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Edelste Materialien? Bitte nur, wenn sie auch robust sind: Wer für Jugendliche baut, muss Kompromisse machen. Dennoch kann das Ergebnis herausragend sein – wie das Jugendhotel Oberwimm. text: Dipl.-Ing. (FH) Christine Ryll | fotos: Volker Wortmeyer Teenagergerecht Ursprungssituation Altes Wohnhaus mit Stall. Idee Bezug zwischen Bebauung und Freifläche. INDEX 39 JUGEND- HOTEL 44 INTERVIEW 46 ENERGIE- KONZEPT 47 FAZIT 47 STECK- BRIEF Wohn- bau Carport Innenhof Obst- garten Bauliches Pendent Parken Ankommen Bewegung Autofreier Raum Bewegung Garten Raumkante Stall 38 3 | 2014 FOKUS: HYBRIDBAUTEN

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Edelste Materialien? Bitte nur, wenn sie auch robust sind: Wer für Jugendliche baut, muss Kompromisse machen. Dennoch kann das Ergebnis herausragend sein – wie das Jugendhotel Oberwimm.

text: Dipl.-Ing. (FH) Christine Ryll | fotos: Volker Wortmeyer

Teenagergerecht

Ursprungssituation

Altes Wohnhaus mit Stall.

Idee

Bezug zwischen Bebauung und Freifläche.

I N D E X

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Wohn-

bau

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garten Bauliches

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Morgens Kinder, mittags Kinder, abends Kinder. Keine zwei, drei oder vier. Nein 50, manchmal so-

gar 100. „Wenn sie per Bus ankommen und mit ihren Koffern die Zimmer erobern, hat das schon etwas von einer Naturgewalt“, schmunzelt Tom Lechner, Architekt im Büro LT Architektur ZT GmbH. Er jedenfalls sei überwältigt gewesen, als er die Ankunft einiger Schulklassen im Jugendhotel in Wag- rain erstmals miterlebt habe.

Für die Herbergseltern, das junge Ehe-paar Doris und Andreas Emberger, ist das Alltag. Emberger junior ist mit dem Trubel aufgewachsen. Seine Eltern haben das Land-schulheim gegründet. Oder besser gesagt, das Heim ist langsam aus dem elterlichen Bauernhof herausgewachsen. Ganz früher hatten die beiden nur ein paar Zimmer an Gastschüler vermietet. Irgendwann in den

JU G E N D H O T E L

1960er- und 1970er-Jahren ergänzten sie den Betrieb um ein Jugendhotel. Im Wirt-schaftstrakt des später aufgelassenen Bau-ernhofes behielten sie sich eine eigene klei-ne Wohnung unter dem Dachboden.

Und jener Wirtschaftstrakt respektive je-ner Bauernhof waren mittlerweile so maro-de, dass für beides nur noch der Abriss in Frage kam. Also schrieb Emberger junior die Architekten an und bat sie um einen Vor-schlag für ein kleines Einfamilienhaus, in dem seine Eltern wohnen könnten. Es sollte direkt an das Jugendhotel angrenzen, aber doch separat stehen. Auch die jungen Em-bergers wünschten sich ein eigenes Haus. Das allerdings ein paar Hundert Meter ent-fernt vom Landschulheim. Und schließlich sollte das Heim selbst erweitert werden. Die Küche und der Speisesaal benötigten mehr Platz und eine moderne Ausstattung. „Vor allem aber wollten die Herbergseltern eine Turnhalle haben. Denn das wird im-mer mehr nachgefragt, weil man sich darin auch bei schlechtem Wetter hervorragend aufhalten und spielen oder Sport treiben kann“, erklärt Lechner.

Flexibel einsetzbare Zimmer für Schüler, Familien und WandererNeben der Turnhalle beinhaltete der Auf-trag auch die Erweiterung des Bestands um zusätzliche, flexibel einsetzbare Zimmer. Denn bis dato hatte es die räumliche Situa-tion mit den in Größe und Ausstattung klar

Umsetzung

Ausführung der Pläne.

Zäsuren greifen

die Körnung auf

Ausrichtung

Ausrichtung

ErweiterungInnen-

hof

Durch-

lässigkeit

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Grundriss UGGrundriss EG

normierten Räumen nicht erlaubt, neben Schülern auch andere Übernachtungsgäste aufzunehmen. „Es gibt aber mittlerweile viele Anfragen von Familien mit Kindern, Wanderern oder sonstigen Sportlern, die etwas günstiger wohnen möchten. Und die ger-ne, etwa in den Ferien, wenn die Schulen geschlossen sind, in einem Jugendhotel nächtigen würden“, in-formiert der Architekt. Voraussetzung dafür sei aber eine Raumstruktur, die einerseits von den Schülern genutzt werden könne, die aber andererseits aus Zim-mereinheiten bestehe, die sich auch zu Appartements zusammenschalten ließen.

Der Neubau, da waren sich die Auftraggeber sicher, sollte so weit wie möglich ein Holzbau werden. Le-diglich die Turnhalle musste, weil im Erdboden ver-senkt, aus Stahlbeton errichtet werden. So ist es auch passiert. Nur dass das Haus der Senioren, welches direkt über der Turnhalle steht, auch in Massivbau-weise entstanden ist. Das Haus der jungen Herbergs-eltern ist hingegen ganz und gar aus Holz.

Im gerade fertig gewordenen Landschulheim ist alles, was erdberührend war, aus massivem Ortbeton errichtet. Der Außenbereich dieser Bauteile wurde gedämmt und der Innenbereich, soweit möglich, in Sichtbeton belassen. Auf diesem Sockel steht eine Holzriegelkonstruktion. „Die Entscheidung für die Baustoffe fiel vorwiegend aus formalen Gründen“, er-läutert der Planer. Schließlich musste sein Büro eine

↑ Raumteiler: Statt Wände gliedern Vorhänge die Kantine in kleinere Bereiche.

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Skiraum

Neubau

NeubauBüro

Lounge

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Appart-ment

Abstell

Arbeit/RuheErd- keller

Sauna

Garage

Sitz- stufen

Wäsche-kammer

WCUK H

UK D

Ski-/Trockenraum

Werkstatt

Flur

HWR

WC

Appart-ment

4-Bett

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4-Bett 4-Bett

Foyer und Flur

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Ruhestand? Familie Emberger senior kennt das nur bedingt. Das Ehepaar hat sich zwar aus seiner aktiven Rolle als Herbergseltern eines Jugendhotels zurückgezogen, doch das neue Haus der beiden grenzt unmittelbar an das Landschulheim an.

BAUEN UND WOHNEN NEBEN DER ARBEIT

Privatsphäre haben die zwei trotzdem, da sich der Obstgarten ihres Zuhauses vom Jugendhotel abwendet und einen geschützten Bereich bietet, in dem sie sich ungestört aufhalten können.

Analog zum Bebauungsplan des Ortes ist das Gebäude mit einem leicht geneigten Satteldach ohne Dachvor-stand mit einer Flachdachabdichtung und Kies ausgebildet. So gliedert es sich sowohl in das Dorfbild als auch in die Anlage die Jugend hotels ein, das ebenfalls ein leicht geneigtes

Flachdach aufweist. Eine Treppe führt vom Einfamilienhaus der Senioren direkt in das Hotel hinein – sodass die zwei auf Wunsch immer noch schnell im Betrieb sein können. Das war auch während der Bauphase nötig.

Denn das Zeitfenster für den Neubau war mit acht Monaten zwischen Ostern und Dezember sehr eng. „Die neuen Zimmer waren schon vom Papier weg ausgebucht“, verrät Lechner. Es gab keinen Spielraum für eine Bauverzögerung, da der Neubau eng mit dem Bestand verzahnt ist.

← Die jungen Herbergseltern wohnen ebenfalls in Holz – ein paar Hundert Meter weiter im eigenen Einfamilienhaus.

ungeheuer große Baumasse – einen riesigen Turnsaal und zwei Geschosse – in der ländli-chen Idylle so platzieren, dass der Komplex die dörfliche Umgebung nicht erdrückt. Ein großer Teil der Turnhalle wurde demnach in den Erd-boden eingegraben. Der Rest hebt sich durch das (andere) Material – Holz – davon ab.

Bauen für die Wucht der JugendDraußen besticht der Baukörper durch eine sägeraue Lärchenholzschalung. Im Innenbe-reich sind die Wände mit Gipskartonplatten beplankt. Aus Brandschutzgründen, aber auch, weil die Gäste leider wenig Rücksicht nehmen auf saubere Wände.

Die Wucht der Jugend macht in der Regel auch vor den Fluren nicht halt. Da wird getobt, gerannt, gespielt. Und weil auch das kein Zu-ckerschlecken für die angrenzenden Wände ist, haben die Planer diese Bereiche so klein wie möglich gehalten und die Wände mit In-dustrieplatten verkleidet, die normalerweise im Transportwesen eingesetzt werden. Nach ein paar Metern Zimmereingängen weiten sich diese Gänge auf jedem Stockwerk zu einem großen Platz, an dem sich die Schüler treffen und einen Plausch halten können. An der Seite ist jeweils eine Teeküche eingebaut. Bei Bedarf verschließen absperrbare Schiebetüren Herd

↑ Stabil: Die Flurwände sind mit

extra stabilen Paneelen bekleidet.

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1,5 cm OSB-Platte 0,1 cm Dampfbremse 6,0 cm Mineralfaser/Lattung 1,5 cm OSB-Platte24,0 cm Mineralfaser/Sparren 2,4 cm Rauschalung 0,1 cm Unterdach 8,0 cm Hinterlüftung/Lattung 2,4 cm Rauschalung 1,0 cm Bitumenabdichtung

1,25 cm Gipskarton-Platte1,25 cm Gipskarton-Platte 4,0 cm Mineralfaser/Installation 0,1 cm Dampfbremse 1,5 cm OSB-Platte20,0 cm Mineralfaser/Holz-

konstruktion 1,5 cm Holzwerkstoffplatte 0,1 cm Fassadenbahn 4,0 cm Hinterlüftung/Lattung 2,4 cm Sparschalung 2,0 cm Holzschalung stehend

35,0 cm Stahlbeton-Wand 0,5 cm Klebemörtel14,0 cm Polystyrol extrudiert 3,0 cm Dickputz 0,2 cm Laminat

7,0 cm Heizestrich PAE Folie 3,0 cm Trittschalldämmung PAE Folie 7,5 cm Spittschüttung25,0 cm Stahlbeton-Decke

0,2 cm Laminat 7,0 cm Heizestrich PAE Folie 3,0 cm Trittschalldämmung PAE Folie 7,5 cm Spittschüttung13,0 cm Massivholzdecke 5,0 cm Mineralfaser/Installationen1,25 cm Gipskarton-Platte1,25 cm Gipskarton-Platte

13,0 cm Massivholzdecke 5,0 cm Mineralfaser/Installationen1,25 cm Gipskarton-Platte1,25 cm Gipskarton-Platte

Fassadenschnitt

und Spüle und verhindern, dass mit den Geräten gespielt wird. Ein Tisch für fünf bis acht Leute lädt zum Sitzkreis ein. Auch die Loggia lässt sich von hier aus begehen. Werden die Räume im ersten und zweiten Stockwerk nicht an Schüler vermietet, son-dern an andere Gäste, so lässt sich der Platz mit der darin integrierten Küche mit ein bis drei Zimmern zusammenschalten. Die davon abgehenden Gänge lassen sich mit Schiebewänden verkürzen oder verlängern. Eine multifunktionale Lösung, die Ordnung in die Anlage bringt.

Struktur statt LabyrinthDiese Eigenschaft weist auch der neue Zu-gang zum Gebäude auf. „Normalerweise führen nacheinander entstandene Gebäude-teile immer zu Labyrinthen. Es gibt keinen klaren Eingang, keine klare Erschließung“, betont Lechner. In Wagrain hingegen half die Topografie bei der Einteilung mit. Der Neubau ist gegenüber dem ursprünglichen Haupteingang positioniert. Wer auf dem Parkplatz davor ankommt, strebt automa-tisch in Richtung des Vordaches, das bei-de Bauten miteinander verbindet. Im vom Neu- und vom Altbau umschlossenen Hof ist Platz für abendliche Treffen.

Auch den Speisesaal im Bestand haben die Architekten erweitert, weil die bisherigen Räumlichkeiten zu klein geworden waren. Vorhänge trennen den großen Raum bei Be-darf in Einheiten, sodass sich auch kleinere Gruppen wohlfühlen. -

»Die Wucht der Ju-gend ist für die einzelnen Wände der Herberge kein Zuckerschlecken.«

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Grundriss Regelzimmer

← Die Kommunikations-zone kann bei Be- darf auch in ein kleines Appartement verwandelt werden.

↑ Sammelduschen sind out: Jedes Zimmer hat eine eigene Nasszelle.

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I N T E R V I E W

»Geschnitzte Liebes- erklärungen an Möbeln und Wänden sind Alltag.«

1 Bauen für Jugendliche, ist das anders

als Bauen für Erwachsene?Ja, ein wenig schon. Zum einen braucht die Jugend – zumal in ei-nem Jugendhotel – sehr viel Platz, um sich auszutoben. Den muss die Unterkunft auch zur Verfügung stellen können. In Wagrain gab es daher auch schon eine Disko im Keller, einen Boulderraum mit Weichbällen, Außenanlagen mit Spielgeräten und zudem Beach- volleyballplätze. Mit dem Neubau der Turnhalle ist nun ein weiterer Baustein dazugekommen. Die Halle ist immer belegt, ganz selten für den klassischen Sportunterricht, aber oft als Spielfläche.

2 Wie ist die Turnhalle ausgestattet?

Nun, sie hat an der Schmalseite eine kleine Zuschauergalerie. Dahinter ist sie raumhoch verglast. Diese Ga-lerie dient auch als Fluchtweg für den größtenteils ins Erdreich gegra-benen Saal. Vor allem aber garan-tiert die verglaste Fläche, dass der Raum maximal belichtet wird. Er ist sehr hell und kann somit ganz-tägig benutzt werden.

3 Inwiefern haben Sie bei den anderen Räumen

anders gebaut, als Sie für Erwach-sene gebaut hätten?Wir haben beispielsweise die Flure anders gestaltet, als wir das in ei-nem normalen Hotel getan hätten. Denn in diesen langen, schmalen Fluren zwischen den Schlafräumen potenziert sich Bewegung. Daher haben wir kurze Flure gestaltet

Jugendliche haben besondere Ansprüche. Nicht nur in puncto Musik oder Kleidung. Zum einen brauchen sie sehr viel Platz zum Austoben. Zum anderen muss dieser Platz robust gestaltet sein. Denn wer hat im Eifer des Gefechts schon Zeit, darauf zu achten, ob die Flurwand mit dem eigenen Koffer kollidiert oder nicht?

Tom Lechner ist Architekt und leitet das Büro LP Architektur ZT GmbH in Altenmarkt. Er ist u.a. Mitglied der Gestaltungsbeiräte Zell am See, Vöcklabruck und Gmunden. Sein Motto beim Bauen lautet: Konsequent – menschlich – verantwortungsbewusst – sexy.

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und hier die Raumqualität ab-geschwächt, indem wir zum Beispiel dunkle Materialien ver-wendet und die Gänge auf die Mindestbreite reduziert haben. Dazwischen öffneten wir aber große Flächen, die die Jugend-lichen mitnutzen können. Und Gemeinschaftsflächen wie den Speisesaal haben wir gezielt aus-gestattet.

4 Was haben Sie hier gemacht?

Wir haben den Raum mit Vor-hängen unterteilt, sodass er sich wahlweise in kleinere Einheiten gliedern lässt. Im offenen Zu-stand werden die Vorhänge of-fen „geparkt“. Solche Details wie Vorhänge bringen auf Wunsch Farbe ins Spiel. Sie lassen sich aber auch schnell austauschen, wenn sie kaputt sind oder eine Veränderung gewünscht wird. Statt für Stühle haben wir uns zudem für Bänke entschieden. Und aus der Ursprungsidee ei-ner stabilen Bierbankgarnitur Tische und Stühle entwickelt, die es auch aushalten, wenn die Jugendlichen darauf stehen.

5 Spielt Materialästhetik beim Bauen

für Jugendliche eine Rolle?Ja. Zum einen haben wir natür-lich versucht, die tatsächlichen Aufenthaltsflächen prinzipiell hell zu gestalten. Daneben ha-ben wir etwa die Gänge mit sehr robusten Materialien verkleidet. Wir haben überall Kantenschutz eingearbeitet, da sämtliche Kan-ten sofort in Mitleidenschaft gezogen werden. Wir haben die Küchenzeilen auf den Freiflä-chen mit Schiebetüren verse-hen, die absperrbar sind. Auch Möbel, Einbauschränke und Betten haben wir entworfen und aus extrem belastbaren Ma-terialien fertigen lassen.

6 Aus Holz?Nein. Das wollten wir zu-

nächst. Aber dann hat uns der Herbergsvater gezeigt, wie die bisherigen Möbel verunstaltet waren. Da waren geschnitzte Liebeserklärungen in den Bö-den, Malereien auf den Betten. Diese Möbel wurden definitiv

von den Jugendlichen nicht gut behandelt. Und das ist sehr schwer zu sanieren. Wir hatten ursprünglich geglaubt, mit ei-ner gewissen Raumatmosphäre auch Respekt vor dem Material implizieren zu können. Aber als die erste Busladung Schüler an-kam und mit ihren Koffern die Zimmer erobert hat, haben wir festgestellt, dass das nicht mög-lich ist. Da muss man einfach realistisch sein. Man muss für Ju-gendliche einfach robust bauen, sodass bei der Planung immer zwischen Nutzen und Ästhetik abgewogen werden muss.

7 Und wie kommt das Jugendhotel an?

Sehr, sehr gut. Es sind ja viele Stammklassen da, die regelmä-ßig wiederkommen. Die sind alle begeistert. Sowohl die Leh-rer als auch die Schüler sagen unisono, dass sie sich alle wohl-fühlen. -

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BAUEN FÜR KINDER: VERBESSERN, OHNE ZU KONTROLLIEREN

Nutzerverhalten lässt sich nur bedingt kon-trollieren. Das gilt insbesondere für Hotels oder Landschulheime, in denen täglich ande-re Leute übernachten. Doch das Energie- konzept sollte trotzdem stimmen.

ENERGIEK O N Z E P T

In einem Gebäude, in dem Jugendliche ein- und ausgehen, in dem Fenster mal geschlossen, dann wieder weit aufgerissen werden, in dem tagtäglich neue Nutzer ankommen, ist es schwer, den Umgang mit Energie zu kontrollieren. Schießlich bringt jeder Gast andere Vorlieben und Abneigungen respektive eine andere Vorstellung über den nachhaltigen Umgang mit Energie mit. Die energetische Qualität des Gebäudes sollte jedoch trotzdem

stimmen. Daher sind die Wand- und Dachelemente des neuen Jugendhoteltrakts hoch wärme-gedämmt und energetisch auf dem aktuellen Standard. Geheizt wird das Gebäude per Fernwär-me über Fußbodenheizung. Ein Heizwerk in Wagrain liefert die be-nötigte Energie. Sämtliche Räume sind zudem mit kontrollierter Wohnraumlüftung ausgestattet, damit die Luft in den Zimmern der jugendlichen Gäste immer angenehm frisch bleibt.

E N E R G I E K E N N W E R T E

Heizmittel Fernwärme aus Biomassefern- heizwerk

Primärenergie- bedarf

25 kW/(m²a)

Heizwärmebedarf (Turnsaal)

12,6 kW/(m²a)

Gebäude- nutzfläche

3.023 m²

Ansicht Norden

Ansicht Westen

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BAU Z E I T : April 2012 bis Dezember 2012

BAU H E R R : Doris und Andreas Emberger, A-5602 Wagrain, www.oberwimm.com

A RC H I T E K T : LP Architektur ZT GmbH, A-5541 Altenmarkt, www.lparchitektur.at

H O L Z BAU : Zimmerei Franz Scherer, A-5722 Niedernsill, www.zimmerei-scherer.at

STAT I K E R : Dipl.-Ing. Klaus Gelbmann, A-9500 Villach, www.gelbmann-zt.at

Neubau eines Jugendhotelsnebst zwei Einfamilienhäusern in Wagrein

12.834 4.577M² B R U T T O G E S C H O S S F L Ä C H E

M³ B R U T T O - B A U V O L U M E N

ST EC K B R I E FEin Jugendhotel ist eine Bauaufgabe der besonderen Art. Und damit ist auch die Materialwahl besonders. In Wagrain

etwa sind die Außenwände aus Holz und damit sowohl optisch als auch konstruktiv die optimale Lösung. Die in das Erdreich ge-grabene Turnhalle ist aus Ortbeton, das an-grenzende Einfamilienhaus der Eltern der Bauherrenfamilie ebenfalls. Bei dieser Mate-rialwahl spielten die örtlichen Bedingungen, also das Bauen im Untergrund, eine Rolle, aber auch der Wunsch, das Gebäude zu glie-dern. Die Zimmermöbel wiederum bestehen aus beschichteten Platten, ein Zugeständnis an die Wucht der Jugend, die sich in diesem Hotel zu Hause fühlen soll. -

FA Z I T

Das Einfamilienhaus der ehemaligen Jugend-herbergseltern hebt sich durch die Putzfassade vom Jugendhotel in Holz ab.

↓ Gespielt, gefeiert und gegrillt wird am liebsten im

Garten unter dem Baum.

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