STRUKTUR & MATERIAL BETON - blog.hslu.ch · STRUKTUR & MATERIAL BETON THESE 1: MATERIAL OLIVER VON...

4
STRUKTUR & MATERIAL BETON THESE 1: MATERIAL OLIVER VON KAENEL Unter der Entwurfsgruppe von Herrn Patrick Seiler befasse ich mich mit dem Material Beton. Als Ein- stieg in das Modul “Architektur und Struktur” hatten wir in einzelnen Gruppen die Aufgabe, ein Gebäude zu analysieren, in welchem Beton eine spezielle Rolle spielt. Wir erhielten das Mehrfamilienhaus Sargans von Peter Märkli. Dabei viel besonders der Bezug der Fassade zur Umgebung und der skulpturale Charak- ter im Innenraum der Eingangshalle auf. Mich faszinierte vor allem die Wirkung des Raums, die durch die Differenzierung von zwei verschiedenen Schalungsarten und unterschiedlichen Dimensionen der Schalbretter erzeugt wurde. Man akzeptierte den rauhen Charakter des Betons und gestand auch Fehler ein, welche die interessante Raumqualität gerade ausmacht. Peter Märkli’s Bauten besitzen dabei immer einen Bezug zum Menschen, den man im Charakter seiner “nicht-perfekten” Bauten erkennt. Dieser Grundsatz möchte ich dabei für meinen weiteren Entwurf mitnehmen. Einleitung Hintergrund «Wie oft haben mir Besucher gesagt: Ihr Haus ist sehr schön, aber wie schlecht ist nur die Ausführung“. Aber ich antwortete: Haben Sie jemals gemerkt, wie grob die Steine in den Kathedralen und Schlössern behauen sind, wie Fehler zugelassen wurden, manchmal sogar genutzt? (...) Bei den Menschen sehen Sie alle Unzulänglichkeiten, die Falten, die Muttermale, die krummen Nasen. (...) Fehler sind menschlich; sie sind wir, sie sind unser tägliches Leben. Was zählt, ist weiter- machen, leben, sich anzustrengen, ehre Ziele zu haben und loyal zu sein.» Einleitung Grundsatz Le Corbusier (Einflussnehmer auf Peter Märkli) Rede zur Eröffnung der Unité d’habitation Marseille, 1947 Skulptur von Hans Josephsohn im Eingangsbereich vom MFH Sargans von Peter Märkli Hochschule Luzern Technik & Architektur | Stru+Mat FS 14 Dozent: Angela Deuber | Student: Oliver von Kaenel

Transcript of STRUKTUR & MATERIAL BETON - blog.hslu.ch · STRUKTUR & MATERIAL BETON THESE 1: MATERIAL OLIVER VON...

STRUKTUR & MATERIAL

BETONTHESE 1: MATERIAL OLIVER VON KAENEL

Unter der Entwurfsgruppe von Herrn Patrick Seiler befasse ich mich mit dem Material Beton. Als Ein-stieg in das Modul “Architektur und Struktur” hatten wir in einzelnen Gruppen die Aufgabe, ein Gebäude zu analysieren, in welchem Beton eine spezielle Rolle spielt. Wir erhielten das Mehrfamilienhaus Sargans von Peter Märkli. Dabei viel besonders der Bezug der Fassade zur Umgebung und der skulpturale Charak-ter im Innenraum der Eingangshalle auf. Mich faszinierte vor allem die Wirkung des Raums, die durch die Differenzierung von zwei verschiedenen Schalungsarten und unterschiedlichen Dimensionen der Schalbretter erzeugt wurde. Man akzeptierte den rauhen Charakter des Betons und gestand auch Fehler ein, welche die interessante Raumqualität gerade ausmacht. Peter Märkli’s Bauten besitzen dabei immer einen Bezug zum Menschen, den man im Charakter seiner “nicht-perfekten” Bauten erkennt. Dieser Grundsatz möchte ich dabei für meinen weiteren Entwurf mitnehmen.

EinleitungHintergrund

«Wie oft haben mir Besucher gesagt: Ihr Haus ist sehr schön, aber wie schlecht ist nur die Ausführung“. Aber ich antwortete: Haben Sie jemals gemerkt, wie grob die Steine in den Kathedralen und Schlössern behauen sind, wie Fehler zugelassen wurden, manchmal sogar genutzt? (...) Bei den Menschen sehen Sie alle Unzulänglichkeiten, die Falten, die Muttermale, die krummen Nasen. (...) Fehler sind menschlich; sie sind wir, sie sind unser tägliches Leben. Was zählt, ist weiter-machen, leben, sich anzustrengen, ehre Ziele zu haben und loyal zu sein.»

EinleitungGrundsatz

Le Corbusier(Einflussnehmer auf Peter Märkli)

Rede zur Eröffnung der

Unité d’habitation Marseille, 1947

Skulptur von Hans Josephsohn im Eingangsbereich vom MFH Sargans von Peter Märkli

Hochschule Luzern Technik & Architektur | Stru+Mat FS 14 Dozent: Angela Deuber | Student: Oliver von Kaenel

Nebst den Analyse- und Recherchearbeiten zu dem zugeteilten Gebäude, hatte sich jeder Student für eine Betonart entscheiden müssen, in welche er sich vertieft auseinader setzten möchte. Da der Baustoff Beton im Allgemeinen sich, gegenüber anderen Baustoffen, durch seine leichte Formbarkeit auszeichnet und somit einen grossen Spielraum in der konstruktiven Gestaltung bietet, fragte ich mich, wo sich die gestalterische Grenze, bezogen auf dessen Dimensionierung und Statik, befindet. Auf der Suche nach immer filigraneren Bau-teilen, die auch mechanisch belastet werden können, bin ich nebst dem Stahl- und Faserbeton auf den Textilbeton gestossen, welcher ich weiter analysierte. Dabei begleiteten mich immer die Worte «Filigranität» und «Nachhaltigkeit», auf die ich nun noch weiter eingehe.

EinleitungBeton

Filigranität Bevor ich mich mit filigranen Bauteilen beschäftigte, musste ich für mich den Begriff «filigran» bezogen auf ein Bauelement erklären. Im Allgemeinen setzt sich das Substantiv “Filigran” aus «filo» der Faden und «grana» das Korn (ein Hin-weis auf die Rauheit der Edelmetallfäden aus dem 17. Jh.) zusammen und bilden kombiniert eine aus Fäden bestehende Oberflächenstruktur. Somit erk-ennt man den Filigranbau durch seine feingliedrige Struktur, einem Geflecht aus linearen, stab- oder rutenförmigen Elementen, die zu einem flächigen oder dreidimensionalen Gitterwerk gefügt werden. (Deplazes, 2013) Damit jedoch ein Element filigran wirkt bedingt es nicht nur einer offenen und freien Bauweise, sondern braucht auch den Bezug zur Massstäblichkeit und dessen umgebenden Raum. So wirkt eine 20cm dicke Wandscheibe in einem engen Raum eher massiv, in einer weiten Halle wiederum filigran. Somit müssen filigrane Elemente immer dem Ort angepasst und je nach Raumgrösse dicker oder dünner dimensioniert sein.Fazit und These 1.1:«Filigrane Bauteile werden durch den Raum und des-sen Massstäblichkeit bestimmt und erst als solches wahrgenommen, wenn diese in ihrer Dimension dem Raum entsprechen.»

Nachhaltigkeit Die Herstellung von Zement verschlingt nicht nur viel Energie, sondern setzt auch Unmengen an CO² frei. Zement stellt somit ein teures und umweltunfreund-liches Material dar, dass sparsam genutzt werden sollte. Dabei stellen filigrane Bauteile einen wichti-gen Schritt zum nachhaltigen Bauen dar. So können durch die Filigranitität des Textilbetons wertvolle Ressourcen eingespart und der Energieverbrauch eingedämmt werden. Zudem sind die Fasern der Textilbetonbewehrung auch bei hoher Luftfeuchtig-keit nicht korrosiv. Das macht Textilbeton nicht nur langlebiger als Stahlbeton, sondern auch effizient-er, weil die Betonaussenschichten zum Schutz der Stahlbewehrung nicht mehr notwendig sind.Fazit und These 1.2:«Filigrane Bauteile sind nicht nur kostengünstig sondern auch nachhaltig, denn sie sparen wertvolle Ressourcen und sind langlebiger.»

Die Massstäblichkeit fehlt hier und lässt sich nur erahnen. Der Raum gibt dabei einen Rahmen vor, in der die Wand entweder filigran oder massiv wirkt.

Textilbeton ist ein neuer und innovativer Verbund- werkstoff, der auch als textilbewehrter Beton oder Carbonbeton bezeichnet wird. Die entscheidende Idee beim Textilbeton ist, den Beton nicht mehr mit Stahl, sondern mit Textilien zu verstärken. Ein wes-entlicher Vorteil solcher textilen Bewehrungen sind, dass sie selbst nicht rosten und daher keine dicke Betondeckschichten, wie bei Stahlbewehrungen, benötigt werden. So sind extrem geringe Betondeck-ungen von 3-4 mm und Bauteildicken von 20 mm möglich. Diese Textilien bestehen beispielsweise aus alkaliresistenten Glasfasern oder Fasern aus Carbon,die verglichen mit anderen Fasern die bestenmechanischen Eigenschaften aufweisen. Somitlassen sich durch die flexible Bewehrung freie, amorphe Formen und Geometrien erstellen. Um einen guten Verbund zwischen der textilen Bewehrung und der umhüllenden Betonmatrix gewährleisten zu können, werden beim Textilbeton sehr fliessfähige Feinbetone mit einem Grösstkorn von 1 mm verwendet. Die Anwendungsmöglichkeiten des textilbewehrten Betons sind aufgrund seiner hohen Flexibilität sehr vielfältig. Obwohl textilbewehrter Beton bisher nur bei untergeordneten Bauteilen wie Dach- und Fassadenplatten eingesetzt wurde, lassen sich die Vorteile schon heute eindeutig benennen:- Dünnwandige Betonbauteile mit zielgerichteter Anordnung von 3D Bewehrungsstrukturen möglich- Druckkräfte übernimmt preiswerter Beton, Zugbeanspruchung wird von korrosionsunempfind- lichen Textilien aufgenommen

TextilbetonAllgemein

TextilbetonTragverhalten

Der zementgebundene Beton ist der bei weitem preiswerteste Baustoff zur Übertragung von Druck-kräften. Wegen der geringen Zugfestigkeit wird in zug- und biegebeanspruchten Stahlbetontragwerken zur Verbesserung von Tragfähigkeit und Gebrauchs- tauglichkeit eine Betonstahlbewehrung angeordnet, die aufgrund des Korrosionsschutzes eine Beton-deckung von mehreren Zentimetern erfordert. Mit dem Ziel dünnwandige Bauteile zu realisieren wurden in der Vergangenheit Ansätze verfolgt, in denen die Stahlbewehrung vollständig durch nichtmetallische Kurzfasern ersetzt wurde, diese sind jedoch wegen ihrer ungerichteten Verteilung der Kurzfasern nur bedingt festigkeitssteigernd.Im Vergleich zu Stahlbeton und Kurzfaserbeton vereint textilbewehrter Beton den Vorteil der Korrosionsfreiheit mit einer kraftgerichteten und somit effektiven und wirtschaftlichen Bewehrungs-führung und ermöglicht so dünnwandige, hochtrag-fähige und dauerhafte Bauteile.Vergleicht man jedoch Bewehrungsstahl mit einer standartmässigen Textilarmierung, weist eine Stahl-armierung eine doppelt so hohe Fliessgrenze (fy = 500 N/mm2) auf wie der Textilbeton, der hier mit einem biaxialem Kettengewirke einer Fransen-Bind-ung getestet wurde (gem. Tabelle). Mit einer Carbon-fasern-Gewirke würde der Unterschied jedoch um einiges geringer ausfallen, da dieses Material höher-en mechanischen Beanspruchungen aushalten kann.

Textilbeton (20.03.2014, http://www.textilbeton-aachen.de/)

Spannungs-Dehungskurven, ergänzt von Verfasser mit Bewehrungsstahl (20.03.2014, http://www.textilbeton-aachen.de/)

Beweis der Tragfähigkeit der dieser dünnen Textilbeton-Konstruktion (20.03.2014, http://www.textilbeton-aachen.de/)

Im Zusammenhang mit der vorgängigen Recherche und den daraus abgeleiteten Thesen aus den von mirbestimmten Teilthemen lässt sich eine Hauptthese verfas-sen.

Teil-Thesen:«Filigrane Bauteile werden durch den Raum und des-sen Massstäblichkeit bestimmt und erst als solches wahrgenommen, wenn diese in ihrer Dimension dem Raum entsprechen.»

«Filigrane Bauteile sind nicht nur kostengünstig sondern auch nachhaltig, denn sie sparen wertvolle Ressourcen und sind langlebiger.»

Hauptthese:«Mit einer Textilbewehrung lassen sich extrem schlanke und nachhaltige Bauteile konstruieren, die verglichen mit Stahlbeton, genauso stabil und statisch beanspruchbar sind.»

Von historischen Vorbildern für leichte, filigrane Beton-konstruktionen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lassen sich Prinzipien der Formgebung ableiten, die auch für flächige Tragwerke aus Textilbe-ton Gültigkeit haben. Dabei müssen beispielsweise Tonnengewölbe vor Ort mit einer Bretterschalung geschalt werden. Früher waren solche Bretter- schalungen alltäglich, erst in der jüngeren Zeit wurden sie durch Schalungstafeln ersetzt. Heute ist eine Bretterschalung sehr aufwändig und teuer und aus diesem Grunde eher selten. Daraus lässt sich schliessen, dass die Formgebung des Textilbetons, wenn er vor Ort gegossen wird, von der Bretterscha-lung vorgegeben und somit eingeschränkt wird. Eine wirtschaftlichere und schnellere Lösung stellen dabei Stabwerke dar, die aufgrund ihres filigranen Erscheinungsbildes, eine geeignete Bauweise für die Anwendung von Textilbeton sind. Durch Addition gleicher oder geometrisch leicht unterschiedlicher vorgefertigten Komponenten lassen sich so filigrane Strukturen erzeugen, die ohne eine Schalung auskom-men würden.

TextilbetonEinschränkung

durch Schalung

Thesen

Der standartmässige Textilbeton aus Glasfaser nim-mt verglichen mit Stahlbeton weniger Zugkräfte auf als angenommen. Jedoch müssen die Elemente durch das geringere Eigengewicht auch weniger Zugkraft absorbier-en. Weiter gibt es auch Carbonfaser-Gewerke, die weitaus bessere mechanische Eigenschaften aufweisen, jedoch sehr teuer sind. Trotzdem können mit dem Textilbeton ganz neue Anwendungsgebiete erschlossen werden, wie zum Beispiel Stabwerke, die aufgrund ihres filigranen Er-scheinungsbildes eine geeignete Bauweise für die Anwendung von Textilbeton darstellen. Um dem Problem mit komplizierten, einschränkenden Schalungen entgegenzuwirken, könnte der Textilbeton in vorgefertigen Elementen erstellt werden. Dabei stellt sich auch die Frage, ob horizontale, weit auskragende Rippen-Elemente hergestellt werden können. Dies gilt es vor allem für die nächste These, die sich mit der Struktur beschäftigt, herauszufinden.

Fazit & Ausblick

TextilbetonElementbau die

Lösung?

Skizzen von gekrümten Stabtragwerke

Übereinandergeschichtete Rippen – Mögliche Variante für weiteren Entwurf?