STREUBOMBEN Die “heimlichen” Hersteller

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STREUBOMBEN Die “heimlichen” Hersteller Eine Recherche auf der Waffenmesse IDEX 2011 (ABU DHABI) im Auftrag von Handicap International, Mai 2011

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STREUBOMBEN Die “heimlichen” Hersteller

Eine Recherche auf der Waffenmesse IDEX 2011 (ABU DHABI) im Auftrag von Handicap International, Mai 2011

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Foto: „Rockeye“ - Streubombe der Firma NESCOM (Pakistan), 2007.

Am 1. August 2010 trat die Konvention zu Streumunition (Convention on Cluster Munitions CCM) völkerrechtlich verbindlich in Kraft. Genau wie mittlerweile auch 110 andere Staaten hat Deutschland diesen Verbotsvertrag unterzeichnet und erkennt damit das umfassende Einsatz- und Herstellungsverbot an. Ratifiziert haben den Vertrag bislang 56 Staaten (Stand 04/2011).

Problem also gelöst? Leider nicht, denn es verbleiben noch eine Reihe von Staaten bzw. Unternehmen, die nach wie vor das Produktions-verbot für diese grausamen Waffen ignorieren. Wer diese Unternehmen sind und welche Waffen sie anbieten, deckt diese Recherche auf. Und sie zeigt damit auch, dass wir uns auch weiterhin für eine Universalisierung der Verbotskonvention einsetzen müssen, damit das Verbot in Zukunft weltweit und umfassend greifen kann.

Ein wichtiger Grund für eine Universalisierung ist das Problem des anhaltenden Investments in die Hersteller von Streumunition. Finanzdienstleister und Banken aus aller Welt, auch aus Deutschland, erwerben Anteile an diesen Unternehmen oder gewähren diesen Kredite und unterstützen so deren Waffengeschäfte.

Deshalb sind mehr und mehr der Oslo- Vertragsstaaten zu der Auffassung gekommen, in

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allen relevanten Bereichen dafür Sorge zu tragen, dass die Ziele der Konvention nicht unterlaufen werden, was insbesondere den Finanzsektor einschließt. Sie berufen sich auf Artikel 1c der Konvention, der jegliche Unterstützung der Herstellung bzw. der Hersteller verbietet. Deutschlands EU- und NATO-Partner wie Belgien oder Luxemburg, haben diese tödlichen Investments in Hersteller von Streumunition längst mit expliziten Gesetzen verboten. Die Bundesregierung teilt diese Interpretation der Konvention bislang leider nicht.

Erstmals liegt aber jetzt dem deutschen Bundestag ein Antrag von Bündnis90/Die Grünen (17/4697) vor, der ein ausdrückliches Verbot von Investitionen in Unternehmen fordert, die Anti-personenminen oder Streumunition herstellen oder entwickeln.

Eine berechtigte Forderung, denn selbst gewichtige deutsche, bislang wenig nachhaltig orientierte Finanzdienstleister wie z.B. ALLIANZ GI und DWS, beginnen, Schritt für Schritt und auf freiwilliger Basis auf die explosiven Investments zu verzichten.

Was jedoch einige Finanzdienstleister nicht davon abhält, weiterhin Kredite an Hersteller zu vergeben, für diese Anleihen aufzulegen oder im Auftrag Dritter (Vermögensverwaltung) weiterhin Anteile an diesen Herstellern zu erwerben.

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Foto: DPICM-Streumunition der koreanischen Firma POONGSAN, 2007.

Identifizierte Hersteller und ihre Streumunition auf der Waffenmesse IDEX 2011

Wer auf der Waffenmesse IDEX 2011 in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate) nach Herstellern von Streumunition Ausschau hielt, suchte zunächst vergeblich. Weder Fotos noch Ausstellungsstücke waren zu sehen. Zeigt das Verbot und die damit verbundene Stigmatisierung von Streumunition also Wirkung? Leider nicht ganz, man scheint nur vorsichtiger geworden zu sein. Denn wer Einblick nimmt in die häufig der Öffentlichkeit vorenthaltenen Kataloge und Werbebroschüren, wird leider eines Besseren belehrt. Eine Zusammenfassung: Hersteller Land Angebotene Streumunition

TEXTRON SYSTEMS USA Streubombe CBU 97 / CBU 105 „Sensor-

Fuzed Weapon“

BUMAR POLEN 122mm BM21 GRAD Raketenwerfer

mit Streumunition (HESYT)

HANWHA SÜDKOREA 120mm Mörsergeschosse mit

Streumunition, Kaliber 2.75 Streumunitionsraketen

POONGSAN SÜDKOREA 155mm Artilleriemunition TYP

ICM K310 (s. Foto)

NORINCO CHINA Type 90B 122mm Streumunitions-

raketen für MLRS, W-120 273mm

Streumunitionsraketen für MLRS

HELLENIC DEFENCE SYSTEMS GRIECHENLAND 155mm ER-DPICM GRM49BB

Artilleriemunition, 155mm HE/ICM GRM49 Artilleriemunition ( in Kooperation mit I.M.I /Israel), GRM20 HE/ICM Mörsergeschosse.

PAKISTAN ORDNANCE FACTORIES PAKISTAN 155mm BB DPCIM Artilleriemunition Weitere Hersteller von Streumunition, die entweder nicht auf der IDEX ausstellten oder keine Informationen gaben sind: Lockheed Martin, General Dynamics, Raytheon, L-3 Communications, Singapore Technologies Engineering, Alliant Techsystems, AVIBRAS S.A., ROSOBORONEXPORT, ARES, Patria, I.M.I., S.C. Tohan S.A., SPLAV, BAZALT, ZVS Holding, Instalaza, NESCOM.

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Die GRM 20 HE/ICM Mörsergranate enthält 20 Submunitionen und wirkt bei Aufschlag im Umkreis von 7.000 qm2 tödlich. Die auf der IDEX angebotene Mörsergranate verstößt gegen die Oslo-Konvention.

Hersteller: HELLENIC DEFENCE SYSTEMS Griechenland

Die US-amerikanische Streubombe CBU 105 enthält 40 BLU-108/B Submunitionen und wird auch als „Sensor-Fuzed-Weapon“ bezeichnet. Die auf der IDEX angebotene Bombe, die ihre Ziele autonom erkennen und vernichten soll, verstößt gegen die Oslo-Konvention.

Hersteller: TEXTRON, USA

Streumunition? - Kein Kommentar!

Drei Hersteller aus den USA (General Dynamics, Raytheon und L3 Communications) wollten auf Nachfrage weder bestätigen noch leugnen, dass sie auch weiterhin Streumunition produzieren. Ein weiterer US-Hersteller (Lockheed Martin) bestritt jegliche Beteiligung an der Herstellung von Streumunition. Lockheed Martin ist beteiligt an der Streubombe CBU-105 und stellt seit Jahrzehnten MLRS-Raketen für diverse Streu-munitionstypen her (s. Foto unten). Z.B. die ATACMS-Rakete, die M-30 Rakete mit M 101

Streumunition, den Raketenwerfer HI-MARS und die M-26 Rakete mit M42 Streumunition.

Die US-Unternehmen General Dynamics, Raytheon, Lockheed Martin und Alliant Techsystems werden zudem gegenwärtig vom norwegischen Finanzministerium als Hersteller von Streumunition eingestuft und von der Investmentliste des staatlichen Pensionsfonds gestrichen.

Ein Vertreter der Firma TEXTRON gab an, dass die CBU-105 Streubombe des Unternehmens

nur von der US-Luftwaffe verkauft wurde und zwar an Israel, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Ob die als „intelligent“ bezeichnete Streubombe einen Schulbus von einem Panzer unterscheiden könne, ließ Textron unbeantwortet, behauptete aber, sie könne Fahrzeuge von Menschen unterscheiden.

Auch die südkoreanischen Hersteller POONGSAN und HANWHA gaben sich zugeknöpft und beantworteten Nachfragen nicht. Dafür sprechen ihre Werbebroschüren eine eindeutige Sprache: Beide Unternehmen stellen eindeutig Streumunition her. Ebenso wie NORINCO (China), wo man sich nicht allerdings gar nicht erst bemühte, die Produktion zu leugnen.

Eine HEAT Streumunitionsrakete Typ (M−21 K1) enthält 42 Submunitionen. Der Hersteller bietet auch eine Variante mit Minen an. Die auf der IDEX angebotene Rakete verstößt gegen die Oslo-Konvention. Hersteller: FPS , Polen Exporteur: BUMAR, Polen

IDEX 2011: TÖDLICHE STREUMUNITION IM ANGEBOT

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Schließlich gaben sich auch Vertreter des polnischen Konsortiums BUMAR unwissend in Bezug auf eine Beteiligung an der Herstellung von Streumunition. Doch auch hier genügte ein Blick in die BUMAR-Werbebroschüren, um die breite Palette an Streumunition des Unternehmens zu erkennen. FAZIT: Man spricht halt nicht mehr gern über Streumunition. Man verkauft sie jetzt lieber, im Verborgenen und unter der Ladentheke.

STREUMUNITION und der tödliche Profit der Deutschen Bank

Unangefochtener Spitzenreiter unter den deutschen Banken im Geschäft mit Streumunitionsherstellern ist die Deutsche Bank Group. Der Bankenprimus hält Aktien an vielen bekannten Streumunitionsherstellern und unterstützte sie auch durch Kreditvergaben und die Ausgabe von Anleihen. Zu diesem Urteil kam zuletzt eine Untersuchung der Kampagne FACING FINANCE im Dezember 2010. Die Deutsche Bank-Tochter DWS erklärte zwar bereits im Oktober 2010 nicht mehr in Streumunition investieren zu wollen, was aber nur für Deutschland gilt und ganz offensichtlich nicht für die weltweiten Geschäfte der DEUTSCHEN BANK. Einige Beispiele von Investments der Deutschen Bank in den USA: Finanzprodukt

INVESTMENT IN Emittent Stand

DWS Dreman Small Cap Value Fund

Alliant Techsystems (USA)

DWS-Investments Deutsche Bank Group

10.04.2011

DWS Balanced Fund Raytheon Co. (USA)

DWS-Investments Deutsche Bank Group

31.10.2010

DWS Blue Chip Fund

Raytheon Co. (USA)

DWS-Investments Deutsche Bank Group

31.10.2010

DWS Blue Chip Fund

General Dynamics (USA)

DWS-Investments Deutsche Bank Group

31.10.2010

Im April 2009 gab Textron Aktien im Wert von insgesamt 217,4 Mio. $ aus. Die Deutsche Bank zeichnete als Teil eines 10 köpfigen Bankenkonsortiums Anteile im Wert von US 7,7 Mio.$. Im April 2009 gab Textron zudem eine Anleihe im Wert von 540 Mio. $ aus - Laufzeit 4 Jahre. Die Deutsche Bank zeichnete als Teil eines 10 köpfigen Bankenkonsortiums Anteile im Wert von 14,6 Mio. $. Am 31. Dezember 2010 schließlich erwarb die Deutsche Bank im Rahmen ihrer Vermögensverwaltung Aktien von Alliant Techsystems im Wert von 51 Mio. $. FAZIT: Nach wie vor profitieren Finanzdienstleister von der Herstellung von Streumunition, auch wenn Sie auf Druck der Zivilgesellschaft beginnen ihre Geschäfte mit den Herstellern zurückzufahren. Das Beispiel Deutsche Bank zeigt, dass ein freiwilliger Verzicht nicht ausreicht und ein gesetzliches und umfassendes Investmentverbot unumgänglich ist. _______________ Verwendete Quellen: Firmenbroschüren und Firmenwebsites, Jane’s Air-launched Weapons Issues 17-19, Jane’s Ammunition Handbooks 2004-2008. www.onvista.de . www.dailyfinance.com . Netwerk Vlaanderen, IKV Pax Christi (2011): Worldwide Investments in Cluster Munitions, May. Norwegian Ministry of Finance (2011). FACING FINANCE & urgewald e.V. (2010) Tödlicher Profit . Deutsche Banken und ihr Investment in Streumunition und Antipersonenminen, Dezember.

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Impressum

Ganghoferstr. 19 80339 München Tel.: +49 89 54 76 06 13 Fax: + 49 (0) 89 54 76 06 20 www.handicap-international.de www.streubomben.de

Recherche: Brian Johnson Thomas Brian Johnson Thomas ist Journalist und war zudem tätig für den UN-Sicherheitsrat und die Europäische Kommission.

Edition: Thomas Küchenmeister Thomas Küchenmeister ist Publizist und Koordinator der Kampagne FACING FINANCE. Er war zudem langjähriger Leiter von Aktionsbündnis Landmine.de. Facing Finance ist ein Bündnis von: Solidaritätsdienst international (SODI) e.V., urgewald e.V., EarthLink e.V., Netwerk Vlaanderen, CentrumCSR.PL und JA! Justicia Ambiental aus Mosambik.

Schönhauser Allee 141 Haus 3 Tel.: +49 (0) 30 326616-81 Fax: + 49 (0) 30 326616-80 10437 Berlin www.facing-finance.org

Herausgeber: Handicap International Deutschland e.V. Fotos: Stefan Küchenmeister & Thomas Küchenmeister Titelfoto: Werbeplakat der Firma POONGSAN

Diese Publikation wurde mit Unterstützung der Europäischen Union hergestellt. Für den Inhalt tragen einzig die Herausgeber die Verantwortung; er reflektiert nicht notwendig die Ansichten der Europäischen Union.