Teilhard de Chardin - kritisch gesehen · 2018. 6. 5. · Teilhard de Chardin - kritisch gesehen...

7
Teilhard de Chardin - kritisch gesehen (Erschienen in "Kirche heute", 12/2009) "Kirche Heute" gehört zu den wenigen glaubenstreuen Zeitschriften, die uns Katholiken im deutschen Sprachraum geblieben sind. Trotzdem - oder gerade deshalb - scheint mir eine kritische Stellungsnahme zur Darstellung der Lehre Teilhards de Chardin in zwei Beiträgen dieser Zeitschrift geboten, um die Gefahr der Verwirrung von Gläubigen zu mindern. Die Lehre des Jesuitenpaters Pierre Teilhard de Chardin in ihrer Gesamtheit kann keine kirchliche Anerkennung finden, wie es fälschlich in einer Bildunterschrift des Beitrags "Globalisierung im Licht der Evolution" im Heft 8/9, 2009, als bereits gegeben behauptet wird, weil - die das Fundament seiner Lehre bildenden Thesen, die naturwissenschaftlich weder begründbar noch überprüfbar sind, auch philosophisch letztlich nicht haltbar sind, - Teilhard selbst daraus katastrophale Folgerungen für den Glauben, das Menschenbild, die Ethik und die Gesellschaftspolitik ableitete, - seine Lehre bei den Verlautbarungen vieler einflußreicher Autoren unserer Zeit verheerende Folgen hat. Hochanerkannte katholische Denker wie Hans-Eduard Hengstenberg, Leo Scheffczyk, Joseph Ratzinger oder Josef Pieper haben unterschiedliche Aspekte dieser Mängel und Gefahren überzeugend dargelegt. Gleichzeitig ist in ihren Schriften partiell Lob und Anerkennung für Teilhard zu finden. Dieser scheinbare Widerspruch ist wohl am besten erklärt mit den folgenden Worten Hengstenbergs: "Wir leugnen nicht, daß es bei Teilhard de Chardin echte und fruchtbare religiöse Gedanken gibt. Aber erst wenn man sein konstruiertes System, das verzerrenden Denkformen und einer versteckt wirksamen Philosophie verpflichtet ist, bis auf den Grund abbaut, können die wahren religiös-aszetischen Momente daraus befreit und für unsere Religiosität fruchtbar gemacht werden." Darüber hinaus erklärt sich dieser scheinbare Widerspruch aus Teilhards Benutzung von altehrwürdigen Begriffen in völlig geänderter Bedeutung, so daß immer gefragt werden muß, was eine scheinbar vertraute Aussage bei ihm bedeuten soll. So bedeutet z. B. Anbetung bei ihm, "die Welt durch Arbeit und Forschung ihrem Endziel näher zu bringen". Teilhard selbst gab zu: "Manchmal erschrecke ich ein wenig, wenn ich an die Umformung (transposition) denke, der ich mein Denken unterziehen muß, was die vulgären Begriffe 'Schöpfung', 'Inspiration', 'Wunder', 'Erbsünde', 'Auferstehung' usw. betrifft, um sie annehmen zu können". Weitere bedeutende Persönlichkeiten haben anscheinend darauf verzichtet, nach Glaubensdienlichem bei Teilhard zu suchen, wohl weil man das unverfänglicher auch anderswo finden kann. So stellte der große Philosoph Dietrich von Hildebrand die Unvereinbarkeit der Lehre Teilhards mit der christlichen Überlieferung in philosophischer und theologischer Hinsicht in aller Schärfe heraus, und Alma von Stockhausen, die Gründerin der Gustav-Siewerth-Akademie und unermüdliche Warnerin vor den aus dem Evolutionsglauben herrührenden Gefahren, ordnete die Lehre überzeugend ein in die die christliche Offenbarung verzerrende oder leugnende Geistesgeschichte der Neuzeit von Luther bis in unsere Zeit. All das ist bestens belegbar, kann aber natürlich in einem Leserbrief leider nicht weiter ausgeführt werden. Es soll jedoch Stellung bezogen werden zum Verhältnis Ratzinger-Teilhard. In dem bereits genannten Beitrag dieser Zeitschrift wird die Zurückweisung des materialistischen Naturalismus durch Kardinal Ratzinger/Papst Benedikt XVI. deutlich gewürdigt. Es heißt dort aber auch: "Ich bin jedoch überzeugt, daß der 'evolutionäre' Ansatz im philosophischen und theologischen Denken Joseph Ratzingers den entscheidenden Interpretationsschlüssel für das richtige Verständnis der neuen Enzyklika 'Caritas in veritate' - 'Die Liebe in der Wahrheit' bietet." Später werden zustimmend Gedankengänge von Teilhard wiedergegeben. Daß selbst diese äußerst problematisch sind, obwohl die gravierendsten Folgen dieses Denkens nicht thematisiert werden, erkennt man z. B. an Begriffen wie "Aufstieg des Bewußtseins",

Transcript of Teilhard de Chardin - kritisch gesehen · 2018. 6. 5. · Teilhard de Chardin - kritisch gesehen...

  • Teilhard de Chardin - kritisch gesehen (Erschienen in "Kirche heute", 12/2009) "Kirche Heute" gehört zu den wenigen glaubenstreuen Zeitschriften, die uns Katholiken im deutschen Sprachraum geblieben sind. Trotzdem - oder gerade deshalb - scheint mir eine kritische Stellungsnahme zur Darstellung der Lehre Teilhards de Chardin in zwei Beiträgen dieser Zeitschrift geboten, um die Gefahr der Verwirrung von Gläubigen zu mindern. Die Lehre des Jesuitenpaters Pierre Teilhard de Chardin in ihrer Gesamtheit kann keine kirchliche Anerkennung finden, wie es fälschlich in einer Bildunterschrift des Beitrags "Globalisierung im Licht der Evolution" im Heft 8/9, 2009, als bereits gegeben behauptet wird, weil - die das Fundament seiner Lehre bildenden Thesen, die naturwissenschaftlich weder begründbar noch überprüfbar sind, auch philosophisch letztlich nicht haltbar sind, - Teilhard selbst daraus katastrophale Folgerungen für den Glauben, das Menschenbild, die Ethik und die Gesellschaftspolitik ableitete, - seine Lehre bei den Verlautbarungen vieler einflußreicher Autoren unserer Zeit verheerende Folgen hat. Hochanerkannte katholische Denker wie Hans-Eduard Hengstenberg, Leo Scheffczyk, Joseph Ratzinger oder Josef Pieper haben unterschiedliche Aspekte dieser Mängel und Gefahren überzeugend dargelegt. Gleichzeitig ist in ihren Schriften partiell Lob und Anerkennung für Teilhard zu finden. Dieser scheinbare Widerspruch ist wohl am besten erklärt mit den folgenden Worten Hengstenbergs: "Wir leugnen nicht, daß es bei Teilhard de Chardin echte und fruchtbare religiöse Gedanken gibt. Aber erst wenn man sein konstruiertes System, das verzerrenden Denkformen und einer versteckt wirksamen Philosophie verpflichtet ist, bis auf den Grund abbaut, können die wahren religiös-aszetischen Momente daraus befreit und für unsere Religiosität fruchtbar gemacht werden." Darüber hinaus erklärt sich dieser scheinbare Widerspruch aus Teilhards Benutzung von altehrwürdigen Begriffen in völlig geänderter Bedeutung, so daß immer gefragt werden muß, was eine scheinbar vertraute Aussage bei ihm bedeuten soll. So bedeutet z. B. Anbetung bei ihm, "die Welt durch Arbeit und Forschung ihrem Endziel näher zu bringen". Teilhard selbst gab zu: "Manchmal erschrecke ich ein wenig, wenn ich an die Umformung (transposition) denke, der ich mein Denken unterziehen muß, was die vulgären Begriffe 'Schöpfung', 'Inspiration', 'Wunder', 'Erbsünde', 'Auferstehung' usw. betrifft, um sie annehmen zu können". Weitere bedeutende Persönlichkeiten haben anscheinend darauf verzichtet, nach Glaubensdienlichem bei Teilhard zu suchen, wohl weil man das unverfänglicher auch anderswo finden kann. So stellte der große Philosoph Dietrich von Hildebrand die Unvereinbarkeit der Lehre Teilhards mit der christlichen Überlieferung in philosophischer und theologischer Hinsicht in aller Schärfe heraus, und Alma von Stockhausen, die Gründerin der Gustav-Siewerth-Akademie und unermüdliche Warnerin vor den aus dem Evolutionsglauben herrührenden Gefahren, ordnete die Lehre überzeugend ein in die die christliche Offenbarung verzerrende oder leugnende Geistesgeschichte der Neuzeit von Luther bis in unsere Zeit. All das ist bestens belegbar, kann aber natürlich in einem Leserbrief leider nicht weiter ausgeführt werden. Es soll jedoch Stellung bezogen werden zum Verhältnis Ratzinger-Teilhard. In dem bereits genannten Beitrag dieser Zeitschrift wird die Zurückweisung des materialistischen Naturalismus durch Kardinal Ratzinger/Papst Benedikt XVI. deutlich gewürdigt. Es heißt dort aber auch: "Ich bin jedoch überzeugt, daß der 'evolutionäre' Ansatz im philosophischen und theologischen Denken Joseph Ratzingers den entscheidenden Interpretationsschlüssel für das richtige Verständnis der neuen Enzyklika 'Caritas in veritate' - 'Die Liebe in der Wahrheit' bietet." Später werden zustimmend Gedankengänge von Teilhard wiedergegeben. Daß selbst diese äußerst problematisch sind, obwohl die gravierendsten Folgen dieses Denkens nicht thematisiert werden, erkennt man z. B. an Begriffen wie "Aufstieg des Bewußtseins",

  • "Entwicklungssprung", "Geist der Erde" oder die "Welt", die "ihre Ketten abwerfen wird, um sich endlich den Kräften ihrer inneren Affinitäten zu überlassen". Anschließend folgt die Behauptung: "In seinen Grundzügen teilt Ratzinger den Ansatz von Teilhard de Chardin." Diese Behauptung wird bekräftigt durch Aussagen wie: "Es ist eine geniale Idee des Papstes, das Phänomen der Globalisierung im Licht dieses evolutionären Geschichtsverständnisses zu betrachten." Es ist die Rede von der "Dynamik der Eschatologie, die aus den Gegebenheiten dieser Welt heraus auf die Vollendung der Geschichte zugeht" und von dem "evolutionäre[n] Menschenbild ..., wie es Ratzinger in seinem philosophisch-theologischen Ansatz entworfen" habe. "Sein evolutionärer Ansatz" verleihe "ihm die Gewißheit ..., daß die Globalisierung eindeutig positiv bewertet werden" müsse. Bezugnahmen Ratzingers auf Teilhard findet man besonders in seinem Buch "Einführung in das Christentum" von 1968. Bemerkenswert dabei ist, daß Ratzinger trotz der teilweisen Übernahme von Teilhards Vokabular auf dem Höhepunkt der Teilhardbegeisterung von ihm nur Gedanken abhob, die er in ihrer "Grundorientierung" auch heute, da das Gesamtwerk Teilhards vor Augen steht, noch vertreten kann. Im Vorwort der Neuerscheinung dieses Buches nach seiner Wahl zum Papst 2005 begründet er sein Einverständnis mit dem unveränderten Nachdruck mit den Worten: "Die Grundorientierung, so denke ich, war richtig. Deswegen wage ich es, das Buch auch heute noch einmal in die Hand des Lesers zu legen." Aber schon 1968 störte er sich bei Teilhard an einer "nicht ganz unbedenklichen Tendenz aufs Biologistische hin", wie es auch im Beitrag dieser Zeitschrift schon vermerkt wurde, und kritisierte er ein "manchmal gar zu biologistisches Vokabular". Im Geleitwort zum Tagungsband zu einem 1985 in Rom stattgefundenen Symposium beurteilte er die "Intuitionen" Teilhards deutlich negativer, indem er betonte, daß "die philosophische und theologische Begriffsbildung unbefriedigend blieb". Auf der Website des "Forum Teilhardianum" findet sich an bevorzugter Stelle ein Text eines seiner Herausgeber, des erklärten Anhängers Teilhards Dr. med. Ludwig Ebersberger, in dem er die Konfessionen auffordert "endlich zu erkennen, daß die ihnen spezifisch anvertrauten Symbole wie z. B. 'Trinität', 'Inkarnation', 'Kreuz' ihren ... 'ärgerniserregenden' Charakter verlieren und sich sofort weiterentwickeln zu allgemeiner Diskussions-, ja Konsensfähigkeit, sobald man die starren Standpunkte seinsorientierten Denkens aufgibt und sie unter den Blickwinkeln dynamisch-beziehungsorientierten Denkens betrachtet". Er fordert, "jenen Zustand anzustreben", da "sich jedermann in den Kirchen wie in den Synagogen und in den Moscheen gleichermaßen heimisch fühlen kann, im Wissen darum, hier wie dort zu Gott beten, sein Wort hören und ihm dienen zu können" und da "der Wettbewerb zwischen den Religionen nur noch auf dem Felde des Ethos (nicht der 'Ethik') stattfinden wird, wie dies nicht nur Aufklärern wie Kant und Lessing vorschwebte, sondern bereits Jesus in unvergleichlicher Kürze und Klarheit dartat: 'An Ihren Früchten sollt Ihr sie erkennen'." Ebersberger scheut sich also nicht, Jesus als Zeugen für die Freimaurer-Ideale der Ringparabel zu benennen. Später heißt es bei ihm: "Teilhard spricht in seinen Zukunftsprojektionen bereits nicht mehr von 'Religionen', sondern von 'der' Religion." Es geht also letztlich um eine Welteinheitsreligion, um völligen Relativismus. Kann sich Ebersberger auch damit zu recht auf Teilhard berufen? In der Tat erwartete Teilhard zustimmend, durch den „Glauben an Gott und die Welt", worunter er eine Synthese aus Christentum und Marxismus verstand, werde ein Glaube geboren, „der alle anderen Glaubensformen enthält und zusammenfaßt", und der „der stärkste Glaube ist, der früher oder später die Erde besitzen wird". Begeistert äußerte er sich über das "Auftreten eines 'Ultra-Humanen' ", das "ein großes Ereignis im menschlichen Bewußtsein" sei und das "tief-greifende Neuanordnungen in dem ganzen Gebäude nicht nur unseres Denkens, sondern auch unseres Glaubens nach sich" ziehe.

  • Ebersberger hat auch mit dem damaligen Kardinal Ratzinger im Briefwechsel gestanden. Dieser ist ebenfalls auf der Website des Forum Teilhardianum veröffentlicht und soll wohl die Unbedenklichkeit für gläubige Katholiken ausweisen. Hier finden wir noch einmal eine deutliche Absage Ratzingers an den Evolutionismus - so deutlich, wie er sich als Papst nur äußern kann -, und zwar hinsichtlich des Ethos, womit auch Teilhards entsprechende Thesen mitgetroffen sind: "Ich kann aber trotzdem Ihrer Formulierung nicht zustimmen, daß das Ethos 'auf evolutivem Weg entstanden' sei. Mit dieser Formulierung wird meines Erachtens das durchaus Neue und wesentlich Andere des menschlichen Ethos gegenüber Verhaltensformen im vormenschlichen Bereich verkannt. Ethos im eigentlichen Sinn des Wortes setzt Bewußtsein und Freiheit voraus, die Grundkonstitutive menschlicher Existenz, die es vorher nicht gibt." Im Wissen um die hier nur angedeutete Position Benedikts XVI. zu den Lehren Teilhards überrascht es den unvoreingenommenen Leser der Enzyklika "Caritas in veritate" dieses Papstes, der gerade die Zurückweisung des Relativismus zu einem wichtigen Anliegen seines Pontifikates gemacht hat, kaum, daß sich der behauptete "Evolutionäre Ansatz" darin keineswegs bestätigt. Nicht nur, daß man Begriffe wie Evolution oder evolutionär und den Namen Teilhard de Chardin darin vergeblich sucht - wenn der Papst den bereits von seinen Vorgängern ausführlich behandelten Begriff der Entwicklung aufgreift und angesichts der Globalisierung folgerichtig global versteht, hat das kaum etwas mit Evolution zu tun. Wenn der Enzyklika ein "evolutionäres Geschichtsverständnis" unterstellt wird, dann muß dieser Ausdruck schon selbst als ein in sich widersprüchlicher Unbegriff gesehen werden. In aller Klarheit hat Josef Pieper in einem seiner Spätwerke, den Fünf Salzburger Vorlesungen zum Thema "Hoffnung und Geschichte", herausgearbeitet, daß Teilhard de Chardin Evolution und Geschichte verwechselt. Im Unterschied zur Evolution beruhe Geschichte "auf Freiheit und Entscheidung", berge sie die Möglichkeit der Schuld in sich. Im Unterschied zu der kosmischen "Evolution" und der "Entwicklung" des geistigen Lebens in Wissenschaft, Technik und Kunst folge das geschichtliche Geschehen wesentlich aus der freien Entscheidung des Menschen, sei es nicht voraussagbar und berechenbar, müsse es "verantwortet" werden, könne es "gut" oder "böse" sein. Das "Problem des Bösen, der Negation, der Schuld" sei etwas Entscheidendes des Phänomens Geschichte. Mit der Nichtvoraussagbarkeit ist bei Pieper nichts gegen eine Prophetie als "göttlich verbürgte Auskunft" gesagt, jedoch gegen eine Prognose aus menschlichem Erkenntnisstreben. Eine solche müßten wir der Gnosis zuordnen, und so ist es auch nicht verwunderlich, daß Teilhard als einer der Väter der Esoterik- und New-Age-Bewegung gilt. Im Leserbrief "Teilhard de Chardin richtig verstehen", Heft 10, 2009 dieser Zeitschrift, wird vermutlich mit Bedauern daran erinnert, daß die Oberen Teilhard die Veröffentlichung seiner Schriften nicht erlaubten, "wohl, weil ihre Rechtgläubigkeit angezweifelt wurde", und es heißt: "der ständig der Häresie verdächtigte Teilhard". Kann man zwar menschlich hoch anerkennen, daß Teilhard seinem Gehorsamsgelöbnis bis zum Ende treu blieb, so sind die in diesem Zusammenhang oft mehr oder weniger deutlich ausgesprochenen Vorwürfe gegen Orden und Kirche gerade auch deshalb unberechtigt. Wer die Thesen Teilhards als "positiv durchkonstruiertes Ganzes" (so im Leserbrief) kennt, kann nur dankbar sein, wenn dieses niemals im Namen der Kirche verkündet werden kann. Schon die wenigen das Denken Teilhards treffend charakterisierenden Ausführungen des Leserbriefes enthalten vom Glauben her unannehmbare Inhalte wie "das Werden Gottes" oder der Mensch als "werdendes Wesen". Zwar folgt am Ende eine allgemeine Kritik. Sie fällt aber unangemessen schonend aus. Darauf folgt das Lob: "Teilhard hat als erster Theologe und Naturwissenschaftler genial Naturwissenschaftler wie Theologen provokativ zur Besinnung auf die gemeinsame Problematik zusammengebracht."

  • Obwohl es auch vor Teilhard natürlich schon im kirchlichen Raum originelle Betrachtungen zum Verhältnis von Evolution und christlichem Glauben gab, kann man mit diesem Lob wegen des doch einmaligen Gesamtkonstrukts Teilhards mitgehen. Aber darin liegt ja gerade auch das Problem. Dazu seien abschließend Worte Leo Scheffczyks aus einem Vortrag von 1985 kommentiert. Zunächst heißt es dort: "Aus dieser Nähe katholischen Schöpfungsdenkens zum Geschaffenen erklärt sich auch das Entstehen eines so eigenartigen Gesamtentwurfs zur Vereinbarkeit von Evolution und Schöpfung, wie er in der überzogenen Synthese Teilhards des Chardin (+1955) geboten wurde." Dann folgt ebenfalls ein Lob, das aber bei genauerem Hinsehen nicht Teilhard selbst, sondern der Auseinandersetzung mit seinen Thesen gespendet wird: "Die Diskussion dieses Entwurfs, dessen Faszination, wie es scheint, heute wieder im Schwinden begriffen ist, hat einige Grunderkenntnisse bezüglich einer legitimen, ertragreichen Begegnung von Schöpfungslehre und Evolutionstheorie, d. h. auch zwischen Theologie und Naturwissenschaft, zutage gefördert, die bleibende Beachtung verdienen. " Wenn Scheffczyk dann Beispiele solcher Grunderkenntnisse nennt, wird deutlich, daß diese gerade aus der Entgegensetzung zu Teilhards Thesen gewonnen wurden: "Dazu gehört etwa die Forderung, daß in jede legitime Begegnung und Annäherung der beiden Erkenntnisordnungen die ganze theologische Wahrheit über die Schöpfung eingebracht werden muß, wenn der Austausch nicht zu einer Preisgabe des Glaubens und seiner zuvor genannten Kernwahrheiten führen soll. Wenn deshalb in der Ausrichtung der Schöpfungswahrheit auf die Evolution etwa am Anfang schon der Begriff der 'creatio ex nihilo' preisgegeben werden muß zugunsten der auch in sich unklaren Vorstellung von der 'Vereinigung der Vielheit' durch Gott (so nach Teilhard) oder wenn der grandiose Gang der Evolution zu einer Preisgabe des Individuell-Menschlichen an eine kollektive Übermenschheit führt, ist zwar dem Anliegen des Evolutionismus gedient, aber nur um den Preis der Aufgabe theologischer Substanz." Prof. Dr.-Ing. Lutz Sperling, Magdeburg ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- [email protected] Sehr geehrte Damen und Herren der Redaktion von Kirche heute, für den Abdruck meines langen Leserbeitrages "Teilhard de Chardin - kritisch gesehen", besonders aber auch für die überaus freundliche Einführung zu meiner Person, danke ich Ihnen vielmals. Die rein formalen Angaben enthalten leider zwei kleine Unkorrektheiten zu meinem Vorteil: Geschäftsführender Leiter des Instituts für Mechanik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg war ich nur von 1999 bis 2001 (Rotationsprinzip), und Vorlesungen an der Gustav-Siewerth-Akademie halte ich erst ab dem Jahre 2007. Ich bitte Sie, selbst zu entscheiden, ob das so relevant ist, daß man es korrigieren sollte. Mit herzlichen Grüßen Lutz Sperling -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------