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Technologieübersicht Erneuerbares Heizen und Kühlen Dossier Zusammenstellung deutscher Erfahrung im Hinblick auf die Übertragung in die Türkei

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  • Technologieübersicht Erneuerbares Heizen und Kühlen

    Dossier

    Technologieübersicht Erneuerbares Heizen und KühlenDossier

    Zusammenstellung deutscher Erfahrung im Hinblick auf die Übertragung in die Türkei

    Zusammenstellung deutscher Erfahrung im Hinblick auf die Übertragung in die Türkei

  • 2

    Impressum

    Herausgeber

    Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena)

    Chausseestraße 128 a

    10115 Berlin

    Tel: +49 (0)30 66 777 - 0

    Fax: + 49 (0) 66 777 - 699

    E-Mail: [email protected]

    Internet: www.dena.de

    Autoren

    Oliver Buchin

    Heiner Wilkens

    Auftraggeber

    Dr. Karsten Lindloff, dena

    Susanne Schmelcher, dena

    Maike von Krause-Kohn, dena

    Peter Pannier, dena

    Stand: 03/2020

    Alle Rechte sind vorbehalten. Die Nutzung steht unter

    Zustimmungsvorbehalt der dena.

    http://www.dena.de/

  • 3

    Inhaltsverzeichnis

    Inhaltsverzeichnis ..................................................................................................................................................................... 3

    Abkürzungen ............................................................................................................................................................................. 5

    Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................................................................. 6

    Tabellenverzeichnis .................................................................................................................................................................. 7

    1 Einleitung .......................................................................................................................................................................... 8

    1.1 Hintergrund ................................................................................................................................................................... 8

    1.2 Zielsetzung des Dossiers .............................................................................................................................................. 8

    1.3 Erneuerbares Heizen und Kühlen in der Türkei ........................................................................................................ 9

    1.4 Technologieübersicht ................................................................................................................................................. 10

    1.5 Struktur der Steckbriefe und Bewertung der Konzepte ........................................................................................ 11

    2 Steckbrief Heizen mit gebäudenaher Umweltwärme ............................................................................................... 14

    2.1 Funktionsweise ........................................................................................................................................................... 14

    2.2 Nachhaltigkeit ............................................................................................................................................................. 16

    2.3 Resilienz ....................................................................................................................................................................... 17

    2.4 Wirtschaftlichkeit ........................................................................................................................................................ 17

    2.5 Übertragbarkeit .......................................................................................................................................................... 18

    2.6 Beispielanwendungen ................................................................................................................................................ 18

    2.7 Bewertungsmatrix ...................................................................................................................................................... 19

    3 Steckbrief Heizen mit Ab- und Umweltwärme........................................................................................................... 20

    3.1 Funktionsweise ........................................................................................................................................................... 20

    3.2 Nachhaltigkeit ............................................................................................................................................................. 22

    3.3 Resilienz ....................................................................................................................................................................... 23

    3.4 Wirtschaftlichkeit ........................................................................................................................................................ 23

    3.5 Übertragbarkeit .......................................................................................................................................................... 23

    3.6 Beispielanwendungen ................................................................................................................................................ 24

    3.7 Bewertungsmatrix ...................................................................................................................................................... 25

    4 Steckbrief Heizen mit Biomasse und Solarthermie .................................................................................................. 26

    4.1 Funktionsweise ........................................................................................................................................................... 26

    4.2 Nachhaltigkeit ............................................................................................................................................................. 28

    4.3 Resilienz ....................................................................................................................................................................... 29

    4.4 Wirtschaftlichkeit ........................................................................................................................................................ 29

    4.5 Übertragbarkeit .......................................................................................................................................................... 30

    4.6 Beispielanwendungen ................................................................................................................................................ 30

    4.7 Bewertungsmatrix ...................................................................................................................................................... 31

    5 Steckbrief Solarthermisches Kühlen ........................................................................................................................... 32

  • 4

    5.1 Funktionsweise ........................................................................................................................................................... 32

    5.2 Nachhaltigkeit ............................................................................................................................................................. 35

    5.3 Resilienz ....................................................................................................................................................................... 35

    5.4 Wirtschaftlichkeit ........................................................................................................................................................ 36

    5.5 Übertragbarkeit .......................................................................................................................................................... 37

    5.6 Beispielanwendungen ................................................................................................................................................ 37

    5.7 Bewertungsmatrix ...................................................................................................................................................... 38

    6 Steckbrief Geothermisches Heizen und Kühlen ........................................................................................................ 39

    6.1 Funktionsweise ........................................................................................................................................................... 39

    6.2 Nachhaltigkeit ............................................................................................................................................................. 41

    6.3 Resilienz ....................................................................................................................................................................... 41

    6.4 Wirtschaftlichkeit ........................................................................................................................................................ 41

    6.5 Übertragbarkeit .......................................................................................................................................................... 42

    6.6 Beispielanwendungen ................................................................................................................................................ 43

    6.7 Bewertungsmatrix ...................................................................................................................................................... 44

    7 Steckbrief Solarelektrisches Kühlen ............................................................................................................................ 45

    7.1 Funktionsweise ........................................................................................................................................................... 45

    7.2 Nachhaltigkeit ............................................................................................................................................................. 48

    7.3 Resilienz ....................................................................................................................................................................... 48

    7.4 Wirtschaftlichkeit ........................................................................................................................................................ 48

    7.5 Übertragbarkeit .......................................................................................................................................................... 49

    7.6 Beispielanwendungen ................................................................................................................................................ 49

    7.7 Bewertungsmatrix ...................................................................................................................................................... 50

    Quellenverzeichnis ................................................................................................................................................................. 51

    Glossar ..................................................................................................................................................................................... 52

  • 5

    Abkürzungen

    AHK Deutsch-Türkische Industrie- und Handelskammer

    BAFA Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle

    BHKW Blockheizkraftwerk

    BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

    BWP Bundesverband Wärmepumpe e. V.

    COP Leistungszahl (engl. Coefficient of Performance)

    dena Deutsche Energie-Agentur

    EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz

    EEWärmeG Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz

    FKW halogenierter Fluorkohlenwasserstoff

    Fm Festmeter

    HFKW teilhalogenierter Fluorkohlenwasserstoff

    JAZ Jahresarbeitszahl

    KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau

    KWKK Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung

    MAP Marktanreizprogramm

    ORC Organic Rankine Cycle

    PV Photovoltaik

    SGK Sorptionsgestützte Klimatisierung

    WP Wärmepumpe

  • 6

    Abbildungsverzeichnis

    Abbildung 1 Entwicklung der Wärmeerzeugung in der Türkei nach Brennstoffen ....................................................... 9 Abbildung 2 Entwicklung des Stromverbrauchs in der Türkei .......................................................................................... 9 Abbildung 3 Technologiekombinationen .......................................................................................................................... 10 Abbildung 4 Beispiel eines „Performance Wheel“ ............................................................................................................ 11 Abbildung 5 Wärmepumpenanlage am GALAB-Unternehmensstandort in Hamburg ............................................... 14 Abbildung 6 Gesamtbewertung für das Konzept „Heizen mit gebäudenaher Umweltwärme“ ................................. 14 Abbildung 7 Vereinfachte Darstellung der Energieflüsse bei der gebäudeintegrierten Wärmepumpe ................... 15 Abbildung 8 Heizzentrale mit Wärmepumpe und Puffer-speicher und Hybridkollektoren ....................................... 19 Abbildung 9 Großwärmepumpe in Berlin-Lichtenberg ................................................................................................... 20 Abbildung 10 Gesamtbewertung für das Konzept „Heizen mit Abwärme und Umweltwärme“ .................................. 20 Abbildung 11 Vereinfachte Darstellung der Energieflüsse bei der Großwärmepumpe ................................................ 21 Abbildung 12 Komponenten der Großwärmepumpe in der Kraftwerksanlage Wien Simmering ............................... 24 Abbildung 13 Hackschnitzelverbrennung und -lager ......................................................................................................... 26 Abbildung 14 Gesamtbewertung für das Konzept „Heizen mit Biomasse und Solarthermie“ ..................................... 26 Abbildung 15 Vereinfachte Darstellung der Energieflüsse beim Heizen mit Biomasse und Solarthermie ................. 27 Abbildung 16 Die Abbildung entspricht dem Konzept des Bioenergiegenossenschaft Mengsberg ............................ 30 Abbildung 17 Absorptionskälteanlage als Kernkomponente des solarthermischen Kühlens ...................................... 32 Abbildung 18 Gesamtbewertung für das Konzept „Solarthermisches Kühlen“ .............................................................. 32 Abbildung 19 Hauptkomponenten und Energieflüsse beim solarthermischen Kühlen ................................................ 32 Abbildung 20 Solarthermische Vakuumröhrenkollektoren auf einem Gebäude ........................................................... 34 Abbildung 21 Schwimmbad als Anwendungsbeispiel für sorptionsgestützte Klimaanlagen ....................................... 35 Abbildung 22 Solarkollektorfeld im Umweltbundesamt Dessau ..................................................................................... 38 Abbildung 23 Das Nesjavellir-Geothermie-Kraftwerk in Thingvellir, Island .................................................................... 39 Abbildung 24 Gesamtbewertung für das Konzept „Geothermisches Heizen und Kühlen“ .......................................... 39 Abbildung 25 Hauptkomponenten und Energieflüsse beim geothermischen Kühlen .................................................. 40 Abbildung 26 Energiezentrale der Geothermieanlage Unterföhring und Bohrung der Dublette ................................ 43 Abbildung 27 PV-Anlage und Splitmodul zum Kühlen auf einem Dach .......................................................................... 45 Abbildung 28 Gesamtbewertung für das Konzept „Solarelektrisches Kühlen" .............................................................. 45 Abbildung 29 Hauptkomponenten und Energieflüsse beim solarelektrischen Kühlen ................................................ 46 Abbildung 30 Kompressionskälteanlage in prozesstechnischer Anwendung und Splitgeräte .................................... 46

    file://///dena.de/Daten/Home/oezer/Desktop/Dossier_Erneuerbares_Heizen_und_Kuelen_Hinweise%20eingearbeitet.docx%23_Toc42170176

  • 7

    Tabellenverzeichnis

    Tabelle 1 Bewertungsmatrix zum „Heizen mit gebäudenaher Umweltwärme“ ......................................................... 19

    Tabelle 2 Typische Temperaturniveaus von Wärmepumpen ....................................................................................... 21

    Tabelle 3 Bewertungsmatrix zum „Heizen mit Abwärme und Umweltwärme“ .......................................................... 25

    Tabelle 4 Bewertungsmatrix zum „Heizen mit Biomasse und Solarthermie“ ............................................................. 31

    Tabelle 5 Typische Temperaturniveaus in Absorptionskälteanlagen ........................................................................... 34

    Tabelle 6 Bewertungsmatrix zum „Solarthermischen Kühlen” ..................................................................................... 38

    Tabelle 7 Bewertungsmatrix zum „Geothermischen Heizen und Kühlen“ .................................................................. 44

    Tabelle 8 Bewertungsmatrix zum „Solarelektrischen Kühlen“ ...................................................................................... 50

  • 8

    1 Einleitung Das Deutsch-Türkische Energieforum wurde im Jahr 2012 von den Regierungen beider Länder

    gegründet. Seitdem arbeitet die Deutsche Energie-Agentur (dena) für das Bundesministerium für

    Wirtschaft und Energie (BMWi) mit zahlreichen Akteuren aus Politik und Wirtschaft beider Länder

    in den Handlungsfeldern erneuerbare Energien, Energieeffizienz sowie Energieinfrastruktur und

    Sektorkopplung zusammen und trägt zu einem strukturierten Austausch sowie Wissenstransfer

    bei. Als Co-Chair in diesen Arbeitsgruppen bearbeitet sie gemeinsam mit den Vertretern des

    türkischen Energieministeriums und in Kooperation mit der Deutsch-Türkischen Handelskammer

    (AHK) die Themen in den drei von der dena betreuten Arbeitsgruppen.

    1.1 Hintergrund

    Die Arbeitsgruppen des Deutsch-Türkischen Energie-

    forums verfolgen das Ziel, zu aktuellen Fragen der

    Energiepolitik einen intensiven Austausch zu den

    zentralen Fragen der Energiewende aufzubauen und in

    den zentralen Handlungsfeldern für die Moderni-

    sierung und die gesteigerte Wertschöpfungskette des

    türkischen Energiesektors einzusetzen.

    Die weitere Erschließung der großen Potentiale an

    erneuerbaren Energien in der Türkei, der erheblichen

    Potentiale für Energieeffizienz in allen Verbrauchs-

    sektoren sowie die Ausgestaltung der Energieinfra-

    struktur und die Integration erneuerbarer Energien in

    den Energiemarkt versprechen einen wichtigen Beitrag

    für die Erreichung der Energieziele der türkischen

    Regierung zu leisten.

    Die durch die Arbeitsgruppen unterstützte Aktivierung

    und Einbindung von Unternehmen und Institutionen

    aus beiden Ländern soll sicherstellen, dass Ideen eines

    breiten Stakeholder-Kreises eingebunden und ihre

    Expertise und Praxiserfahrungen berücksichtigt

    werden.

    Das Potential für den Einsatz von erneuerbaren

    Energien zum Heizen und Kühlen ist sehr groß. Hierfür

    stehen verschiedene Technologien zur Verfügung, die

    in Deutschland bereits erfolgreich eingesetzt werden.

    Eine besondere Herausforderung stellt das Kühlen dar:

    Heute werden in der Türkei 16 Prozent des Strom-

    verbrauchs zur Kühlung verwendet. Solares Kühlen

    kann bis zu 60 Prozent des Energieeinsatzes einsparen.

    Zudem gibt es hierfür viele verschiedene Technologien,

    deren Verwendung je nach Ausgangssituation sinnvoll

    ist. Solares Kühlen hat ein großes Potential in sonnigen

    Regionen, da dort das Kühlen einen noch größeren

    Anteil am Energieverbrauch hat.

    Aufgrund der Größe des Landes gibt es in der Türkei

    eine große Anzahl unterschiedlicher Klimazonen. In

    den Küstenregionen überwiegt ein mediterranes Klima.

    Milde und feuchte Winter sowie lange und heiße

    Sommer dominieren. In Zentralanatolien sind die

    Winter kalt und trocken. Die Niederschlagsmenge

    variiert ebenfalls stark je nach Region von 250 mm im

    Südosten bis zu 2.500 mm im Nordosten und in den

    Gebirgsebenen. Zudem ist zu beachten, dass die Türkei

    in vielen Gebieten erdbebengefährdet ist.

    Dieses Dossier stellt Technologien und deren Poten-

    tiale im Bereich des erneuerbaren Kühlen und Heizens

    dar, ordnet sie bestimmten Klimazonen zu und gibt

    Hinweise zu den in Deutschland geltenden Regulie-

    rungen zu bestimmten Anwendungen sowie auf die

    Marktsituation.

    1.2 Zielsetzung des Dossiers

    Zielstellung des Dossiers ist es, relevante Informatio-

    nen zu Technologien für das erneuerbare Heizen und

    Kühlen in kompakter Form zu vermitteln. Der Begriff

    Technologie bezeichnet in diesem Dossier das in Form

    von technischen Bauteilen oder technischen Anlagen

    umgesetzte Wissen zur Energieumwandlung. Beispiele

    für Technologien sind Solarthermieanlagen, welche

    Solarstrahlung auf Heizmedien übertragen, oder Sorp-

    tionskälteanlagen, die einen warmen Wasserstrom

    nutzen, um Kaltwasser bereitzustellen.

    In einem Energiekonzept werden geeignete

    Technologien miteinander verknüpft, um Energie-

    dienstleistungen bereitzustellen. Energiedienst-

    leistungen können das Heizen oder Kühlen von

    Räumen, das Erwärmen von Trinkwasser oder die

    Luftentfeuchtung sein. So wird im Konzept solar-

    thermisches Kühlen die Technologie der Solarthermie-

    anlage mit der Technologie der Sorptionskälteanlage

    zu einem Energiekonzept verknüpft, um mit Solar-

    strahlung zu kühlen. Erneuerbare Energiekonzepte

    nutzen hauptsächlich erneuerbare Energiequellen.

    Gegenüber Standardtechnologien lässt sich durch

    diese Konzepte eine signifikante Reduktion der

    CO2 Emissionen erreichen. Beispielsweise kann das

    Konzept „solarthermisches Kühlen“ mit nur etwa 10

    Prozent der CO2-Emissionen des Alternativkonzeptes

    „Kühlen mit Erdgas“ umgesetzt werden.

  • 9

    Ein praxisorientierter Ansatz wird verfolgt, indem

    sinnvolle Technologiekombinationen in beispielhaften

    erneuerbaren Energiekonzepten dargestellt werden. Es

    werden sechs Konzepte in Form von Steckbriefen

    dargestellt. Die gewählte Darstellungsform ermöglicht

    es, die Technologien bezüglich der Kriterien Nach-

    haltigkeit, Resilienz, Regionalität und Wirtschaft-

    lichkeit zu bewerten. Zusätzlich werden Hinweise für

    die Übertragbarkeit der Konzepte und Technologien

    in die Türkei gegeben.

    1.3 Erneuerbares Heizen und Kühlen in der Türkei

    Im Zuge der Energiewende erreichen zunehmend mehr

    Technologien und Konzepte eine technische Entwick-

    lungsreife, durch welche ihr Einsatz energetisch und

    wirtschaftlich in Betracht gezogen wird. Während die

    Erzeugung erneuerbaren Stroms bereits weit verbreitet

    ist, rücken die Nutzungsmöglichkeiten für erneuerbare

    Wärme derzeit in den politischen Förderfokus.

    Aufgrund der geografischen Lage wird das Potential für

    die Nutzung erneuerbarer Energien als hoch

    eingeschätzt (Deutsche Energie-Agentur GmbH, 2013).

    Das Land liegt auf Höhe des 40. Breitengrades

    südöstlich von Europa, wobei ein Großteil des Landes

    dem asiatischen Kontinent zugeordnet wird. Die

    nördliche Grenze bildet das Schwarze Meer, im Süden

    und Westen befindet sich das Mittelmeer. Auf Höhe

    von Istanbul sowie in der nördlichen Türkei grenzen die

    eurasische und die anatolische Platte aneinander.

    Solare Potentiale sind aufgrund der nördlichen Lage

    zum Äquator im Süden höher als im Norden des

    Landes. Im Schnitt werden sie mit ca. 1.300 kWh/m²a

    angegeben. Das Potential für Energiepflanzen wird

    auf 75 PJ/a (ca. 21 TWh/a) geschätzt. Das technische

    Potential zur Wärmegewinnung aus Geothermie wird

    auf 31.500 MW (276 TWh) beziffert, wobei ein Großteil

    der Quellen im Westen vorhanden sind (alle Werte,

    (Deutsche Energie-Agentur GmbH, 2013)).

    Der türkische Endenergiebedarf hat sich seit 2000

    erhöht. Der Wärmebedarf ist von ca. 4,5 TWh/a 2000

    auf ca. 14,5 TWh im Jahr 2010 gestiegen. Seit 2010 ist

    der Anteil von anderen Quellen (Biogas, Abwärme,

    Weitere) für die Wärme gegenüber Gas und fossilen

    Primärenergieträgern (Öl, Kohle) weiter gestiegen. Der

    Bruttostromverbrauch stieg stetig von rund 2.311 (im

    Jahr 2010) auf 2.896 (im Jahr 2016) kWh je Einwohner

    (Wirtschaftskammer Österreich, 2019).

    Abbildung 1 Entwicklung der Wärmeerzeugung in der

    Türkei nach Brennstoffquellen; Daten IEA

    Laut Daten der IEA werden weltweit ca. 6 Prozent des

    Strombedarfs für die Klimatisierung aufgewendet.

    Selbst unter Einbezug zukünftiger Effizienzsteige-

    rungen der aktuell verwendeten Technologien wird für

    Wohn- und Nichtwohngebäude ein Sprung von

    weltweit 2.020 TWh im Jahr 2016 auf 6.200 TWh im

    Jahr 2050 projiziert. Der Anteil des Endenergiebedarfs

    an Strom, welcher für die Klimatisierung eingesetzt

    wird, kann abhängig von der Region auf 10 Prozent bis

    fast 16 Prozent steigen (IEA Data Services, 2020).

    Abbildung 2 Entwicklung des Stromverbrauchs in der

    Türkei; Daten IEA

    Diese Entwicklungen sind für die Energieversorgung

    der Länder auf verschiedenen Ebenen eine Heraus-

    forderung. Um das Stromnetz zu entlasten und

    Lastspitzen abfangen zu können, sind neue Konzepte

    notwendig. Das Erschließen der regenerativen

    Energiequellen zum Heizen und Kühlen ist mittels

    verschiedener Konzepte möglich, welche sich in

    Marktreife und Erprobungsstand z. T. deutlich

    unterscheiden.

  • 10

    1.4 Technologieübersicht

    Wie der Titel des Dossiers bereits vermittelt, lassen sich

    die Konzepte in die Bereiche Heizen und Kühlen

    unterteilen. Ein weiteres wichtiges Unterscheidungs-

    merkmal ist der Gebäudebezug. Werden erneuerbare

    Quellen in unmittelbarer Nähe des zu konditionie-

    renden Gebäudes erschlossen, werden diese Konzepte

    als gebäudeintegrierte Konzepte bezeichnet. In

    dichten Siedlungsstrukturen sind netzbasierte

    Konzepte meist vorteilhafter, weil die zentralen

    Erschließungstechnologien im größeren Maßstab

    effizienter und wirtschaftlicher umsetzbar sind.

    Die gewählten Konzepte beinhalten Kerntechnologien

    für das erneuerbare Heizen und Kühlen. Das Heizen

    mit gebäudenaher Umweltwärme ist ein gebäude-

    integriertes Konzept zur Wärmeversorgung und

    Trinkwasserbereitung von Ein- und Mehrfamilien-

    häusern insbesondere in weniger dichten Siedlungs-

    gebieten. Die Kerntechnologie Wärmepumpe

    ermöglicht es, Umweltwärme gebäudenah aufzu-

    werten. Die Wärmepumpe gilt daher als Schlüssel-

    technologie der Wärmewende. Sie ermöglicht eine

    Verknüpfung der Wärmeerzeugung mit einer auf

    erneuerbaren Quellen beruhenden Stromerzeugung.

    Im Steckbrief werden die vielfältigen Varianten der

    Wärmepumpen und aktuelle Entwicklungen

    präsentiert.

    In dichten Siedlungsstrukturen mit bestehenden Nah-

    und Fernwärmenetzen ist das Heizen mit Abwärme

    und Umweltwärme und die Einbindung von Solar-

    thermie ein geeigneter Ansatz, um bestehende Fern-

    wärmenetze nachhaltiger zu nutzen. Mit Großwärme-

    pumpen kann die Abwärme von Kraftwerks- und

    Industrieprozessen oder die Energie von Flusswasser

    oder dem Erdreich genutzt werden, um über das

    Leitungsnetz größere Quartiere mit Wärme zu

    versorgen. Gleichzeitig können fossile Kraftwerke

    effizienter betrieben werden.

    In kleineren Siedlungsstrukturen ist das Heizen mit

    Biomasse und Solarthermie geeignet, weil oft

    entsprechende land- und forstwirtschaftliche

    Strukturen vorhanden sind. Auch hier können

    Nahwärmenetze vorteilhaft genutzt werden. Der

    Steckbrief fokussiert auf die Nutzung von Biomasse in

    größeren Kesselanlagen für die netzbasierte

    Wärmeversorgung.

    Solarthermisches Kühlen wird durch die Kombination

    von Solarwärme- mit Sorptionsanlagen ermöglicht. Es

    können damit Klima- oder Prozesskälte erneuerbar

    bereitgestellt werden. Die Technologievarianten der

    thermisch angetriebenen Kälteerzeugung werden für

    gebäudeintegrierte Konzepte dargestellt. Bei einem

    hohen Entfeuchtungsanteil bei der Klimatisierung kann

    auch das technologisch verwandte Verfahren der

    sorptionsgestützten Klimatisierung (Sorptionsent-

    feuchtung) Anwendung finden. Auf dieses wird

    ebenfalls innerhalb des Steckbriefes eingegangen.

    Geothermisches Heizen und Kühlen ist in der Türkei

    in den geothermisch aktiven Gebieten interessant. Die

    Großtechnologie ist für die netzbasierte Versorgung

    von dichten Siedlungsstrukturen geeignet. Der

    Steckbrief beleuchtet die Risiken der geothermischen

    Technologien und zeigt auf, welche sich davon

    nachhaltig implementieren lassen.

    Das Konzept Solarelektrisches Kühlen ist sowohl

    netzbasiert als auch gebäudeintegriert umsetzbar und

    wird im letzten Steckbrief erläutert. Grundlegend sind

    Photovoltaikanlagen, die Kompressionskälteanlagen

    antreiben.

    Weitere Technologiekombinationen sind möglich und

    eine umfassende Darstellung der Vielzahl an Umwand-

    lungstechnologien ist im Rahmen dieses Dossiers nicht

    darstellbar. Der Vollständigkeit halber sollen jedoch

    weitere Kombinationen von erneuerbaren Quellen und

    Umwandlungstechnologien aufgezeigt werden.

    Abbildung 3 Technologiekombinationen, G = gebäude-

    integriert, N = netzbasiert, Farben: rot = Heizen,

    blau = Kühlen. Fett umrandete Kombinationen werden im

    Dossier behandelt.

    Wie der Matrix zu entnehmen ist, werden die

    Technologien zur Erschließung der ersten sechs

    Quellen in den Steckbriefen erläutert. Bis auf die

    Gasabsorptionswärmepumpe werden auch alle

    Umwandlungstechnologien mit abgedeckt. Diese

    Technologie wurde als Brückentechnologie zur

    effizienteren Nutzung von Erdgas entwickelt, konnte

    sich allerdings am Markt nicht durchsetzen.

    Erneuerbare Gase, wie Biogas und Wasserstoff und die

    damit verbundenen Technologien, wie Blockheiz-

    kraftwerk und Brennstoffzellen als Kraft-Wärme-

    Kopplungstechnologien werden im Rahmen dieses

  • 11

    Dossier nicht behandelt, da die anderen Technologien

    für die Türkei interessanter erscheinen.

    Als Grundsatz aller technologischen Konzepte sollte die

    Maximierung der Energieeinsparungen auf der

    Nutzerseite gelten. Das bedeutet, dass Maßnahmen

    ausgenutzt werden, um den Wärmebedarf und/oder

    den Kältebedarf eines Gebäudes durch passive

    Maßnahmen zu reduzieren. Als passive Maßnahmen

    gelten u.a. die Gebäudedämmung, das Ausnutzen von

    solaren Gewinnen, Verschattung, Nachtlüftung, Aus-

    nutzung von natürlicher Konvektion und nächtlicher

    Abstrahlung. In vielen Fällen kann durch eine geeignete

    Kombination der passiven Maßnahmen auf die techno-

    logischen Energiedienstleistungen verzichtet werden.

    1.5 Struktur der Steckbriefe und Bewertung der Konzepte

    Die Steckbriefe beschreiben zuerst die Funktionsweise

    der Kerntechnologien. Dies beinhaltet ein Funktions-

    schema, die Beschreibung wichtiger Komponenten und

    Kennzahlen sowie Hinweise zu Betriebsgrenzen und

    alternativen Technologien.

    Alle Steckbriefe sind mit einem vereinfachten Schema

    illustriert, um die wesentlichen Energieströme darzu-

    stellen. Hierbei kennzeichnen Pfeile die Energie-

    ströme. Die Richtung der Pfeile symbolisiert die Fließ-

    richtung der Energie, beim Kühlen von der gekühlten

    Umgebung zur Kühltechnologie, beim Heizen von der

    Heizquelle zum Abnehmer, bei der Stromquelle vom

    Netz zum Verbraucher. Die Stärke der Pfeile kann als

    maßstäbliche Größe der transportierten Energiemenge

    verstanden werden, sodass die Verhältnisse der

    Energiemengen leicht erfasst werden können.

    Die Farbgebung der Pfeile symbolisiert die relevanten

    Temperaturniveaus.

    ➡ Rote Pfeile weisen auf hohe Temperaturen hin, die entweder durch eine Umwandlungs-

    technologie benötigt werden oder direkt zum

    Heizen genutzt werden können.

    ➡ Grüne Pfeile weisen auf ein niedriges Tem-peraturniveau hin, welches nicht zum Heizen

    oder Kühlen genutzt werden kann. Beispiele

    sind Umwelt- und Abwärme.

    ➡ Blaue Pfeile weisen auf nutzbare Energie-ströme mit niedrigen Temperaturen zum

    Kühlen hin.

    ➡ Gelbe Pfeile zeigen einen elektrischen Strom-fluss und werden aufgrund der Energieform

    zusätzlich mit einem Blitzsymbol (↯)

    gekennzeichnet.

    Um sowohl für die konkreten Praxisprojekte als auch

    für die generischen Handlungskonzepte eine einheit-

    liche Bewertung zu ermöglichen, die eine indikative

    Aussage zur Werthaltigkeit eines Ansatzes sowie eine

    daraus abgeleitete Priorisierung erlaubt, wird mit Hilfe

    der Likert-Skala eine Bewertung in die folgenden fünf

    Bewertungsgruppen vorgenommen.

    Gruppe 1: Nachhaltigkeit

    Gruppe 2: Resilienz

    Gruppe 3: Regionalität

    Gruppe 4: Wirtschaftlichkeit

    Gruppe 5: Übertragbarkeit

    Bestandteil dieser Bewertungsgruppen sind jeweils vier

    unterschiedliche Merkmale, zu denen eine positive

    Bewertungsthese ausformuliert ist. Die Bewertung der

    Aussage wird anhand der folgenden Skala gemessen

    und mit Punkten quantifiziert:

    trifft nicht zu (0 Punkte)

    trifft eher nicht zu (1 Punkt)

    teils-teils (2 Punkte)

    trifft eher zu (3 Punkte)

    trifft zu (4 Punkte)

    Zwischen den Merkmalen einer Bewertungsgruppe

    findet keine Gewichtung statt. Die gesammelten

    Informationen werden in übersichtlicher Form anhand

    eines „Performance Wheel“, eines kreisförmigen

    Balkendiagramms, dargestellt. Die Höhe der Balken

    entspricht der Bewertung der einzelnen Merkmale

    innerhalb der Gruppen. Jeweils am Ende der Steck-

    briefe befindet sich die ausführliche Bewertungs-

    tabelle.

    Abbildung 4 Beispiel eines „Performance Wheel“

    Als Bewertungsgrundlage in den fünf Kategorien

    dienen die folgenden, näher ausgeführten,

    Bewertungsmerkmale.

  • 12

    1.5.1 Nachhaltigkeit

    Es werden folgende Bewertungsmerkmale

    herangezogen:

    A - CO2-Neutralität: „Das Konzept ist so wie

    beschrieben CO2-neutral.“

    Das Konzept verursacht innerhalb der Bilanzgrenze

    keine CO2-Emissionen. CO2-Emissionen des

    vorgelagerten Energieerzeugungssystems sind nicht

    berücksichtigt.

    B - Treibhausgase: „Die Emission von weiteren

    Treibhausgasen wird vermieden.“

    Neben CO2 werden keine weiteren Treibhausgase in

    den Konzepten freigesetzt (F-Gase, Methan,

    Schwefelhexaflourid). F-Gase werden z. B. in

    Kompressionskälteanlagen und Kompressions-

    wärmepumpen verwendet. Methan entsteht

    hauptsächlich bei der Biogaserzeugung und kann bei

    der Förderung von Thermalwasser in geothermischen

    Kraftwerken freigesetzt werden.

    C - Systemunabhängigkeit: „Die Erzielung einer CO2-

    Reduktion ist unabhängig vom Energiesystem.“

    Eine Abhängigkeit ist beispielsweise gegeben, wenn

    Einflüsse durch einen veränderten Strommix einen

    Effekt auf die Höhe der CO2-Vermeidung der

    Maßnahme haben. Ein erneuerbares Versorgungs-

    konzept (z. B. mit einer Wärmepumpe) kann durch eine

    Transformation des Energieversorgungssystems

    insgesamt CO2-neutral werden.

    D - Umweltverträglichkeit: „Das Konzept hat keine

    nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt.“

    Die Anwendung des Konzeptes hat neben der

    Treibhauswirkung keine negativen Umwelteinflüsse.

    Bestandteile und technische Komponenten können in

    bestehende Infrastruktur (Keller, Dächer) integriert

    werden.

    1.5.2 Resilienz

    Es werden folgende Bewertungsmerkmale heran-

    gezogen:

    A - Netzdienlichkeit: „Energiebedarf oder –bereit-

    stellung können an äußere Bedingungen angepasst

    werden.“

    Flexibilitätsoptionen bestehen bspw. durch zeitliche

    Lastverschiebung, kurzfristige Energiespeicherung oder

    Verschiebung von Energieflüssen zu anderen Energie-

    infrastrukturen. Dadurch kann die Auslastung der

    bestehenden Energieinfrastrukturen verbessert und

    der Anteil regenerativer Energien erhöht werden.

    B - Netzunabhängigkeit: „Das System ist nicht auf

    eine Netzinfrastruktur angewiesen.“

    Energiequellen werden von dem System selbst genutzt

    (Solarthermie, Umweltwärme). Dadurch besitzt das

    System einen hohen Selbstversorgungsanteil. Die

    Netzinfrastruktur ist nicht oder nur in sehr geringem

    Maße für den Betrieb erforderlich und dient nicht als

    Backupsystem.

    C - Netzeinspeisung: „Das Konzept ermöglicht eine

    Einspeisung ins Netz.“

    Regenerativ erzeugte Überschüsse können in das Netz

    eingespeist werden. Dadurch kann die Verwendung

    fossiler Primärenergieträger für den Energiemix

    reduziert werden.

    D - Robustheit: „Die Technologie ist wenig störanfällig

    und wartungsarm.“

    Die Teilkomponenten sind im Einsatz erprobt und

    weisen nur geringe Störanfälligkeit auf. Die Techno-

    logie ist wartungsarm und kann im Zweifel mit ein-

    fachen Mitteln instandgesetzt werden.

    1.5.3 Regionalität

    Es werden folgende Bewertungsmerkmale heran-

    gezogen:

    A - Schadstoffreduktion: „Lokal werden keine Schad-

    stoffe emittiert.“

    Das Konzept hilft bei der Senkung der lokalen Schad-

    stoffemissionen, bspw. durch die Vermeidung des

    Ausstoßes von Feinstaub.

    B - Akzeptanz: „Das Konzept wird breit akzeptiert oder

    lässt sich mit Zusatznutzen umsetzen.“

    Das Konzept besitzt nur wenige negative Auswirkungen

    und wird daher von der Bevölkerung positiv aufge-

    nommen. Beispielsweise können Energiezentralen mit

    Begegnungsstätten zum Erfahrungsaustausch (z. B.

    zum Energiesparen) kombiniert werden. Der Aufbau

    von Wärme- oder Kältenetzen kann mit dem Ausbau

    anderer leitungsgebundener Infrastruktur kombiniert

    werden.

    C - Lokale Wertschöpfung: „Die lokale Wirtschaft

    profitiert durch das Konzept.“

    Die lokale bzw. kommunale Wertschöpfung wird

    gesteigert. Es entstehen Arbeitsplätze in der Region

    und es ist davon auszugehen, dass die Steuerein-

    nahmen steigen.

    D - Erzeugung: „Regenerative Quellen werden vor Ort

    genutzt.“

    Regenerative Quellen werden für das Konzept lokal

    genutzt. Der Energiebedarf kann vor Ort bereitgestellt

    und gesichert werden.

  • 13

    1.5.4 Wirtschaftlichkeit

    Folgende Bewertungsmerkmale werden herangezogen:

    A - Unabhängigkeit: „Die Wirtschaftlichkeit des

    Projektes ist unabhängig von Förderprogrammen.“

    Politische Rahmenbedingungen bestimmen den Grad

    der Wirtschaftlichkeit aller Energiewandlungsformen.

    Um das Konzept im Markt zu etablieren und die Kosten

    durch Skaleneffekte zu reduzieren, werden keine

    zusätzlichen Förderprogramme benötigt.

    B - Zukunftsfähigkeit: „Unter veränderten

    umweltdienlichen Rahmenbedingungen bleibt der

    Endenergiepreis wettbewerbsfähig.“

    Viele externe Kosten, welche bei der Energie-

    versorgung anfallen, werden nicht auf den Energiepreis

    umgelegt (CO2-Bepreisung, Endlagerung von

    Atommüll). Unter der Annahme, dass politische

    Rahmenbedingungen geschaffen werden, welche

    primär dem Schutz der Natur dienen, ist davon

    auszugehen, dass dieses Projekt auch in der Zukunft

    wirtschaftlich ist.

    C - Investitionssicherheit: „Das Konzept besitzt ein

    geringes Anwendungsrisiko.“

    Das Konzept ist technologisch ausgereift und

    praxiserprobt, sodass geringe finanzielle Risiken

    bestehen.

    D - Nutzwert: „Das Konzept ist aus volkswirtschaft-

    licher Perspektive zur Erreichung der Energiewende-

    und Klimaschutzziele vorteilhaft.“

    Das Konzept verursacht geringere CO2-Vermeidungs-

    kosten als alternative erneuerbare Konzepte, die eine

    vergleichbare Energiedienstleistung erbringen. Es hat

    durch die höhere Kosteneffizient einen positiven

    gesamtwirtschaftlichen Effekt aufweist und die

    Erreichung von Energiewende- und Klimaschutzziele

    unterstützt.

    1.5.5. Übertragbarkeit

    Folgende Bewertungsmerkmale werden herangezogen:

    A - Marktreife: „Die verwendeten Technologien sind

    erprobt und es besteht eine vielfältige Anbieterbasis.“

    Die zur Umsetzung des Konzepts benötigten Techno-

    logien sind (weltweit) am Markt verfügbar, ggf. not-

    wendige Zulassungen liegen vor. Es besteht eine große

    Anbietervielfalt und ausreichend hohe Lieferfähigkeit,

    um einen breiten Einsatz des Konzepts zu ermöglichen.

    Die eingesetzten Technologien bieten eine hohe

    Investitionssicherheit.

    B - Einsetzbarkeit: „Das Konzept ist kurz- bis

    mittelfristig in einer Vielzahl von Orten umsetzbar.“

    Das Konzept kann in unterschiedlichen Implemen-

    tierungsumgebungen eingesetzt werden. Es bestehen

    keine spezifischen lokalen, geologischen oder infra-

    strukturellen Voraussetzungen. Das Konzept passt sich

    an lokale Spezifika an. Die Umsetzbarkeit ist nicht von

    knappen Ressourcen oder spezifischen Genehmigun-

    gen bzw. langwierigen Planungsverfahren abhängig.

    C - Herstellung: „Fertigungs- und Produktions-

    knowhow ist vorhanden.“

    Großteile der für das Konzept benötigten Kompo-

    nenten könnten innerhalb der Türkei produziert

    werden.

    D - Geografie: „Die geografischen Randbedingungen

    wirken sich vorteilhaft auf das Konzept aus.“

    Das Konzept besitzt durch die geografischen

    Randbedingungen in der Türkei ein höheres Potential

    angewandt zu werden als in Deutschland. Eine

    Übertragung ist allein deshalb vorteilhaft.

  • 14

    2 Steckbrief Heizen mit gebäudenaher Umweltwärme Wärmepumpen stellen eine Kerntechnologie zur regenerativen Wärmeversorgung im Gebäude-

    bereich dar. Das gebäudeintegrierte Konzept nutzt Umgebungsluft, das Erdreich oder Solar-

    kollektoren als lokale Wärmequellen. Wärmepumpen werden mit elektrischer Energie ange-

    trieben. Um als erneuerbar zu gelten, sind diese daher auf einen hohen erneuerbaren Stromanteil

    im Netz angewiesen. Wärmepumpen sind für alle Leistungsklassen erhältlich. Es ist auf eine

    möglichst effiziente Wärmeverteilung und auf ein niedriges Temperaturniveau im Verteilsystem

    zu achten. Reversible Wärmepumpen können auch zum Kühlen genutzt werden. Durch die in der

    Türkei vorliegenden Randbedingungen mit geringerem Heizenergiebedarf und hohen Kühllasten

    sind diese Typen besonders geeignet.

    Abbildung 5 Wärmepumpenanlage am GALAB-

    Unternehmensstandort in Hamburg (©Bundesverband

    Wärmepumpe (BWP) e. V.)

    2.1 Funktionsweise

    Kernkomponente der Wärmepumpe ist ein elektrisch

    angetriebener Kompressor. Dieser ermöglicht es

    Energie von einer Quelle niedriger Temperatur auf ein

    hohes Temperaturniveau zu bringen. Es kann dadurch

    Umweltwärme genutzt werden, z. B. aus dem Erdreich,

    der Luft oder solarer Einstrahlung. Die Wärmepumpe

    besteht aus zwei wesentlichen Bestandteilen: einem

    Kompressormodul und einem Wärmekollektor zur

    Aufnahme der Umweltwärme (siehe Abbildung 7).

    2.1.1 Wärmepumpen

    Im Wärmepumpenprozess wird ein Arbeitsmittel

    (ein dampfförmiges bzw. flüssiges Medium) auf einem

    Nieder- und einem Hochdruckniveau genutzt. Auf dem

    Niederdruckniveau kann die Flüssigkeit Umweltwärme

    bei niedrigen Temperaturen aufnehmen und ver-

    dampft, auf dem Hochdruckniveau gibt der Dampf die

    Wärme an den Heizkreis ab und verflüssigt dabei. Ein

    elektrisch angetriebener Verdichter (Kompressor)

    fördert das dampfförmige Arbeitsmittel vom Nieder-

    druck zum Hochdruck. Wärmepumpen werden nach

    der Umweltquelle und dem Heizkreisfluid unter-

    schieden. Übliche Kategorien sind Luft-Wasser-,

    Wasser-Wasser-, Sole-Wasser- und Luft-Luft-Wärme-

    pumpen.

    Abbildung 6 Gesamtbewertung für das Konzept „Heizen

    mit gebäudenaher Umweltwärme“

    Bei einer Luft-Wasser-Wärmepumpe wird Außenluft

    als Wärmequelle genutzt. Diese Wärme wird über den

    internen Kreisprozess an den Wasserkreis auf hohem

    Temperaturniveau abgegeben und kann zum Heizen

    verwendet werden. Vom technischen Aufwand her ist

    die Nutzung der Außenluft am einfachsten, weil sie

    überall ausreichend verfügbar ist. Luft-Wasser-Wärme-

    pumpen sind daher die im Neubau aktuell am meisten

    genutzte Technologie. Nachteilig ist die Temperatur-

    änderung der Außenluft im Jahresverlauf und die ggf.

    störende Geräuschentwicklung.

  • 15

    Abbildung 7 Vereinfachte Darstellung der Energieflüsse bei der gebäudeintegrierten Wärmepumpe. Umweltwärme wird

    durch die elektrisch angetriebene Wärmepumpe im Gebäude für Heizung und Trinkwarmwasser aufgewertet.

    Bei sinkenden Außentemperaturen gehen Leistung

    und Energieeffizienz der Wärmepumpe zurück,

    gleichzeitig steigt der Wärmebedarf für die Gebäude-

    heizung an. Bei Verdampfungstemperaturen unter 0 °C

    bildet sich Eis am Luft- Wärmekollektor. Dieser muss

    dann regelmäßig abgetaut werden, was zu zusätzlichen

    Effizienzeinbußen führt.

    In Luft-Luft-Wärmepumpen wird die Energie direkt

    auf die Raumluft übertragen. Diese Geräte sind

    entweder auf eine zentrale Lüftungsanlage angewiesen

    oder sie werden nur dezentral zur Einzelraumkondi-

    tionierung eingesetzt. Mit diesen Anlagen kann kein

    Trinkwarmwasser bereitet werden. Derartige Anlagen

    sind in Deutschland daher nicht verbreitet. Im Bereich

    der Raumkühlung kommt der thermodynamische

    Prozess allerdings in Form sogenannter Split-

    Klimageräte zum Einsatz.

    In Wasser-Wasser-Wärmepumpen wird Grundwasser

    als Wärmequelle genutzt. Für die Nutzung von Grund-

    wasser sind zwei Brunnen erforderlich, einer für die

    Förderung und einer für die Wiedereinbringung des

    Wassers. Grundwasser hat den Vorteil, dass ganzjährig

    sehr konstante Temperaturen vorliegen. Die Effizienz

    der Wärmepumpe ist folglich höher als bei Luft-

    Wasser-Wärmepumpen. Berücksichtigt werden

    müssen jedoch die Sekundärstromverbräuche für die

    Förderpumpen.

    Bei Sole-Wasser-Wärmepumpen wird das Erdreich als

    Wärmequelle genutzt. Ein Wärmeträgermedium (die

    Sole) wird durch eine Erdsonde oder durch Erdkol-

    lektoren gepumpt und nimmt die Wärme des Erdreichs

    auf. Die Temperaturen des Erdreichs sind ähnlich zum

    Grundwasser, weshalb die Sole-Wasser-Wärme-

    pumpen ebenfalls eine hohe Effizienz aufweisen. Eine

    neuere Technologie sind Sole-Wasser-Wärmepumpen

    mit im Erdreich verbauten oder mit integriertem

    Eisspeicher und mit solarthermischen Kollektoren

    (vertiefende Erklärung siehe Beispielanwendung).

    2.1.2 Gebäudeintegrierte Stromerzeugung

    Die elektrisch betriebenen Wärmepumpen können

    sinnvoll mit Photovoltaik (PV)-Anlagen kombiniert

    werden. Besonders in den Sommermonaten mit hoher

    solarer Stromerzeugung kann der Strom z. B. für die

    Warmwasserbereitung genutzt werden. In diesem Fall

    kann der eigenerzeugte, günstigere PV-Strom

    verwendet werden. Ein sinnvolles Regelungskonzept

    sollte hier den aktuellen Stromüberschuss

    berücksichtigen.

    2.1.3 Weitere Systemkomponenten

    Besondere Systemkomponenten sind nicht erfor-

    derlich. Insbesondere bei Wärmepumpensystemen

    beeinflusst das periphere Heizungsverteilsystem die

    JAHRESARBEITSZAHL (JAZ)

    Die Jahresarbeitszahl kennzeichnet die Effizienz eines

    Wärmepumpensystems. Sie ist das Verhältnis von

    erzeugter Wärme (Nutzen) zur eingesetzten elektrischen

    Energie (Aufwand) in einem Jahr. Die Jahresarbeitszahl

    wird stark durch die Quellentechnologie beeinflusst.

    Mittlere JAZ von installierten Anlagen und deren Band-

    breite wurden in Feldtests ermittelt (Miara & Günther,

    2019):

    3,0 (2,6...4,0) für Luft-Wasser-WP

    3,7 (3,2…4,6) für Wasser-Wasser WP und Sole-Wasser

    WP

    Die Zahlen berücksichtigen den Aufwand für den

    Verdichter, die Steuerung, den Wärmekollektor (Pumpe,

    oder Ventilator) und die elektrische Nachheizung. Die

    große Bandbreite zeigt, dass für einige Systeme noch

    hohes Optimierungspotential besteht.

  • 16

    Effizienz entscheidend. Vorteilhaft sind

    Heizungssysteme, welche die Wärme auf niedriger

    Temperatur übertragen können. In Frage kommen

    Fußboden- und Flächenheizungen, aber auch Konvek-

    tor-Heizkörper mit Gebläseunterstützung. Wichtig ist,

    die Heizkörper hydraulisch abzugleichen, so dass alle

    Heizkörper möglichst niedrige Rücklauftemperaturen

    liefern.

    2.1.4 Betriebsgrenzen

    Wärmepumpen im Gebäudebereich sind auf niedrige

    Rücklauftemperaturen angewiesen. Daher ist gerade

    im Neubau und bei sanierten Gebäuden eine

    Verwendung sinnvoll, weil die Temperaturniveaus im

    Heizungssystem oft geringer sind. Im unsanierten

    Gebäudebestand mit sehr hohem Wärmebedarf und

    hohen Vorlauftemperaturen ist ein Einsatz mit

    sinnvoller Effizienz oft nur schwer zu realisieren. Feste

    Betriebsgrenzen sind jedoch nicht vorhanden.

    2.1.5 Alternative Verfahren

    Als erneuerbare Alternative für gebäudeintegrierte

    Konzepte ist auch eine Holzfeuerung mit Scheitholz-

    oder Pelletkesseln möglich. Vorteilhaft ist in diesem

    Fall, dass auch höhere Temperaturen im Wärmenetz

    erreicht werden können. Hiermit sind dann eher

    Bestandsgebäude mit hohen Vorlauftemperaturen

    auszustatten. Nachteilig ist die Bevorratung des

    Brennstoffs, der lokale Ausstoß an Feinstäuben und die

    nicht vorhandene Kühlfunktionalität.

    2.2 Nachhaltigkeit

    Wärmepumpen sind eine nachhaltige Form für das

    Heizen und Kühlen, wenn der Strom aus erneuerbaren

    Quellen stammt. Sie könnten bis 2050 etwa 90 Prozent

    der Niedertemperaturwärme in Gebäuden bereit-

    stellen (Henning & Palzer, 2015). Hierbei ist insbeson-

    dere auf den saisonalen Aspekt zu achten. Wird der

    erneuerbare Anteil im Strommix hauptsächlich aus

    solarer Energie gewonnen, ist eine Gleichzeitigkeit mit

    dem Wärmebedarf nicht gegeben. Ein massiver Zubau

    an Wärmepumpen müsste dann durch eine gesteigerte

    Nutzung der anderen Stromquellen kompensiert

    werden. In Deutschland ist erneuerbares Heizen mit

    Wärmepumpen daher besonders auf das Potential der

    (Offshore-)Windkraft, auf die saisonale Speicherung

    solarer Energie (z. B. mittels Carnot-Batterien oder

    großen Warmwasserspeichern) oder auf Abwärme

    angewiesen.

    Das Heizen mit Wärmepumpen ist vorteilhaft, wenn

    der Ausstoß an Treibhausgasen geringer ist als der der

    Referenztechnologie (z. B. Erdgaskessel). In Deutsch-

    land liegt der auf die Energiemenge bezogene

    Emissionsfaktor für CO2 im Mittel bei etwa 500 g CO2

    für eine Kilowattstunde Strom (Icha, 2019). Mit einer

    Wärmepumpe werden aus einer Energieeinheit Strom

    etwa 3 bis 4 Einheiten Wärme. Für dieselbe Menge an

    Wärme müssten mit Erdgas ohne Umwandlungs-

    verluste mind. 600-800 g CO2 ausgestoßen werden. Die

    Wärmepumpentechnologie ist mit 50 g CO2 bezüglich

    ihres Treibhaus-Potentials bereits leicht im Vorteil und

    wird diesen zukünftig durch einen höheren Anteil

    erneuerbaren Stroms im Netz und durch effizientere

    Wärmepumpen weiter ausbauen können.

    Aktuell werden Wärmepumpen fast ausschließlich mit

    fluorierten Kältemitteln (FKW, HFKW) betrieben, die ein

    sehr hohes Treibhauspotential besitzen, wenn diese

    durch Leckagen oder bei der Entsorgung in die Atmo-

    sphäre gelangen. Neue Wärmepumpen können dieses

    Risiko durch hermetisch abgeschlossene Verdichter

    und geringere Füllmengen reduzieren. Alternativen zu

    den fluorierten Kältemitteln sind natürliche Kältemittel,

    wie Ammoniak, CO2 und die Kohlenwasserstoffe Pro-

    pan, Propen und Isobutan. Diese sind weniger klima-

    schädlich, sind jedoch mit technischen Herausforde-

    rungen, wie Explosionsgefahr und hohen Drücken,

    verbunden (Müller, Paatzsch, & Rölling, 2016). Einige

    Hersteller arbeiten bereits mit natürlichen Kältemitteln,

    jedoch eher bei Wärmepumpen größerer Leistungs-

    klasse (z. B. Frigopol, Johnson Controls).

    BIVALENZPUNKT

    Wärmepumpen werden auf regional typische Tempera-

    turbereiche (in Deutschland ca. -5 °C bis 5 °C Außen-

    temperatur) ausgelegt. In diesem Bereich arbeiten sie

    sehr effizient. An besonders kalten Wintertagen reicht die

    Heizleistung dann jedoch nicht mehr aus. Die Außen-

    temperatur, an dem die maximale Heizleistung der

    Wärmepumpe erreicht wird, ist der sogenannte Bivalenz-

    punkt. Unterhalb dieses Bivalenzpunktes muss ein zu-

    sätzliches Heizsystem die restliche Heizlast decken. Oft

    werden elektrische Heizstäbe, ein Kamin oder Heizkessel

    genutzt.

  • 17

    2.3 Resilienz

    Wärmepumpen erzeugen Wärme (und ggf. Kälte) für

    vergleichsweise träge Anwendungen. Durch

    Ausnutzung dieser Trägheit können Lasten zeitlich

    verschoben werden. Einerseits können die Wärme-

    pumpen ausgeschaltet werden, wenn zu einem

    späteren Zeitpunkt mehr Erneuerbare im Netz

    erwartet werden oder sie können eingeschaltet

    werden, wenn dadurch das Zuschalten fossiler

    Kraftwerke reduziert wird. Die Stabilität des Netzes

    wird durch diesen Freiheitsgrad erhöht. Die

    Ansteuerung erfolgt durch den Netzbetreiber.

    Entsprechende Standards zur Ansteuerung der

    Wärmepumpen sind entwickelt und bei einem Großteil

    der Wärmepumpen implementiert. Netzdienliche

    Wärmepumpen werden mit dem SG-Ready oder mit

    VHPready oder EEBUS Label gekennzeichnet.

    2.4 Wirtschaftlichkeit

    Die Investitionskosten werden stark von den Erschlie-

    ßungskosten der Quelle bestimmt: am teuersten sind

    Erdsonden und Erdkollektoren, Luft ist am günstigsten

    zu erschließen. Die Investitionskosten von Wärme-

    pumpen sind höher als bei Erdgas-Kesseln (Brennwert-

    Geräte) jedoch geringer als vergleichbare erneuerbare

    Technologien. Im Neubau sind Luft-Wasser-Wärme-

    pumpen mittlerweile die meistverbreitete Heiztech-

    nologie.

    Die Betriebskosten werden von der Effizienz bestimmt

    und sind somit von den Temperaturniveaus von Quelle

    und Senke beeinflusst. Wärmepumpen mit Erdsonden,

    Erdkollektoren und Grundwasser weisen niedrigere

    Betriebskosten auf, weil sie deutlich effizienter sind als

    Wärmepumpen, die mit Luft als Wärmequelle arbeiten.

    Eine detaillierte Planung, ordnungsgemäße Bau-

    ausführung und ein nachgeliefertes Monitoring ist für

    den effizienten Anlagenbetrieb wesentlich (Miara &

    Günther, 2019). Der Planungsaufwand für die Anlagen-

    technik unter üblichen Einsatzbedingungen ist mittler-

    weile als gering einzustufen, weil die Planung software-

    gestützt erfolgt. Auch der Wartungsbedarf der Anlagen-

    technik ist als gering einzuschätzen, denn gegenüber

    den Verbrennungstechnologien entfällt die regel-

    mäßige Prüfung des Abgasstrangs.

    Die Wirtschaftlichkeit der Wärmepumpen ist damit von

    der Wärmepumpeneffizienz und der Quellenart

    abhängig. Sie ist in einer detaillierten Planung zu

    ermitteln. Nachteilig für den breiten Einsatz ist in

    Deutschland aktuell der sehr hohe Preisunterschied

    zwischen Erdgas und Strom. Bei einem Verhältnis der

    Preise von 1:4 (5,5 ct/kWh für Gas zu 22 ct/kWh für

    Strom im WP-Tarif) kann ein wirtschaftlicher Betrieb

    Investitionskosten:

    Betriebskosten:

    Wartungskosten:

    unterdurchschnittlich durchschnittlich überdurchschnittlich

    SMART-GRID READY LABEL

    Das Label kennzeichnet Wärmepumpen, die das Strom-

    netz unterstützen können. Durch den Netzbetreiber

    können vier Betriebszustände angesteuert werden:

    1. Normalbetrieb mit Speicherladung,

    2. optional verstärkter Betrieb,

    3. verstärkter Betrieb und

    4. Sperrbetrieb (max. 2 Stunden).

    Mit Betriebszustand 2 und 3 können erneuerbare Strom-

    überschüsse durch Lastanhebung genutzt werden, d.h.

    erneuerbare Energien müssen nicht abgeregelt werden.

    Betriebszustand 4 dient dazu die Last im Netz zu senken

    und den Verbrauch fossiler Energieträger zu reduzieren.

    Das Label wurde vom Bundesverband Wärmepumpe

    (BWP) im Jahr 2013 in Deutschland eingeführt. Mittler-

    weile sind über 1.100 Wärmepumpenmodelle von über 40 Herstellern vertreten.

  • 18

    erst mit einer Wärmepumpe mit einer Leistungszahl

    größer 4 erreicht werden.

    2.4.1 Gesetzgebung, Regulierung und Förder-

    instrumente in Deutschland

    Ein wichtiges Förderinstrument für den Markt der

    Wärmepumpen ist momentan das Marktanreiz-

    programm (MAP) der Bundesregierung. Das Förderp-

    rogramm unterstützt damit die Reduzierung des

    Investitionsunterschieds zwischen fossilen Wärme-

    erzeugern und der Wärmepumpentechnologie. Die

    Förderung ist an Mindestanforderungen zur Effizienz

    geknüpft, die abhängig von der Wärmequelle definiert

    sind. In gewissen Abständen werden diese Mindest-

    anforderungen angepasst. U. a. sind für das Monitoring

    ein Stromzähler und mind. ein Wärmemengenzähler

    einzubauen. Die Jahresarbeitszahl (JAZ) muss

    rechnerisch anhand der VDI-Norm VDI 4650-1,

    nachgewiesen werden und sollte mind. 3,8 betragen

    (Luft-Wasser-Wärmepumpen liegen bei 3,5). Die

    Heizkreise müssen hydraulisch abgeglichen und die

    Heizkurve adäquat eingestellt sein.

    2.5 Übertragbarkeit

    Die Voraussetzungen für die Übertragung von

    Wärmepumpen in den türkischen Raum werden als

    sehr gut eingeschätzt. Von Vorteil für den Einsatz von

    reversiblen Wärmepumpen ist der im Vergleich zu

    Deutschland höhere Kältebedarf. Hier besteht eine

    Vergleichbarkeit zu Luft-Luft-Klimageräten (Split-

    Modulen), welche bereits eine hohe Verbreitung und

    eine Heizfunktion aufweisen. Die Einschränkungen

    beziehen sich eher auf die Heiztemperaturen, die in

    der Türkei tendenziell geringer ausfallen.

    2.6 Beispielanwendungen

    2.6.1 Freibad Kiebitzberge

    Im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative wurde

    im Freibad Kiebitzberge südlich von Berlin eine

    Wärmepumpenanlage errichtet. Im Umland von Berlin

    sind sehr viele Einfamilienhäuser mit 25-30 Jahre alter

    Heiztechnik vorhanden, bei denen eine Umrüstung

    ansteht. Die Anlage ist mit einer Nennleistung von 7 kW

    vergleichbar in einem größeren Einfamilienhaus

    einsetzbar. Ziel des Projektes ist es, die Anlagen-

    technik einem größeren Publikum nahezubringen und

    für das Thema nachhaltiges Heizen zu sensibilisieren.

    Mehrmals im Jahr werden dafür Führungen mit vielen

    interessierten Teilnehmer*innen durchgeführt. Die

    Anlagentechnik ist als offener „Showroom“ jederzeit

    von den Gästen der Freizeitstätte einsehbar und wird

    von den Besucher*innen sehr positiv angenommen.

    Das Besondere an der Anlagentechnik ist die Integra-

    tion eines kleinen Eisspeichers und von Solarkollek-

    toren als Wärmequelle. Sie können einerseits wie

    herkömmliche Modelle Solarwärme über einen

    Absorber aufnehmen, aber andererseits auch mit

    Außenluft durchströmt werden und diese als Wärme-

    quelle nutzen. Auch Hybridkollektoren, die Photovol-

    taik und Solarthermie vereinen, sogenannte PVT-

    Kollektoren, könnten genutzt werden. Diese Techno-

    logie würde es zusätzlich ermöglichen Strom bereitzu-

    stellen. Bei hoher Einstrahlung wird die Wärme direkt

    in den Pufferspeicher geleitet und für Heizung und

    Trinkwarmwasserbereitung genutzt und der Strom

    kann zum Betrieb der Anlagen oder im Gebäude

    genutzt werden oder ins öffentliche Netz eingespeist

    werden. Bei geringerer Einstrahlung kann die solare

    Wärme immer noch als Energiequelle der Wärme-

    pumpe genutzt werden. Ist keine solare Einstrahlung

    vorhanden, dann wird der Luftstrom als Wärmequelle

    genutzt. Ab Außentemperaturen unter dem

    HERSTELLER

    In Deutschland werden Wärmepumpen von allen

    großen Herstellern im Heizungsmarkt angeboten. Eine

    Übersicht über Hersteller findet sich beim

    Bundesverband Wärmepumpe:

    www.waermepumpe.de/verband/unsere-mitglieder

    (Stand 12.03.2020)

    Die Hersteller haben meist sowohl Luft-Wasser-,

    Wasser-Wasser- und Sole-Wasser-WP im Sortiment. Zu

    den großen Herstellern zählen u. a. Stiebel Eltron,

    Viessmann und Bosch Thermotechnik.

    VORTEILHAFTE

    ANWENDUNGSGEBIETE

    Im Neubau und im sanierten Bestand ist die Nutzung von

    Wärmepumpen von Vorteil. Als dezentrale Technologie

    ist sie für Ein- und Mehrfamilienhäuser gedacht. Größere

    Wärmepumpen können auch in Nichtwohngebäuden und

    Quartieren eingesetzt werden (siehe Steckbrief „Heizen

    mit Ab- und Umweltwärme“). Für eine nachhaltige

    Wirkung ist jedoch ein auf erneuerbaren Kraftwerken

    beruhendes Stromnetz erforderlich.

    http://www.waermepumpe.de/verband/unsere-mitglieder

  • 19

    Gefrierpunkt dient der Eisspeicher als Wärmequelle

    und stellt die Energie durch das gefrierende Eis bereit.

    Diese Technologie hat gegenüber herkömmlichen Sole-

    Wasser-Wärme-pumpen den finanziellen Vorteil, dass

    der hohe bauliche Aufwand für Erdkollektoren und

    Erdsonden nicht anfällt. Der Vorteil gegenüber Luft-

    Wasser-Wärmepumpen ist die höhere Effizienz und

    Geräuschlosigkeit.

    2.6.2 Weitere Beispiele

    Europaweit sind mittlerweile sehr viele Wärmepum-

    penanlagen in sehr vielen unterschiedlichen Leistungs-

    klassen und Objekttypen installiert. Eine umfassende

    Datenbank mit Praxisbeispielen ist beim Bundes-

    verband Wärmepumpe e. V. verfügbar:

    www.waermepumpe.de/presse/referenzobjekte/bwp-

    datenbank

    Abbildung 8 Heizzentrale mit Wärmepumpe und Pufferspeicher (rechts) und Hybridkollektoren an der Gebäude-fassade

    (links) im Freibadkomplex Kiebitzberge (© Oliver Buchin)

    2.7 Bewertungsmatrix

    Tabelle 1 Bewertungsmatrix zum „Heizen mit gebäudenaher Umweltwärme“

    A B C D

    Nachhaltigkeit

    CO2-Neutralität

    (4/4)

    Treibhausgase

    (2/4)

    Systemunabhängigkeit

    (1/4)

    Umweltverträglichkeit

    (4/4)

    Resilienz

    Netzdienlichkeit

    (4/4)

    Netzunabhängigkeit

    (0/4)

    Einspeisung

    (1/4)

    Robustheit

    (3/4)

    Regionalität

    Schadstoffreduktion

    (4/4)

    Akzeptanz

    (3/4)

    Wertschöpfung

    (3/4)

    Erzeugung

    (3/4)

    Wirtschaftlichkeit

    Unabhängigkeit

    (3/4)

    Zukunftsfähigkeit

    (4/4)

    Investitionssicherheit

    (4/4)

    Nutzwert

    (4/4)

    Übertragbarkeit

    Marktreife

    (4/4)

    Einsetzbarkeit

    (3/4)

    Herstellung

    (4/4)

    Geografie

    (3/4)

    http://www.waermepumpe.de/presse/referenzobjekte/bwp-datenbankhttp://www.waermepumpe.de/presse/referenzobjekte/bwp-datenbank

  • 20

    3 Steckbrief Heizen mit Ab- und Umweltwärme Das Heizen mit Nah- und Fernwärmenetzen ermöglicht es, Ab- und Umweltwärme aufzuwerten

    und zentral einzubinden. Insbesondere Großwärmepumpen sind dafür geeignet. Hierbei können

    Temperaturen bis ca. 95 °C erreicht werden. Als Großwärmepumpen werden üblicherweise

    Wärmepumpen in einem Leistungsbereich von 100 kWth bis über 1.000 kWth bezeichnet. Noch

    größere Wärmepumpen sind selten, es sind jedoch bereits Anlagen bis zu 45 MWth gebaut. Die

    zurzeit existierenden Systeme zum Heizen von Quartieren bzw. Stadtvierteln liegen in der

    Größenordnung von mind. 500 kWth (Bundesverband Wärmepumpe e. V., 2017).

    Abbildung 9 Großwärmepumpe in Berlin-Lichtenberg (©

    Bundesverband Wärmepumpe (BWP) e. V.)

    Abbildung 10 Gesamtbewertung für das Konzept

    „Heizen mit Abwärme und Umweltwärme“

    3.1 Funktionsweise

    In der Industrie und in Kraftwerken liegen sehr oft

    Abwärmeströme auf einem niedrigen Temperatur-

    niveau vor, die an die Umwelt abgegeben werden.

    Wärmepumpen können diese Energiemengen

    aufwerten, um sie auf einem höheren Temperatur-

    niveau zum Heizen zur Verfügung zu stellen. Als Groß-

    wärmepumpen werden sie nach einem vergleichbaren

    thermodynamischen Prinzip wie die gebäudenahe

    Wärmepumpe betrieben: Ein Kältemittel nimmt die

    Wärme auf einem niedrigen Temperaturniveau auf und

    gibt diese nach einer Druckerhöhung bei höherer

    Temperatur ab. Auch Umweltwärme kann erschlos-

    sen werden. Typische Quellen für Umweltwärme, die

    im größeren Maßstab genutzt werden können, sind

    Flüsse und größere Seen oder Erdpfähle. Höhere

    Temperaturen dieser Medien sind dabei als besser zu

    bewerten, da mit ihnen die Effizienz der Wärme-

    pumpen steigt.

    3.1.1 Der interne Kreisprozess von

    Wärmepumpen

    Der Kreisprozess hat vier Komponenten und arbeitet

    auf zwei Druckniveaus. Das interne Arbeitsmittel wird

    bei niedriger Temperatur und niedrigem Druck ver-

    dampft. Anschließend wird der Dampf mittels eines

    elektrisch angetriebenen Verdichters auf ein höheres

    Druckniveau gebracht. Durch den hohen Druck im

    Kondensator liegt ein höheres Temperaturniveau vor.

    Im Kondensator wird der Dampf verflüssigt. Die bei der

    Kondensation freiwerdende Wärme wird in einem

    Wärmeübertrager auf das Transportmittel (Heizwasser)

    übertragen. Durch eine Drossel wird das flüssige

    Kältemittel wieder auf das niedrige Druckniveau

    gebracht und kann bei geringen Temperaturen erneut

    verdampft werden. Wärmepumpen können mit

    unterschiedlichen Verdichtern gebaut werden. Bei

    kleinen Wärmepumpen kommen typischer Weise

    Scrollverdichter zur Anwendung während Großwärme-

    pumpen Kolben- oder Turbokompressoren verwenden.

    Dies sind Bauteile, welche von spezialisierten Firmen

    (z. B. Bitzer, Bock) hergestellt werden.

  • 21

    Abbildung 11 Vereinfachte Darstellung der Energieflüsse bei der Großwärmepumpe

    3.1.2 Regelung von Wärmepumpensystemen

    Die Verdichter werden zur Leistungsanpassung

    innerhalb einer minimalen und maximalen Drehzahl

    variiert, d. h. sie werden modulierend betrieben.

    Wärmepumpen können keine thermische Leistung

    unterhalb des Modulationsbereiches bereitstellen.

    Daher werden üblicherweise Wärmespeicher zur

    Einbindung der Wärmepumpe in ein Wärmesystem

    genutzt. Leistet die Wärmepumpe nur einen geringen

    Beitrag zur gesamten Wärmeversorgung im Wärme-

    netz, kann auf einen Pufferspeicher verzichtet werden.

    In diesem Fall wird die benötigte Wärme durch eine

    Regelung des primären Versorgungsaggregats

    gesteuert. Bei Großwärmepumpen und Wärme-

    pumpensystemen, bei denen mehrere Anlagen

    zusammengeschaltet werden, kann das Netz als

    Speicher dienen. Sind die Leistungsanforderungen des

    Systems unterhalb der Modulationsgrenze, kann die

    Wärmepumpe innerhalb eines effizienten Modulations-

    bereichs arbeiten. In diesem Zeitraum wird der

    Wärmespeicher (oder das Wärmenetz) durch

    Erwärmung geladen. Ab einer bestimmten

    Grenztemperatur wird die Wärmeenergie über die

    Abkühlung der Speicher bereitgestellt.

    Moderne Regelstrategien berücksichtigen voraus-

    schauend (prädiktiv) die Laständerungen des Netzes,

    indem z. B. Vorhersagen für Witterungs- und Nutzungs-

    einflüsse berücksichtigt werden. Weiterhin können sie

    auch Lastschwankungen im Stromnetz durch negative

    Regelenergie ausgleichen.

    3.1.3 Weitere Systemkomponenten

    Weitere Netzkomponenten sind die Versorgungspum-

    pen, die z. T. einen nicht unerheblichen Stromaufwand

    verursachen. Zur Übergabe der Wärme in die versorg-

    ten Objekte sind Übergabestationen vorzusehen. Diese

    ermöglichen eine separate Regelung der nachgelager-

    ten Heizkreise und sind zu Abrechnungszwecken (und

    ggf. für ein Monitoring) mit einem Wärmemengen-

    zähler ausgestattet.

    3.1.4 Betriebsgrenzen

    Interne Betriebsgrenzen der Wärmepumpen sind

    durch das Arbeitsmittel gegeben. Dabei sind

    verschiedene Eigenschaften des Arbeitsmittels zu

    berücksichtigen. Das erreichbare Temperaturniveau

    für den Vorlauf ist von der Siedetemperatur des

    Arbeitsmittels und damit auch vom Druckniveau

    abhängig.

    Typische

    Temperaturniveaus

    Heizwasser 60 bis 95 °C

    Quelltemperatur -5 bis 25 °C

    Tabelle 2 Typische Temperaturniveaus von

    Wärmepumpen

    Ein häufig angewendetes Kältemittel ist R410a. Es ist

    eine Mischung aus 50 Prozent R-32 (Difluormethan)

    und 50 Prozent R125 (Pentafluorethan). Aufgrund des

    hohen Dampfdruckes hat das Kältemittel eine hohe

    volumetrische Leistung, womit die Komponenten

    kleiner gebaut werden können. Die Verflüssigungs-

    temperatur kann bis zu 50 °C erreichen. Sollen höhere

    Temperaturen erreicht werden, wird häufig eine

    Kombination mit dem Kältemittel R134a verwendet.

    LEISTUNGSZAHL VON

    WÄRMEPUMPEN

    Um die Effektivität von Wärmepumpen zu beschreiben

    ist die Leistungszahl, auch Coefficient of Performance

    (COP), definiert. Diese beschreibt den Quotienten aus

    Nutzen und Aufwand. Der Aufwand ist üblicherweise die

    Antriebsenergie für den Elektromotor des Kompressors. Die Nutzleistung der Wärmepumpe wird am Konden-

    sator abgenommen und als Heizleistung bezeichnet.

  • 22

    R134a (1,1,1,2-Tetrafluorethan) ist ein Fluorkohlen-

    wasserstoff. Bei einem Druck von ca. 21 bar liegt die

    Siedetemperatur bei 70 °C. Damit ist das Kältemittel für

    die Anwendung in Hochtemperaturwärmepumpen

    geeignet. Die Verdampfungsenthalpie ist in diesem

    Zustand mit 120 kJ/kg gering.

    Ammoniak (R717) wird aufgrund der guten thermo-

    dynamischen Eigenschaften seit mehr als 100 Jahren

    als Kältemittel genutzt. Es hat eine hohe Verdamp-

    fungsenthalpie (ca. 1.200 kJ/kg bei 0 °C) und einen

    guten Wärmeübergang. Bei einem Druck von ca. 56 bar

    liegt die Siedetemperatur bei 95 °C.

    3.1.5 Alternative Verfahren

    Der Betrieb eines Niedertemperaturnetzes ist ebenfalls

    auf dem Temperaturniveau des Abwärmestroms und

    die Einbindung von Solarthermie möglich. Positive

    Beispiele für die Einbindung von Solarthermie gibt es in

    Dänemark, aber auch in Deutschland, z. B. in München.

    Mit dezentralen Wärmepumpen kann dabei eine

    gebäudeintegrierte Wärmeerzeugung (siehe Steckbrief

    „Heizen mit gebäudenaher Umweltwärme“) erfolgen.

    Bei lockeren Siedlungsstrukturen kann dieses Konzept

    aufgrund der geringeren Netzverluste vorteilhaft sein.

    Wärmepumpen können auch mit Wärme angetrieben

    werden. Statt eines mechanischen Kompressors wird

    dann ein Arbeitsstoffpaar, bestehend aus Kälte- und

    Arbeitsmittel, genutzt. Bei Ammoniak-Wasser-Anlagen

    ist Ammoniak das Kältemittel und Ammoniak-Wasser

    das Arbeitsmittel. Auf niedrigem Druckniveau ab-

    sorbiert Ammoniak-Wasser den Ammoniakdampf,

    welcher auf hohem Druckniveau durch Zufuhr von

    Wärme ausgetrieben wird.

    In industriellen Prozessen kann Abwärme zum Teil

    auch wieder in den Prozess integriert werden. Wärme-

    transformatoren arbeiten mit Abwärme und einem

    Kühlstrom, um Wärme in den Prozess zurückzuführen.

    Das Ziel ist es z. B. Abwärme von unter 130 °C wieder

    nutzbar zu machen. Dazu wird ein zusätzlicher Kühl-

    strom genutzt, um das Kältemittel zu kondensieren

    und es anschließend mit einem Teil der Abwärme zu

    verdampfen. Dieser Anteil (maximal 50 Prozent) kann

    auf ein höheres Temperaturniveau „transformiert“

    werden (Cudok, Ziegler, & Kononenko, 2013).

    3.2 Nachhaltigkeit

    Elektrisch betriebene Großwärmepumpen sind

    bezüglich ihrer Nachhaltigkeit abhängig vom Anteil

    erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung. Ist

    eine Stromversorgung aus ausschließlich regenerativen

    Quellen möglich, kann eine CO2-freie Wärmeversor-

    gung gewährleistet werden. Der Einsatz von Groß-

    wärmepumpen ist daher unter zwei Einsatzszenarien

    relevant: Bei neugebauten nachhaltigen Konzepten

    kann direkt ein großer Anteil Umweltwärme genutzt

    werden. Fossile Versorgungstechnologien, z. B.

    Gaskessel oder Blockheizkraftwerke, müssen nicht

    gebaut werden. Bei bestehenden, mit fossiler Wärme

    gespeisten Netzen kann der fossile Anteil reduziert

    werden. Großwärmepumpen können einen Beitrag

    leisten, diese Wärmenetze erneuerbar zu betreiben.

    Sie können die Wärmeversorgung aufrechterhalten,

    wenn fossile Kraftwerksleistung z. B. durch erneuer-

    baren Stromüberschuss reduziert werden muss.

    Gleichzeitig wird der Gesamtausstoß des Systems an

    CO2 reduziert. Abhängig von der Wärmequelle muss

    der Strombedarf für Förderpumpen in die Gesamt-

    bilanz miteinbezogenen werden. Zu diesem Zweck

    kann z. B. eine JAZ für das gesamte System und nur für

    die Wärmepumpe definiert werden.

    Aus den Anlagen entweichendes Arbeitsmittel kann

    schädlich für die Umwelt sein. Sehr hohes Treibhaus-

    potential haben F-Gase. Das häufig verwendete

    Tetrafluorethan (R134a) hat ein mehr als 1.000-fach

    höheres Treibhauspotential als CO2. Natürliche

    Kältemittel, deren Treibhauspotential vernachlässigbar

    klein ist, sind bereits im Einsatz. Sie erfordern eine

    technologisch anspruchsvolle Umsetzung, um

    Nachteile auszugleichen (Ammoniak ist giftig;

    Kohlenwasserstoffe brennbar; CO2 nur unter hohem

    Druck verwendbar). Jedoch ist gerade der zentrale

    Anlagenbau geeignet, um mit diesen komplexeren

    Anlagen umzugehen.

  • 23

    3.3 Resilienz

    Elektrische Lastspitzen können durch den Einsatz von

    Wärmepumpen abgefangen werden, wenn für eine

    Übergangszeit Pufferspeicher vorgesehen werden.

    Zusätzlich kann das Abregeln erneuerbarer Kraftwerke

    verhindert werden, wenn ein Stromüberschuss als

    Wärme gespeichert werden kann. Die thermische

    Trägheit von Netz, Gebäuden und ggf. Speichern

    ermöglicht es die Wärmepumpen netzdienlich zu

    betreiben.

    Großwärmepumpen können auch als Grundlast-

    Wärmeerzeuger in Nahwärmenetze einspeisen, um

    Quartiere zu versorgen. In diesem Fall sind diese

    Wärmenetze als autark zu betrachten, eine Einspeisung

    in Fernwärmenetze findet nicht statt.

    Größere Wärmepumpensysteme, wie sie in den

    folgenden Beispielen genannt werden, müssen in

    Bezug auf die Netzabhängigkeit im Einzelfall betrachtet

    werden, da diese Systeme in den bisherigen Projekten

    jeweils individuell geplant worden sind.

    3.4 Wirtschaftlichkeit

    Die Wirtschaftlichkeit von Großwärmepumpensys-

    temen ist von verschiedenen Randbedingungen

    abhängig. Die Stromgestehungskosten sind primär

    für die Betriebskosten zu bewerten. Die Investitions-

    kosten variieren mit dem Aufwand zur Erschließung

    der verwendeten Quelle. Wird eine Quartierslösung

    angestrebt, muss das Verlegen der Wärmenetze sowie

    die Installation von Hausanschlüssen berücksichtigt

    werden. Wärmepumpensysteme bringen Flexibilitäts-

    optionen bei der Produktion von erneuerbarem Strom.

    So können eventuell weniger effektive Wärmeproduk-

    tionssysteme abgeschaltet werden. Bei Anschluss an

    bestehende Abwärmeströme ist von geringen Betriebs-

    kosten auszugehen.

    3.4.1 Gesetzgebung, Regulierung und

    Förderinstrumente in Deutschland

    Das BAFA fördert seit 2017 mit dem Programm

    „Wärmenetzsysteme 4.0“ Wärmepumpen und

    Wärmenetze. Die Systeme sollen sich durch einen

    hohen Anteil erneuerbarer Energien, die Nutzung von

    Abwärme und geringere Netztemperaturen von

    üblichen Wärmenetzsystemen unterscheiden. Geför-

    dert werden zunächst Machbarkeitsstudien mit bis zu

    60 Prozent der förderfähigen Kosten (Fördermodul I)

    sowie in einem zweiten Schritt die Realisierung eines

    Wärmenetzsystems 4.0 mit bis zu 50 Prozent der

    förderfähigen Vorhabenkosten (Fördermodul II). Die

    Höhe der Förderung beträgt dabei bis zu 600.000 Euro

    für Machbarkeitsstudien und bis zu 15 Mio. Euro für

    die Realisierung eines Wärmenetzsystems 4.0.

    3.5 Übertragbarkeit

    In der Türkei sind viele Großkraftwerke vorhanden.

    Eine Nutzung der Abwärme durch Wärmenetze ist

    jedoch nur in Gebieten mit hohem Heizwärmebedarf

    sinnvoll. In Gegenden mit geringen Wärmebedarf sind

    Wärmenetze und damit auch Großwärmepumpen eher

    nicht vorteilhaft.

    Investitionskosten:

    Betriebskosten:

    Wartungskosten:

    unterdurchschnittlich durchschnittlich überdurchschnittlich

    HERSTELLER

    Viessmann, Ochsner (alle Deutschland)

    CTA-AG (Schweiz), Heliotherm (Österreich)

  • 24

    3.6 Beispielanwendungen

    3.6.1 Großwärmepumpe Wien Simmering

    Als Wärmequelle wird bei der Großwärmepumpe in

    Simmering das Kühlwasser der Kraftwerksanlagen

    genutzt, in welche die nicht mehr nutzbare Wärme aus

    den Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen abgeleitet wird.

    Zusätzlich kann auch die Umgebungswärme des in

    unmittelbarer Nähe liegenden Donaukanals als

    Wärmequelle verwendet werden.

    Die Großwärmepumpe besteht aus zwei baugleichen

    Wärmepumpen mit jeweils einem in sich geschlos-

    senen Kältemittelkreislauf. Dieses Kältemittel nimmt

    die Abwärme über einen Wärmetauscher auf und wird

    durch einen mit Strom betriebenen Kompressor

    verdichtet und erwärmt. Schließlich wird das Kälte-

    mittel wieder verflüssigt und die dabei entstehende

    Abwärme an das Fernwärmewasser abgegeben.

    Der Modulationsbereich für die thermische Leistung

    liegt zwischen 27,2 und 40 MW. Die Investitionssumme

    lag in einer Größenordnung von 15 Mio. Euro. Die

    Wiener Stadtwerke geben die Reduktion von CO2 durch

    die Großwärmepumpe in diesem Energiewandlungs-

    system mit ca. 40.000 t jährlich an. Über eine

    Lebensdauer von 25 Jahre kalkuliert, beläuft sich die

    Investition damit auf 15 Euro je vermiedener Tonne

    CO2. Insgesamt werden ca. 25.000 Haushalte mittels

    der Wärmepumpe versorgt.

    Abbildung 12 Komponenten der Großwärmepumpe in der

    Kraftwerksanlage Wien Simmering (© Wien Energie /

    Zinner)

    VORTEILHAFTE

    ANWENDUNGSGEBIETE

    Großwärmepumpen in hohen Leistungsbreichen werden

    bei vorteilhaften Bedingungen auf der Quellseite, der

    Nutzenseite und der Antriebsseite eingesetzt. Auf der

    Quellseite muss ein Reservoir vorhanden sein, z. B. ein Fluss, großer See oder Erdwärme. Auf der Nutzenseite ist

    eine konstante Grundlast von Vorteil. Diese kann z. B. auch im Sommer in Siedlungsgebieten mit industrieller

    Nutzung (z. B. mit Trocknungsprozessen) oder Schwimm-bädern der Fall sein. Die Reduktion von CO2-Emissionen

    verringert sich deutlich bei der Verwendung von regene-

    rativen Stromquellen. Idealer Weise fallen diese konstant

    an, wie bei Wasser- oder Pumpspeicherkraftwerken.

    INTELLIGENTES VERTEILSYSTEM FÜR

    OPTIMALEN FERNWÄRMEEINSATZ

    Die in der hochkomplexen Anlage verbaute Technik

    ermöglicht, dass Wärme bereits aus sehr geringen

    Temperaturen gewonnen werden kann. Ab Temperaturen

    von 6 °C kann mit Hilfe der Wärmepumpe Wärme von

    95 °C erzeugt werden. Weil auch das für die Wiener

    Fernwärme-Hauptleitungen (durchschnittlich 100 bis

    150 °C) noch eine eher geringe Temperatur ist, sorgt ein

    intelligentes Verteilsystem dafür, dass das Wasser

    optimal im Fernwärmenetz genutzt werden kann und

    dort eingesetzt wird, wo die erforderlichen Temperaturen

    niedriger sind. (Wien Energie)

  • 25

    3.6.2 Weitere Beispiele

    Drammen, Norwegen, Drammen Fjernvarme KS,

    installierte Leistung: 45 MW

    Dollnstein, Bayern, Kommunalunternehmen Energie

    Dollstein AdÖR, installierte Leistung: 1 MW

    Frankfurt am Main, Hessen, Quartier am Henninger

    Turm GmbH & Co. KG, installierte Leistung: 1,4 MW

    3.7 Bewertungsmatrix

    Tabelle 3 Bewertungsmatrix zum „Heizen mit Abwärme und Umweltwärme“

    A B C D

    Nachhaltigkeit

    CO2-Neutralität

    (3/4)

    Treibhausgase

    (3/4)

    Systemunabhängigkeit

    (2/4)

    Umweltverträglichkeit

    (4/4)

    Resilienz

    Netzdienlichkeit

    (4/4)

    Netzunabhängigkeit

    (2/4)

    Einspeisung

    (4/4)

    Robustheit

    (4/4)

    Regionalität

    Schadstoffreduktion

    (4/4)

    Akzeptanz

    (4/4)

    Wertschöpfung

    (3/4)

    Erzeugung

    (4/4)

    Wirtschaftlichkeit

    Unabhängigkeit

    (2/4)

    Zukunftsfähigkeit

    (3/4)

    Investitionssicherheit

    (3/4)

    Nutzwert

    (3/4)

    Übertragbarkeit

    Marktreife

    (3/4)

    Einsetzbarkeit

    (3/4)

    Herstellung

    (1/4)

    Geografie

    (2/4)

  • 26

    4 Steckbrief Heizen mit Biomasse und Solarthermie Für die Wärmewende in dörflichen Siedlungsstrukturen sind Lösungen auf Basis von Biomasse

    möglich. In der Kombination mit großen Solarthermieanlagen kann der Substratbedarf (z. B. Holz)

    insbesondere in den Sommermonaten reduziert werden. Notwendig werden bei großen Anlagen

    Nahwärmenetze. Biomasse lässt sich auch gebäudeintegriert mit Biomassekesseln, z. B. Hack-

    schnitzelkesseln, zum Heizen nutzen. Bei großen Leistungen können auch Heizkraftwerke errich-

    tet werden. Grundsätzlich lässt sich diese Strategie auch in anderen Siedlungsräumen realisieren,

    nur muss dann die Biomasse dorthin transportiert werden.

    Abbildung 13 Hackschnitzel-Verbrennung (Hintergrund) und Hackschnitzel Lager (Vordergrund)

    Abbildung 14 Gesamtbewertung für das Konzept „Heizen

    mit Biomasse und Solarthermie“

    4.1 Funktionsweise

    Die Wärmeversorgung wird mittels zweier

    Erzeugerkomponenten realisiert. Die Heizlast wird im

    Wesentlichen durch die Verbrennung von Hack-

    schnitzeln oder anderen festen Biomassen in einem

    Feststoffkessel gedeckt. Die wetterabhängige,

    solarthermische Wärmeeinspeisung wird zur Deckung

    der Grundlast in den Sommermonaten verwendet.

    Zusätzlich können Wärmeüberschüsse in Agrar-

    betrieben genutzt werden, z. B. in Mastbetrieben.

    4.1.1 Biomasse

    Unter Biomasse werden Stoffe organischer Herkunft, in

    der Natur lebende oder wachsende Materie und

    Abfallstoffe von lebenden und toten Lebewesen

    verstanden. Fossile Energieträger, die durch Umwand-

    lungsprozesse auch aus Biomasse entstanden sind,

    werden im Allgemeinen nicht als Biomasse bezeichnet

    (Quaschning, 2019).

    Für die energetische Nutzung wird Biomasse meistens

    aufbereitet. Typischerweise werden Energiepflanzen

    (Forstwirtschaft, Mais) zu Biogas, Brennholz, Hack-

    schnitzeln und/oder Pellets verarbeitet. Diese Biomas-

    seenergieträger können, vergleichbar zu fossilen

    Primärenergieträgern, in thermische und in Kraft-

    werken in elektrische Energie und schlussendlich auch

    mittels Motoren in kinetische Energie gewandelt

    werden.

  • 27

    Abbildung 15 Vereinfachte Darstellung der Energieflüsse beim Heizen mit Biomasse und Solarthermie

    Zur Nutzung von Holz als Biomasse werden Bäume in

    Holzscheite oder Hackschnitzel verarbeitet. Scheit-

    hölzer sind gespaltenene Holzstämme in definierter

    Länge. Scheitholzkessel können voll- oder halbauto-

    matisch bestückt werden. Bei Halbautomatik sind die