Techniken der Amputation und Prothetik der unteren...

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WundD-A-CH Kongress 2017 St. Gallen Sitzung: Amputation Techniken der Amputation und Prothetik der unteren Extremität KD Dr.med Thomas Böni, Leitender Arzt Technische Orthopädie / Balgrist Tec [email protected]

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WundD-A-CH Kongress 2017 St. Gallen Sitzung: Amputation

Techniken der Amputation und Prothetik der unteren Extremität

KD Dr.med Thomas Böni, Leitender Arzt

Technische Orthopädie / Balgrist Tec

[email protected]

INHALTE

1. Einführung

2. Präoperative Abklärung und Behandlung

2. Amputationshöhe und chirurgische Technik

3. Frührehabilitation und Zeitpunkt der Prothesenversorgung

4. Prothesenversorgung und Rehabilitation

5. Stumpfbehandlung

EINFUEHRUNG: UEBERLEBENSRATEN BEI PAVK

Tautenhahn 2009 Baumgartner 1985 [2] Jensen 1983 [15]

EINFÜHRUNG: MOBILITAET UND AMPUTATIONSHÖHE

Tautenhahn 2009 Widmer 1988 [26]

PRÄOPERATIVE ABKLAERUNG: SCHLUESSELFRAGEN

Amputation vermeidbar?

1. Revaskularisation möglich?

2. Alternative Verfahren erfolgversprechend (Innere Resektion, Umkehrplastik)?

3. Expektative oder konservative Behandlung von Nekrosen angezeigt?

4. Infektion? Bei extremitäten- oder lebensbedrohenden Infektionen haben radikales chirurgisches Debridment und antibiotische Behandlung erste Priorität. Eine Revaskularisation sollte anschliessend sobald wie möglich erfolgen (postprimär). Effektive Infektbehandlung ist nicht immer gleichbedeutend mit Amputation!

PRÄOPERATIVE EVALUATION: ALTERNATIVEN?

PRÄOPERATIVE EVALUATION: ALTERNATIVEN

Innere transmetatarsaelResektion

Baumgartner/Wetz 1991

PRÄOPERATIVE EVALUATION: ALTERNATIVEN?

Expektatives oder konservatives Vorgehen versus Unterschenkelamputation

PRÄOPERATIVE EVALUATION: WAHL DER AMPUTATIONSHÖHE

Kriterien für die Wahl der Amputationshöhe bei PaVK und

Diabetes mellitus:

1. Perfusion (Wundheilung)

2. Biomechanik (zu erwartende Stumpfqualität)

3. Schmerzreduktion (bei Ischämieschmerzen)

4. Rehabilitationspotential

5. Patientenwunsch

Amputationskriterien bei Trauma:

Mangled Extremity Severity Score (MESS): Geschwindigkeit, Ischämie, Schock, Alter (>7 = 100% Chance für Amputation) Helfet Clin Orthop 1990

PRÄOPERATIVE EVALUATION: PERFUSION

Makrozirkulation:

Pulse:

Aortal + : 57% Heilung (BKA)

Femoral + : 81% Heilung (BKA)

Popliteal +: 100% Heilung (BKA)

Knöcheldruck:

>70mmHg sicher,

50-70mmHg möglich

<50mmHg unsicher

Zehendruck:

> 30-45mmHg sicher

PRÄOPERATIVE EVALUATION: PERFUSION

Mikrozirkulation: Transkutaner Sauerstoffpartialdruck (tpcO2): >40mmHg sicher, 20-40mmHg fraglich, <20mmHg unwahrscheinlich (Cave: Oedem, Inflammation/Infektion)

WUNDHEILUNG

Heilungsraten nach Unterschenkelamputation (BKA):

73% Bickel 1947; 74% Baker et al. 1977; 91% Brückner 1992; 93% Murdoch 1988; 70% (primär) / 86% (primär+sekundär; Diabetes 92% > PAVK 75%) Bowker 1996

Heilungsraten nach Oberschenkelamputation (AKA):

72% Dale/Capps 1959; 66% Boontje 1980

WUNDHEILUNG

Akzeptable Stumpfrevisions- und Nachamputationsraten bei PAVK und Diabetes mellitus: 25-30 %

Patientenwunsch (informed consent): für den Patienten und den Chirurgen akzeptable zu erwartende Wundheilungschance

Falls keine Gehfähigkeit mehr erwartet werden kann (Mobilitätsgrad O) soll ein sicheres Amputationsniveau gewählt werden

PRÄOPERATIVE EVALUATION: AMPUTATIONSHÖHE ?

PRÄOPERATIVE EVALUATION: AMPUTATIONSHÖHE?

PRÄOPERATIVE EVALUATION: BIOMECHANIK

1. Endbelastbarkeit ?

2. Stumpfdeformität ?

3. Kontrakturen benachbarter Gelenke ?

4. Lähmungen ?

5. Haut- und Weichteilqualität ?

6. Schutzsensibilität ?

PRÄOPERATIVE EVALUATION: BIOMECHANIK

PRÄOPERATIVE EVALUATION: BIOMECHANIK

PRÄOPERATIVE EVALUATION: BIOMECHANIK

PRÄOPERATIVE EVALUATION: BIOMECHANIK

PRÄOPERATIVE BEHANDLUNG

1. Information und Kommunikation: Team approach (Arzt, Orthopädietechniker, Physiotherapeut, Ergotherapeut, Botschafter (peer visitor))

2. Prävention von Druckstellen, Druckulkus und Decubitus

3. Rollstuhl mit horizontalem Beinteil (bei Amputationen im Unterschenkel oder weiter distalen)

4. Einstellung von Stöcken und Gehhilfen, Uebungen

5. Adäquates Schuhwerk für die Gegenseite

6. Atemtherapie

CHIRURGISCHE TECHNIK BEI PAVK UND DIABETES

Blutsperre: nur stand-by

Preparation: keine Zug oder Druck auf die Weichteile (Vorsicht it scharfen Haken und Klemmen), Einsatz der Finger erlaubt!

Nähte: Einzelknopfnähte, resorbierbares Nahtmaterial für tiefe Nähte, nicht resorbierbare Hautnaht, keine Hautklammern

CHIRURGISCHE TECHNIK BEI PAVK UND DIABETES

Nerven: kürzen, intramuskuläre Verlagerung

Arterien: Entfernung von Gefässprothesenund Knochenimplantaten im Kontaktbereich der Exoprothesen

Knochen: Osteotomien mit niedrig tourigerSäge und kontinuierlicher Spülung, Glättung von Knochenkanten, Periost nicht ablösen (Knochenneubildung kann Exostosenverursachen)

CHIRURGISCHE TECHNIK BEI PAVK UND DIABETES

Muskeln: Resektion schlecht durchbluteter Muskulatur oder Muskulatur mit hoher Thrombosierungsneigung, zB. M. soleus bei Unterschenkelamputation

Drainage: easy flow oder tiefes dickes Redon für 48 h oder NPTW (Negative Pressure WoundTreatment)

Verband: diagonal (nicht zirkulär!), von dorsal (bei dorsalem Lappen) nach ventral, wenig Zug, Verbandwechsel nach 48 h, Schutzgips?

AMPUTATIONSNIVEAUS

Fussteilamputationen:Vorfuss: Zehe, Strahl

Mittelfuss: Transmetatarsal, Lisfranc, Bona-Jäger

Rückfuss: Chopart, Boyd-Pirogoff-Spitzy

Syme Amputation

Transtibiale oder Unterschenkelamputation

Knieexartikulation

Transfemorale oder Oberschenkelamputation

Hüftexartikulation

Hemipelvektomie, Hemikorporektomie

ZEHENTEILAMPUTATION

Baumgartner/Wetz 1991

ZEHENTEILAMPUTATION

Baumgartner/Wetz 1991

ZEHENAMPUTATION

Bohne 1987

ZEHENAMPUTATION

Baumgartner/Wetz 1991

TRANSMETATARSALE AMPUTATION

Baumgartner/Wetz 1991

TRANSMETATARSALE AMPUTATION

2 Tage 9 Tage 4 Wochen

LISFRANC- UND CHOPART- AMPUTATION

Cave: Spitzfuss- und Varusfehlstellung (ohne Sehnentransfer) !

Bohne 1987

PIROGOFF- AMPUTATION

Vorteile: längeres Bein und geringeres Hinken als Syme-Amputation

Nachteile: Haut über der Achillessehne erträgt die Endbelastung nicht so gut, Pseudoarthroserisiko

Voraussetzung: A. tib. post. +

Bohne 1987

PIROGOFF- AMPUTATION

modiziert nach Warren 1997

X

Vorteile: längeres Bein mit geringerem Hinken als bei Syme-Amputation, endbelastbares Fersenpolster

Nachteile: Pseudoarthroserisiko

Voraussetzung: A. tib. post. +

Boyd 1939 J Bone Joint Surg, Baumgartner 1973 Enke

AMPUTATION NACH SPITZY/BOYD/BAUMGARTNER

BOYD- AMPUTATION

Warren 1997

Zwipp 1994 Springer -Verlag

ZWIPP- AMPUTATION

Vorteile: längeres Bein mit weniger Hinken als bei Syme- und Pirogoff-Amputation

Nachteile: Haut über dem Achillessehnenansatz weniger belastbar, Pseudoarthroserisiko

Voraussetzung: A. tib. post. +

Fixationstechnik abhängig von den lokalen Verhältnissen: Infektion, Knochenqualität

RUECKFUSSAMPUTATION

SYME- AMPUTATION

Vorteile: mehr oder weniger endbelastbarer Stumpf, Gehfähigkeit über kurze Strecken ohne Prothese (WC, Badzimmer) möglich

Nachteile: Versagen der Fersenpolsterfixation mit Dislaokation, Prothesenversorgung anspruchsvoll wegen geringer Bauhöhe für den Prothesenfuss

Beinverkürzung 4-7 cm

Voraussetzung: A. tib. post. +

James Syme (1799-1870): „Amputation at the ankle joint“, London and Edinburgh Month. J. of Med. Sc. 1843, 3: 93-96

UNTERSCHENKELAMPUTATION (BKA)

Bowker 1996 Baumgartner 1985 Burgess 1969

14-16cm !!

1-2 cm

UNTERSCHENKELAMPUTATION (BKA)

Bowker 1996 Baumgartner 1985 Burgess 1969

Resektion des M. soleus bei PAVK/Diabetes

Kürzung des N. tibialis, fibularis und suralis

Fibula 1 cm kürzer

Abrundung der Tibivorderkante

KNIEEXARTIKULATION

Baumgartner 1989

Vorteile: Endbelastbarkeit, Muskulatur bleibt erhalten, Knochen bleibt intakt (geringeres Infektrisiko)

Nachteile: dünnes Weichteilpolster bei vorderem Lappen, prothesenseitiges Knie mehr vorstehend und Unterschenkel kürzer beim Sitzen (Kosmetik)

KNIEEXARTIKULATION

Kostuik 1981

OBERSCHENKELAMPUTATION (AKA)

Vorteile: sicherere Heilung, guter Weichteilmantel in allen Richtungen

Nachteile: signifikant weniger erfolgreiche Prothesenversorgung

Baumgartner 1995

OBERSCHENKELAMPUTATION (AKA)

Burgess 1921

Burgess-Methode der transfemoralenAmputation

OBERSCHENKELAMPUTATION (AKA)

Bohne 1987

Myodese bei nicht-ischämischer Extremität

Myodese bei ischämischer Extremität

OBERSCHENKELAMPUTATION (AKA)

Gottschalk 1992

Gottschalk Technik

FRÜHREHABILITATION

FRÜHREHABILITATION

FRÜHREHABILITATION

FRÜHREHABILITATION

FRÜHREHABILITATION

FRÜHREHABILITATION

FRÜHREHABILITATION

FRÜHREHABILITATIONPPAMA=Pneumatic Post Amputation Mobility Aid

PROTHESENVERSORGUNG: FIXATIONKBM=Kondylenbettung Münster

PROTHESENVERSORGUNG: FIXATION pinlock liner

PROTHESENVERSORGUNG: FIXATIONsuction sleeve

PROTHESENVERSORGUNG: FIXATION seal-in liner

Abb. Seal In X5 Wave

PROTHESENVERSORGUNG: FIXATIONelevated vacuum system

Harmony-SystemOtto Bock

PROTHESENVERSORGUNG: FIXATION true suction

PROTHESENVERSORGUNG: PASSTEILEmicroprocessor knee 2nd generation Genium

REHABILITATION

REHABILITATION

REHABILITATION

REHABILITATION

MANAGEMENT VON STUMPFPROBLEMEN

Dermatological Issues:

Hyperhidrose (Schwitzen)

Follikulitis: Hautpflege, Antibiotika, Laser-Epilation

Epidermoidzyste: Exzision

Talgzysten (Acne inversa): Exzision

Ekzem: allergisch, irritativ, dishidrotisch, seborrhoisch, nummulär, mykotisch, infektiös

Intertrigo

Xerose

Verruköse Hyperplasie

Murphy 2014

STUMPFPROBLEME

MANAGEMENT VON STUMPFPROBLEMEN

Stumpfschmerzen durch die Amputation:

57% 8 Tage postoperativ

22% nach 6 Monaten

10% nach 2Jahren

Stumpfschmerzen durch die prothetische

Versorgung

Phantomschmerzen:

Häufigkeit 50-85%

Murphy 2014

MANAGEMENT VON STUMPFPROBLEMEN

Schlechte Prothesenpassform: Druckulkus verursacht durch Stumpfvolumenabnahme nach Entlassung

MANAGEMENT VON STUMPFPROBLEMEN

Verruköse HyperplasieStauungsdermatose

Schlechte Prothesenpassform: Oedem verursacht durch fehlenden Endkontakt nach Stumpfvolumenzunahme

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

KD Dr.med. Thomas Böni

Leitender Arzt Technische Orthopädie

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