtlichen Gehörs und der Wahrung des Grundsat-zes eines fairen Verfahrens gewissen Bedenken.

Zurückhaltung sollte der Berater auch gegenüber derEmpfehlung des Autors üben, einen konkret beziffertenKlageantrag zu stellen. Er kann sich auch auf einen sach-verhaltsbezogenen Klageantrag beschränken und dadurchein möglicherweise teilweises Unterliegen vermeiden, et-wa weil er eine Gewerbesteuerrückstellung oder die zu-mutbare Belastung gem. § 33 Abs. 3 EStG nicht hinrei-chend bei einer konkreten Steuerberechnung berücksich-tigt hat. Bei Billigkeitsentscheidungen muss der Beraterüberdies beachten, dass er zur Vermeidung eines teilweisekostenpflichtigen Unterliegens i.d.R. nur einen Beschei-dungs- und keinen Verpflichtungsantrag stellt (vgl. § 101Satz 2 FGO).

Wegen der weit reichenden Folgen der Regelung in § 295ZPO (sog. verzichtbare Verfahrensmängel) für ein not-wendig werdendes Rechtsmittelverfahren vor dem BFH,muss jeder Berater sich unbedingt mit den Voraussetzun-gen und den Rechtsfolgen dieser bedeutsamen Vorschriftbefassen (vgl. BFH v. 28.10.2008 – VIII B 62/07, juris; v.11.1.2011 – I B 87/10, BFH/NV 2011, 836).

Diese Anregungen schmälern indes in keiner Weise denwertvollen Informationsgehalt des sehr anschaulichenBeitrags.

Fundstelle:

Nacke, NWB 2011, 3876 (Teil I) und 3954 (Teil II)

z Zum Hilfsantrag im Steuerprozess

Der Beitrag von Grube befasst sich schwerpunktmäßigmit der Stellung von Hilfsanträgen durch den Kläger alsbeachtliches Mittel zur Gestaltung seines Steuerrechts-streits. Da Hilfsanträge auch den allgemeinen Anforde-rungen an Klageanträge gerecht müssen, macht der Autorzunächst Ausführungen zum „Normalfall“ einer Klage imFinanzprozess. Außer der Grundvoraussetzung, dass tat-sächlich „Klage“ zum FG erhoben wird, „muss“ die Kla-ge den Kläger, den Beklagten, den Gegenstand des Kla-gebegehrens, bei Anfechtungsklagen auch den angegrif-fenen VA und die Einspruchsentscheidung „bezeichnen“(§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO). Deshalb sind diese Anforde-rungen grundsätzlich innerhalb der gesetzlichen Klage-frist von einem Monat (§ 47 Abs. 1 FGO) zu erfüllen. Die

16 AO-StB 1/2012Kurzanalysen mit Beraterhinweis

Literatur

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Klagefrist stellt eine gesetzliche Ausschlussfrist dar, dienicht verlängerungsfähig ist. Die Rspr. folgert allerdingsaus § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO, dass es zur Wahrung auchausreicht, wenn der Kläger innerhalb einer vom Senats-vorsitzenden beim FG gem. § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO fürdie Ergänzung mit ausschließender Wirkung gesetztenFrist Ergänzungen hinsichtlich der in Abs. 1 Satz 1 ge-nannten Erfordernisse vornimmt (BFH v. 12.9.1995 – IXR 78/94, BStBl. II 1996, 16). Ohne diese Regelung könn-te die an sich nicht ordnungsgemäße Klage den Eintrittder Bestandskraft nicht aufhalten. Allerdings ist zu beach-ten, dass innerhalb der Klagefrist mindestens ein – ergän-zungsfähiges – Minimum für ein Klagebegehren erfülltsein muss (BFH v. 7.11.2007 – I B 104/07, BFH/NV2008, 799). Jedenfalls lässt die Rspr. großzügig Ergän-zungen auch hinsichtlich der sog. Muss-Bestandteile derKlage zu (krit. Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler,AO/FGO, § 47 FGO Rz. 110 ff. [März 2011] m.w.N.).

Der Autor weist darauf hin, dass bei Steuerbescheidendas Klagebegehren nicht die einzelnen Besteuerungs-grundlagen, sondern die Rechtmäßigkeit des angefochte-nen Steuerbescheides insgesamt umfasst. Hingegen kön-ne der Streitgegenstand bei Feststellungsbescheiden i.S.d.§§ 179 ff. AO enger sein. Anders als im außergerichtli-chen Rechtsbehelfsverfahren (BFH v. 4.11.2003 – VIII R38/01, BFH/NV 2004, 1372) werden die nicht innerhalbder Klagefrist ordnungsgemäß angefochtenen gesonder-ten Feststellungen grundsätzlich formell bestandskräftig(BFH v. 9.2.2011 – IV R 15/08, BStBl. II 2011, 764).

Grube weist zu Recht darauf hin, dass nach § 65 Abs. 1Satz 2 FGO ein bestimmter Antrag lediglich gestellt wer-den soll. Wird eine mündliche Verhandlung durchgeführt,so genügt es, die Anträge erst in diesem Zeitpunkt zu stel-len. Damit wird vermieden, dass der Eintritt einer Teilbe-standskraft des angefochtenen Einkommensteuerbeschei-des erwogen wird, weil der Kläger bereits während derKlagefrist eindeutig zu erkennen gegeben habe, von ei-nem weitergehenden Klagebegehren abzusehen (BFH v.23.10.1989 – GrS 2/87, BStBl. II 1990, 327 [330]). Dabeiempfiehlt es sich, den Klageantrag sachverhaltsbezogenund nicht auf einen bestimmten Steuerbetrag beziffert zustellen.

Der Kläger kann auch mehrere Klagebegehren im Rah-men einer Klage zusammenfassen, wenn sie sich gegendasselbe FA richten, die Klagebegehren in einem Zusam-menhang stehen und hierfür dasselbe FG zuständig ist,(§ 43 FGO). Zumeist werden Eventualanträge für den Fallgestellt, dass der primär gestellte Hauptantrag erfolglosbleibt. Grundsätzlich hat der Kläger auch die Reihenfolgeseiner Anträge klarzustellen. Diese Reihenfolge bindetdas Gericht nur dann nicht, wenn es um die – stets vonAmts wegen – zu prüfende Rechtsfrage geht, ob der ange-fochtene Bescheid nichtig oder unwirksam ist. Geht dervom Kläger gestellte Hilfsantrag über seinen Hauptantraghinaus, so muss das FG zunächst über den weitergehen-den Hilfsantrag als dem eigentlichen Hauptantrag ent-scheiden (BFH v. 9.2.2011 – IV R 15/08, BStBl. II 2011,764).

Wird nach Ablauf der Klagefrist für den Hauptantrag einHilfsantrag gestellt, so ist nach h.M. vor der Frage der

Klagenhäufung i.S.d. § 43 FGO zunächst zu prüfen, obeine Klageänderung vorliegt. Eine Klageänderung istnach st. Rspr. – ausnahmslos – nur zulässig wenn auch in-soweit die Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt sind(BFH v. 19.5.2004 – III R 18/02, BStBl. II 2004, 980).Grube meint, soweit die Kommentarliteratur überwiegenddavon ausgehe, dass jede Klageänderung nur innerhalbder ursprünglichen Klagefrist zulässig sei, könne dem nurfür Fälle des Beteiligtenwechsels, also der subjektivenKlagenhäufung, gefolgt werden, nicht hingegen der Än-derung des Klagebegehrens. Indes ist höchstrichterlichauch für die objektive Klageänderung eindeutig geklärt,dass über die Tatbestandsvoraussetzungen in § 67 FGOhinaus bei VA-bezogenen Klagen die Sachentscheidungs-voraussetzungen für das geänderte Klagebegehren, insb.die Klagefrist, zu wahren sind (jüngst z.B. BFH v.9.2.2011 – IV R 15/08, BStBl. II 2011, 764). Die Erset-zung eines Änderungsantrages durch einen Aufhebungs-antrag ist auch dann als zulässig anzusehen, wenn der an-gefochtene Bescheid nicht nur der Höhe nach, sondernbereits dem Grunde nach, z.B. wegen fehlender Korrek-turnorm, keinen Bestand haben kann. In derartigen Fällenempfiehlt es sich freilich, neben dem neuen Aufhebungs-antrag den bisherigen Änderungsantrag weiterhin hilfs-weise zu stellen. Ausführlich geht der Autor auf die Stel-lung von Hilfsanträgen bei unwirksamen/fehlerhaften Be-scheiden ein. Zwar gilt der gesetzliche Vorrang der An-fechtungs- vor der Feststellungsklage (§ 41 Abs. 2 Satz 1FGO) beim Rechtsschutz gegen nichtige Bescheide nicht(§ 41 Abs. 2 Satz 2 FGO). Dies schließt indes die Stel-lung von Hilfsanträgen nicht aus.

Beraterhinweis: Der Beitrag enthält für den Rechts-schutzsuchenden, insb. die beratenden Berufe, sehr infor-mative wichtige Hinweise sowohl zum Klageantrag alsauch zu der Problematik von Hilfsanträgen (dazu auchSteinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 43FGO Rz. 176 ff. [Juni 2009] m.w.N.). Der These des Au-tors, im Falle einer nachträglichen objektiven Klagehäu-fung, sei auch nach der Rspr. das Vorliegen der Tatbe-standsvoraussetzungen in § 67 FGO ausreichend, ist in-des nicht zu folgen. Der Autor hat zur Frage der inhaltli-chen Ausgestaltung von Klageanträgen u.a. auch auf ei-nen Beschluss des BFH (BFH v. 17.1.2007 – VI B 114/01, BStBl. II 2002, 306) hingewiesen, wonach ein bloßerAufhebungsantrag ausreiche, wenn das FA den Antragdes Steuerpflichtigen auf Änderung eines Bescheids ab-gelehnt habe. Der Beschluss enthält wertvolle Ausführun-gen zu den Anforderungen an Klageanträge. Wie weit dasKlagebegehren im Einzelnen zu substantiieren ist, hängtvon den Umständen des Falles ab, insb. von dem Inhaltdes angefochtenen VA, der Steuerart und der Klageart.Entscheidend ist, ob das Gericht durch die Angaben desKlägers in die Lage versetzt wird, zu erkennen, worin dieden Kläger treffende Rechtsverletzung nach dessen An-sicht liegt. Der Zweck des § 65 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 65Abs. 2 Satz 1 FGO besteht allein darin, das FG in die La-ge zu versetzen, die Grenzen der eigenen Entscheidungs-befugnis bestimmen zu können. In der Sache ist die gem.§ 116 Abs. 6 FGO getroffene Entscheidung indes zweifel-haft, weil das eigentliche Ziel des klägerischen Begehrensauf eine Änderung des Bescheides gerichtet war und des-

AO-StB 1/2012 17Kurzanalysen mit Beraterhinweis

Literatur

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halb für einen bloßen Aufhebungsantrag anstelle einesdem wirklichen Klagebegehren Rechnung tragenden Ver-pflichtungsantrags kein Rechtsschutzbedürfnis bestandenhaben dürfte (vgl. BFH v. 12.6.1997 – I R 70/96, BStBl. II1998, 38; BVerwG v. 21.11.1986 – 8 C 127/84, BStBl. II1987, 472).

Nach § 76 Abs. 2 FGO hat der Vorsitzende beim FG zwarauf die Stellung klarer Anträge hinzuwirken. Indes weistder Autor zutreffend darauf hin, dass der Kläger sich da-rauf allein nicht verlassen sollte, weil der BFH einen Ver-stoß gegen § 76 Abs. 2 FGO regelmäßig nicht annimmt,insb. wenn der Steuerpflichtige fachkundig vertreten ist.

Nach der Rspr. ist sowohl ein auf Aufhebung gerichteterHauptantrag als auch ein nur hilfsweise auf Feststellungder Unwirksamkeit gerichteter Antrag zulässig. Ebenso

lässt die Rspr. aber auch den Antrag auf Nichtigkeitsfest-stellung und nur hilfsweise auf Aufhebung des Bescheidszu. Im Einzelfall sollte bei der Reihenfolge darauf abge-stellt werden, wie wahrscheinlich die Nichtigkeit oderUnwirksamkeit des Bescheides ist. Freilich ist insoweitzu berücksichtigen, dass bei einer Anfechtungsklage dergesamte Bescheid von Amts wegen auf dessen Rechtmä-ßigkeit zu überprüfen ist, während die Nichtigkeitsfest-stellungsklage auf die entsprechende Feststellung be-schränkt ist.

Fundstelle:

Georg Grube, DStZ 2011, 913

RiBFH a.D. Dieter Steinhauff, München

Beiträge für die Beratungspraxis

Erfolgreicher Steuer-Rechtsschutz

n Die Richterablehnung im verfassungsprozessualen Kontext

von Dr. Roberto Bartone*

I. Einleitung

In der finanzgerichtlichen Praxis und in der höchstrichter-lichen Finanzrechtsprechung spielt die Ablehnung vonRichtern wegen der Besorgnis der Befangenheit (§ 51Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 41 ff. ZPO, § 51 Abs. 3 FGO) im-mer wieder einmal eine Rolle. Sei es, weil die Verfahrens-beteiligten tatsächlich objektive Anhaltspunkte dafür ha-ben, dass der Richter sich ihres Falles nicht unvoreinge-nommen annimmt, sei es – und dies dürfte in der Praxisüberwiegend der Fall sei – weil Kläger und/oder Bevoll-mächtigte eine zügige und ungestörte Durchführung desFG-Verfahrens verhindern oder eine vermeintlich güns-tigere Besetzung der Richterbank erreichen wollen.Gleichwohl ist die Möglichkeit der Richterablehnung auseinem rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren nicht wegzu-denken, da dieses Institut des Prozessrechts eine bedeu-tende verfassungsrechtliche Dimension hat.

Mit der Richterablehnung im finanzgerichtlichen Verfah-ren haben sich in dieser Zeitschrift bereits Krömker,Loschelder und Nieland befasst (Krömker, AO-StB 2003,270; Loschelder, AO-StB 2004, 102; Nieland, AO-StB2003, 8). Der vorliegende Beitrag knüpft an diese Beiträ-ge an, richtet jedoch den Fokus auf die verfassungsrecht-lichen und verfassungsprozessualen Aspekte. Daher sollwegen des Verfahrens der Richterablehnung nach § 51Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 41 ff. ZPO auf die genannten Bei-träge verwiesen werden.

II. Verfassungsrechtlicher Hintergrund: Der gesetzli-che Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG)

Subjektiver Anspruch auf den gesetzlichen Richter:Nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darf niemand seinem ge-setzlichen Richter entzogen werden. Die Norm gewährtdamit einen subjektiven Anspruch auf den gesetzlichenRichter, der sich aus dem GVG, den Prozessordnungen –

also auch der FGO – sowie den Geschäftsverteilungs-und Besetzungsregelungen des Gerichts ergibt (s. zu die-sem Aspekt z.B. Bartone, AO-StB 2008, 224). Darüberhinaus wird durch die Verfassung gewährleistet, dass nie-mand vor einem Richter steht, dem es an der gebotenenNeutralität fehlt. Die Frage, ob Befangenheitsgründe ge-gen die Mitwirkung eines Richters sprechen, berührt dieprozessuale Rechtsstellung der Verfahrensbeteiligten (vgl.BVerfGE 89, 28 [36]; BVerfG, v. 28.4.2011 – 1 BvR2411/10, NJW 2011, 2191).

Neutralität und Distanz zur Entscheidung: Bei der An-wendung der Vorschriften über die Ausschließung undAblehnung von Richtern ist zu beachten, dass diese Nor-men dem durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgtenZiel dienen, auch im Einzelfall die Neutralität und Dis-tanz der zur Entscheidung berufenen Richter zu sichern.Für den Zivilprozess und damit über § 54 Abs. 1 VwGOauch für den Verwaltungsprozess – und über § 51 Abs. 1

* Der Autor ist Richter am FG und Lehrbeauftragter an der Uni-versität des Saarlandes. Er war von 2007 bis 2009 wissen-schaftlicher Mitarbeiter am BVerfG.

18 AO-StB 1/2012Beiträge für die Beratungspraxis

Erfolgreicher Steuer-Rechtsschutz

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FGO für den Finanzprozess – enthalten die §§ 44 ff. ZPORegelungen über das Verfahren zur Behandlung des Ab-lehnungsgesuchs und bestimmen, dass das Gericht, demder Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung zurEntscheidung auf der Grundlage einer dienstlichen Äuße-rung des abgelehnten Richters berufen ist. Durch dieseZuständigkeitsregelung wird dem Umstand Rechnung ge-tragen, dass die Annahme nahe liegt, es werde an der in-neren Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines Richtersfehlen, wenn er über die vorgetragenen Gründe für seineangebliche Befangenheit selbst entscheiden muss (vgl.BVerfG v. 24.2.2006 – 2 BvR 836/04, BVerfGK 7, 325[337] für den Strafprozess; v. 20.7.2007 – 1 BvR 3084/06, www.bverfg.de, Rz. 17 für den Zivilprozess; v.18.12.2007 – 1 BvR 1273/07, BVerfGK 13, 72 [77 f.] fürden Verwaltungsprozess; v. 28.4.2011 – 1 BvR 2411/10,NJW 2011, 2191).

III. Verfassungsprozessuale Bedeutung

Die Richterablehnung ist in verfassungsprozessualer Hin-sicht von zweifacher Bedeutung:l Zum einen besteht eine Verbindung zum Verfas-

sungsbeschwerdeverfahren, wie im Folgenden zu zei-gen sein wird;

l zum anderen enthält das Verfassungsprozessrechtselbst in §§ 18 und 19 BVerfGG Vorschriften überden Ausschluss und die Ablehnung von Richtern desBVerfG in verfassungsgerichtlichen Verfahren. Auchhierauf wird einzugehen sein.

1. Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GGi.V.m. §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG)

Mit der Verfassungsbeschwerde kann der Beschwerde-führer die Verletzung von Grundrechten und den in § 90Abs. 1 GG (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) genannten grund-rechtsgleichen Rechten geltend machen. Dazu gehörtauch das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101Abs. 1 Satz 2 GG (zu den weiteren Grundrechten undgrundrechtsgleichen Rechten im FG-Verfahren s. Barto-ne, AO-StB 2008, 224).

a) Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde

Die Frage der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerdesoll nur unter dem Aspekt des vorliegend behandeltenThemas besprochen werden (wegen der weiteren Zuläs-sigkeitsvoraussetzungen s. z.B. Werth, AO-StB 2007, 24;Bartone in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 20. Aufl. 2011,Vor FGO, Rz. 59 ff.; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO,VerfRS, Rz. 37 ff. [April 2008]).

aa) Subsidiarität

Rechtswegerschöpfung: Die Zulässigkeitsvoraussetzun-gen für die Verfassungsbeschwerde ergeben sich – unmit-telbar und mittelbar – aus §§ 90 ff. BVerfGG. Eine dieserVoraussetzungen wird nicht immer hinreichend beachtetund führt in der verfassungsgerichtlichen Praxis sehr häu-fig zur Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde (vgl.§§ 93a, 93b, 93d Abs. 1 BVerfGG). Der Grundsatz derSubsidiarität wurde vom BVerfG aus § 90 Abs. 2BVerfGG – dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung

– entwickelt (vgl. hierzu z.B. Lechner/Zuck, BVerfGG,6. Aufl. 2011, § 90 Rz. 157 ff.; s. auch Bartone in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 20. Aufl. 2011, Vor FGO,Rz. 59a; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, VerfRS, Rz. 42 ff.[April 2008]). Er fordert, dass ein Beschwerdeführer überdas Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs im engerenSinne hinaus alle nach Lage der Sache zur Verfügung ste-henden weiteren Möglichkeiten ergreift, um eine Korrek-tur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu er-reichen oder diese zu verhindern (vgl. BVerfG v.9.10.2001 – 1 BvR 622/01, BVerfGE 104, 65, 70).

Ausschöpfung aller finanzprozessualen Möglichkei-ten: Dies muss auch der Kläger in einem finanzgerichtli-chen Verfahren beachten, wenn er sein Recht aus Art. 101Abs. 1 Satz 2 GG durch einen Fehler in der Besetzungdes FG oder des BFH verletzt sieht. Insbesondere in Be-zug auf die Richterablehnung muss der Kläger und nach-malige Beschwerdeführer deshalb zunächst alle fachge-richtlichen, d.h. finanzprozessualen Möglichkeiten aus-schöpfen, um seinem Ablehnungsgesuch zum Erfolg zuverhelfen. Er wird ansonsten keinen Erfolg im Verfas-sungsbeschwerdeverfahren haben. Nur dann, wenn derBeschwerdeführer im fachgerichtlichen Verfahren keineMöglichkeit hatte, die Rechtsverletzung geltend zu ma-chen, weil etwa die letztinstanzliche Entscheidung durcheinen nicht ordnungsgemäß besetzten Spruchkörper beimBFH gefällt wurde, scheitert die Verfassungsbeschwerdein diesem Punkt nicht aus Gründen der Subsidiarität.

Das dies nicht im einfach ist, zeigt das folgende Beispielaus dem allgemeinen Verwaltungsprozessrecht (BVerfGK13, 72):

Beispiel

Die Kläger hatten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einenRichter der Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.Das VG hat dieses Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Hiergegenhat der Kläger keinen weiteren Rechtsbehelf mehr ergriffen, son-dern sich unmittelbar an das BVerfG gewandt, das die Verfassungs-beschwerde wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung annahm.Den Nichtannahmebeschluss begründete das BVerfG damit, dasszwar ein die Ablehnung einer Gerichtsperson betreffender Be-schluss nicht mit der Beschwerde anfechtbar sei, doch hätten dieBeschwerdeführer die von ihnen gerügte Grundrechtsverletzung zu-nächst mit einem Antrag auf Zulassung der Berufung (§ 124,§ 124a VwGO) gegen das Urteil beim OVG (bzw. VGH) geltendmachen müssen. Ein derartiger Rechtsbehelf wäre aus Sicht desBVerfG nicht offensichtlich aussichtslos und seine Erhebung daherim Sinne des Grundsatzes der Subsidiarität geboten gewesen.

Zwar kann nach überwiegender Rechtsprechung der OVG ein An-trag auf Zulassung der Berufung grundsätzlich nicht darauf gestütztwerden, dass ein Befangenheitsantrag während des der Sachent-scheidung vorausgehenden Verfahrens zu Unrecht abgelehnt wor-den sei (vgl. OVG NW v. 7.8.2001 – 1 A 3047/01, NVwZ-RR2002, 541). Doch lässt eine verbreitete – auch von dem Verwal-tungsgerichtshof, der im hier dargestellten Fall über einen Antragauf Zulassung der Berufung zu entscheiden gehabt hätte – vertrete-ne Auffassung, die sich auf Rspr. des BVerwG zum Revisionszulas-sungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (vgl. BVerwG v.16.4.1997 – 6 C 9/95, NJW 1998, 323) stützt, eine Ausnahme hier-von für den Fall zu, dass mit dem Antrag auf Zulassung der Beru-fung eine gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßende, auf will-kürlichen oder manipulativen Erwägungen beruhende Zurückwei-sung des Befangenheitsgesuchs geltend gemacht wird (vgl. VGHMünchen v. 21.9.2004 – 10 ZB 04.127, juris).

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Kläger muss mit den Rechtsmitteln der FGO gegendie Hauptsachenentscheidung vorgehen: Aus diesenverfassungsprozessualen Grundsätzen ergibt sich für denFinanzprozess, dass sich der betroffene Kläger zunächstvor dem BFH gegen die aus seiner Sicht fehlerhafte Ent-scheidung über sein Ablehnungsgesuch wenden muss.Dazu steht ihm kein eigener, unmittelbarer Rechtsbehelfzu Verfügung, da auch im FG-Verfahren die Entschei-dung über das Ablehnungsgesuch als solche nicht geson-dert anfechtbar ist (§ 128 Abs. 2 FGO). Demzufolge mussder Kläger mit den Rechtsmitteln der FGO gegen dieHauptsachenentscheidung, die unter Mitwirkung des ab-gelehnten Richters zustande kam, vorgehen (s. Loschel-der, AO-StB 2004, 102 [108]). Das bedeutet im Einzel-nen:

(1) Wurde in dem Urteil die Revision gem. § 115 Abs. 2FGO zugelassen, muss der Kläger Revision einlegen(§ 120 FGO) und geltend machen, dass Bundesrechtdurch eine nicht ordnungsgemäße Besetzung des FG ver-letzt wurde (vgl. §§ 118 Abs. 1 Satz 1, 120 Abs. 3 FGO).Die fehlerhafte Besetzung stellt gem. § 119 Nr. 1 FGO ei-nen absoluten Revisionsgrund dar. Einen weiteren bildetgem. § 119 Nr. 2 FGO die Mitwirkung eines erfolgreichabgelehnten Richters.

Im Fall der Nichtzulassung der Revision muss der KlägerNichtzulassungsbeschwerde (§ 116 Abs. 1 FGO) erhe-ben und geltend machen, dass die Revision gem. § 115Abs. 2 Nr. 3 FGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulas-sen ist. Der BFH kann dann nach § 116 Abs. 6 FGO ver-fahren und in dem Zulassungsbeschluss (§ 116 Abs. 5Satz 1 FGO) das angefochtene Urteil aufheben und denRechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Ent-scheidung zurückverweisen. Andernfalls wird das Nicht-zulassungsbeschwerde-Verfahren als Revisionsverfahrenfortgesetzt (§ 116 Abs. 7 Satz 1 FGO). In diesem Fallmuss der Revisionskläger die Revision wie oben darge-stellt begründen (§§ 116 Abs. 7 Satz 2, 120 FGO).

(2) Begründet ist eine auf § 119 Nr. 1 FGO gestützte Re-vision unter dem hier interessierenden Aspekt allerdingsnur dann, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsge-suchs greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich ist (st.Rspr. des BFH; s. z.B. BFH v. 13.1.2009 – VII B 166/08,ZSteu 2009, R253; v. 20.4.2010 – X S 42/09, BFH/NV2010, 1468; Ruban in Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, § 119Rz. 5a; Wagner in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO,20. Aufl. 2011, § 119 FGO Rz. 11).

Beraterhinweis: Allein der Umstand, dass das FG sichnicht der Rechtsauffassung des Klägers angeschlossenhat, macht die Entscheidung weder greifbar gesetzwidrignoch willkürlich (BFH v. 13.1.2009 – VII B 166/08,ZSteu 2009, R253).

(3) Auf § 119 Nr. 2 FGO kann eine Revision nur dannmit Erfolg gestützt werden, wenn an der angefochtenenEntscheidung des FG ein mit Erfolg abgelehnter Richtermitgewirkt hat. Dieser Revisionsgrund setzt also einen er-folgreichen Befangenheitsantrag voraus. Will der Revi-sionskläger indessen geltend machen, sein Befangenheits-gesuch sei zu Unrecht zurückgewiesen worden oder hatdas FG unter Mitwirkung des abgelehnten Richters ent-schieden, ohne zuvor über das Befangenheitsgesuch zu

entscheiden, fällt dies in den Anwendungsbereich des§ 119 Nr. 1 FGO (vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO,§ 119 FGO Rz. 35 [Febr. 2009]).

bb) Substantiierter Vortrag (§§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92BVerfGG)

Begründung: Für das Verfassungsbeschwerdeverfahrenschreibt § 92 BVerfGG vor, dass in der Begründung derVerfassungsbeschwerde das Recht, das verletzt sein soll,und die Handlung oder Unterlassung des Organs oder derBehörde, durch die der Beschwerdeführer sich verletztfühlt, zu bezeichnen sind. Diese ergänzt § 23 Abs. 1Satz 2 BVerfGG, mit dem sie in unmittelbarem Zusam-menhang steht (vgl. z.B. Lechner/Zuck, BVerfGG, 6. Aufl.2011, § 92 Rz. 1; s. im Übrigen auch Bartone in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 20. Aufl. 2011, Einleitung FGO,Rz. 59; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, VerfRS Rz. 39 f.[April 2008]). Hiernach ist jeder verfahrenseinleitendeAntrag vor dem BVerfG zu begründen, und die erforderli-chen Beweismittel sind anzugeben (§ 23 Abs. 1 Satz 2BVerfGG). Beide Vorschriften werden in der Praxis desBVerfGG zusammen angewendet.

Beraterhinweis: Anders als es der Wortlaut bei unbefan-gener Lektüre vermuten lässt, stellt das BVerfGG strengeAnforderungen an den substantiierten Vortrag des Be-schwerdeführers. Daher scheitert eine Vielzahl von Ver-fassungsbeschwerden auch an dieser Zulässigkeitsvoraus-setzung.

Zur hinreichenden Substantiierung gehört, dass sichdie Verfassungsbeschwerde mit dem zugrunde liegendeneinfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Be-urteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinander-setzt und hinreichend substantiiert darlegt, dass eineGrundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. BVerfG v.12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE89, 155 [171]). Der Beschwerdeführer muss darlegen, mitwelchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die ange-griffene Maßnahme kollidiert (vgl. BVerfG v. 30.10.2010– 1 BvR 3196/09, 1 BvR 3197/09, 1 BvR 3198/09,BVerfGE 108, 370 [386]). Dies erfordert nach der st.Rspr. des BVerfG die Vorlage der mit der Verfassungsbe-schwerde angegriffenen Entscheidungen oder zumindestdie Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts, weil nur das ei-ne Beurteilung dahin erlaubt, ob die gerügten Verfas-sungsverstöße tatsächlich gegeben sind (vgl. BVerfGE88, 40 [45]; 93, 266 [288]). Entsprechendes gilt für Un-terlagen, auf die die angegriffenen Entscheidungen Bezugnehmen (vgl. BVerfG v. 9.12.1999 – 1 BvR 195/96,www.bverfg.de, Rz. 3). Soweit das BVerfG für bestimmteFragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelthat, muss anhand dieser Maßstäbe aufgezeigt werden, in-wieweit Grundrechte durch die angegriffene Maßnahmeverletzt werden (vgl. BVerfGE 99, 84 [87]; 101, 331[346]; 102, 147 [164]). Bei Urteilsverfassungsbeschwer-den ist zudem i.d.R. eine ins Einzelne gehende argumen-tative Auseinandersetzung mit den Gründen der ange-fochtenen Entscheidung erforderlich.

Beraterhinweis: Werden Verfahrensrechte oder verfah-rensrechtliche Gehalte materieller Grundrechte gerügt –also auch das grundrechtsgleiche Recht aus Art. 101

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Abs. 1 Satz 2 GG –, muss der Beschwerdeführer substan-tiiert darlegen, dass die angegriffenen Gerichtsentschei-dungen auf der behaupteten Grundrechtsverletzung be-ruht oder zumindest beruhen kann (st. Rspr. des BVerfG;vgl. BVerfG v. 23.6.1993 – 1 BvR 133/89, BVerfGE 89,48; Magen in Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG § 92Rz. 18 m.w.N. der BVerfG-Rspr.). Außerdem ist bei Ur-teilsverfassungsbeschwerden die Vorlage der angegriffe-nen Entscheidung(en) Zulässigkeitsvoraussetzung einerhinreichend substantiierten Verfassungsbeschwerde, wo-bei es auch genügt, wenn der wesentliche Inhalt der ange-griffenen Entscheidungen in einer der Beurteilung zugän-glichen Weise wiedergegeben wird (vgl. BVerfG v.12.7.2000 – 1 BvR 2260/97, NJW 2000, 3413; s. zumVorstehenden z.B. Bartone in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 20. Aufl. 2011, Einleitung FGO Rz. 59). Die Vorla-ge der angegriffenen Entscheidung allein genügt aller-dings nicht. Ebenso wenig genügt eine pauschale Verwei-sung auf das Vorbringen im fachgerichtlichen Verfahren(vgl. Werth, AO-StB 2007, 24 [26]).

b) Begründetheit der Verfassungsbeschwerde: Ver-letzung des Rechts auf den gesetzlichen Richters

Eine Verfassungsbeschwerde ist – bezogen auf den Ge-genstand des vorliegenden Beitrags – begründet, wenndas grundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen Rich-ter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt ist. Dies ist zu-nächst der Fall, wenn an einer den Beschwerdeführer be-treffenden gerichtlichen Entscheidung ein Richter mitge-wirkt hat, der wegen der Besorgnis der Befangenheit er-folgreich abgelehnt wurde. Eine Verletzung von Art. 101Abs. 1 Satz 2 GG liegt aber auch dann vor, wenn die Zu-rückweisung des Ablehnungsgesuchs rechtsfehlerhaft ist,weil sie auf willkürlichen oder manipulativen Erwägun-gen beruht. Denkbar ist auch, dass die Rechtsverletzungdadurch begründet wird, dass über das Ablehnungsge-such nicht entschieden wurde. Dabei muss es sich nichtum eine Entscheidung in der Hauptsache (Urteil, Be-schluss über die Verfahrenseinstellung) handeln, sonderndas Recht auf den gesetzlichen Richter gilt auch in Ne-benentscheidungen (Kostenentscheidung, Zurückwei-sung einer Anhörungsrüge gem. § 133a FGO).

Beispiel

Nach BVerfG-Beschluss vom 28.4.2011 (BVerfG v. 28.4.2011 – 1BvR 2411/10, NJW 2011, 2191): Der Beschwerdeführer wandtesich gegen zwei verwaltungsgerichtliche Beschlüsse (Verfahrensein-stellung mit Kostenentscheidung, Entscheidung über Anhörungsrü-ge), die nach Klagerücknahme ergangen waren, ohne dass jedochzuvor über ein Ablehnungsgesuch entschieden worden war. DasBVerfG gab der Verfassungsbeschwerde statt, da die Entscheidungüber die Verfahrenseinstellung auch in Anbetracht der Klagerück-nahme nicht hätte ergehen dürfen, ohne dass zuvor über das Ableh-nungsgesuch entschieden war. Auch die Entscheidung über die An-hörungsrüge (§ 133a FGO) erachtete es als mit Art. 101 Abs. 1Satz 2 GG unvereinbar, da auch sie ohne vorherige Entscheidungüber das Ablehnungsgesuch erfolgt war.

Beraterhinweis: Zu der Frage, ob ein als befangen abge-lehnter Richter nach der ohne seine Mitwirkung erfolgtenZurückweisung des Ablehnungsgesuchs in einem hieraufbezogenen Anhörungsrügeverfahren (§ 133a FGO) mit-wirken darf, liegen uneinheitliche Entscheidungen obers-

ter Bundesgerichte vor (vgl. einerseits BFH v. 12.3.2009– XI S 17-21/08, juris, und andererseits BGH v.15.6.2010 – XI ZB 33/09, NJW-RR 2011, 427). Daherhat das BVerfG in einem Verfassungsbeschwerdeverfah-rens entschieden, dass eine grundsätzliche verfassungs-rechtliche Bedeutung der Verfassungsbeschwerde (§ 93aAbs. 2 Buchst. a BVerfGG) insoweit ernsthaft in Betrachtkommt (BVerfG v. 24.10.2011 – 1 BvR 1848/11, 1 BvR2162/11).

2. Richterablehnung im Verfassungsprozess

a) Grundsätze

Auch im Verfassungsprozess gilt (selbstverständlich) dasgrundrechtsgleiche Recht auf den gesetzlichen Richteraus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Dem tragen die Vorschrif-ten der §§ 18 und 19 BVerfGG Rechnung. § 19 Abs. 1BVerfGG regelt, dass auch Richter des BVerfG wegenBesorgnis der Befangenheit abgelehnt werden können.Die Ablehnung von Richtern des BVerfG wegen der Be-sorgnis der Befangenheit war Gegenstand zahlreicherEntscheidungen des BVerfG (s. hierzu z.B. Lechner/Zuck,BVerfGG, 6. Aufl. 2011, § 19 Rz. 5; etwas ausführlicherHeusch in Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl.2005, § 19 Rz. 20 ff.).

Die nachfolgende Darstellung gibt einen Überblick überAblehnungsgründe, Verfahren und Rechtsfolgen der Ab-lehnung eines Richters des BVerfG. Dabei soll die Mög-lichkeit der Selbstablehnung ausgeklammert werden (s.hierzu z.B. Lechner/Zuck, BVerfGG, 6. Aufl. 2011, § 19Rz. 7 f.; Heusch in Umbach/Clemens/Dollinger,BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 19 Rz. 41 ff.; Schlaich/Kor-ioth, Das BVerfG, 8. Aufl. 2010, Rz. 74, jeweils m.w.N.der BVerfG-Rspr.).

b) Ablehnungsgründe

Besorgnis der Befangenheit: Richter des BVerfG kön-nen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehntwerden, wie aus § 19 Abs. 1 BVerfGG folgt. Die Besorg-nis der Befangenheit eines Richters des BVerfG setzt vo-raus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Zweifel anseiner Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es kommt nichtdarauf an, ob der Richter tatsächlich „parteilich“ oder„befangen“ ist oder ob er sich selbst für befangen oder fürunbefangen hält. Entscheidend für die Annahme einer Be-sorgnis der Befangenheit ist allein, ob ein am VerfahrenBeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller UmständeAnlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richterszu zweifeln (grundlegend BVerfG v. 2.3.1966 – 2 BvE 2/65, BVerfGE 20, 1 [5]; seither st. Rspr., z.B. BVerfG v.26.5.1998 – 1 BvL 11/94, BVerfGE 98, 134 [137]; v.19.8.2011 – 2 BvE 3/11, juris; v. 11.10.2011 – 2 BvR1010/10, 2 BvR 1219/10, ArbuR 2011, 460; weitereNachweise bei Heusch in Umbach/Clemens/Dollinger,BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 19 Rz. 7).

Im Rahmen des vorliegenden Beitrags können und sollendie Einzelfälle, die in der Rspr. des BVerfG relevant ge-worden sind, nur exemplarisch dargestellt werden. Eineumfassendere Darstellung findet sich bei Heusch (Heuschin Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005,

AO-StB 1/2012 21Beiträge für die Beratungspraxis

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§ 19 Rz. 20 ff.; s. auch Lechner/Zuck, BVerfGG, 6. Aufl.2011, § 19 Rz. 4 f.; Schlaich/Korioth, Das BVerfG,8. Aufl. 2010 Rz. 72 ff.).

Beispiele

l Hinweise des Berichterstatters, die im Interesse einer sachge-rechten Verfahrensgestaltung liegen, stellen eine zulässige rich-terliche Aufklärungstätigkeit dar und sind nicht geeignet, eineBesorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. z.B. BVerfG v.6.4.1976 – 2 BvR 812/74, BVerfGE 42, 88 [90]). Dies giltauch, soweit sich der Hinweis auf die gesetzlich vorgeseheneMöglichkeit der Verhängung einer Missbrauchsgebühr (§ 34Abs. 2 BVerfGG) bezieht (BVerfG v. 19.8.2011 – 2 BvE 3/11,juris; Heusch in Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG,2. Aufl. 2005, § 19 Rz. 21 m.w.N.).

l Keinen Ablehnungsgrund sah das BVerfG in der bloßen Zuge-hörigkeit eines Richters zu einer politischen Partei (z.B.BVerfG v. 7.12.1976 – 1 BvR 460/72, BVerfGE 43, 126 [12]).

l Mehrfach hat das BVerfG entschieden, dass die Äußerung ei-ner wissenschaftlichen Meinung zu einer für das verfassungs-gerichtliche Verfahren bedeutsamen Rechtsfrage grundsätzlichnicht die Besorgnis der Befangenheit begründet (z.B. BVerfGv. 6.7.1999 – 2 BvF 2/98, 2 BvF 3/98, 2 BvF 1/99, 2 BvF 2/99, BVerfGE 101, 46 [51]; v. 27.10.1999 – 1 BvR 385/90,BVerfGE 101, 122 [125]; vgl. jüngst BVerfG v. 11.10.2011 – 2BvR 1010/10, 2 BvR 1219/10, ArbuR 2011, 460). Dabei stütztsich das BVerfG auf die Wertung des § 18 Abs. 3 Nr. 2BVerfGG, dass ein Richter des BVerfG in einem solchen Fallnicht nach § 18 Abs. 1 BVerfGG kraft Gesetzes ausgeschlossenist (vgl. Heusch in Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG,2. Aufl. 2005, § 19 Rz. 20).

l Andererseits kann die Äußerung eines Verfassungsrichters dieBesorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn sich ein Rich-ter in einer Funktion vor der Berufung in sein Richteramt klarinhaltlich zu einer verfahrensrelevanten Rechtsfrage positio-niert hat (etwa als Mitglied einer Landesregierung; vgl.BVerfG v. 4.6.1986 – 1 BvR 1046/85, BVerfGE 72, 296; v.12.10.1994 – 2 BvR 1851/94, 2 BvR 1853/94, 2 BvR 1875/94,BVerfGE 91, 226; v. 16.2.1995 – 2 BvR 1852/94, BVerfGE92, 138). Entsprechendes gilt auch für die Erstattung von nichtergebnisoffenen Rechtsgutachten, die gezielt eine bestimmteMeinung stützen sollen, z.B. ein Gutachten zur verfassungs-rechtlichen Abstützung des Regierungsentwurfs eines Geset-zes, das später in einem Verfahren vor dem BVerfG auf demPrüfstand steht (vgl. z.B. BVerfGE 88, 1 [4]; s. zum GanzenHeusch in Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl.2005, § 19 Rz. 28 m.w.N.).

c) Verfahren

Antrag: Die Besorgnis der Befangenheit muss – abgese-hen vom Fall der Selbstablehnung (§ 19 Abs. 3BVerfGG) – von einem Verfahrensbeteiligten in einemAntrag geltend gemacht werden; sie wird nicht von Amtswegen geprüft (BVerfG v. 5.10.1977 – 2 BvL 10/75,BVerfGE 46, 34 [38]). Ein Ablehnungsgesuch scheidetnach der Rspr. des BVerfG im Verfahren der konkretenNormenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 GG) aus, da dieses ei-nen rein objektiven Charakter hat und die Verfahrensbe-teiligten der (fachgerichtlichen) Ausgangsverfahren nichtBeteiligte des verfassungsgerichtlichen Verfahrens sind(BVerfG v. 5.10.1977 – 2 BvL 10/75, BVerfGE 46, 34[36]; krit. Heusch in Umbach/Clemens/Dollinger,BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 19 Rz. 33).

In jeder Phase des Verfahrens: Der Antrag kann grds.in jeder Phase des Verfahrens gestellt werden, spätestens

jedoch zu Beginn der mündlichen Verhandlung (§ 19Abs. 2 Satz 3 BVerfGG), bei einer Entscheidung ohnemündliche Verhandlung bis zur Bekanntgabe der Ent-scheidung (BVerfG v. 18.1.2001 – 1 BvR 2216/96 u.a.,NJW 2001, 1482; Heusch in Umbach/Clemens/Dollinger,BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 19 Rz. 34).

Gegen namentlich zu benennenden Richter: Er musssich konkret gegen einen (oder mehrere) namentlich zubenennende Richter des zur Entscheidung berufenen Se-nats richten, der noch im Amt ist (vgl. BVerfG v.16.8.2011 – 2 BvR 287/10, juris; Heusch in Umbach/Cle-mens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 19 Rz. 34).

Substantiierte Begründung des Ablehnungsgesuchs:Das Ablehnungsgesuch ist substantiiert zu begründen(§ 19 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG), insb. muss es Ausführun-gen enthalten, die überhaupt zur Begründung der Besorg-nis der Befangenheit geeignet sind, ansonsten ist es unzu-lässig (vgl. z.B. BVerfG v. 22.2.1960 – 2 BvR 36/60,BVerfGE 11, 1 [3]; v. 2.5.2006 – 1 BvR 698/06,BVerfGK 8, 59 [60]; v. 16.8.2011 – 2 BvR 287/10, juris;Heusch in Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl.2005, § 19 Rz. 36).

Entscheidung über das Ablehnungsgesuch: Nach § 19Abs. 2 Satz 2 BVerfGG hat sich der Betroffene dienstlichzu äußern, es sei denn, das Ablehnungsgesuch ist miss-bräuchlich oder aus anderen Gründen offensichtlich unzu-lässig. In diesem Fall entscheidet das BVerfG unter Mit-wirkung des abgelehnten Richters, ansonsten in vermin-derter Besetzung, d.h. unter Ausschluss des Abgelehnten(§ 19 Abs. 1 BVerfGG), wenn es sich um eine Senatsent-scheidung handelt. Ist die Zuständigkeit der Kammer(§ 15a BVerfGG) gegeben, entscheidet der Vertreter (vgl.§ 15a Abs. 2 BVerfGG) des abgelehnten Richters überdas Ablehnungsgesuch mit. Die Entscheidung kann durcheinen gesonderten Beschluss oder zusammen mit der ab-schließenden Entscheidung ergehen (s. Heusch in Um-bach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 19Rz. 39; s. dort auch die weiteren Einzelheiten unterRz. 34 ff.).

d) Rechtsfolgen

Wird das Ablehnungsgesuch (als unzulässig oder unbe-gründet) zurückgewiesen, wirkt der abgelehnte Richterim weiteren Verfahren mit. Erklärt das BVerfG die Ableh-nung demgegenüber für begründet, wird in Senatsverfah-ren durch Los ein Richter des anderen Senats als Vertreterbestimmt (§ 19 Abs. 4 Satz 1 BVerfGG). In Kammerver-fahren greift die auf § 15a Abs. 2 BVerfGG beruhendeVertretungsregelung. Das Nähere regelt § 38 GeschO-BVerfG.

IV. Zusammenfassung

Mit der vorstehenden Darstellung wurde – ausgehendvon den verfassungsrechtlichen Grundlagen – ein Über-blick über die wesentlichen Aspekte der Richterableh-nung, soweit sie verfassungsprozessuale Bedeutung er-langen können, gegeben. Dabei sollte insb. deutlich ge-macht werden, dass ein „Gang nach Karlsruhe“ nur dannnicht von vornherein aussichtslos ist, wenn das Ableh-nungsgesuch im FG-Verfahren sorgfältig und unter Be-

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Erfolgreicher Steuer-Rechtsschutz

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achtung des verfahrensrechtlichen Rahmens verfolgt wur-de, gegebenenfalls auch im Rechtsmittelverfahren.

Beraterhinweis: Fehler, die in diesem Stadium begangenwerden, sind im Verfassungsbeschwerdeverfahren nichtmehr zu heilen und führen zwangsläufig zum Scheiternvor dem BVerfG, grobe Fehler werden obendrein u.U.mit einer Missbrauchsgebühr i.H.v. bis zu 2.600 € (§ 34Abs. 2 BVerfGG) sanktioniert. Daher sollte nicht nur dasAblehnungsgesuch im FG-Verfahren wohl erwogen wer-den, sondern erst recht auch, ob es dem wohlverstande-

nen Interesse des Mandanten dient, eine auf die Verlet-zung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gestützte Verfas-sungsbeschwerde zu erheben.

Mehr zum Thema: Krömker, Mitwirkungspflichten für Richter imFG-Prozess, AO-StB 2003, 270; Loschelder, Zweifel an der Unpar-teilichkeit des Richters?, AO-StB 2004, 102; Nieland, Selbstableh-nung eines Richters, AO-StB 2003, 8; Bartone, Grundrechte undgrundrechtsgleiche Verfahrensrechte im Verfassungsbeschwerdever-fahren gegen letztinstanzliche Entscheidungen des BFH, AO-StB2008, 224.

Interessenwahrung im Steuerstrafverfahren

n Aktuelle Rechtsprechung zum SteuerstrafrechtBVerfG-, BFH-, FG-, BGH- und LG-Entscheidungen

von Helmut Tormöhlen*

I. Steuerhinterziehung (§ 370)

1. Unanwendbarkeit des § 46a StGB

Die Anwendung des § 46a StGB kommt bei Steuerdelik-ten, deren geschütztes Rechtsgut allein die Sicherung desstaatlichen Steueranspruchs ist, nicht in Betracht (gl.A.BayObLG v. 28.2.1996 – 4 St RR 33/96, wistra 1996,152; offen gelassen, ob Steuernachzahlung Schadenswie-dergutmachung i.S.d. § 46a Nr. 2 StGB sein kann: BGHv. 25.10.2000 – 5 StR 399/00, wistra 2001, 22; differen-zierend Kohlmann, Steuerstrafrecht, B Rz. 573 ff. [Mai2004]).

BGH v. 18.5.2011 – 1 StR 209/11

2. Verfolgungsverjährung (§§ 78 ff. StGB)

a) Verjährungsbeginn bei Nichtabgabe von Einkom-men- und Gewerbesteuererklärungen

Der hypothetische Zeitpunkt, zu welchem das FA einenSteuerbescheid erlassen hätte, wenn der Täter die Erklä-rungen zur ESt und GewSt fristgerecht abgegeben hätte,ist für die Frage der Beendigung der Tat, die wiederumfür den Beginn der Verfolgungsverjährung maßgeblichist, bedeutungslos. Auch der Grundsatz „in dubio proreo“ verlangt es nicht anzunehmen, dass der Angeklagteals erster veranlagt worden wäre (vgl. BGH v. 7.11.2001– 5 StR 395/01, wistra 2002, 64; Schauf in Kohlmann,§ 376 AO Rz. 90 [Juni 2009]; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Stichwort „Verfol-gungsverjährung“ Rz. 6 [Jan. 2009]; Tormöhlen, AO-StB2011, 27: Entscheidend für den Verjährungsbeginn isti.d.R. das Ende der Veranlagungsarbeiten für den betref-fendenVeranlagungszeitraum im jeweils zuständigen FA).

BGH v. 18.5.2011 – 1 StR 209/11

b) Verjährungsunterbrechung

Bei mehreren Tatverdächtigen kann sich ein Durchsu-chungsbeschluss gegen einen der Beschuldigten auf dieübrigen Beteiligten beziehen, indem er deren Verfolgungerkennbar in den Blick nimmt. Deshalb werden über un-mittelbar Betroffene hinaus auch andere Tatbeteiligte er-fasst, wenn die Durchsuchungsanordnung erkennbar be-zweckt, auch deren Tatbeitrag aufzuklären. Dies triffti.d.R. auch auf einen Beschlagnahmebeschluss zu, nichtjedoch auf eine Beschuldigtenvernehmung (arg. § 78cAbs. 4 StGB; vgl. BGH v. 2.9.1992 – 3 StR 110/92, StV1993, 71; Sternberg-Lieben/Bosch in Schönke/Schröder,28. Aufl. 2010, § 78c StGB Rz. 25).

BGH v. 3.5.2011 – 3 StR 33/11

3. Steuerhinterziehung in großem Ausmaß

Ab einem Hinterziehungsbetrag von 50.000 € sind gem.§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO Steuern in großem Ausmaßverkürzt bzw. nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen vom FA er-langt hat, etwa bei Steuererstattungen durch USt-Karus-sellgeschäfte, Kettengeschäfte oder durch Einschaltungvon sog. Serviceunternehmen. Wenn sich das Verhaltendes Täters darauf beschränkt, die Finanzbehörde pflicht-widrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkennt-nis zu lassen, indem er etwa Umsätze nicht erklärt, liegtdie Wertgrenze zum großen Ausmaß bei 100.000 € (BGHv. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71; vgl. auchTormöhlen, AO-StB 2011, 153).

BGH v. 12.7.2011 – 1 StR 81/11

4. Steuerhinterziehungen bei innergemeinschaftli-chen Lieferungen

Wenn innergemeinschaftliche Lieferungen von Mobiltele-fonen aus Deutschland nach Italien und Österreich i.S.d.§ 6a UStG tatsächlich stattgefunden haben, der Lieferant

* Der Autor ist Vorsitzender Richter der Wirtschaftsstrafkammeram LG Halle.

AO-StB 1/2012 23Beiträge für die Beratungspraxis

Interessenwahrung im Steuerstrafverfahren

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jedoch bei der Lieferung die wahre Identität seines Ab-nehmers verschleiert, um diesem die Hinterziehung derUmsatzsteuer im Bestimmungsmitgliedstaat zu ermögli-chen, so beteiligt er sich (auch) an der Hinterziehung derUSt des Abnehmers (Anschluss an EuGH v. 7.12.2010 –

C-285/09, UR 2011, 15 = HFR 2011, 231 = DStR 2010,2572; vgl. auch BFH v. 11.8.2011 – V R 50/09, DStR2011, 1901; v. 11.8.2011 – V R 19/10, DStZ 2011, 883 =HFR 2011, 1340).

BFH v. 17.2.2011 – V R 30/10

Ein Unternehmer, der in seinen USt-JahreserklärungenLieferungen von Gebrauchtwagen an Fahrzeughändler inPortugal vorsätzlich als steuerfrei behandelt, obwohl er ineinem ausgeklügelten System unter Verwendung unrichti-ger Belege, die er auch in die Buchhaltung aufgenommenhat, die wirklichen portugiesischen Erwerber verschleierthat und diese damit bei der Umgehung der Erwerbsbe-steuerung in Portugal unterstützt, begeht Steuerhinterzie-hung.

BGH v. 20.10.2011 – 1 StR 41/09

Die Auslegung des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG durchden BGH, wonach eine steuerbefreite innergemeinschaft-liche Lieferung nur vorliegt, wenn die Erwerbsbesteue-rung im anderen Mitgliedstaat nicht unterlaufen wird, istmit dem Wortsinn der Norm vereinbar und verstößt nichtgegen Art. 103 Abs. 2 GG (vorgehend BGH v.20.11.2008 – 1 StR 354/08, HFR 2009, 1145 = UR 2009,192 = DStR 2009, 577).

BVerfG v. 16.6.2011 – 2 BvR 542/09

5. Verlängerte Festsetzungsfrist bei Steuerhinterzie-hung

Wenn ein StB in einem Einspruchsschreiben im Rahmeneines Rechtsbehelfsverfahrens für einen Mandanten zurErlangung der Grundsteuervergünstigung nach § 6 Abs. 3GrEStG (Grundstücksübertragung von einer Gesamthandauf eine andere Gesamthand) objektiv unvollständige An-gaben zu den aktuellen Beteiligungsverhältnissen machtund wider besseres Wissen und in Kenntnis der einschlä-gigen höchstrichterlichen Rspr. einen unveränderten Ge-sellschafterbestand vorträgt, stellt dies eine Steuerhinter-ziehung dar, die zur Verlängerung der Festsetzungsfristführt.

FG Hessen v. 9.11.2010 – 5 K 3252/05; NZB eingelegt,Az. des BFH: II B 10/11

Die verlängerte Festsetzungsfrist gem. § 169 Abs. 2 Satz 2AO setzt eine objektiv und subjektiv tatbestandsmäßige,rechtswidrige und schuldhafte Steuerhinterziehung i.S.d.§ 370 AO oder leichtfertige Steuerverkürzung i.S.d.§ 378 AO voraus (vgl. hierzu BFH v. 2.4.1998 – V R 60/97, BStBl. II 1998, 530; Tormöhlen in Papperitz/Keller,ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Stichwort „Festsetzungs-frist“ Rz. 2 [Sept. 2011]). Dem gegenüber führt eine denAnforderungen des § 371 AO genügende Selbstanzeigelediglich als Strafausschließungsgrund zur Straffreiheitund lässt die verlängerte Festsetzungsfrist unberührt(BFH v. 2.2.2001 – IV B 162/99, BFH/NV 2001, 890;Rüsken in Klein, 10. Aufl. 2009, § 169 AO Rz. 26; Hart-mann in Beermann/Gosch, § 169 AO Rz. 20 [März

2003]; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht,7. Aufl. 2009, § 371 AO Rz. 219).

Auf die Festsetzungsfrist wirkt sich eine Selbstanzeigedurch eine Ablaufhemmung bei Vorliegen der Vorausset-zungen des § 171 Abs. 9 AO aus. Danach endet die Fest-setzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingangder Anzeige, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf derFestsetzungsfrist eine Anzeige nach § 153 AO oder eineSelbstanzeige nach §§ 371, 378 Abs. 3 AO erstattet. DieRegelung gibt der Finanzbehörde bei kurz vor Ablauf derFestsetzungsfrist eingehenden Anzeigen zumindest einJahr Zeit, um die berichtigten Angaben auszuwerten. DerHemmungstatbestand kommt dementsprechend nichtzum Tragen, wenn die dort vorgesehene Jahresfrist vorAblauf der ggf. verlängerten Festsetzungsfrist endet. Diefünf- oder zehnjährige Festsetzungsfrist ist eine Mindest-frist, die durch eine Selbstanzeige nicht abgekürzt werdenkann. Mit der Richtigstellung der Angaben entfällt nachAnsicht des BFH nicht die Rechtfertigung für eine verlän-gerte Festsetzungsfrist. Mit dieser wird nämlich ein dop-pelter Zweck verfolgt. Es soll zum einen den mit derSteuerverkürzung einher gehenden objektiven Erschwer-nissen bei der Sachverhaltsaufklärung Rechnung getragenund zum anderen festgelegt werden, wann Rechtsfriedenzwischen dem Abgabeberechtigten und dem Steuerpflich-tigen einkehrt.

BFH v. 24.3.2011 – IV R 13/09

II. Steuerhehlerei (§ 374 AO)

Nach Auffassung des BGH empfiehlt es sich in den Fäl-len von Zigarettenschmuggel von einem Drittland in dieEU und sodann nach Deutschland das Strafverfahrengem. §§ 154, 154a StPO auf die Hinterziehung von Zolloder sogar nur auf die Hinterziehung der Tabaksteuer an-lässlich der Verbringung in das deutsche Zollgebiet zu be-schränken (vgl. bereits BGH v. 2.2.2010 – 1 StR 635/09,wistra 2010, 226 [228]). Denn insb. die Berechnung undDarstellung der in anderen Mitgliedstaaten hinterzogenenTabaksteuer – z.B. der polnischen sog. Akzise – stellt sichbisweilen als schwierig dar (vgl. BGH v. 19.4.2007 – 5StR 549/06, NStZ 2007, 595 = StV 2007, 468). Es istaber Aufgabe des Tatrichters, die steuerlichen Vorschrif-ten auf den festgestellten Sachverhalt anzuwenden unddie daraus folgende Berechnung der Steuern vorzuneh-men, durch welche der jeweilige Schuldumfang der Straf-tat entscheidend determiniert wird (vgl. hierzu Tormöhlenin Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Stich-wort „Steuerhinterziehung“ Rz. 33 [Juli 2011]).

BGH v. 9.6.2011 – 1 StR 21/11

Der Steuerhehler erlangt weder aus der Tat noch für dieTat die vom Importeur hinterzogenen Steuern und sonsti-gen Abgaben. Er erspart sich aus der Tat auch nicht Auf-wendungen, nur weil er wegen der Tat für die verkürztenSteuern gem. § 71 AO gesamtschuldnerisch haftet. Viel-mehr erlangt der Steuerhehler, indem er die Zigaretten an-kauft oder sich sonst verschafft, zunächst die Zigarettenund durch den anschließenden Weiterverkauf den hierauserzielten Erlös. Zwar kann ein Täter auch dadurch etwasi.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangen, dass er sich Auf-wendungen erspart. Dem steht allerdings i.d.R. entgegen,

24 AO-StB 1/2012Beiträge für die Beratungspraxis

Interessenwahrung im Steuerstrafverfahren

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dass nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB der Verfall schon des-halb nicht angeordnet werden kann, weil dem Steuerfis-kus Ansprüche zustehen (vgl. hierzu BGH v. 28.11.2000– 5 StR 371/00, wistra 2001, 96 = NStZ 2001, 155 =NJW 2001, 693; Kühl in Lackner/Kühl, 27. Aufl. 2011,§ 73 StGB Rz. 6; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABCBetriebsprüfung, Fach 5 Stichwort „Verfall“ Rz. 4 [April2010]).

BGH v. 28.6.2011 – 1 StR 37/11

III. Strafverfahrensrecht

1. Durchsuchung

a) Formale Anforderungen an einen Durchsu-chungsbeschluss

Keine ausreichende Begründung (§ 34 StPO) einesDurchsuchungsbeschlusses liegt vor, wenn der Richter inein Formular oder ein von ihm gefertigtes unvollständigesSchriftstück Blattzahlen, Klammern oder Kreuzzeicheneinsetzt, mit denen er auf in den Akten befindliche Text-passagen Bezug nimmt (vgl. BVerfG v. 6.3.2002 – 2 BvR1619/00, NStZ 2002, 372; Kohlmann, Steuerstrafrecht,§ 385 AO Rz. 221 [Juli 2007]; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABC Betriebsprüfung, Fach 5 Stichwort „Durch-suchung“ Rz. 6 [Okt. 2009]).

LG Siegen v. 25.10.2010 – 10 Qs 104/09

b) Unwirksame Einwilligung in eine Durchsuchung

Wenn die für eine Durchsuchung erforderlichen gesetzli-chen Voraussetzungen nicht gegeben sind, kommt in Be-tracht, dass der Beschuldigte in eine Durchsuchung ein-willigt. Die Wirksamkeit einer solchen Einwilligung kannnur angenommen werden, wenn eine ausdrückliche Be-lehrung über die Freiwilligkeit der Maßnahme erfolgt,wobei der Betroffene darüber zu belehren ist, dass dieDurchsuchung nicht ohne weiteres stattfinden werde, so-fern ihr nicht zugestimmt werde (vgl. BVerfG v.21.10.2003 – 2 BvR 1500/03, juris; LG Bremen v.20.4.2005 – 1 Qs 47/05, StV 2005, 318; Schmitt in Mey-er-Goßner, 54. Aufl. 2011, § 105 StPO Rz. 1).

LG Hamburg v. 30.6.2010 – 706 Ns 17/10

2. Anklageschrift

Der Umgrenzungsfunktion der Anklageschrift ist nichtGenüge getan, wenn der Tatzeitraum nicht genau festge-legt ist. Die genaue Festlegung des Tatzeitraumes ist un-abdingbar, um das dem Gericht zur Aburteilung gestellteGeschehen, Fragen der Verfolgungsverjährung sowie dieReichweite der Rechtskraft unverwechselbar zu bestim-men (zu den Anforderungen an den Anklagesatz vgl. denVorlagebeschluss an den Großen Senat für Strafsachen:BGH v. 24.2.2010 – 1 StR 260/09, wistra 2010, 232).

BGH v. 2.3.2011 – 2 StR 524/10

3. Verlesung einer Einlassung

Auf Grund der Verlesung einer vorbereiteten schriftlichenErklärung des Angeklagten durch diesen oder seinen Ver-teidiger wird nicht der Wortlaut des Schriftstücks zum In-

begriff der Hauptverhandlung, sondern allein der Inhaltdes mündlichen Vortrags, dessen wesentliche Punkte dasTatgericht in den Urteilsgründen festzustellen hat. Alleindiese Feststellungen sind Grundlage der revisionsgericht-lichen Prüfung (vgl. Becker in Löwe/Rosenberg, DieStPO und das GVG mit Nebengesetzen, 26. Aufl. 2010,§ 243 Rz. 78). Anders liegt es nur, wenn der Wortlaut derschriftlichen Einlassung durch das Gericht im Wege desförmlichen Urkundsbeweises (§ 249 StPO) in die Haupt-verhandlung eingeführt wird, worauf der Angeklagte in-dessen keinen Anspruch hat (zu Erklärungen des Verteidi-gers in der Hauptverhandlung als zu wertende Einlassungdes Angeklagten vgl. BGH v. 14.8.1997 – 1 StR 441/97,NStZ-RR 1998, 51).

BGH v. 29.3.2011 – 3 StR 9/11

4. Unterbrechung der Hauptverhandlung

Eine Hauptverhandlung darf i.d.R. nur bis zu drei Wo-chen unterbrochen worden. Die Frist wird nur durch ei-nen Fortsetzungstermin gewahrt, in welchem das Verfah-ren inhaltlich auf den abschließenden Urteilsspruch hingefördert wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH v. 25.7.1996 – 4StR 172/96, wistra 1996, 351: unzulässige Verteilung derVerlesung einer aus zwei Seiten bestehenden Bundeszen-tralregister-Auskunft auf drei Verhandlungstermine).

Die Abhaltung eines achtminütigen Hauptverhandlungs-termins (im Hinblick auf die Erkrankung einer Schöffin)in einem Klinikum, in welchem wieder in die Beweisauf-nahme eingetreten und lediglich gem. § 256 Abs. 1 Nr. 5StPO ein Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokollverlesen wird, um das Verfahren „nicht platzen zu las-sen“, stellt einen unzulässigen sog. Schiebetermin dar,wenn zudem die Beweisaufnahme zuvor bereits geschlos-sen worden war und die Staatsanwaltschaft ihren Schluss-vortrag gehalten hatte.

BGH v. 7.4.2011 – 3 StR 61/11

5. Selbstleseverfahren

Die Durchführung eines Selbstleseverfahrens kann alswesentliche Verfahrensförmlichkeit nur durch das Haupt-verhandlungsprotokoll bewiesen werden (§ 274 StPO).Die protokollierte Feststellung des Vorsitzenden, dass dieSchöffen Gelegenheit hatten, von den im Selbstlesever-fahren eingeführten Urkunden Kenntnis zu nehmen, be-legt im Umkehrschluss, dass die Berufsrichter diese Gele-genheit nicht hatten (vgl. BGH v. 30.9.2009 – 2 StR 280/09, wistra 2010, 31). Außerdem genügt die Gelegenheitzur Kenntnisnahme nur für weitere Verfahrensbeteiligte;für Berufsrichter und Schöffen muss unterschiedslos dieerfolgte Kenntnisnahme festgestellt werden (§ 249 Abs. 2StPO).

BGH v. 15.3.2011 – 1 StR 33/11

6. Verständigung

a) Hinweispflichten

Es ist rechtsfehlerhaft, wenn der Angeklagte wegen mittä-terschaftlicher Begehungsweise (§ 25 Abs. 2 StGB) ohnevorherigen rechtlichen Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO

AO-StB 1/2012 25Beiträge für die Beratungspraxis

Interessenwahrung im Steuerstrafverfahren

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verurteilt wird, wenn er lediglich wegen Beihilfe (§ 27Abs. 1 StGB) angeklagt worden ist.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus,dass der geständigen Einlassung des Angeklagten eineVerständigung nach § 257c StPO vorausgegangen ist.Denn die sich aus einer Verständigung ergebenden Bin-dungen des Gerichts haben nicht die Kraft, die Hinweis-pflichten des § 265 StPO zu relativieren oder gar zu ver-drängen.

BGH v. 11.5.2011 – 2 StR 590/10

b) Vertrauen auf einen Hinweis des Vorsitzenden

Weist der Vorsitzende am dritten Hauptverhandlungstageinen Verteidiger im Rahmen einer Erörterung in einerVerhandlungspause in Anwesenheit der gesamten Straf-kammer einschließlich der Schöffen und der übrigen Ver-teidiger sämtlicher Mitangeklagten sowie des Sitzungs-vertreters der Staatsanwaltschaft darauf hin, dass der be-treffende Angeklagte keine Verständigung bräuchte, dadieser „sowieso Bewährung“ bekomme, begründet diesein berechtigtes Vertrauen dieses Angeklagten, wenn ernicht zuvor darauf hingewiesen worden ist, dass die Kam-mer beabsichtigt, ihn zu einer zu vollstreckenden Frei-heitsstrafe zu verurteilen.

Ein Angeklagter darf sich nicht nur auf solche Äußerun-gen des Gerichts verlassen, die zum Inhalt einer förmlichzustande gekommenen Verständigung und damit für dasGericht grundsätzlich bindend geworden sind (zum Ver-ständigungsvorschlag des Gerichts als gesamtem Spruch-körper nach § 257c Abs. 3 Satz 1 StPO vgl. Niemöller inNiemöller/Schlothauer/Weider, Gesetz zur Verständigungim Strafverfahren, 2010, § 257c StPO Rz. 24; ferner Tor-möhlen, AO-StB 2010, 178).

BGH v. 30.6.2011 – 3 StR 39/11

c) Urteilsfeststellungen

Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c StPO) voraus-gegangen, gehört es gleichwohl zu den unerlässlichenMindestvoraussetzungen des Urteils, dass es eine ge-schlossene und für das Revisionsgericht nachvollziehbareDarstellung des verwirklichten strafbaren Verhaltens ent-hält. Eine solche geschlossene Darstellung des Sachver-halts, der das Tatgeschehen bildet, ist für die revisions-rechtliche Überprüfung des Urteils erforderlich. Die Fest-stellungen der Strafkammer dürfen sich nicht nur in einerknapp gehaltenen Schilderung des Vorgehens des Ange-klagten erschöpfen, die teilweise aus dem Anklagesatzübernommen ist und an die sich eine Zusammenfassungder Einzeltaten in einer mehrspaltigen Tabelle anschließt.Zwar ist es dem Tatrichter grundsätzlich nicht verwehrt,bei einer Vielzahl von Straftaten, die denselben Tatbe-stand erfüllen, davon abzusehen, die konkreten Sachver-halte der Einzeltaten ausführlich mitzuteilen, und diesestattdessen in einer Liste zusammenzufassen, in welcherdie jeweiligen Taten individualisiert werden. Dies gilt,wenn die Taten in allen wesentlichen tatsächlichen Um-ständen, die den Tatbestand erfüllen, gleich gelagert sind.Auch dann müssen die Urteilsgründe aber so abgefasstsein, dass sie erkennen lassen, welche der festgestellten

Tatsachen den einzelnen Tatbestandsmerkmalen zuzuord-nen sind und sie ausfüllen können.

BGH v. 9.3.2011 – 2 StR 428/10

7. Verwertungsverbot bei unterbliebener Unterrich-tung der konsularischen Vertretung

Ein türkischer Staatsangehöriger muss nach seiner Fest-nahme im Strafverfahren durch Polizeibeamte über seinRecht auf konsularischen Beistand belehrt werden (Art. 36Abs. 1 Buchst. b Satz 3 Wiener Konsularrechtsüberein-kommen – WÜK; BGH v. 11.9.2007 – 1 StR 273/07,BGHSt 52, 38; vgl. nunmehr auch § 114b Abs. 2 Satz 3StPO n.F.). Zweck der Belehrung ist die Verwirklichungdes Rechts des Beschuldigten auf konsularische Unter-stützung bei der effektiven Wahrnehmung der eigenenVerteidigungsrechte (vgl. BVerfG v. 19.9.2006 – 2 BvR2115/01 u.a., NJW 2007, 499).

Wenn die Belehrung unterblieben ist, kommt ein Verwer-tungsverbot für die gleichwohl erfolgte Einlassung desBeschuldigten in Betracht. Dabei kommt jedoch die vonder Rspr. entwickelte Abwägungslehre zur Anwendung.Es hat dann eine Abwägung zwischen dem durch denVerfahrensverstoß bewirkten Eingriff in die Rechtsstel-lung des Beschuldigten einerseits und den Strafverfol-gungsinteressen des Staates andererseits stattzufinden,wobei auf den Schutzzweck der verletzten Norm ebensoabzustellen ist wie auf die Umstände, Hintergründe undAuswirkungen der Rechtsverletzung im Einzelfall. Ist derBeschuldigte in Deutschland geboren und aufgewachsen,ist er von den Ermittlungsbeamten und vom Haftrichterüber sein Schweigerecht belehrt worden und hat er dieAussage vor dem Ermittlungsrichter zunächst verweigert,weil er einen RA sprechen wollte, um dessen Beauftra-gung er im Folgenden seine Familie gebeten hat, so istkeine wegen ausländerspezifischer Verteidigungsdefizitekonkret erhöhte Schutzbedürftigkeit des Beschuldigtenerkennbar und ein Verwertungsverbot scheidet aus.

BGH v. 7.6.2011 – 4 StR 643/10

8. Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung

Wenn eine im Einzelfall festgestellte überlange Verfah-rensdauer auf einem konventions- oder rechtsstaatswidri-gen Verhalten der Strafverfolgungsbehörden (vgl. Art. 6Abs. Satz 1 MRK; Tormöhlen in Papperitz/Keller, ABCBetriebsprüfung, Fach 5 Stichwort „Strafzumessung beiSteuerhinterziehung“ Rz. 8.6 [März 2009]) beruht, istvon der Strafzumessung im engeren Sinne gesondert undhieran anschließend zu prüfen, ob zur Entschädigung fürdiese Verfahrensverzögerung die Feststellung der rechts-staatswidrigen Verfahrensverzögerung genügt. Reicht die-se zur Entschädigung des Angeklagten nicht aus, so hatdie Strafkammer festzustellen, welcher bezifferte Teil derStrafe zur Kompensation der Verzögerung – analog § 51StGB – als vollstreckt gilt und dies in der Urteilsformelauszusprechen (vgl. BGH v. 17.1.2008 – GSSt 1/07,BGHSt 52, 124).

Allgemeine Kriterien für diese Festlegung lassen sichnicht aufstellen. Entscheidend sind stets die Umständedes Einzelfalls. Dabei sind der Umfang der staatlich zuverantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhal-

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Interessenwahrung im Steuerstrafverfahren

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tens der Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkungenall dessen auf den Angeklagten zu berücksichtigen. Je-doch muss auch berücksichtigt werden, dass die Verfah-rensdauer als solche sowie die hiermit verbundenen Be-lastungen des Angeklagten bereits mildernd in die Straf-bemessung eingeflossen sind und es daher in diesemPunkt der Rechtsfolgenbestimmung nur noch um einenAusgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieserUmstände geht.

Das früher geltende sog. Strafabschlagsmodell (vgl. hier-zu Fischer, 58. Aufl. 2011, § 46 StGB Rz. 129 m.w.N.)und die nunmehr gültige Vollstreckungslösung dürfennicht nebeneinander angewandt und damit der Sache nachdie rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zweifachkompensiert werden.

BGH v. 21.4.2011 – 3 StR 50/11

9. Aussetzung des Verfahrens

Es stellt eine vom FA bzw. vom FG zu entscheidendesteuerrechtliche Vorfrage dar, ob ein Angeklagter als ver-antwortlich Handelnder einer ausländischen Domizilge-sellschaft mit angeblichem Geschäftssitz in den USA imInland der unbeschränkten Steuerpflicht unterlegen hat,wenn er pflichtwidrig Betriebseinnahmen im Inland nichtversteuert und dadurch KSt und GewSt hinterzogen ha-ben soll. In einem solchen Fall ist die Aussetzung des

Strafverfahrens nicht grob sachwidrig oder willkürlich(zum Gesetzeszweck des § 396 AO vgl. Jäger in Fran-zen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 396AO Rz. 6 m.w.N.).

LG Bremen v. 29.7.2010 – 31 Qs 245/10

10. Urteilsabsetzungsfrist

Eine versehentlich falsche Berechnung der Urteilsabset-zungsfrist (§ 275 Abs. 1 Satz 2 StPO) begründet keinenunvorhersehbaren unabwendbaren Umstand i.S.d. § 275Abs. 1 Satz 4 StPO (zu unvorhersehbaren Umständenvgl. Meyer-Goßner in Meyer-Goßner, 54. Aufl. 2011,§ 275 StPO Rz. 13).

BGH v. 13.7.2011 – 2 StR 88/11

IV. Gerichtsverfassungsrecht – Schöffe mit unzureich-ender Sprachkompetenz

Mängel in der Person eines Richters oder Schöffen, dieseine Unfähigkeit zur Teilnahme an Verhandlungen be-gründen, führen zu einer vorschriftswidrigen Gerichtsbe-setzung i.S.d. § 338 Nr. 1 StPO. Hierzu gehört auch dienicht hinreichende Sprachkompetenz eines Schöffen (vgl.§ 33 Nr. 5 GVG n.F.).

BGH v. 26.1.2011 – 2 StR 338/10

n Einführung in das Unternehmensstrafrecht (Teil 3)Die Sanktionierung der Unternehmensleitung wegen der Verletzung ihrer Aufsichts-pflicht (§ 130 OWiG)

von Dr. Frank Heerspink, RA/FAStrafR/FAStR*

Mit Heft 6/2011 begann eine lose Folge von Aufsätzen,die sich mit Fragen des Unternehmensstrafrechts befasst.Themen dieser Reihe sind:l Grundlagen und Verantwortlichkeit für Dritte (Heer-

spink, AO-StB 2011, 185 ff.)l Die Sanktionierung juristischer Personen und Perso-

nengesellschaften (§ 30 OWiG) (Heerspink, AO-StB2011, 283 ff.)

l Die Sanktionierung der Unternehmensleitung wegenVerletzung ihrer Aufsichtspflicht (§ 130 OWiG) (indiesem Heft)

l Das Unternehmen als Adressat von Nebenfolgen desStraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts (geplant).

1. Einleitung

Da die Ermittlungsbehörden im Zusammenhang mitStraf- oder Bußgeldverfahren ihren Blick verschärft aufUnternehmen richten, gewinnt auch ein Sondertatbestandzur Bekämpfung unternehmerischer Unregelmäßigkeiten

Bedeutung: § 130 OWiG, die Verletzung der unterneh-merischen Aufsichtspflicht.

Anders als bei dem im letzten Beitrag (Heerspink, AO-StB 2011, 283 ff.) behandelten Sondertatbestand des § 30OWiG ist Adressat des § 130 OWiG nicht das Unterneh-men sondern der Unternehmer. Insoweit wird – anders alsbei § 30 OWiG – die Anknüpfung an ein personal verur-sachtes Unrecht nicht durchbrochen.

§ 130 OWiG ist sowohl für den Unternehmer als auch fürdas Unternehmen von hoher Bedeutung.l Die Norm bildet einen Sondertatbestand zur Sanktio-

nierung eines seine Aufsichtspflichten vernachlässi-genden Unternehmers. Das ist die primäre Bedeutungdes Tatbestandes.

l Dem Tatbestand kommt aber auch für das Unterneh-men eine besondere Bedeutung zu. Das personaleUnrecht des Unternehmers (§ 130 OWiG) bildet diehäufigste Anknüpfungstat des § 30 OWiG und damitdie Grundlage für eine Unternehmensgeldbuße.

§ 130 OWiG lautet wie folgt:* Der Autor ist Partner von Hecker Werner Himmelreich,

Rechtsanwälte Köln-Berlin-Leipzig-Düsseldorf, und leitet dortdas Dezernat Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht. Näheres erfah-ren Sie unter www.Heerspink.de.

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Interessenwahrung im Steuerstrafverfahren

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§ 130 – Verletzung der Aufsichtspflicht in Unternehmen und Be-trieben

(1) Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlichoder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlichsind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen ge-gen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Ver-letzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, handelt ordnungswid-rig, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durchgehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wä-re. Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehören auch dieBestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichts-personen.

(2) Betrieb oder Unternehmen i.S.d. Abs. 1 ist auch das öffentlicheUnternehmen.

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann, wenn die Pflichtverletzung mitStrafe bedroht ist, mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro ge-ahndet werden. Ist die Pflichtverletzung mit Geldbuße bedroht, sobestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße wegen der Aufsichts-pflichtverletzung nach dem für die Pflichtverletzung angedrohtenHöchstmaß der Geldbuße. Satz 2 gilt auch im Falle einer Pflichtver-letzung, die gleichzeitig mit Strafe und Geldbuße bedroht ist, wenndas für die Pflichtverletzung angedrohte Höchstmaß der Geldbußedas Höchstmaß nach Satz 1 übersteigt.

2. Überblick

Verschuldensabhängige Generalverantwortung desUnternehmers/der Leitungsebenen: Der zur plastischenAbgrenzung oben verwendete Begriff des „Unterneh-mers“ findet sich in § 130 OWiG nicht. Dieser sprichtvom „Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens“. Die-ser kann sanktioniert werden, wenn aus dem Unterneh-men heraus eine betriebsbezogene Pflicht verletzt wirdund dies durch ordnungsgemäße Aufsichtsmaßnahmenhätte verhindert werden können. § 130 OWiG statuiert ei-ne verschuldensabhängige Generalverantwortung des Un-ternehmensinhabers und – diesem über § 9 OWiG gleich-gestellt – der Leitungsebene für die Rechtmäßigkeit desUnternehmensalltags (Venn in Ignor/Rixen, Arbeitsstraf-recht, 2. Aufl. 2007, § 12 Rz. 1).

§ 130 OWiG als Auffangtatbestand: § 130 OWiG istdamit gegenüber § 30 OWiG ein besonderer Auffangtat-bestand (Venn in Ignor/Rixen, Arbeitsstrafrecht, 2. Aufl.2007, § 12 Rz. 2). Werden aufgrund der arbeitsteiligenOrganisation von Betrieben und Unternehmen Pflichten,die originär den Inhaber des Betriebes bzw. Unterneh-mens treffen, auf einen nachgeordneten Dritten übertra-gen und von diesem verletzt, kann der Inhaber sanktio-niert werden. Die Vorschrift knüpft an das zur Problema-tik der vertikalen Pflichtendelegation und im Hinblick aufdie Überwachungs- und Auswahlpflichten bereits Gesag-te an (Heerspink, AO-StB 2011, 186 [190 f.]). Im Ergeb-nis wird dem Inhaber nicht das Verschulden des nachge-ordneten Mitarbeiters zugerechnet, sondern dessen Tatzum Prüfungsanlass genommen, ob den Inhaber ein eige-nes Verschulden trifft.

Insbesondere in Fällen, in denen zunächst keine Bußgel-der nach § 30 OWiG verhängt werden können, weil sichdas Unternehmensorgan bzw. die anderweitige Leitungs-person nicht selbst an der Zuwiderhandlung beteiligt hat,auch nicht im Rahmen fahrlässiger Nebentäterschaft, oderinsofern Beweisprobleme bestehen, wird von § 130OWiG Gebrauch gemacht (KG, VRS Bd. 70, 29, 30;

Venn in Ignor/Rixen, Arbeitsstrafrecht, 2. Aufl. 2007,§ 12 Rz. 2, 3). Ist diese Hürde übersprungen, kann auchgegen das Unternehmen aus § 30 OWiG vorgegangenwerden.

Beraterhinweis: § 130 OWiG erfasst nur die Fälle, in de-nen der Aufsichtspflichtige allein in Bezug auf die Auf-sichtspflichtverletzung vorsätzlich oder fahrlässig ge-handelt hat. Die eigentliche Zuwiderhandlung darf vomInhaber nicht zu verantworten sein. Bleibt unaufklärbar,ob dem Betriebsinhaber die konkrete Zuwiderhandlungzugerechnet werden kann oder ob ihm nur eine Aufsichts-pflichtverletzung zur Last zu legen ist, kann wegen desnormativen Stufenverhältnisses (bei Vorliegen der tatbe-standlichen Voraussetzungen im Übrigen) eine Ahndungaus § 130 OWiG nicht aber aus der Anknüpfungstat he-raus erfolgen (Venn in Ignor/Rixen, Arbeitsstrafrecht,2. Aufl. 2007, § 12 Rz. 32).

3. Tatbestand

a) Anlasstat

Bedingung der Strafbarkeit: § 130 OWiG setzt eine vo-rausgehende Anlasstat voraus, sie ist Bedingung derStrafbarkeit (BGH v. 9.7.1984, BGHSt 32, 389 [391]).

Betriebsbezogene Pflichten: Diese Anlasstat muss sichauf betriebsbezogene Pflichten beziehen. Vergleichbar zu§ 30 OWiG (Heerspink, AO-StB 2011, 283 [285]) sinddies zunächst Pflichten, die den Inhaber „als solchen“treffen, etwa die Pflichten als „Steuerpflichtiger“ oder als„Arbeitgeber“ etc. Auf diesem Weg – nicht über § 377Abs. 2 AO – soll § 130 OWiG nach h.M. (vgl. Nachweisebei Joecks in Franzen/Gast/Joecks, 7. Aufl. 2009, § 377Rz. 53; a.A. Suhr/Naumann/Bilsdorfer, Steuerstrafrecht –Kommentar, 4. Aufl. 1986, Rz. 362, 411 ff.; kritisch auchSahan in Graf/Jäger/Wittich, Kommentar zum Wirt-schafts- und Steuerstrafrecht, § 377 AO Rz. 18) auchsteuerstrafrechtlich anwendbar sein.

Enger Zusammenhang mit der Betriebsführung: Be-triebsbezogen sind aber auch allgemeine Pflichten, wennein enger Zusammenhang mit der Betriebsführung gege-ben ist, es sich also um konkrete Pflichten des Betriebshandelt. Auch die Vermeidung fahrlässiger Körperverlet-zungen (§ 229 StGB) oder gar Tötungen (§ 222 StGB)sind betriebliche Pflichten, soweit es in einem Betriebaufgrund unzureichender Verkehrssicherung oder des In-verkehrbringens von gefährlichen Gütern zu einer Verlet-zung oder zum Tode eines Mitarbeiters (oder Kunden)kommt (Rogall in KK-OWiG, 3. Aufl. 2006, § 130Rz. 79, 81; Venn in Ignor/Rixen, Arbeitsstrafrecht, 2. Aufl.2007, § 12 Rz. 10). Der Inhaber hat als Arbeitgeber dafüreinzustehen, dass seine Arbeitnehmer bei der Arbeit un-versehrt bleiben, ihm obliegt die Rechtspflicht zur Gefah-renabwendung (so schon 1929 RG v. 23.4.1929 – I 1265/28, RGSt 63, 211 ff. bei Eidam, Unternehmen und Strafe,Rz. 2432, „Ziegenhaarfall“).

b) Inhaber eines Betriebs oder Unternehmens

Betrieb/Unternehmen: Die Begriffe Betrieb und Unter-nehmen werden vorausgesetzt und sind in der Praxisi.d.R. außer Streit. Eine terminologische Abgrenzung ist

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Interessenwahrung im Steuerstrafverfahren

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für Zwecke des § 130 OWiG nicht erforderlich und auchschwierig (im Einzelnen vgl. Rogall in KK-OWiG,3. Aufl. 2006, § 9 Rz. 67).

Inhaber ist der, dem die Erfüllung der betrieblichenPflichten i.S.d. § 130 OWiG obliegt (KK-OWiG, Rogall,§ 130 Rz. 23). Sofern es sich bei dem Betriebsinhabernicht um eine natürliche Person sondern um eine juristi-sche Person oder Personengesellschaft handelt, sind Ad-ressaten die in § 9 Abs. 1 OWiG (dazu vgl. Heerspink,AO-StB 2011, 186 [187 f.]) genannten vertretungsberech-tigten Gesellschafter, Organe oder Organmitglieder. Ent-sprechendes gilt für Beauftragte oder Teilbetriebsleiteri.S.d. § 9 Abs. 2 OWiG.

Faktische Organschaftsverhältnisse: Die Rspr. wendet§ 9 OWiG auch auf faktische Organschaftsverhältnissean, was mit Blick auf das Gesetzlichkeitsprinzip zweifel-haft ist (Gürtler in Göhler, OWiG, 15. Aufl. 2009, § 9Rz. 9a), von der Rspr. aber – zur Vermeidung von Umge-hungen – durchgehend anerkannt wird (vgl. Nachw. be-reits bei Heerspink, AO-StB 2011, 186 [187 f.]).

c) Tathandlung: Aufsichtspflichtverletzung

Unterlassung geeigneter Aussichtsmaßnahmen: Liegteine Anlasstat eines Dritten vor, ist zu prüfen, ob der In-haber geeignete Aufsichtsmaßnahmen unterlasen hat. DerInhaber ist dafür verantwortlich, dass durch entsprechen-de Organisation und Aufsicht, die betrieblichen Pflichtenerfüllt werden. Versäumt er dies, liegt in dem Versäumnisdie Tathandlung i.S.d. § 130 OWiG.

Objektiv erforderliche/zumutbare Maßnahmen: Wieder Betrieb/das Unternehmen zu organisieren und zu be-aufsichtigen hat, hängt vom Einzelfall ab. Die Rspr. for-dert die Umsetzung von „objektiv erforderlichen und zu-mutbaren“ Maßnahmen (Schmid in Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. 2010, § 30Rz. 141; Hauschka/Greeve, BB 2007, 165 [166]; Pampel,BB 2007, 1636 [1637]), ohne sie umfassend zu beschrei-ben.

Beispiel

Der Inhaber hat sich über den zentralen rechtlichen Rahmen seinerunternehmerischen Tätigkeit kundig zu machen und eine etwaigenspezialgesetzlichen Anforderungen (z.B. GoB) genügende sowie imÜbrigen sachgerechte Organisation und Aufgabenverteilung vorzu-nehmen. Dazu gehört insb. die sorgfältige Auswahl von Mitarbei-tern, die Erstellung eines Organisationsplans (Rogall in KK-OWiG,3. Aufl. 2006, § 130 Rz. 66) und die Durchführung notwendiger In-vestitionen in die sächliche Ausstattung des Unternehmens. DieMitarbeiter müssen im Hinblick auf ihre Aufgaben und Pflichteninstruiert und überwacht werden. Gegen bekannt werdende Verstößemuss eingeschritten werden, um künftigen Verstößen präventiv vor-zubeugen (Rogall in KK-OWiG, 3. Aufl. 2006, § 130 Rz. 40; Vennin Ignor/Rixen, Arbeitsstrafrecht, 2. Aufl. 2007, § 12 Rz. 14). Beibekannt gewordenen Mängeln besteht – jedenfalls für eine Über-gangszeit – eine erhöhte Überwachungspflicht um neuerliche Ver-stöße zu vermeiden (vgl. KG v. 26.8.1985 – 3 Ws [B] 101/85, VRSBd. 70, 29 ff. bzgl. Lenkzeitverstößen; OLG Celle v. 28.2.2007 –

322 Ss 39/07, VRS Bd. 112, 289 ff. zu Ladungssicherheitsvorschrif-ten).

Compliance-System: Eine Pflicht zur Begründung einesCompliance-Systems – also eines gesonderten und mitPersonal ausgestatteten Systems zur Gewährleistung

rechtstreuen Verhaltens der Mitarbeiter – ist § 130 OWiGnach ganz h.M. nicht zu entnehmen, denn er knüpft an ei-ne Aufsichtspflichtverletzung an, definiert aber keineAufsichtspflicht. Welche organisatorischen Maßnahmendiese Voraussetzungen erfüllen, lässt sich § 130 OWiGnicht entnehmen, insoweit ist man entweder auf spezial-gesetzliche Vorgaben oder auf Kasuistik angewiesen (vgl.etwa Nachweise bei König in Göhler, OWiG, 15. Aufl.2009, § 130 Rz. 9 ff.; Rogall in KK-OWiG, 3. Aufl.2006, § 130 Rz. 51 ff.).

Geschäftsverteilung bei Kollegialorganen: Da § 30OWiG auf die individuelle Aufsichtspflicht des Einzelnenabstellt spielt für die Haftung der Mitglieder von Kolle-gialorganen die Geschäftsverteilung eine herausragendeRolle. Das einzelne Mitglied der Geschäftsführung ist fürdie Aufsicht des ihm übertragenen Ressorts verantwort-lich. Die nach der Ressortverteilung unzuständigen Ge-schäftsführungsmitglieder dürfen darauf vertrauen, dassder Zuständige seiner Aufsichtspflicht gerecht wird, eineallgemeine gegenseitige Überwachungspflicht ohne be-sondere Veranlassung besteht nicht (vgl. OLG Naumburgv. 13.3.1997 – 1 Ss [B] 415/96, Nachweis bei Korte,NStZ 1998, 450). Etwas anderes gilt für denjenigen, derKenntnis vom Unterlassen der Aufsicht durch das zustän-dige Organ hatte oder aufgrund konkreter Anhaltspunktehätte handeln müssen (OLG Hamm v. 28.10.1970 – 4 SsOWi 423/70, NJW 1971, 817 f.; Venn in Ignor/Rixen, Ar-beitsstrafrecht, 2. Aufl. 2007, § 12 Rz. 25). Darüber hi-naus kann aus besonderem Anlass – z.B. drohende Insol-venz – der Grundsatz der Ressortverantwortlichkeit vonder Allzuständigkeit überlagert werden (vgl. zu Gremien-verantwortlichkeit Heerspink, AO-StB 2011, 186[188 ff.]).

Beraterhinweis: Ein Rückschluss vom Schaden auf denÜberwachungsfehler ist immer wieder zu beobachten, je-doch unzulässig. An die Überwachungsaufgabe dürfenkeine überspannten Anforderungen gestellt werden, siemuss zumutbar bleiben. Dies insb. in Fällen, in denender Inhaber auf die Zuarbeit von – dafür bezahlten – inter-nen oder externen Spezialisten (z.B. Steuerberater) ange-wiesen ist. Etwa im Bereich der Lohnsteuer sind die ge-setzlichen Anforderungen so unübersichtlich, dass sichder Unternehmer als Nicht-Fachmann auf seine Steuerab-teilung oder seinen Steuerberater muss verlassen können(Klein/Jäger, AO, § 377 Rz. 19). Dies jedenfalls solange,wie er nicht aufgrund besonderer Vorkommnisse (z.B.kritischer BP-Bericht) davon ausgehen muss, dass seineSpezialisten fehlerhaft arbeiten.

d) Kausalität

Hypothetischer Kausalverlauf: Es besteht ein nur lo-ckeres Kausalitätsverhältnis zwischen Aufsichtspflicht-verletzung und Anlasstat. Einer nachweisbaren Kausali-tät, dass der missbilligte Erfolg bei gehöriger Aufsicht si-cher unterblieben wäre, bedarf es nicht. § 130 OWiG lässtes bereits genügen, dass der Eintritt des missbilligten Er-folgs bei gehöriger Aufsicht „wesentlich erschwert wor-den wäre“ (hypothetischer Kausalverlauf, vgl. KG v.26.8.1985 – 3 Ws [B] 101/85, VRS Bd. 70, 29 ff.).

AO-StB 1/2012 29Beiträge für die Beratungspraxis

Interessenwahrung im Steuerstrafverfahren

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Vor diesem Hintergrund lässt sich die Ursächlichkeit derPflichtverletzung oftmals leicht begründen. Denn die Or-ganisation soll Pflichtverletzungen und Schäden vorbeu-gen, so dass jeder einschlägige Organisationsmangel pri-ma vista den Eintritt des missbilligten Erfolgs erleichtert.Allerdings ist die Pflichtverletzung zu begründen, einSchluss vom Schaden auf den Organisationsmangel –

weil der Mitarbeiter die Voranmeldungen verspätet ab-gibt, war die Fristenkontrolle unzureichend, was bei ge-höriger Überwachung aufgefallen und geändert wordenwäre – ist unzulässig.

Beraterhinweis: Der Verteidiger muss hier herausarbei-ten, warum nur ein nie zu verhinderndes Einmalversagenvorlag oder warum der Ablauf so atypisch war, dass ernicht vorhergesehen und durch Organisation verhindertwerden konnte.

e) Subjektiver Tatbestand

Vorsatz oder Fahrlässigkeit: Der Inhaber muss seineAufsichtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt ha-ben. Ihm muss dabei zumindest erkennbar gewesen sein,dass seine Aufsichtspflichtverletzung die Gefahr für eineVerletzung betriebsbedingter Pflichten i.S.d. Anlasstat be-gründet. Er muss also die erhöhte Gefahr der Anlasstataufgrund seiner mangelnden Aufsicht vorhersehen, zu-mindest vorhersehen können (Rogall in KK-OWiG,3. Aufl. 2006, § 130 Rz. 103).

Da auf die Aufsichtspflicht abzustellen ist, kann der Inha-ber auch dann zur Verantwortung gezogen werden, wenner selbst nur fahrlässig handelt und die fahrlässige Bege-hung der Anlasstat nicht strafbar wäre. So wäre einefahrlässige Steuerhinterziehung oder Steuerverkürzungnicht möglich, es ist Vorsatz (§ 370) oder Leichtfertigkeit(§ 378) erforderlich. Den fahrlässigen Inhaber an Stelledes die Anlasstat begehenden Mitarbeiters gedacht, lägekeine Straftat oder Ordnungswidrigkeit vor, denn er hatnicht mindestens leichtfertig seine Pflicht verletzt. Diesist der Hintergrund, warum teilweise (Suhr/Naumann/Bilsdorfer, Steuerstrafrecht-Kommentar, 4. Aufl. 1986,Rz. 413; kritisch auch Sahan in Graf/Jäger/Wittich, Kom-mentar zum Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 377 AORz. 18: teleologische Reduktion des Verschuldensmaß-stabs) vertreten wird, § 130 OWiG sei auf Steuerdeliktenicht anwendbar.

4. Rechtsfolgen, Konkurrenzen, Verfahren

Geldbuße im Ermessen: Zur Geldbuße gelten die Aus-führungen zu § 30 OWiG (Heerspink, AO-StB 2011, 283[285 f.]) entsprechend, d.h. insb. dass die Festsetzung derGeldbuße nicht zwingend ist, sondern im Ermessen derBehörde oder des Gerichts steht.

Die Höhe der Geldbuße beträgt auch hierl bis zu 1 Mio. € bei vorsätzlicher Aufsichtspflichtver-

letzung,l bis zu 500.000 € bei fahrlässiger Pflichtverletzung

(§ 17 Abs. 2 OWiG).

Bei Anknüpfungsordnungswidrigkeiten gilt dasHöchstmaß der dort angedrohten Geldbuße (§ 130 Abs. 3Satz 2 OWiG). Wenn die Geldbuße höher wäre als die füreine Straftat maximal zu verhängende Strafe, ist der Buß-

geldtatbestand anzuwenden; diese Sonderregel des § 130Abs. 3 Satz 3 OWiG zielt primär auf Kartelldelikte.

Abschöpfung der Vorteile: Auch im Falle des § 130OWiG soll die Geldbuße etwa gezogene Vorteile des In-habers abschöpfen (§ 17 Abs. 4 OWiG). Dies wird abernur selten der Fall sein. Zumeist wächst der Vorteil demUnternehmen an. Wo er gezielt beim Inhaber anfällt wirdder Inhaber zumeist an der Anlasstat beteiligt sein, sodass § 130 OWiG ausscheidet (s.o. 2.).

Selbstanzeige: Eine Selbstanzeige (§§ 371, 378 Abs. 3AO) des gegen § 130 OWiG verstoßenden Aufsichts-pflichtigen hätte keine strafbefreiende Kraft; an §§ 370,378 AO ist er nicht beteiligt, §§ 371, 378 Abs. 3 AO er-fassen nicht § 130 OWiG. In derartigen Fällen wird dasOpportunitätsprinzip (§ 47 OWiG) einer Ahndung regel-mäßig entgegenstehen, zumal häufig ein Spannungsver-hältnis zu § 153 AO vorliegen wird.

Beraterhinweis: § 130 OWiG tritt hinter der Anlassnormzurück, sofern diese unmittelbar vom Inhaber verletztwurde. Dies gilt auch, sofern ein Mitarbeiter die Pflicht-verletzung aktiv begangen hat, der Inhaber aber dies be-wusst geschehen ließ. In einem solchen Fäll läge in demUnterlassen des Inhabers eine eigenständige Pflichtverlet-zung in Nebentäterschaft, die auch als Fahrlässigkeitsde-likt denkbar ist (Rogall in KK-OWiG, 3. Aufl. 2006,§ 130 Rz. 108).

Antrag: Gemäß § 131 Abs. 2 OWiG gelten etwaige An-tragserfordernisse der Anlasstat entsprechend für § 130OWiG.

Die Verjährung folgt den allgemeinen Regeln (§§ 130Abs. 3, 31 ff. OWiG). Da § 130 OWiG keine Steuerord-nungswidrigkeit ist, gilt § 384 AO nicht. Die Verjährungbeginnt mit der Beendigung der Anlasstat. Soweit derBGH den Beginn dadurch verzögert, dass er eine Beendi-gung bei möglichen künftigen Anlasstaten gleicher Artverneint (BGH v. 9.7.1984 – KRB 1/84, BGHSt 32,392 f.), ist ihm zu widersprechen. Nach Beendigung derAnlasstat fängt ggf. eine neue Aufsichtspflichtverletzungan. Dies ändert an der Beendigung der ersten Tat abernichts, daran können vage prognostische Überlegungennichts ändern (Rogall in KK-OWiG, 3. Aufl. 2006, § 130Rz. 112).

Zuständigkeit: Die sachliche Zuständigkeit liegt bei derBehörde, die auch für die Verfolgung der Anlasstat zu-ständig wäre (§ 131 Abs. 3 OWiG).

Beispiel

Ist die Anlasstat ein Steuerdelikt ergibt sich die sachliche Zustän-digkeit der Finanzbehörde für die Verfolgung des § 130 OWiG aus§§ 131 Abs. 3, 36 Abs. 1 OWiG, 409, 387 AO (Jäger in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. 2009, § 377 AO Rz. 65).

5. Fazit

Vermeidung von Sanktionen ...: Mittels § 130 OWiGkann die Leitungsebene für eine fehlerhafte Organisationdes Unternehmens verantwortlich gemacht und empfind-lich sanktioniert werden.

Wie das Unternehmen zu organisieren ist, lässt sich § 130OWiG allerdings nicht entnehmen, so dass die Norm auchkeine bestimmte Organisationsform determiniert. Dies

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Interessenwahrung im Steuerstrafverfahren

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kann man mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot kritisie-ren, gibt einem aber auch die unternehmerische Freiheiteine eigene Organisationsform zu gestalten – sie musssich nur als tragfähig erweisen.

Aus Sicht des Gesetzgebers besteht nur dann Anlas fürdie Überprüfung der Geeignetheit der Organisation, wennetwas passiert ist: die Anlasstat. Kommt es nicht zur An-lasstat, kann das Unternehmen so schlecht organisiert seinwie es will, eine Sanktionierung ist für die bloße Fehlor-ganisaton nicht vorgesehen.

... durch sachgerechte Unternehmensorganisation ...:Gleichwohl empfehlen sich präventive Überlegungen zursachgerechten Unternehmensorganisation. Eine solchewird langfristig Reibungsverluste vermeiden und so zumUnternehmensgewinn beitragen. Unabhängig davon isteine sachgerechte Unternehmensorganisation geeignet,Anlasstaten zu verhindern oder weniger wahrscheinlichzu machen. Sie ist damit auch sanktionsvermeidend oder– dort wo die redlichen Bemühungen um sachgerechteOrganisation zu kurz griffen – doch sanktionsmindernd.

... und ggf. Compliance-System ...: Letzteres – die Her-absetzung der Wahrscheinlichkeit von Anlasstaten und

der Sanktionierung der Inhaber – gilt insb. bei der Imple-mentierung eines Compliance-Systems. Bei der Abwehrdes Vorwurfs einer Aufsichtspflichtverletzung kann ein –

gesetzlich i.d.R. nicht erforderliches – Compliance-Sys-tem helfen.

... auch im Interesse ds Unternehmens: Die Vermei-dung eines solchen Vorwurfs dient nicht nur dem Unter-nehmer/Inhaber sondern auch dem Unternehmen selbst.Denn wenn dem Inhaber ein Aufsichtsverstoß (§ 130OWiG) nachgewiesen wird, kann auch das Unternehmensanktioniert werden (§ 30 OWiG); § 130 OWiG ist diehäufigste Anknüpfungstat des § 30 OWiG. Es ist daherim Interesse des Unternehmens, wenn die Unternehmens-leitung eine auch mit Blick auf die Einhaltung vonRechtsnormen effiziente Unternehmensorganisation (ggf.einschließlich Compliance) durchführt.

Mit dem Interesse der Staatsanwaltschaften an der Auf-klärung unternehmensbedingter Straftaten sollte auch dasInteresse der Unternehmen und ihrer Inhaber an der sach-gerechten Unternehmensorganisation steigen. Letzterevermeidet deren straf- und zivilrechtliche Haftung.

n Der Ex-Lebensgefährte als Informant und ein unvorhergesehenes ErgebnisEin Fall aus der Praxis

von Dirk Beyer, RA*

1. Einleitung

Die Anzeige eines Informanten kann durch das Einfallstorder StPO erheblichen steuerlichen Schaden anrichten.Der Gegenstand des Schadens kann u.U. von der Inten-tion des Informanten abweichen, wie folgender Fall zeigt.

2. Sachverhalt

Eine langjährige Lebensgemeinschaft endete im Streitüber das Geld der Frau (F). F hatte eine Geldsumme von200.000 € in Luxemburg angelegt, auf Drängen des Man-nes (M) nach Deutschland gebracht und dem M als Darle-hen zur Verfügung gestellt. Nach erheblichen Zweifeln anseinen finanziellen Absichten verlangte F das Geld (nurteilweise erfolgreich) zurück, gab in 2010 eine wirksame(Teil-)Selbstanzeige für die luxemburger Kapitaleinkünfteab und erklärte die Kapitaleinkünfte für die Jahre ab 1999zutreffend nach (alle Werte in Euro). Das FA legte in denam 15.6.2010 ergangenen Änderungsbescheiden dienacherkärten Euro-Werte für die Jahre 1999 bis 2001 ver-sehentlich (zugunsten F) als DM-Werte zugrunde. M hat-te F mittlerweile gegenüber der Steuerfahndungsstelle de-tailliert aber unzutreffend der Gewinnentnahmen undGeldwäsche i.H.v. rund 900.000 € beschuldigt, so dass ei-ne Durchsuchung in der Wohnung der F erfolgte. Die Be-schuldigung war zwar nicht nachweisbar. Das FA schaute

sich jedoch erneut die Änderungsbescheide 1999 bis2001 vom 15.6.2010 an und korrigierte diese, als es dieeigene DM-Euro-Verwechslung bemerkte.

3. Anfangsverdacht durch Informant

Die Angaben eines Informanten können Anlass fürsteuerstrafrechtliche Ermittlungsmaßnahmen sein. Infor-manten sind typischerweise z.B. ehemalige Lebensge-fährten oder Gesellschafter sowie gekündigte Arbeitneh-mer, die aufgrund ihres Insiderwissens dem Betroffenenerheblichen Schaden zufügen können. Zudem sind sie inder Lage, Details vorzutragen, die ihrer Anzeige den An-strich der Wahrheit geben. Für die Ermittlungsbehördenist es daher nicht immer einfach, den Wahrheitsgehalt imVorfeld einzuschätzen. Wesentliche Gesichtspunkte sindz.B.l Ergeben sich bereits aus dem Vortrag des Anzeigeer-

statters Widersprüchlichkeiten?l Kann der Anzeigeerstatter sein besonderes Insider-

wissen durch nachprüfbare Angaben nachweisen(z.B. Kenntnis über familiäre Umstände, besonderegeschäftliche Aktivitäten des Betroffenen etc.)?

l Welche Motive könnte der Anzeigerstatter besitzen?

Ergeben die Angaben des Informanten nach kriminalisti-scher Erfahrung einen durch tatsächliche Anhaltspunktegestützten Verdacht, muss die Ermittlungsbehörde nachdem Legalitätsgrundsatz tätig werden und ermitteln(§ 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO). Diese Entscheidungbetrifft jedoch nur das „Ob“ der Ermittlungen. Es liegt im

* Der Autor ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei KONLUS in Ber-gisch Gladbach und war Sachgebietsleiter in einer Steuerfahn-dungsstelle.

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Interessenwahrung im Steuerstrafverfahren

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pflichtgemäßen Auswahlermessen, welche Maßnahmenergriffen werden. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ge-bietet hierbei bei Anhaltspunkten für Zweifel an der An-zeige eine schonende Verfahrensweise (z.B. durch eineeher maßvolle Anzahl der an einer Durchsuchungsmaß-nahme teilnehmenden Fahndungsprüfer). In der Praxis istder Anfangsverdacht und das Auswahlermessen naturge-mäß auch durch die persönliche Einstellung des jeweili-gen Entscheidungsträgers geprägt. Die Schwelle für einStrafverfahren ist – wenn die Ermittlungsbehörde will –recht niedrig.

Beraterhinweis: Der BFH geht davon aus, dass die Iden-tität eines Anzeigeerstatters gegenüber dem Steuerpflich-tigen dem Steuergeheimnis unterliegen kann (§ 30 AO),wobei im Einzelfall eine Abwägung vorzunehmen ist(BFH v. 7.12.2006 – V B 163/05, AO-StB 2007, 63 mitBesprechung durch Ballof). Dabei kommt dem Informan-tenschutz nach Ansicht des BFH regelmäßig ein höheresGewicht gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrechtdes Steuerpflichtigen zu, „wenn sich die vertraulich mit-geteilten Informationen im Wesentlichen als zutreffend er-weisen und zu Steuernachforderungen führen“.

4. DM-Euro-Verwechslung

Sowohl bei Steuerberatern als auch in FÄ (wie es hierversehentlich geschah) kann es in der Hektik des Alltagsvorkommen, dass eine Währungsverwechslung geschieht.In der Rspr. ist anerkannt, dass es sich hierbei um eine of-fenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO handelt (BFH v.

19.8.2008 – IX R 71/07, BStBl. II 2009, 13). Da im Straf-verfahren die Änderungsbescheide nochmals genau ge-sichtet worden waren, hat das FA nach Erkennen seinesVersehens die unzutreffenden Änderungsbescheide 1999bis 2001 vom 15.6.2010 berichtigt (DM statt Euro). Dieverlängerte Festsetzungsverjährung von 10 Jahren (§ 169Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AO), beginnt mit Ablauf des 31.12.des Jahres, in dem die jeweilige Steuererklärung einge-reicht wird (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) und war hierfür 1999 nach der Grundregel abgelaufen. Für den Fallder offenbaren Unrichtigkeit besteht allerdings die beson-dere Ablaufhemmung von einem Jahr, welche ab Be-kanntgabe des unrichtigen Bescheides beginnt (§ 171Abs. 2 AO). Startpunkt ist mithin nicht der Zeitpunkt derKenntnis oder des Kennensmüssens.

5. Fazit

Die StPO ermöglicht und verlangt die Einleitung einesStrafverfahrens bereits bei hinreichenden Anhaltspunk-ten. Auch wenn sich der Wahrheitsgehalt der Anzeige ei-nes Informanten im Nachhinein nicht bestätigt, so bleibtdie Anzeige trotzdem rechtmäßiger Anlass für die straf-rechtlichen Ermittlungsmaßnahmen. Unter dem Aspekt,dass steuerrechtliche Verwertungsverbote die strengeAusnahme sind, bedeutet dies ein erhebliches Risiko fürden Betroffenen, das anderweitige steuerliche Sachver-halte durch die Anzeige aufgedeckt werden. So hatte auchhier M sein Ziel, F steuerlich zu schädigen, auf andereWeise (Korrekturbescheide gem. § 129 AO) erreicht.

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32 AO-StB 1/2012Beiträge für die Beratungspraxis

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