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1 Textvorlagen zum Üben Brügge/Mohs, Verstimmt? © 2011 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München Textvorlagen zum Üben Diese Textvorlagen gehören zu dem Buch von Walburga Brügge und Katharina Mohs (2011): Verstimmt? Mit klangvoller Stimme gut ankommen. Ernst Reinhardt, München/Basel. Sie finden zu den einzelnen Themenbereichen eines Kapitels eine Auswahl an Textbeispielen. Das jeweilige Kapitel, in dem der Text als Übungsvorlage vorgestellt wird, ist in Klammern angegeben. Korkensprechen (Kap. 4) Elefanten sind die größten und schwersten Landsäugetiere. Menschen haben schon vor Urzeiten versucht, ihre Stärke zu nutzen. Sie können mit Hilfe ihrer Stoßzähne und Rüssel Wasserstellen schaffen, die auch anderen Tieren das Leben retten. Elefanten sind gutmütige Herdentiere, die in einem sozialen Geflecht leben. Sie gelten neben Delfinen und Menschenaffen zu den intelligentesten wildlebenden Tierarten. Erfahrungen sind dazu da, dass man sie macht. Ob man dadurch, wie der Volksmund behauptet, klug wird, steht auf einem anderen Blatt. Dafür, dass Millionen Menschen Tag für Tag Erfahrungen sammeln, gibt es, an unserem Sprichworte gemessen, zwei Milliarden kluge Leute zu wenig, und das sollte zu denken geben. Erich Kästner

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Textvorlagen zum Üben

Diese Textvorlagen gehören zu dem Buch von Walburga Brügge und Katharina Mohs (2011): Verstimmt? Mit klangvoller Stimme gut ankommen. Ernst Reinhardt, München/Basel. Sie finden zu den einzelnen Themenbereichen eines Kapitels eine Auswahl an Textbeispielen. Das jeweilige Kapitel, in dem der Text als Übungsvorlage vorgestellt wird, ist in Klammern angegeben.

Korkensprechen (Kap. 4)

Elefanten sind die größten und schwersten Landsäugetiere. Menschen haben schon vor Urzeiten versucht, ihre Stärke zu nutzen. Sie können mit Hilfe ihrer Stoßzähne und Rüssel Wasserstellen schaffen, die auch anderen Tieren das Leben retten. Elefanten sind gutmütige Herdentiere, die in einem sozialen Geflecht leben. Sie gelten neben Delfinen und Menschenaffen zu den intelligentesten wildlebenden Tierarten.

Erfahrungen sind dazu da, dass man sie macht. Ob man dadurch, wie der Volksmund behauptet, klug wird, steht auf einem anderen Blatt. Dafür, dass Millionen Menschen Tag für Tag Erfahrungen sammeln, gibt es, an unserem Sprichworte gemessen, zwei Milliarden kluge Leute zu wenig, und das sollte zu denken geben.

Erich Kästner

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Zungenbrecher (Kap. 4)

• Welcher Metzger wetzt sein Metzgermesser am Wetzstein des Metzgermeisters?

• Der Leutnant von Leuthen befahl seinen Leuten, die Läuten von Leuthen nicht eher zu läuten, als dass der Leutnant von Leuthen seinen Leuten das Läuten der Läuten von Leuthen befahl.

• Der kleine klapprige Kaplan pappt peppige, poppige Pappplakate an die klappernde Kapellwand.

• Als Schritt für Schritt sie zur Schranke schritt, erscholl des Schreibers schriller Schreckensschrei.

• Es klapperten die Klapperschlangen, bis ihre Klappern schlapper klangen.

• Der Flugplatzspatz nahm auf dem Flugblatt Platz. Auf dem Flugblatt Platz nahm der Flugplatzspatz.

• Tief im dichten Fichtendickicht picken flinke Finken tüchtig.• Zwischen zwei Zwetschgenzweigen sitzen zwei zwitschernde

Schwalben.

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Präzise Artikulation in Gedichten (Kap. 4)

Pinguine

Auch die Pinguine ratschen, tratschen,Klatschen, patschen, watscheln, latschen,Tuscheln, kuscheln, tauchen, fauchen,Herdenweise, grüppchenweiseMit Gevattern,Pladdern, schnatternLaut und leise.Schnabel-Babelkabel-Schnack,Seriöses, Skandalöses, Hiebe, Stiche.

Oben: Chemisette mit Frack.Unten: lange, enge, hinderlicheRöcke. – Edelleute, Bürger, Pack,Alte Weiber, Professoren.

Riesenvolk, in Schnee und Eis geboren.Sie begrüßen herdenweiseErsten Menschen, der sich leiseIhnen naht. Weil sie sehr neugierig sind.Und der erstgesehene Mensch ist neu.Und Erfahrungslosigkeit starrt wie ein kleinstes KindGierig staunend aus, jedoch nicht scheu.

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Riesenvolk, in Schnee und Eis geboren,Lebend in verschwiegener BuchtIn noch menschenfernem Lande.Arktis – Expedition. – Revolverschuß –:Und das Riesenvolk, die ganze BandeErgreift die Flucht.

Joachim Ringelnatz

Umsonst

Immer rascher fliegt der Funke,jede Dschunke und Spelunkewird auf Wissenschaft bereist,jede Sonne wird gewogenund in Rechnung selbst gezogen,was noch sonnenjenseits kreist.

Immer höh’re Wissenstempel,immer richt’ger die Exempel,wie Natur es draußen treibt,immer klüger und gescheiter,und wir kommen doch nicht weiter,und das Lebensrätsel bleibt.

Theodor Fontane

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Betonung durch Veränderung der Lautstärke (Kap. 5)

so nie sieh gehholen haben fehlen wundernleben unglaublich versorgen vergeuden

Lass doch los. Da kommen sie ja. Schau doch mal.Du wirst es nie finden. Bleiben Sie doch noch. Wir nehmen es jetzt.

Eine Giraffe (keine Ziege)(Eben aus dem Ei gekrochen)Pustete sich eine FliegeRückwärts von den Wirbelknochen.

Joachim Ringelnatz

Betonung durch Veränderung der Stimmhöhe (Kap. 5)

Lo ben Ha ben Su chenVon we gen Lei se, ganz lei seDas kannst du dir nicht vo rstellen

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Betonung durch Dehnen der Konsonanten oder Vokale (Kap. 5)

Laaangsam, sonst geht es kaputt.Der ist vielleicht schl…au. Von dieser Zutat bitte nur weeeenig verwenden. Du hast doch kei ne Ahnung.

Einsatz verschiedener Betonungsmöglichkeiten (Kap. 5)

Er ging langsam am Ufer entlang nach Hause. – (Er ging, nicht sie.)-> Hier Lautstärkeveränderung einsetzen

Er ging langsam am Ufer entlang nach Hause. – (Er rannte nicht.)-> Hier Veränderung der Stimmhöhe einsetzen

Er ging langsam am Ufer entlang nach Hause. – (Er hatte keine Eile.)-> Hier Dehnung des /a/ bei „langsam“

Er ging langsam am Ufer entlang nach Hause. – (Er ging nicht die Straße entlang.)

-> Hier Veränderung der Stimmhöhe bei Ufer einsetzenEr ging langsam am Ufer entlang nach Hause. – (Er ging nach Hause, nicht ins Büro.)

-> Hier Lautstärkeveränderung einsetzen

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Stimmführung vor Sprechpausen (Kap. 5)

Achtung Autofahrer, hier kommen die aktuellen Staunachrichten. æ Vorsicht auf der A1 Köln Richtung Euskirchen ä: Zwischen Köln-Bocklemünd und Köln-Lövenich 4 km stockender Verkehr. æ Auf der A4 zwischen Kreuz Leverkusen und Leverkusen-Zentrum ä: Fahren Sie vorsichtig, hier liegen Holzlatten auf der Fahrbahn æ. A45 Gießen Richtung Hagen ä: Zwischen Lüdenscheid-Süd und Hagen-Süd nach einem Unfall mehr als 8 km Stau. æ Hier ist der linke Fahrstreifen gesperrt æ.

Auf das Sprechtempo achten (Kap. 5)

Beispiel 1: Wegbeschreibung

Folgen Sie der Straße bis zur dritten Kreuzung, biegen Sie an der Ampel rechts ab. Die Straße wird jetzt mehrspurig, ordnen Sie sich links ein, denn hinter der Unterführung müssen Sie abbiegen, dann...

Beispiel 2: Bedienungsanleitung

Schalten Sie Ihr Fernsehgerät ein. Drücken Sie die TV-Taste auf der Fernbedienung ca. fünf Sekunden lang, bis die LED zweimal blinkt. Geben Sie mit den Zifferntasten die fünfstellige Codenummer aus der Codenummernliste ein. Zweimaliges Blinken der LED zeigt Ihnen an, dass der Code angenommen wurde. Richten Sie nun die Fernbedienung auf das TV-Gerät, und drücken Sie die Stand-by-Taste. Wenn sich Ihr Gerät jetzt ausgeschaltet hat, so wurde der Vorgang erfolgreich abgeschlossen.

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Beispiel 3: Rezept

Kochen Sie Milch und Zucker auf, und fügen Sie die anderen Zutaten dazu. Verrühren Sie alles zu einer geschmeidigen Masse, und lassen Sie diese abkühlen. Nun wird der Teig geknetet. Die Hefe mit einem Teelöffel Zucker und fünf Esslöffeln lauwarmer Milch in einer Schüssel verrühren und 15 Minuten stehen lassen. Mehl in eine Schüssel geben, die übrigen Zutaten und die angesetzte Hefe dazugeben, und alles zu einem glatten Teig verarbeiten.

Beispiel 4: Stadtführung

Stellen Sie sich vor, Sie machen eine Stadtführung für eine Gruppe.

Kommen Sie mit mir ein Stück entlang der aurelianischen Mauer, deren Bau unter Kaiser Aurelian begonnen und später unter Honorius auf fast elf Meter erhöht wurde. Die Tore wurden im Lauf der Zeit zu Festungstürmen ausgebaut. Das heute als Engelsburg bekannte Mausoleum des Kaisers Hadrian wurde ebenfalls als Zitadelle in die Befestigungsanlagen integriert. Noch heute ist diese Mauer fast vollständig erhalten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden viele Anbauten wieder entfernt, um den Urzustand der Mauer wieder herzustellen. 18 Tore sind noch immer zu besichtigen.

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Einsatz und Variation verschiedener sprechdynamischer Mittel im Text (Kap. 5)

Die unmögliche Tatsache

Palmström, etwas schon an Jahren,wird an einer Straßenbeugeund von einem Kraftfahrzeugeüberfahren.

„Wie war“ (spricht er, sich erhebendund entschlossen weiterlebend)„möglich, wie dies Unglück, ja –:daß es überhaupt geschah?

Ist die Staatskunst anzuklagenIn bezug auf Kraftfahrwagen?Gab die Polizeivorschrifthier dem Fahrer freie Trift?

Oder war vielmehr verboten,hier Lebendige zu Totenumzuwandeln, – kurz und schlicht:Durfte hier der Kutscher nicht –?“

Eingehüllt in feuchte Tücherprüft er die Gesetzesbücherund ist alsobald im klaren:Wagen durften dort nicht fahren!

Und er kommt zu dem Ergebnis:„Nur ein Traum war das Erlebnis.Weil“, so schließt er messerscharf,„nicht sein kann, was nicht sein darf.“

Christian Morgenstern

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Silben kauen (Kap. 6)

mjam mjom mjum mjem mjaum mjeum

Indifferenzlage finden (Kap. 6)

mjom – wo – mjom mjem – wie – mjem mjum – nur – mjum

mjam –wann – mjam mjam – lahm – mjam mjüm – mond – mjüm

Beachten der Resonanzweite in Gedichten (Kap. 6)

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,die sich über die Dinge ziehn.Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,und ich kreise jahrtausendelang;und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturmoder ein großer Gesang.

Rainer Maria Rilke

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Lied vom Meer

Uraltes Wehn vom Meer,Meerwind bei Nacht:du kommst zu keinem her;wenn einer wacht,so muß er sehn, wie erdich übersteht:uraltes Wehn vom Meer,welches wehtnur wie für Ur-Gestein,lauter Raumreißend von weit herein...

O wie fühlt dich eintreibender Feigenbaumoben im Mondschein.

Rainer Maria Rilke

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Vokaleinsatz in Silben (Kap. 6)

om on ol of op okum ul up ur uf usch

am an al as ap akem en ep es ek eschim in ip if is ik

aum aup aus auteim ein eis eip

Vokaleinsatz in Worten (Kap.6)

Ofen oben Ohren OsternOslo Otto Onkel Orgel

Ufer Urlaub Uhu UrkundeUlme unten Unkraut Unfall

ölen öde Öse Österreichöffnen östlich örtlich öffentlich

Übergang Übersicht überraschen überlegenEule Europa euch euer

Igel Island ideal IgluInsel Imker immer innen

Efeu Esel Elend EhreEngel Ente etwas Ebbe

Abend Adler Arbeit AmeiseAmsel Antwort alle Acker

ähnlich Ähre Ära äsenAuto Auge Auster AufenthaltEimer Eile einsam eiskalt

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Vokaleinsatz in Gedichten (Kap. 6)

Nordsee III

Nah ist nur Innres; alles andre fern.Und dieses Innere gedrängt und täglichmit allem überfüllt und ganz unsäglich.Die Insel ist wie ein zu kleiner Stern

welchen der Raum nicht merkt und stumm zerstörtin seinem unbewußten Furchtbarsein,so daß er, unerhellt und überhört,allein

damit dies alles doch ein Ende nehmedunkel auf einer selbsterfundnen Bahnversucht zu gehen, blindlings, nicht im Plander Wandelsterne, Sonnen und Systeme.

Rainer Maria Rilke

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Abglanz

Gaben sich zwei einen Abschiedskuß,Anscheinend zwei Freundinnen.Stieg die eine in den Omnibus.Und der Omnibus fuhr von hinnen.

Die im Omnibus saß mir zugewandt.Und ich sah, daß in ihrem GesichteNoch lange ein liebes Lächeln stand;Das erzählte eine kleine Geschichte.

Joachim Ringelnatz

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Wahrnehmen der reflektorischen Atemergänzung (Kap. 7)

fft ppssst sssst scht

Re P T KRe P T KSCH SCH SCH SCH

SCH SCH SCH SCHCH CH CH CHCH CH CH CH

FT FT FT FTFT FT FT FT

Reflektorische Atemergänzung mit Worten (Kap.7)

Hopp! Halt! Lass! Komm! Stopp! Weg! Raus! Los!Zack! Pack! Schnell! Gleich!Geh! Ja! Nein! Lauf!

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Reflektorische Atemergänzung in Sätzen (Kap. 7)

Das glaub’ ich nicht! Da war doch was!Pass doch auf! Das war ich nicht!

Bleib mir weg damit! Was machst du da?Er will nicht! Geh mal weg!

Hör mir zu! Die Geschichte ist alt!Nein, er kommt! Du, ich weiß was!

Doch, hier war das. Du nicht? Ich schon!Lass doch gut sein! Auf jeden Fall!

Wohin damit? Keiner hört mich.Das kann ich nicht. Wer weiß denn das?

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Reflektorische Atemergänzung in Gedichten (Kap. 7)

Die zwei Wurzeln

Zwei Tannenwurzeln groß und alt //Unterhalten sich im Wald. //

Was droben in den Wipfeln rauscht, //das wird hier unten ausgetauscht. //

Ein altes Eichhorn sitzt dabei //und strickt wohl Strümpfe für die zwei. //

Die eine sagt: knig. // Die andere sagt: knag. //Das ist genug für einen Tag. //

Christian Morgenstern

Er ist’s

Frühling läßt sein blaues Band //Wieder flattern durch die Lüfte; //Süße, //wohlbekannte DüfteStreifen ahnungsvoll das Land. //Veilchen träumen schon, //Wollen balde kommen. //– Horch, // von fern ein leiser Harfenton! //Frühling, // ja du bist’s! //Dich hab ich vernommen! //

Eduard Mörike

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Bei den nachfolgenden Gedichten setzen Sie die Atemzeichen selbst, wie es Ihnen im Gedicht sinnvoll erscheint. Nicht immer muss eine Atempause am Zeilenende gemacht werden.

Die Trichter

Zwei Trichter wandeln durch die Nachtdurch ihres Rumpfs verengten Schacht

fließt weißes Mondlichtstill und heiter

auf ihrenWaldweg

u. s.w.

Christian Morgenstern

Ein männlicher Briefmark...

Ein männlicher Briefmark erlebteWas Schönes, bevor er klebte.Er war von einer Prinzessin beleckt.Da war die Liebe in ihm erweckt.

Er wollte sie wiederküssen,Da hat er verreisen müssen.So liebte er sie vergebens.Das ist die Tragik des Lebens!

Joachim Ringelnatz

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Die drei Spatzen

In einem leeren Haselstrauch,da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.

Der Erich rechts und links der FranzUnd mittendrin der freche Hans.

Sie haben die Augen zu, ganz zu,und obendrüber, da schneit es, hu!

Sie rücken zusammen dicht an dicht.So warm wie der Hans hat’s niemand nicht.

Die hör’n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.

Christian Morgenstern

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Atempausen in Texten (Kap. 7)

Auszug aus: Madame Bovary

Emma legte einen Schal um die Schultern, öffnete das Fenster und stützte sich auf die Ellenbogen.Die Nacht war stockfinster. Ein paar Regentropfen fielen. Sie atmete den feuchten Wind ein, der ihr die Augenlieder kühlte. Die Ballmusik summte ihr noch in den Ohren, und sie bemühte sich, munter zu bleiben, um die Illusion dieses luxuriösen Lebens, das sie nun gleich würde aufgeben müssen, zu verlängern. Der Morgen graute. Lange betrachtete sie die Fenster des Schlosses und versuchte zu erraten, welches die Zimmer all derer waren, die sie am Abend zuvor beobachtet hatte. Sie hätte gern ihr Leben gekannt, wäre gern darin eingedrungen und darin aufgegangen.

Gustave Flaubert

Genesis – Die Anfänge

1 1 Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; 2 die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser. 3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. 4 Gott sah, dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis 5 und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag.

Die Bibel, Genesis 1, 1–5

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Objektivität der Sinneswahrnehmung

Wir sind von der wirklichen Existenz der von unserer Erkenntnis aufgefassten Dinge und Erscheinungen in der uns umgebenden Außenwelt überzeugt. Dieses Dasein der von unserer Wahrnehmung aufgefassten Dinge nennt man die Objektivität der Sinneswahrnehmung. Von vielen Seiten wird die Objektivität unserer Sinneswahrnehmung verneint, indem man sagt, die Sinneswahrnehmungen seien nur in unserem Inneren vorhanden oder subjektive Zustände; aber wie die Dinge in der Außenwelt wirklich beschaffen seien, das könnten wir nicht wissen. Diese Anschauung nennt man die Subjektivität der Sinneswahrnehmung. […]

Leonhard Habrich

Die Wichtelmänner

Es war ein Schuster ohne seine Schuld so arm geworden, daß ihm endlich nichts mehr übrig blieb als Leder zu einem einzigen Paar Schuhe. Nun schnitt er am Abend die Schuhe zu, die wollte er den nächsten Morgen in Arbeit nehmen; und weil er ein gutes Gewissen hatte, so legte er sich ruhig zu Bett, befahl sich dem lieben Gott und schlief ein. Morgens, nachdem er sein Gebet verrichtet hatte und sich zur Arbeit niedersetzen wollte, so standen die beiden Schuhe ganz fertig auf seinem Tisch. Er verwunderte sich und wußte nicht, was er dazu sagen sollte. […]

Brüder Grimm

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Zugabe (Hörbeispiel 22)

Johann Wolfgang von Goethe, Faust I – Vor dem Tor

Vom Eise befreit sind Strom und BächeDurch des Frühlings holden, belebenden Blick;Im Tale grünet Hoffnungsglück;Der alte Winter, in seiner Schwäche,Zog sich in rauhe Berge zurück.Von dort her sendet er, fliehend, nurOhnmächtige Schauer körnigen EisesIn Streifen über die grünende Flur.Aber die Sonne duldet kein Weißes,Überall regt sich Bildung und Streben,Alles will sie mit Farben beleben;Doch an Blumen fehlt’s im RevierSie nimmt geputzte Menschen dafür.Kehre dich um, von diesen HöhenNach der Stadt zurückzusehen.Aus dem hohlen finstern TorDringt ein buntes Gewimmel hervor.Jeder sonnt sich heute so gern.Sie feiern die Auferstehung des Herrn,Denn sie sind selber auferstanden:Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,Aus der Straßen quetschender Enge,Aus der Kirchen ehrwürdiger NachtSind sie alle ans Licht gebracht.Sieh nur, sieh! wie behend sich die MengeDurch die Gärten und Felder zerschlägt,Wie der Fluß in Breit und LängeSo manchen lustigen Nachen bewegt,Und bis zum Sinken überladen,Entfernt sich dieser letzte Kahn.Selbst von des Berges fernen PfadenBlinken uns farbige Kleider an.

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Ich höre schon des Dorfs Getümmel,Hier ist des Volkes wahrer Himmel,Zufrieden jauchzet groß und klein:Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!

Jakob van Hoddis – Weltende

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,In allen Lüften hallt es wie Geschrei.Dachdecker stürzen ab und gehn entzweiUnd an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfenAn Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

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Richard Wagner – Das Rheingold

WOGLINDE Weia! Waga! Woge, du Welle,walle zur Wiege! Wagalaweia!Wallala, weiala weia! WELLGUNDE (Stimme von oben) Woglinde, wachst du allein? WOGLINDE Mit Wellgunde wär’ ich zu zwei.

Erich Mühsam – Das war das Fräulein Liebetraut...

Das war das Fräulein Liebetraut,das an den Folgen einer Traube litt.Quälend rumorten ihre Triebe laut,weshalb sie schnell in jene Laube tritt.

Brentano bezog aus dem Klang der Vokale einen symbolischen Sinn:

In dem A den Schall suchen,In dem E der Rede Wonne,In dem I der Stimme Wurzel,In dem O des Todes Odem,In dem U des Mutes Fluchenhat er aus dem Bauch geholet.