Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein...

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Summen- und Produktformeln in der Mathematik 1. ¨ Ubersicht ..................................................... Seite 2 2. Potenzsummen ................................................ Seite 2 3. Zahlenaufbau und vollst¨ andige Induktion ....................... Seite 18 4. Die geometrische Reihe ...................................... Seite 24 5. Potenzsummen und Differentialrechnung ....................... Seite 37 6. Darstellungen f¨ ur π .......................................... Seite 43 7. L¨ osungen ausgew¨ ahlter Aufgaben ............................. Seite 54

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Summen- und Produktformeln

in der Mathematik

1. Ubersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 2

2. Potenzsummen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 2

3. Zahlenaufbau und vollstandige Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 18

4. Die geometrische Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 24

5. Potenzsummen und Differentialrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 37

6. Darstellungen fur π . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 43

7. Losungen ausgewahlter Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 54

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1 Ubersicht

◦ 1. Stunde: Potenzsummen

◦ 2. Stunde: Potenzsummen

◦ 3. Stunde: Vollstandige Induktion

◦ 4. Stunde: Die geometrische Reihe

◦ 5. Stunde: Weiteres uber unendliche Summen

◦ 6. Stunde: Darstellungen fur π

◦ 7. Stunde: Darstellungen fur π

◦ 8. Stunde: Prasentation

2 Potenzsummen

2.1 Endliche Summen

2.1.1 Definition endlicher Summen

Wir beginnen mit der

Definition (Summenzeichen)

Unter einer endlichen Summe reeller Zahlen a1,a2,a3, . . . ,an verstehen wir

einen Ausdruck der Form

n

∑k=1

ak := a1 + a2 + a3 + . . .+ an .

Hierin stehen die reellen Zahlen ak als”Platzhalter“, deren tatsachlichen Werte gewis-

sen, einem vorgelegten Problem zu entnehmenden Vorschriften entnommen werden.

Beispiel 1. Fur eine beliebige naturliche Zahl n ∈ N seien

a1 = a2 = a3 = . . .= an = 1 bzw. kurz ak = 1 fur alle k = 1,2, . . . ,n.

Dann berechnen wir

n

∑k=1

ak =n

∑k=1

1 = 1+ 1+ 1+ . . .+ 1 = n.

Fur den Fall n = 100 ist beispielsweise

100

∑k=1

1 = 100.

2

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2.1.2 Der Summationsindex

Der Summationsindex k durchlauft die naturlichen Zahlenwerte k = 1,2, . . . ,n. Das

Resultat nach Ausfuhren der Summation hangt von k offenbar nicht ab, so dass wir

statt k auch irgendeinen anderen Buchstaben verwenden konnen, etwa

n

∑k=1

ak =n

∑i=1

ai =n

∑ℓ=1

aℓ usw.

Der Wert der Summe bleibt von dieser Umbezeichnung unberuhrt.

2.1.3 Rechenregeln

Den aus dem Unterricht bekannten Gesetzen fur die Addition und Multiplikation reeller

Zahlen entnehmen wir den

Satz (Rechenregeln fur Summen)

Es gelten die folgenden Regeln:

◦1

∑k=1

ak = a1 bzw.m

∑k=m

ak = am

◦n

∑k=1

ak =n−1

∑k=1

ak + an bzw.n

∑k=1

=m

∑k=1

ak +n

∑k=m+1

ak fur alle 1 ≤ m ≤ n

◦n

∑k=1

(ak + bk) =n

∑k=1

ak +n

∑k=1

bk

◦n

∑k=1

λ ak = λn

∑k=1

ak fur alle reellen Zahlen λ ∈ R

Aufgabe 1. Verifizieren Sie diese Regeln. Welche Rolle spielen Kommutativitat, As-

soziativitat und Distributivitat?

Beispiel 2. Im Falle ak = (−1)k+1 gilt

n

∑k=1

ak =n

∑k=1

(−1)k+1 = 1− 1+ 1− 1+ . . .± 1 =

{

1, falls n ungerade

0, falls n gerade.

Ist namlich n = 2m gerade, so konnen wir nach Umsortieren in positive und negative

Summanden auch

n

∑k=1

(−1)k+1 =2m

∑k=1

(−1)k+1 =m

∑k=1

1+m

∑k=1

(−1) =m

∑k=1

1−m

∑k=1

1 = (1− 1) ·m

∑k=1

1 = 0

schreiben.

3

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Ist jedoch n = 2m+ 1 ungerade, so berechnen wir analog

n

∑k=1

(−1)k+1 =m

∑k=1

1+ 1+m

∑k=1

(−1) = 1.

Beachten Sie: Das Aufspalten der ursprunglichen Summe in zwei oder mehr Teilsum-

men und das Umsortieren der endlich vielen Summanden rechtfertigen sich aus den

obigen Rechenregeln.

In Kapitel 4.2 werden wir anhand dieses Beispiels untersuchen, ob diese Rechenregeln

auch fur unendliche Summen ihre Gultigkeit behalten.

2.2 Die Gaußsche Summe

2.2.1 Gauß’ Idee zur Summation der Zahlen von 1 bis 100

Der neunjahrige C.F. Gauß soll seinen Mathematiklehrer mit einer besonders eleganten

Methode zur Berechnung der Summe der naturlichen Zahlen von 1 bis 100 verblufft

haben. Gesucht ist also der Wert der Summe

100

∑k=1

k = 1+ 2+ . . .+ 99+ 100.

In der Schreibweise des vorigen Abschnitts sind jetzt also ak = k.

Gauß’ Idee veranschaulichen wir an folgendem Zahlenschema:

1 + 2 + . . . + 99 + 100

+ +... + +

100 + 99 + . . . + 2 + 1

= = = =

101 + 101 + . . . + 101 + 101

In der untersten Zeile dieses Schemas, welche mit der Zahl 101 jeweils die

Summen der einzelnen Spalten der oberen Zeilen enthalt, wird 101 genau ein-

hundert Mal aufsummiert mit dem Ergebnis

100 ·101= (2 ·50) ·101.

Offenbar handelt es sich um das Doppelte der gesuchten Zahl 1+2+ . . .+100.

Wir erhalten somit den gesuchten Wert der Summe zu

1+ 2+ . . .+ 99+ 100= 50 ·101= 5050.

4

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2.2.2 Historisches

Sartorius von Waltershausen berichtet in [13] von einer Gegebenheit, die C.F. Gauߔin

seinem hohen Alter mit grosser Freude und Lebhaftigkeit ofter erzahlt hat“:

Der junge Gauss war kaum in die Rechenklasse eingetreten, als Butt-

ner [Mathematiklehrer] die Summation einer arithmetischen Reihe aufgab.

Die Aufgabe war indess kaum ausgesprochen als Gauss die Tafel mit den

im niedern Braunschweiger Dialekt gesprochenen Worten auf den Tisch

wirft: ≫Ligget se’≪ (Da liegt sie.) Wahrend die andern Schuler emsig wei-

ter rechnen, multipliciren und addiren, geht Buttner sich seiner Wurde be-

wusst auf und ab, indem er nur von Zeit zu Zeit einen mitleidigen und

sarcastischen Blick auf den kleinsten der Schuler wirft, der langst seine

Aufgabe beendigt hatte. Diese sass dagegen ruhig, schon eben so sehr von

dem festen unerschutterlichen Bewusstsein durchdrungen, welches ihn bis

zum Ende seiner Tage bei jeder vollendeten Arbeit erfullte, dass seine Auf-

gabe richtig gelost sei, und dass das Resultat kein anderes sein konne.

Ob es sich bei der in diesem Zitat erwahnten”Summation einer arithmetischen Reihe“

um unsere obige Aufgabe handelt, die naturlichen Zahlen von 1 bis 100 zu addieren,

lasst sich heute allerdings nicht mehr feststellen.

2.2.3 Der allgemeine Fall

Wir wollen Gauß’ Idee sogleich verallgemeinern.

Satz (Gaußsche Summenformel)

Es giltn

∑k=1

k =n(n+ 1)

2fur alle n = 1,2,3, . . .

Beweis. Wir betrachten das folgende Zahlenschema:

1 + 2 + . . . + (n− 1) + n

+ +... + +

n + (n− 1) + . . . + 2 + 1

= = = =

(n+ 1) + (n+ 1) + . . . + (n+ 1) + (n+ 1)

Es ist also n-mal die Zahl n+ 1 zu summieren und anschließend durch 2 zu

teilen, was die Behauptung des Satzes beweist.

5

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Aufgabe 2. Verifizieren Sie folgenden Identitaten:

(i)n

∑k=1

2k = 2+ 4+ 6+ . . .+ 2n = n(n+ 1)

(ii)n

∑k=1

(2k− 1) = 1+ 3+ 5+ . . .+(2n− 1) = n2

Auf diese Ergebnisse werden wir spater zuruckgreifen.

2.3 Grafische Darstellung von Potenzsummen

2.3.1 Nochmals die Summe der naturlichen Zahlen

Die Gaußsche Summenformel

S1(n) :=n

∑k=1

k =n(n+ 1)

2,

die wir ab jetzt mit dem Symbol S1(n) abkurzen wollen, konnen wir uns auch grafisch

klarmachen. Zwei solcher”Beweise ohne Worte“ entnehmen wir Nelsen [5]:

◦ Erster grafischer Beweis:

◦ Zweiter grafischer Beweis

1+ 2+ . . .+ n =n2

2+

n

2

Aufgabe 3. Erlautern Sie, wie anhand dieser Schemata die Gaußsche Summenformel

gefolgert werden kann.

6

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2.3.2 Summe der ungeraden naturlichen Zahlen

Wir wollen uns nun der Berechnung der Summe

S2(n) :=n

∑k=1

k2

der ersten n Quadratzahlen widmen. Dazu verwenden wir folgendes, uns aus Aufgabe

1 bereits bekannte Resultat uber die Summe der ersten 2n− 1 ungeraden naturlichen

Zahlen, namlich

S := 1+ 3+ 5+ 7+ . . .+(2n− 1) = n2 ,

welches wir noch einmal auf grafisch Art und Weise beweisen wollen.

Erster grafischer Beweis von Aufgabe 1. Unter Beachtung der Gaußschen

Summenformel fur S1(n) betrachten wir folgendes Schema (diese Idee stammt

von T. Weißschuh):

1 + 1 + 1 + 1 + 1 + . . . + 1 = n+ + + + + + +

0 + 1 + 2 + 3 + 4 + . . . + n− 1 = (n− 1)n

2

+ + + + + + +

0 + 1 + 2 + 3 + 4 + . . . + n− 1 = (n− 1)n

2

= = = = = = =

1 + 3 + 5 + 7 + 9 + . . . + 2n− 1 = S

Summation der drei Terme in der rechten Spalte liefert

S =n(n− 1)

2+

n(n− 1)

2+ n = n2 ,

was zu zeigen war.

Zweiter Beweis. Ein zweiter Beweis ergibt sich unmittelbar aus nachstehender

Skizze (siehe Nelsen [5]), welche (2n) ·(2n) = (2n)2 Balle, in 4 gleiche Anteile

unterteilt, zeigt. Aus dem grau markierten Bereich lesen wir sofort ab

1+ 3+ 5+ . . .+(2n− 1) =1

4· (2n)2 = n2 ,

was die gesuchte Identitat beweist.

7

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(2n)× (2n) Balle

(hier fur den Fall n = 4)

Aufgabe 4. Ein dritte Beweisidee liegt folgendem Schema zugrunde, welches wir er-

neut Nelsen [5] entnehmen. Erlautern Sie!

2.3.3 Summe der Quadratzahlen

Nun zu der angekundigten Darstellung von S2(n).

Satz (Summe der Quadratzahlen)

Es gilt

S2(n) =n

∑k=1

k2 =n(n+ 1)(2n+ 1)

6.

Beweis. Wir verwenden die Gaußsche Summenformel sowie die Darstellung

der Summe der ungeraden naturlichen Zahlen aus dem vorigen Paragraphen,

wollen die allgemeine Vorgehensweise aber nur an dem Beispiel n = 4 veran-

schaulichen. Betrachte also folgende Zahlenschemas (siehe Nelsen [6]):

8

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1 3 5 7

1 3 5

1 3

1

7 5 3 1

5 3 1

3 1

1

1 1 1 1

3 3 3

5 5

7

9 9 9 9

9 9 9

9 9

9

+ + =

Die drei linken Schemas werden so sortiert, dass sich in den Zeilensummen

genau das rechte Schema ergibt. Jetzt summieren wir die einzelnen Zahlen in

den einzelnen Schemas geeignet.

◦ Fur das linke Schema ist beispielsweise

1+(1+ 3)+ (1+3+5)+(1+3+5+7)= 1+ 22+ 32+ 42 ,

wobei wir die genaue Darstellung der rechten Seite dem Satz uber die

Summe der ungeraden Zahlen entnehmen (hier fur den Fall n = 4).

◦ Wir haben aber auf der linken Seite drei solche Schemas, deren Gesamt-

summe sich demnach zu

3 · (12 + 22 + 32 + 42)

berechnet.

◦ Die Summe der Eintrage im rechten Schema ist andererseits

9 · (1+ 2+ 3+4)= 9 · 4 · (4+ 1)

2

nach der Gaußschen Summenformal.

Wir fassen unsere Ergebnisse zusammen:

3 · (12+ 22 + 32 + 42) = 9 · 4 · (4+ 1)

2,

und wegen 9 = 2 ·4+ 1 erhalten wir nach Division durch 3 mit

12 + 22 + 32 + 42 =4 · (4+ 1)(2 ·4+1)

2 ·3die behauptete Summenformel fur den Spezialfall n = 4.

Aufgabe 5. Fuhren Sie diese Beweisidee fur den allgemeinen Fall n ∈N aus.

Aufgabe 6. In alten babylonischen Schriften fand man die Summe der ersten zehn

Quadratzahlen in einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wurden (siehe Wu-

ßing [14])n

∑k=1

k2 =1

3(1+ 2n)

n

∑k=1

k .

Diese Identitat werden Sie sicherlich sofort verifizieren.

9

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Aufgabe 7. Berechnen Sie die Summen

(i)n

∑k=1

(2k+ 1)2 (ii)n

∑k=m

(2k+ 1)2 fur 0 < m ≤ n < ∞.

Aufgabe 8. Unter einer Pythagoreischen Summe verstehen wir Ausdrucke der Form

32 + 42 = 52 ,

102 + 112 + 122 = 132 + 142 ,

212 + 222+ 232 + 242 = 252 + 262 + 272

usw. Es ist allgemein zu verifizieren

[

4S1(n)− n]2+ . . .+

[

4S1(n)]2

=[

4S1(n)+ 1]2+ . . .+

[

4S1(n)+ n]2.

Auf sogenannte Pythagoreische Tripel und deren geometrische Veranschaulichung ver-

mittels des Satzes von Pythagoras werden wir Paragraph 2.3.4 zuruckkommen.

Wir wollen S2(n) auch als Doppelsumme wie folgt grafisch darstellen. Dabei halten wir

uns erneut an Nelsen [5]).

Erste grafische Methode:

(1+ 2+ 3) ·4

1 2 3 4 5

Aufgabe 9. Anhand dieser Skizze ist die folgende Identitat zu verifizieren

n

∑k=1

k2 =

(

n

∑k=1

k

)2

− 2n−1

∑k=1

[(

k

∑i=1

i

)

(k+ 1)

]

.

Folgern Sie auch einen Ausdruck fur die Potenzsumme

S3(n) =n

∑k=1

k3 .

10

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Zweite grafische Methode:

Aufgabe 10. Anhand dieser Skizze ist die folgende Identitat zu verifizieren

n

∑i=1

n

∑j=i

j =n

∑i=1

i2 ,

und zwar

(i) einmal anhand voriger Skizze,

(ii) und ein zweites Mal durch explizites Nachrechnen.

2.3.4 Pythagoreische Tripel und der Satz von Pythagoras

Wir beginnen diesen Paragraphen mit der

Aufgabe 11. Zahlentripel a,b,c ∈N mit der Eigenschaft

a2 + b2 = c2

heißen Pythagoreische Tripel.

(i) Nennen Sie Beispiele solcher Zahlentripel.

(ii) Die geometrische Bedeutung dieser Zahlentripel erkennen Sie sofort am Beispiel

des Satzes des Pythagoras. Aber kennen Sie – vorzugsweise rein geometrische –

Beweise dieses Satzes?

Wir wollen drei verschiedene derartige geometrische Beweisideen vorstellen. Dabei

orientieren wir uns wieder an Nelsen [5] bzw. [6]; detaillierte geschichtliche Ausfuhrun-

gen finden sich in Struik [11], Stillwell [9] oder Wußing [14].

Ein Beweis aus dem Zhoubi Suanjon. Diese geometrische Methode eines un-

bekannten Verfassers findet sich in dem chinesischen Werk Zhoubi suanjin

(ubersetzt: Arithmetischer Klassiker des Zhou-Gnomons) um 100 v.Chr. Wir

betrachten die folgende Skizze:

11

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c2

b

ac

Mit a, b und c bezeichnen wir die entsprechenden Streckenlangen. Dann lassen

sich herauslesen

(a+ b)2 ergibt Flache des großen Quadrats,

4 · ab

2ergibt Gesamtflache der vier Randddreiecke,

c2 ergibt Flache des inneren Quadrats.

Also gilt nach Summieren

(a+ b)2 = 4 · ab

2+ c2 bzw. a2 + 2ab+ b2 = 2ab+ c2 ,

und nach Streichen von 2ab folgt die Behauptung.

Ein Beweis nach A. Bhaskara. Atscharja Bhaskara (1114-1185) zahlt zu den

großten indischen Mathematikern und Astronomen des zwolften Jahrhunderts.

Auf ihn geht der in folgender Abbildung skizzierte Beweis des Pythagoreischen

Lehrsatzes zuruck:

c

a

b

Das mittlere Quadrat besitzt die Seitenlangen b − a. Die Gesamtflache des

großen Quadrats mit Seitenlangen c berechnet sich also zu

c2 = (b− a)2+ 4 · ab

2= b2 − 2ab+ a2+ 4 · ab

2= a2 + b2 ,

was die Aussage bereits beweist.

12

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Ein Beweis nach J.A. Garfield. Sein Beweis wurde 1876 im New England

Journal of Education veroffentlicht.

a

b

c

Bezeichnet A den Inhalt des durchgangig gezeichneten Trapezes, so bringt ein

Vergleich mit dem Inhalt des großen Quadrats

A = 2 · 1

2·ab+

1

2· c2 =

1

2· (a+ b)2 ;

die zweite Identitat folgt nach Spiegelung des Trapezes. Jetzt Umstellen!

James A. Garfield hatte vom 4. Marz 1881 bis zum 19. September 1881, als er an

den Folgen einer Schussverletzung starb, das Amt des zwanzigsten Prasidenten der

Vereinigten Staaten von Amerika inne. Seine mathematischen Ambitionen wurden von

S. Klebe in The Executive Intelligence Review (1995) folgendermaßen beschrieben:

This, obviously, was back in the days when U.S. political leaders still ad-

mired a classical education. How far are we now from the oratory of an

Abraham Lincoln, or from the inspired crusade for classical education in

free, public schools by a Thaddeus Stevens! And how unusual for a U.S.

president and Congressman to be involved in geometrical constructions!

But perhaps this story further fills in the picture of why such a political

leadership was considered a threat to the British aristocracy who had just

seen their support for the Confederacy go up in flames.

Aufgabe 12. Eine Idee von F. Burk folgend, wird ein rechtwinkliges Dreieck mit Hy-

pothenuse c und Katheten a und b zunachst

◦ mit den Faktoren a bzw. b skaliert (untere Abbildung links),

◦ mit dem Faktor c skaliert (untere Abbildung rechts).

Vervollstandigen Sie jetzt den Beweis!

13

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bc

ac

b2

aba2

bc

ac

c2

b

ac

2.3.5 Summe der Kubikzahlen

Um nun eine explizite Darstellung der Potenzsumme

S3(n) :=n

∑k=1

k3

zu gewinnen, betrachten wir folgende zwei Schemas (siehe Nelsen [5]):

1 2 3 n

+ 2 4 6 2n

+ 3 6 9 3n

+ n 2n 3n n2

1 2 3 n

+ 2 4 6 2n

+ 3 6 9 3n

+ n 2n 3n n2

Die Summe S aller Zahlen des linken Schemas entspricht der Summe aller Zahlen des

rechten Schemas:

S := (1+ 2+ . . .+ n)+ (2+ 4+ . . .+ 2n)+ (3+ 6+ . . .+ 3n)+ . . .

. . .+ (n+ 2n+ 3n+ . . .+ n2).

Wir werden jedoch beide Summen auf zwei verschiedenen Wegen auswerten:

14

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◦ Im linken Schema sehen wir, wie voranstehende Formel auch anzeigt, n

Gaußsche Summen grau hervorgehoben, die sich jeweils durch einen auf-

steigenden Faktor unterscheiden. Fuhren wir also diese Gaußschen Sum-

men zuerst durch und addieren sie anschließend, so ergibt sich

S =n

∑k=1

k+ 2 ·n

∑k=1

k+ 3 ·n

∑k=1

k+ . . .+ n ·n

∑k=1

k

= (1+ 2+ 3+ . . .+ n) ·n

∑k=1

k

=n

∑k=1

k ·n

∑k=1

k =

(

n

∑k=1

k

)2

.

◦ Im rechten Schema sind folgende Summe hervorgehoben:

1, 2 · (1+ 2+ 1), 3 · (1+ 2+ 3+2+1) usw.

bis

n · (1+ 2+ 3+ . . .+ n+ . . .+ 3+ 2+ 1).

Um diese einzeln zu ermitteln, betrachten wir die folgende Abbildungen

(siehe Nelsen [5]):

1+ 2+ 3+ 4+3+2+1= 42 usw.

1+ 2+ 3+ 2+1= 32

1+ 2+ 1= 22

Die Summe aller Zahlen des rechten Schemas berechnet sich daher zu

S = 1 ·12 + 2 ·22+ 3 ·32+ . . .+ n ·n2 =n

∑k=1

k3 .

Damit haben wir folgendes Resultat bewiesen.

15

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Satz (Summe der Kubikzahlen)

Es gilt

S3(n) =n

∑k=1

k3 =

(

n

∑k=1

k

)2

=n2(n+ 1)2

4.

2.3.6 Die allgemeine Potenzsumme am Beispiel S2(n)

Nach diesen Beispielen wollen wir nun der Frage nachgehen, wie wir systematisch

nach expliziten Darstellungsformeln fur Potenzsummen

Sp(n) :=n

∑k=1

kp mit naturlichem p ∈ N

suchen konnen. Dazu stellen wir in diesem Abschnitt am Beispiel der Summe S2(n)zwei erste Moglichkeiten vor. Zwei weitere, dann aber nicht mehr elementare Wege

zur Bestimmung von Sp(n) prasentieren wir in Kapitel 5.

2.3.7 Erste Moglichkeit: Auswerten binomischer Formeln

Um also eine explizite Form fur S2(n) zu bestimmen, werten wir mit Spivak [7] fol-

gende binomischen Formeln aus

(k+ 1)3 − k3 = (k3 + 3k2 + 3k+ 1)− k3 = 3k2 + 3k+ 1.

Fur k = 1,2, . . . ,n gelten insbesondere

23 − 13 = 3 ·12+ 3 ·1+ 1,

33 − 23 = 3 ·22+ 3 ·2+ 1,

43 − 33 = 3 ·32+ 3 ·3+ 1,

......

(n+ 1)3 − n3 = 3 ·n2 + 3 ·n+ 1.

Addition dieser n Identitaten liefert (es handelt sich um eine sogenannte Wechselsum-

me: Die mittleren Summanden heben sich gegenseitig weg, es verbleiben nur der erste

und der letzte Summand)

(n+ 1)3− 13 = 3 · (12 + 22 + 32 + . . .+ n2)+ 3 · (1+ 2+ 3 . . .+ n)+ n

= 3 ·S2(n)+ 3 ·S1(n)+ n.

16

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Das konnen wir umstellen zu

S2(n) =1

3

[

(n+ 1)3− 1]

− S1(n)−n

3.

Unter Kenntnis der Summenformel fur S1(n) gelangen wir also zur expliziten

Darstellung der Summe S2(n).

Aufgabe 13. Fuhren Sie diese Rechnung bis zum Schluss aus.

Aufgabe 14. Konnen Sie dieses Verfahren auf den Fall beliebiger Potenzen p ∈ N

verallgemeinern, um so einen expliziten Ausdruck fur Sp(n) abzuleiten?

2.3.8 Zweite Moglichkeit: Losen linearer Gleichungssysteme

Der eben vorgestellte Weg besagt jedenfalls: Es lasst sich jede Potenzsumme Sp(n)darstellen in der Form

Sp(n) = cp+1np+1 + cpnp + cp−1np−1 + . . .+ c1n mit cp+1 =1

p+ 1

und sonst unbekannten reellen Koeffizienten c1, . . . ,cp. Diese ci lassen sich nach Ein-

setzen verschiedener Summationsobergrenzen n = 1,2,3, . . . und Losen eines linearen

Gleichungssystems bestimmen.

Kommen wir wieder zu unserem Beispiel der Summe S2(n) zuruck. Zu bestimmen sind

die Koeffizienten a, b und c in dem Ansatz (es ist p = 2)

S2(n) =n

∑k=1

k2 = an3 + bn2 + cn mit a =1

2+ 1=

1

3.

Zu diesem Zweck betrachten wir die Falle n = 1,2,3 separat:

◦ Auswerten von n = 1 bringt

1

∑k=1

k2 = 1 und a ·13 + b ·12+ c ·1 = a+ b+ c,

insgesamt also nach Vergleich

1 = a+ b+ c.

◦ Auswerten von n = 2 bringt

2

∑k=1

k2 = 1+ 22 = 5 und a ·23+ b ·22+ c ·2= 8a+ 4b+ 2c,

insgesamt also nach Vergleich

5 = 8a+ 4b+ 2c.

17

Page 18: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

◦ Auswerten von n = 3 bringt

3

∑k=1

k2 = 12 + 22 + 32 = 14 und a ·33 + b ·32+ c ·3 = 27a+ 9b+ 3c,

insgesamt also nach Vergleich

14 = 27a+ 9b+ 3c.

Zu losen verbleibt daher das lineare Gleichungssystem

a+ b+ c= 1, 8a+ 4b+ 2c= 5, 27a+ 9b+ 3c= 14,

wobei a = 13

bereits bekannt ist (oder eben mitbestimmt werden muss).

Aufgabe 15. Losen Sie dieses lineare Gleichungssystem, und verifizieren Sie auf diese

Weise die aus Paragraph 2.3.3 bekannte Darstellung

n

∑k=1

k2 =n(n+ 1)(2n+ 1)

6=

1

3n3 +

1

2n2 +

1

6n.

Aufgabe 16. Konnen Sie dieses Verfahren auf den Fall beliebiger Potenzen p ∈ N

verallgemeinern?

Mit dem Gaußschen Eliminationsverfahren haben wir ein machtiges Werkzeug zum

Losen solcher linearen Gleichungssysteme zur Hand.

3 Zahlenaufbau und vollstandige Induktion

3.1 Ein Axiomensystem fur die reellen Zahlen

3.1.1 Die Menge der reellen Zahlen

Hierunter wollen wir eine nichtleere Menge R verstehen, deren Elemente wir als reelle

Zahlen bezeichnen.

Reelle Zahlen sollen miteinander vergleichbar sein. Wir fordern daher die Existenz

◦ einer Gleichheitsrelation”=“

◦ und einer Ordnungsrelation”<“

Die Ordnungsrelation”<“ sei trichotomisch, d.h. zwei beliebige Elemente x,y ∈ R

sollen genau eine der folgenden drei Beziehungen eingehen

entweder x < y oder x = y oder y < x

(in Worten: x ist kleiner als y, x ist gleich y, y ist kleiner als x).

18

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Die Gleichheitsrelation”=“ erfulle die folgenden Eigenschaften:

◦ Reflexivitat: x = x fur alle x ∈R.

◦ Symmetrie: Falls x = y, so auch y = x fur alle x,y ∈R.

◦ Transitivitat: Falls x = y und y = z, so auch x = z fur alle x,y,z ∈ R.

Definition (Aquivalenzrelation)

Eine Relation mit diesen drei Eigenschaften Reflexivitat, Symmetrie und Tran-

sitivitat heißt eine Aquivalenzrelation.

Neben der Trichotomie fur die Ordnungsrelation”<“ fordern wir schließlich ihre

◦ Transitivitat: Falls x < y und y < z, so auch x < z fur alle x,y,z ∈ R.

Zuletzt fuhren wir noch zwei arithmetischen Operationen ein

Addition + : R×R−→R

Multiplikation · : R×R−→Rvermoge

x,y ∈ R 7→ x+ y ∈ R

x,y ∈ R 7→ x · y ∈R.

In Form von Axiomen werden nun Regeln fur den Umgang mit diesen Symbolen fest-

gelegt. Insgesamt beinhaltet der axiomatische Aufbau der reellen Zahlen neben einer

Gleichheits- und einer Ordnungsrelation folgende drei Axiomgruppen:

◦ die arithmetischen Axiome,

◦ die Anordnungsaxiome,

◦ das Vollstandigkeitsaxiom.

Wir wollen die ersten beiden Axiomgruppen vorstellen.

3.1.2 Die arithmetischen Axiome

Die arithmetischen Axiome beinhalten die grundlegenden arithmetischen Eigenschaf-

ten der Addition und Multiplikation reeller Zahlen. Wir unterscheiden zwischen

◦ den arithmetische Operationen der Addition,

◦ den arithmetischen Operationen der Multiplikation,

◦ dem Distributivgesetz.

Wir beginnen mit den arithmetischen Axiomen der Addition.

19

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Axiome (Arithmetik der Addition)

(I1) Kommutativgesetz der Addition

Fur alle x,y ∈ R gilt x+ y = y+ x.

(I2) Assoziativgesetz der Addition

Fur alle x,y,z ∈R gilt (x+ y)+ z = x+(y+ z).

(I3) Existenz des neutralen Elements der Addition

Es gibt genau ein Element 0 ∈ R mit x+ 0 = x fur alle x ∈ R.

(I4) Existenz des inversen Elements der Addition

Zu jedem x ∈ R gibt es genau ein y ∈ R mit x+ y = 0. Dieses Element y

bezeichnen wir mit −x.

Entsprechende Regeln wollen wir auch fur die Multiplikation festlegen.

Axiome (Arithmetik der Multiplikation)

(I5) Kommutativgesetz der Multiplikation

Fur alle x,y ∈ R gilt x · y = y · x.(I6) Assoziativgesetz der Multiplikation

Fur alle x,y,z ∈R gilt (x · y) · z = x · (y · z).(I7) Existenz des neutralen Elements der Multiplikation

Es gibt genau ein Element 1 ∈ R\ {0} mit x ·1 = x fur alle x ∈R.

(I8) Existenz des inversen Elements der Multiplikation

Zu jedem x ∈ R\ {0} gibt es genau ein y ∈ R\ {0} mit x · y = 1. Dieses

Element bezeichnen wir mit 1y

oder y−1.

Das Distributivgesetz endlich verknupft Addition und Multiplikation.

Distributionsgesetz

(I9) Distributivgesetz

Fur alle x,y,z ∈R gilt x · (y+ z) = x · y+ x · z.

Aus diesen Axiomen lassen sich alle bekannten Rechenregeln herleiten. Die Argumen-

tationen, um scheinbar selbstverstandliche Rechenregeln unter alleiniger Verwendung

obiger Axiome zu beweisen, sind oft jedoch sehr muhselig. Wir verweisen hierzu auf

die Literatur, z.B. Forster [1], Hildebrandt [2] oder Spivak [7].

Wir wollen noch folgende Definition nachtragen.

20

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Definition (Korper)

Eine Menge K von Elementen, auf denen eine additative Verknupfung + : K×K→K und eine multiplikative Verknupfung · : K×K→K definiert sind, wel-

che den arithmetischen Axiomen (I1) bis (I9) genugen, heißt ein Korper.

3.1.3 Die Anordnungsaxiome

Die drei Axiome der Anordnung lauten wie folgt.

Anordnungsaxiome

(II1) Transitivitat der Anordnung

Aus x < y und y < z folgt stets x < z.

(II2) Vertraglichkeit mit der Addition

Aus x < y folgt stets x+ z < y+ z.

(II3) Vertraglichkeit mit der Multiplikation

Aus x < y und 0 < z folgt stets xz < yz.

Aus den Anordnungsaxiomen lassen sich nun alle Regeln zum Umgang mit den Un-

gleichheitssymbolen herleiten. Wir verweisen erneut auf die oben genannte Literatur.

Der axiomatische Aufbau der reellen Zahlen wird schließlich mit einem Vollstandig-

keitsaxiom abgeschlossen. Wir wollen auch hierauf verzichten und laden den Leser ein,

unsere bereits mehrfach genannten Lehrbucher der Analysis zu konsultieren.

3.1.4 Definition der naturlichen Zahlen

Eine Teilmenge M ⊂ R der reellen Zahlen R wollen wir als eine induktive Menge

bezeichnen, falls gelten

◦ 1 ∈ M,

◦ x ∈ M, dann auch x+ 1 ∈ M.

Beispielsweise sind folgende Mengen induktiv:

◦ Die Menge R der reellen Zahlen.

◦ Die Menge der positiven reellen Zahlen.

Sind ferner M1 ⊂ R und M2 ⊂ R zwei induktive Mengen, so ist auch ihr Durchschnitt

M1 ∩M2 = {x ∈ R : x ∈ M1 und x ∈ M2}eine induktive Menge. Eine endliche Menge, d.h. eine Menge, die nur aus endlich vie-

len Elementen besteht, ist nicht induktiv.

Aufgabe 17. Beweisen Sie die bisher gemachten Behauptungen.

21

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Definition der naturlichen Zahlen

Die Menge N der naturlichen Zahlen ist der Durchschnitt aller induktiven Teil-

mengen M ⊂ R.

Beachte, dass nach unserer Definition 0 6∈N ist. Gelegentlich wird die Zahl 0 aber auch

willkurlich zu N hinzugerechnet, oder man schreibt einfach N0 = N∪{0}.Die Menge N ist abgeschlossen bez. Addition und Multiplikation, d.h. mit zwei Ele-

menten x,y ∈N gilt auch stets

x+ y ∈ N, x · y ∈ N.

Es ist N aber nicht abgeschlossen bez. Subtraktion und Division.

Aufgabe 18. Beweisen Sie auch diese Behauptungen.

3.1.5 Das Beweisprinzip der vollstandigen Induktion

Als Durchschnitt aller moglichen induktiven Teilmengen ist N uberhaupt die kleinste

induktive Teilmenge von R. Das besagt namlich der

Satz (Induktionsprinzip)

Ist M ⊂ R induktiv, und gilt M ⊂ N, so muss gelten M = N.

Beweis. Nach Voraussetzung ist zunachst M ⊂N. Aus der Definition von N als

Durchschnitt aller induktiven Teilmengen in R folgt aber auch N⊂ M. Also gilt

M = N.

Diesem Resultat entnehmen wir nun das Prinzip der vollstandigen Induktion.

Satz (Induktionsprinzip)

Fur jedes n ∈ N sei eine Aussage An der Art gegeben, so dass gelten

(i) A1 ist richtig, und

(ii) aus der Richtigkeit von An fur ein beliebig gewahltes n ∈ N folgt die

Richtigkeit von An+1.

Dann gilt An fur alle n ∈ N.

22

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Beweis. Wir definieren die Menge

M := {n ∈N : An ist richtig} ⊂ N.

Diese Menge ist nichtleer, denn nach Voraussetzung (i) ist A1 richtig, d.h. es

ist bereits 1 ∈ M. Gemaß Voraussetzung (ii) ist M aber auch induktiv, so dass

voriger Satz M = N impliziert, was schließlich die Richtigkeit aller Aussagen

An beweist.

Die Voraussetzungen (i) und (ii) des vorigen Satzes bezeichnet man in dieser Reihen-

folge gewohnlich als

(i) Induktionsvoraussetzung,

(ii) Induktionsschluss.

Das Beweisprinzip der vollstandigen Induktion verlangt beides: das Verifizieren der

Induktionsvoraussetzung und das Durchfuhren des Induktionsschlusses.

3.1.6 Ein Beispiel

Als Anwendung wollen wir die bereits bekannte Aussage beweisen

An :n

∑k=1

k = 1+ 2+ . . .+ n =n(n+ 1)

2fur alle n ∈N.

(i) Induktionsanfang: Die Aussage A1 ist offenbar richtig, denn wir verifizieren

1

∑k=1

k = 1 undn(n+ 1)

2

n=1= 1.

(ii) Induktionsschluss: Fur ein n ∈ N sei An richtig, d.h. es gelte

n

∑k=1

k =n(n+ 1)

2.

Dann ermitteln wir

n+1

∑k=1

k =n

∑k=1

k+(n+ 1) =n(n+ 1)

2+(n+ 1) =

(n+ 1)(n+ 2)

2,

d.h. mit der Richtigkeit von An folgt die Richtigkeit von An+1.

Nach dem Prinzip der vollstandigen Induktion gilt daher die Aussage An fur alle n∈N.

23

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Aufgabe 19. Beweisen Sie mittels vollstandiger Induktion die folgenden Identitaten.

(i)n

∑k=1

k2 =n(n+ 1)(2n+ 1)

6(ii)

n

∑k=1

k3 =n2(n+ 1)2

4

(iii)3

∑k=1

k4 =n(n+ 1)(2n+ 1)(3n2+ 3n− 1)

30

(iv)n

∑k=0

2k = 2n+1 − 1 (v)n−1

∑k=0

1

2k= 2

(

1− 1

2n

)

(vi)n

∑k=1

k2

(2k− 1)(2k+ 1)=

n(n+ 1)

2(2n+ 1)

(vii)n

∑k=1

k

2k= 2− 2+ n

2n(viii)

n

∑k=1

k ·2k = (n− 1) ·2n+1+ 2

4 Die geometrische Reihe

4.1 Unendliche Reihen

4.1.1 Definition einer unendlichen Reihe

Bislang haben wir uns mit endlichen Summen beschaftigt:

n

∑k=1

ak mit einer endlichen Summationsgrenze n ∈N.

Unser nachste Schritt ist die Verallgemeinerung auf unendliche Reihen.

Definition (unendliche Reihe)

Unter einer unendlichen Reihe verstehen wir den Grenzwert

∑k=1

ak := limn→∞

n

∑k=1

ak .

4.1.2 Erste Beispiele

Zur Veranschaulichung betrachten wir folgendes

Beispiel 3. Die Summe der Zahlen 12, 1

4, 1

8, 1

16usw. ergibt genau 1, d.h. es gilt

1 =1

2+

1

4+

1

8+

1

16+ . . .=

∑k=1

1

2k.

24

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Fur jede (endliche) naturliche Zahl n ∈ N als Summationsobergrenze tritt hingegen

echte Ungleichheit ein,n

∑k=1

1

2k< 1.

Das kann man sich grafisch veranschaulichen:

◦ Das Einheitsintervall I = [0,1]⊂R der Lange 1 wird in zwei langengleiche Teil-

intervalle der gemeinsamen Lange 12

zerlegt, von denen das linke Teilintervall

markiert wird.

◦ Das verbleibende rechte Teilintervall der Lange 12

wird erneut in zwei langenglei-

che Teilintervalle der gemeinsamen Lange 14

zerlegt. Das linke Teilintervall wird

markiert und zum markierten Teilintervall aus dem ersten Schritt hinzugezahlt.

0 12

14

18 1

Fuhrt man dieses Verfahren”unendlich“ oft aus, so ergeben alle markierten Teilinter-

valle, wenn man sie zusammenlegt, das ursprungliche Einheitsintervall der Lange 1.

Aufgabe 20. Betrachten Sie die folgende Skizze (siehe Nelsen [5]):

0.5

0.5

Begrunden Sie, dass die grau markierten Inhalte in der Summe

1

4+

1

16+

1

64+ . . .=

∑k=1

1

4k=

1

3

ergeben.

4.1.3 Die geometrische Reihe

Wir wollen die beiden vorigen Beispiele in einen allgemeinen Kontext einbetten. Dazu

schon die nachste Aufgabe.

25

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Aufgabe 21. Studieren Sie zunachst die folgende Skizze.

1

1

1

1−q

q

q

q2

q2 · · ·S

P Q

R

T

(i) Begrunden Sie, dass die Dreiecke △(PQR) und △(T SP) ahnlich sind.

(ii) Verifizieren Sie dann anhand dieser Skizze die Formel fur die (unendliche) geo-

metrische Reihe∞

∑k=0

qk =1

1− q, q ∈ (0,1).

Um diese Formel fur die geometrische Reihe analytisch herzuleiten, schreiben wir

zunachst fur reelles q ∈ R mit |q|< 1

Gn = q1 + q2 + q3 + q4 + . . .+ qn−1 + qn

und multiplizieren mit q selbst:

qGn = q · (q1 + q2 + q3 + q4 + . . .+ qn−1+ qn)

= q2 + q3 + q4 + . . .+ qn + qn+1

= q+ q2+ q3 + q4 + . . .+ qn − q+ qn+1

= Gn − q+ qn+1 .

Umstellen dieser Identitat unter Beachtung von |q|< 1 beweist schon den

Satz (endliche geometrische Summenformel)

Es gilt

Gn =n

∑k=1

qk =q− qn+1

1− q, |q|< 1.

Aber wie erhalten wir nun hieraus eine Darstellung fur die unendliche Reihe? Dazu

lassen wir die Summationsgrenze n großer und großer werden und ermitteln fur”un-

endliches“ n den Wert von Gn. Fur diesen Grenzwert schreiben wir

G := limn→∞

Gn = limn→∞

n

∑k=1

qk = limn→∞

q− qn+1

1− q=

q

1− q.

26

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Im Quotientenq−qn+1

1−qandert sich namlich mit der Summationsgrenze n nur der eine

Term qn+1, und zwar wegen |q|< 1 zu

limn→∞

qn+1 = 0.

Aufgabe 22. Machen Sie sich diese Aussage anhand einer eigenen Wertetabelle sowie

einer Skizze klar.

Mit anderen Worten: Zu einer beliebig vorgegebenen reellen Zahl ε > 0 findet sich

stets eine naturliche Zahl N0(ε) ∈ N, die also von diesem ε abhangt, so dass gilt

|qn|= |q|n < ε fur alle n ≥ N0(ε).

Aufgabe 23. Veranschaulichen Sie sich auch diese Aussage grafisch.

Nach diesen Ausfuhrungen haben wir bereits die gestellte Frage nach einem expliziten

Ausdruck fur G beantwortet.

Satz (Formel fur geometrische Reihe)

Es gilt

G =∞

∑k=1

qk =q

1− q, |q|< 1.

Aufgabe 24. Verifizieren Sie mit Hilfe der geometrischen Summenformel die beiden

einfuhrenden Beispiele aus Paragraph 4.1.1.

Aufgabe 25. Studieren Sie noch einmal die geometrischen Konstruktionen aus diesen

beiden einfuhrenden Beispielen, und finden Sie Verallgemeinerungen

◦ fur den Fall eines dreidimensionalen Wurfels,

◦ fur den Fall eines vierdimensionalen Wurfels,

◦ fur den Fall eines d-dimensionalen Wurfels.

Machen Sie sich noch einmal die folgende wesentliche Erkenntnis klar:

→ Auch Summen mit unendlich vielen Summanden konnen einen endlichen Wert

haben.

4.1.4 Beispiel: Zenons Trugschluss von Achilles und der Schildkrote

Wir gehen nach Strubecker [10] vor: Obwohl der schnellfußige Achilles im Lauf zehn-

mal schneller als eine im Abstand a > 0 vor ihm befindliche Schildkrote ist, wird er

diese nie einholen.

Besitzt namlich die Schildkrote einen Vorsprung der Lange a, so muss Achilles erst

diesen Vorsprung schließen. In der Zwischenzeit ist die Schildkrote aber vorwarts ge-

krochen und hat so einen neuen Vorsprung der Lange a10

gewonnen usw.

Das widerspricht aber unserer Erfahrung!

27

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Zur Losung dieses Ratsels stellen wir die Wege und Zeiten des Achilles und der Schild-

krote in den einzelnen Etappen ihres Laufes gegenuber:

Weg des Achilles aa

10

a

100· · · a

10n−1· · ·

Weg der Schildkrotea

10

a

100

a

1000· · · a

10n· · ·

benotigte Zeit tt

10

t

100· · · t

10n−1· · ·

Wir erkennen hierin die geometrische Reihe∞

∑k=0

qk =∞

∑k=1

qk + 1 =1

1− qwieder:

◦ Gesamtzeit

T = t +t

10+

t

100+ . . .=

t

1− 110

=10t

9(beachte q = 1

10)

◦ von Achilles zuruckgelegter Gesamtweg

A = a+a

10+

a

100+ . . .=

a

1− 110

=10a

9

◦ von der Schildkrote zuruckgelegter Gesamtweg

S =a

10+

a

100+

a

1000+ . . .=

a10

1− 110

=a

9

Beachten Sie aber10a

9= a+

a

9,

d.h. Achilles hat nach Ablauf der Gesamtzeit 10t9

den anfanglichen Vorsprung a > 0

aufgeholt!

Aufgabe 26. Worin liegt also Zenons Denkfehler?

4.1.5 Beispiel: Die von Kochsche Kurve

Diese nach Helge von Koch benannte Kurve wird wie folgt rekursiv konstruiert:

◦ Starte mit dem Einheitsintervall [0,1].

◦ Unterteile dieses Intervall in drei Teilintervalle der gemeinsamen Lange 13.

◦ Losche das mittlere Teilintervall, und ersetze es durch zwei Strecken der gemein-

samen Lange 13, die zwei Seiten eines gleichseitigen Dreiecks bilden.

28

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◦ Wende die beiden letzten Konstruktionsschritte auf die so erhaltenen 4 Strecken

der gemeinsamen Lange 13

an usw.

Nach”unendlich vielen“ solcher Konstruktionsschritte ergibt sich die von Koch-Kurve.

Wir konnen uns diese Kurve nur durch ihre”approximierenden Polygone“ Pn veran-

schaulichen, die wir nach dem n-ten Schritt der beschriebenen Konstruktion bekom-

men. Vorige Skizze zeigt die Polygone P0, P1 und P2.

Aufgabe 27. Leiten Sie eine Formel fur die Lange Ln dieser von Kochschen Polygone

Pn nach dem n-ten Konstruktionsschritt her. Dabei sei als das Startpolygon P0 = [0,1],d.h. das Einheitsintervall, mit L0 = 1 gesetzt.

Wir konnen die so beschriebene Konstruktion auch auf die drei Seiten eines gleichsei-

tigen Dreiecks anwenden. Das Ergebnis ist die sogenannte von Kochsche Schneeflocke.

Aufgabe 28. Berechnen Sie den eingeschlossenen Inhalt An dieser geschlossenen Po-

lygonzuge nach dem n-ten Konstruktionsschritt. Dabei bedeute A0 der Inhalt des linken

gleichseitigen Dreiecks.

In dieser Aufgabe sollten Sie nun auch die geometrische Summenformel wiederfinden.

4.1.6 Ausflug: Nirgends differenzierbare Funktionen

H. von Kochs Motivation war, anhand dieser Kurve ein Beispiel eines Graphen einer

nirgends differenzierbaren Funktion zu prasentieren, also einer Funktion, deren Bild

es in keinem Punkt erlaubt, eine Tangente anzulegen. Aber in erster Linie war es fur

von Koch wichtig, fur den Nachweis der Nirgends-Differenzierbarkeit ausschließlich

elementargeometrische Argumente zu bemuhen.

Aufgabe 29. Wie konnte von Koch argumentiert haben?

Im Gegensatz dazu steht beispielsweise die beruhmte Weierstraßsche nirgends diffe-

renzierbare Funktion

f (x) =∞

∑k=0

ak cos(bkπx) mit a ∈ (0,1), b ∈N und ab > 1+3

2π .

29

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Diese Funktion ist zwar uberall stetig, aber eben fur kein x ∈ [0,1] differenzierbar. Die

nachstehende Skizze zeigt die funfte Partialsumme fur die Parameter a = 0.5 und b= 4

auf dem Intervall [−3,3].

x

y

Die Weierstraßsche nirgends differenzierbare Funktion besitzt Feinstrukturen, die man

haufig unter dem Stichwort Fraktal zusammenfasst. Ihre analytischen Eigenschaften

detailliert aufzudecken, ist bis heute nicht vollstandig gelungen.

Aufgabe 30. Beweisen Sie, dass die Weierstraßsche Funktion uberall stetig, aber nir-

gends differenzierbar ist.

Zum Abschluss dieses kleinen Ausflugs in die Welt der fraktalen Strukturen wollen wir

ein zweites Beispiel anzeichnen, namlich Hilberts flachenfullende Kurve. Hier die ers-

ten drei Konstruktionsschritte dieser iterativ gegebenen, uberall stetigen, aber nirgends

differenzierbaren Funktion:

1 2 3 4

1

2 3

4

1 16

1 2

34

5

6 7

16

Aufgabe 31. Studieren Sie Hilberts flachenfullende Kurve.

4.1.7 Zinsesrechnung

Die geometrische Reihe findet auch Anwendung in der Zinseszinsrechnung bei Spa-

rananlagen. Folgendes Beispiel haben wir wikipedia entnommen:

→ Zu Beginn eines jeden Jahres zahlt man 2000 Euro bei einer Bank ein bei einem

Zinssatz von

q = 5% .

Wieviel Geld hat man nach 5 Jahren angespart?

30

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Wir gehen wie folgt vor: Zunachst berechnet sich der Zinsfaktor zu

1+q

100= 1,05.

Nun die einzelnen Posten zur Sparanlage:

◦ das im ersten Jahr eingezahlte Geld wird 5 Jahre lang verzinst, so dass nach

Ablauf dieser 5 Jahre ein Kapitel von 2000 ·1,055 Euro angespart wurden;

◦ das im zweiten Jahr eingezahlte Geld wird 4 Jahre lang verzinst und bringt ein

weiteres Sparkapitel von 2000 ·1,054 Euro

usw. Das gesamte angesparte Kapitel ergibt sich also aus folgender Rechnung

2000 ·1,055+ 2000 ·1,054+ 2000 ·1,053+ 2000 ·1,052+ 2000 ·1,051

= 2000 ·1,05 · (1,054+ 1,053+ 1,052+ 1,051+ 1,050)

= 2000 ·1,05 ·4

∑k=0

1,05k = 2000 ·1,05 · 1− 1,055

1− 1,05

= 11.603,826

(nach entsprechender Rundung). Durch Zinsen hat sich also das eingezahlte Kapitel

um 1.603,83 Euro erhoht.

Hatte man allerdings die (im Verlaufe der 5 Jahre eingezahlten) 10.000 Euro sofort

eingezahlt und zu 5% auf 5 Jahre verzinst, so ware der (wieder aufgerundete) Endbetrag

10.000 ·1,055 = 12.762,82,

also ein Gewinn von nun 2.762,82 Euro!

4.2 Weiteres uber unendliche Reihen

Wir wollen unsere Betrachtungen zu den endlichen Summen und unendlichen Reihen

durch einige weitere Bemerkungen und Beispiele ausbauen.

4.2.1 Weitere Beispiele

Die Theorie unendlicher Reihen ist sehr viel reichhaltiger als die Theorie endlicher

Summen, wie bereits folgende Beispielen belegen.

Beispiel 4. Eine unendliche Reihe muss nicht notwendig konvergieren, d.h. eine end-

liche reelle Zahl als Summenwert besitzen. So konvergiert die geometrische Reihe mit

q = 1 nicht. Sie divergiert, denn es gilt

∑k=1

1 = 1+ 1+ 1+ 1+1+ . . .= ∞ .

31

Page 32: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

Beispiel 5. Auch die sogenannte harmonische Reihe

∑k=1

1

k= 1+

1

2+

1

3+

1

4+ . . .= ∞

ist divergent, obwohl ihre einzelnen Summanden immer kleiner werden und streng

monoton gegen Null streben:

limk→∞

ak = 0 und a1 > a2 > a2 > .. .

Um die Divergenz dieser Reihe einzusehen, klammern wir ihre Summanden wie folgt

∑k=1

= 1+1

2+

(

1

3+

1

4

)

+

(

1

5+

1

6+

1

7+

1

8

)

+ . . .

Jeder Eintrag innerhalb einer solchen Klammer ist aber stets großer, hochstens gleich12, so dass wir die Reihe nach unten abschatzen konnen

∑k=1

1

k≥ 1

2+

1

2+

1

2+

1

2+ . . .=

∑k=1

1

2.

Aber die rechte Seite besitzt keinen endlichen Wert.

Bereits diese Beispiele begrunden den folgenden

Satz (Notwendiges Konvergenzkriterium)

Damit die unendliche Reihe∞

∑k=1

ak einen endlichen Wert annimmt, muss not-

wendig gelten

limn→∞

ak = 0.

Dass diese Bedingung nicht hinreichend ist, zeigt gerade das obige Beispiel der har-

monischen Reihe.

4.2.2 Das Leibnizsche Konvergenzkriterium

Fur eine detaillierte Analyse unseres nachstens Beispiels verweisen wir wieder auf die

Lehrbucher der Analysis, z.B. Forster [1], Hildebrandt [2] oder Spivak [7].

Beispiel 6. Die alternierende harmonische Reihe

∑k=1

(−1)k+1

k= 1− 1

2+

1

3− 1

4+

1

5− 1

6± . . .

konvergiert gegen den Wert

∑k=1

(−1)k+1

k= ln2 ≈ 0.69314 . . .

Hierin steht ln2 fur den naturlichen Logarithmus der Zahl 2.

32

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Ein mathematischer Beweis der Konvergenz im letzten Beispiel bedient sich im ein-

fachsten Falle des sogenannten Leibnizschen Konvergenzkriteriums.

Satz (Leibnizsches Konvergenzkriterium)

Eine alternierende unendliche Reihe

∑k=1

ak = a1 − a2 + a3 − a4 + a5 − a6 ± . . .

mit positiven Summanden ak > 0 ist konvergent, wenn die ak > 0 eine monoton

abnehmende Folge bilden, die gegen 0 konvergiert, d.h.

limk→∞

ak = 0.

Aufgabe 32. Sie konnen sich die Idee zum Beweis dieses Satzes an folgender Skizze

klarmachen:

0 S1S2 S3S4 S5S

Erlautern Sie!

Aufgabe 33. E.C. Catalan wies darauf hin, dass die Bedingung der Monotonie der

ak > 0 im Leibnizschen Konvergenzkriterium wesentlich ist und gab als Gegenbeispiel

die unendliche Reihe

1√2− 1

− 1√2+ 1

+1√

3− 1− 1√

3+ 1+

1√4− 1

− 1√4+ 1

± . . .

Die Summanden ak streben zwar fur k → ∞ gegen 0, aber nicht monoton:

a1 a2 a3 a4 a5 a6

1

2

3

33

Page 34: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

Werten Sie zum Nachweis der Catalanschen Behauptung folgende Reihe aus:

S = (a1 − a2)+ (a3 − a4)+ (a5 − a6)+ . . .

Die Grundlage fur diese Aufgabe bildet die folgende Regel, die wir an dieser Stelle

unbewiesen lassen und auf die bereits mehrfach genannte Literatur verweisen.

Satz (Klammern in konvergenten Reihen)

In einer konvergenten unendlichen Reihe darf man beliebig Klammern setzen.

Beispiel 7. Dass die unendliche Reihe

∑k=1

(−1)k+1 = 1− 1+ 1− 1+1−1+1−1± . . .

nicht konvergiert, druckt sich nach vorigem Satz in den folgenden Klammerungen aus:

(1− 1)+ (1− 1)+(1−1)+ . . .= 0 und

1− (1− 1)− (1−1)− (1−1)− . . .= 1.

4.2.3 Der Riemannsche Umordnungssatz

Wir wollen noch tiefer in die Probleme der Konvergenz unendlicher Reihen einsteigen.

Beispiel 8. Betrachte erneut die nicht konvergente, harmonische Reihe

S = 1+1

2+

1

3+

1

4+

1

5+

1

6+ . . .

Wir dividieren durch 2, d.h.

S

2=

1

2+

1

4+

1

6+ . . .

und ziehen S2

von S ab nach geeigneter Umsortierung der Summanden:

S− S

2=

(

1+1

2+

1

3+

1

4+

1

5+

1

6+ . . .

)

−(

1

2+

1

4+

1

6+ . . .

)

= 1+

(

1

2− 1

2

)

+1

3+

(

1

4− 1

4

)

+1

5+

(

1

6− 1

6

)

+ . . .

und daher

S

2= 1+

1

3+

1

5+ . . . , aber wegen oben auch

S

2=

1

2+

1

4+

1

6+ . . .

Insgesamt erhalten wir

1

2+

1

4+

1

6+ . . .= 1+

1

3+

1

5+ . . .

34

Page 35: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

und damit nach Umstellen(

1− 1

2

)

+

(

1

3− 1

4

)

+

(

1

5− 1

6

)

+ . . .=1

1 ·2 +1

3 ·4 +1

5 ·6 + . . .= 0.

Aber: Eine unendliche Reihe, die nur aus positiven Summanden besteht, kann gar nicht

verschwinden! Was lauft hier falsch?

Beispiel 9. Wir betrachten noch einmal die alternierende, unendliche Reihe

S = 1− 1

2+

1

3− 1

4+

1

5− 1

6± . . . (+)

mit S = ln2 nach obigem Beispiel 6. Nun klammern wir wie folgt:

S =

(

1− 1

2

)

+

(

1

3− 1

4

)

+

(

1

5− 1

6

)

+ . . .

Wir wollen diese Summe durch”geeignetes“ Manipulieren auf den Wert S= 0 bringen.

Dazu stelle zunachst die Summanden wie folgt um

S = 1+1

3− 1

2+

1

5+

1

7− 1

4+

1

9+

1

11− 1

6+ . . . (∗)

Wir erinnern nun an die Definition (+) von S und bilden S2, d.h.

S

2=

1

2− 1

4+

1

6− 1

8+

1

10− . . . ,

und addieren dieses Ergebnis zu S aus eben jener Definition (+) :

S+S

2=

3

2·S = 1+

1

3− 1

2+

1

5+

1

7− 1

4+ . . .

Das stimmt aber offenbar mit (∗) uberein, so dass wir erneut auf einen Widerspruch

stoßen:

S =3

2S bzw. S = 0.

Fassen wir noch einmal zusammen:

◦ Die harmonische Reihe

S = 1+1

2+

1

3+

1

4+

1

5+ . . .

aus Beispiel 8 konvergiert nicht. Durch”unbedachtes“ Manipulieren dieser un-

endlichen Summe kommen wir auf mathematische Widerspruche.

◦ Die alternierende harmonische Reihe

S = 1− 1

2+

1

3− 1

4+

1

5− . . .

aus dem zweiten Beispiel konvergiert zwar nach dem Leibnizschen Konvergenz-

kriterium, erlaubt insbesondere beliebiges Klammern nach obigem Satz, gestat-

tet aber kein beliebiges Umordnen der Summanden.

35

Page 36: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

Es wird uns an dieser Stelle untersagt bleiben, tiefer in diese Phanome einzusteigen.

Der richtige mathematische Begriff ist der der absoluten Konvergenz, den wir mit dem

folgenden, hier nicht zu beweisenden Satz vorstellen mochten.

Satz (Umordnungssatz von Cauchy und Riemann)

Ist die unendliche Reihe∞

∑k=1

ak absolut konvergent, d.h. gilt

∑k=1

|ak|< ∞ ,

so darf man die ursprungliche Reihe beliebig umordnen. Die umgeordnete Rei-

he ist wieder absolut konvergent, und die Werte der umgeordneten Reihen stim-

men uberein.

Wir wollen diesen Abschnitt durch einige Aufgaben, die zum Selbstudium einladen

sollen, abschließen.

Aufgabe 34. Finden Sie einen expliziten Ausdruck fur die endliche Summe

n

∑k=1

1

k(k+ 1)=

1

1 ·2 +1

2 ·3 +1

3 ·4 + . . .+1

n · (n+ 1).

Zerlegen Sie dazu den Summanden ak in zwei Partialbruche, und stellen Sie die daraus

entstehenden endlichen Summen geeignet um. Verifizieren Sie schließlich

limn→∞

n

∑k=1

1

k(k+ 1)=

∑k=1

1

k(k+ 1)= 1.

Aufgabe 35. Finden Sie einen expliziten Ausdruck fur die Summe

n

∑k=1

1

k(k+ 1)(k+ 2)=

1

1 ·2 ·3 +1

2 ·3 ·4 +1

3 ·4 ·5 + . . .+1

n · (n+ 1) · (n+ 2),

und ermitteln Sie den Wert der zugehorigen Reihe∞

∑k=1

1

k(k+ 1)(k+ 2).

Aufgabe 36. Verallgemeinern Sie die vorigen beiden Aufgaben auf den Fall

n

∑k=1

1

k(k+ 1)(k+ 2) · . . . · (k+ d)

mit einer naturlichen Zahl d ≥ 1.

36

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Aufgabe 37. Vereinfachen Sie den Ausdruck

Sn :=

(

1

3+

1

32+

1

33+ . . .+

1

3n

)

+

(

1

32+

1

33+ . . .+

1

3n

)

+ . . .+1

3n.

Verifizieren Sie den Grenzwert

limn→∞

Sn =3

4.

Aufgabe 38. Berechnen Sie die endliche Summe

Sn =3

12 ·22+

5

22 ·32+

7

32 ·42+ . . .+

2n+ 1

n2 · (n+ 1)2.

Gegen welchen Grenzwert strebt der Wert Sn fur n → ∞?

5 Potenzsummen und Differentialrechnung

5.1 Potenzsummen und l’Hospitals Regel

Wir kommen auf unsere Untersuchungen zu Potenzreihen aus dem ersten Kapitel zuruck

und wollen zwei weitere, nicht mehr elementare Methoden zur Gewinnung expliziter

Darstellungen der endlichen Summen

Sp(n) =n

∑k=1

kp

kennenlernen. Unser erster Ansatz geht auf M. Steiner [8] zuruck und benutzt Metho-

den der Differentialrechnung, wie sie an Gymnasien gelehrt werden.

Fur beliebige x ∈ R und n ∈ N definieren wir die Funktion

Gn(x) := x+ x2 + x3 + x4 + . . .+ xn−1 + xn

und ermitteln zunachst

xGn(x) = x2 + x3 + x5 + . . .+ xn + xn+1 .

Hieraus lesen wir eine zweite Darstellung von Gn(x) ab

Gn(x) =xn+1 − x

x− 1.

Naturlich reprasentiert Gn(x) die geometrische Reihe, wie wir es in Paragraph 4.1.3

kennengelernt haben.

→ Insbesondere gilt

S0(n) = 10 + 20 + 30 + . . .+ n0 = 1+ 1+ 1+ . . .+ 1 = limx→1

Gn(x).

37

Page 38: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

Um den Grenzwert auf der rechten Seite zu bestimmen, wenden wir auf obige zweite

Darstellung von Gn(x) die Regel von de l’Hospital an und erhalten

S0(x) = limx→1

xn+1 − x

x− 1= lim

x→1

(n+ 1)xn − 1

1=

(n+ 1) ·1− 1

1= n,

was S0(n) = n verifiziert.

→ Um S1(n) zu ermitteln, beachten wir

x · dGn(x)

dx= x · d

dx

xn+1 − x

x− 1= x ·

[

(n+ 1)xn − 1]

(x− 1)− (xn+1− x) ·1(x− 1)2

=nxn+1 + xn+1 − x− nxn− xn + 1− xn+1+ x

(x− 1)2

=nxn+1 − (n+ 1)xn+ 1

(x− 1)2

und damit nach Auswerten der linken Seite

x+ 2x2+ 3x3 + . . .+ nxn =nxn+1 − (n+ 1)xn+ 1

(x− 1)2.

Jetzt mussen wir, um auf beiden Seiten den Grenzwert x → 1 auszufuhren, rechts die de

l’Hospitalsche Regel zweimal anwenden und erhalten die uns langst bekannte Gauß-

sche Summenformel

S1(n) = 1+ 2+ 3+ . . .+ n =n2

2+

n

2=

n(n+ 1)

2.

Aufgabe 39. Berechnen Sie nun S2(n). Wenden Sie dazu den Ableitungsoperator x · ddx

zweimal auf Gn(x) sowie auf obige zweite Darstellung von Gn(x) an sowie dreimal die

Regel von de l’Hospital.

Auf diese Weise fortfahrend, gewinnen wir nacheinander die gewunschten Darstellun-

gen der Potenzsummen Sp(n).

Aufgabe 40. Wir konnen Sie in unserer Argumentation die l’Hospitalsche Regel um-

gehen durch Benutzung der Identitat

xn − 1 = (x− 1)(xn−1 + xn−2 + . . .+ x2 + x+ 1)?

5.2 Potenzsummen und Bernoullizahlen

Im 17. Jahrhundert gab der Schweizer Mathematiker und Physiker Jakob Bernoulli eine

allgemeine Darstellung fur Potenzsummen

Sp(n) =n

∑k=1

kp = 1+ 2p+ 3p + . . .+ np , p = 0,1,2, . . .

Anlehnend an R. Walters Lehrbuch der Analysis [12] wollen im vorliegenden Abschnitt

diese Darstellung ableiten.

38

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1. Wir beginnen also mit folgender Reihenentwicklung der Exponentialfunktion1

ex =∞

∑k=0

xk

k!= 1+ x+

x2

2!+

x3

3!+ . . .

2. Mit dieser definieren wir nun außerhalb von x = 0 die Funktion

f (x) :=x

ex − 1=

x

1+ x+ x2

2!+ x3

3!+ . . .− 1

=x

x+ x2

2!+ x3

3!+ . . .

=1

1+ x2!+ x2

3!+ . . .

und setzen f (0) := 1. Fur diese Funktion wollen wir eine Reihenentwicklung um

den Entwicklungspunkt x0 = 0 der Form

f (x) =∞

∑k=0

Bk

k!xk

herleiten. Die Koeffizienten Bk sind die sogenannten Bernoullischen Zahlen.

3. Um diese noch unbekannten Zahlen Bk zu bestimmen, schreiben wir fur x 6= 0

das Produkt

1 = f (x) · 1

f (x)= f (x) · ex − 1

x

in die folgende Form um2

1 =∞

∑k=0

Bk

k!xk · 1

x·(

∑k=0

xk

k!− 1

)

=∞

∑k=0

Bk

k!xk · 1

∑k=1

xk

k!=

∑k=0

Bk

k!xk ·

∑k=1

xk−1

k!

=∞

∑k=0

Bk

k!xk ·

∑k=0

xk

(k+ 1)!.

1Es handelt sich um die sogenannte Taylorentwicklung der Exponentialfunktion um den Entwicklungs-

punkt x0 = 0, welche unendlich viele Summanden besitzt. Skizzieren Sie mit einem Computerprogramm die

Partialsummen1

∑k=0

xk

k!,

2

∑k=0

xk

k!,

3

∑k=0

xk

k!usw.,

und beobachten Sie, wie sich diese endlichen Summen dem tatsachlichen Verlauf der Exponentialfunktion

annahern. Desweiteren verwenden wir die Fakultatsfunktion

k! := 1 ·2 · . . . ·k fur k ∈ {1,2,3, . . .}mit der zusatzlichen Vereinbarung 0! := 1.

2Der erste Faktor ist der Ansatz fur die Funktion f (x), der Faktor in der Klammer enthalt die Reihen-

entwicklung der Exponentialfunktion, genauer

ex −1 =∞

∑k=0

xk

k!−1 =

x0

0!+

x1

1!+

x2

2!+ . . .−1 =

x1

1!+

x2

2!+ . . .

Achten Sie auf die unterschiedlichen Summationsindizes!

39

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4. An dieser Stelle benotigen wir die sogenannte Cauchysche Produktdarstellung

zweier Potenzreihen∞

∑k=0

akxk und∞

∑k=0

bkxk

mit reellen Koeffizienten ak und bk. Genauer handelt es sich um die Darstellung

(

∑k=0

akxk

)

·(

∑k=0

bkxk

)

=∞

∑k=0

(

k

∑i=0

aibk−i

)

xk .

Diese Produktdarstellung sollten Sie an selbst gewahlten Beispielen endlicher

Summen verifizieren.

5. Wir schreiben das Resultat aus dem dritten Beweispunkt jetzt wie folgt

1 =∞

∑k=0

Bk

k!xk · 1

x·(

∑k=0

xk

k!− 1

)

=∞

∑k=0

Bk

k!xk ·

∑k=0

1

(k+ 1)!xk =:

∑k=0

pkxk

mit den Faktoren pk Cauchyprodukts

pk =k

∑i=0

Bi

i!(k+ 1− i)!.

Da aber einfach p0 = 1, sonst p1 = p2 = . . .= pk = 0 sind3, ergeben sich hieraus

zur Bestimmung der Bi die linearen Gleichungen

B0 = p0 = 1,

B0 + 2B1 = p1 = 0,

B0 + 3B1 + 3B2 = p2 = 0 usw.

Dieses System konnen wir, beginnend mit B0 = 1 und einsetzend in die zweite

Gleichung, sukzessive auflosen und gelangen so zu den gesuchten Bernoulli-

schen Zahlen

B0 = 1, B1 =−1

2, B2 =

1

6, B3 = 0, B4 =− 1

30, B5 = 0, B6 =

1

42, . . .

6. Hiermit konnen wir nun zur Bestimmung der Potenzsummen Sp(n) fortschreiten.

Zu diesem Zweck stellen wir folgende Summe

En := 1+ ex + e2x+ e3x + . . .+ enx , n ≥ 1,

auf zwei verschiedene Arten dar:

3Es ist namlich

1 =∞

∑k=0

pkxk = p0x0 + p1x2 + p2x2 + . . . = p0 + p1x+ p2x2 + . . . ,

und nach Vergleich der Potenzen von x schließen wir p0 = 1, sonst p1 = p2 = . . . = 0.

40

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◦ Erstens gemaß4

En = 1+∞

∑k=0

xk

k!+

∑k=0

(2x)k

k!+ . . .+

∑k=0

(nx)k

k!

= 1+∞

∑k=0

xk

k!(1k + 2k + . . .+ nk)

= 1+∞

∑k=0

xk

k!Sk(n) .

(∗)

◦ Zweitens erinnern wir an die allgemeine Identitat5

(1− a)(1+ a+ a2+ . . .+ an) = (1− a) ·n

∑i=0

ai = 1− an+1

fur reelles a 6= 1 bzw. nach Umstellen

1+ a+ a2+ . . .+ an =an+1 − 1

a− 1.

Diese Identitat wenden wir fur x 6= 0 wie folgt auf a = ex an:

En =e(n+1)x− 1

ex − 1=

e(n+1)x − 1

x· x

ex − 1=

e(n+1)x− 1

∑k=0

Bk

k!xk .

Da weiter

e(n+1)x− 1

x=

1

x·(

∑k=0

(n+ 1)kxk

k!− 1

)

=∞

∑k=1

(n+ 1)kxk−1

k!

=∞

∑k=0

(n+ 1)k+1xk

(k+ 1)!,

erhalten wir

En =∞

∑k=0

Bk

k!xk ·

∑k=0

(n+ 1)k+1

(k+ 1)!xk =

∑k=0

pkxk

mit den Cauchyprodukten pk =k

∑i=0

Bi

i!

(n+ 1)k+1−i

(k+ 1− i)!.

(∗∗)

4Jede einzelne Summe konvergiert im Sinne der Analysis absolut, was zu der”Umsortierung“ nach dem

Riemannschen Umordnungssatz in der zweiten Zeile berechtigt.5Ausklammern der linken Seite ergibt wieder eine Wechselsumme, im Resultat also die rechte Seite

dieser Formelzeile. Vergleichen Sie das mit unseren Untersuchungen zur geometrischen Reihe!

41

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7. Wir fassen nun (∗) und (∗∗) zusammen

1+∞

∑k=0

Sk(n)

k!xk =

∑k=0

k

∑i=0

Bi

i!

(n+ 1)k+1−i

(k+ 1− i)!xk

bzw. ausgeschrieben

1+ S0(n)+ S1(n)x+ . . . = B0(n+ 1)+

{

B0

0!

(n+ 1)2

2!+

B1

1!

(n+ 1)1

(2− 1)!

}

x+ . . .

= 1 · (n+ 1)+

{

1

2(n+ 1)2 − 1

2(n+ 1)

}

x+ . . .

Ein Vergleich der Koeffizienten auf beiden Seiten beweist endlich den

Satz (Potenzsummen)

Es gelten die Darstellungsformeln

S0(n) = n,

S1(n) =1

2n2 +

1

2n,

S2(n) =1

3n3 +

1

2n2 +

1

6n,

S3(n) =1

4n4 +

1

2n3 +

1

4n2 ,

S4(n) =1

5n5 +

1

2n4 +

1

3n3 − 1

30n,

S5(n) =1

6n6 +

1

2n5 +

5

12n4 − 1

12n2 ,

S6(n) =1

7n7 +

1

2n6 +

1

2n5 − 1

6n3 +

1

42n ,

S7(n) =1

8n8 +

1

2n7 +

7

12n6 − 7

24n4 +

1

12n2 usw.

Beachten Sie, dass fur die Ermittlung der Darstellung fur die Summen Sp(n) nach

dieser vorgestellten Methode die Bernoullizahlen bekannt sein mussen, um die Sp(n)im siebten Beweispunkt nach Koeffizientenvergleich

”abzulesen“. Die Bernoullizahlen

haben wir im funften Beweispunkt aber nur sukzessive aus einem linearen Gleichungs-

system bestimmt.

Aufgabe 41. Welche weiteren Methoden zur Bestimmung der Bernoullischen Zahlen

finden Sie in der Literatur?

42

Page 43: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

6 Darstellungen fur π

6.1 Einleitung

Wir beginnen dieses Kapitel mit einer bereits auf Archimedes zuruckgehenden Idee,

die Zahl π durch geeignete Approximation des Kreisumfangs durch regulare Polygone

naherungsweise zu ermitteln. Zu dieser Methode verstehen wir unter π diejenige Zahl,

welche dem Umfang des Halbkreises vom Radius 1 entspricht.

Es folgen daraufhin funf interessante wie wichtige Darstellungen fur π :

◦ Zunachst handelt es sich nicht um eine Summen-, sondern um die sogenannte

Produktdarstellung von Francois Viete

2

π=

√2

2·√

2+√

2

2+√

2+√

2

2· . . .

Diese werden wir einmal aus der Archimedischen Approximation ableiten, zwei-

tens prasentieren wir einen nicht elementaren, rein analytischen Beweis, fur wel-

chen wir π als diejenige Zahl interpretieren, welche dem Inhalt des Kreises vom

Radius 1 entspricht.6

◦ Eine weitere Produktdarstellung ist zweitens nach John Wallis (1655) benannt,

namlichπ

2=

2

1· 2

3· 4

3· 4

5· 6

5· 6

7· . . .

◦ Drittens wollen wir die von James Gregory (1671) stammende Summendarstel-

lungπ

4= 1− 1

3+

1

5− 1

7± . . .

beweisen. Hierbei werden wir auf die beruhmte Partialbruchzerlegung des Tan-

gens stoßen.

◦ Auf James Gregory und Gottfried Wilhelm Leibniz fuhrt man viertens die Sum-

mendarstellung

π2

8=

1

12+

1

32+

1

52+

1

72+ . . .=

∑k=1

1

(2k− 1)2

zuruck, welche wir unmittelbar der Partialbruchzerlegung des Tangens entneh-

men werden.

◦ Und funftens kommen wir auf Leonhard Eulers beruhmte Formel

π2

6=

1

12+

1

22+

1

32+

1

42+ . . .=

∑k=1

1

k2,

zu sprechen, die wir aus der Gregory-Leibniz-Darstellung gewinnen.

6Dass es sich bei der”Umfangszahl“ π und der

”Inhaltszahl“ π um die gleiche irrationale Zahl handelt,

bedarf allerdings eines Beweises, den wir hier ubergehen.

43

Page 44: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

Die Herleitungen dieser Identitaten machen Gebrauch von elementaren Tatsachen aus

der Theorie der Winkelfunktionen Sinus, Kosinus und Tangens. Wir werden diese Tat-

sachen nicht vorweg separat behandeln, sondern in unsere Beweise einbauen.

Desweiteren benotigen wir verschiedene Grenzwertaussagen singularer Bruche, Tay-

lorentwicklungen des Sinus und des Kosinus sowie den auf B. Riemann zuruckgehen-

den Umordnungssatz fur unendliche Reihen. Resultate dieser Art sind elementarma-

thematischen Methoden nicht zuganglich.

Abgesehen von unseren Ausfuhrungen zur Archimedischen Approximation und der

daraus folgenden Vieteschen Darstellung folgen wir Maor [4].

6.2 Approximation nach Archimedes

Interpretieren wir die Zahl π als Umfang eines Halbkreises vom Radius 1, so lasst sich

π naherungsweise nach geeigneter Approximation des Kreisumfangs bestimmen.

Zu diesem Zweck beginnen wir mit einem gleichseitigen Polygon, bestehend aus 4, in

den Punkten (1,0), (0,1), (−1,0) und (0,−1) gelegenen Eckpunkten.

Fur die eingezeichnete Kantenlange ℓ wissen wir nach dem Satz des Pythagoras

ℓ=√

2 .

1

1 ℓ

Der halbe Umfang U dieses Polynoms berechnet sich daher zu

U = 2ℓ= 2√

2 .

In den nachsten Schritten approximieren wir den Kreisumfang durch Polynome mit 8,

16, 32 usw. Ecken. Die Eckenzahl soll also in jedem Schritt verdoppelt werden.

Es bezeichne nun ℓn, n= 4,8,16, . . . , die Kantenlange eines solchen approximierenden,

gleichseitigen Polynoms. Betrachte die folgende Skizze:

44

Page 45: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

1

ℓ2n

σ

ℓn

2

hn

Zunachst lesen wir ab

hn =

1−(

ℓn

2

)2

sowie 1 = hn +σ

bzw. nach Einsetzen

σ = 1−

1−(

ℓn

2

)2

.

Aufgabe 42. Folgern Sie hieraus

ℓ2n =

2−√

4− ℓ2n , n = 4,8,16, . . .

Fur den halben Umfang U2n des approximierenden Polynoms ist daher

U2n = n · ℓ2n = n ·√

2−√

4− ℓ2n , n = 4,8,16, . . .

Wir wollen die ersten Werte fur Un in einer Tabelle eintragen:

k Uk

4 2 ·√

2 ≈ 2.8284

8 4 ·√

2−√

2 ≈ 3.0614

16 8 ·√

2−√

2+√

2 ≈ 3.1214

32 16 ·√

2−√

2+√

2+√

2 ≈ 3.1365

64 32 ·

2−√

2+

2+√

2+√

2 ≈ 3.1403

Aufgabe 43. Konnen Sie anhand dieser Tabelle eine allgemeine Regel ablesen?

45

Page 46: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

Aufgabe 44. Die beiden kreisformig eingezeichneten Eckpunkte des Einheitsquadrats

werden durch seine Diagonale verbunden, und diese werde durch folgende Folge von

Zickzacklinien (hier sind die ersten drei Schritte skizziert) approximiert:

Vergleichen Sie die Langen der Diagonale und der Zickzacklinien. Erlautern Sie! Was

lauft schief? Worin unterscheiden sich diese Approximation und die Archimedische

Approximation des Kreisumfangs?

6.3 Darstellung von Viete

6.3.1 Herleitung aus der Archimedischen Approximation

An unsere obigen Betrachtungen anschließend, ermitteln wir

U2n = n · ℓ2n = n ·√

2−√

4− ℓ2n = n ·

2−√

4− ℓ2n ·√

2+√

4− ℓ2n

2+√

4− ℓ2n

= n ·√

4− (4− ℓ2n)

2+√

4− ℓ2n

= n · ℓn√

2+√

4− ℓ2n

bzw.

U2n = n · ℓn√

2+√

4− ℓ2n

=2 · n

2· ℓn

2+√

4− ℓ2n

=2Un

2+√

4− ℓ2n

.

Mit ℓ4 =√

2 und U4 = 2√

2 betrachten wir nun speziell folgende Falle:

◦ n = 4 : Es folgt

U8 =2U4

2+√

4− ℓ24

=2 ·2

√2

2+√

2=

2 ·2 ·2√

2√

2+√

2

bzw. nach Umstellen

2

U8

=

√2

2·√

2+√

2

2.

46

Page 47: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

◦ n = 8 : Es folgt

U16 =2U8

2+√

4− ℓ28

=2U8

2+√

2+√

2

=2 ·2 ·2 ·2

√2√

2+√

2

2+√

2+√

2

bzw. nach Umstellen

2

U16

=

√2

2·√

2+√

2

2+√

2+√

2

2.

Dieses Verfahren fuhren wir nun fort und erhalten wegen U2n → π im Grenzfall n → ∞

die Vietesche Formel.

6.3.2 Ein analytischer Beweis

Wir fuhren den folgenden rein analytischen Beweis in drei Schritten.

1. Wir benotigen das Additionstheorem fur den Sinus

sin(y+ z) = sinycosz+ sinzcosy.

Setzen wir hierin y = x2

und z = x2

ein, folgt

sinx = 2sinx

2cos

x

2.

Wir wenden diese Identitat mehrmals hintereinander an und erhalten

sinx = 2sinx

2cos

x

2= 4sin

x

4cos

x

4cos

x

2= 8sin

x

8cos

x

8cos

x

4cos

x

2= . . . ,

insbesondere also nach n Schritten

sinx = 2n sinx

2n· cos

x

2n· . . . · cos

x

2

= x ·[

sin x2n

x2n

]

· cosx

2· cos

x

4· . . . · cos

x

2n.

Im letzten Schritt haben wir mit x 6= 0 erweitert.

2. Wir benotigen nun den folgenden Grenzwert

limx→0

sinx

x= 1,

fur dessen Herleitung wir zwei Moglichkeiten angeben wollen.

47

Page 48: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

◦ Betrachte die folgende Skizze:

x

1

Hierin erkennen wir ein kleines (mit gestrichelter Hohe) und ein großes

Dreieck, welches ein Kreissegment einschließt. Bezeichnen wir ihre Inhalte

nacheinander mit A1, A2 und A3, so gilt A1 ≤ A2 ≤ A3 bzw.

1

2sinx ≤ x

2ππ ≤ 1

2tanx.

Begrunden Sie diesen Schritt, und ermitteln Sie hieraus die Abschatzung

cosx ≤ sinx

x≤ 1.

Mit x → 0 folgt jetzt der gewunschte Grenzwert.

◦ Der Sinus besitzt die Reihenentwicklung, d.h. die Taylorentwicklung mit

Entwicklungspunkt x0 = 0,

sinx = x− x3

3!+

x5

5!− x7

7!± . . .

Wir dividieren diese unendliche Reihe durch x 6= 0 und erhalten

sinx

x= 1− x2

3!+

x4

5!− x6

7!± . . .

Diese allgemeine Regel wenden wir nun auf die letzte Identitat aus dem ersten

Beweispunkt an, also

sinx = x ·[

sin x2n

x2n

]

· cosx

2· cos

x

4· . . . · cos

x

2n,

indem wir im geklammerten Bruch n → ∞ streben lassen und so auf die Euler-

48

Page 49: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

sche Produktdarstellung fur den Sinus stoßen7

sinx = limn→∞

sinx = x ·[

limn→∞

sin x2n

x2n

]

· cosx

2· cos

x

4· . . . · cos

x

2n· cos

x

2n+1· . . .

= x ·1 · cosx

2· cos

x

4· . . . · cos

x

2n· . . . = x

∏k=1

cosx

2k.

Wir teilen diese Produktdarstellung durch x 6= 0 und setzen in das Resultat x= π2

:

sin π2

π2

=1π2

= cosπ

2 ·21· cos

π

2 ·22· . . . · cos

π

2 ·2n· . . .

=

√2

2· cos

π

8· . . . · cos

π

2n+1· . . . ,

(∗)

wobei auf der rechten Seite

cosπ

2 ·21= cos

π

4=

√2

2

als erster Faktor eingeht.

3. Um die rechte Seite der Identitat (∗) weiter auszuwerten, benotigen wir das Ad-

ditionstheorem fur den Kosinus,

cos(x+ y) = cosxcosy− sinxsiny,

und zwar in der speziellen Form

cos(2x) = cos2 x− sin2 x = cos2 x− 1+ cos2 x = 2cos2 x− 1.

Umstellen und nachtragliche Ersetzung von x durch x2

fuhrt uns auf

cosx

2=

1+ cosx

2.

Hierin setzen wir sukzessive x = π4, x = π

8usw. ein

cosπ

4=

√2

2, cos

π

8=

1+ cos π4

2=

1+√

22

2=

2+√

2

2usw.

Ersetzen wir nun die Produkte cos π2n in (∗) durch genau diese Terme, so gelan-

gen wir auf die behauptete Vietesche Darstellung fur die Kreiszahl π .

Aufgabe 45. Fuhren Sie die im zweiten Beweispunkt ausgelassenen Schritte durch.

7Es symbolisiertn

∏k=1

ak = a1 ·a2 · . . . ·an

das gewohnliche Produkt aus n ∈ N Zahlen a1, . . . ,an, und es bedeutet

∏k=1

ak := limn→∞

n

∏k=1

ak

das Produkt unendlich vieler Zahlen a1, . . . ,an ,an+1, . . .

49

Page 50: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

6.3.3 Grafische Veranschaulichung nach L. Euler

Schließlich betrachten wir die folgende Figur (siehe Osler, T.J.: Geometric constructi-

ons approximating π related to Vieta’s product of nested radicals)

1

1

L∞

L4

L3

L2

L1

O

P1

P2

P3

P∞

Skizziert sind das Einheitsquadrat und die entlang seiner Diagonalen verlaufende Stre-

cke L1. Der Winkel �(L1OL∞) =π4

wird von L2 halbiert, so dass �(L2OL∞) =π8. Der

Winkel �(L2OL∞) wird von L3 halbiert, so dass �(L3OL∞) =π8

usw.

Vom Punkt P1 = (1,1) des Einheitsquadrats wird nun eine zu L1 senkrechte Strecke

konstruiert, die L2 im Punkt P2 schneidet. Von P2 wird dann eine zu L2 senkrechte

Strecke konstruiert, die L3 im Punkt P3 schneidet usw.

Aufgabe 46. Berechnen Sie die Langen der Strecken OP1, OP2, OP3 usw. Welchen

Wert nimmt OP∞ an?

6.4 Beweis der Darstellung von Wallis

Auch den Beweis dieser Produktdarstellung unterteilen wir aus Grunden der Ubersicht-

lichkeit in zwei Schritte.

1. Es seien x1, . . . ,xn 6= 0 Nullstellen eines Polynoms pn(x) vom Grade n > 1. Dann

wissen wir8

pn(x) =

(

1− x

x1

)

·(

1− x

x2

)

· . . . ·(

1− x

xn

)

,

8Gewohnlich benutzt man (bis auf das Vorzeichen) die Darstellung

pn(x) = (x1 − x) · (x2 − x) · . . . · (xn − x).

Da pn(0) = 1 gelten soll, lesen wir x1 ·x2 · . . . ·xn = 1 ab. Da ferner keine Nullstelle verschwindet, ziehen wir

aus jedem Faktor (xi − x) die entsprechende Nullstelle xi heraus und erhalten

pn(x) = x1 ·x2 · . . . ·xn ·(

1− x

x1

)

·(

1− x

x2

)

· . . . ·(

1− x

xn

)

= 1 ·(

1− x

x1

)

·(

1− x

x2

)

· . . . ·(

1− x

xn

)

.

50

Page 51: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

falls nur pn(0) = 1 richtig ist. Das ubertragen wir nun, einer Idee von L. Euler

folgend, auf die Sinusfunktion mit ihren unendlich vielen Nullstellen x = ±nπ ,

wobei n ∈ N∪{0}, d.h.

sinx = x

(

1− x

π

)

·(

1+x

π

)

·(

1− x

)

·(

1+x

)

· . . .

= x

(

1− x2

π2

)

·(

1− x2

4π2

)

·(

1− x2

9π2

)

· . . . ,

wobei jeder Faktor in der zweiten Zeile das Produkt zweier aufeinanderfolgender

Klammern aus der ersten Zeile ist.

2. Wir setzen nun x = π2

ein und erhalten

1 = sinπ

2=

π

2·(

1− 1

4

)

·(

1− 1

16

)

·(

1− 1

36

)

· . . .

bzw. nach Division der Klammern rechts

π

2=

(

1− 1

4

)−1

·(

1− 1

16

)−1

·(

1− 1

36

)−1

· . . .

=4

3· 16

15· 36

35· . . . = 2 ·2

1 ·3 · 4 ·43 ·5 · 6 ·6

5 ·7 · . . .

Das beweist schon die Wallissche Darstellung.

6.5 Beweis der Darstellung von Gregory

Fur den Beweis dieser Summendarstellung benotigen wir die sogenannte Partialbruch-

zerlegung des Tangens

tanx = 8x ·{

1

π2 − 4x2+

1

9π2 − 4x2+

1

25x2 − 4x2+ . . .

}

,

womit wir auch beginnen wollen.

1. Die Produkzerlegung des Sinus

sinx = x ·(

1− x2

π2

)

·(

1− x2

4π2

)

·(

1− x2

9π2

)

· . . . ,

die wir im vorigen Abschnitt kennengelernt haben, erganzen wir zunachst durch

einen analoge Zerlegung des Kosinus

cosx =

(

1− 4x2

π2

)

·(

1− 4x2

9π2

)

·(

1− 4x2

25π2

)

· . . .

mit den Nullstellen x =± π2

sowie x =± 3π2

und deren ganzzahligen Vielfachen.

51

Page 52: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

2. Damit wollen wir den Tangens

tanx =sinx

cosx, x ∈R\

{

. . . ,−π

2,

π

2,

2, . . .

}

,

wie folgt auswerten:

tanx =x(

1− x2

π2

)

·(

1− x2

4π2

)

·(

1− x2

9π2

)

· . . .(

1− 4x2

π2

)

·(

1− 4x2

9π2

)

·(

1− 4x2

25π2

)

· . . .

=x

(

1− x2

π2

)

·(

1− x2

4π2

)

·(

1− x2

9π2

)

· . . .(

1− 2xπ

)

·(

1+ 2xπ

)

·(

1− 2x3π

)

·(

1+ 2x3π

)

·(

1− 2x5π

)

·(

1+ 2x5π

)

· . . .

Diesen Bruch stellen wir mittels einer Partialbruchzerlegung dar9

tanx =A1

1− 2xπ

+B1

1+ 2xπ

+A2

1− 2x3π

+B2

1+ 2x3π

+A3

1− 2x5π

+B3

1+ 2x5π

+ . . . (∗∗)

3. Um die hierin unbekannten Koeffizienten A1, A2, B1 usw. zu bestimmen, multi-

plizieren wir beide Seiten dieser Gleichung mit der Produktdarstellung fur den

Kosinus und erhalten

x

(

1− x

π

)(

1+x

π

)(

1− x

)(

1+x

)

· . . .

= A1

(

1+2x

π

)(

1− 2x

)(

1+2x

)

· . . .

+B1

(

1− 2x

π

)(

1− 2x

)(

1+2x

)

· . . .

+A2

(

1− 2x

π

)(

1+2x

π

)(

1+2x

)

· . . .

Dieser Ausdruck ist nun fur alle x ∈R gultig.

4. Wir setzen x = π2

ein und erhalten10

π

2· 1

2· 3

2· 3

4· 5

4· . . .= A1 ·2 ·

2

3· 4

3· 4

5· 6

5· . . .

bzw. nach Umstellen nach

A1 =π

2·[

1

2· 3

2· 3

4· 5

4· . . .]2

.

9Jede echt gebrochene rationale Funktion lasst sich als Summe sogenannter Partialbruche darstellen.

Fur eine exakte Formulierung dieser Regel verweisen wir auf die zahlreiche Literatur, z.B. G. Merziger und

T. Wirth: Repetitorium der hoheren Mathematik.10Beachte, dass in den Produkten fur B1, A2 usw. der erste Faktor stets verschwindet.

52

Page 53: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

Den rechten Ausdruck in der Klammer konnen wir aber nach der Wallisschen

Darstellung durch 2π

ersetzen, d.h.

A1 =π

2·(

2

π

)2

=2

π.

Analog verfahren wir, um B1 nach Einsetzen von x = − π2

zu bestimmen. Es

folgen nach weiteren Rechnungen

A1 =2

π=−B1 , A2 =

2

3π=−B2 , A3 =

2

5π=−B3 usw.

5. Ganz allgemein gilt11

Ak =2

(2k− 1)π=−Bk fur k = 1,2, . . .

Diese Koeffizienten setzen wir nun wieder in (∗∗) ein. Nach Vereinfachen der

einzelnen Summanden erhalten wir die Partialbruchzerlegung des Tangens

tanx =2

π − 2x− 2

π + 2x+

2

3π − 2x− 2

3π + 2x+

2

5π − 2x− 2

5π + 2x+ . . .

= 8x

{

1

π2 − 4x2+

1

9π2 − 4x2+

1

25π2 − 4x2+ . . .

}

,

welche fur alle x 6= (2k+1)π2

, k = 0,±1,±2, . . . , gultig ist.

6. Im zweiten Teil des Beweises kommen wir zur angekundigten Summendarstel-

lung fur die Zahl π . Zu diesem Zweck dividieren wir die Partialbruchzerlegung

des Tangens mit x 6= 0 und erhalten

tanx

x= 8 ·

{

1

π2 − 4x2+

1

9π2 − 4x2+

1

25x2 − 4x2+ . . .

}

. (1)

Wir betrachten jetzt in dieser Identitat den Grenzwert x → 0.

◦ Um diesen Grenzwert fur die linke Seite auszuwerten, berechnen wir12

limx→0

tanx

x= lim

x→0

sinx

x· 1

cosx= lim

x→0

sinx

x· lim

x→0

1

cosx= 1 ·1 = 1.

Hierbei ist darauf zu achten, dass das Hereinziehen des Grenzwertes in das

Produkt gestattet ist, weil die Grenzwerte beider Faktoren existieren.

11Machen Sie sich diese Beziehungen klar!12Zum Beweis der Vieteschen Produktdarstellung haben wir bereits die Grenzwertformel

limx→0

sinx

x= 1

hergeleitet. Wegen cos0 = 1 gilt desweiteren

limx→0

1

cosx= 1.

53

Page 54: Summen- und Produktformeln in der Mathematik · Quadratzahlenin einer Form, die wir heute allgemein so schreiben wu¨rden (siehe Wu-ßing [14]) n ...

◦ Fur die rechte Seite erhalten wir dagegen unmittelbar den Grenzwert

8 ·{

1

π2+

1

9π2+

1

25π2+ . . .

}

.

Ein Vergleich beider Zwischenresultate liefert nach Multiplikation mit π2

8

π2

8= 1+

1

9+

1

25+ . . .=

1

12+

1

32+

1

52+ . . .

Damit ist Summendarstellung nach Gregory und Leibniz bewiesen.

6.6 Beweis der Darstellung von Euler

Die Eulersche Formel gewinnen wir endlich unter Verwendung der Gregory-Leibniz-

Formel nach folgender Uberlegung:13

S :=1

12+

1

22+

1

32+

1

42+ . . .

=

(

1

12+

1

32+

1

52+ . . .

)

+

(

1

22+

1

42+

1

62+ . . .

)

=π2

8+

1

4·S.

Umstellen dieser Identitat beweist auch diese Behauptung.

7 Losungen ausgewahlter Aufgaben

Aufgabe 2(i):n

∑k=1

2k = 2n

∑k=1

k = 2 · n(n+ 1)

2= n(n+ 1)

Aufgabe 2(ii):

n

∑k=1

(2k− 1) = 2n

∑k=1

k−n

∑k=1

1 = 2 · n(n+ 1)

2− n = n2 + n− n= n2

13Die unendliche, absolut konvergente Summe in der ersten Zeile dieser Rechnung wird in der zweiten

Zeile geeignet umgestellt. Gerade diese absolute Konvergenz in Zusammenhang mit dem Riemannschen

Umordnungssatz erlaubt diesen Schritt.

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Aufgabe 3: Das erste Schema:

◦ Das Schema zeigt (n+ 1) Kugeln in n Reihen ansortiert. Davon ist genau eine

Halfte weiß, die zweite Halfte grau gezeichnet.

◦ Die Summen

∑k=1

k, hier fur den Fall n = 7, ist an den weißen oder grauen Kugeln

direkt ablesbar.

Das zweite Schema:

◦ Das Schema zeigt die Summe der Zahlen von 1 bis 7, d.h. es ist n = 7, namlich:

k = 1 links oben, k = 2 zweite Zeile usw. bis k = 7 unterste Zeile.

◦ n2 ist die Zahl aller Kastchen des ins Quadrat gesetzte Schema.

◦ n2

2muss mit n

2erganzt werden, da nach Halbierung des quadratischen Schemas

genau die n2

grau gezeichneten Kastchen fehlen.

Aufgabe 4: Gezahlt werden nacheinander die weißen und die grauen Kugeln. Im

vorliegenden Fall ist n = 8.

Aufgabe 7(i): Wir berechnen

n

∑k=1

(2k+ 1)2 = 4n

∑k=1

k2 + 4n

∑k=1

k+n

∑k=1

1 =4n3

3+ 4n2+

11n

3

Aufgabe 8: Wir berechnen

16S21 = 16 · (1+ 2+ . . .+ n) ·S1 = 16 ·1 ·S1+ 16 ·2 ·S1+ . . .+ 16 ·n ·S1

und erhalten nach Umstellen

−8S1 − . . .− 8nS1+ 16S21 = 8S1 + . . .+ 8nS1

bzw. nach beiseitigem Addieren von 16S21 + 12, 16S2

1 + 22 usw.

(16S21 − 8S1+ 12)+ . . .+(16S2

1− 8nS1+ n2)+ 16S21

= (16S21 + 8S1 + 12)+ . . .+(16S2

1 + 8nS1+ n2).

Wir haben also auf beiden Seiten vollstandige Quadrate und konnen schreiben

(4S1 − 1)2 + . . .+(4S1− n)2 + 16S21 = (4S1 + 1)2 + . . .+(4S1 + n)2 .

Mit 16S1 = (4S1)2 ist die behauptete Identitat gezeigt.

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Aufgabe 10:

n

∑i=1

n

∑j=i

j =n

∑i=1

(

n

∑j=1

j−i−1

∑j=1

j

)

=n

∑i=1

j

∑k=1

−n

∑i=1

i−1

∑j=1

j

=n

∑i=1

n(n+ 1)

2−

n

∑i=1

i(i− 1)

2=

n2(n+ 1)

2− 1

2

n

∑i=1

i2 +1

2

n

∑i=1

i

=n2(n+ 1)

2+

n(n+ 1)

4− n(n+ 1)(2n+ 1)

12=

n(n+ 1)

2

(

n+1

2− 2n+ 1

6

)

=n(n+ 1)

2

(

2n

3− 1

3

)

=n(n+ 1)(2n+ 1)

6= S2(n)

Aufgabe 14: Das angegebene Verfahren ist sukzessive fur die Potenzen p = 2,3, . . .

durchzufuhren und liefert auf diese Weise nacheinander explizite Darstellungen fur die

Potenzsummen S2(n), S3(n) usw.

Aufgabe 15: Zu losen ist das lineare Gleichungssystem

a+ b+ c= 1, 8a+ 4b+ 2c= 5, 27a+ 9b+ 3c= 14.

Wir benutzen das Gaußsche Eliminationsverfahren:

1 1 1 1

8 4 2 5

27 9 3 14

−→

1 1 1 1

0 −4 −6 −3

0 −18 −24 −13

−→

1 1 1 1

0 4 6 3

0 18 24 13

−→

1 1 1 1

0 4 6 3

0 2 0 1

Aus der dritten Zeile lesen wir b = 12

ab. Eingesetzt in die zweite Zeile, erhalten wir

c = 16, und mit der ersten Zeile bekommen wir a = 1

3, insgesamt also

n

∑k=1

k2 =1

3n3 +

1

2n2 +

1

6n =

n(n+ 1)(2n+ 1)

6.

Aufgabe 19(i): Zu beweisen ist die Aussage

An :n

∑k=1

k2 =n(n+ 1)(2n+ 1)

6fur alle n ∈ N.

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◦ Induktionsanfang: Die Aussage A1 ist richtig, denn wir verifizieren

1

∑k=1

k2 = 1 undn(n+ 1)(2n+ 1)

6

n=1=

1 ·2 ·36

= 1.

◦ Induktionsschluss: Fur ein n ∈ N sei An richtig, d.h. es gelte

n

∑k=1

k2 =n(n+ 1)(2n+ 1)

6.

Dann ermitteln wir

n+1

∑k=1

k2 =n

∑k=1

k2 +(n+ 1)2 =n(n+ 1)(2n+ 1)

6+(n+ 1)2

=

(

n(2n+ 1)

6+(n+ 1)

)

· (n+ 1) =2n2 + 7n+ 1

6· (n+ 1)

=(n+ 2)(2n+ 3)

6· (n+ 1) =

(n+ 1)(n+ 2)(2n+ 3)

6.

Mit der Richtigkeit von An folgt die Richtigkeit von An+1.

Nach dem Prinzip der vollstandigen Induktion gilt daher die Aussage An fur alle n∈N.

Aufgabe 20: Einem grauen Viereck einer Große liegen stets drei nichtgraue Vierecke

gleicher Große gegenuber. Andererseits zahlen wir immer zwei weiße und ein graues

Viereck einer Große.

Aufgabe 24: Erstes Beispiel

q =1

2, also G =

12

1− 12

= 1

Zweites Beispiel

q =1

2also G =

14

1− 14

=1

3

Aufgabe 33: Wir berechnen namlich

S =

(

1√2− 1

− 1√2+ 1

)

+

(

1√3− 1

− 1√3+ 1

)

+

(

1√4− 1

− 1√4+ 1

)

+ . . .

=2

1+

2

2+

2

3+ . . . = 2

(

1+1

2+

1

3+ . . .

)

,

und die rechte Seite konvergiert nicht.

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Aufgabe 34: Es ist1

k(k+ 1)=

1

k− 1

k+ 1,

und daher giltn

∑k=1

1

k(k+ 1)=

n

∑k=1

(

1

k− 1

k+ 1

)

= 1− 1

n+ 1.

Im Grenzfall ist also∞

∑k=1

1

k(k+ 1)= 1.

Aufgabe 38: Beachte

Sn =3

12 ·22+

5

22 ·32+

7

32 ·42+ . . .+

2n+ 1

n2 · (n+ 1)2

=22 − 12

12 ·22+

32 − 22

22 ·32+

42 − 32

32 ·42+ . . .+

(n+ 1)2− n2

n2 · (n+ 1)2

=1

12− 1

22+

1

22− 1

32+

1

32− 1

42+ . . .− 1

n2+

1

n2− 1

(n+ 1)2

= 1− 1

(n+ 1)2.

Daher gilt

S = limn→∞

Sn = 1.

Aufgabe 42: Wir berechnen mit dem Pythagoreischen Lehrsatz

ℓ22n = σ2 +

(

ℓn

2

)2

= 1− 2

1−(

ℓn

2

)2

+ 1−(

ℓn

2

)2

+

(

ℓn

2

)2

= 2− 2

1−(

ℓn

2

)2

= 2− 2

1

4

(

4− ℓ2n

)

= 2−√

4− ℓ2n .

Nach Wurzelziehen folgt die Behauptung.

Literatur

[1] Forster, O.: Analysis 1. vieweg-Verlag, 2001

[2] Hildebrandt, S.: Analysis 1. Springer-verlag, 2005

[3] Jurgens, H.; Peitgens, H.-O.; Saupe, D.: Fractals for the classroom. Springer-

Verlag, 1992

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[4] Maor, E.: Trigonometric delights. Princeton University Press, 1998

[5] Nelsen, R.B.: Proofs without words I. The Mathematical Association of America,

1997

[6] Nelsen, R.B.: Proofs without words II. The Mathematical Association of America,

2000

[7] Spivak, M.: Calculus. Cambridge University Press, 1994

[8] Steiner, M.: Summen von Potenzen der ersten n naturlichen Zahlen. Die Wurzel,

September/Oktober 2008

[9] Stillwell, J.: Mathematics and its history. Springer-Verlag, 2002

[10] Strubecker, K.: Einfuhrung in die hohere Mathematik I. Verlag R. Oldenbourg,

1966

[11] Struik, D.J.: A concise history of mathematics. Dover, 1987

[12] Walter, R.: Analysis 1. Springer-Verlag, 1999

[13] Waltershausen, S. von: Gauss zum Gedachtnis. Verlag von S. Hirzel, 1856

[14] Wußing, H.: Vorlesungen zur Geschichte der Mathematik. Verlag Harri Deutsch,

2008

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