SÄZ BMS Schweizerische Ärztezeitung

28
Schweizerische Ärztezeitung SÄZ – BMS Bulletin des médecins suisses – Bollettino dei medici svizzeri – Gasetta dals medis svizzers Offizielles Organ der FMH und der FMH Services www.saez.ch Organe officiel de la FMH et de FMH Services www.bullmed.ch Bollettino ufficiale della FMH e del FMH Services Organ ufficial da la FMH e da la FMH Services 50 11.12. 2019 1691 Editorial von Jürg Schlup Wer will Teil der Lösung sein? 1696 FMH Korrekter Umgang mit Abgeltungen für gleich- wertige Gegenleistungen 1722 «Zu guter Letzt» von Bruno Kesseli Verdichtungskünstler mit immensem Spektrum 1692 FMH Stundenlohnstudie: stabile Ergebnisse Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Transcript of SÄZ BMS Schweizerische Ärztezeitung

Schweizerische Ärztezeitung

SÄZ – BMS Bulletin des médecins suisses – Bollettino dei medici svizzeri – Gasetta dals medis svizzers

Offizielles Organ der FMH und der FMH Services www.saez.ch Organe officiel de la FMH et de FMH Services www.bullmed.ch Bollettino ufficiale della FMH e del FMH ServicesOrgan ufficial da la FMH e da la FMH Services

50

11.

12. 2

019

1691 Editorialvon Jürg SchlupWer will Teil der Lösung sein?

1696 FMHKorrekter Umgang mit Abgeltungen für gleich­wertige Gegenleistungen

1722 «Zu guter Letzt» von Bruno KesseliVerdichtungskünstler mit immensem Spektrum

1692 FMHStundenlohnstudie: stabile Ergebnisse

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

INHALTSVERZEICHNIS 1689

Redaktion

Dr. med. vet. Matthias Scholer (Chefredaktor); Dipl.-Biol. Tanja Kühnle (Managing Editor); Julia Rippstein (Redaktorin Print und Online); Dr. med. Werner Bauer, Mitglied FMH; Prof. Dr. oec. Urs Brügger; Prof. Dr. med. Samia Hurst; Dr. med. Jean Martin, Mitglied FMH; Dr. med. Jürg Schlup, Präsident FMH; Charlotte Schweizer, Leitung Kommunikation der FMH; Prof. Dr. med. Hans Stalder, Mitglied FMH; Dr. med. Erhard Taverna, Mitglied FMH

Redaktion Ethik

Prof. Dr. theol. Christina Aus der Au; Prof. Dr. phil., dipl. Biol. Rouven PorzRedaktion Medizingeschichte

Prof. Dr. med. et lic. phil. Iris Ritzmann; Prof. Dr. rer. soc. Eberhard WolffRedaktion Public Health, Epidemiologie, Biostatistik

Prof. Dr. med. Milo PuhanRedaktion Recht

Dr. iur. Ursina Pally, Leiterin Rechtsdienst FMH

FMH

EDITORIAL: Jürg Schlup

1691 Wer will Teil der Lösung sein? 

DDQ: Beatrice Brunner, Esther Kraft

1692 Stundenlohnstudie: stabile Ergebnisse Zu Beginn des Jahres hat die ZHAW im Auftrag der FMH eine Studie zu den Stundenlöhnen von Ärztinnen und Ärzten im Vergleich zu anderen akademischen Berufsgruppen veröffentlicht. Nun liegt die überarbeitete Auflage der Studie vor. Da für die FMH Transparenz und eine verlässliche Datengrundlage die Basis für eine sachliche, faktenbasierte und lösungs orientierte Diskussion der Ärzteeinkommen sind, präsentiert der folgende Artikel die neuen Ergebnisse und nimmt Bezug zur Erhebung MAS.

AKTUELL: Bruno Henggi, Charlotte Schweizer

1696 Korrekter Umgang mit Abgeltungen für gleichwertige Gegenleistungen 

1699 Personalien

Weitere Organisationen und Institutionen

FORUMSANTE.CH: Daniel Lüthi

1701 «Das Privatleben dem Beruf opfern?»

EKTP: Macé M. Schuurmans, Lucrezia Meier-Schatz, Peter J. Schulz: im Namen der EKTP

1703 Stellungnahme der EKTP zu Elektronischen Zigaretten

Briefe / Mitteilungen

1704 Briefe an die SÄZ 1705 Facharztprüfung

FMH Services

1706 Stellen und Praxen (nicht online)

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

INHALTSVERZEICHNIS 1690

ImpressumSchweizerische ÄrztezeitungOffizielles Organ der FMH und der FMH ServicesRedaktionsadresse: Elisa Jaun, Redaktionsassistentin SÄZ, EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 72, [email protected], www.saez.ch

Verlag: EMH Schweizerischer Ärzte-verlag AG, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 55, www.emh.ch

Anzeigen: Markus Süess, Key Account Manager EMHTel. +41 (0)61 467 85 04, [email protected]

«Stellenmarkt/Immobilien/Diverses»: Inserateannahme, Tel. +41 (0)61 467 86 08, [email protected]

«Stellenvermittlung»: FMH Consulting Services, Stellenvermittlung, Postfach 246, 6208 Oberkirch, Tel. +41 (0)41 925 00 77, Fax +41 (0)41 921 05 86, [email protected], www.fmhjob.ch

Abonnemente FMH-Mitglieder: FMH Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, Elfenstrasse 18, 3000 Bern 15, Tel. +41 (0)31 359 11 11, Fax +41 (0)31 359 11 12, [email protected]

Andere Abonnemente: EMH Schweize-rischer Ärzteverlag AG, Abonnemente, Farnsburgerstrasse 8, 4132 Muttenz, Tel. +41 (0)61 467 85 75, [email protected]

Abonnementspreise: Jahresabonne-ment CHF 320.– zzgl. Porto.

ISSN: Printversion: 0036-7486 / elektronische Ausgabe: 1424-4004Erscheint jeden Mittwoch

© FMHDie Schweizerische Ärztezeitung ist aktuell eine Open-Access-Publikation. FMH hat daher EMH bis auf Widerruf ermächtigt, allen Nutzern auf der Basis der Creative-Commons-Lizenz «Namens nennung – Nicht kommer- ziell – Keine Bearbeitung 4.0 inter-national» das zeitlich unbeschränkte Recht zu gewähren, das Werk zu ver-vielfältigen und zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen. Der Name des Verfassers ist in jedem Fall klar und transparent auszuweisen. Die kommer zielle Nutzung ist nur mit

ausdrück licher vorgängiger Erlaubnis von EMH und auf der Basis einer schriftlichen Vereinbarung zulässig.

Hinweis: Alle in dieser Zeitschrift pu-blizierten Angaben wurden mit der grössten Sorgfalt überprüft. Die ange-gebenen Dosierungen, Indikationen und Applikationsformen, vor allem von Neuzulassungen, sollten in jedem Fall mit den Beipackzetteln der verwende-ten Medikamente verglichen werden.

Herstellung: Die Medienmacher AG, Muttenz, www.medienmacher.com

Titelbild: © Benjawan Sittidech | Dreamstime.com

Tribüne

RECHT: Marco Weiss

1714 Neue Rechtslage bei  Suchterkrankungen

STANDPUNKT: Markus Zürcher

1717 Eine nachhaltige, finanzierbare Gesundheitsversorgung mit Nietzsche

Horizonte

BEGEGNUNG MIT … MARINA CAROBBIO GUSCETTI: Daniel Lüthi

1718 «Wir müssen den Pflegenden mehr Verantwortung übergeben»

AUSSTELLUNG: Jürg Kesselring

1721 Frieden hat seinen Preis

Zu guter Letzt

Bruno Kesseli

1722 Verdichtungskünstler mit immensem Spektrum

HUBER

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Wer will Teil der Lösung sein? Jürg Schlup

Dr. med., Präsident der FMH

Als die Tarifpartner curafutura und FMH am 12. Juli dieses Jahres der Bundeskanzlei gemeinsam ihre Tarif­struktur TARDOC übergaben, war ein lange angestreb­tes und unter grossen Anstrengungen erarbeitetes Ziel erreicht!In den Jahren zuvor hatte es oftmals düster rund um die Tarifrevision ausgesehen. Nicht zuletzt die politi­schen Rahmenbedingungen hatten die Konsensfin­dung unter den Tarifpartnern erschwert und ein Schei­tern der Revision für einige Akteure sogar attraktiv erscheinen lassen: Wer glaubt, dass der Bundesrat mit seiner subsidiären Kompetenz die eigenen Interessen im Zweifelsfall durchsetzen wird, setzt nicht auf tarif­partnerschaftliche Lösungen.

Gleichzeitig stieg der Druck, eine aktualisierte Tarif­struktur vorzulegen: Die Politik betonte regelmässig und über Jahre, wie dringend notwendig ein sach­gerechter ambulanter Arzttarif sei. Angesichts der langwierigen Revisionsarbeiten wurde sogar die Tarif­autonomie grundsätzlich in Frage gestellt – und zu­sätzliche staatliche Kompetenzen wurden gefordert.Die gemeinsame Eingabe der revidierten Tarif­struktur letzten Sommer stellte in dieser Situation einen veritablen Durchbruch dar. Auch wenn sich nicht alle Tarifpartner beteiligt haben, legt diese Tarifrevision die Basis für eine nachhaltige Lösung: Auf Grundlage der vorgelegten Struktur kann der Bundesrat einen klaren Prozess mit einem konkreten Zeitplan definieren und die aus seiner Sicht notwendi­gen Schritte für eine schnellstmögliche Inkraftsetzung bekanntgeben.Wer nun erwartet hat, dass dieser vorgelegte Ball auf­genommen und Richtung Tor gespielt wird, sieht sich getäuscht. Obwohl der Bund über Jahre hinweg regel­mässig auf die hohe Dringlichkeit der Tarifrevision hingewiesen hatte, geniesst die Prüfung des Tarifvor­schlags keine hohe Priorität. Bis heute – fünf Monate nach Eingabe des Tarifs – steht eine formelle Rückmel­dung über das weitere Verfahren und den zeitlichen Ablauf noch aus. In seiner Antwort auf die Interpella­tion 19.4015 «Tardoc – Ende in Sicht im Tarifstreit?»

schrieb der Bundesrat am 20. November 2019 sogar, aktuell könnten nicht einmal «Angaben dazu gemacht werden, ob und wann eine allfällige Vernehmlassung zu einer Tarifstruktur für ambulante ärztliche Leistungen eröffnet werden kann» [1].Die genannten Gründe wirken wenig lösungsorien­tiert: Obwohl sich curafutura, die Unfallversicherer MTK und die FMH auf eine Tarifstruktur geeinigt haben, meint der Bundesrat, es seien deren zwei. Tat­sache ist, dass eine gemeinsame Tarifstruktur, aber zwei verschiedene Vorschläge zu deren kostenneutraler Einführung eingereicht wurden. Der Umstand, dass die eingereichte Tarifstruktur zwei Varianten einer kostenneutralen Einführung zulässt, ändert jedoch nichts daran, dass ein und dieselbe Tarifstruktur zu­grunde liegt. Diese gemeinsame Struktur als Lösungs­weg aufzugreifen wäre das Gebot der Stunde – statt sich in akademischen Wortklaubereien zu verlieren.Wenig zielführend erscheint auch der Einwand des Bundesrats, dass sich «nur ein Teil der Tarifpartner […] an der Eingabe beteiligt hat» [1]: Soll es den konstrukti­ven, einreichenden Akteuren zum Nachteil gereichen, dass andere sich verweigern? Nun den Tarifpartnern eine Frist einzuräumen, «um sich in der notwendigen Zusammensetzung auf eine revidierte Tarifstruktur zu einigen» [1], oder den Blockierern Sonderrechte für

Stellungnahmen einzuräumen würde letztlich wieder die Verweigerung belohnen – und eine tarifpartner­schaftliche Revision stark verzögern oder verhindern.Wer eine tragfähige partnerschaftliche Tarifrevision möchte, sollte die konstruktiven Kräfte stärken, die eine solche Tariflösung liefern. Der Umgang mit dem eingereichten Tarifvorschlag wird zeigen, wer Teil der Lösung sein will.

Literatur1 Stellungnahme des Bundesrats vom 20.11.2019 zur Interpellation

19.4015 «Tarifstruktur Tardoc. Ende in Sicht im Tarifstreit?», einge­reicht von Regine Sauter am 11.9.2019 im Nationalrat. URL: https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche­curia­vista/geschaeft?AffairId=20194015

Die eingereichte Tarifrevision ist ein Durch­bruch hin zu einer nachhaltigen Lösung – geniesst beim Bund jedoch keine Priorität.

Der Umgang mit dem eingereichten Tarif­vorschlag wird zeigen, wer Teil der Lösung sein will.

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1691

FMH Editorial 1691

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Stundenlohnstudie: stabile ErgebnisseBeatrice Brunnera, Esther Kraftb

a WIG/ZHAW, Co-Leiterin Gesundheitsökonomische Forschung, Winterthur; b FMH, Leiterin Abteilung Daten, Demographie und Qualität (DDQ), Bern

Einleitung

Zu Beginn des Jahres hat die ZHAW im Auftrag der FMH eine Studie zu den Stundenlöhnen von Ärztinnen und Ärzten im Vergleich zu anderen akademischen Berufs­gruppen veröffentlicht [1]. Nun liegt die überarbeitete Auflage der Studie vor [2]. Da für die FMH Transpa­renz und eine verlässliche Datengrundlage die Basis für eine sachliche, faktenbasierte und lösungs­orientierte Diskussion der Ärzteeinkommen sind, präsentiert der folgende Artikel die neuen Ergeb­nisse und nimmt Bezug zur Erhebung MAS (Medical Ambulatory – Structure) des Bundesamtes für Statistik BFS.

Ziel der Studie «Gleiches mit  Gleichem vergleichen»

Das Ziel der Stundenlohnstudie ist die Berechnung der effektiven Stundenlöhne der Ärzteschaft in der Schweiz unter Berücksichtigung der tatsächlichen Wo­

chenarbeitszeit, der Anzahl der bezogenen Ferientage und der kantonalen Feiertage (zwischen Montag und Freitag). Auf derselben Datenbasis werden auch die Stundenlöhne anderer akademischer Berufsgruppen berechnet und mit denjenigen der Ärztinnen und Ärzte verglichen.

Abbildung 1: Stundenlöhne bzw. -einkommen für verschiedene akademische Berufe (2014–2017).

Das Ziel der Stundenlohnstudie ist die Berechnung der effektiven Stundenlöhne der Ärzteschaft in der Schweiz.

FMH DDQ 1692

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1692–1695

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Im Januar 2019 wurden die Resultate der ersten Auflage dieser Studie veröffentlicht [1]. In der zweiten Auflage [2] werden durch Nutzung zusätzlicher Daten erstens die Ärzte vollständiger identifiziert und dadurch die Repräsentativität verbessert, und zweitens die Stun­denlöhne präziser abgebildet.Die Studie verwendet die Schweizer Arbeitskräfte­erhebung (SAKE) als Grundlage. Die SAKE ist eine jähr liche vom BFS durchgeführte Stichprobenerhe­bung in Form einer Personenbefragung, die pro Jahr ca.  40 000 Erwerbspersonen erfasst. Sie enthält unter anderem Informationen zu Beruf, Erwerbsstatus, Wirt­schaftszweig des Arbeitsbetriebes, Einkommen, den bezo genen Ferientagen sowie den tatsächlich geleisteten

wöchentlichen Arbeitsstunden. Wir danken dem BFS für die technischen Bemerkungen, die im Rahmen der ers­ten Version der Studie eingegangen sind und welche bei der zweiten Auflage berücksichtigt worden sind.

Ergebnisse der Stundenlohnstudie

Das standardisierte Brutto­Jahreseinkommen der in der SAKE erfassten Ärzte lag 2014–2017 im Median bei

148 000 CHF, wie die Abbildung 2 zeigt. Sie liegen damit unter den betrachteten Berufsgruppen an dritter Stelle. Das höchste Medianeinkommen weisen die Zahnärzte mit 155 000 CHF/Jahr auf, gefolgt von den Anwälten und Richtern mit 151 000 CHF/Jahr. Die Unterschiede akzentuieren sich, wenn die Stundenlöhne verglichen

werden. Die Ärzte liegen mit einem Median­Stunden­lohn von 68 CHF auf dem vierten Platz (Abb. 1). Weil die Repräsentativitätsanalyse zeigte, dass junge Ärzte (v.a. unter 35 Jahren) in der SAKE überrepräsen­tiert und damit die Ärztelöhne unterschätzt sind, wurde derselbe Vergleich nochmals für Personen ab einem Alter von 35 Jahren durchgeführt. Dadurch wird ein Grossteil der Assistenzärzte ausgeschlossen, da das Durchschnittsalter bei Erwerb des Facharzt­titels bei ungefähr 36 Jahren liegt. Das standardisierte Brutto­Jahreseinkommen der in der SAKE erfassten Ärzte ab 35 Jahren lag im Median bei 168 000 CHF (Abb. 4). Damit liegen sie an erster Stelle, knapp vor den Zahn­ärzten (166 000 CHF/Jahr) und den Anwälten und Rich­tern (163 000 CHF/Jahr) und Volkswirten (162 000 CHF/Jahr). Eine andere Reihenfolge ergibt sich für die Stun­denlöhne. Die Ärzte liegen mit einem Median­Stun­

Abbildung 2: Jahreseinkommen (VZÄ std.) für verschiedene akademische Berufe (2014–2017).

Die SAKE ist eine jährliche vom BFS durch­geführte Stichprobenerhebung in Form einer Personenbefragung.

Die Ärzte liegen mit einem Median­Stundenlohn von 78 CHF erneut auf dem vierten Platz.

FMH DDQ 1693

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1692–1695

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

denlohn von 78 CHF erneut auf dem vierten Platz. An erster Stelle stehen die Zahnärzte mit 88 CHF/h, gefolgt von den Volkswirten mit 86 CHF/h und den Anwälten und Richtern mit 82 CHF/h (Abb. 3).Beide Vergleiche zeigen, dass das relativ hohe Jahres­einkommen der Ärzte im Vergleich zu anderen akade­mischen Berufsgruppen u.a. durch überdurchschnitt­liche Arbeitszeiten zustande kommt. Im Median arbeiteten die Ärzte/Ärztinnen ab 35 Jahren 49,5  Stunden pro Woche, was im Vergleich zu den an deren Berufen einem deutlich höheren Arbeits­volumen entspricht.

Ergebnisse MAS 2017

Das Bundesamt für Statistik (BFS) publizierte am 24.10.2019 die Ergebnisse aus der Erhebung MAS zu den Strukturdaten der Arztpraxen und ambulanten Zen­tren aus dem Jahr 2017 [3]. Die Erhebung erfolgte auf

Basis von Artikel 23 und Artikel 59a des Krankenver­sicherungsgesetzes (KVG) und in Anwendung des Bun­desstatistikgesetzes (BStatG). Sie diente sta tistischen und aufsichtsrechtlichen Zwecken. Im Vergleich zur

ersten Erhebung hat sich die Kontakt­ und Antwort­quote wesentlich verbessert (von 70 auf 82% bzw. von 52 auf 68%). Damit erlaubte die MAS­Erhebung 2017 eine fundierte Analyse der Finanzsituation der Arztpraxen und ambulanten Zentren in der Schweiz. Die Analyse weist für die in Einzelpraxen tätigen Ärzte einen Ge­samtertrag (Median) von 428 000 CHF und eine n Ge­

samtaufwand von 263 000 CHF (Median) aus. Ihr Net­toeinkommen betrug somit 154 000 CHF (Media n) im Jahr 2017. Vom Ertrag aus Praxistätigkeit stammten im Schnitt 85% aus der obligatorischen Krankenversiche­rung [3]. Die MAS­2017­Ergebnisse weisen für die Ärz­tinnen und Ärzte eine Wochen arbeitszeit von durch­schnittlich 40 Stunden aus, was einem 75%­Pensum entspricht. Dies bedeutet, dass die Ärztinnen und Ärzte eine rund ein Viertel höhere Wochen arbeitszeit ausweisen, als die übliche Wochenarbeitszeit in der Schweiz beträgt. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Stundenlohnstudie, welche zeigt, dass die Ärzte knapp 18% mehr arbeiten als die anderen akademi­schen Berufsgruppen. Gemäss den in der Stunden­lohnstudie ausgewiesenen Ferien der Ärztinnen und Ärzte kann bei den MAS­2017­Daten approximativ

Abbildung 3: Stundenlöhne bzw. -einkommen für verschiedene akademische Berufe (2014–2017), ab 35 Jahren.

Die MAS­Erhebung weist für die in Einzel­praxen tätigen Ärzte ein Nettoeinkommen von 154 000 CHF aus.

Vom Ertrag aus Praxistätigkeit stammten im Schnitt 85% aus der obligatorischen Krankenversicherung.

FMH DDQ 1694

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1692–1695

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Abbildung 4: Jahreseinkommen (VZÄ std.) für verschiedene akademische Berufe (2014–2017), ab 35 Jahren.

Beatrice Brunner WIG/ZHAW Gertrudstrasse 15 CH­8401 Winterthur beatrice.brunner[at]zhaw.ch Esther Kraft FMH Elfenstrasse 18 CH­3000 Bern 15 esther.kraft[at]fmh.ch

von einem Netto­Stundenlohn in Einzelpraxen von ca. 84 CHF ausgegangen werden.

Fazit und Ausblick

Die überarbeitete Stundenlohnstudie berechnet und vergleicht die Stundenlöhne von Ärzten und anderen Berufsgruppen in der Schweiz. Damit wird innerhalb eines statistisch klar definierten Kollektivs (SAKE) «Gleiches mit Gleichem» verglichen.Die MAS­2017­Erhebung des BFS, welche die Wochen­arbeitszeit neu auch erfasst, ermöglicht erstmals die Validierung der Resultate der Stundenlohnstudie. Wie

der approximative Vergleich zeigt, sind die Ergebnisse vergleichbar und ermöglichen somit eine sach liche, fak­tenbasierte und lösungsorientierte Diskussion.

Literatur1 Brunner B, Kraft E. Stundenlohnstudie – Vergleich zwischen

Ärzten und anderen Berufsgruppen. Schweiz Ärzteztg. 2019;100(6):158–9.

2 Studie Brunner: https://digitalcollection.zhaw.ch/bit­stream/11475/18477/1/2019_Stundenlohn%20Aerzte_Brunner.pdf

3 MAS 2017 – Ergebnisse, Website BFS; https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitswesen/arztpra­xen.html

BildnachweiseWIG/ZHAW

FMH DDQ 1695

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1692–1695

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Artikelserie Teil 3: Neue Vorschriften im Heilmittelgesetz

Korrekter Umgang mit Abgeltungen für gleichwertige GegenleistungenBruno Henggia, Charlotte Schweizerb

a Verantwortlicher Public Affairs der FMH; b Leiterin Abteilung Kommunikation der FMH

Für Ärztinnen und Ärzte bedeutet dies, dass sie sich mit den Änderungen der neuen Verordnung vertraut machen müssen, um die neuen Bestimmungen acht­sam und sorgfältig umsetzen zu können. Weiter müs­sen Ärztinnen und Ärzte ihre diesbezüglichen Hand­lungen konsequent und umfassend dokumentieren. Als Berufsverband erachtet es die FMH als ihre Pflicht, ihre Mitglieder auf die strengere Regelung aufmerk­sam zu machen und sie kontinuierlich und regel­mässig über die neuen gesetzlichen Bestimmungen zu informieren. Dies möchten wir in anschaulicher Form in einer Artikelserie in vier Teilen realisieren.Im vorliegenden Beitrag gehen wir näher auf Fragen ein, welche sich im Zusammenhang mit Abgeltungen für gleichwertige Gegenleistungen eines Arztes oder einer Ärztin stellen. Wir behandeln diese anhand von praktischen Beispielen, wie sie sich im Berufsalltag von Ärztinnen und Ärzten ergeben können.

Abgeltung für gleichwertige Gegenleistungen

Frage: Was beinhalten Abgeltungen für gleichwertige Gegenleistungen?Antwort: Damit eine Abgeltung entsprechend der neuen Verordnung zulässig ist, muss eine gleichwer­tige Gegenleistung seitens der medizinischen Fachper­

Am 1. Januar 2020 treten neue Vorschriften betreffend den Umgang mit Heilmit­teln in Kraft. Die neuen Bestimmungen bringen strengere Regelungen mit sich, welche direkt für den Berufsalltag von Ärztinnen und Ärzten relevant sind. Sie sind in der Verordnung «Integrität und Transparenz im Heilmittelbereich (VITH)» festgehalten. Diese hat zum Ziel, die Integrität im Umgang mit Arzneimitteln zu stärken und dessen Transparenz zu erhöhen. Daher reguliert sie Preisrabatte und Abgeltungen seitens Arzneimittellieferanten stark und detailliert. Weiter enthält sie Bestimmungen über Unterstützungsbeiträge im Bereich Forschung sowie Wei­ter­ und Fortbildung. Auch für die Annahme von Geschenken oder Einladungen zum Essen gibt es strikte Vorschriften.

son – zum Beispiel einer Ärztin oder eines Arztes – er­folgen. Diese Gegenleistungen beim Einkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln können bei­spielsweise die Übernahme von Logistikaufwand, La­gerkosten oder Lagerrisiko beinhalten. Die Aufwände können entsprechend in Form von Mengenrabatten abgegolten werden. Auch Lehr­, Gutachtens­ und Bera­tungstätigkeiten oder die Durchführung von wissen­schaftlichen Studien und klinischen Versuchen kön­nen als adäquate und zulässige Gegenleistungen gelten. Denkbar sind weiter Praxiserfahrungsberichte, die in wissenschaftlich anerkannten Fachmedien publiziert werden können. Auch das Mitwirken in Be­ratungsgremien, Workshops oder an Marktforschun­gen kann abgegolten werden, soweit kein Werbezweck besteht.Vorausgesetzt für die Zulässigkeit der Abgeltung der erwähnten Gegenleistungen ist erstens immer eine schriftliche Vereinbarung, aus welcher Art und Um­fang von Gegenleistung und Abgeltung hervorgehen. Zweitens muss die Abgeltung in einem angemessenen Verhältnis zur Gegenleistung stehen.Wichtig zu wissen ist auch, dass Leistungen, die eine Fachperson entweder für sich selbst erbringt, in Er­füllung gesetzlicher Verpflichtungen ausführt oder bereits anderweitig vergütet erhält, nicht mittels einer zusätzlichen Abgeltung entschädigt werden dürfen.

FMH Aktuell 1696

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1696–1698

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Im Rahmen von sogenannten Fachgesprächen ist die  Übernahme von Verpflegungskosten auch ohne schriftliche Vereinbarung zulässig, soweit die Verpfle­gungskosten für den Arzt oder die Ärztin CHF  100 nicht übersteigen. Wird dieser Betrag überschritten, ist auch für Verpflegungskosten während eines Fach­gesprächs eine schriftliche Vereinbarung notwendig. Auch hier gilt, dass die Gegenleistung der Fachperson in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten der Verpflegung stehen muss. Es darf sich hierbei also nicht lediglich um eine Einladung zu einem Geschäfts­essen handeln.

Gleichwertigkeit der Abgeltung

Frage: Wie ist festzustellen, ob eine Abgeltung gleich­wertig ist mit der erbrachten Gegenleistung?Antwort: Eine allgemeingültige Antwort kann hier nicht gegeben werden. Gefordert ist vorab der gesunde Menschenverstand. Wichtig ist die Angemessenheit des Verhältnisses zwischen Gegenleistung und Ab­geltung. Fällt die Abgeltung aus dem Rahmen, sollte darauf verzichtet werden. Bei Grenzfällen besteht die  Möglichkeit, beim Pharmaunternehmen bzw. bei der verantwortlichen Person eine Bestätigung für die Gleichwertigkeit einzuholen. Wird diese nicht erteilt, sollte aus Sicherheitsüberlegungen geprüft werden, eine solche Abgeltung abzulehnen.

Onlinebestellungen

Frage: Eine Firma hat entschieden, keine Rabatte mehr zu gewähren. Sie zahlt dem Leistungserbringer jedoch bei Onlinebestellungen 1% als Gegenleistung. Ist diese Preisreduktion zulässig?Antwort: Beim Preiserlass von 1% kann es sich um eine Abgeltung (der Lieferantin) für eine Gegenleistung (des  Leistungserbringers) handeln, namentlich hin­sichtlich der Vereinfachung des Bestellprozesses. Ab­geltungen für Gegenleistungen müssen auf einer schrift lichen Vereinbarung beruhen und in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, damit sie zulässig sind. Wir empfehlen, hierfür von der Firma einen schriftlichen Rahmenvertrag zu verlangen, mit dem die Firma die Gleichwertigkeit der Gegenleistung und Abgeltung bestätigt und der gleichzeitig die Gegen leistung (Onlinebestellung) umschreibt. Werden diese Voraussetzungen erfüllt, so sind solche Abgel­tungen für Gegenleistungen von Ärztinnen und Ärz­ten zulässig.Sollte die Firma die Gleichwertigkeit zwischen Gegen­leistung und Abgeltung nicht bestätigen, oder wird keine schriftliche Vereinbarung abgeschlossen, so

liegt eben gerade keine Abgeltung für gleichwertige Leistungen, sondern ein Preisrabatt vor. In solchen Fäl­len empfehlen wir, den erhaltenen Preisrabatt jeweils direkt an die Patientinnen und Patienten weiterzu­geben oder den vollen Preis zu bezahlen.

Skonto

Frage: Eine Fachperson erhält für den Medikamenten­einkauf Skonto von 3% bei Bezahlung der Rechnung inner t 10 Tagen. Dürfen Ärztinnen und Ärzte diesen Preisnachlass annehmen?Antwort: Dieser Skonto stellt grundsätzlich eine Ge­genleistung dar: Ein Skonto bedeutet Liquidität für das Unternehmen sowie auch eine Reduzierung des Inkas­sorisikos. Für die Abgeltung von gleichwertigen Ge­genleistungen ist allerdings ab dem 1. Januar 2020 neu eine schriftliche Vereinbarung vorausgesetzt. Weiter muss die Abgeltung gleichwertig sein, damit sie zu­lässig ist. Es stellt sich hier also die Frage, ob dies bei 3% noch der Fall ist. Die Zulässigkeit der Höhe solcher Skonti muss künftig durch die Gerichte geklärt wer­den. Aus Vorsichtsgründen sollten Skonti einstweilen nicht höher als 2% angesetzt werden.

Gesetzliche Grundlage VITH: Erläuterung

Der Zweck der neuen gesetzlichen Grundlage ist zu vermeiden, dass die Verschreibung, Abgabe, Anwen­dung oder der Einkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch Zuwendungen jedweder Art be­einflusst wird. Anstatt ein vollständiges Verbot von Zuwendungen durchzusetzen, definiert die neue Ver­ordnung einen Ausnahmekatalog, der abschliessend auflistet, was rechtlich weiterhin möglich sein soll.Darunter fallen auch Abgeltungen für gleichwertige Gegenleistungen, insbesondere für solche bei Bestel­lungen und Lieferungen von Heilmitteln. Die Gleich­wertigkeit von Gegenleistungen und Abgeltungen muss mittels einer schriftlichen Vereinbarung festge­halten werden. Zudem muss sie nachvollziehbar und so präzise wie möglich beschrieben werden. Erfahrun­gen darüber, was die Behörden dereinst als gleichwer­tig einstufen werden, gibt es bisweilen noch keine. Die Behörde will sich namentlich an folgenden Richtlinien orientieren, welche in den Erläuterungen zur Verord­nung genannt sind:– Die Gegenleistung muss bezüglich Umfang und

Aufwand dem Wert der Abgeltung ungefähr ent­sprechen.

– Die Abgeltung muss mittels separater Zahlung oder Verrechnung der Leistung erfolgen.

– Gegenleistungen im Rahmen der ordentlichen be­

FMH Aktuell 1697

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1696–1698

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

ruflichen Tätigkeit sind geringer zu entschädigen als jene, die einen Zusatzaufwand dieser Tätigkeit erfordern.

– Unzulässig sind Abgeltungen für Leistungen, die der Fachperson keinen zusätzlichen Aufwand ver­ursachen. Damit sind Leistungen gemeint, die ohne hin erbracht werden müssen.

– Unzulässig sind auch Mehrfachabgeltungen, d.h., dass die Gegenleistung bereits anderweitig vergütet wurde, so zum Beispiel über den Lohn oder über die Rechnungsstellung an die Kundschaft oder die Ver­sicherung.

– Nicht abgegolten werden darf Aufwand, der den Fachpersonen selbst direkten Nutzen bringt.

Vom Erfordernis der vorgängigen schriftlichen Ver­einbarung ausgenommen ist die Übernahme von Ver­pflegungskosten durch ein Pharmaunternehmen im Rahmen eines Fachgesprächs. In diesem Fall darf der Gegenwert der Mahlzeit inklusive Getränke jedoch den Wert von 100 Franken nicht überschreiten.

Art. 7 Abgeltungen für gleichwertige Gegenleistungen1 Als Abgeltungen für gleichwertige Gegenleistungen

einer Fachperson oder Organisation nach Artikel 55 Absatz 2 Buchstabe c HMG zulässig sind Abgeltun­gen, die:

a. auf einer schriftlichen Vereinbarung basieren, woraus Art und Umfang von Gegenleistung und Abgeltung hervorgeht; und

b. in einem angemessenen Verhältnis zur Gegen­leistung stehen.

2 Im Rahmen eines Fachgesprächs ist die Übernahme von Verpflegungskosten bis höchstens 100 Franken von der Verpflichtung nach Absatz 1 Buchstabe a ausgenommen.

3 Nicht abgegolten werden dürfen insbesondere Leis­tungen, die eine Fachperson oder Organisation:

a. für sich selbst erbringt; b. in Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen er­

bringt; oder c. anderweitig vergütet erhält.4 Abgeltungen nach Absatz 1 sind insbesondere zu­

lässig für: a. Gegenleistungen beim Einkauf von verschrei­

bungspflichtigen Arzneimitteln wie die Über­nahme von Logistikaufwand, Lagerkosten oder Lagerrisiko;

b. Lehr­, Gutachtens­ und Beratungstätigkeiten oder die Durchführung von wissenschaftlichen Studien und klinischen Versuchen;

c. Praxiserfahrungsberichte, die in einem wissen­schaftlich anerkannten Fachmedium publiziert sind;

d. Mitwirkung in Beratungsgremien, Workshops oder an Marktforschungen, soweit kein Werbe­zweck besteht.

Wir empfehlen Ärztinnen und Ärzten, Vorsichtsmassnahmen zu

treffen. Namentlich empfiehlt es sich:

– die Gleichwertigkeit von Gegenleistung und Abgeltung schrift-

lich bestätigen zu lassen;

– Vergütungen weiterzugeben, wenn keine Bestätigung der

Gleichwertigkeit vorliegt.

CAS Qualität in der Medizin für die patientennahe Arbeitspraxisinterprofessionell und sektorenübergreifend

KursdauerMärz bis September 2020

Anmeldungbis 3. 2. 2020 unter bfh.ch/gesundheit/weiterbildung/cas/qualitaet-in-der-medizin

Werden Sie zu Spezialistin-nen und Spezialisten im Qualitätsmanagement! Sie lernen, eigenständig Projekte in den Bereichen Qualitätsentwicklung und Patientensicherheit zu erarbeiten und umzusetzen.

lex[at]fmh.ch

FMH Aktuell 1698

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1696–1698

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Todesfälle / Décès / DecessiBetty Denzler-Rigotti (1933), † 6.8.2019, 2000 Neuchâtel

Stephan König (1945), † 18.11.2019, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, 3900 Brig

Fred Rudolf Morgenthaler (1934), † 19.11.2019, Spécialiste en chirurgie, 1110 Morges

Peter Schudel (1946), † 20.11.2019, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, 3655 Sigriswil

Jean-Daniel Stucki (1929), † 24.11.2019, Spécialiste en psychiatrie et psychothérapie d’enfants et d’adolescents et Spécialiste en psychiatrie et psychothérapie, 1204 Genève

Aargauischer ÄrzteverbandZur Aufnahme in den Aargauischen Ärzteverband haben sich angemeldet:

Als ordentlich praktizierende Mitglieder:

Silvia Brims Koponen, 5443 Niederrohrdorf, Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin und Fachärztin für Intensivmedizin, FMH, Praxiseröffnung in Praxisgemeinschaft in Niederrohrdorf seit 1. November 2019

Samuel Conrad, 5416 Kirchdorf, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Facharzt für Dermatologie und Venerologie, FMH, Praxis-eröffnung in Praxisgemeinschaft in Baden seit 1. Februar 2019

Susanne Flückiger, 4600 Olten, Fachärztin für Gastroenterologie, FMH, angestellt bei Gastroenterologie Aarau AG per 1. Januar 2020

Rainer Galaske, 4051 Basel, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Praxiseröffnung in Praxisgemeinschaft in Leuggern seit 18. Oktober 2019

Florian Hofbauer, 6343 Rotkreuz, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Facharzt für Kardiologie, FMH, angestellt in der Kar-diologie Mittelland AG in Aarau seit 1. Dezem-ber 2019

Judith Kasper, D-79100 Freiburg, Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin, angestellt im Gesundheitszentrum Fricktal AG in Rhein-felden seit 1. September 2019

Katerina Lackmann, 5621 Zufikon, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, FMH, Praxiseröffnung in Bremgarten per 1.  Januar 2020

Christiane Maier-Weiterschan, 5630 Muri, Praktische Ärztin, FMH, angestellt in Praxis in Waltenschwil seit 14. Oktober 2019

Oliver Ranze, 8908 Hedingen, Facharzt für  Allgemeine Innere Medizin, FMH, Praxis-eröffnung in Praxisgemeinschaft in Muri per 1. Februar 2020

Petra Ranze, 8908 Hedingen, Praktische Ärztin, Praxiseröffnung in Praxisgemein-schaft in Muri seit 1. Dezember 2019

Klaus Sandrock, 5330 Bad Zurzach, Praktischer Arzt, angestellt in Reha Center Bad Zurzach per 1. Januar 2020

Haidar Hojjat Shamamy, 8406 Winterthur, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, angestellt in Praxis Gruppe Würenlingen AG seit 14. Oktober 2019

Roger Sprecher Nussbaum, 8006 Zürich, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, FMH, Praxiseröffnung in Praxisgemeinschaft in Lenzburg per 1. Januar 2020

Axel Stamm, 5210 Windisch, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, FMH, Praxiseröff-nung in Praxisgemeinschaft in Baden seit 1. Dezember 2019

Gabriela Schmidlin, 4058 Basel, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, FMH, Praxiseröffnung in Rheinfelden per 1. August 2020

Als Assistenz- und Oberarztmitglieder:

Mirjam Bywater, 5610 Wohlen, Fachärztin für Urologie, FMH, Oberärztin im Kantonsspital Aarau AG seit 1. Oktober 2019

Wojciech Zbigniew Kosikowski, 4583 Murgen-thal, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin und Facharzt für Gastroenterologie, Assis-tenzarzt bei Magen Darm Aarau AG seit 1. Ok-tober 2019

Diese Kandidaturen werden in Anwendung von Art. 5 der Statuten des Aargauischen Ärzteverbandes veröffentlicht. Einsprachen müssen innert 14 Tagen seit der Bekannt-machung schriftlich und begründet der Geschäftsleitung des Aargauischen Ärzte-verbandes eingereicht werden. Nach Ablauf der Einsprachefrist entscheidet die Ge-schäftsleitung über Gesuch und allfällige Einsprachen.

FMH Personalien 1699

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1699–1700

Personalien

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Ärztegesellschaft des Kantons BernÄrztlicher Bezirksverein Bern RegioZur Aufnahme als ordentliches Mitglied hat sich angemeldet:

Anna Glauser Gerber, Fachärztin für Allge-meine Innere Medizin, FMH, Praxiszen-trum am Bahnhof Bern Hirslanden, Park-terrasse 10, 3012 Bern

Zur Aufnahme als ordentliches Mitglied in leitender Tätigkeit hat sich angemeldet:

Roland Seiler-Blarer, Facharzt für Urologie, Leitender Arzt, Universitätsklinik für Urologie, Inselspital, 3010 Bern

Einsprachen gegen diese Vorhaben müssen innerhalb 14 Tagen seit der Veröffentlichung schriftlich und begründet bei den Co-Präsi-denten des Ärztlichen Bezirksvereins Bern Regio eingereicht werden. Nach Ablauf der Frist entscheidet der Vorstand über die Aufnahme der Gesuche und über die allfälligen Einsprachen.

Ärztegesellschaft des Kantons LuzernZur Aufnahme in unsere Gesellschaft Sektion Gäu hat sich gemeldet:

Miklós Makai, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, ab April 2020: FRAUEN-ZENTRUM-SURSEE, Centralstrasse 14a, 6210 Sursee

Einsprachen sind innert 20 Tagen nach der Publikation schriftlich und begründet zu richten an: Ärztegesellschaft des Kantons Luzern, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern

Ärzte-Gesellschaft des Kantons ZugZur Aufnahme in die Ärzte-Gesellschaft des Kantons Zug als ordentliches Mitglied hat sich angemeldet:

Josef Michael Perseus, Facharzt für Innere Me-dizin und Facharzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation, FMH, Klinik Adelheid AG, Höhenweg 71, 6314 Unterägeri

Einsprachen gegen diese Kandidatur müssen innerhalb 14 Tagen seit dieser Veröffent-lichung schriftlich und begründet beim Sekretariat der Ärzte-Gesellschaft des Kantons Zug eingereicht werden. Nach Ablauf der Einsprachefrist entscheidet der Vorstand über Gesuch und allfällige Einsprachen.

CAS — Qualität in der Medizin für die patienten­nahe Arbeitspraxisinterprofessionell und sektorenübergreifend

Kursdauer März bis September 2020Anmeldung bis 3. 2. 2020 unter bfh.ch/gesundheit/weiterbildung/cas/qualitaet­in­der­medizin

FMH Personalien 1700

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1699–1700

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

«Das Privatleben dem Beruf opfern?»Daniel Lüthi

Freier Journalist und Fotograf, Medientrainer, Bern

In welcher Rolle sehen sich Ärztinnen und Ärzte? Was ist ihnen wichtig, und was macht ihnen Angst? Wie verändern sich Image und Selbstverständnis? Mit solch grundsätzlichen Fragen beschäftigt sich im kommenden Januar das «forumsante.ch» in Bern. Altgediente und prominente Rednerinnen und Redner werden dort auft reten. Wie die gleichen Fragen junge Mediziner beantworten, war am Zukunfts-kongress «Medifuture» in Bern zu erfahren.

Welche Fachrichtung entspricht mir? Wird es eher ein grosses Spital oder eine Gruppenpraxis sein? Ein hu-manitärer Einsatz im Ausland vielleicht? Solche Fragen stehen für die rund 300 Medizinstudenten und jungen Ärztinnen im Vordergrund, wenn sie an die Zukunft denken und ihre Karriere planen. Und, ganz wich-tig für den Nachwuchs: das Thema Work-Life- Balance.Teilzeitarbeit ist wohl einer der meistgehörten Begriffe an diesem Kongress, den der Verband Schwei-zerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte or-ganisiert hat und der einmal mehr ausgebucht war.

Neue Selbstfindung

Die ältere Ärztegeneration hatte einen anderen Foku s – und ist jetzt daran, sich selber neu zu finden. Dies ist ei-ner der Ausgangspunkte eines anderen Ärztekongres-

ses. Der ehemalige FMH-Präsident Jacques de Haller organisiert das «forumsante.ch» in Bern seit einigen Jahren; das nächste findet im Januar statt. Seine Be-standesaufnahme gibt zu denken: «Unsere Monopol-stellung ist von einer neuen Rolle abgelöst worden, als Arzt bin ich vom Entscheider zum Coach geworden – das kann man als Machtverlust verstehen.» Die Patien-ten haben neue Informationsquellen – zum Beispiel das Internet – und andere Bezugspersonen. Die admi-nistrativen Bürden werden immer grösser, und das Image des Berufs hat gelitten, unter anderem in der Po-litik. «Diese Veränderungen haben in der Ärzteschaft zu einer gewissen Bitterkeit und Desillusionierung geführt. Viele ältere Ärzte erlebe ich heute als ängstlich und nervös, ja sogar aggressiv.»

Die neue Generation

Am Kongress der jungen Ärzte ist die Stimmung ent-spannt. Am Stand der Schweizer Kinderärzte steht die junge Kinderärztin Nora Rufener. Auf ihren Armen ihr drittes Kind, ein halbjähriger, zum Glück gutgelaunter Bub. Rufener ist daran, zusammen mit einer Kollegin in Thun eine eigene Praxis zu eröffnen, beide Frauen

Die Patienten haben neue Informationsquellen und andere Bezugspersonen.

Junge Ärztinnen und Ärzte am Medifuture-Kongress in Bern.

WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN forumsante.ch 1701

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1701–1702

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

werden dort 60% arbeiten. «Das bedingt eine gute Or-ganisation und einen verständigen Partner», sagt die Ärztin und Mutter. «Im Spital wäre es für mich nicht möglich, so zu arbeiten, zu sehr hapert es da bei den Chefs und den Strukturen.»

Der 30-jährige Sportmediziner Justin Carrard vertritt die «Students & Junior Doctors» seines Verbands. «Das Privatleben dem Beruf opfern?», fragt er rhe-torisch. «Nein, dazu ist die junge Ärztegeneration

Die Kinderärztin Nora Rufener mit ihrem Kind.

21. forumsante.ch am 14. Januar in Bern

Am Dienstag, 14. Januar 2020 (9.30–13.15 Uhr), findet im Hotel Bellevue in Bern bereits zum 21. Mal das forumsante.ch statt. Die

Tagun g lädt ein zu einer vielschichtigen Diskussion über ein aktuelles Thema: «Medizinisches Rollenverständnis im 21. Jahrhundert –

Zeit für eine neue Selbstfindung».

Renommierte nationale und internationale Referenten werden sich mit der Leitfrage auseinandersetzen, unter anderen:

• Bundesrat Alain Berset;

• Prof. Dr. med. Daniel Scheidegger, Präsident der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften;

• Dr. med. Bertrand Kiefer, Chefredaktor der Revue médicale suisse;

• Prof. Dr. med. Frank-U. Montgomery, Chairman des Weltärztebunds.

Diskutiert werden soll aber nicht nur die Gegenwart: forumsanté.ch blickt immer einen Schritt voraus und bildet eine Plattform, um

über konstruktive Ideen und pointierte Aussagen nachzudenken und gemeinsam über die Zukunft zu diskutieren.

Website mit vollständigem Kongressprogramm und Anmeldung: http://www.forumsante.ch/

nicht mehr bereit.» Im Spital sei er älteren Kollegen begegnet, die 3 Monate lang 80- bis 100-Stunden-Wo-chen geschoben hätten. «Das Schlimmste daran ist: Alle erachten dies als normal.» Wer sich an die ge-setzlich vorgeschriebenen 50 Stunden pro Woche halten wolle, sei als junger Arzt bisweilen einem gros-sen, anderen Druck ausgesetzt: «Die wollen die Bes-ten. Und das sind diejenigen, die machen, was die Chefs von ihnen verlangen.» Junge Ärztinnen und Ärzte seien sich bewusst, sagt Sportmediziner Car-rard, dass die eigene Gesundheit und damit ein guter Ausgleich zur Arbeit essenziell seien. «Wir haben Angst vor einem Burnout.»

Und das Einkommen?

Depressionen nehmen zu, auch bei Ärztinnen und Ärzten. Dies bestätigt Christian Kämpf, Chefarzt am Psychiatriezentrum Münsingen. Gleichzeitig kämpfe gerade die Fachrichtung Psychiatrie mit Nachwuchs-problemen. «Dies hat mit unserem Image zu tun, aber auch mit unserem Einkommen, gerade in den Spitä-lern.» Eine der Folgen sei, sagt Kämpf, dass nur noch etwa die Hälfte der Assistenzärztinnen und -ärzte aus dem deutschsprachigen Raum stammten, «und dies ist gerade in der Psychiatrie ein grosses, auch kulturel-les Problem. Oft sind wir deshalb zu weit weg vom Patienten.»Wie erlebt er die junge Generation? Wie wichtig ist ihr beispielsweise das Einkommen? Psychiater Kämpf denkt nach, schmunzelt und sagt dann: «Nun ja, sie sind selbstbewusster und fordernder als wir damals.»

BildnachweisZoe Roth

Am Kongress der jungen Ärzte ist die Stimmung entspannt.

WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN forumsante.ch 1702

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1701–1702

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Eidgenössische Kommission für Tabakprävention (EKTP)

Stellungnahme der EKTP zu  Elektronischen ZigarettenMacé M. Schuurmansa, Lucrezia Meier-Schatzb, Peter J. Schulzc: im Namen der EKTP*a PD Dr. med., Chefarzt Pneumologie, Kantonsspital Winterthur; b Dr. sc. pol., Präsidentin EKTP; c Prof., Direktor ICH (Institute of Communication & Health), Università della Svizzera italiana

Zu Elektronischen Zigaretten (E-Zigaretten) hat sich die EKTP im September 2016 mit einer publizierten Stel-lungnahme geäussert. Die bessere Evidenzlage zu Aus-wirkungen von E-Ziga retten und dem Konsumver-halten, die veränderten Rahmen bedingungen in der Schweiz mit frei verkäuf ichen nikotinhaltigen Pro-dukten, der Einfuss der Tabakindustrie auf den E-Zi-garetten-Markt und die Bewer bung dieser Produkte sowie die potenteren und neueren E-Zigaretten-Ver-dampfungssysteme erfordern eine Aktualisierung der Stellungnahme (Text online). Die Empfehlungen der EKTP sind:1. E-Zigaretten müssen gleich behandelt werden wie

herkömmliche Tabakzigaretten.2. E-Zigaretten müssen zusätzlich einer spezifischen

Regulierung unterworfen werden. Dazu gehören Qua-litätsnormen für die Spezifikationen der E-Zigaret-ten-Geräte und die Inhalte der Kartuschen (Liqui d), eine restriktive Liste der erlaubten Kom ponenten dieser Flüssigkeiten sowie eine Höchstgrenze für den Nikotingehalt. Alle Inhaltsstoffe müssen auf den Packungen aufgeführt werden, wo ebenfalls Warnhinweise zu den Risiken beim Gebrauch an-zubringen sind (z.B. durch Eigenmischungen der Li-quide).

3. Nikotinhaltige E-Zigaretten und Liquide dürfen nur an Erwachsene verkauft werden.

4. Das Bundesgesetz zum Schutz vor Passivrauchen sowie die ergänzenden kantonalen Gesetzgebungen gelten auch für den Gebrauch von E-Zigaretten.

5. Jede Form von Werbung, Promotion und Sponso-ring für E-Zigaretten ist zu verbieten analog zu an-deren Nikotin- und Tabakprodukten gemäss den Forderungen des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC).

6. In Übereinstimmung mit den Empfehlungen der WHO sollen Gesundheitsbehörden davon absehen, E-Zigaretten für die Tabakentwöhnung zu empfeh-len. Die nötigen wissenschaftlichen Nachweise für

* Weitere EKTP-Mitglieder: Chung-Yol Lee, Thomas Beutler, Judith Conrad, David Fäh, Julien Intartaglia, Stefanie Knocks, Ruedi Löffel, Jürgen Maurer, Myriam Pasche, Martin Röösli, Elena Strozzi, Ursula Zybach.

Dr. Lucrezia Meier-Schatz (Präsidentin) lucrezia[at]meier-schatz.ch

LinkDie ausführliche Stellungnahme finden Sie hier:

https://www.bag.admin.ch/dam/bag/

de/dokumente/npp/tabak/stellungnah-

men-medienmitteilungen-ektp/ektp-

stellungnahme-e-zigaretten-2019.pdf.

download.pdf/SN_EKTP_E-Zigaretten.

pdf

die Sicherheit und die langfristige Wirksamkeit feh-len für eine solche Empfehlung.

Zu empfehlen sind die Behandlungsarten der Tabak abhängigkeit, die ihre Effizienz bereits bewie-sen haben (Substitutionsprodukte, Bupropion, Vare-niclin, Rauchstopplinie, ärztliche und nicht-ärzt-liche Fachberatung etc.).

7. E-Zigaretten müssen gleich wie Zigaretten besteuert werden. Die Höhe der Steuer soll derjenigen der Ta-bakprodukte entsprechen. Der Steuerertrag soll dazu verwendet werden, die Tabakprävention sowie die Forschung im Bereich der E-Zigaretten zu för-dern. Dabei muss der Fokus auf die Analyse der Langzeitwirkung auf die Gesundheit, der Effizienz für die Tabakentwöhnung, der psychologischen und sozialen Auswirkungen sowie den Gefahren des gleichzeitigen Konsums von Tabakprodukten und E-Zigaretten gelegt werden.

8. Regelmässige Analysen von verkauften Liquiden sind erforderlich. Zielführend sind koordinierte Unter suchungen unter den Kantonen.

9. Es braucht eine einheitliche Regelung für die zuläs-sige Schadstoffbelastung der Luft durch E-Zigaret-ten im Innen- und Aussenbereich, da auch diese Produkte wesentlich zu den Luftschadstoffen bei-tragen und die störenden und gesundheitsschäd-lichen Wirkungen auch bei niedrigerem Schadstoff-gehalt auftreten.

WEITERE ORGANISATIONEN UND INSTITUTIONEN EKTP 1703

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1703

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Dank ans BAG?Brief zu: Lüdi H. Danke für die klaren Worte. Schweiz  Ärzteztg. 2019;100(47):1572.

Sehr geehrte Frau Dr. Lüdi, Sie schreiben freundlich, «Thomas Zeltner [ehem. BAG-Di-rektor] sei Dank für rauchfreie Restaurants». Ich würde gerne applaudieren und mich mit Ihnen freuen, dass das BAG sich für rauchfreie Restaurants – und Arbeitsplätze – eingesetzt hat, und wie Sie halte ich grosse Stücke auf Herrn Dr. Thomas Zeltner. Ich denke, Sie können die Wahrheit ertragen: Das BAG hat kaum etwas an die rauchfreie Luft in Schwei-zer Restaurants und an Arbeitsplätzen beige-tragen. Das Bundesgesetz zum Schutz vor Pas-sivrauchen, gültig seit 1.5.2010, ist gegen viel und wütenden Widerstand dieser und jener hochbezahlten Interessenvertreter nach ei-nem Anstoss und viel Arbeit der kleinen, pri-vaten Stiftung pro aere und nach grossem Ein-satz des damaligen National- und Ständerats Prof. Dr. med. Felix Gutzwiller entstanden. Von einem Engagement des BAG – und übri-gens auch der diversen grossen Gesundheits-verbände – hat man bei dieser Arbeit nicht viel bemerken können. Das sei im Interesse korrekter Geschichtsschreibung für die lern-begierige Nachwelt festgehalten …

Jürg HurterPräsident der Stiftung pro aere

Der Glaube der Eisenliga an die Wirksamkeit des EisensBrief zu: Schaub B, Büchel B. Offener Brief zum Eisenmangel. Schweiz Ärzteztg. 2019;100(47):1572.

Wenn man aus der Geschichte der Medizin etwas lernen will, dann ist es Folgendes. Das Wissen, das allein auf persönlicher Erfahrung beruht, kann korrekt sein, oder falsch, und für einige Patienten fatal. Über Jahrhunderte wurden fiebrige Patienten, basierend auf der Erfahrung, zur Ader gelassen. Nicht nur ei-nem ehemaligen Präsidenten der USA, auch vielen anderen Menschen wurde damit die Zeit auf dieser Erde aber verkürzt. Moniz A. E., Neurologe und Politiker, hat hunderten psy-chisch kranken Menschen mit einem Messer einen Teil des Frontalhirns vom Rest des Ge-hirns getrennt (Lobotomie). Einige Patienten sind daran gestorben, ob die Überlebenden ei-nen Nutzen davon hatten, ist sehr unwahr-scheinlich. Es könnten noch weitere Irrtümer, die auf Erfahrung beruhten, angefügt werden.Auch wenn Herr Dr. Schaub seine grosszügige Eisentherapie aufgrund tausendfacher Erfah-rung propagiert, heisst dies noch lange nicht, dass sein Glauben daran der Realität entspricht und die daraus abgeleiteten Empfehlungen zu

Gunsten der Patienten sind. Es ist schon er-staunlich, dass ein Dr. med. im Zeit alter der «wissenschaftlichen» Medizin derartige auf Erfahrung basierende Glaubenssätze verbrei-tet, diese auch geglaubt werden und die Kran-kenkassen dafür auch noch bezahlen, sogar gerne, wie in dem Brief an den Bundesrat steht.Es besteht kein Zweifel, Patienten mit einer Eisenmangelanämie mit Eisen zu behandeln. Es herrscht zudem breiter Konsens unter den Ex-perten, dass Menschen mit einem Ferri tin wert unter 15 ng/ml, auch wenn sie keine An ämie haben, von einer Eisentherapie profitieren. Jen-seits von 15 ng/ml ist die Sache jedoch nicht so klar. Aufgrund der Ergebnisse randomisierter Studien ist die Wahrscheinlichkeit sehr klein, dass eine Eisentherapie hier einen  positiven Effekt hat. Eisen hatte eine vergleichbar grosse Wirkung wie ein Plazebo-Präparat.Bei den von Dr. Schaub in seinen Schriften aufgeführten Symptomen des frühen Eisen-mangels handelt es sich um Symptome, die in der Bevölkerung häufig vorkommen. Müdig-keit, Schlafstörungen, Erschöpfungszustände und noch andere Beschwerden sind auch bei Menschen mit normalen Ferritinwerten nicht selten. Es lässt sich in der Regel kein kausaler Zusammenhang zwischen dem Ferritinwert und den Symptomen herstellen.Zu bedenken ist auch, dass eine Eiseninfusion kein «Zuckerwasser» ist, sondern Menschen – sehr selten – infolge dieser Infusionen ge-storben sind. Nach Presseberichten soll eine Eiseninfusionskur bis zu 1000 Franken kos-ten. Da nach Angaben von Dr. Schaub die Hälfte der Bevölkerung einen frühen Eisen-mangel haben soll, ist seine Entdeckung nicht nur eine Epidemie von ungeahntem Ausmass, sondern auch ein «gutes Geschäft».Bei sorgfältiger Indikationsstellung ist Eisen, oral oder parenteral, eine wirk- und heilsame Substanz. Wenn Eisen aufgrund persönlichen Glaubens, und dieser Glaube im Widerspruch zu den Ergebnissen der Forschung steht, Pa-tienten mit sogenannt frühem Eisenmangel verschrieben wird, ist es im besten Fall eine Verschwendung des Geldes der Prämienzah-ler. Wenn Krankenkassen das gerne tun, dann wünsche ich mir von den Krankenkassen eine plausible Erklärung dafür.

Prof. Johann Steurer, Leiter, Horten Zentrum für praxisorientierte

Forschung und Wissenstransfer, Universität Zürich

Dr. med. Stefan Markun, Institut für Hausarztmedizin,

Universität Zürich

Eiseninfusionstherapie – Einspruch!Brief zu: Schaub B, Büchel B. Offener Brief zum Eisenmangel. Schweiz Ärzteztg. 2019;100(47):1572.

Gerne stimme ich Kollegen Schaub und Bü-chel zu, dass die Zielwerte für Ferritin bei manchen Beschwerden und Krankheiten (z.B. Herz-, Niereninsuffizienz) höher sind als die üblich eigentlich ungeeignet angegebenen Normgrenzen. Jedoch widerspreche ich ihnen entschieden, dass die Therapie der Wahl des Eisenmangels die Eiseninfusionen und -injek-tionen seien. Weil es inzwischen für die (nicht veganen) Patienten eine bessere, einfachere, günstigere und weniger belastende Alterna-tive gibt, sind sie «Schnee von gestern».Vor allem bei den Infusionen erreicht man über geraume Zeit einen schädlichen Eisenüberfluss.Man muss noch dazu die Dosierung, die Zeit-abstände der Infusionen und Injektionen mittels Ferritinbestimmung oft kontrollieren. Die Nahrungsergänzungsmittel Proferrin und Globifer enthalten Hämoglobin mit gekürzter Globinkette. Sie werden auf andere, effizien-tere Weise resorbiert als die schlecht erträgli-

chen Eisensalze, die häufige Neben-, eigentlich toxischen Wirkungen auf die Schleimhäute des Magen-Darm-Traktes haben (Magenbe-schwerden, Verstopfung oder Durch fall). Emp-fehlenswert sind Proferrin ES und Globifer-Kautabletten, weil sie im Unterschied zu anderen Formen keine Vitamine (Folsäure, B12) enthalten, die bei Überdosierung Prob-leme verursachen können. Globifer-Kau-tabletten sind besonders für Kinder ge eignet, geschmackloses Proferrin muss man dazu zermalmen und den Speisen beigeben. In man-chen Ländern (Slowakei) werden ihre Kosten von den Krankenkassen dankbar übernom-men, da sie damit beträchtliche Summen spa-ren und den Patienten Belastungen ersparen. In der Schweiz sind sie nur über Internet zu beziehen und nicht kassenpflichtig. Aber ver-nünftige Krankenkassen erstatten mindes-tens teilweise die Kosten. Kollege Thumm braucht Proferrin ES für seine Frau und bietet es samt einer Bestätigung für Krankenkassen an. Auf den ersten Blick ist Proferrin teuer (90 Tabletten, 75 sFr.), aber für die Erhaltungs-therapie reichen nicht selten nur 1–2 Tablet-ten pro Woche, wie schon jahrelang für meine Frau und Tochter.

Peter Marko, St. Gallen

BRIEFE 1704

Briefe an die SÄZ

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1704–1705

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Ja, Euer Ehren, ich bekenne mich schuldigBrief zu: Henggi B, Schweizer C. Korrekter Umgang mit Geschenken und Einladungen zum Mittagessen. Schweiz Ärzteztg. 2019;100(47):1562–4. (Artikelserie Teil 1: Neue Vorschriften im Heilmittelgesetz)

Freimütig gebe ich zu, ein Wiederholungs-täter zu sein. Nach meiner Pensionierung als Hausarzt kann ich nicht weiter schweigen, kann mit dieser Schuld nicht einfach so weiter leben.Ja, ich habe wiederholt Gipfeli von Pharma-vertretern selber gegessen und nicht umge-hend an meine PatientInnen im Wartezim-mer weitergegeben.Ich bin glücklich, dass die Juristen und Kom-munikationsverantwortlichen uns endlich genaue Anweisungen geben. Ihre bemerkens-wert differenzierte und präzise Arbeit ist nicht hoch genug zu würdigen.Eine Frage bleibt noch offen: Wie verfahre ich mit Gipfeli von PatientInnen? Muss ich diese an Pharmavertreter weitergeben, die sie der nächsten Ärztin für deren PatientInnen ab-geben? Aber diese Frage wird sicher in einem nächsten Teil der Artikelserie beantwortet.

Dr. med. Michel Marchev, Safnern

Number needed to harm – das  Anordnungsmodell als RisikoBrief zu: Hüsler G. Und wenn das Anordnungsmodell eine Chance wäre? Schweiz Ärzteztg. 2019;100(45):1512–4.

Herr Hüsler kann paraphrasiert werden: Es  gibt kaum ein Krankheitsgeschehen, das nicht auch unter dem Aspekt körperlicher Beeinträchtigung gesehen werden muss. Oder: Mens sana in corpore sano.Fachärzte für Psychotherapie und Psychiatrie werden grossmehrheitlich direkt von Patient-Innen konsultiert, sind also Grundversorger.

Nicht selten muss der psychotherapeutische Facharzt eine Konsultation beim Hausarzt empfehlen: So wird der Facharzt zum Grund-versorger und der Hausarzt zum Spezialisten.Herr Hüsler vermeint, die psychisch bedeut-samen körperlichen Prozesse auf die Hirn-funktionen reduzieren zu können. Es gibt kaum eine körperliche Funktion, die nicht Einfluss auf die Psyche hat, sowohl patho- wie salutogenetisch. Die Fachärztin für Psycho-therapie wird im aktuellen Moment der Äus-serung die scheinbar psychischen Beschwer-den einordnen können – in Echtzeit, ohne den Umweg einer multiprofessionellen Zusam-menarbeit. Die Fachärztin für Psychotherapie kann mehrmals während einer Behandlungs-sitzung zur Fachärztin für Psychiatrie wer-den! Die Individualität des Einzelnen zeigt sich bei «rein» psychosozialen Ereignissen (Arbeitslosigkeit, Scheidung, finanziellen Nöten) eben auch im Stoffwechsel, nicht nur in der Lebensgeschichte (Psychologie) und Genetik (Biologie). Deswegen braucht es eine soziopsychobiologische Ausbildung, die der Psychologie abgeht. Sozialisation zum Psy-chologieberuf bringt eine Vernachlässigung der biologischen Determinanten der psychi-schen Gesundheit mit sich. Das wurde mir neulich erneut bestätigt: von Seiten eines Psy-chologen, trotz jahrelanger Anstellung auf eine r medizinischen Abteilung.Die wissenschaftliche Kritik der Psychophar-makotherapie ist selbstverständlicher Pro-zess der klinischen Evaluation (Indikation, To-xikologie, neue Wirkstoffe u.w.). Herr Hüsler ist bereit, als Psychologe und Jurist fach-fremde Kritik an der «Psychomedikation» zu üben, verschweigt aber, dass der Beweis der Überlegenheit der Psychotherapie gegenüber einem Psychtherapieplacebo noch nicht ge­lungen ist und uns vor sehr schwierige Pro-bleme stellt [1]. Wir müssen an die uner-wünschten Wirkungen der Lockerung der Kooperation zwischen Arzt und Psychologe denken im Sinne des «Number needed to harm»: Wie viele inadäquate Behandlungen

biologisch (teil)verursachter oder beeinflusster psychischer Leiden wollen wir in Kauf nehmen, damit eine Berufsgruppe statusmässig besser-gestellt wird? Ist eine vielleicht kürzere War-tefrist wirklich diese Gefahr für die Qualität und Dauer bestehender Behandlungen – inkl. der delegierten Psychotherapie! – wert?Was ist denn so schlimm an der delegierten Psychotherapie? Was bedeutet denn gleiche Augenhöhe bei verschiedenen Ausbildungen?Die Hausärzte sollen mit dem Anordnungs-modell die Fachpsychologen wie andere Fach-ärzte beiziehen können. Da outet sich Herr Hüsler: Er sieht keinen Unterschied zwischen einem Fachpsychologen (für Psychotherapie) und einem Facharzt (für Psychotherapie). Wünscht er, in die Gemeinschaft der Fach-ärzte aufgenommen zu werden? Leider be-zieht der mfe/Haus- und Kinderärzte Schweiz z.H. des Bundesrats eine ähnliche Position (meine Hervorhebung): «In Situationen, in dene n höhere Kompetenzen im Bereich der psychischen Gesundheit erforderlich sind, können die Haus- und Kinderärzte ihre Pati-entinnen und Patienten einem Psychiater zu-weisen oder eine Therapie bei einem psycho-logischen Psychotherapeuten verordnen.» Auch der mfe scheint die Fachpsychologen als Fachärzte misszuverstehen. Das, und die fal-sche Wiedergabe unseres Facharzttitels, lässt schon etwas an der Kollegialität zweifeln.Im Übrigen erlaubt sich das Bundesgericht immer wieder «eine Revision der Praxis». 1981 war wirklich noch eine Zeit, in der über das Primat des Biologischen oder des Psychologi­schen gestritten wurde.

Taj Henri Zaman, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie,

Bern

1 Psychology of Consciousness: Theory, Research, and Practice 2016, Vol. 3, No. 2; sowie Manifesto for Con-ceptual Clarity (2018). Available from: https://www.researchgate.net/publication/327114025_Psychothe-rapy_and_Placebos_Manifesto_for_Conceptual_Clarity

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1704–1705

BRIEFE / MITTEILUNGEN 1705

MitteilungenFacharztprüfungFacharztprüfung zur Erlangung des Facharzttitels Allgemeine Innere Medizin

Datum: Donnerstag, 25. Juni 2020 von 9.45 bis 15.00 Uhr

Ort: Congress Center Basel, Messe Schweiz,

Messeplatz, «Event Hall», City Lounge, Foyer Süd, Basel

Anmeldefrist: 16. April 2020

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des SIWF unter www.siwf.ch → Weiterbildung → Facharzttitel und Schwerpunkte → Allgemeine Innere Medizin

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Neue Rechtslage bei  SuchterkrankungenMarco Weiss

Dr. iur., Reetz Sohm Rechtsanwälte, Küsnacht ZH

Die Diagnose der Suchterkrankungen hat bisher grundsätzlich keinen sozialversiche­rungsrechtlichen Rentenanspruch begründen lassen. In seiner alten Rechtsprechung ging das Bundesgericht davon aus, dass Suchterkrankungen von der betroffenen Per­son «überwunden» werden können und daher in der Regel keine Sozialversicherungs­leistungen geschuldet seien. Mit seiner aktuellen Rechtsprechung distanziert sich das höchste Gericht der Schweiz von dieser Sichtweise und verlangt, dass Suchterkran­kungen einem strukturierten Beweisverfahren zu unterziehen seien.

Wenn eine Person unter einer Suchterkrankung (Alko­hol, Medikamente etc.) leidet, konnte sie nach der bis­herigen ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung keinen Anspruch auf Sozialversicherungsleistungen geltend machen. Aufgrund einer «Überwindbarkeits­vermutung» ging das Bundesgericht über Jahrzehnte da­von aus, dass der Gesundheitsschaden der betroffenen Person aufgrund einer Abhängigkeit selbst verursacht worden und diese im Rahmen ihrer Schadensminde­rungspflicht selbst dafür verantwortlich sei, von der Ab­hängigkeit loszukommen. Diese «Selbstüberwindung» erscheine möglich und zumutbar.Aufgrund deutlicher Kritik aus der medizinischen Literatur hat das Bundesgericht diese Rechtsprechung einer Prüfung unterzogen und setzt bei Abhängig­keitserkrankungen – wie bei somatischen Schmerz­störungen und psychischen Gesundheitsleiden – neu auf ein strukturiertes Beweisverfahren.

Frühere Rechtslage

Nach bisheriger und langjähriger höchstrichterlicher Rechtsprechung führten Suchterkrankungen als sol­che nicht zu einer rentenbegründenden Invalidität. Sie sind sozialversicherungsrechtlich erst dann relevant geworden, wenn sie eine Krankheit oder einen Un fall bewirkt haben, in deren Folge ein körperlicher oder geistiger, die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigender Gesundheitsschaden eingetreten war, oder wenn sie selber Folge eines körperlichen oder geistigen Gesund­heitsschadens waren, dem Krankheitswert zuge­sprochen wurde. Ein invalidisierender psychischer Gesundheitsschaden fehlte demgegenüber, wo in der

Begutachtung im Wesentlichen nur Befunde erhoben worden sind, welche in der Sucht ihre hinreichende Erklärung gefunden haben [1].Diese genannte Rechtsprechung ging davon aus, dass die süchtige versicherte Person ihren Zustand selbst verschuldet habe. Bei pflichtgemässer Sorgfalt hätte sie die schädlichen Auswirkungen des Substanzkon­sums – wenngleich möglicherweise nicht von Anfang an, so doch jedenfalls früh und klar genug – erkennen können und sie abwenden bzw. der Heilung zuführen müssen [2]. Mit anderen Worten ausgedrückt, ging man von der Fiktion einer willentlichen Vermeid­ bzw. Überwindbarkeit der Sucht aus [3].Rechtlich kam darin eine eigentliche Fiktion der wil­lentlichen Vermeid­ bzw. Überwindbarkeit der Sucht an  sich, und folglich auch der Überwindbarkeit der dadurch verursachten Erwerbsunfähigkeit, zum Aus­druck [4].Diese Rechtsprechung ist vor allem aus medizinischer Warte kritisiert worden: Ein Suchtmittelentzug sei nach medizinischem Kenntnisstand keineswegs in jedem Fall als zumutbar oder ergebnisorientiert als beste Lösung im Sinne der Schadensminderung anzu­sehen, und etwaige Funktionseinbussen, Therapie­möglichkeiten und ­ergebnisse seien individuell in ho­hem Masse unterschiedlich [5]. Grundsätzlich sei auch bei Suchterkrankungen eine indikatorengestützte Ab­klärung im Einzelfall durchzuführen [6].

Aktuelle Rechtslage

In seiner neuen Rechtsprechung geht das Bundes­gericht davon aus, dass die oben genannte «Überwind­

TRIBÜNE Recht 1714

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1714–1716

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

barkeitsvermutung» bei Suchtkrankheiten nicht mehr getragen werden könne:Die Medizin definiere das Abhängigkeitssyndrom als eine Gruppe von Verhaltens­, kognitiven und körper­lichen Phänomenen, die sich nach wiederholtem Ge­brauch von psychotropen Substanzen entwickeln wür­den. Typischerweise bestehen ein starker Wunsch, die Substanz einzunehmen, eine verminderte Kontrolle über ihren Konsum und ein anhaltender Substanz­gebrauch trotz schädlicher Folgen. Dem Substanz­

gebrauch werde der Vorrang vor anderen Aktivitäten und Verpflichtungen gegeben. Es entwickeln sich eine Toleranzerhöhung und manchmal ein körperliches Entzugssyndrom [7]. Aus medizinischer Sicht handle es  sich mithin klar um ein krankheitswertiges Ge­schehen, dessen funktionelle Auswirkungen sich mit einem hypothetischen Substanzentzug nicht ohne Weiteres zurückbilden. Im Übrigen seien auch die Zu­mutbarkeit und die Sinnhaftigkeit eines solchen Ent­zugs gerade bei langjährigen Verläufen nicht in jedem Fall zu bejahen [8]. Die Diagnose eines Abhängigkeits­syndroms bedinge nach ICD­10 konkret das Bestehen von drei oder mehr der nachfolgenden Kriterien wäh­rend mindestens einem Monat oder wiederholt inner­halb von zwölf Monaten (siehe Tabelle 1 [9]). Im Wesentlichen deckungsgleich definiere der DSM­5 (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen, fünfte Auflage) die «Substanzkonsumstö­rungen», wobei innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten wenigstens zwei der folgenden elf Diagnose­kriterien vorliegen müssen (siehe Tabelle 2 [11]). Aus den gesagten Ausführungen betreffend ICD­10 und DSM­5 resultiere, dass die willentliche Natur des fortgesetzten Substanzkonsums indes bei Vorliegen eines Abhängigkeitssyndroms gerade nicht in jedem Fall vorbehaltlos bejaht werden könne. Diagnosekrite­rium seien nämlich bei beiden insbesondere der an­haltende Wunsch oder erfolglose Versuche, den Sub­stanzkonsum zu beenden, zu verringern oder zu kontrollieren [13].Als Konsequenz sei aus höchstrichterlicher Sicht künf­tig davon auszugehen, dass – fachärztlich einwand­frei diagnostizierten – Abhängigkeitssyndromen bzw. Substanzkonsumstörungen nicht zum Vornherein jede invalidenversicherungsrechtliche Relevanz ab ­gesprochen werden könne [14]. Nachvollziehbar dia­gnostizierte Abhängigkeitssyndrome bzw. Substanz­konsumstörungen seien zukünftig grundsätzlich als invalidenversicherungsrechtlich beachtliche (psychi­sche) Gesundheitsschäden in Betracht zu ziehen [15]. Zur Beurteilung eines sozialversicherungsrechtlichen IV­Anspruchs müsse künftig wie bei psychischen Er­krankungen und somatischen Schmerzstörungen ein strukturiertes Beweisverfahren durchgeführt werden [16]: Im Rahmen des strukturierten Beweisverfahrens könne und müsse insbesondere dem Schweregrad der Abhängigkeit im konkreten Einzelfall Rechnung ge­tragen werden. Diesem komme nicht zuletzt deshalb Bedeutung zu, weil bei Abhängigkeitserkrankungen – wie auch bei anderen psychischen Störungen – oft eine Gemengelage aus krankheitswertiger Störung und psy­chosozialen sowie soziokulturellen Faktoren vorliege. Letztere seien selbstverständlich auch bei Abhängig­

Tabelle 1: Kriterien nach ICD-10 [10].

1 Starkes Verlangen (Craving) oder eine Art Zwang, die Substanz zu konsumieren. 

2 Verminderte Kontrolle über den Substanzgebrauch, d.h. über Beginn, Beendigung oder die Menge des Konsums, deutlich daran, dass oft mehr von der Substanz oder über einen längeren Zeitraum konsumiert wird als geplant, oder an dem anhaltenden Wunsch oder an erfolglosen Versuchen, den Substanzkonsum zu verringern oder zu kontrollieren. 

3 Ein körperliches Entzugssyndrom (siehe F1x.3 und F1x.4), wenn die Substanz reduziert oder abgesetzt wird, mit den für die Substanz typischen Entzugs­symptomen oder auch nachweisbar durch den Gebrauch derselben oder einer sehr ähnlichen Substanz, um Entzugssymptome zu mildern oder zu vermeiden. 

4 Toleranzentwicklung gegenüber den Wirkungen der Substanz. Für eine Intoxika­tion oder um den gewünschten Effekt zu erreichen, müssen grössere Mengen der Substanz konsumiert werden, oder es treten bei fortgesetztem Konsum derselben Menge deutlich geringere Effekte auf.

5 Einengung auf den Substanzgebrauch, deutlich an der Aufgabe oder Vernach­lässigung anderer wichtiger Vergnügen oder Interessensbereiche wegen des Substanzgebrauchs; oder es wird viel Zeit darauf verwandt, die Substanz zu be­kommen, zu konsumieren oder sich davon zu erholen.

6 Anhaltender Substanzgebrauch trotz eindeutig schädlicher Folgen (siehe F1x.1), deutlich an dem fortgesetzten Gebrauch, obwohl der Betreffende sich über die Art und das Ausmass des Schadens bewusst ist oder bewusst sein könnte.

Tabelle 2: Kriterien nach DSM-5 [12].

1 Konsum häufig in grösseren Mengen oder über einen längeren Zeitraum als  beabsichtigt. 

2 Anhaltender Wunsch oder erfolglose Versuche, den Substanzkonsum zu  beenden oder zu kontrollieren. 

3 Hoher Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von ihren Wirkungen zu erholen. 

4 Intensives Verlangen oder Drang nach der Substanz (Craving). 

5 Wiederholter Substanzkonsum führt zu wiederholtem Versagen bei der Er fül­lung von Verpflichtungen bei der Arbeit, in der Schule oder im Haushalt.

6 Fortgesetzter Substanzkonsum trotz andauernder oder wiederkehrender sozialer oder zwischenmenschlicher Probleme, die durch die Wirkungen der Substanz verursacht oder verschärft werden. 

7 Wichtige soziale, berufliche oder Freizeitaktivitäten werden aufgrund des  Substanzkonsums aufgegeben oder eingeschränkt. 

8 Wiederholter Konsum in Situationen, in denen eine körperliche Gefährdung besteht. 

9 Fortgesetzter Konsum trotz Kenntnis eines anhaltenden oder wiederkehrenden körperlichen oder psychischen Problems, das wahrscheinlich durch die Sub­stanz verursacht wurde oder verstärkt wird. 

10 Toleranzentwicklung, definiert durch eines der folgenden Kriterien: Verlangen nach ausgeprägter Dosissteigerung, um einen Intoxikationszustand oder einen erwünschten Effekt herbeizuführen; oder deutlich verminderte Wirkung bei fortgesetztem Konsum derselben Menge der Substanz. 

11 Bei Zurückgehen der Blut­ oder Gewebekonzentration treten Entzugssymptome auf.

TRIBÜNE Recht 1715

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1714–1716

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

keitserkrankungen auszuklammern, wenn sie direkt negative funktionelle Folgen zeitigen würden [17].

Fazit

Die dargestellte Rechtsprechung verdeutlicht, dass das höchste Gericht der Schweiz vermehrt dazu übergeht, die Beurteilung von sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen bei komplexen Gesundheitsschädigun­gen einem strukturierten Beweisverfahren zu unter­ziehen: Dieses wird seit dem Jahr 2015 bei somatischen Schmerzstörungen, seit 2017 bei sämtlichen psychi­schen Erkrankungen und seit Juli 2019 auch bei Sucht­erkrankungen angewendet. Damit distanziert sich das Bundesgericht von der beschriebenen (diagnoserele­vanten) Überwindbarkeitsvermutung und macht so­zialversicherungsrechtliche Ansprüche von mehreren Faktoren, insbesondere der Einschränkung des funk­tionellen Schweregrades (Ausprägung der diagnose­relevanten Befunde, Behandlungs­ und Eingliede­rungserfolg oder – resistenz) und der Konsistenz des Gesundheitsschadens, abhängig. Diese neue Rechtsprechung für Suchterkrankungen ist zu begrüssen, weil sie – wie bereits oben beschrieben – auf medizinischen Erkenntnissen (ICD­10 und DSM­5) beruht und nicht allein auf einer rechtlich fixierten diagnoserelevanten Überwindbarkeitsfiktion. Im Zuge der neuen Rechtslage bei Suchterkrankungen hat das Bundesgericht diese in seiner Folgerechtsprechung auch konzise angewandt:– im Falle eines Arztes, der aufgrund einer Alko­

holkrankheit nicht mehr als Neurochirurg arbeiten konnte [18];

– bei der Beurteilung eines Abhängigkeitssyndroms (Alkohol) und weiterer psychischer Beschwerden (rezidivierende Depression und Persönlichkeits­störung) eines Informatik­Beraters [19].

Dr. iur. Marco Weissmarco.weiss[at]reetz­sohm.ch

Literatur 1 BGE 124 V 265 E. 1c; 99 V 28 E. 2; Urteil des Bundesgerichts

9C_724/2018 vom 11. Juli 2019 E. 4.1. 2 EVGE 1962 101 E. 3; Urteil des Bundesgerichts 9C_724/2018 vom

11. Juli 2019 E. 4.2. 3 Vgl. BGE 139 V 547 E. 5.1; Urteil des Bundesgerichts 9C_724/2018

vom 11. Juli 2019 E. 4.2. 4 Urteil des Bundesgerichts 9C_724/2018 vom 11. Juli 2019 E. 4.2. 5 Liebrenz M, et al. Das Suchtleiden bzw. die Abhängigkeitserkran­

kungen – Möglichkeiten der Begutachtung nach BGE 141 V 281 [=9C_492/2014]. SZS 2016. S. 12 ff., S. 22 und S. 30 ff.

6 Liebrenz M, et al. Das Suchtleiden bzw. die Abhängigkeitserkran­kungen – Möglichkeiten der Begutachtung nach BGE 141 V 281 [=9C_492/2014]. SZS 2016. S. 28 f. und S. 32; Liebrenz M, Uttinger U, Ebner G. Sind Abhängigkeitserkrankungen aus höchstrichterlicher Sicht [weiterhin] nicht mit anderen psychischen Störungen [z.B. somatoformen Störungen] vergleichbar? Eine Urteilsbesprechung von BGE 8C_582/2015 im Lichte der theoretischen Anwendbarkeit des ergebnisoffenen, strukturierten Beweisverfahrens. SZS 2016. S. 96 ff. und S. 99 f.

7 Dilling H, Freyberger HJ. Taschenführer zur ICD­10­Klassifikation psychischer Störungen. 8. A. Bern: Hogrefe; 2016. S. 76 ff.; Daeppen JB. Die therapeutische Begleitung von Suchtpatienten. Schweiz Med Forum. 2016;16(18–19):423–6. S. 424; Urteil des Bundesgerichts 9C_724/2018 vom 11. Juli 2019 E. 5.2.1.

8 Liebrenz M, et al. Das Suchtleiden bzw. die Abhängigkeitserkran­kungen – Möglichkeiten der Begutachtung nach BGE 141 V 281 [=9C_492/2014]. SZS 2016. S. 30 ff.; Urteil des Bundesgerichts 9C_724/2018 vom 11. Juli 2019 E. 5.2.1.

9 Dilling H, Freyberger HJ. Taschenführer zur ICD­10­Klassifikation psychischer Störungen. 8. A. Bern: Hogrefe; 2016. S. 77 f.; Urteil des Bundesgerichts 9C_724/2018 vom 11. Juli 2019 E. 5.2.1.

10 Dilling H, Freyberger HJ. Taschenführer zur ICD­10­Klassifikation psychischer Störungen. 8. A. Bern: Hogrefe; 2016. S. 77 f.; Urteil des Bundesgerichts 9C_724/2018 vom 11. Juli 2019 E. 5.2.1.

11 Falkai P, et al. [Ed.]. Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM­5. Deutsche Ausgabe. Bern: Hogrefe; 2015. S. 661 ff. und S. 663 f.; Urteil des Bundesgerichts 9C_724/2018 vom 11. Juli 2019 E. 5.2.2.

12 Falkai P, et al. [Ed.]. Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM­5. Deutsche Ausgabe. Bern: Hogrefe; 2015. S. 661 ff. und S. 663 f.; Urteil des Bundesgerichts 9C_724/2018 vom 11. Juli 2019 E. 5.2.2.

13 Urteil des Bundesgerichts 9C_724/2018 vom 11. Juli 2019 E. 5.3.2.14 Urteil des Bundesgerichts 9C_724/2018 vom 11. Juli 2019 E. 5.3.3.15 Urteil des Bundesgerichts 9C_724/2018 vom 11. Juli 2019 E. 6.16 Zum Ganzen BGE 143 V 418; 143 V 409 und 141 V 281; Urteil des

Bundesgerichts 9C_724/2018 vom 11. Juli 2019 E. 6.17 Urteil des Bundesgerichts 9C_724/2018 vom 11. Juli 2019 E. 6.3.18 Urteil des Bundesgerichts 8C_245/2019 vom 16. September 2019.19 Urteil des Bundesgerichts 9C_334/2019 vom 6. September 2019.

Das Wichtigste in Kürze• Suchterkrankungen führten bisher nicht zu einer rentenbe­

gründenden Invalidität, da die Rechtsprechung von einer wil­

lentlichen Vermeid­ bzw. Überwindbarkeit der Sucht ausging.

• Suchterkrankungen sind sozialversicherungsrechtlich erst

dann relevant geworden, wenn sie eine Krankheit oder einen

Unfall bewirkt haben, in deren Folge ein körperlicher oder

geistiger, die  Erwerbsfähigkeit beeinträchtigender Gesund­

heitsschaden eingetreten war, oder wenn sie selber Folge

eines körperlichen oder geistigen Gesundheitsschadens

waren, dem Krankheitswert zugesprochen wurde.

• Aufgrund deutlicher Kritik aus der medizinischen Literatur hat

das Bundesgericht diese Rechtsprechung einer Prüfung unter­

zogen und setzt bei Abhängigkeitserkrankungen – wie bei

somatischen Schmerzstörungen und psychischen Gesund­

heitsleiden – neu auf ein strukturiertes Beweisverfahren.

L’essentiel en bref• Jusqu’à maintenant, les troubles addictifs n’impliquaient pas

une invalidité justifiant le versement d’une rente, car la juris­

prudence partait du principe que la dépendance pouvait être

évitée ou surmontée par la volonté.

• Les troubles addictifs peuvent désormais être couverts par

les assurances sociales à condition d’avoir provoqué une

maladie ou un accident qui entraîne une atteinte à la santé

physique ou mentale, nuisant à la capacité de gain, ou de

résulter eux­mêmes d’une atteinte à la santé physique ou

mentale qui a valeur de maladie.

• A la lumière de la critique de la littérature médicale, le Tribu­

nal fédéral a examiné cette jurisprudence et, pour les troubles

addictifs (comme pour les douleurs somatoformes et les

souffrances psychiques) il s’appuie désormais sur une procé­

dure structurée d’administration des preuves.

TRIBÜNE Recht 1716

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1714–1716

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Eine nachhaltige, finanzierbare Ge-sundheitsversorgung mit NietzscheMarkus Zürcher

Generalsekretär der SAGW

Unter Gesundheit verstand Friedrich Nietzsche «das Mass der Krankheit, welches es erlaubt, ein befriedi-gendes Leben zu führen». In nuce hat Nietzsche am Ende des 19. Jahrhunderts ein Gesundheitsverständnis vorweggenommen, welches die WHO 2015 umfassend im «Global Strategy and Action Plan on Ageing and Health» (GSAPH) dargelegt hat. Gesundheit wird als dynamischer Prozess definiert, der sich aus den Wech-selwirkungen zwischen der Umwelt und den Fähigkei-ten, Fertigkeiten, Eigenschaften, Beeinträchtigungen sowie biologisch-physiologischen Bedingungen ergibt und es einem Menschen während seines Lebens er-laubt, zu tun und zu sein, was für ihn bedeutsam ist.Die Abwendung von einer krankheitsorientierten, symptombezogenen Diagnose und Behandlung hat be-reits die Ottawa Declaration 1986 eingefordert, ebenso den Einbezug von Ressourcen, Fähigkeiten und Poten-zialen des Patienten, so dass dieser nicht mehr als Ob-jekt, sondern als Subjekt verstanden wird. Dominant und handlungsleitend ist jedoch weiterhin das Ge-sundheitsverständnis der WHO aus dem Jahre 1948, das Gesundheit als «state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of diseas e or infirmity» definiert. Seit langem, bis heute je-doch nicht revidiert, steht die WHO-Definition aus vier gut hinterlegten Gründen in der Kritik (u.a.m. Hu-ber M, 2011; Abel T, 2013):1. Unbeabsichtigt treibt die Absolutheit des umfassen-

den Gesundheitsverständnisses in Kombination mit einer laufend verfeinerten Diagnostik die Medi-kalisierung nicht nur von physischen Einschrän-kungen, sondern auch von psychischen und sozia-len Defiziten voran.

2. Das Gesundheitsverständnis ist nicht mehr zeitge-mäss, da aufgrund der demographischen Alterung nicht übertragbare, chronische Krankheiten sowie Einschränkungen nicht länger die Ausnahme, son-dern die Regel sind.

3. Da die absolute Gesundheit ein real nicht existie-render, gedanklich konstruierter Idealtyp ist, lässt sich diese weder operationalisieren noch messen.

Gemessen wird die Abweichung von einer abstrak-ten Norm, die sich in der Realität selten oder nie manifestiert.

4. Dem real existierenden Individuum mit seinen Ka-pazitäten und Einschränkungen wird nicht Rech-nung getragen, auch nicht seinen Fähigkeiten, mit physischen, psychischen und sozialen Einschrän-kungen ein erfülltes Leben zu führen (Huber M, 2011).

Im Vergleich zur Ottawa-Deklaration neu und ent-scheidend ist, dass die GSAPH die Erhaltung und Stabi-lisierung der Gesundheit als dynamischen Prozess begrei ft, welcher sich aus den Wechselwirkungen zwi-schen dem einzelnen Menschen und seiner Umwelt er-gibt. Anstelle der sozialen Bedingungen, die zweifellos die Gesundheit massgeblich beeinflussen, jedoch in der Regel nicht kurzfristig verändert werden können, rückt der Kontext ins Zentrum. Gemeint sind damit die förderlichen und hinderlichen Bedingungen im unmittelbaren und konkreten Lebensraum.Auf die heutigen Herausforderungen zugeschnitten bieten der «Global Strategy and Action Plan on Ageing and Health» der WHO und die Dekade des healthy ageing eine einmalige Opportunität, ein finanzier-bares und den Bedürfnissen entsprechendes Gesund-heitssystem zu entwickeln. Erste Schritte zur Imple-mentierung dieses Referenzrahmens erfolgten mit der Plattform www.ageingsociety.ch, der sich über 70 In-stitutionen angeschlossen haben. Entscheidende Fort-schritte können indes nur erwartet werden, wenn sich die Ärzteschaft für die WHO-Strategie engagiert.

Literatur1 Abel Thomas. Current and Future Theoretical Foundations for

NCD’s and Health Promotion, in: D.V. McQueen, Global Handbook on Noncommunicable Diseases and Health Promotion. Springer Science + Business Media, 2013.

2 Huber Machteld and al. How should we define health?, in: BMJ. 2011:343.

3 WHO, Global Strategy and Action Plan on Ageing and Health (GSAPH), 2015.

4 www.ageingsociety.ch

Sie finden oben rechts im Download bereich dieses Artikels eine vertiefte Version als PDF.

TRIBÜNE Standpunkt 1717

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1717

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

… Marina Carobbio Guscetti, Nationalratspräsidentin 2018/19, erste Ständerätin

des Kantons Tessin – und Ärztin

«Wir müssen den Pflegenden mehr Verantwortung übergeben»Daniel Lüthi

Freier Journalist und Fotograf, Medientrainer, Bern

Wir treffen uns kurz vor der Stabsübergabe. Nur we-nige Tage bevor Marina Carobbio ihr Amt als höchste Schweizerin abgibt und von der grossen in die kleine Kammer wechselt. «Es war ein strenges Jahr», sagt sie, «für mehr als zwei Tage Ferien reichte es nicht.»

Das Präsidialjahr

Das Zimmer neben der Wandelhalle, das mit «Presi-dente» angeschrieben ist, war ein Jahr lang ihr Büro. Jetzt stehen hier die Zeichen auf Wandel: Verschiede-

nes ist schon bereit für den Zügeltermin, so die grosse, vielfarbige Collage, die ihr eine Gruppe von Flüchtlin-gen geschenkt hat. Offizielle Präsente wie diejenigen aus Ruanda oder Mozambique bleiben in der Samm-lung des Parlaments.Marina Carobbio ist viel gereist im vergangenen Jahr, im In- und Ausland. «In der Schweiz wollte ich möglichst viele Orte besuchen», erzählt sie; Fachhochschulen oder Universitäten, Frauenvereine und Nichtregierungsorga-nisationen waren Schwerpunkte. Als Nationalratspräsi-dentin repräsentierte sie die Schweiz aber immer wie-

HORIZONTE Begegnung mit … 1718

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1718–1720

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

der auch im Ausland, so in Slowenien oder Georgien. In der Mongolei besuchte sie Projekte der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit, in Rom erhielt sie einen Preis der «Società Dante Alighieri» für die Förderung der italienischen Sprache. Eben: Auch hier setzte sie ein klares Zeichen, indem sie die Plenarsitzungen des Natio-nalrats in ihrer Muttersprache Italienisch führte. «Zu Beginn stiess ich mit dieser Idee sicher nicht auf Begeis-terung», erinnert sie sich, «aber bei der Verabschiedung im Rat gab es gerade deswegen einen langen Applaus.»Zwei grosse Themen schrieb sich Marina Carobbio auf die Fahne ihres Präsidialjahres: die Förderung der Frau und die Förderung von Minderheiten. Besonders gerne  denkt sie an den diesjährigen 14. Juni zurück, den Frauen streiktag, an dem sie der grossen Kammer eine viertelstündige Sitzungs- und Solidaritätspause verordnete. «Zusammen mit Bundesrätin Viola Am-herd und anderen Parlamentarierinnen ging ich nach draussen, auf den Bundesplatz, zu den demonstrieren-den Frauen. Das war schon ein wirkungsvoller, sym-bolischer Akt.»Überall brauche es mehr Frauen, ist Carobbio über-zeugt, «eine Demokratie ist nur eine Demokratie, wenn alle gleichermassen zu Wort kommen». So gese-hen hat ihr grosses politisches Engagement wohl auch damit zu tun, dass sie mit gutem Beispiel vorangehen will.

Und jetzt: Gesundheitspolitik …

Insgesamt habe sie sich als höchste Schweizerin etwas ausserhalb der Tagespolitik bewegt, sagt Carobbio, «im Vordergrund stand die überparteiliche Rolle.»Dies dürfte sich jetzt wieder ändern. Als Ständerätin will sie sich vermehrt und engagiert sachpolitischen Themen widmen – und diese stehen in einem engen Zusammenhang mit ihrem Beruf. Marina Carobbio ist Ärztin, deshalb interessiert sie die Gesundheitspolitik ganz besonders. «Wir wollen die Gesundheitskosten in den Griff bekommen. Das heisst: Alle müssen Schritte machen – auch wir Ärztinnen und Ärzte», sagt sie.

«Es ist zum Beispiel wichtig, dass die Fachgesellschaf-ten über unnötige Behandlungen sprechen. Und: Wir müssen den Pflegenden mehr Verantwortung überge-ben – in vielen Bereichen wissen sie mehr als wir.» Ca-robbio setzt sich für eine integrierte Versorgung ein und will die Grundversorgung stärken. «In Dänemark zum Beispiel habe ich gesehen, welch wichtige Rolle die Hausarztmedizin spielen kann.»

Und sonst? «Wir müssen auch über neue Tarifstruktu-ren und Fallpauschalen im ambulanten Bereich spre-chen.» Oder über die Regulierung von Spitzentechno-logie – «es braucht nicht überall alles.»Und ja: Diese Ärztin und Politikerin hegt immer noch die Hoffnung, dass die Schweiz dereinst den System-wechsel zur Einheitskrankenkasse vollziehen wird. «Das System der Konkurrenz ist bei den Krankenver-sicherungen kein gutes Modell», ist SP-Frau Carobbio nach wie vor überzeugt. «Aber bis sich solche Einsich-ten durchsetzen, braucht es Zeit.»Im Visier hat Carobbio auch die Medikamentenpreise. «Viele – gerade neue – Medikamente sind viel zu teuer, da müssen wir als Staat regulierend eingreifen. Damit wir Kosten senken können – und damit diejenigen, die sie benötigen, diese Medikamente auch erhalten.» Im Übrigen gelte es weiterhin, Generika zu fördern.

… und der Kanton Tessin

Jetzt also hat Marina Carobbio vom Nationalrat in den Ständerat gewechselt. Damit vertritt sie, noch stärker als bisher, vor allem auch ihren Kanton Tessin, «eine speziell exponierte Region», wie sie präzisiert. Beson-ders in Bellinzona wurde ihre Wahl zur National-ratspräsidentin im November 2018 begeistert gefeiert. «Vom Bahnhof bis zum Regierungsgebäude war die ganze Stadt voller Leute – für mich ein stark emotiona-ler Moment.»Angesprochen auf die Themen, die sie im Stöckli vor alle m im Auge behalten will, sagt sie: «Wir haben viele

Zur PersonMarina Carobbio Guscetti wurde 1966

in Bellinzona geboren. Ihr Medizin­

studium in Basel schloss sie 1991 ab.

Im gleichen Jahr startete sie ihre politi­

sche Karriere als SP­Vertreterin und

wurde Tessiner Grossrätin. 2007 er­

setzte sie Franco Cavalli im Nationalrat.

2018 wurde sie zur Nationalratspräsi­

dentin gewählt – es war das erste Mal,

dass eine linke Tessiner Politikerin

höchste Schweizerin wurde. Eine Pre­

miere war diesen Herbst auch ihre Wahl in den Ständerat: Zum

ersten Mal ist der Kanton Tessin im Stöckli jetzt mit einer Frau

vertreten. Carobbio ist Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin.

Im bündnerischen Roveredo, nur etwa 5 Kilometer von ihrem

Wohnort entfernt, ist sie Mitglied einer Gruppenpraxis. Sie ist

verheiratet und Mutter eines erwachsenen Sohnes und einer

Tochter im Teenager alter. Marina Carobbio lebt, wenn sie nicht

gerade in Bern weilt, mit ihrem Mann in Lumino, einem Tessiner

Dorf am Eingang zum Bündner Misoxtal.

«Das System der Konkurrenz ist bei den Krankenversicherungen kein gutes Modell.»

HORIZONTE Begegnung mit … 1719

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1718–1720

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Grenzgänger, und deshalb leider oft auch Dumping-löhne. Ich will den Lohnschutz verbessern und gleich-zeitig Arbeitsplätze sichern. Denn immer noch wan-dern zu viele junge Menschen aus dem Tessin ab.»Wie immer argumentiert Carobbio ganz ruhig, nicht aufgeregt. Hart in der Sache, weich in der Tonalität. Die  Magistratin strahlt etwas Mütterliches aus, den Espresso bereitet sie selber zu, die kleine Maschine steht im Schrank.

Das Gespräch mit Marina Carobbio unter vier Augen ist nie von Zeitdruck geprägt, auch wenn es in einer be-reits vollen Agenda kaum Platz gefunden hat. Ab und zu gibt es in diesem hektischen Alltag sogar einen Mo-ment der Stille. Jetzt zum Beispiel schweift unser Blick zwischen schweren Vorhängen hindurch zum hohen Fenster hinaus Richtung Süden, via Aare und Marzili-bad zum Gurten und weiter.

Und die Ärztin?

Genau: In einem Bündner Südtal ist Carobbio ja eigent lich noch als Ärztin tätig. In Roveredo, nur ein paar Kilometer von ihrem Tessiner Dorf Lumino ent-fernt, betreibt sie zusammen mit fünf Kollegen eine Gemeinschaftspraxis, die zurzeit gerade umgebaut wird. Ambulanz, Physiotherapie und Spitex sollen in diesem kleinen medizinischen Zentrum auch ihren Platz haben. Bis 2013 leistete sie in der Gegend Notfall-dienste, seither erlaubt dies ihr politischer Termin-kalender nicht mehr.Ob und mit welchem Pensum die Politikerin Carobbio als Ärztin nach Roveredo zurückkehren wird, ist noch nicht ganz klar. Das müsse sie mit ihren Kollegen und mit sich selber noch ausmachen, sagt sie. Und fügt hinzu: «Vor dem Nationalratspräsidium arbeitete ich noch als Ärztin. Im vergangenen Jahr war dies nicht

mehr möglich. Im kommenden Jahr werde ich vielleicht die eine oder andere Ferienvertretung übernehmen – mal schauen. Ich fände es jedenfalls sehr schade, mei-nen Beruf wegen der Politik ganz aufgeben zu müssen.»

Das eigene Leben

Kann Marina Carobbio das, was sie als Ärztin und Poli-tikerin vertritt, bei sich selber auch verwirklichen? Wie steht es beispielsweise mit der Pflege der eigenen Ge-sundheit? «Nun ja, ich brauche wenig Schlaf», schmun-zelt sie. «Aber etwas mehr Bewegung wäre schon gut. Nächstes Jahr will ich wieder öfter wandern gehen, in der Leventina zum Beispiel.» Vorderhand geht es noch nicht in die Berge. Sondern nach Chur und Como für Vorträge. Carobbio fährt mit der Eisenbahn, ganz allein. Und sie empfindet diese Freiheit als grosses Privileg. «Dass solch unkompliziertes Reisen in der Schweiz in meiner Funktion möglich ist, glaubt man mir im Ausland oft nicht», kommentiert sie.Und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Es sei vor allem am Anfang ihrer politischen Karriere schwie-rig gewesen, alles unter einen Hut zu bringen, sagt sie. Aber ihr Mann, Ingenieur bei den SBB, und ihre Eltern hätten sie stets tatkräftig unterstützt. Und jetzt seien ihre Kinder ja weitgehend selbständig. Der Sohn stu-diert an der ETH, ihn kann sie also zum Beispiel in Zürich treffen. Die Tochter besucht sie demnächst in Bern. Sie will vielleicht Medizin studieren.Klar ist für Marina Carobbio nach diesem ganz speziell anstrengenden Jahr als höchste Schweizerin eines – und dies scheint geradezu ein Motto für das kom-mende Jahr zu sein: «Ich will und kann nicht nur im Bundeshaus leben.»

BildnachweisFotos: Daniel Lüthidl[at]dlkommunikation.ch

«Immer noch wandern zu viele junge Menschen aus dem Tessin ab.»

HORIZONTE Begegnung mit … 1720

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1718–1720

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Frieden hat seinen PreisJürg Kesselring

Prof. Dr. med., Mitglied IKRK, Senior Botschafter und Neuroexperte, Rehabilitationszentrum Kliniken Valens

Die letzten Jahre seines wechselvollen Lebens ver-brachte Henry Dunant (1828–1910), der Gründer der Rot-kreuz-Bewegung im Spital Heiden, als «Pensionär», wie er selber betonte, nicht als Patient. Sein Geburtstag, der 8. Mai, ist weltweit der «Rotkreuz-Tag». Die Idee zu diesem Gedenk-und-Feier-Tag entstand im Zusammen-hang mit innenpolitischen Konflikten in der damaligen Tschechoslowakischen Republik 1921, als die dortige Rotkreuz-Gesellschaft, die heuer ihr 100-jähriges Beste-hen gefeiert hat, vorschlug, die mittelalterliche Praxis des «Treuga dei» (Gottesfrieden) umzusetzen und an Ostern des Jahres 1922 eine drei tägige Waffenruhe aus-rief, eine «Trêve de la Croix-Rouge» (Rotkreuz-Frieden). Statt polemischer Äusserungen veröffentlichte die Presse zu jener Zeit vermehrt Berichte über den Rot-kreuz-Frieden. Daraus entstand der Wunsch, jedes Jahr einen Tag des Friedens zu begehen, was ab 1930 an den Internationalen Konferenzen der Rotkreuz-Gesell-schaften diskutiert und erst auf der XVI. Internationa-len Konferenz 1938 in London beschlossen wurde. Henry Dunant hat 1901 als Erster den Friedensnobel-preis erhalten und wurde dadurch nach jahrzehntelan-ger gesellschaftlicher Ächtung rehabilitiert. Das IKRK erhielt diesen Preis 1917 nach den Erfahrungen des Erste n Weltkrieges (der in Frankreich immer noch «La Grande Guerre» genannt wird), wo es für die 7 Millio-nen (!) Kriegsgefangenen in aufwendiger und kompli-zierter Kleinarbeit und grosszügiger Strategieplanung seine guten Dienste anbot und praktizierte. 1944 für seine Leistungen im Zweiten Weltkrieg und 1963 zur Hundertjahrfeier seiner Gründung.Im Henry-Dunant-Museum, das passenderweise im alte n Spital Heiden besteht, wird vom 10.11.2019 bis zum 23.12.2020 eine «Kabinettausstellung» gezeigt mit dem zum Denken anregenden Titel: «Der Preis für den Frieden» – Alfred Nobels Auszeichnung von Henry Dunant bis Abiy Ahmed Ali. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, welchen Preis für den Frieden wir zahlen wollen bzw. dankbar dafür zu sein, dass wir in unseren Gegenden seit so langer Zeit doch im Frieden leben dürfen.Die Namen Dunant und Nobel werden mit dem Bemü-hen um eine friedlichere Welt in Verbindung gebracht. Den Weg zum Frieden sehen die beiden schillernden Persönlichkeiten jedoch unterschiedlich. Während der Humanist Henry Dunant Regeln formuliert, welche die

Andrea Caroni, Andreas Ennulat, Jürg Kesselring und Alfred

Stricker in der Kabinett ausstellung «Der Preis für den Frie-

den» im Henry-Dunant-Museum Heiden. (Bild: IKS)

KabinettausstellungDer Preis für den FriedenAlfred Nobels Auszeich-nung – von Henry Dunant bis Abiy Ahmed Ali10.11.2019–23.12.2020Henry-Dunant-Museum, Heiden

Prof. Dr. med. Jürg Kesselring FRCP Mitglied des IKRK Senior Botschafter und Neuroexperte Rehabilitatioszentrum Kliniken Valens Taminaplatz 1 CH-7317 Valens

Folgen von Kriegen abmildern sollen, hält der Chemiker Alfred Nobel die abschreckende Wirkung von Waffen für eine Möglichkeit, kriegerische Auseinandersetzun-gen zu verhindern. Der eine ist ein Mitgründer des In-ternationalen Roten Kreuzes, der andere erfindet das Dynamit. Die unterschiedlichen Lebenswege treffen sich am Ende: Alfred Nobel verfügt in seinem Testa-ment die Vergabe von Preisen für besondere Leistungen in Physiologie oder Medizin, Literatur, Technik, Wirt-schaft und, auf Anregung vont Bertha von Suttner, auch einen Preis für den Frieden. Träger des ersten Friedens-nobelpreises 1901 ist eben Henry Dunant (er schrieb sel-ber seinen Vornamen gelegentlich mit «i» oder mit «y»). Wie unterschiedlich die Vorstellungen von Friedens-arbeit sein können und inwiefern die Konzeptionen

von Frieden dem jeweiligen Zeitgeist folgen, wird in der Ausstellung anhand von 33 ausgewählten Preisträge-rinnen und Preisträgern deutlich. Aus Anlass der Ver-gabe des 100. Friedensnobelpreises im Jahr 2019 werden die Auszeichnung und die Vergabekriterien in der Aus-stellung reflektiert. Diese bietet Gelegenheit, sich mit Friedenskonzepten, Friedensarbeit und mit dem eige-nen Verständnis von (und dem eigenen Beitrag zu (?)) Frieden zu beschäftigen. Die Ausstellung ist auf Holz geprägt. Holztafeln dürfen gedreht werden, weil auf der Rückseite weitere Daten zu ausgezeichneten Organisa-tionen und Personen stehen, beispielsweise über Ber-tha von Suttner, Martin Luther King oder Michail Gor-batschow. «Der Preis für den Frieden» informiert und fasziniert. Damit ist dem Henry-Dunant-Museum ein ganz spezielles Meisterstück ge lungen.

HORIZONTE Ausstellung 1721

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1721

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Zum Rücktritt von Erhard Taverna aus der SÄZ-Redaktion per Ende Jahr

Verdichtungskünstler mit immensem SpektrumBruno Kesseli

Dr. med. et lic. phil., ehemaliger Chefredaktor der SÄZ

«Die SÄZ ohne Dich – das geht eigentlich nich(t).» Mit dieser Einschätzung, die ich als ehrenvoll empfand, verabschiedete mich «mein» Team in der SÄZ im Juni dieses Jahres als Chefredaktor. Dass es auch ohne mich gehen würde, war natürlich allen klar, und der Beweis dafür ist längst erbracht. Als Ausdruck der Wertschät-zung freute mich die Formulierung trotzdem.Noch besser passt sie meines Erachtens auf meinen Redaktionskollegen Erhard Taverna. Er hat sich dazu entschlossen, per Ende Jahr aus der Redaktion der Schweizerischen Ärztezeitung zurückzutreten, der er während über zwei Jahrzehnten angehörte. Der Name Erhard Taverna ist für mich untrennbar mit der SÄZ verbunden, seit ich das «Gelbe Heft» regelmässig in  die Hand nehme. Als zwar spätberufener, aber doch einigermassen junger Arzt fand ich durch seine Artikel eine Art geistiger Heimat in der SÄZ, lange bevor ich beruflich selbst für das offizielle Organ der FMH tätig wurde. Erhard sprach in seinen Beiträ-gen primär meine geisteswissenschaftliche Seite an. Weil mich seine Texte in ihren Bann zogen und ich die SÄZ ihretwegen regelmässig aufschlug, bekam ich zu-nehmend auch standespolitische Diskussionen mit. Auch wenn ich dies bisher nie bewusst reflektiert habe: Die durch Erhard Tavernas Artikel katalysierte Verbin-dung zur SÄZ dürfte nicht unwesentlich zu meinem Entschluss beigetragen haben, mich 2005 auf die aus-geschriebene Stelle des Chefredaktors zu bewerben.Die auf der Erfahrung der persönlichen Lektüre basie-rende Perspektive, kein trockenes Amtsblatt zu leiten, sondern eine Zeitschrift, in der thematisch und jour-nalistisch vieles möglich war, reizte mich. Erhard war auch der erste externe SÄZ-Mitarbeiter, der mich nach meiner Ernennung anrief und mir gratulierte. Im Verlauf unserer gemeinsamen Jahre bei der SÄZ habe ich ihn nicht nur als feinfühligen und grossherzigen, intellektuell brillanten und äus serst belesenen Kolle-gen kennen- und schätzen gelernt, sondern auch als Freund.Zu Beginn meiner Tätigkeit waren Erhard und ich die einzigen «schreibenden Redaktoren» der SÄZ. Dadurch

wurde mir sein Talent, innert kürzester Zeit Beiträge zu verfassen, in eindrücklicher Weise vor Augen ge-führt. Zeitknappheit war für ihn nie ein Faktor. Ich führe dies darauf zurück, dass sein Interessenspek-trum keine Grenze kennt – zumindest konnte ich diese bis heute nicht ausloten. Die Themen fliegen ihm zu, er muss sich nie einen Artikel «aus den Fingern saugen».Am beeindruckendsten aber war und ist für mich die Dichte seiner Texte. Müsste ich mich auf ein zentrales Merkmal der Artikel von Erhard Taverna festlegen, wäre es dieses. Erhards Texte waren und sind Mono-lithen, in ihrer Urform frei von Absätzen und vollge-packt mit Faktenwissen, intelligenten und witzigen

Reflexionen und Assoziationen. Weil er sprachlich eine feine Klinge führt, nicht zu komplizierten Verschach-telungen neigt, kommen sie trotzdem leichtfüssig daher, wirken nie schwer und schon gar nicht schwer-fällig. Erhard Taverna beherrscht die Kunst des ver-dichteten Schreibens wie kaum ein Zweiter. Für mich ist er geradezu ein Verdichtungskünstler, der auf einerA4-Seite die Essenz selbst aus komplexesten The-men herausdestilliert. Nicht zufälligerweise nannte er den von ihm lange vor «meiner» Zeit ins Leben gerufe-nen Kulturteil der SÄZ «Distillerie».Eine SÄZ ohne Erhard Taverna? Wohl nicht nur für mich unvorstellbar. Doch obwohl es eines Tages so weit sein wird, sehen die Perspektiven zurzeit noch nicht so düster aus. Erhard Taverna wird sich zwar als Redaktionsmitglied von der SÄZ verabschieden. Wie ich aus sicherer Quelle weiss, werden sich die Leserin-nen und Leser aber weiterhin auf Artikel freuen kön-nen, die er als freier Autor verfassen wird.Zwar nicht mehr in offizieller Funktion, aber als lang-jähriger Weggefährte und Leser seiner Artikel, danke ich Erhard Taverna herzlich für seine Arbeit. Alles Gute, lieber Erhard – auf ein baldiges Wiedersehen in der SÄZ!b.kesseli[at]hispeed.ch

Der Name Erhard Taverna ist für mich untrenn-bar mit der SÄZ verbunden.

ZU GUTER LETZT 1722

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50):1722

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html

Die letzte Seite der SÄZ wird unabhängig von der Redaktion gestaltet.

SCHWEIZERISCHE ÄRZTEZEITUNG – BULLETIN DES MÉDECINS SUISSES – BOLLETTINO DEI MEDICI SVIZZERI 2019;100(50)

HUBER

Published under the copyright license “Attribution – Non-Commercial – NoDerivatives 4.0”. No commercial reuse without permission. See: http://emh.ch/en/services/permissions.html