Stuttgarter Büdnis für Integration

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Stuttgarter Bündnis für Integration Grundlagen der Integrationspolitik in der Landeshauptstadt Stuttgart

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Grundlagen der Integrationspolitik in der Landeshauptstadt Stuttgart

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Stuttgarter Bündnis für Integration

Grundlagen der Integrationspolitik in der Landeshauptstadt Stuttgart

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wir haben im Jahre 2001 mit dem Bündnis für Integration als eine der ersten deutschen Städte ein Gesamt-konzept für die Integration und Partizipation von Zuwanderern entwickelt.

Das Stuttgarter Integrationskonzept hat inzwischen international viel Anerkennung erfahren.

Das Bundesinnenministerium und die Bertelsmann Stiftung haben Stuttgart 2005 mit dem Integrationspreisin der Kategorie der deutschen Großstädte ausgezeichnet. Der Europarat in Straßburg hat im Mai 2004 unserKonzept „Bündnis für Integration“ in wesentlichen Teilen zur offiziellen Politik des Europarates gemacht. Sodient es als Modell für die Entwicklung von Integrationskonzepten anderer Kommunen. Und die UNESCO hatunsere gemeinsame Arbeit durch eine ehrenvolle Erwähnung (2. Preis) im Rahmen des “Cities for Peace“-Preises 2002/2003 gewürdigt. Stuttgart ist damit die erste Stadt, die diesen UNESCO-Preis erhält.

Diese Auszeichnungen und die damit verbundene Nachfrage waren für uns Anlass genug, unser Integrations-konzept neu aufzulegen. Ich freue mich, Ihnen hiermit diese zweite Neuauflage präsentieren zu können.Ergänzt wurde das Bündnis um den Runden Tisch der Religionen, den ich im vergangenen Jahr gegründethabe. Mit dem „Manifest für ein aktives und friedliches Miteinander der Religionsgemeinschaften“ wollenwir in Stuttgart zu einem toleranten Zusammenleben beitragen. Im Juli 2005 habe ich die Stuttgarter Partner-schaft „Eine Welt“ auf den Weg gebracht. Mit dieser Initiative wollen wir einen kommunalen Beitrag zur Ver-wirklichung der acht großen Entwicklungsziele leisten, die die Vereinten Nationen als Grundsätze und Wertefür alle Menschen in ihrer Charta verankert haben. Als Gewinner der Globalisierung und als Region mit derhöchsten Exportquote haben wir eine Verantwortung über unsere Stadtgrenzen hinaus.

Das Bündnis für Integration setzt neue Akzente durch die Zusammenführung der einzelnen Integrationsmaß-nahmen in ein Gesamtkonzept. Das Strategiepapier begründet in dieser Hinsicht eine Neuorientierung derStuttgarter Integrationspolitik.

Ich wünsche mir, dass unsere Integrationsbemühungen weiterhin so viel Unterstützung von allen Ämtern undDienststellen der Stadtverwaltung, von Tausenden Haupt- und Ehrenamtlichen in Kultur, Sport und in sozialenEinrichtungen erfahren, dass Nachbarn weiterhin mit regem Interesse auf den anderen zugehen, dass dieSprach- und Integrationskurse weiterhin so gut angenommen werden und Integrationsprojekte im Bildungs-bereich Früchte tragen. Das Bündnis für Integration ist unser Markenzeichen und der Puls für unsere interna-tionale Stadt.

Unser Ziel ist es, dass jeder Stuttgarter seine Chancen in Bildung und Beruf, Wohnen und Freizeit, aber auchin Fragen der politischen Mitsprache nutzen kann, sich hier wohlfühlt, seine individuellen Fähigkeiten undPotentiale ausschöpft und so seine ganze Persönlichkeit für die Belange der Allgemeinheit einsetzt.

Dr. Wolfgang SchusterOberbürgermeister

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Inhaltsverzeichnis

1. Die Notwendigkeit einer Neuorientierung 3

2. Veränderte Rahmenbedingungen 7

2.1 Entwicklungen auf EU-, Bundes- und Landesebene 7

2.2 Die Situation in Stuttgart 9

3. Folgen für die Stuttgarter Integrationspolitik 15

3.1 Der neue Ansatz: Orientierung nach Zielgruppen 15

3.2 Integrationsziele und Handlungsfelder 18

3.2.1 Die Förderung der Chancengleichheit durch Sprach- und Integrationskurse 19

3.2.2 Die Förderung der Chancengleichheit in Schule und Ausbildung 20

3.2.3 Berufliche Integration 21

3.2.4 Die Förderung der Integration in den Stadtteilen 22

3.2.5 Die Unterstützung von interkulturellen Initiativen und von neuen 23

Formen der interkulturellen Zusammenarbeit

3.2.6 Das Zusammenleben mit den Muslimen und der interreligiöse Dialog 24

3.2.7 Die interkulturelle Ausrichtung der Stadtverwaltung 25

3.2.8 Politische Partizipation 26

3.2.9 Medien und Information in der internationalen Bürgergesellschaft 27

3.3 Steuerungsorgane und -instrumente 28

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Impressum:Stabsabteilung für Integrationspolitikder Landeshauptstadt StuttgartEberhardstraße 6170173 StuttgartTelefon (0711) 216-7896Fax (0711) 216-5640E-Mail: S/[email protected]

Verantwortlich für den Text:

Die Integrationsbeauftragten Gari PavkovicIsabel Lavadinho

Wissenschaftliche BegleitungDr. Caroline Y. Robertson (Interfakultatives Institut für Angewandte Kulturwissenschaften der Universität Karlsruhe)

Gestaltung: Stabsabteilung Kommunikation (Team Öffentlichkeitsarbeit); Grafik: Uwe Schumann;Fotos: Stabsabteilung für Integrationspolitik undForum der Kulturen

Aktualisierte FassungStuttgart, April 2006

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In Stuttgart leben Menschen aus über 160 Staaten.Mit der zunehmend transnationalen Ausrich-tung und Vernetzung von Wirtschaft, Wissen-schaft, Medien und Gesellschaft wächst auch dieMobilität von Menschen. Nationale, ethnische undkulturelle Zugehörigkeiten verändern sich mit derFolge, dass unser Zusammenleben von einer wach-senden Internationalisierung geprägt ist.

Die internationale Vernetzung von wirtschaftlichenund anderen Interessensgruppen sowie die innereu-ropäische Öffnung der Grenzen bringen zahlreicheChancen, aber auch Risiken für unsere Gesell-schaft. Wir profitieren von der wirtschaftlichen undder kulturellen Öffnung in die Welt auf vielfältigeWeise.

Die Globalisierung der Wirtschaft eröffnet nichtnur gute Perspektiven für Unternehmen, sondernauch für Städte im Wettstreit um Investitionen undArbeitsplätze. Die Landeshauptstadt Stuttgart spieltmit einer Exportquote von über 50 Prozent einewichtige Rolle im internationalen Wettbewerb derStädte. Zuwanderungsbewegungen sind ein Teil die-ses Prozesses und schließen den Wettbewerb um„kreative Köpfe“ und Bildungseliten mit ein. Unter-nehmen werden – zunehmend auch auf derFührungsetage – international, und bei der Grün-dung von kleineren und mittleren Unternehmenspielen nichtdeutsche Selbstständige eine immerwichtigere Rolle.

Im Hinblick auf Standortentscheidungen werdenStädte zunehmend auch auf Grund ihres internatio-nalen Flairs, ihrer Innovationsbereitschaft und ihrerOffenheit gegenüber modernen interkulturellenLebensformen beurteilt.

Durch die Begegnung der Kulturen im Alltag ent-stehen neue Erfahrungshorizonte: in unserer Berufs-welt, in Bildung und Wissenschaft, in den Künsten,beim Sport sowie in unserem Ess- und Konsumver-halten. Stuttgart hat in den letzten Jahrzehnten inallen diesen Bereichen von der Zuwanderung vielprofitiert.

Aber auch der innere Zusammenhalt einer inter-nationalen Stadtgesellschaft hängt stark davonab, wie die verschiedenen Bevölkerungsgruppen ihrZusammenleben in kultureller Vielfalt gestalten.

Andererseits bringt die Öffnung der Grenzen auchProbleme und Gefahren mit sich. Die globalenAuswirkungen von regionalen Konflikten in der

Welt können sich auf das Zusammenleben der ver-schiedenen ethnischen Bevölkerungsgruppen inunserer Stadt negativ auswirken.

Ängste können entstehen, die nicht selten irratio-nal sind, die aber deswegen nicht weniger ernstgenommen werden müssen. Ängste und Vorurteilekönnen von Deutschen ebenso wie von Nichtdeut-schen instrumentalisiert und missbraucht werden.Und nicht zuletzt hat auch der Bewegungsspielraumfür Straftäter und Extremisten zugenommen.

Das Bild von Stuttgart in der Welt hängt sehreng damit zusammen, wie wir mit der Welt inStuttgart umgehen. Im Hinblick auf die wach-sende Internationalität unserer Bevölkerung müs-sen die bestehenden Formen des Zusammenle-bens neu bedacht und bewusster auf gemeinsa-me Ziele hin ausgerichtet werden. Stuttgart wirdim 21. Jahrhundert immer stärker zu einer inter-nationalen Stadt werden. Diese Entwicklung giltes rechtzeitig für die deutschen und für die zuge-wanderten Bürgerinnen und Bürger zu nutzen.

Durch eine Verstärkung und Neuorientierung derIntegrationsarbeit und durch einen erweitertenDialog der Kulturen wollen wir die positivenImpulse der Internationalisierung verstärken undden negativen Auswirkungen dieser Entwicklungentgegenwirken.

Veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingun-gen und die veränderte Einwanderungsrealität inunserer Stadt erfordern eine Neukonzipierung derkommunalen Migrations- und Integrationspoli-tik. Die sozialen und kulturellen Lebenswelten unser-er Zuwandererinnen und Zuwanderer differenzierensich – genauso wie bei der einheimischen Mehrheits-bevölkerung. Stereotype Einteilungen der Zuwande-rer in nationale oder religiöse Kategorien spiegelndie tatsächliche plurale Zuwanderungsrealität inDeutschland nicht wider. Eine „Ausländerpolitik“,die Zuwanderung einseitig unter dem Aspekt derBenachteiligung von Minderheiten oder der Belas-tung der Aufnahmegesellschaft betrachtet, über-sieht die gewinnbringenden Aspekte. Eine nur defi-zit-orientierte oder gar abwehrende Ausländerpolitikwird den gegenwärtigen und zukünftigen Integrati-onsaufgaben nicht gerecht.

Dies bedeutet keinen Bruch mit der bisherigen „Aus-länderpolitik“ der Landeshauptstadt, sondern derenorganische und kontinuierliche Fortentwicklung undAnpassung an wesentlich veränderte Lebenslagen.

1. Die Notwendigkeit einer Neuorientierung

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Einige aus der bisherigen Ausländerpolitik vertrautenSchlüsselwörter wie „Ausländer“, „Türken“, „Musli-me“, „Antidiskriminierung“ etc. werden in diesemKonzept nicht oder nur in ganz bestimmten Kontextengebraucht. Sprache bestimmt sehr stark die Konstruk-tion unserer Weltsicht und unsere Einstellungen. Es istsinnvoller, von „Zugewanderten“ als von „Ausländern“zu reden, wobei auch dieser Begriff für hier geboreneKinder und Jugendliche ohne deutschen Pass nicht zu-treffend ist. Je nach Kontext wird diese Gruppe auchals „Inländer(innen) nichtdeutscher Herkunft“, „Bil-dungsinländer(innen)“ oder „Bürger(innen) ohne deut-schen Pass" definiert. Seit einigen Jahren hat sich derBegriff „Personen mit Migrationshintergrund“ etabliert,der sowohl nicht deutsche Staatsangehörige, einge-bürgerte Migranten, Spätaussiedler sowie die Kinderall dieser Einwanderergruppen umfasst.

Es ist effektiver, rechtlicheund soziale Chancengleich-heit zu fördern, als sich aufAntidiskriminierungspro-gramme zu beschränken.Pauschale Gruppenzu-gehörigkeiten wie „die Tür-ken“ oder „die Muslime“sagen wenig über dietatsächlichen Bedarfslagenvon einzelnen Personen aus,die bestimmten ethnischenoder religiösen Minderheitenangehören. Für den Integrationserfolgspielt eine Fülle anderer Fak-toren eine wesentliche Rolle,die verändert werden kön-nen und sollen: Sprach-kenntnisse, Bildung, berufli-che Qualifikation, ausländerrechtlicher Status u.a.

Ebensowenig genügt es, einen „Multikulturalis-mus“ zu verfolgen, bei dem ein unverbindlichesNebeneinander der Kulturen ohne einen Konsensüber gemeinsame Grundwerte als ausreichendbetrachtet wird. Die passive Duldung des Nebenein-anders der verschiedenen kulturellen Lebensweltenbedeutet im Ergebnis oft Gleichgültigkeit. Ein solcher„Multikulturalismus“ kann die gegenseitigen Vorbe-halte und Abschottungstendenzen nicht abbauen.Die Folgen sind ethnische und soziale Ghettobildun-gen, wie wir sie in einigen Städten in Europa und inden USA beobachten.

Selbst zwischen den unterschiedlichen ethnischenGruppen gibt es häufig wenig Kontakt. Die Gefahrgeschlossener ethnischer Gemeinschaften liegt darin,dass sie eine parallele Infrastruktur und Lebensweltaufbauen, die von Freizeit-, Kommunikations- undInformationsangeboten bis hin zum Konsum undprivaten Dienstleistungen reichen. Mit ihren Nachbarnanderer Nationalität wollen sie oft und müssen sie

auch nichts zu tun haben. Erst im öffentlichen Raum,wie beispielsweise in den Kindergärten und Schulen,bei den Behörden, im Beruf und bei den SozialenDiensten werden Begegnungen erforderlich. Bedin-gungen der Verständigung und des Vertrauens wer-den jedoch wesentlich durch den Privatbereich vor-geprägt.

Dem soll mit einem interkulturellen Ansatz entge-gen gewirkt werden, bei dem wesentlich das Mit-einander, der vielfältige Austausch und die gegen-seitige Ergänzung, die Begegnung und der Dialogder Kulturen gefördert werden.

Dabei soll es aber keinesfalls darum gehen, kulturel-le Differenzen einzuebnen oder ethnisch organisierteStrukturen der Kommunikation auszuhöhlen. Die Plu-

ralisierung von kulturellenLebensformen und sozialenMilieus ist eine unumkehrba-re Entwicklung in allen offe-nen, postmodernen Gesell-schaften. Dazu ge-hörenauch die ethnischen Gemein-schaften mit ihren verschiede-nen Untergruppen. Wederdie deutsche Mehrheitsbevöl-kerung noch die verschiede-nen nichtdeutschen Minder-heiten müssen sich auf eineeinheitliche Kultur verständi-gen. Gleichwohl bedarf esaber eines gemeinsamenRahmens bzw. verbindenderGrundwerte, die alle Bevöl-kerungsgruppen als Grundla-

ge für das Zusammenleben in der Vielfalt anerken-nen. Diese Grundlage bildet unsere freiheitlich-demokratische Rechtsordnung.

Die Integration der Vielfalt muss auf der Grundla-ge unserer Verfassung erfolgen. Ihre Grundpfei-ler sind: Menschenrechte, Demokratie, Rechts-staatlichkeit und Gewaltenteilung, die Gleichstel-lung von Mann und Frau sowie die Trennung vonStaat und Kirche.

Die Anerkennung derGrundpfleiler unserer Gesell-schaftsordnung und die gleichberechtigte Teilhabeder Zuwanderer am gesellschaftlichen Leben sindnotwendige Rahmenbedingungen für eine erfolg-reiche Integration und für ein friedliches Zusam-menleben in kultureller Vielfalt.

Außer den Zugewanderten muss deshalb auch dieAufnahmegesellschaft besser auf die Migrations-realitäten unserer Zeit vorbereitet werden. Die Not-wendigkeit und Unvermeidlichkeit der Internationali-sierung, aber auch die vielfältigen Chancen, die

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damit einhergehen, müssen als Bestandteil der Inte-grationsarbeit vermittelt werden. Nach verschiede-nen Untersuchungen des Europabarometers gehörtDeutschland zusammen mit Österreich, Belgien undGriechenland zu den Ländern der EuropäischenUnion, in denen fremdenfeindliche Einstellungen inder Bevölkerung am häufigsten verbreitet sind. Wiezahlreiche Studien und Umfragen bestätigen, unter-scheiden sich die Einstellungen zu den Zugewander-ten und ethnischen Gruppen auch innerhalbDeutschlands erheblich, beispielsweise Muslimenoder fremd aussehenden Personen gegenüber.Hinzu kommt ein immer wieder zu beobachtenderAntisemitismus.

2004 wurde wieder ein Anstieg rechtsextremisti-scher Straftaten in Baden-Württemberg verzeichnet(857 gegenüber 800 im Jahr 2002). Die Zahl rechts-extremistischer Skinheads und sonstiger gewaltbe-reiter Zirkel hat sich von rund 800 im Jahr 2002 auf1.000 im Jahr 2004 um 25 Prozent erhöht,während auf Bundesebene ein leichter Rückgang zubeobachten war. (Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2004, S. 116f.)

Auf der anderen Seite werden 8.510 Personen mitMigrationshintergrund extremistischen und extremi-stisch beeinflussten Ausländerorganisationen zuge-ordnet, was einen Anteil von 0,7 Prozent an Anhän-gern extremistischer Ausländerorganisationen inBaden-Württemberg ausmacht. Diese Zahl blieb seit2002 annähernd konstant. Der Anteil religiös-natio-nalistischer Gruppen ist dabei der dominante. (Ver-fassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2004, S.12-13)

Laut Verfassungsschutzbericht des Jahres 2002 desLandesamtes für Verfassungsschutz war die Zahl derrechtsextremistisch motivierten Gewalttaten entge-gen der bundesweiten Tendenz wie schon im Vor-jahr leicht rückläufig:

„Bundesweit beläuft sich die Gesamtzahl gewaltbe-reiter Rechtsextremisten auf rund 10.700 (2001:10.400), in Baden-Württemberg auf rund 800(2001: 850). Den weitaus größten Teil davon bildenSkinheads. Ihre Zahl sank in Baden-Württemberg imJahr 2002 erstmals wieder auf 770, nachdem sie inden letzten Jahren kontinuierlich zugenommenhatte (2001: 820).“(Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2002,S. 28/29)

Die Entwicklung und Umsetzung einer situations-bezogenen Integrationspolitik ist aus all diesenGründen ein notwendiges und mögliches Steue-rungsinstrument. Zugewanderte und Einheimischemüssen um einen Konsens darüber bemüht sein,was unter Integration zu verstehen ist und welche

berechtigten Erwartungen sich daraus an die Auf-nahmegesellschaft als auch an die Zugewandertenableiten.

Das vorliegende Positionspapier soll zu einemgemeinsamen Integrationsverständnis beitragen, dasdie vielfältigen Lebenswelten in und die Identifikati-on mit der Stadt Stuttgart in den Vordergrundrückt.

Unter Integration ist die aktive Herstellung einergemeinsamen Verständigungsgrundlage zu verste-hen. Insofern ist Integration ein wechselseitigerProzess. Sie setzt sowohl die Befähigung (Sprache,Verständigung) als auch die Bereitschaft hierzu(Motivation, Dialog) voraus.

Im Kontext der kommunalen Integrationspolitik liegtder Schwerpunkt auf der sozialen und – damit ver-bunden – der kulturellen Integration:

1. Soziale Integration:Im Wesentlichen wird eine soziale Integration durchChancengleichheit im Beruf, Bildung, Wohn- undFreizeitangeboten erreicht. Chancengleichheit be-deutet nicht nur, gleiche Chancen zu ermöglichen.Die Betroffenen müssen diese Chancen auch aktivergreifen.

2. Kulturelle Integration:Die Definition der sozialen Integration macht deut-lich, dass Chancengleichheit auch die Bereiche Bil-dung und Freizeitangebote umfasst. Der Mensch istein kulturelles Wesen, das an der Gestaltung seineskulturellen Umfelds beteiligt ist. Deshalb bedingensich soziale und kulturelle Integration gegenseitigfür das Gelingen einer umfassenden Integration.Kulturelle Integration bedarf der Förderung der Teil-habe an gesellschaftlichen und kulturellen Prozes-sen. Sie beinhaltet die Verinnerlichung gesellschaftli-cher und kultureller Grundwerte und die Übernahmeder Denkmuster einer pluralistischen Gesellschaftsowie die Befähigung und die Bereitschaft, sich indieser Gesellschaft voll einzubringen (zunehmendeIdentifikation mit der Aufnahmegesellschaft, Teilha-be an Entwicklungsprozessen).

Zentrale Maßnahmen einer Integrationspolitik sinddaher zum einen das Erkennen und die Förderungvon Partizipationsmöglichkeiten und zum anderendie Unterbindung von sozialen und kulturellenAusgrenzungstendenzen.

Viele gesellschaftliche und rechtliche Vorgaben lie-gen außerhalb der kommunalen Entscheidungs-kompetenz, beeinflussen aber die Integrationsar-beit vor Ort in erheblichem Maße; dazu gehörenu.a. die Voraussetzungen für die vollständigerechtliche Gleichstellung (Einbürgerung) und fürbestimmte Formen der politischen Partizipation

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(Beschränkung des Kommunal- und EU-Wahlrechtsauf Zugewanderte mit Herkunft aus EU-Staaten).

Dieses Positionspapier will als „Strategiekonzept“die Leitziele, die Steuerungsinstrumente und die Rah-menbedingungen der künftigen Integrationsarbeitbestimmen. Insbesondere werden die zentralenHandlungsfelder einer künftigen Integrationspolitikin der Landeshauptstadt Stuttgart und die Umset-zungsschritte aufgezeigt, die notwendig sind, damitdie Integrationsziele in diesen Handlungsfeldernerreicht werden können.

Da aber die kommunale Integrationspolitik im Kon-text von zahlreichen rechtlichen Bestimmungenund Umsetzungsrichtlinien steht, die auf ande-ren Ebenen beschlossen werden (EuropäischeUnion, Bundesrepublik Deutschland, Land Baden-Württemberg), wird zunächst auf diese vorgegebe-nen äußeren Rahmenbedingungen im 2. Kapiteleingegangen. Zu dieser Bestandsaufnahme gehörtauch die gegenwärtige Situation in Stuttgart.

Der vorgegebene Ist-Stand auf EU-, Bundes- undLandesebene sowie vor Ort bildet schließlich dieGrundlage für die Neuausrichtung der Stuttgar-ter Integrationspolitik (3. und 4. Kapitel).

Die Entwicklung der Steuerungsinstrumente zurUmsetzung der Integrationsziele wird als gemein-same Aufgabe verstanden, die im Verbund der

zuständigen Kooperationspartner geleistet werdenmuss. Die im Positionspapier formulierten Empfeh-lungen sollen die Grundlage für diesen Entwick-lungs- und Umsetzungsprozess bilden.

Integrationsarbeit als kommunale Querschnitts-und Gesamtsteuerungsaufgabe erfolgt in Zusam-menarbeit aller beteiligten Instanzen: städtischeÄmter und Organisationen der freien Träger, Schu-len und andere Bildungsstätten, Agentur für Arbeit,Unternehmen, Gewerkschaften, Sport- und Kultur-vereine, Migrantenselbstorganisationen und ehren-amtlich tätige Bürgerinitiativen, Religionsgemein-schaften, Medien und politische Gremien sowiedie Bürgerinnen und Bürger selbst.

Die oben angeführten Institutionen haben in Stutt-gart bereits gute Grundlagen geschaffen, auf denenwir unsere weitere Arbeit aufbauen können.Bewährte Projekte sollen fortgesetzt und dort, woes notwendig ist, ausgeweitet werden. Neue wer-den hinzukommen müssen.

Die Integrationsbeauftragten bei der Stabsabteilungfür Integrationspolitik (S-IP) können dieses „Bünd-nis für Integration“ in Absprache mit den jeweili-gen Kooperationspartnern koordinieren und unter-stützen. Sie haben als zentrale Stabsstelle für dieWeiterentwicklung der Integrationsarbeit auf derGrundlage der rechtlichen Vorgaben sowie der be-schlossenen Ziele und Kooperationsvereinbarungenzu sorgen.

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2.1 Entwicklungen auf EU-, Bundes- und Landesebene

Die Einwanderungs- und Integrationspolitik ist auf-grund veränderter rechtlicher, gesellschaftlicher undsozialer Rahmenbedingungen europa-, bundes- undlandesweit in Bewegung geraten. Betroffen sind so-wohl rechtliche Regelungen des Aufenthalts-, Arbeits-und Staatsangehörigkeitsrechts als auch Integrations-maßnahmen, die das Zusammenleben von Menschenunterschiedlichster Herkunft gestalten und die gesell-schaftliche Integration nicht-deutscher Personen för-dern.

Am 1. Mai 1999 trat der Vertrag von Amsterdamin Kraft. Die Mitgliedsstaaten der EuropäischenUnion verpflichten sich darin unter anderem, ihreBeschäftigungspolitik auf die Wirtschaftspoli-tik der Gemeinschaft abzustimmen, Diskri-minierungen aus Gründen des Geschle-chts, der Rasse, der Religion oder derWeltanschauung zu bekämpfen unddie Chancengleichheit von Mann undFrau zu fördern. 2004/2005 wurdensollen auch gemeinsame europäischeAsyl- und Einwanderungsregelungengeschaffen. Dazu gehört die Harmonisie-rung der Rechte von Drittstaatsangehörigeninnerhalb der Union (Art. 61 ff). Der erste Schrittdahin werden gemeinsame Mindeststandards fürdie Asylverfahren und für die Aufnahmebedingun-gen sein.

Durch die Unterzeichnung des Amsterdamer Vertra-ges ist die nationale Zuwanderungspolitik in eineneuropäischen Rahmen gestellt worden. Die Über-tragung von Kompetenzen zur zukünftigenAusgestaltung der Migrationspolitik auf dieEuropäische Ebene wird zur Konsequenz haben,dass in den kommenden Jahren weitreichende Grund-satzentscheidungen zur Ausrichtung der Migrations-politik in den EU-Ländern umgesetzt werden müs-sen. Auf kommunaler Ebene werden entsprechendeHandlungs- und Umsetzungskompetenzen erforder-lich werden.

Anlässlich seines 50-jährigen Bestehens 1999 hatder Europarat seine Selbstverpflichtung wiederholt,sich einzusetzen für den gesellschaftlichen Zusam-menhalt („Kohäsion“) und die Solidarität der inEuropa lebenden Menschen sowie für die Bekämp-

fung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und poli-tischer, kultureller oder religiöser Intoleranz und Dis-kriminierung von Minderheiten.

Das Europäische Komitee für Wanderung(CDMG) hat zwei Berichte erstellt, die grundlegendeGedanken zur Umsetzung dieses Engagements for-mulieren: „Vielfalt und Zusammenhalt – neue Her-ausforderungen für die Integration von Migrantenund Minderheiten“ („Diversity and cohesion: newchallenges for the integration of immigrants andminorities“) sowie einen „Leitfaden für die Integra-tionspolitik (Framework for integration policies“).Als innovatives Konzept sollen „Vielfalt undZusammenhalt“ eine Leitlinie künftiger Arbeit derMitgliedsstaaten des Europarates werden.

Das Konzept „Vielfalt“ (diversity) soll den veränder-ten demografischen Realitäten besser begegnen als

das frühere Konzept des Multikulturalismus undes soll einen dynamischen Prozess abbilden,

von dem zunehmend pluralistischeGesellschaften profitieren können: alleMenschen sind verschieden und habenein Recht, unterschiedlich zu sein. DerGrundstein für Integrationspolitikenund Minderheitenschutz ist hierbei der

Gleichheitsgrundsatz: Alle Menschensind gleich und haben gleiche Rechte.

Das Diversity-Konzept verweist darauf,dass Menschen generell und zunehmend über

multiple Identitäten und Zugehörigkeiten zu Grup-pen und Kulturen verfügen.

Der zweite Begriff „Zusammenhalt“ (cohesion)wird häufiger benutzt im Kontext von Beschäfti-gung und Armut, wobei es um den Abbau vonsozialen Desintegrationsprozessen und die „Mar-ginalisierung“ bestimmter Gruppen geht. Die Poli-tik des sozialen Zusammenhalts zielt darauf, eineZersplitterung der Gesellschaft zu verhindern oderrückgängig zu machen.

Seit dem 1. Januar 2000 gilt im Bund das neueStaatsangehörigkeitsrecht. Die entscheidendeÄnderung durch das neue Staatsangehörigkeitsrechtist die Ergänzung um das Geburtsrecht. In Deutsch-land geborene Kinder ausländischer Eltern, die dau-erhaft hier leben (acht Jahre rechtmäßiger Aufent-halt, Besitz einer Aufenthaltserlaubnis/einer Aufent-haltsberechtigung), werden automatisch deutscheStaatsbürger. Nach geltendem Recht ist bei hiergeborenen Kindern eine weitere Staatsangehörigkeit

2. Veränderte Rahmenbedingungen

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(z.B. Türkisch, Italienisch) bis zum Erreichen des 23.Lebensjahres erlaubt. Die hiermit verbundene Auf-gabe des Grundsatzes der einheitlichen Staatsan-gehörigkeit der Familie ist ein deutliches Signal undein Integrationsanreiz, der durch verstärkteBemühungen um eine freiwillige Einbürgerung derersten Generation ergänzt werden muss.

Die neue Staatsangehörigkeitsregelung muss zudemdurch weitere Integrationsmaßnahmen ergänzt wer-den. Das Beispiel der Aussiedlerinnen und Aussied-ler, insbesondere der Russlanddeutschen, die übereinen deutschen Pass verfügen, vermag dies zu ver-deutlichen. Sowohl hinsichtlich ihrer Akzeptanzdurch die Aufnahmegesellschaft als auch im Hinblickauf ihre eigene Integrationsfähigkeit und -bereit-schaft (Sprach- und Kulturkenntnisse, Bildung undBerufsqualifikationen) bestehen Defizite, die zunicht unerheblichen Problemen geführt haben.

Auch viele Zugewanderte, insbesondere aus demmuslimischen Kulturkreis, die seit Jahrzehnten deut-sche Staatsbürger sind, erfahren Diskriminierungenund Ablehnung. Eine Betrachtung der Migrationser-fahrung in anderen europäischen Ländern bestätigtebenso die Notwendigkeit von weiterreichendenIntegrationsmaßnahmen unabhängig von derErteilung der Staatsangehörigkeit. In Frankreich, inden Niederlanden und in Großbritannien ergabensich wiederholt soziale Unruhen auf der Grundlageethnischer Zugehörigkeit und der damit verbunde-nen Benachteiligung in der Gesellschaft, zuletztbesonders gravierend in französischen Vorstädten.

Bei erheblicher sozialer Ungleichheit oder bei einerobjektiv gegebenen oder nur als solche empfunde-nen Diskriminierungspraxis bleiben Ausschreitungen– trotz gemeinsamer Staatsangehörigkeit – möglich.Integrationsbemühungen müssen sich daher stetsauch an den jeweils gegebenen Bedingungen vor Ortorientieren und liegen deswegen in besonderemMaß in der unmittelbaren Verantwortung der Kom-mune.

Mit den Ergebnissen der Unabhängigen Kommis-sion „Zuwanderung“ (der so genannten „Süss-muth-Kommission“) hatte die rot-grüne Bundesre-gierung weitreichende Vorschläge zur Neugestal-tung der Zuwanderung in der Bundesrepublik erhal-ten. Neue rechtliche Veränderungen sowie Integrati-onsmaßnahmen für Neuzuwanderinnen undNeuzuwanderer (Sprach- und Integrationskurse) sol-len Schwer-punkt der Integrationsleistungen wer-den.

Auch der akute Mangel an ausreichend qualifi-zierten Arbeitskräften in Teilbereichen der Wirt-schaft hat zu neuen Überlegungen Anlass gegeben,

die bisherigen Zuwanderungsbedingungen attrakti-ver zu gestalten. Eine nur an kurz- und mittelfristi-gen Wirtschaftsinteressen ausgerichtete Zuwande-rungspolitik, wie von der „green card“-Regelungvorgesehen, hat sich jedoch schon bei der früherenGastarbeiterpolitik als problematisch erwiesen.Unbestritten ist, dass Deutschland weiterhin auslän-dische Arbeitskräfte benötigt und dass die Zuwan-derung arbeitsmarktkompatibel gestaltet werdensollte.

Zur Steuerung der Zuwanderung aus wirtschaftlichenGründen sind daher mittelfristige Analysen überden Arbeitskräftebedarf und die wirtschaftliche Ent-wicklung einzelner Branchen unverzichtbar. Für Stutt-gart und sein Umland mit den vorhandenen Schwer-punkten des Auto- und Maschinenbaus ist die Sicher-stellung von qualifizierten Arbeitskräften für denWohlstand der Region von großer Bedeutung. ImHigh-Tech-Bereich, vor allem in der Wissenschaftund der Forschung, ist die Gewinnung der „bestenKöpfe“ für die Zukunftsfähigkeit der Region unddes Landes Baden-Württemberg insgesamt von ent-scheidender Bedeutung, wie zuletzt die Studie vonRoland Berger und Partner für die LandesstiftungBaden-Württemberg deutlich gemacht hat.

Eine arbeitsmarktorientierte Zuwanderung und diegesellschaftspolitische Integration gehören zusam-men. Auch aufgrund der Integrationspolitik der Ver-gangenheit sind ausländische Arbeitsmigranten undAussiedler, die in den vergangenen Jahrzehnten ein-gereist sind, überproportional von Arbeits- und Aus-bildungslosigkeit betroffen. Es müssen daher – imRahmen der Gestaltung der Einwanderung – auchMaßnahmen zur Eingliederung von bereits inDeutschland lebenden Migrantinnen und Migrantengeschaffen werden.

Das Zuwanderungsgesetz hat die Integrations-politik des Bundes grundlegend reformiert.So berücksichtigt das Zuwanderungsgesetz in derFolge des 11. September 2001 verstärkt Sicherheit-saspekte. Unter anderem dürfen die obersten Lan-desbehörden sowie das Bundesinnenministerium zurAbwehr einer besonderen Gefahr ohne vorherigeAndrohung eine sofort vollziehbare Abschiebungs-anordnung erlassen. Das Gesetz regelt die Auswei-sung von Schleusern, Personen, die einer terroristi-schen Vereinigung angehören oder eine solcheunterstützen, Führern extremistischer Organisatio-nen und Hasspredigern.

Das Aufenthaltsgesetz, das am 1. Januar 2005 inKraft getreten ist, kennt nur noch zwei Aufent-haltstitel: die Aufenthaltserlaubnis (für einen zeit-lich befristeten Aufenthalt) und die Niederlassungs-erlaubnis (für einen unbefristeten Aufenthalt). Beide

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sind wiederum an vier mögliche Aufenthaltszweckegeknüpft: Ausbildung, Erwerbstätigkeit, Familiesowie humanitäre Gründe. Eine befristete Aufent-haltserlaubnis muss grundsätzlich rechtzeitig verlän-gert werden, das heißt, der Antrag hierfür muss vorAblauf der Aufenthaltserlaubnis gestellt werden, umnegative Rechtsfolgen zu vermeiden. Bei fristgerech-ter Antragstellung der Aufenthaltsverlängerungbleibt hingegen auch die Arbeitserlaubnis bis zurEntscheidung über den Aufenthalt gültig. Mit demInkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes haben dieAusländerbehörden die Zuständigkeit für die Ertei-lung einer Arbeitserlaubnis von der Bundesagen-tur für Arbeit übernommen und damit das bisherdoppelte Genehmigungsverfahren gebündelt.

Das Zuwanderungsgesetz hat grundsätzliche Rege-lungen für Integrations- und Orientierungskur-se getroffen, denn diese sollen Zuwanderer anSprache, Kultur und Rechtsordnung in Deutschlandheranführen, so dass diese ohne die VermittlungDritter in alltäglichen Angelegenheiten selbständigentscheiden und handeln können. Ein Integrations-kurs besteht aus 630 Unterrichtsstunden, vondenen 300 in einem Basissprachkurs, 300 weitere ineinem Aufbaukurs und 30 in einem Orientierungs-kurs zur Rechtsordnung, Kultur und Geschichteangeboten werden. Zuwanderer, die nach demGesetz nicht verpflichtet sind, einen Sprach- undIntegrationskurs zu besuchen (wie zum Beispielbereits länger in Deutschland lebende Personen),können im Rahmen verfügbarer Plätze freiwilligdaran teilnehmen. Eine erfolgreiche Teilnahmeermöglicht bei Vorliegen der übrigen Voraussetzun-gen eine raschere Einbürgerung. Die Nichtteilnahmeeines „verpflichteten“ Zuwanderers kann dagegenauch negative Auswirkungen, wie die Kürzung vonLeistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuchnach sich ziehen.

Mit der Festschreibung der Förderung bleibe-berechtigter Ausländerinnen und Ausländer inder Koalitionsvereinbarung hat sich auch die Lan-desregierung Baden-Württemberg die Notwen-digkeit weiterentwickelter Integrationskonzepte zueigen gemacht. Integrationsfördernde Maßnahmenfür bleibeberechtigte Ausländerinnen und Ausländerbilden auch hier die zentrale Zielvorgabe. Integrati-onsmaßnahmen dürfen jedoch nicht erst dann zumTragen kommen, wenn der Status der Bleibeberech-tigung feststeht. Weitere Konsequenzen ergebensich aus der bundesdeutschen demografischenEntwicklung. Die Überalterung der deutschenBevölkerung und der erhebliche Geburtenrückgangwerden langfristig den Umfang der zukünftigenZuwanderungsmöglichkeiten in die BundesrepublikDeutschland nachhaltig beeinflussen.

2.2. Die Situation inStuttgart

2.2.1 Bevölkerungsstruktur

In Stuttgart gehen seit Mitte der 70er-Jahre dieGeburten zurück. Hinzu kommt, dass Jahr für Jahrviele Einwohnerinnen und Einwohner in die Umland-gemeinden abwandern. Diese negative Bevölke-rungsentwicklung wird seit den 60er-Jahren durchZuwanderung nichtdeutscher Einwohnerinnen undEinwohner nur teilweise kompensiert, die damalsangeworben wurden, um den vorhandenen Mangelan Arbeitskräften zu beseitigen.

Eine in der Anlage 1 beigefügte Grafik veranschau-licht den Entwicklungsgang der deutschen undder nichtdeutschen Einwohnerinnen und Ein-wohner in Stuttgart in den letzten 18 Jahren(Schaubild „Bevölkerung in Stuttgart seit 1986 nachStaatsangehörigkeit“). Bei näherer Betrachtung derEinwohnerstatistik seit 1986 lässt sich feststellen, dasssich die Bevölkerungszahl in Stuttgart, die seit Mitteder 90er-Jahre leicht rückgängig war, stabilisiert hat.Die Zahl der Zugewanderten ist nicht zuletzt durchdas veränderte Staatsbürgerschaftsrecht leicht rück-läufig. Zum Stichtermin Ende 2005 waren hier An-gehörige von 173 Staaten gemeldet. Der Anteil dernichtdeutschen Einwohnerinnen und Einwohnerbeträgt 21,9 Prozent. Damit nimmt Stuttgart imGroßstadtvergleich hinter Frankfurt zusammen mitMünchen den zweiten Platz ein.

Neben den Einwohnerinnen und Einwohnern mitdeutscher Staatsangehörigkeit (462.218) stellenStaatsangehörige der Türkei (22.538), Griechen-lands (14.669), Italiens (14.192), Kroatiens (13.753)und Restjugoslawiens, d.h. Serbien-Montenegro(11.842) Gruppen mit mehr als 10.000 Personen.

Die Grafik Einwohnerinnen und Einwohner inStuttgart nach Alter, Geschlecht und Staatsan-gehörigkeit (Bevölkerungspyramide, Anlage 2)verdeutlicht den unterschiedlich hohen Anteil dernichtdeutschen Bevölkerung in den verschiedenenAltersgruppen. Während ihr Anteil bei den über 60-Jährigen bei 12,1 Prozent liegt, ist er bei den Kin-dern und Jugendlichen bei 21,7 Prozent. Doppel-staatler mit deutschem Pass werden in der Statistikausschließlich als Deutsche geführt. Das neue Staats-bürgerschaftsrecht, das im Jahr 2000 in Kraft tratund demzufolge über die Hälfte der Kinder Nicht-deutscher bei der Geburt automatisch die deutscheStaatsangehörigkeit erhalten, hat den gesamtenAnteil nichtdeutscher Kinder und Jugendlicher bis18 Jahre um mehr als drei Prozentpunkte gesenkt. Nicht gesenkt dagegen hat das neue Staatsbürger-recht den realen Bedarf an Sprachförderung und

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Anlagen 1

Einwohner in Stuttgart seit 1986 nach Staatsangehörigkeit

Anteil der ausländischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung in Stuttgart 1986 bis 2005

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Einwohner in Stuttgart am 31. Dezember 2005 nach Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit

Anlage 2

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anderen zusätzlichen Bildungsangeboten und Erzie-hungshilfen, so dass Jugendarbeit, Betreuungsange-bote in Kindertagesstätten, Kontakt und Unterstüt-zung von jungen Eltern nichtdeutscher Abstammungsowie Schule und Berufsausbildung wesentlicherBestandteil der Integrationsmaßnahmen bleibenmüssen.

Die Zahl der Einbürgerungen war 2004 mit 3.082Eingebürgerten leicht rückläufig gegenüber 2003 mit3.203 Fällen und 2002 mit 3.227 Fällen. Die größteGruppe dabei war die der Türken mit 32 Prozent. DieZahl der EU-Bürger war erwartungsgemäß gering, dasie ohnehin in allen Mitgliedsstaaten der EuropäischenUnion wohnen und arbeiten dürfen. Vor allem jungeMenschen lassen sich einbürgern. Viele von ihnensind hier geboren und aufgewachsen und fühlen sichals Deutsche. Mehr als zwei Drittel der Eingebürgertensind unter 35 Jahre alt.Zugleich macht sich auch in Stuttgart die allgemeineErfahrung bemerkbar, dass Nichtdeutsche in der zwei-ten und dritten Generation ihre Familiengröße der derDeutschen anpassen. Zu den veränderten Lebenswel-ten in Stuttgart gehört auch die wachsende Zahl vonSingle-Haushalten und allein erziehenden Eltern. Ein-personenhaushalte, die in Stuttgart knapp die Hälftealler Haushalte ausmachen, sind zudem sehr hetero-gen (Auszubildende mit geringem Einkommen, jungemobile Berufstätige, ältere Menschen – oft verwitweteFrauen).

Aus verschiedenen Motivationslagen heraus wollenoder müssen allein stehende Personen und Allein-erziehende häufiger stadtzentral wohnen. Die Hete-rogenität in den inneren Stadtbezirken ist zugleicheine sozialpolitische Herausforderung und Chancefür die Entwicklung der internationalen Stadtgesell-schaft (vgl. auch Kapitel 2.2.4).

2.2.2 ArbeitsmarktNichtdeutsche stellten 2004 insgesamt 14,4 Prozentder sozialversicherungspflichtig Beschäftigtenin Stuttgart. 59,6 Prozent von ihnen sind als Arbei-

terinnen und Arbeiter beschäftigt. Nichtdeutschestellen 33,2 Prozent aller Arbeiter(innen) und 7,8 Pro-zent aller Angestellten in Stuttgart (Statistisches Lan-desamt Baden-Württemberg 2005).

Stuttgart hat insgesamt eine Arbeitslosenquote von10,7 Prozent (Stand: Januar 2006). Nichtdeutschesind mit einer Arbeitslosenquote von 18,6 Prozenthäufiger von Arbeitslosigkeit betroffen. Von denausländischen Beschäftigten haben nur 40 Prozenteine abgeschlossene Berufsausbildung gegenüber70 Prozent der deutschen Beschäftigten (Statisti-sches Landesamt Baden-Württemberg). Gerade inVerbindung mit wirtschaftlichen Umstrukturierun-gen sind ausländische Beschäftigte daher auch häu-figer von Entlassungen bedroht.

Um geeignete Integrationsmaßnahmen entwickelnzu können, müssen die Hindernisse für die Einstel-lung von Nichtdeutschen noch genauer eruiert wer-den. Neben der unzureichenden sprachlichen undberuflichen Qualifikation der Nichtdeutschen, die ver-bessert werden kann, betrifft das die Barrieren beider Erteilung der Arbeitserlaubnis durch das Arbeit-samt, die am Arbeitsmarkt benötigten Qualifikations-profile, mögliche Vorurteile seitens der potenziellenArbeitgeber gegenüber Nichtdeutschen, Auswirkun-gen des dritten Arbeitsmarkts, aber auch kulturelle,religiöse oder geschlechtsspezifische Gründe vonNichtdeutschen, eine Arbeit anzunehmen.

Für gezielte Integrationsmaßnahmen sind noch ge-nauere sozioökonomische Daten über nichtdeutscheBeschäftigte zu erheben, z.B. geschlechtsspezifischeDaten über Einkommen, Arbeitszeit, Bildung u.Ä. Einbedeutender Teil der nichtdeutschen Beschäftigten(vor allem Frauen) ist in den Niedriglohnsektorenbeschäftigt bzw. als Um- oder Angelernte in dieuntersten Lohngruppen eingruppiert. Niedriger Ver-dienst bedeutet niedriger Lebensstandard trotz Arbeit,vor allem später im Alter aufgrund geringer Renten.

Auch die Situation der nichtdeutschen Kleinen undMittelständischen Unternehmen bedarf einer ge-naueren Betrachtung. Statistiken oder Beobachtungenüber die Situation der nichtdeutschen Selbständigenin Stuttgart existieren derzeit noch nicht und müssenzeitnah erhoben werden.

2.2.3 Hilfe zum LebensunterhaltVon 1.000 ausländischen Einwohnern erhalten 30Hilfe zum Lebensunterhalt, von 1.000 deutschen Ein-wohnern sind es 13. Das Risiko, von Hilfe zum Le-ben-sunterhalt abhängig zu werden, ist also für Nichtdeut-sche doppelt so hoch wie für Deutsche. Bedürftigkeitsetzt sich in der zweiten und dritten Generation derArbeitsmigranten fort; besonders betroffen sind nicht-deutsche Frauen. (Sozialamt, Statistisches Amt)

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Ausländer in Stuttgarter 2005

Anlage 3

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2.2.4 Räumliche Schwerpunkte vonNichtdeutschen im Allgemeinenund von einkommensschwachenMenschen im Besonderen

Die Grafik Ausländer 2005 in den Stadtbezirken(Anlage 3) zeigt die Verteilung der Stuttgarter Bevöl-kerung nach Staatsangehörigkeit und Ausländeranteilin den verschiedenen Stadtbezirken.

Die ungleiche Verteilung von Deutschen und Nicht-deutschen im Stadtgebiet lässt sich klar erkennen.Nichtdeutsche sind in den Innenstadtbezirken, inBad Cannstatt und in den von Industrie geprägtenStadtbezirken (Feuerbach, Zuffenhausen, Untertürk-heim, Wangen) überrepräsentiert. Dabei sind dienichtdeutschen Bevölkerungsgruppen einigermaßenproportional innerhalb der einzelnen Stadtbezirkeverteilt. Für die Integrationspolitik bedeutet dies,dass von einer eindeutigen ethnischen Ghettobil-dung in Stuttgart nicht gesprochen werden kann,sondern lediglich von einer hohen Konzentrationvon Nichtdeutschen in weniger attraktiven Stadtge-bieten mit preisgünstigerem Wohnraum.

Die nichtdeutsche Bevölkerung teilt häufig ihreWohnstandorte mit den einkommensschwachendeutschen Bevölkerungsgruppen. Stadtviertel, dieeinen hohen Anteil von Nichtdeutschen aufweisen,haben aber umgekehrt nicht automatisch auch einehohe Sozialhilfedichte der Nichtdeutschen zur Folge.(Sozialbericht 1: Armut in Stuttgart)

2.2.5 Schulbildung

Der Anteil der nichtdeutschen Schülerinnen undSchüler an Stuttgarter Grundschulen betrug imSchuljahr 2004/2005 einschließlich der PrivatschulenDurchschnitt 27,2 Prozent. Die Entwicklung derSchülerzahlen in weiterführenden Schulen wirderheblich vom unterschiedlichen Übertrittsverhalten

deutscher und nichtdeutscher Schülerinnen undSchüler beeinflusst.

11,9 Prozent der deutschen und 58,9 Prozent dernichtdeutschen Schülerinnen und Schüler traten imSommer 2004 von der Grundschule in die Haupt-schule über (Zahlen einschließlich der Privatschulen).Dagegen wechselten 60,1 Prozent der deutschenund nur 16,8 Prozent der nichtdeutschen Schülerin-nen und Schüler ans Gymnasium. Die Diskrepanzfällt bei Realschulen geringer aus: 28,0 Prozent derDeutschen und 25,0 Prozent der Nichtdeutschenwechselten im Sommer 2004 in die Realschule. Lautdem Stuttgarter Schulbericht 2004 betrug derAnteil der nichtdeutschen Schülerinnen und Schüleran Förderschulen im Schuljahr 2004/2005 58,1 Pro-zent, an allen Sonderschulformen insgesamt 48,3Prozent.

Das Bildungsniveau von nichtdeutschen Kindernund Jugendlichen ist insgesamt überproportionalniedriger als das ihrer deutschen Altersgenossen.Bildungsprobleme treten aber auch bei zahlreichenAussiedlerkindern und -jugendlichen auf, die zwareinen deutschen Pass, aber oft eine nichtdeutscheHerkunftssprache und einen Migrationshintergrundhaben.

Bislang sind die schwerwiegenden Folgen des nied-rigen Bildungsniveaus von Nichtdeutschen bzw. vonPersonen mit Migrationsvergangenheit nicht hinrei-chend erkannt worden. Aufgrund des hohen Anteilsder Kinder mit Migrationshintergrund, der überdiesnoch zunehmen wird, wird das Gesamtbildungsni-veau der Stuttgarter Bevölkerung zukünftig weitersinken. Diese Tendenz lässt sich vermutlich nurdurch erhebliche Investitionen im Schulbereich(einschließlich Mentorenprogrammen, Weiterbil-dungsmaßnahmen für Lehrkräfte im multikulturellenLehr- und Lernumfeld, spezifischen mit den ethni-schen Gruppen abgestimmten Unterstützungspro-jekten mit Jugend- und Schulsozialarbeitern) unddurch die gezielte Anwerbung von hochqualifizier-ten Zuwanderern abschwächen.

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Die kurze Darstellung der veränderten gesellschaftli-chen Rahmenbedingungen und der Situation inStuttgart machen nochmals deutlich, dass es nichtmehr nur um die Fortschreibung der früheren Aus-länderpolitik gehen kann, sondern eine Neupositio-nierung der gegenwärtigen und künftigen Integrati-onspolitik erforderlich ist. Notwendig ist ein Perspek-tivenwechsel.

Die Staatsangehörigkeit allein ist zunehmend einunzureichender Indikator für Migrationserfahrungund Integrationsbedarf. Der statische und statisti-sche Begriff „Ausländer“ beinhaltet oft Personen,die in Stuttgart aufgewachsen sind und sich von derdeutschen Bevölkerung nur dadurch unterscheiden,dass sie keinen deutschen Pass besitzen. Ein hoherAnteil Nichtdeutscher ist nicht gleichbedeutend mitdem Vorhandensein sozialer Probleme.

Gleichwohl haben wir unter den Migrantinnen undMigranten eine allzu große Zahl von Menschen mitniedrigem Einkommen, geringem Bildungsniveauund unzureichenden Deutschkenntnissen, die diesoziale Unterschichtung der Zuwanderinnen undZuwanderer, vor allem aus den ehemaligen Anwer-beländern, zur Folge hat.

Die Lebenswelten dieser Bevölkerungsgruppen sindnicht nur von Merkmalen wie Staatsangehörigkeitund kultureller Orientierung geprägt, sondern auch– und vor allem – von der unterschiedlichen Teilha-be der Menschen an Bildung, Arbeit, Wohlstandund sozialer Absicherung sowie von ungleichenpolitischen Mitwirkungsmöglichkeiten am kommu-nalen Geschehen. Soziale und rechtliche Ungleich-heit können den Zusammenhalt einer Gesellschaftgefährden. Die Entwicklung von gemeinsamer Verant-wortung für das friedliche Miteinander stellt daherbesondere Anforderungen an alle Einwohnerinnenund Einwohner in unserer Stadt.

Im Mittelpunkt aller Integrationsmaßnahmensteht insofern das friedliche Zusammenlebenvon Menschen unterschiedlicher Herkunft ineiner internationalen Bürgergesellschaft. DieFörderung der Chancengleichheit heterogenerBevölkerungsgruppen muss daher die bisherigenIntegrationskonzepte mit nationalitätenorientier-ter Förderung ablösen.

Die frühere einseitige Wahrnehmung und Selbst-wahrnehmung der Zuwanderinnen und Zuwandererals „Ausländer“ und als Angehörige bestimmter

Nationalitäten hatte zur Folge, dass die Pflege derHerkunftstraditionen und des muttersprachlichenUnterrichts überbetont wurden, während zentraleVoraussetzungen für die Integration, wie der Er-werb von Deutschkenntnissen, eine berufliche Wei-terqualifizierung und die aktive Beteiligung am ge-sellschaftlichen Leben, hierzulande zu sehr vernach-lässigt wurden. Die Pflege der Muttersprache bildetdurchaus einen wichtigen Grundstein für das Erler-nen des Deutschen als Zweitsprache und für denErwerb von Fremdsprachenkenntnissen. Dies liegtaber vor allem in der Eigenverantwortung derZuwanderer und ihrer Organisationen.

Der sprachliche Reichtum der Zuwanderer ist einegesellschaftliche Ressource, die im Bildungswesenwird inzwischen verstärkt aufgegriffen. 1995 wurdevon der Stadt Stuttgart der Antrag auf einen Schul-versuch gestellt, um Sprachunterricht in italienischerund türkischer Sprache an öffentlichen Schulen zuermöglichen. Dieses Angebot (noch mit Versuchs-charakter) wird im Rahmen eines erweiterten Fremd-sprachenangebots für alle Schülerinnen und Schüleran einigen Stuttgarter Realschulen angeboten. Mitt-lerweile bieten zahlreiche Stuttgarter Schulen Spra-chen der größeren Zuwanderergruppen im Rahmenvon Arbeitsgemeinschaften sowie als zweite oderdritte Fremdsprache an.

Integrationsmaßnahmen sollen das Zusammenlebenin dieser Gesellschaft insgesamt verbessern. Deswe-gen muss die Förderung von Deutschkenntnisseneindeutig Vorrang vor der Förderung der Herkunfts-sprachen haben. Deutsch als die gemeinsame Spra-che stellt eine Schlüsselqualifikation für die Teilhabean allen gesellschaftlichen Bereichen dar.

3.1 Der neue Ansatz: Orientierung nach Zielgruppen

Zielgruppen der neuen Integrationspolitik sind allezugewanderten Personen in Stuttgart mit ihren be-sonderen individuellen, sozialen, kulturellen undmigrationsspezifischen Merkmalen, die ihre jeweili-ge Lebenswelt ausmachen.

Deswegen soll auf die bisher übliche Kategorisie-rung nach Arbeitnehmern aus den ehemaligen An-werbeländern, Aussiedlern und Flüchtlingen verzich-tet werden. Spezifische Angebote für diese Teilgrup-

3. Folgen für die Stuttgarter Integrationspolitik

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pen sollen zugunsten von integrativen Angebotenfür alle Zuwanderer verändert werden. Wesentliche Merkmale der nichtdeutschen Bevölke-rung ergeben sich jedoch nach wie vor - aus dem unterschiedlichen rechtlichen Aufent-

haltsstatus und - aus der unterschiedlichen sozialen und gesell-

schaftlichen Realität.

Diese Faktoren sind ausschlaggebend für die Lebenssi-tuation der nichtdeutschen Stuttgarterinnen und Stutt-garter, weil daraus die Forderungen nach Chancen-gleichheit und gesellschaftliche/politische Partizipationabzuleiten sind.

Dieser Ansatz trägt der Tatsache und der Anfor-derung Rechnung, dass Integration eine gesamt-gesellschaftliche Aufgabe darstellt, die sowohlvon der zugewanderten als auch von dereinheimischen Bevölkerung mitgetragenwerden muss. Und er trägt dem Umstand Rech-nung, dass der soziale Status der Migrantin-nen und Migranten eine wesentlicheGrundlage der Integrationspolitik einerKommune ist.

Im Hinblick darauf lassen sich zunächst fünfHauptzielgruppen für die künftige Integrationspo-litik ableiten:

1. Eingereiste Personen mit befristetem Aufent-halt: Flüchtlinge (sofern sie nicht als Asylberech-tigte anerkannt werden) sowie Personen mit spe-zifischer (von vornherein befristeter) Arbeitsrege-lung. Flüchtlinge sind auf Grund der ausländer-und asylrechtlichen Bestimmungen eine gesell-schaftliche Randgruppe. Ihr Flüchtlingsstatuserschwert die soziale Eingliederung.

2. Neuzuwandererinnen und Neuzuwanderer

3. Länger hier lebende nichtdeutsche Einwan-derinnen und Einwanderer mit einem aufDauer angelegten Aufenthalt.

4. Eingewanderte mit deutscher Staatsan-gehörigkeit: Eingebürgerte, Aussiedlerinnen undAussiedler.

5. Die deutsche Mehrheitsbevölkerung ohneMigrationshintergrunf ist ebenfalls Zielgruppe inihrer Mitverantwortung bei der aktiven Gestaltungdes gemeinsamen Zusammenlebens und beimAbbau von Fremdenfeindlichkeit und Diskriminie-rung.

Diese Differenzierungen sind im Hinblick aufbestimmte Fragestellungen sinnvoll (z.B. bei derUmstrukturierung von Migrationsdiensten oder der

Einrichtung von Anlauf- und Servicestellen für blei-beberechtigte Neuzuwanderinnen und Neuzuwan-derer). Die Integrationspolitik darf sich jedoch –schon aus gesellschaftlichen und ökonomischenGründen – nicht auf Einwanderinnen und Einwan-derer mit einem Daueraufenthalt beschränken. Siemuss alle Zuwanderergruppen berücksichtigen.

Auch in Zukunft wird es zeitlich befristeteMigration geben. Von 1991 bis 2004 wandertenca. 10,5 Millionen Menschen mit ausländischemPass nach Deutschland ein und ca. 8,0 Millionenaus. Längere arbeitsbedingte Auslandsaufenthaltewerden immer selbstverständlicher. Das betrifftsowohl den Auslandseinsatz von deutschen Fach-und Führungskräften als auch den Einsatz von aus-ländischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier-zulande. Im Topmanagement multinationaler Unter-nehmen werden Führungspositionen grundsätzlichnur Bewerbern mit internationaler Erfahrung über-tragen. Die internationalen Auslandseinsätzebeschränken sich jedoch nicht nur auf Führungs-kräfte.

Die zunehmende Mobilität in Wirtschaft, Wissen-schaft und anderen Bereichen macht deutlich, dasseine Trennlinie zwischen den Zuwanderergruppenmit einem befristeten und einem verfestigten Auf-enthalt nur bedingt sinnvoll ist. Viele Zuwanderin-nen und Zuwanderer erfüllen erst nach mehrerenJahren die Voraussetzungen für einen verfestigtenAufenthalt. Dies gilt etwa für Flüchtlinge, wie z.B.Asylbewerber, die de facto nicht in ihr Herkunfts-land zurückkehren können (z.B. Afghanistan) odertraumatisierte Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehe-maligen Jugoslawien. Die tatsächliche Dauer desAufenthaltes wird auch künftig bei vielen Zuwande-rern nicht abzusehen sein.

Alle Migranten bleiben unabhängig von ihrem Auf-enthaltsstatus Menschen mit grundsätzlichen Rech-ten, die beachtet werden müssen. Das Hauptziel der

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Sozialen Arbeit besteht darin, die notwendige Hilfeund Unterstützung zum Schutz der Menschenwürdezu leisten, auch für Menschen ohne gesichertenAufenthaltsstatus. Diese Hilfe umfasst: Beratung,soziale und gesundheitliche Grundversorgung sowieden Zugang zu schulischer Bildung.

Durch frühzeitige und differenzierte Integrations-maßnahmen für die unterschiedlichen Zuwanderer-gruppen wird ihre Zugehörigkeit zu der Aufnahme-gesellschaft gestärkt und den Tendenzen der ethni-schen Abschottung und der Bildung von Parallelge-sellschaften entgegengewirkt.

Alle Integrationsmaßnahmen können darüberhinaus – also unabhängig vom Herkunfts-land und dem genaueren rechtlichen Status– in drei Hauptkategorien untergliedert werden.Für

- neu zugewanderte Personen, - bereits länger hier lebende Personen mit

Migrationserfahrung - und die deutsche Mehrheitsgesellschaft

müssen jeweils spezifische Integrationsangeboteentwickelt werden.

3.1.1. Zu den neu zugewanderten Personen

Die Gesamtgruppe der neu zugewanderten Perso-nen ist in sich sehr heterogen, so-wohl im Hinblickauf Status und Einreisemotivation als auch hinsicht-lich Herkunftsländern und Kulturen. Sie umfasst Per-sonen aus der Gruppe des Familiennachzugs, derAussiedler, der Flüchtlinge und –

zukünftig in erhöhtem Maße – Personen aus derGruppe der arbeitsmarktbezogenen Zuwanderungim Rahmen der EU-Freizügigkeit sowie für Hochqua-lifizierte aus Drittstaaten. Die Integration derNeuankömmlinge ist sowohl von ihren kommunika-tiven Fähigkeiten und Kompetenzen abhängig,als auch von der Qualität der Begegnungmit der Mehrheitsgesellschaft.

Der Nachweis von Sprachkenntnis-sen, wie auch von der Unabhängi-gen Kommission „Zuwanderung“für nichtdeutsche Ehegatten oderfür Abkömmlinge von Spätaussied-lern gefordert, ist insofern eine not-wendige, aber keine hinreichendeBedingung für eine erfolgreiche Inte-gration.

Die Stadt Stuttgart wird daher – in Anlehnung andie niederländischen Erfahrungen mit dem „ProjektIntegration Neuankömmlinge“ (PIN) und unter Be-rücksichtigung der Vorgaben von Bund und Land –eine Organisationsstruktur aufbauen müssen, dieAnlaufstellen (zentral/stadtteilbezogen) für neuZugewanderte mit entsprechenden Integrationsan-geboten anbietet.

Dazu wird in Kooperation mit den bestehendenAnlaufstellen für Nichtdeutsche bei der Stadt undbei den freien Trägern geprüft, welche Modellekünftig als Integrationsservicestellen für Neuzuge-wanderte am besten geeignet sind.

Angesichts der Heterogenität der Neuzuwanderung,bedingt durch die mitgebrachten Traditionen desHerkunftslandes, die Einreisemotivation, den Statusbei der Einreise und insbesondere durch die bishererworbenen Bildungs- und Qualifikationsprofile,wird ein entsprechend differenziertes Angeboterforderlich sein.

3.1.2 Zu den länger hier lebendenPersonen mit Migrationserfahrung

Die Gesamtgruppe der bereits länger hier lebendenMigrantinnen und Migranten ist ebenfalls hetero-gen zusammengesetzt. Der Grad der Integration dereinzelnen Gruppen und Personen variiert erheblich.Soziale Desintegrationserscheinungen sind auch beiTeilen der zweiten und dritten Generation zu beob-achten, insbesondere bei sozial benachteiligten jün-geren Zuwanderinnen und Zuwanderern mit niedri-ger Schulbildung und schlechten Perspektiven aufdem Arbeitsmarkt. Demotivierende Lebenswelten,enttäuschte Erwartungen und soziale Ausgrenzungerzeugen in „marginalisierten Gruppen“ ein großesUnzufriedenheits- und Konfliktpotenzial. Integrati-onsmaßnahmen müssen noch stärker auf diese Ziel-gruppe hin ausgerichtet werden.

Ein verstärkter Integrationsbedarf be-steht vor allemauch bei nichtdeutschen Frauen, die aufgrund

von verschiedenen Faktoren (familiäreSituation, niedriges Bildungsniveau,

geringe Deutschkenntnisse etc.)größere Partizipations-schwierigkei-ten im öffentlichen Bereich haben,angefangen von der Teilnahme anElternabenden im Kindergartenund Schule bis hin zum (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben.

In Stuttgart nimmt aber auch die Zahlder qualifizierten Personen mit Migrati-

onshintergrund zu. Das bi- und interkultu-

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relle Potenzial dieser Gruppe ist eine wichtige Res-source in der internationalen Stadt, die es noch stär-ker in der Verwaltung und in der Wirtschaft zu nut-zen gilt.

3.1.3 Zur deutschen Mehrheitsgesellschaft

Seit geraumer Zeit und mit einer Vielfalt von Ange-boten bietet Stuttgart viele Möglichkeiten für dieBegegnung und den Dialog der Kulturen. Die Ange-botsvielfalt reicht von „aufklärenden“ Vortrags- undInformationsreihen über Kulturveranstaltungen bishin zu vielseitigen Bildungsangeboten. Dennoch gibtes rechtsextremistische Handlungen und Fremden-feindlichkeit auch in Stuttgart. Im Vorfeld von Ge-waltbereitschaft finden sich fremdenfeindliche Hal-tungen und Äußerungen, die nicht als Randerschei-nungen hingenommen werden dürfen.

Das vorliegende Integrationskonzept sieht daher dieEinbeziehung der Mehrheitsgesellschaft als einenzentralen und integralen Bestandteil der neuen Inte-grationspolitik vor. Hiermit werden zwei Zielvorga-ben verknüpft: die Bewusstmachung der Prämisse„eine Stadtgemeinschaft – viele Lebenswelten“als positive gesellschaftliche Realität und die konse-quente Verfolgung und Bestrafung von fremden-feindlichen Handlungen.

3.2 Integrationsziele und Handlungsfelder

Die künftige Integrationspolitik will im Sinne desneuen europäischen Leitbildes zur Integration kultu-relle Vielfalt und gesellschaftlichen Zusammen-halt in unserer Stadt fördern. Beides steht in einerWechselwirkung zueinander: Die Akzeptanz vonVielfalt fördert den sozialen Zusammenhalt.

Eine stabile Gesellschaftsordnung mit Wohlstandund sozialer Gerechtigkeit ist wiederum Vorausset-zung für die Bereitschaft, mit anderen Kulturen inDialog zu treten.

Eine wesentliche Voraussetzung für den Integrati-onserfolg und für den sozialen Frieden in einerheterogenen Stadtgesellschaft bildet die gleichbe-rechtigte Teilhabe der Zuwanderer an gesell-schaftlichen Ereignissen und am kommunalenGeschehen.

Dies beinhaltet sowohl die gesellschaftliche undpolitische Partizipation in Übereinstimmung mit dengesetzlichen Möglichkeiten als auch Chancengleich-heit in den zentralen Bereichen des gesellschaftli-

chen Lebens: sprachliche Verständigung, Schulbil-dung und berufliche Qualifizierung, Erwerbstätig-keit, Wohnsituation, Inanspruchnahme der kommu-nalen Serviceleistungen, selbstorganisierte Aktivitä-ten in Vereinen und Religionsgemeinschaften.

In einer offenen Gesellschaft bedeutet kulturelleVielfalt Bereicherung und damit zugleich eine Ver-besserung der Lebensqualität, aber auch ein Erfor-dernis für persönliche und gesellschaftliche Entwick-lung. Durch den Dialog mit anderen Kulturen erwei-tern alle Bevölkerungsgruppen ihr Repertoire anHandlungsmöglichkeiten und Fähigkeiten. Darauslassen sich für die Integrationspolitik folgende Zieleableiten:

- Die Förderung der Partizipation und derChancengleichheit von Menschen unter-schiedlicher Herkunft.

- Die Förderung des friedlichen Zusammenle-bens der verschiedenen Bevölkerungsgruppen.

- Die Nutzung der kulturellen Vielfalt für dieErweiterung der persönlichen und beruflichenKompetenzen aller in der internationalenGesellschaft.

Die genannten Ziele werden in den einzelnenHandlungsfeldern durch Projekte und andereintegrationsfördernde Maßnahmen umgesetzt.

Daraus ergeben sich neue Schwerpunkte, wobei andieser Stelle auf eine vollständige Aufzählung ver-zichtet wird. In den folgenden Abschnitten werdenacht zentrale Handlungsfelder näher beschrieben. Siegelten als Entwicklungsthemen von besondererBedeutung. Daneben gibt es bestehende Integrationsaufgabenund laufende Projekte, die fortgeführt werden,sowie zusätzliche Maßnahmen, die sich aus anderenBezügen heraus entwickeln (z.B. InterdisziplinäreArbeitsgruppen und Projekte gegen Armut in Stutt-gart, neue Projekte im Sozial-, Jugendhilfe- undGesundheitsbereich, Runder Tisch gegen Diskrimi-nierung und für ein friedliches Zusammenleben inunserer Stadt).

Die Qualität der Umsetzung wird durch eine engeZusammenarbeit mit den Kooperationspartnernsichergestellt, die über eine langjährige Erfahrung inder Migrations- und Integrationsarbeit verfügen. Da-zu zählen vor allem die Migrationsdienste der freienWohlfahrtspflege in Stuttgart. Auch die Volkshoch-schule Stuttgart nimmt wichtige Integrationsaufga-ben wahr: Sprachförderung, berufliche Qualifizie-rung, interkulturelle Verständigung und politischeBildung.

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3.2.1 Die Förderung der Chancen-gleichheit durch Sprach- und Inte-grationskurse

Die gemeinsame Sprache stellt eine Schlüsselqualifika-tion für die Teilhabe an der Gesellschaft dar. Die Be-herrschung der deutschen Sprache ist eine wesentli-che Voraussetzung für die berufliche Qualifikationund die Eingliederung in den Arbeitsmarkt. GuteDeutschkenntnisse erleichtern den Zugang zur politi-schen Information und ermöglichen ein tieferes Ver-ständnis der deutschen Gesellschaft.

Sprach- und Integrationskurse richten sich nicht nuran Neuzuwanderer, sondern auch an die vielen bereitslänger hier lebenden Einwanderinnen und Einwande-rer, die über keine ausreichenden Deutschkenntnisseverfügen.

Eine wichtige Zielgruppe sind Frauen, die erst nachEintritt ihrer Kinder in den Kindergarten oder in dieSchule für sich eine Möglichkeit sehen, Deutsch zulernen, und die auf bedarfsgerechte Angebote imWohnumfeld angewiesen sind (Kurse entsprechenddem jeweiligen Sprach- und Bildungsniveau, Sicher-stellung der Kinderbetreuung, „Mama lernt Deutsch“-Kurse an Schulen). Die Sprachbefähigung junger Müt-ter ist zudem eine wichtige Voraussetzung für die För-derung der deutschen Sprache bei ihren Kindern.

Die veränderten Förderbestimmungen der Bundesre-gierung zur Sprachförderung zugewanderter Perso-nen und die im Zuwanderungsgesetz des Bundesmini-sters des Inneren verankerten Integrationskurse fürNeuzugewanderte machen es erforderlich, auf kom-munaler Ebene ein Gesamtsprachkonzept zu ent-wickeln.

Ziele und Umsetzungsschritte dieses Gesamtsprach-konzeptes sind: Auf- und Ausbau eines bedarfsge-rechten und differenzierten Angebots für alle zuge-wanderten Stuttgarterinnen und Stuttgarter mit Inte-grationskursen des Bundes und ergänzenden kommu-nalen Kursangeboten, Installierung eines „Koopera-tionsnetzwerks Sprache“, Sicherstellung derzusätzlichen personellen Kapazitäten für die Gesamt-koordination der Sprachförderung.

Von 2001 bis 2004 wurden in Stuttgart Integrations-kurse des Landes Baden-Württemberg zur Förderungvon Deutsch- und Landeskenntnissen durchgeführt.Angeboten wurden bis zu 300 Stunden Einführung indie deutsche Sprache und sozial gesellschaftlicherUnterricht sowie Fördergespräche mit dem Ziel einerErstorientierung in Deutschland. Das Angebot umfas-ste Grundkurse, Aufbaukurse sowie Alphabetisie-rungskurse. Die Finanzierung erfolgte bis zum Inkraft-treten des Zuwanderungsgesetzes über die Landesstif-

tung Baden-Württemberg, durch Komplementärmittelder Landeshauptstadt Stuttgart sowie über Trägermit-tel und Teilnehmerbeiträge.

Unter Federführung der Stabsabteilung für Integrati-onspolitik wurde ein Trägernetzwerk mit zwölf inter-kulturell erfahrenen Sprachkursanbietern installiert.Dadurch können die Kurse nach einheitlichen Qua-litätskriterien bedarfsorientiert und flächendeckend inden Stadtteilen angeboten werden. Seit 2002 wurdendie personellen Kapazitäten der Stabsabteilung fürIntegrationspolitik erweitert, so dass eine kommunaleKoordination der Sprachförderung gewährleistet ist.

Durch das Zuwanderungsgesetz erfolgte ab Januar2005 eine Neuregelung der Sprachkursförderungauf Bundesebene. Die Anbieter der Bundes-Integra-tionskurse wurden in das KooperationsnetzwerkSprachförderung nach dem „Stuttgarter Modell“eingebunden, ebenso die Regionalkoordinatorendes Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, dieAusländerbehörde, die ARGE JobCenter, das Sozial-amt sowie die Träger der Migrationserstberatungund der Jugendmigrationsdienste.

In räumlicher Nähe zur Ausländerbehörde wurde imSozialamt eine zentrale Erstberatungs- und Clea-ringstelle eingerichtet, um allen Migrantinnen undMigranten einen schnellen Zugang zum passendenKursangebot zu ermöglichen. Neuzuwandererbekommen in der Erstberatungsstelle von den Trä-gern der Migrationserstberatung einen Überblicküber die vielfältigen Träger- und Kursprofile sowieüber die aktuellen Starttermine der Kurse. Mitarbei-ter des Sozialamtes beraten Altzuwanderer über alleKursangebote und führen bei Bedarf auch Sprach-tests durch.

Zunehmend machen die JobCenter von der Mög-lichkeit Gebrauch, die Bezieher von ArbeitslosengeldII mit Sprachdefiziten an die Clearingstelle zu ver-mitteln. Dort erfolgt eine Kursberatung und ein Ein-stufungstest. Gegebenenfalls leitet die Clearingstelleauch das Verfahren zur Verpflichtung zum Besucheines Integrationskurses über die Ausländerbehördeein. Die Ausländerbehörde kann eine solche diffe-renzierte Beratung und Einstufung selbst nicht leis-ten.

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3.2.2 Die Förderung der Chancen-gleichheit in Schule und Ausbildung

Zentraler Ort der Vermittlung von Bildung und Spra-che ist die Schule. Besorgt müssen wir feststellen,dass die Bildungserfolge von Kindern und Jugendli-chen nichtdeutscher Muttersprachen in Stuttgartseit 20 Jahren nicht weiter gestiegen sind, sonderndie Diskrepanz zu Kindern und Jugendlichen deut-scher Muttersprache im Wesentlichen gleich geblie-ben ist. Auch bundesweit stagniert die Entwicklungbei der Verbesserung der Schulabschlüsse von nicht-deutschen Jugendlichen seit Anfang der 90er-Jahre.

Die Verbesserung der Schulabschlüsse von Jugendli-chen aus Zuwandererfamilien ist die beste Vorbeu-gung gegen soziale und gesellschaftliche Desinte-gration mit all ihren Folgen. Das gilt auch für deutsch-stämmige Kinder und Jugendliche aus osteuropäi-schen Spätaussiedlerfamilien. Bestehende Maßnah-men in diesem Bereich müssen ausgewertet undneue in Kooperation mit allen relevanten Stellenentwickelt werden. Die Landeshauptstadt Stuttgartbaut seit dem Jahr 2000 konsequent die ganzheitli-che Sprach- und Bildungsförderung in Tagesein-richtungen für Kinder aus, um allen Kindern diegleichen Bildungschancen bei der Einschulung zuermöglichen. Im Projekt „Einstein in der Kinderta-geseinrichtung“ werden Forschergeist, Spracherwerbund Sozialkompetenz der Kinder auf vielfältige Weisegefördert. Da sich die Förderprogramme im Primarbe-reich erst langfristig positiv auf den Schulerfolg aus-wirken werden, bedarf es zugleich weiterer Integrati-onsmaßnahmen in Schulen, insbesondere in Grund-und Hauptschulen mit einem hohen Migrantenanteil.

Zu den schulischen Fördermaßnahmen, die denSchulerfolg hinsichtlich der Übergänge und derAbschlüsse verbessern, gehören:

- Vorschulischer Bereich: Weiterentwicklung vonSprachförderkonzepten in Grundschulförderklas-sen und damit im Zusammenhang eine intensivier-te Kooperation zwischen Grundschulen und Kin-dertagesstätten

- Schuleingangsbereich: Erste Klassen mit einembesonderen Sprachförderangebot

- Vorbereitungsklassen für Grundschülerinnen und -schüler sowie für Schülerinnen und Schüler desSekundarbereichs

- Fördermaßnahmen während des Besuchs vonRegelklassen

- Grund- und Hauptschule: sprach- und bildungsför-dernde Projekte für Schüler und ihre Eltern inZusammenarbeit von Schulen und außerschulischenPartnern: individuelle Lernhilfen und sprachfördern-de Gruppenangebote für Schüler mit unzureichen-den Deutschkenntnissen, Förderung der Ausbil-dungsreife von Acht- und Neuntklässlern, Elternbil-dungsangebote mit Informationen zum deutschenSchulsystem und mit Programmen zur Förderungihrer Sprach- und Integrationskompetenz

- Kooperationsklassen Hauptschule/Berufsschule

- Ergänzende Angebote der Sprachförderung, derHausaufgabenbetreuung und Vorbereitung aufPrüfungen werden von Schule-Eltern-Initiativen,von der Jugendhilfe und von zahlreichen anderenInitiativen im Rahmen der Ganztagesbetreuunggeleistet.

Die Stabsabteilung für Integrationspolitik hat seitdem Jahr 2002 in Verbund mit Schulen, dem Staat-lichen Schulamt, der Jugendhilfe, den Migrations-diensten und Bildungseinrichtungen freier Träger,den Kammern sowie mit zahlreichen Freiwilligen(Studenten, Senioren, Vertretern von Migranten-selbstorganisationen) mehrere Projekte an Grund-,Förder- und Hauptschulen initiiert, die alle zum Zielhaben, die schulische und berufliche Integration vonKindern und Jugendlichen aus Einwandererfamilienzu verbessern.

Diese Angebote werden seit dem Jahr 2004 imBeruflichen Qualifizierungsnetzwerk zur Förderungder Chancengleichheit von Jugendlichen mit Migra-tionshintergrund (BQN Stuttgart) koordiniert undsystematisch zu integrierten Fördersystemen weiter-entwickelt.

Die Praxiserfahrungen aus den Modellprojekten undaus der Kooperation von Schulen und außerschuli-schen Partnern sollen in die Curricula der beteiligtenProjektschulen Eingang finden und somit zur Qualität-sentwicklung des Unterrichts und zur Stärkung derSchulprofile im interkulturellen Kontext beitragen.

Voraussetzungen für eine effektivere Förderung derSchüler und Auszubildenden mit Migrationshinter-grund sind:

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- Erweiterung der interkulturellen Kompetenz vonSchulen bei ihrem Bildungsauftrag in der Einwan-derungsgesellschaft

- Stärkung der Migranteneltern in ihrem Erziehungs-und Bildungsauftrag, verbunden mit ihrer aktivenTeilhabe am Schulgeschehen

- eine engere Zusammenarbeit der Wirtschaft mitHauptschulen

Jugendliche aus Migrantenfamilien müssen noch in-tensiver bei der Suche nach Arbeitsstellen unterstütztwerden, die ihrer tatsächlichen beruflichen Qualifi-kation entsprechen. Sie sind auch bei der Einstel-lung von Auszubildenden in städtischen Ämternstärker zu berücksichtigen. Diese Jugendlichen habenoft zusätzliche sprachliche und interkulturelle Kom-petenzen, die entsprechend anerkannt werden sollen.

3.2.3 Berufliche IntegrationErwerbstätigkeit und das daraus erwirtschaftete Ein-kommen bilden die Voraussetzung für eine gleich-berechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.Die Partizipation am Arbeitsmarkt stellt somit eineder zentralen Bedingungen für eine erfolgreicheIntegration dar.

Erwerbstätigkeit ist mehr als ökonomische Unab-hängigkeit. Sie ermöglicht soziale Kontakte, stärktdas Selbstwertgefühl, erweitert den Horizont undvergrößert die Identifikation mit dem Gemeinwesen.

Hinsichtlich der negativen Aspekte des Strukturwan-dels sind Migrantinnen und Migranten überdurch-schnittlich vom Wegfall industrieller Arbeitsplätzebetroffen – vor allem, weil sie besonders fürBeschäftigungen rekrutiert worden waren, diefrüher eine geringe Qualifikation erforderten.

Positive wirtschaftliche Impulse erfährt Stuttgartdurch Zugewanderte, die eigene Betriebe gegründethaben – mit relevanten Beschäftigungseffektenauch in die Mehrheitsbevölkerung hinein. Auch imDienstleistungssektor und Hinblick auf die Entwick-lung innovativer Beschäftigungsfelder spielen

Migrantinnen und Migranten eine wichtige Rolle.Zukünftig wird sich allein schon aus demografischenGründen die Nachfrage nach qualifizierten Fachkräftenerhöhen. Dieser Bedarf wird zum Teil durch die nach-wachsende eigene Bevölkerung zu decken sein,einschließlich der jungen Menschen mit Migrationshin-tergrund. Wie alle wirtschaftlich dynamischen Metro-polregionen wird Stuttgart darüber hinaus kontinuier-lich neue Zuwanderer anziehen und auch benötigen.

Folglich charakterisieren zwei gegensätzliche Ent-wicklungen die Beschäftigungssituation von Zuge-wanderten: positive wirtschaftliche Impulse durchselbständige Gewerbetreibende und qualifizierteFachkräfte auf der einen Seite, überdurchschnittli-che Arbeitslosigkeit gerade unter den Migrantenmit einem niedrigen Qualifikations- und Bildungsni-veau auf der anderen Seite.Diese Entwicklungen sind bei der Gestaltung der Stuttgarter Arbeits-markt- und Integrationspolitik zu berücksichtigen.Dabei kristallisieren sich drei vorrangige Handlungs-felder heraus:

- Die Chancen der Arbeitsmarktreformen (Hartz IV)und des Zuwanderungsgesetzes für die Arbeitsför-derung von benachteiligten Migrantinnen undMigranten nutzen: gezielte Ausrichtung der Quali-fizierungsmaßnahmen und der damit verbundenenSprachvermittlung auf die Bedürfnisse und Poten-ziale der Arbeitslosen mit Migrationshintergrund.Durch die begonnene interkulturelle Ausrichtungder JobCenter und durch ihre Einbindung in dasStuttgarter Kooperationsnetzwerk der Sprachkurs-förderung können die individuellen Eingliede-rungshilfen optimiert werden, damit für die Betrof-fenen durch die verschiedenen aufeinander abge-stimmten Fördermaßnahmen die jeweils besteFachqualifikation erreicht wird.

- Verbesserung der Ausbildungssituation und derBeschäftigungssituation von Jugendlichen und jun-gen Erwachsenen durch individuell ausgerichteteBeratungsangebote und Qualifizierungsprogrammeim Verbund aller relevanten Akteure nach dem Vor-bild des Beruflichen Qualifizierungsnetzwerks BQNStuttgart (Schulen, Agentur für Arbeit, Kammern,Jugendhilfe, Stabsabteilung für Integrationspolitik,Migrationsdienste und Migrantenselbstorganisatio-nen). Dabei sind auch die Ausbildungs- undBeschäftigungspotenziale der Zuwandererbetriebestärker zu nutzen. Bei Neueinstellungen und in derAusbildung für den Öffentlichen Dienst soll derAnteil von Migrantinnen und Migranten im Zugeder interkulturellen Ausrichtung erhöht werden.

- Förderung selbständiger Tätigkeit: Unterstützungvon Existenzgründungen durch interkulturell ausge-richtete Beratungs- und Qualifizierungsangebotesowie durch Beseitigung der Hindernisse bei derKreditvergabe.

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3.2.4 Die Förderung der Integrationin den Stadtteilen

Integration fängt im Lebensumfeld an: Wohnen undNachbarschaft, Kindergarten, Schule und Jugend-treff, Arbeitsstätte, Engagement in Vereinen, bürger-schaftlichen Initiativen und Religionsgemeinschaf-ten. Und es gibt zahlreiche bürgerschaftliche Initiati-ven, die bereits jetzt eine wichtige Integrationsarbeitin den Stadtteilen leisten: Sicherheitsbeiräte, Sport-und Kulturvereine, Migrantenvereine, Kirchenge-meinden, Freundeskreise Asyl, Jugendräte u.a.

Bezirksvorsteher und Bezirksbeiräte geben zahl-reiche Impulse für das Zusammenleben im Stadtbe-zirk. Fachkräfte aus der pädagogischen und der so-zialen Arbeit treffen sich regelmäßig in den so ge-nannten „Stadtteilrunden“, bzw. regionalen Hand-lungsfeldkonferenzen, in denen sie sich gemeinsamfür die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Kin-dern, Jugendlichen, Familien und älteren Menschenim Wohnquartier einsetzen. Daneben gibt es RundeTische und Arbeitskreise unter Einbeziehung vonStadtplanern und anderen Fachleuten, die verschie-dene Maßnahmen zur Förderung der Integration und

zum Abbau von sozialer und ethnischer Segregationin den Stadtteilen auf den Weg bringen.

15 Stuttgarter Bezirke haben bereits einen LokaleAgenda-Prozess eingeleitet. Vor allem in Stadtbezir-ken mit einem hohen Anteil an nichtdeutscherWohnbevölkerung spielt die Frage des Zusammenle-bens im Sinne von Sich-Wahrnehmen, Tolerierenund Akzeptieren von deutschen und nichtdeutschenMitbürgern eine zunehmende Rolle.

Konflikte, die sich aus dem Zusammenleben imWohnumfeld und im Stadtteil ergeben, haben einebesondere Bedeutung. Hier wird in erster Linie überIntegrationsbereitschaft entschieden. Konflikte müs-sen früh erkannt und gelöst werden, damit einfriedliches Miteinander sichergestellt werden kann(„Frühwarnsystem“).

Mit der Mediation durch interkulturell erfahrenehaupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen undMitarbeiter aus der Sozialarbeit existiert bereits einAngebot zur Konfliktlösung in Einzelfällen. Die Integrationsbeauftragten koordinieren dieses Vermitt-lungs- und Streitschlichtungsangebot.

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Neben der bewährten Mediation in konkretenStreitfällen (Intervention) bedarf es eines intensiver-en interkulturellen Dialogs vor Ort im Alltag(Prävention). Bestehende bürgerschaftliche Initiati-ven und die verschiedenen Migrantengruppen kom-men verstärkt ins Gespräch und entwickeln gemein-sam vertrauensbildende und integrationsförderndeAktivitäten im Stadtteil.

Engagierte Schlüsselpersonen mit bikulturellerKompetenz sind wichtige Brückenbauer zwi-schen den Kulturen. Solche interkulturellen „keypersons“ sind wertvolle sachkundige Ansprechpart-ner vor Ort – sowohl für ehrenamtlich engagiertedeutsche und nichtdeutsche Stadtteilbewohner alsauch für die Institutionen im Stadtbezirk. Sie sind inder Lage, die zugewanderte Bevölkerung stärker fürdas bürgerschaftliche Engagement im Stadtteil zugewinnen.

Sehr ermutigende Beispiele gibt es überall dort, wointerkulturell erfahrene hauptamtliche Fachkräfteden Dialog zwischen den verschiedenen Bevölke-rungsgruppen in Gang setzen und moderieren(sozusagen als „Stadtteilmanager für Interkulturellesund Integration“), wie z.B. im „Haus 49“ im Nord-bahnhofviertel oder beim Projekt „Soziale Stadt“ inFreiberg/Mönchfeld, Rot und Fasanenhof. Als weite-re erfolgreiche Beispiele der letzten Jahre könnendie von einer Bezirksvorsteherin angeregten Akti-vitäten in Neugereut angeführt werden (Sprachför-derung, Hip-Hop-Projekt gegen Gewalt von rechts),ferner der Runde Tisch in Hallschlag, die Kooperati-on Flüchtlingshilfe-Schule in Degerloch (bessereIntegration von Flüchtlingskindern in Schule undStadtteil) sowie die von Stadtteilrunden unter derFederführung der Jugendhilfe initiierten Angebotein Stuttgart-Ost und in den Oberen Neckarvororten(interkulturell ausgerichtete Stadtteilveranstaltun-gen). Hauptamtliche haben zum Teil andere Mög-lichkeiten als Ehrenamtliche, wenn es darum geht,nachhaltig integrationsförder-nde Projekte zu initiie-ren, wie z.B. Internationales Frauencafé, Deutsch-kurse für Migrantenmütter in Räumen von Kinder-gärten oder Schulen, internationale Stadtteilbegeg-nungen etc.

Zentrale Ansprechstellen wie die Stabsabteilung fürIntegration können solche stadtteilkundigen Ver-trauenspersonen unterstützen und ergänzen, abernicht ersetzen. Deshalb ist die Einbindung voninterkulturell kompetenten haupt- und ehren-amtlichen Personen in die bestehenden Stadt-teilstrukturen eine wesentliche Voraussetzung fürdie Integrationsarbeit im sozialen Nahraum.

In diesem Zusammenhang ist ein Projekt zur För-derung des Interkulturellen Dialogs und derIntegration in den Stadtteilen geplant:

Die Integrationsbeauftragten erheben zusammen mitKooperationspartnern, die vor Ort arbeiten, welche bür-gerschaftlichen Initiativen in den einzelnen Stadtbezirkenbereits erfolgreich arbeiten (Sicherheitsbeiräte, Vereine,von Fachleuten organisierte Stadtteilrunden, Initiativen imProgramm „Soziale Stadt“ u.a.m.). In Zusammenhang mitder Bestandsaufnahme wird ermittelt, in welchen Stadt-teilen interkulturell erfahrene und engagierte Stadtteilbe-wohner bereits in die bestehenden Strukturen vor Ortaktiv eingebunden sind. Es wird ferner ausgelotet, inwie-weit in den Migrantenvereinen weitere interessiertemehrsprachige Vertrauenspersonen vorhanden sind, diein den interkulturellen Stadtteil-Dialog stärker einbezogenwerden können.

Die integrative/interkulturelle Stadtteilarbeit wird fernerdurch projektbezogene Kooperationen verstärkt und wei-ter professionalisiert. Die Stadtteilgremien stehen bezüg-lich ihrer Integrationsarbeit in engem Austausch mit denIntegrationsbeauftragten (S-IP), die weitere Integrations-maßnahmen im Verbund mit den verschiedenen Koope-rationspartnern in den Stadtteilen koordinieren: Sprach-und Integrationskurse, Mediation u.a.

3.2.5 Die Unterstützung von inter-kulturellen Initiativen und vonneuen Formen der interkulturellenZusammenarbeit

Stuttgart weist als internationale Stadt ein breitesund qualitativ hoch stehendes Kulturangebot auf, zudem auch renommierte Institutionen mit internatio-naler Bedeutung und Aufgabenstellung zählen. ImZuge der Arbeitszuwanderung sind zahlreiche Kul-turvereine der verschiedenen Migrantengruppen ent-standen, die ihre Aufgabe zunächst darin sahen, dietraditionelle Kultur ihrer Herkunftsländer zu erhaltenund zu pflegen und einen Ort der Begegnung unterLandsleuten zu schaffen.

Seit einigen Jahren bilden sich verstärkt interkultu-relle Initiativen, die über die engere Kulturarbeit hin-aus einen wichtigen Beitrag zur Verständigung undIntegration leisten. Sie wollen den gesellschaftlichenWandel kulturell reflektieren und – wichtiger noch –für das Zusammenleben in der Stadt fruchtbar ma-chen. Die internationale Bevölkerung in Stuttgartund im Umland sucht verstärkt die Gelegenheit, ihreFarben, ihr Profil zu zeigen. Sie möchte im Kulturle-ben der Stadt vorkommen und ihre Interessen imkulturellen Angebot der Stadt aufgenommen sehen.

Die Akteure, d.h. die im kulturellen Bereich angesie-delten Vereine und Projekte, aber auch die zahlrei-chen hier lebenden Künstlerinnen und Künstler nicht-deutscher Herkunft treten zunehmend aus derNische der so genannten „Migrantenkunst“ heraus.Sie fordern ein neues Verständnis kommunaler Kul-

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tur, die Internationalität mit den lokalen Traditionenund Initiativen verbindet und in den Kontext eth-nischkultureller Pluralisierung integrieren soll.

Dieser Ansatz wurde 1996 in dem Positionspapiervon Dr. Wolfgang Schuster als damaligen Kulturbür-germeister dargelegt: „Stuttgart auf dem Weg zurinterkulturellen Stadt – Konzeptionelle Ansätze undFördermaßnahmen“. Mit der Gründung des Forumsder Kulturen Stuttgart hat die Umsetzung des neuenKonzepts begonnen.

Das Forum der Kulturen versteht sich als Dachver-band nichtdeutscher Kulturvereine und interkulturel-ler Einrichtungen. Seit April 2001 gibt es eine kosten-lose Monatszeitschrift „Interkultur Stuttgart –Begegnung der Kulturen“ heraus.

Der Initiativkreis Interkulturelle Stadt Stuttgart IKISist ein Zusammenschluss von Institutionen in Stutt-gart unter der Federführung des Insituts für Aus-landbeziehungen (ifa), die den internationalen Kultu-raustausch unterstützen und den interkulturellenDialog fördern.

Das Deutsch-Türkische Forum ist ein Verein, der inder Region Stuttgart die kulturelle Integration för-dert. Dieser Verein unterstützt die Bemühungen umdas deutsch-türkische Miteinander und versteht sichals Begegnungsstätte, in der türkische und deutscheBürger gleichberechtigt mit partnerschaftlicher Hal-tung in einen Dialog treten können.

Das Forum der Kulturen und das Deutsch-TürkischeForum werden seit dem Jahr 2000 durch die Lan-deshauptstadt Stuttgart gefördert (Kulturamt).

Das Kulturamt der Stadt Stuttgart hat in seinemFörderbereich in den letzten Jahren folgendeSchwerpunkte gesetzt:- Beratung von nichtdeutschen Kulturvereinen und

deutsch-ausländischen Gesellschaften,

- Finanzielle Förderung von Veranstaltungen nachden im Jahr 2000 beschlossenen und später modi-fizierten Förderrichtlinien,

- Förderung von interkulturellen Kooperationspro-jekten,

- Gewährung finanzieller Sanierungszuschüsse inNotlagen von Vereinen,

- Förderung internationaler Beziehungen, u.a. imRahmen von Städtepartnerschaften,

- Beziehungen zu bzw. Kooperation mit ausländi-schen Kulturinstituten und Konsulaten (z.B. die„Französische Woche in und um Stuttgart“),

- Beratung und Information über europäische För-derprogramme und bei der Durchführung von Pro-jekten,

- Veranstaltung der Vortragsreihe „Interkultur imRathaus“.

Die verschiedenen Einrichtungen des Kulturamtsverwirklichen den Aspekt der Interkulturalität inihrem Programm in besonderem Maße. Es sind diesz.B. die Stadtbücherei mit ihren Stadtteilbüchereien,der TREFFPUNKT Rotebühlplatz, die StuttgarterMusikschule und der Museumspädagogische Dienst.Dazu gehört jedoch auch die Arbeit von der Stadtgeförderter Institutionen wie z.B. die Volkshoch-schule Stuttgart, des Linden-Museums und des Insti-tuts für Auslandsbeziehungen.

3.2.6 Das Zusammenleben mit denMuslimen und der interreligiöseDialog

Die Schwierigkeiten, die im Herbst 2000 in Zusam-menhang mit der Dialogreihe „Muslime in Stuttgartund ihr Glaube“ und mit dem geplanten Kulturzen-trum in Heslach entstanden sind, waren ein wichti-ger Hinweis darauf, dass der Dialog mit den Musli-men neu konzipiert werden muss.

Grob geschätzt gehören 50 000 Stuttgarterinnenund Stuttgarter dem Islam an (Statistisches Amt,2001). Somit bildet der Islam nach den beidengroßen christlichen Konfessionen, wie überall inDeutschland, die drittgrößte Glaubensgemeinschaft.Nach wie vor haben die türkischstämmigen Muslimedaran den größten Anteil. Da der Islam keine festenHierarchien und Organisationsformen kennt, sindauch in Stuttgart verschiedene Strömungen undGruppierungen vertreten.

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„Für den vertrauensvollen und offenen Dialog zwi-schen Muslimen und Nicht-Muslimen, für denAbbau von Vorurteilen und Klischeevorstellungen istes wichtig, über den Glauben des jeweils anderenBescheid zu wissen.“ (Barbara John, ehemalige Aus-länderbeauftragte des Senats Berlin)

Letztlich auch mit dieser Zielsetzung hat die StadtStuttgart die Dialogreihe der „Weltreligionen imRathaus“ initiiert und die Bildung eines „RundenTisches der Religionen“ und den Gesprächskreisder Muslime mit dem Integrationsbeauftragtenangeregt. Die Landeshauptstadt unterstützt so aufeine ihr gemäße Weise den interreligiösen Dialogund speziell den Austausch mit den Muslimen,jedoch nicht im Sinne der Auseinandersetzung mitden religiösen Inhalten. Der interreligiöse Dialogbleibt in der Zuständigkeit der Glaubensgemein-schaften.

Ziele der Integrationspolitik sind auch hier das fried-liche Zusammenleben von Stuttgarterinnen undStuttgartern verschiedener Glaubensrichtungen,Chancengleichheit für Muslime in allen Lebensberei-chen sowie Förderung der gesellschaftlichen Teilha-be auf der Grundlage der deutschen Rechtsord-nung.

Seit den Terroranschlägen in den USA hat das ohne-hin durch gegenseitige Vorurteile belastete Verhält-nis zu den Muslimen Schaden genommen. Die Mehr-heitsgesellschaft wird einerseits ihrer Verantwortunghinsichtlich Pauschalverurteilungen und der Gefahrvon Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismusgerecht werden müssen. Zur Herstellung einer Ver-trauens- und Verständigungsbasis müssen anderer-seits auch die Muslime selbst beitragen. Insbesonde-re ist die Mehrheitsgesellschaft darauf angewiesen,dass Muslime Extremismus und fundamentalistischeTendenzen, die einer Integration zuwiderlaufen,erkennen und öffentlich benennen.

Die Muslime sind gefordert, den Dialog untereinanderund zu den Nicht-Muslimen von sich aus fortzuset-zen. Inzwischen ist ein innermuslimischer Konsensüber Lehrpläne für einen Islamunterricht an Grund-schulen in Baden-Württemberg erzielt. Die Vermitt-lung der Grundlagen des eigenen Glaubens in hiesi-gem Schulunterricht ist ein guter Schutz vor Extre-mismus und eine große Chance für den interreligiö-sen Dialog. Der Islamische Religionsunterricht wirdab dem Schuljahr 2006/2007 im Modellversuch anzwei Stuttgarter Grundschulen erprobt.

Ein intensiverer Austausch mit den Muslimen mussauch in den Stadtteilen erfolgen. Er ist ein Bestand-teil der weiterentwickelten Integrationsarbeit imWohnumfeld (siehe Kapitel 3.2.4). Miteinanderleben heißt, am Leben der anderen teilzuhaben. Dasbeinhaltet mehr als nur die Kenntnisse von der Reli-gion seiner Nachbarn: es umfasst gegenseitige Hilfe,wechselseitiges Lernen und gemeinsames Feiern. Die großen christlichen Kirchen und alle anderenReligionsgemeinschaften in unserer Stadt tragenbereits jetzt sehr viel zur Verständigung zwischen denverschiedenen Bevölkerungsgruppen bei. Sie habeneine zentrale Vermittlerrolle bei der Bewertung undder Bewältigung von Konflikten, die sich aus der In-strumentalisierung der Religion für politische Zweckeergeben. Der interreligiöse Dialog der Glaubens-gemeinschaften leistet einen wichtigen Beitragzum friedlichen Miteinander in unserer Stadt.

3.2.7 Die interkulturelle Ausrich-tung der Stadtverwaltung

Integrationspolitik ist ebenso wie die Gleichstel-lungspolitik eine kommunale Querschnittsaufgabeund kein Spezialthema bestimmter Ressorts. In einerzunehmend internationalen Stadt findet auch eineverstärkt internationale und interkulturelle Ausrich-tung der Verwaltung statt. Dieser Entwicklungspro-zess ist aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Be-deutung und der Komplexität des Themas eineFührungsaufgabe. Deswegen liegt die Verantwortungfür die Weiterentwicklung der integrationsförderndenMaßnahmen in den Ämtern und bei den freien Trä-gern, bei den Leitungen der zuständigen Organisa-tionen, ferner bei den Planern und auf der Ebeneder Abteilungen, Teams und Mitarbeiter. Die Ge-samtverantwortung für das Thema hat dabei derOberbürgermeister.

Die Amtsleiterinnen und Amtsleiter und entspre-chend die Bezirksvorsteherinnen und -vorsteherselbst sind deshalb in ihren Zuständigkeitsbereichenfür die interkulturelle Öffnung ihrer Dienste und fürdas interkulturelle Qualitätsmanagement ihrer Lei-stungsangebote verantwortlich. In diesem Sinne

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sind sie de facto schon bisher die Integrationsbeauf-tragten in ihren Ämtern und Stadtbezirken und sol-len es auch künftig de iure sein. Sie werden bei derPlanung und Durchführung von Maßnahmen fürMenschen verschiedener kultureller Herkunft durchdie Stabsabteilung für Integrationspolitik nach Kräf-ten unterstützt. Auch auf Arbeitsebene werden –wie bisher – nach Bedarf Projektgruppen gebildet,die sich aus sachkundigen Mitarbeiterinnen undMitarbeitern der Ämter zusammensetzen.

Hier spielen mehrere ineinander greifende Maßnah-men eine wichtige Rolle: die Entwicklung von inter-kulturellen Leitlinien und Konzepten für die ein-zelnen Handlungsfelder und damit verbunden eineNeuausrichtung der Arbeitsstrukturen und Förder-richtlinien, interkulturelle Qualifizierung von Mit-arbeiterinnen und Mitarbeitern, Einstellungvon mehrsprachigen Fachkräften aus der zuge-wanderten Bevölkerung (mit Signalwirkung nachaußen), Pflege bzw. Aufbau von professionellenDolmetscherdiensten sowie der Aufbau voninterkulturellen Teamstrukturen für die Optimie-rung der integrationsfördernden Arbeit.Der Arbeitskreis „Kommunale Ausländerbeauftrag-te“ im Städtetag Baden-Württemberg hat unteraktiver Mitwirkung der Landeshauptstadt Stuttgartdie „Handlungsempfehlungen für eine interkulturel-le Kommunalverwaltung“ entwickelt und imNovember 2003 beschlossen.

Eine internationale Stadt als attraktiver Standort imglobalen Wettbewerb muss ihre Serviceleistungenoptimal an die Bedarfslagen der Bürger mit ihrensprach-, kultur- und Imigrationsspezifischen Merk-malen anpassen. Die interkulturelle Öffnung derRegeldienste und Interkulturelles Qualitätsma-nagement sind zentrale Aufgaben der modernenOrganisations- und Personalentwicklung im Rah-men der kommunalen Gesamtsteuerung. DerBürgerservice einer internationalen Kommune mussdaher – analog der Wirtschaft – Methoden zumprofessionellen Umgang mit kultureller Diversitätentwickeln („Managing Diversity Ansatz“).

Die Träger der Stuttgarter Kinder- und Jugendhilfehaben im Jahr 2004 die Leitlinien zur Integrationund interkulturellen Orientierung der Kinder-und Jugendhilfe in Stuttgart entwickelt, die imJahr 2005 vom Gemeinderat beschlossen wordensind.Damit ist die Jugendhilfe innerhalb der Stadtverwal-tung Vorreiter bei der Umsetzung des Stuttgarter„Bündnisses für Integration“.

3.2.8 Politische Partizipation

Für die Stärkung der demokratischen Stadtgesell-schaft in ihrer heutigen multikulturellen Prägung istein starkes politisches und gesellschaftliches Enga-gement aller Bevölkerungsgruppen wünschenswert.Besonders wichtig ist dabei auch, dass sich Zuwan-derer für ihre Belange in dieser Gesellschaft einset-zen und sich sinnvoll engagieren können.

Ein wichtiges kommunalpolitisches Forum dafür bie-tet der Internationale Ausschuss des Gemeinde-rats der Landeshauptstadt. Er berät und unter-stützt den Gemeinderat in allen Fragen, die die nicht-deutsche Bevölkerung in Stuttgart betreffen. In die-ser Funktion ist er ein wichtiger „Querschnitts-Fach-ausschuss“. Die Auseinandersetzung mit inter-kulturellen und mit integrationsrelevanten Themenmuss aber auch in anderen beschließenden undberatenden politischen Gremien verankert werden.

Da die Zahl der „Pass-Ausländer“ in Stuttgart auf-grund des neuen Staatsangehörigkeitsgesetzesabnimmt und zugleich der Bevölkerungsanteil derEinwohnerinnen und Einwohner mit Migrationshin-tergrund wächst, hat sich auch die Bedeutung desInternationalen Ausschusses als kommunale Auslän-dervertretung verändert. Der Internationale Aus-schuss fungiert in seiner neuen Zusammensetzungab Dezember 2004 nicht mehr als eine gewählteVertretung der Ausländer, sondern als beratenderFachausschuss des Gemeinderats für Integration.

Die sachkundigen Einwohnerinnen und Einwohnerwurden in den neuen Ausschuss aufgrund ihrerFachkompetenz und ihres Engagements in verschie-denen integrationspolitischen Handlungsfeldernberufen. Sie arbeiten in diesem Gremium nicht alsVertreter von verschiedenen Nationalitätengruppen,sondern als Experten für Sprachförderung, schuli-sche und berufliche Bildung, Soziales und Jugend,Arbeitsmarkt und Wirtschaft, Zusammenleben,Stadtentwicklung und Sicherheit, Kultur und Mitein-ander der Religionen.

Migrantinnen und Migranten steht es offen, sichparteipolitisch zu engagieren. Eine gleichberechtigtepolitische Partizipation wird erst mit der Erlangungder deutschen Staatsbürgerschaft ermöglicht. Durchdie rechtliche Gleichstellung als deutsche Staatsbür-ger werden Zugewanderte ein gleichwertiger politi-scher Faktor und können direkt Einfluss auf die Bun-des-, Landes-, Europa- und Kommunalpolitik neh-men.

Derzeit können sich nur EU-Bürgerinnen und -Bür-ger an Europa- und Kommunalwahlen beteiligen.Die so genannten „Drittstaatsangehörigen“ –immerhin zwei Drittel aller Ausländerinnen und

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Ausländer in unserer Stadt – sind von diesen für diedemokratische Willensbildung elementaren Partizi-pationsmöglichkeiten ausgeschlossen. Die auslän-derrechtlich bedingte Dreigliederung der Zugewan-derten in

- Personen mit deutschem Pass, - EU-Bürgerinnen und - Bürger sowie - Drittstaatsangehörige

erschwert letztlich den Integrationsprozess und denZusammenhalt der heterogenen Stadtgesellschaft.Auf der anderen Seite nutzen die nichtdeutschenStuttgarterinnen und Stuttgarter die bestehendenMöglichkeiten der politischen Partizipation nichtgenügend. Ihre Beteiligung bei Wahlen zum Inter-nationalen Ausschuss und bei Kommunalwahlenwar in den letzten Jahren sehr gering.

Die Grundannahmen der früheren Ausländerpolitikhaben hier möglicherweise auch eine Rolle gespielt,die den Heimatkulturen und dem politischen Ge-schehen in den Herkunftsländern eine größere Be-achtung schenkte als der interkulturellen Öffnung derMinderheiten und ihrer Teilhabe am öffentlichenLeben hierzulande.

Die Zuwandererinnen und Zuwanderer können ihreForderungen nach gleichberechtigter Teilhabe ampolitischen Geschehen auch dadurch glaubwürdigbekräftigen, dass sie sich stärker in den hiesigengesellschaftlichen und politischen Strukturen enga-gieren.

Die nichtdeutschen Mitglieder des InternationalenAusschusses (und des früheren Ausländerausschus-ses) haben jahrzehntelang dieses Engagement aufge-bracht und sind sehr motiviert, ihre politische Arbeitzu intensivieren. Da sie im Gegensatz zu denGemeinderatsfraktionen über keine eigeneGeschäftsstelle verfügen, werden sie in noch stärke-rem Maße von der Stabsabteilung für Integrationspo-litik als der geschäftsführenden Stelle des Ausschus-ses unterstützt. Dies ist mit den bestehenden Kapa-zitäten allerdings nur unzureichend leistbar.

3.2.9 Medien und Information inder internationalen Bürgergesell-schaft

In der heutigen Informations- und Wissensgesell-schaft kommt dem Zu- und Umgang mit Informati-on und Wissen ein hoher Stellenwert zu. Chancen-gleichheit setzt gleiche Zugangsmöglichkeiten undden kompetenten Umgang mit Wissen und Infor-mationen voraus. Die modernen Medien nehmenhier eine Schlüsselstellung ein. Moderne Technologi-

en einerseits und die globalisierten Angebote ande-rerseits haben die Strukturen der Mediennutzunggrundlegend verändert. Auch das Wechselverhältniszwischen Zugewanderten und Medien hat sich sehrverändert. Die Rolle der Medien im Spannungsver-hältnis zwischen Integrations- und Desintegrations-prozessen wird zunehmend ein Gegenstand derMedien- und Migrationsforschung.

Die bisherige traditionelle „Ausländerpolitik“ zieltehier im Wesentlichen auf die Ausweitung desfremdsprachlichen Angebots der öffentlich-rechtli-chen Rundfunkanstalten und die Vermeidung vonunnötigen Negativbildern von Nichtdeutschen inden Printmedien, wie etwa die Benennung derNationalität bei kleinkriminellen Delikten in denLokalseiten der Presse.

Inzwischen ist eine große Zahl von fremdsprachlichenAngeboten in Deutschland, vornehmlich für die Tür-kisch sprechende Bevölkerung zu verzeichnen. DieAusdifferenzierung von fremdsprachlichen Angebo-ten aus den Herkunftsländern hierzulande bewirktein erhöhtes Interesse für Prozesse und Ereignisseaußerhalb Deutschlands und erschwert den Dialoginsofern, als die Mehrheitsgesellschaft nicht überdie nötigen Sprachkenntnisse verfügt, um sich anden daraus entstehenden Diskussionen unmittelbarzu beteiligen.

Andererseits haben die Berichte der deutschen Mas-senmedien die Herausbildung von Vorurteilen denNichtdeutschen gegenüber und die Zunahme vonfremdenfeindlichen Aktivitäten und Delikten bislangleider kaum verhindern können.

Bei dem Perspektivenwechsel im vorliegenden Posi-tionspapier soll daher der Wirkungsweise der Medi-en, einschließlich dem Internet, große Aufmerksam-keit zukommen. Eine Analyse der Nutzung derMedien in Stuttgart, insbesondere bei den Jugendli-chen der zweiten und dritten Generation, sowie dieInitiierung von Bildungsmaßnahmen, die zu einerkritischen interkulturellen Medienkompetenz führenkönnen, sind wichtige Aufgaben. Das Interesse fürdeutschsprachige Medienangebote kann hierdurcherhöht werden.Ebenso wichtig ist die Nutzung der neuen Medienfür interaktive Foren des Dialogs, die zudem einenqualifizierenden Aspekt mit sich bringt, der arbeits-marktrelevant sein kann. Interaktive Foren, die inder Jugendarbeit in den Stadtteilen verankert seinsollten, müssen von ausgebildeten Personen mode-riert werden.

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3.3 Steuerungsorgane und-instrumente

Kurzfristige (projektbezogene) und mittelfristigeIntegrationsziele sind im Rahmen der städtischenGesamtsteuerung aufzuführen; dies ermöglicht dasfachliche Controlling durch die Verwaltung und daspolitische Controlling durch den Gemeinderat.

Der Gemeinderat kontrolliert als die politische Ent-scheidungsinstanz die Umsetzung der Integrations-ziele in unserer Stadt. Als kommunalpolitischesHauptorgan ist der Gemeinderat auf eine guteBeratung durch die Fachausschüsse, insbesondereden Internationalen Ausschuss, die Ämter und dieStabsabteilung für Integrationspolitik angewiesen.

Der Internationale Ausschuss ist das wichtigstekommunalpolitische Beratungsgremium für denGemeinderat zu Fragen der Migration und Integration.

Als beratender Fachausschuss unterstützt der Inter-nationale Ausschuss den Gemeinderat durch Anre-gungen, Empfehlungen und Stellungnahmen inallen Fragen, die für die zugewanderte Bevölkerungin Stuttgart von Bedeutung sind. In dieser Funktionbekommt und gibt der Internationale Ausschuss wich-tige Impulse für die Verständigung zwischen den ein-zelnen Bevölkerungsgruppen. So ist er ein wichtigerGarant dafür, dass Integration und ein friedlichesZusammenleben in Stuttgart gefördert werden.

Die Verwaltung bestimmt und evaluiert ihre Zieleund Umsetzungsmaßnahmen in den BereichenInternationales/Interkulturelles/Integration im Rah-men der kommunalen Gesamtsteuerung. Überintegrationsrelevante Entwicklungen ist die Stabs-abteilung für Integrationspolitik (S-IP) als zen-trale Koordinationsstelle zu informieren. Die Stabsabteilung für Integrationspolitik unter-stützt alle Maßnahmen zur Sicherstellung der Chan-cengleichheit von Menschen unterschiedlicher Her-kunft und zum Abbau von struktureller und indivi-dueller Diskriminierung. Die themen- und zielgrup-penspezifische Umsetzung der Integrationsarbeitliegt in der Verantwortung der Kooperationspartnerdes „Bündnisses für Integration“.

Die Stabsabteilung S-IP unterstützt und verbindetdie Kooperationspartner, die in ihrem Verantwor-tung- bzw. Zuständigkeitsbereich Integrationsmaß-nahmen durchführen und die sich das dafür erfor-derliche Handlungsrepertoire erarbeiten (durch Fort-bildungen etc.). Diese Querschnittsaufgabe derStuttgarter Integrationspolitik wird durch die organi-satorische Zuordnung der Stabsabteilung für Inte-grationspolitik beim Leiter der Stabsstelle des Ober-bürgermeisters zum Ausdruck gebracht.

Die Integrationsbeauftragten tragen in Zukunft nichtnur die Verantwortung für die fachliche Umsetzungder dargestellten Integrationsziele. Ihr Aufgabenge-biet umfasst wesentlich auch die Koordination undUnterstützung insbesondere der in Kapitel 3.2 ge-nannten Arbeitsfelder, Aufklärungs- und Öffentlich-keitsarbeit sowie die Geschäftsführung des Interna-tionalen Ausschusses.

Interdisziplinäre Arbeitskreise und andere„Runde Tische“ ermöglichen den notwendigen Er-fahrungsaustausch zwischen den verschiedenenInstitutionen und den Stadträtinnen und Stadträten– sowohl auf gesamtstädtischem Niveau als auch inden Stadtteilen. Dieser Austausch ist eine Vorausset-zung für die gemeinsame Entwicklung neuer Inte-grationsmaßnahmen und Projekte sowie für dieBeratung der kommunalpolitischen Entscheidungs-träger. Die Stabsabteilung für Integrationspoli-tik versteht sich auch hier als Koordinationsstellebei allen migrations- und integrationsspezifi-schen Fragestellungen.

Die Amtsleiterinnen und Amtsleiter, die Bezirksvor-steherinnen und -vorsteher, die Organisationen derfreien Träger, Schulen und anderen Bildungsstätten,ddie Agentur für Arbeit, die Unternehmen undGewerkschaften, die Sport- und Kulturvereine, dieMigran-tenselbstorganisationen, die Religionsge-meinschaften, die Medien und die politischen Gre-mien, alle ehrenamtlich tätigen Bürgerinitiativensowie die Bürgerinnen und Bürger selbst schließendas „Bündnis für Integration“.

Einzelne Projekte werden im Verbund der Koope-rationspartner durchgeführt und evaluiert. S-IPträgt alle kommunalen Integrationsmaßnahmenzusammen und wertet sie in festen Zeitabständenaus.

Die Ergebnisse der Arbeit der neu geschaffenenStabsabteilung für Integrationspolitik sollen ineinem regelmäßig erscheinenden Integrationsbe-richt der Stadt Stuttgart dokumentiert und derÖffentlichkeit präsentiert werden. In Fortentwick-lung der bislang vorgelegten Tätigkeitsberichte sollkünftig weniger dokumentiert werden, wasgetan wurde, sondern vor allem, was bewirktwurde. Die Ergebnisse der Bürgerumfrage sinddabei miteinzubeziehen.Die Integrationsbeauftragten verstehen die interkul-turelle Stadtpolitik als einen partizipativen und dis-kursiven Planungsprozess, der unsere integrations-politischen Ziele und Programme regelmäßig an dieaktuell anstehenden Herausforderungen anpasstund die Ergebnisse im Hinblick auf ihre Wirksamkeitüberprüft. Damit dies sichergestellt werden kann,wird ein Monitoringsystem eingerichtet. Diesesbeinhaltet:

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- Jährliche Durchführung einer sorgfältigen Bestand-saufnahme für die zentralen Handlungsfelder derIntegrationspolitik unter Beteiligung aller Institutio-nen bzw. Akteure der Migrationsarbeit: anhand vonaussagekräftigen und statistisch erfassbaren Kenn-zahlen wird ein Vergleich von Lebenslagen der Per-sonen mit und ohne Migrationshintergrund vorge-nommen und vom Statistischen Amt veröffentlicht(Monitoring zum Stand der Integration).

- Formulierung von konkreten Wirkungszielen undMaßnahmen zur deren Erreichung für die zentralenHandlungsfelder (Sprachförderung, Förderung derChancengleichheit in Schule und Ausbildung, beruf-liche Integration, Integration in den Stadtteilen,interkulturelle Ausrichtung der Stadtverwaltungusw.). Die Ziele müssen spezifisch, messbar, akzep-tiert, realistisch und terminiert sein („smart“-Ansatz) und mit Indikatoren/Kennzahlen hinterlegtwerden, um die angestrebten Wirkungen auchtatsächlich überprüfen zu können.

- Durchführung von Wirkungsanalysen zur Überprü-fung der Zielerreichung für die einzelnen Hand-lungsfelder in regelmäßigen Zeitabständen (Monito-ring zur Wirkungsmessung der kommunalen Inte-grationsarbeit).

- Auswertung der Stuttgarter Bürgerumfragen zuintegrationspolitisch relevanten Fragestellungendurch das Statistische Amt.

- Politische Legitimierung der handlungsfeldbezoge-nen Integrationsprogramme durch Beschlüsse desGemeinderats. Dazu gehören ein konkreter und anWirkungszielen orientierter Umsetzungsvorschlagder Verwaltung, ein geregeltes Umsetzungsverfah-ren mit definierten Umsetzungsverantwortlichkeitenund eine gesicherte Berichterstattung zur Umset-zungskontrolle und prozesshaften Weiterentwick-lung der handlungsfeldbezogenen Konzepte undProgramme. Alle integrationspolitisch relevantenVorhaben der städtischen Ämter sind im Internatio-nalen Ausschuss vorzuberaten.

- Regelmäßige Berichterstattung zum Stand und zuden Ergebnissen der Integration auf gesamtstädti-scher Ebene durch kommunale Integrationsberichte.

Angestrebt wird eine Vergleichbarkeit von Bestands-aufnahmen und Wirkungsanalysen unserer kommu-nalen Integrationsarbeit mit anderen deutschen undeuropäischen Städten. Zu diesem Zweck entwickeltdie Stadt Stuttgart ab 2006 einen Set von gemein-samen Indikatoren/Kennzahlen im Rahmen desKGSt-Innovationszirkels „Wirkungsmessung derkommunalen Integrationarbeit“ und des europäi-schen Städtenetzwerks „Cities for Local IntegrationPolicy of Migrants“.

Stand: April 2006