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ullrich-turner-syndrom-nachrichten

magazin der turner-syndrom-vereinigung deutschland e. v.

2.2012

Thema Grenzen

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Die Diagnose klingt befremdlich für jeden, der

noch nie zuvor damit konfrontiert worden ist

— für Eltern wie für junge Frauen gleicherma-

ßen. Doch was steckt eigentlich hinter diesem

Begriff? Wir geben einen Überblick.

Die Auswirkungen des Ullrich-Turner-Syn-

droms können sehr verschieden sein. Doch

gibt es drei wesentlich Merkmale, die für das

Ullrich-Turner-Syndrom typisch sind: Das sind

erstens der Kleinwuchs (im Durchschnitt wird

eine vom Turner-Syndrom betroffene Frau

etwa 1,47m groß), zweitens die Unfruchtbar-

keit aufgrund einer zu geringen Entwicklung

der Eierstöcke und drittens eine ausbleibende

Pubertät, die jedoch behandelt werden kann.

Dazu können weitere, behandelbare Probleme

kommen wie zum Beispiel Herzfehler, seitliche

Halsfalten (Pterygium Colli), eine Hufeisennie-

re (beide Nieren sind wie ein Hufeisen zusam-

mengewachsen), eine Augenlidsenkung und

Lymphödeme.

Das Ullrich-Turner-Syndrom wird durch eine

Fehlverteilung oder strukturellen Verände-

rung der Geschlechtschromosomen bei Mäd-

chen ausgelöst. Eines der beiden Geschlechts-

chromosomen (XX) fehlt durchgehend oder

nur in einem Teil aller Körperzellen, oder aber

das zweite X-Chromosom ist strukturell ver-

ändert. Das Ullrich-Turner-Syndrom betrifft in

der Regel nur Mädchen und Frauen. In seltenen

Fällen weist eine phänotypisch männliche

Person einen dem Ullrich-Turner-Syndrom

ähnlichen Chromosomensatz auf (Noonan-

Syndrom). Das Ullrich-Turner-Syndrom tritt

mit einer Häufigkeit von etwa 1 zu 2500

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Was ist das Ullrich-Turner-Syndrom?

Mächengeburten auf und kann nicht vererbt

werden, da betroffene Frauen bis auf wenige

Ausnahmen unfruchtbar sind.

International heißt das Syndom Turner-

Syndrom, benannt nach dem amerikanischen

Endokrinologen Henry Turner. In Deutschland

wird das Syndrom nach dem Kinderarzt Otto

Ullrich „Ullrich-Turner-Syndrom“ genannt. Er

beschrieb das Syndrom im Jahre 1930 in einer

Fachzeitschrift.

Der Kleinwuchs kann mit Wachstumshormonen

behandelt werden. Die Geschlechtsentwick-

lung und der Monatszyklus werden mit einer

Kombination von Östrogen-und Gestagen-

Hormonen eingeleitet.

Betroffene Mädchen und Frauen sind normal

intelligent und führen ein eigenständiges

Leben, zu dem in vielen Fällen auch eine

Partnerschaft gehört. Eine professionelle

Beratung und der Kontakt mit anderen

Betroffenen können helfen, die Diagnose

Ullrich-Turner-Syndrom zu verarbeiten.

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InhaltEditorial

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Was ist das Ullrich-Turner-Syndrom?

Inhalt

Editorial

Danke — Wer wir sind, was wir tun

Neues aus dem Vorstand

Impressionen vom Jahrestreffen

Bunter Kreis Duisburg feiert 10-jähriges Bestehen

Grenzen kennenlernen

Wenn Grenzen übeschritten werden.

Folgen und Hilfsmöglichkeiten nach Traumatisierungen

Mein Leben als Grenzgängerin zwischen Behinderung und Normalität

Grenzen akzeptieren

Grenzen überschreiten

„Und sie dreht sich doch ...“ ein Bericht über eine

Schwangerschaft nach einer Fremdeispende

Mitglieder stellen sich vor

Wie man einen Frieden erlangt

Adressen

Impressum

Veranstaltungskalender

Ute

Angelika Bock

Bettina von Hanffstengel

Antje

Heidi

Katja

Bettina und Peter

Jessica

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Die meisten Menschen machen sich keine

Gedanken über Grenzen, es sei denn, die Gren-

zen sind offensichtlich, zum Beispiel in Form

von Sprachgrenzen, Ländergrenzen, Handicap,

kulturellen Unterschieden, sozialen Barrieren,

struktureller Armut etc. Und wenn sich die Men-

schen Gedanken machen, dann die, wie sie die

Grenzen erweitern können. Höher, schneller,

besser lautet die Devise. Menschen akzeptieren

in der Regel nur sehr schwer die Grenzen, die

ihnen andere Menschen setzen. Dazu müssen

Kinder erst erzogen werden.

Die Autorinnen zeigen auf, wie vielfältig Gren-

zen sind. „Bewegung ist Leben und Bewegung

findet immer in einem bestimmten Raum statt,

der Grenzen hat.“ Ute erläutert uns diese The-

se. Ja, ohne Bewegung gibt es keine Gedanken,

behaupte ich. Bewegung macht kreativ. Wir

setzen uns Ziele, aber selten ein Maß. „Wer

sind die Grenzwächter?“, fragt sich Bettina

von Hanffstengel in ihrem Erfahrungsbericht.

Das Redaktionsteam bedankt sich bei den

Autorinnen ganz herzlich für die interessanten

Erfahrungsberichte.

Das Organisationsteam lädt zum 25-igsten

Jahrestreffen nach Berlin ein. Das Jubiläum

wird groß gefeiert. Wie immer sind auch Nicht-

mitglieder herzlich willkommen. Das Redakti-

onsteam wünscht sich Fotos und Erinnerungen

an die vergangenen Jahrestreffen. Nähere

Informationen lesen Sie dazu im Vorstandsbe-

richt und im Veranstaltungskalender.

Grenzen

Das nächste Schwerpunktthema beschäftigt

sich mit folgenden Fragen „Was hat die Turner-

Syndrom-Vereinigung Deutschland in meinem

Leben verändert? Welche Erlebnisse verbin-

den mich mit dem Verein? Was gefiel mir bei

den Jahrestreffen besonders oder was möchte

ich kritisieren? Was haben die Begegnungen

mit Vereinskollegen und -kolleginnen bei mir

verändert?

Das Redaktionsteam freut sich wie immer über

Leserbriefe. Der Redaktionsschluss ist der 25.

März 2013. Bitte senden Sie Ihre Beiträge und

Fotos an Marlis Stempel, Böhmer Straße 4,

47249 Duisburg.

Mit herzlichen Grüßen

Marlis Stempel

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Danke Der Vorstand informiert

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Wir danken allen Spendern, die uns mit ihrer

Spende die Fortführung unserer Projekte

ermöglicht haben.

es spendeten neben Privatpersonen

folgende Firmen:

Merck Serono GmbH

BSN-Jobst GmbH

Ipsen Pharma GmbH

für tatkräftige Hilfe!

Das Korrekturlesen besorgte Bettina von Hanffstengel.

Das Frauentreffen 2012 wird von der Regionalgruppe

Rhein-Main organisiert, DANKE!

Berichtszeit: Mai bis September 2012

an Förderer

Techniker Krankenkasse

GKV-Gemeinschaftsförderung

DAK

KKH-Allianz

AOK Bundesverband

GKV Hessen

an Spender

Im vergangenen halben Jahr haben wir im

Vorstand vor allem an folgenden Themen

gearbeitet: das 25jährige Vereinsjubiläum,

die Öffentlichkeitsarbeit, das CD-Projekt und

die Vorbereitung der Regionalgruppenleiter-

tagung.

Die Juibiläen 2013 in Berlin

Das 25. Jahrestreffen 2013 findet im Hotel Chri-

stophorus Johannesstift Berlin-Spandau statt.

Wir wollen zum Jubiläum Ehrengäste einladen

und haben schon eine Gästeliste erstellt. Der

Entwurf der Einladung ist auch schon vorbe-

reitet. Es sollen noch Sponsoren gewonnen

werden. Die Themen der Podiumsdiskussionen

sollen lauten:

1. Das Ullrich-Turner-Syndrom im Wandel der

Zeit: Medizinischer Fortschritt und Umgang mit

der Diagnose

2. Pränataldiagnostik: Neue Erkenntnisse aus

der medizinischen Forschung

Das 20. Frauentreffen wird in Elstal in der Nähe

von Berlin-Spandau stattfinden.

Öffentlichkeitsarbeit

Das Team Öffentlichkeitsarbeit hat es sich

zum Ziel gesetzt, gegen die Abtreibungsra-

te beim Ullrich-Turner-Syndrom anzugehen.

Leider werden uns bei der Öffentlichkeitsar-

beit Steine in den Weg gelegt. Bei wichtigen

Kongressen erheben die Veranstalter seit

diesem Jahr Standgebühren. Der Vorstand

diskutiert derzeit, wie hier weiter vorgegan-

gen werden soll. Der 1. Schritt soll ein Protest-

schreiben an die ausrichtende Organisation

sein. Ferner möchten wir mit Frau Dr. med.

Astrid Bühren besprechen, inwieweit sie bei

den Veranstaltern Einfluss hat. Wir halten Sie

zu dem Thema hohe Standgebühr und Kon-

gressteilnahme auf dem Laufenden.

CD-Projekt

Leider geht der Verkauf unserer CD weiterhin

nur schleppend voran. Ich möchte deshalb

alle Mitglieder bitten, in ihrem Umfeld noch

Werbung hierfür zu machen. Wir finden, die CD

ist durchaus sehr professionell gemacht und

hörenswert! Wir werden uns darum kümmern,

dass eine Hörprobe ins Internet gestellt wird,

damit Interessierte einen Eindruck gewinnen

können. Wir werden einen gesonderten Flyer

für die CD fertigen.

Regionalleitertagung

Der Vorstand hat beschlossen, die Regional-

gruppen mit Merchandisingartikeln und Mini-

Rollups auszustatten. Von den Rollups werden

zunächst 10 Stück angeschafft, so dass noch

nicht jede Regionalgruppe einen bekommen

kann. Beim nächsten Regionalleitertreffen

sollen die Artikel (Schlüsselbänder, Kulis und

so weiter) vorgestellt werden.

Thema der nächsten Regionalleitertagung

wird der Aus- und Aufbau einer Regionalgrup-

pe sein. Hier soll diesmal mehr Raum für den

Austausch der Regionalgruppenleiter sein.

Außerdem wird der Vorstand für Fragen zur

Verfügung stehen, um die Kommunikation

zwischen Regionalleitern und Vorstand zu opti-

mieren. Die Regionalleitertagung findet in der

Jugendherberge Bonn Venusberg vom 1. bis 3.

Februar 2013 statt.

Es ist uns wichtig, dass die Regionalgruppen

vor Ort zu den Unikliniken oder sonstigen

kompetenten Ansprechpartnern Kontakte pfle-

gen, damit unser Verein an Bekanntheitsgrad

gewinnt. Da wir dies als Vorstand nicht in ganz

Deutschland leisten können, sind wird hier auf

die Hilfe der Regionalgruppen angewiesen.

Hierfür möchte der Vorstand den Regional-

gruppen aktuelle Adressen zur Verfügung

stellen.

Webseite

Der Satz „Auch wenn der Lebensweg mit dem

Ullrich-Turner-Syndrom manchmal mit Hin-

dernissen verbunden ist, so macht es diesen

zu etwas ganz Besonderem und ist durchaus

lebenswert.“ wurde in die Webseite eingefügt.

Mit freundlichen Grüßen

i. A. Kerstin Subtil

Vorstand

Turner-Syndrom-Vereinigung Deutschland e. V.

Ein Dank geht an visuelle kommunikation lisa eppinger für die

Beratung bei den „ullrich-turner-syndrom-nachrichten“

Krefelder Straße 32, 47226 Duisburg

Wir danken Alois Reifenschneider für seinen Einsatz als Webmaster

Wer wir sind, was wir tun

Die Turner-Syndrom-Vereinigung Deutschland

hat es sich zur Aufgabe gemacht, betrof-

fenen Mädchen, Frauen und Schwangeren, die

von der Diagnose erfahren haben, zu helfen.

Durch Erfahrungsaustausch und Aufklärung

machen wir Schwan geren Mut, das Kind

mit Ullrich-Turner-Syndrom auszutragen. Wir

geben dem Krankheitsbild ein Gesicht. Wir

wollen Vorurteile ab bauen, Informationslü-

cken schließen und das öffentliche Interesse

wecken. Das Ullrich-Turner-Syndrom darf nicht

länger ein Ab treibungsgrund sein. Wir finden,

dass wir als Betrof fene sehr gut mit dem

Ullrich-Turner-Syndrom leben können.

Wir sind eine gemeinnützige, ehrenamtlich

tätige Selbst hilfeorganisation. Wir fi nan zieren

uns ausschließlich über Spenden und Mitglieds-

beiträge.

Wofür benötigen wir Ihre Spenden und

Mitgliedsbeiträge?

• Das Informations- und Beratungstelefon und

die Organisation der Jahrestreffen werden

ehrenamtlich geleitet.

• Wir bieten die „ullrich-turner-syndrom-

nachrichten“ auf unserer Webseite http://www.

turner-syndrom.de/info-uts/uts-nachrichten

.html zum Herunterladen an. Der Druck der

„ullrich-turner-syndrom-nachrichten“ und die

Portokosten sind ein erheblicher Kostenfaktor.

• Wir bieten einmal im Jahr ein Frauentreffen,

ein Mädchentreffen und ein Gesamttreffen an.

• Die Regionalgruppen können auch von Frauen

besucht werden, die keinen Mitgliedsbeitrag

bezahlen können.

• Die Teilnehmerinnen der Jahrestreffen, die

sich das Treffen nicht leisten könnten, bekom-

men einen Zuschuss zum Treffen.

• Die Referenten und Referentinnen der Jahres-

treffen bekommen ein Honorar.

• Die Tagungshäuser müssen bezahlt werden.

• Projekte wie beispielsweise das Mädchentref-

fen und die CD wollen finanziert sein.

Das alles ist nur mit Hilfe Ihrer Mitgliedsbeiträ-

ge und Spenden möglich. Deswegen freuen wir

uns, wenn Sie unsere Arbeit durch Spenden

und Mitgliedsbeiträge unterstützen. Unsere

Kontakt adres sen finden Sie auf der Seite 30

und im Impressum auf Seite 31. Der Vorstand

und die RegionalleiterInnen beantworten ger-

ne Ihre Fragen zur Mitgliedschaft.

Neues aus dem Vorstand

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aktuell

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Impressionen vom Jahrestreffen

Eine Gruppe im Workshop von

Elke Müller-Seelig

Ingrid und Gabi freuen sich über die rege

Teilnahme beim Jahrestreffen

Dr. med. Lennart Dübener bei seinem

Referat über “Herz und Aneurysma”

Maud und Gabi, das nette Empfangskomitee

Elke Giese und Elke Müller-Seelig

sind schon lange als Referentinnen

auf unseren Jahrestreffen

Die beiden Sandras und Kerstin fühlen sich auf dem Jahrestreffen wohl

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aktuell

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Vor 10 Jahren gründete sich der Bunte Kreis

Duisburg e. V. aus einem Arbeitskreis zur Ver-

besserung der Betreuung von Frühgeborenen.

Ziel des gemeinnützigen Vereins war insbe-

sondere die Überwindung organisatorischer

Mängel an der Schnittstelle zwischen Kranken-

haus und ambulanter Versorgung. Außerdem

hatte man erkannt, wie elementar wichtig der

frühzeitige Beginn einer professionellen Förde-

rung kranker, behinderter und frühgeborener

Kinder für ihre bestmögliche Entwicklung ist.

Die kompetente Unterstützung des Bunten

Kreises erhöht langfristig die Kompetenz der

Eltern, ihr Kind zu pflegen und zu versorgen.

Das Bewusstsein, der Situation nicht allein aus-

geliefert zu sein, erleichtert betroffene Eltern

und schafft eine entspanntere Atmosphäre

zuhause. Durch eine engmaschige Begleitung

durch die Mitarbeiter des Bunten Kreises kann

zusätzlich ein potentielles Misshandlungsrisiko

verringert werden.

Von einem anfangs rein durch Spenden getra-

genen Verein hat sich der Bunte Kreis Duis-

burg zu einer Organisation entwickelt, deren

Leistungen im Diagnosekatalog der meisten

Krankenkassen anerkannt sind. Allerdings gibt

es eine Reihe von Zusatzleistungen, die nicht

erstattet werden, die aber für die Familien von

großer Bedeutung sind. Dazu gehören zum

Beispiel Trauerbegleitung und Geschwisterpro-

gramme. Dafür und für die selbstverständliche

Übernahme von Patienten, die keine Erstattung

bekommen sind auch heute noch Spenden not-

wendig. Dieser Posten macht immerhin fast die

Hälfte der Kosten aus! Wir freuen uns deshalb

über jede finanzielle Unterstützung, um den

kranken Kindern und Ihren Familien zuverlässig

helfen zu können.

Der Bunte Kreis Duisburg wird heute unter

wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt und

verbessert durch die gute Zusammenarbeit

mit allen Kinder betreuenden Organisationen

städtischer und privater Träger das Kinde-

rnetzwerk in Duisburg und Umgebung. Die

gut ausgebildeten und erfahrenen Mitarbeite-

rinnen des Bunten Kreises beraten nicht nur die

Eltern der Patienten, sondern auch Ärzte und

Angestellte anderer Träger auf dem Gebiet der

sozialmedizinischen Nachsorge. Eine umfang-

reiche Öffentlichkeitsarbeit sorgt für hilfreiche

Informationen für bedürftige Familien über

die Möglichkeiten einer sozial-medizinischen

Unterstützung und für die Bekanntmachung

der wichtigen Arbeit des Bunten Kreises in

der Gesellschaft. Wir bedanken uns ganz herz-

lich bei allen unterstützenden Therapeuten,

Kliniken und Kinderärzten und ehrenamtlich

Tätigen!

Wir freuen uns über Ihr Interesse

Dr. Gabriele Weber (1. Vorsitzende)

Für weitere Informationen steht Ihnen gerne

Frau Dr. Susanne von Roehl (Öffentlichkeitsar-

beit) unter der Telefonnummer 01787771616 zu

Verfügung. Oder Sie besuchen unsere Websei-

te www.bunter-kreis-duisburg.de

Der „Bunte Kreis Duisburg e. V. Niederrhein

und Westliches Ruhrgebiet“ feierte am 1. Sep-

tember sein 10-jähriges Bestehen und hatte

alle Freunde und Förderer zu einer Vortrags-

veranstaltung „Pädiatrie in guter Nachbar-

schaft“ eingeladen. Als Mitglied des „Bunten

Kreises“ durfte ich exzellenten Vorträgen von

Kinderärzten, Therapeuten und einem Eltern-

paar lauschen. Mich interessierte besonders

der Vortrag über späte Frühgeborene ab

der 34. Schwangerschaftswoche und den

Problemen, die auftreten können. Es wurden

von Dr. med. Peter Seiffert, dem Chefarzt der

Kinderklinik des HELIOS Klinikums Duisburg,

Studien vorgestellt, um aufzuzeigen, welche

Probleme die „späten Frühgeborenen“ haben

können. Mir wurde klar, wie sehr die pädiat-

rische Medizin sich dank engagierter Medizi-

nerInnen und TherapeutInnen entwickelt hat

und wie gleichzeitig viele schwere seltene

Erkrankungen noch nicht therapiert werden

können. Interdisziplinäre Vernetzung ist das

Schlagwort auf diesem Kongress.

Die Eltern machen sich auf einen langen Weg

auf der Suche nach einer Diagnose und einer

entsprechenden Therapie für ihre Kinder.

Eltern und Kinder brauchen eine professio-

nelle Begleitung nach einem Aufenthalt auf

der Intensivstation der Kinderklinik. Das lei-

stet der Bunte Kreis Duisburg mit den „Case

Managerinnen“, die einen ganzheitlichen,

interdiszipläneren Blick auf die Famlie haben.

Veronika Breer berichtete von ihrer Arbeit als

Case Managerin beim Bunten Kreis. Es freut

sie immer wieder, wenn die Familien durch

die Nachsorge wieder selbstbewusst auf ihre

eigenen Kräfte vertrauen und Sicherheit im

Umgang mit der Erkrankung ihres Kindes

gewinnen.

In der begleitenden Fotoausstellung „Mit

anderen Augen sehen“ sah ich beeindru-

ckende Bilder von ganz entspannten Kindern.

Happy Birthday, Bunter Kreis Duisburg! Von Marlis Stempel

Die Fotografen Walter Nork, Dr. Leopold Pichl-

maier und Patrick Wang zeigen einen sensiblen

und einfühlsamen Blick auf die Kinder.

Ich durfte dankenswerterweise Informati-

onsmaterial der Turner-Syndrom-Vereinigung

Deutschland auslegen und kam bei einem aus-

gezeichneten Essen des Vereins „Immersatt“

ins Gespräch mit Fachleuten, die mit dem Bun-

ten Kreis Duisburg zusammenarbeiten. Für

den Bunten Kreis Duisburg sind zur Zeit 5 Case

Managerinnen tätig. Im Qualitätsverbund Bun-

ter Kreis sind 39 Organisationen angeschlos-

sen, die nach dem Modell des Bunten Kreises

arbeiten. Weitere Informationen finden Sie auf

der Webseite des Bunten Kreises Deutschland

www.bunter-kreis-deutschland.de

Die neue Webseite des Bunten Kreises Duis-

burg ist im Rahmen eines Praxisprojekts von

Studierenden der Universität Duisburg-Essen

am Lehrstuhl für Medien und Kommunikation

im Fachgebiet Sozialpsychologie auf wissen-

schaftlicher Grundlage konzipiert und umge-

setzt worden. Eine Interaktion mit Eltern und

Fachleuten ist auf der Webseite leichter mög-

lich. Zum ersten Mal gibt es die Möglichkeit, mit

Bannern auf der eigenen Webseite für den Bun-

ten Kreis zu werben. Sie können dem Bunten

Kreis Duisburg auch einen Besuch bei Facebook

abstatten, damit der Bunte Kreis Duisburg Sie

direkt auf Ihrer Pinnwand über die neusten Ent-

wicklungen auf dem Laufenden halten kann.

Siehe www.bunter-kreis-duisburg.de

Die Veranstaltung hat mir sehr gefallen, weil

ich mit interessanten Leuten in Kontakt gekom-

men bin und weil ich gespickt mit Informatio-

nen nach Hause gehen durfte. Diese Veran-

staltung war eine Auftaktveranstaltung für

das Jubiläumsjahr zum 10-jährigen Bestehen,

weitere Veranstaltungen werden folgen, zum

Beispiel ein Frühlingsfest für Kinder und eine

Tombola. Im folgenden ist eine Hintergrund-

information des Bunten Kreises Duisburg

abgedruckt.

Helin

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Grenzen

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Dies ist ein Thema, das mich schon lange

beschäftigt. Berichten möchte ich aus einem

Schatz von 50 Jahren Lebenserfahrung und 25

Jahren Berufserfahrung als Physiotherapeu-

tin. Als diese werde ich mit den anatomischen

Grenzen unseres Körpers beginnen, denn Kör-

per, Geist und Seele sind eine Einheit (Andrew

Taylor Still, Begründer der Osteopathie). Ange-

fangen hat alles mit der Verschmelzung von

Ei und Samenzelle, zwei Zellen, die durch eine

Membrane begrenzt sind. Bei der Verschmel-

zung kommt es schon zur ersten Grenzüber-

schreitung. Erst jetzt kann Leben entstehen.

Weiter geht es mit dem Wachstum im Mutter-

leib. Mutter und Kind sind zwei eigenständige

Wesen, begrenzt durch die Fruchtblase und die

Haut, aber durch die Nabelschnur ganz intensiv

miteinander verbunden und im Austausch. Das

Kind selbst erfährt durch die Bewegungen im

Mutterleib schon die ersten Begrenzungen sei-

nes Körpers. Ganz intensiv erfahren wird diese

Begrenzung während des Geburtsvorganges

beim Winden durch den Geburtskanal.

Ich möchte an dieser Stelle festhalten: Gren-

zen und Grenzüberschreitungen gehören zum

Leben! Das Leben selbst ist begrenzt! Grenzen

sind flexibel und passen sich den jeweiligen

Bedingungen je nach Entwicklungsstand und

Umwelteinfluss an. Grenzen sind Barrieren, die

den Menschen erst zu einer eigenständigen

Persönlichkeit werden lassen, aber sie müssen

auch die Möglichkeit zur Durchlässigkeit für

alles, was der Körper braucht, bieten.

Die Entwicklung geht weiter. Das Kind lernt

seinen Körper und seine Grenzen durch

Bewegung kennen. Es erfährt, wie sich seine

Grenzen erweitern, wie es immer mehr kann.

Natürlich bleibt es nicht aus, auch einmal

seine Grenzen zu spüren. Blaue Flecken oder

ein aufgeschlagenes Knie gehören dazu und

sind als Lernerfahrung für die physische und

psychische Reifung wichtig. Diese Phase lehrt

uns Folgendes: Bewegung ist Leben und Bewe-

gung findet immer in einem bestimmten Raum

statt, der Grenzen hat. So haben jede Zelle,

Grenzen kennenlernen Von Ute

jedes Organ, jeder Mensch ihren eigenen Bewe-

gungsraum. Wenn ich meinen Körper und seine

Grenzen in der Kindheit gut kennenlerne, dann

werde ich als Erwachsener eine positive und

realistische Einstellung zu meinen Körper mit

seinen Fähigkeiten haben und Grenzen besser

akzeptieren können. „Man kann einen Men-

schen nichts lehren, man kann ihm nur helfen,

es in sich selbst zu entdecken.“ Diesen Worten

von Galileo Galilei kann ich nur zustimmen.

Es ist wunderschön zu erleben, wie ein schüch-

ternes, ängstliches Kind plötzlich selbstbe-

wusst und voller Vertrauen die Welt erkundet,

nachdem es die notwendigen positiven Erfah-

rungen gesammelt hat. Eltern kann ich deshalb

sagen: „Liebe, Vertrauen und guter Kontakt

zum Kind sind die besten Werkzeuge, um ein

Kind zu unterstützen. Dann werden sie wissen,

was ihr Kind braucht und die richtigen Entschei-

dungen treffen. Angst, etwas falsch zu machen

oder die Angst, etwas zu verpassen sind eher

hinderlich und begrenzen die Möglichkeiten

von Eltern und Kind.“

Manchmal ist das Kind jedoch so in seinen

Bewegungsgrenzen gefangen, dass es diese

nicht alleine überwinden kann und Hilfe benö-

tigt. Dafür braucht es jedoch die Unterstüt-

zung aller Beteiligten. Zuerst das Kind, das

sich auf die Therapie einlassen muss, dann

die Eltern, die dem Kind die nötige Sicherheit

geben können: „Wir schaffen das zusammen!“

und die Therapeuten, die mit Kind und Eltern

die Übungen erarbeiten und Sicherheit und

Vertrauen ausstrahlen müssen. Das Ziel ist

nicht, „Schwächen auszubügeln“, sondern die

Grenzen des Kindes zu erweitern und neue

Bewegungsräume zu schaffen, damit es seine

Möglichkeiten später ausschöpfen kann.

Wenn ich mich an meine Kindheit erinnere,

dann daran, dass wir als Kinder viel zusammen

im Freien herumtobten und wir bei „Versteck

spielen“, „Gummitwist“, „Fußball“ und so wei-

ter unsere Fähigkeiten erprobten und übten.

Später war das Spiel in der Vereinsmannschaft

Grenzen können „Wegweiser“ sein. Sie können unser Leben in eine bestimmte Rich-

tung lenken. Wenn ich meine Grenzen und die Grenzen meiner Mitmenschen nicht als

etwas Feindliches, Lästiges sehe, das mein Leben behindert, sondern als eine Sache,

die mich zum Nachdenken zwingt, dann bereichern sie sogar mein Leben. Sie zeigen

mir meinen Raum und den meiner Mitmenschen. Wer nie an seine Grenzen geht, dem

entgehen somit wertvolle Erfahrungen. “

Manchmal ist das Kind jedoch so in seinen Bewegungsgrenzen gefangen, dass es diese nicht alleine

überwinden kann und Hilfe benötigt. Dafür braucht es jedoch die Unterstützung aller Beteiligten.

Zuerst das Kind, das sich auf die Therapie einlassen muss, dann die Eltern, die dem Kind die nötige

Sicherheit geben können: „Wir schaffen das zusammen!“ und die Therapeuten, die mit Kind und

Eltern die Übungen erarbeiten und Sicherheit und Vertrauen ausstrahlen müssen. Das Ziel ist nicht,

„Schwächen auszubügeln“, sondern die Grenzen des Kindes zu erweitern und neue Bewegungsräume

zu schaffen, damit es seine Möglichkeiten später ausschöpfen kann.

Ein Foto fehlt in der Internetversion

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Grenzen

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eine Sache, bei der ich in allen Bereichen viel

lernte. So konnte ich, als ich mit 11 Jahren die

Diagnose Turner-Syndrom erhielt, nicht alles,

was ich in Sachbüchern las, mit mir in Verbin-

dung bringen, denn ich hatte ja meinen Körper

und seine Grenzen als Kind intensiv kennen

gelernt. Auch bei der Berufswahl war das

Turner-Syndrom nie ein Thema. Da es damals

schwierig war, einen Ausbildungsplatz als Phy-

siotherapeutin zu bekommen, musste ich den

Umweg über eine Gymnastiklehrerausbildung

machen, bis ich schließlich doch einen Ausbil-

dungsplatz erhielt. So kann ich feststellen:

• Wenn es äußere Hindernisse gibt, dann nicht

sofort aufgeben, sondern weiter probieren.

• Wenn eine Sache doch nicht klappt, nicht

verzweifeln, denn es gibt immer eine Sache, die

genau so interessant ist.

Beim Thema Grenzen kommt mir ein Bild, das

folgendermaßen aussieht: Auf meinem Weg

komme ich plötzlich zu einer Mauer, hinter die-

ser ist mein eigentliches Ziel. Was kann ich tun?

• Ich kann so enttäuscht sein, dass ich resignie-

re, mich hinsetze und nicht mehr weiter gehe.

• Ich kann versuchen, über die Mauer zu klet-

tern, um zu meinem Ziel zu kommen. Da kann

es natürlich vorkommen, dass ich mehrere

Anläufe brauche, um es zu schaffen mit dem

Risiko am Ende doch nicht darüber zu kommen.

• Ich kann meinen Weg ändern, abbiegen,

vielleicht gibt es ja irgendwo einen Durchlass

oder ich ändere auf diesem Weg mein Ziel und

komme an einen anderen schönen Ort.

Im Grunde genommen habe ich immer die

Wahl, wie ich mit meinen Grenzen umgehe. Bei

dem beschriebenen Bild wird erwähnt, dass es

möglich ist, Grenzen zu überschreiten, über die

Mauer zu kommen. Dies konnte ich sowohl bei

mir erfahren, als auch bei meiner Arbeit, wenn

Patienten sich so positiv entwickelten, wie

es aus medizinischer Sicht nicht für möglich

gehalten wurde.

Was ist nötig, um Grenzen zu überschreiten?

Dazu zähle ich: Geduld mit sich selbst, lang-

sames Vortasten an die Grenzen, üben und vor

allem Motivation, der innige Wunsch, etwas

zu erreichen. Manchmal müssen wir unsere

Grenzen aber auch ungewollt überschreiten.

Ich erinnere mich an Stresszeiten, wo meine

Grenze definitiv überschritten wurde und ich

nur noch irgendwie durchkam. Für mich war

das wie ein Tunnel und ich kam erst später

wieder zu mir. In solch einer Situation helfen:

es sich und anderen zuzugeben, dass die eigene

Grenze erreicht ist, eine tiefe Überzeugung,

dass es wieder anders wird, gute Freunde und

Familienmitglieder, die Mut machen oder fach-

liche Hilfe.

Grenzen können „Wegweiser“ sein. Sie kön-

nen unser Leben in eine bestimmte Richtung

lenken. Wenn ich meine Grenzen und die

Grenzen meiner Mitmenschen nicht als etwas

Feindliches, Lästiges sehe, das mein Leben

behindert, sondern als eine Sache, die mich

zum Nachdenken zwingt, dann bereichern sie

sogar mein Leben. Sie zeigen mir meinen Raum

und den meiner Mitmenschen. Wer nie an seine

Grenzen geht, dem entgehen somit wertvolle

Erfahrungen.

Fazit eins: Es fällt leichter, seine Grenzen zu

akzeptieren, wenn man seinen Körper mit all

seinen Stärken und Schwächen kennt und sei-

ne Stärken weiter entwickelt. Welche Grenzen

sind am schwierigsten zu überwinden? Für

mich sind das definitiv die Grenzen, die ich mir

selbst in meinem eigenen Kopf gesetzt habe

— aus welchem Grund auch immer. Jeder erin-

nert sich vielleicht an unbewusste Sätze wie:

„Das schaffe ich nicht!“ „Das geht bestimmt

schief!“ „Die mögen mich doch nicht!“ Da die

Innenwelt nach außen projiziert wird, werden

diese Sätze sich selbst bestätigen. Genau die-

sen Punkt hat in der letzten Ausgabe Barbara

Platzek angesprochen, wenn sie schreibt: „Mir

ist schon mehrfach bestätigt worden, dass

meine geringe Größe im Miteinander gar nicht

mehr auffällt.“ Das Wort Miteinander möchte

ich hervorheben, denn es sagt aus, dass in

diesem Moment keine Unterschiede bestehen.

Wenn ich mich klein fühle, dann werde ich von

Wann ist es für mich einfacher, meine eigenen

Grenzen zu akzeptieren? Es ist für mich ein-

facher, meine Grenzen zu akzeptieren, wenn

ich vorher meine Fähigkeiten ausgelotet habe.

Wenn ich weiß, was ich kann, dann ist es ein-

facher, Schwächen zu akzeptieren. Dann kann

ich an meinen Stärken arbeiten und muss nicht

an meinen Grenzen verzagen. Dies wurde mir

bewusst, als der Kursleiter uns während einer

Fortbildung den Rat gab: „Haltet euch nicht

bei euren Schwächen auf!“ Mir wurde bewusst,

dass es wichtig ist, an seinen Grenzen zu arbe-

iten, dass es aber unvernünftig ist, darüber

seine Stärken zu vergessen und diese brach

liegen zu lassen.

anderen auch so wahrgenommen. Wenn ich

mich selbstsicher und innerlich groß fühle,

dann werde ich von meinem Gegenüber auch

so gesehen und die äußere Statur spielt keine

Rolle. Es nützt auch nichts, nach außen Stärke

zu demonstrieren. Der andere wird unbewusst

die eigene Unsicherheit spüren. Ich selbst wer-

de viel Energie dafür aufbringen müssen, den

äußeren Schein aufrecht zu erhalten. In diesem

Moment mache ich meine Grenzen zu, um mein

Innenleben nicht preiszugeben.

Fazit zwei: Es ist wichtig — wenn auch nicht

einfach — an seinen selbst gesetzten Grenzen

zu arbeiten! Es ist außerdem wichtig, sich über

die Gefühle seiner Innenwelt bewusst zu sein.

Mein letzter Punkt führt mich wieder zurück

zum Anfang, zur Zelle, die immer wieder vor

der Aufgabe steht: „Was ist gut und wichtig

für mich, so dass ich es aufnehmen kann und

muss?“ „Was tut mir nicht gut und ist schädlich,

so dass ich mich verschließen muss?“, „Was

muss ich wieder abgeben (Abfallstoffe)?“ Ana-

log dazu: „Wenn die Grenzen zu fest sind, werde

ich wertvolle Beziehungen und Erfahrungen

nicht zulassen. Wenn die Grenzen zu offen sind,

werde ich etwas von meiner Persönlichkeit

verlieren.“ Manchmal ist diese Entscheidung

von Zulassen oder Abgrenzen gar nicht so

einfach, da nicht gleich offensichtlich ist, was

passieren wird. Ich habe festgestellt, dass der

Körper im tiefsten Innern selbst weiß, was gut

für ihn ist. Voraussetzung ist, seinen Körper zu

kennen und ihn positiv zu sehen. Dann werde

ich innere Sicherheit haben, werde sensibel

für die Bedürfnisse und Zeichen meines Kör-

pers sein. Wenn ich jetzt vertrauensvoll in ihn

hineinhorche, werde ich die richtige Antwort

finden. Laden wir deshalb unseren Körper

ein, Liebe, Freude, schöne Erlebnisse intensiv

wahrzunehmen, hineinzulassen und Gefühle

wie Wut, Angst, Enttäuschung, Trauer und so

weiter auch wieder loszulassen. Der Körper

wird es uns danken, er wird stärker werden und

seine Grenzen erweitern können!

Ute

Physiotherapeutin, Cranio-Sacral-Therapeutin,

Viszeral-Therapeutin, Vojta-Thera-

peutin, Bobath-Therapeutin

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Grenzen

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Da ich leider nicht nur in meiner täglichen Arbeit

in einer Klinik, sondern auch am Beratungstelefon

immer wieder mit Menschen spreche, deren Grenzen

sehr gewaltsam und oft auch sehr früh überschritten

wurden, möchte ich gerne etwas zu häufigen Folgen

und Therapiemöglichkeiten sagen. Wir sprechen hier

von Traumatisierungen und Gewalt, nicht von kleinen

Unfreundlichkeiten oder Unhöflichkeiten. Ich werde

mich hier eher auf Frauen als Opfer konzentrieren,

wobei es natürlich auch weibliche Täter und männ-

liche Opfer gibt. Ich habe eine Zusatzausbildung

zum Thema Trauma-Therapie gemacht und traue

mir daher zu, fachlich etwas dazu zu sagen. Leider

geschieht sexuelle Gewalt gegen Kinder häufiger

als wir denken und wahrhaben mögen — allerdings

ist hier sicher die Dunkelziffer sehr hoch: In Studien

sind Häufigkeiten zwischen 9 und 25 Prozent bei

Mädchen vor dem 16. Lebensjahr je nach Definition

und Erhebungsmethode gefunden worden. Häus-

liche Gewalt erlebt nach Umfragen bis zu jede vierte

Frau, zehn Prozent wiederholt und in hohem Ausmaß.

Jede Frau kann also wissen, dass sie mit diesem

Problem nicht allein ist und dass es Hilfe gibt: Der

Opferschutzverband Weisser Ring etwa, die auch

zu Gerichtsverhandlungen begleiten und auch bei

finanziellen Problemen unterstützen. Und natürlich

bei psychischen Folgestörungen spezifische Trauma-

Therapie. Das heißt, wenn jemand unter den Folgen

von Gewalt leidet, ist es sinnvoll, eine gezielte The-

rapie beziehungsweise einen Therapeuten mit einer

Spezialausbildung zu suchen.

Was kann ein Trauma beziehungsweise

eine traumatische Erfahrung sein?

Die schlimmsten Folgen haben Traumata, die Men-

schen anderen Menschen zufügen — also Gewalt

durch andere Menschen oder Zeuge solcher Gewalt

zu werden. Aber auch Unfälle oder Naturkatastro-

phen, lebensbedrohliche Erkrankungen. Vernachläs-

sigung in der Kindheit, Verluste im Kindesalter, auch

medizinisch notwendige Eingriffe. Zur Definition

gehört, dass die Erfahrung existentiell bedrohlich

ist und die Bewältigungsmöglichkeiten des Einzel-

nen überfordert. Heute wird auch die Summe vieler

kleinerer bedrohlicher Erfahrungen als potentiell

traumatisch gesehen.

Was ist eine posttraumatische

Belastungsstörung?

Als normale Reaktion auf ein unnormales Ereignis

gelten folgende Symptome:

• Starke Angst bis zu Panikstörungen

• Gefühle von Ohnmacht

• Schlafstörungen

• Immer wiederkehrende „Erinnerungsblitze“ an das

Ereignis

Wenn Grenzen überschritten werden — Folgen und Hilfsmöglichkeiten nach Traumatisierungen Von Diplom-Psychologin Angelika Bock

• Plötzliches Wiedererleben des Ereignisses in „hier

und jetzt“-Qualität

• Belastende Träume

• Vermeiden von allem, was an das traumatische

Ereignis erinnert

• Übererregbarkeit

• Depressionen

• Schmerzen

• Dissoziation (Abspaltung) — wenn ich „abwesend“

und nicht ansprechbar bin, mich innerlich sozusagen

„wegbeame“.

Sollte jemand einige dieser Symptome an sich beo-

bachten, lohnt es sich auf jeden Fall, sich Hilfe zu

holen, wenn diese Symptome nicht innerhalb von

drei Monaten nach dem Ereignis abgeklungen sind.

Unsere Seele oder Psyche versucht in aller Regel

natürlich, sich so gut es geht selbst zu helfen. Eine

recht große Zahl von Menschen, die ein Trauma

überlebt hat, kommt auch ohne Therapie zurecht.

Aber bei über einem Drittel ist hier professionelle

Hilfe angezeigt und möglich! Auch Jahre nach einem

Trauma kann eine Therapie helfen. Es ist durchaus

möglich, dass Probleme erst viele Jahre nach dem

Trauma auftreten.

Wo finde ich weitere Informtionen und

Therapeuten?

Hier noch einige Hinweise als Hilfe bei der Informa-

tions- und Therapeutensuche. Natürlich können sich

Betroffene auch gerne über die Beratungstelefon-

Nummer an mich wenden. Und natürlich gibt es

über diese ausgewählten Hinweise hinaus noch viele

weitere Bücher und Internetseiten. Ich habe hier

einiges von dem ausgewählt, mit dem ich selbst schon

gearbeitet habe. Mein Anliegen mit diesem Artikel ist

es, denen, die eine Traumatisierung überlebt haben,

zu sagen, dass es Hilfe gibt und dass sie nicht allein

sind. Der Weg aus dem Trauma kann lang sein, aber er

lohnt sich! Wichtig ist, den ersten Schritt zu tun. Dafür

ist es nie zu spät.

Therapeutensuche im Internet

www.emdria.de

www.fifap.de einfach „Traumatherapie“ und die Stadt

eingeben, Trauma-Informationszentrum Konstanz

Literatur

• Fischer, Gottfried: Neue Wege aus dem Trauma. Erste

Hilfe bei schweren seelischen Belastungen, Patmos

• Huber, Michaela: Trauma und die Folgen. Trauma

und die Traumebehandlung Teil 1

Junfermannsche Verlagsbuchhandlung

• Reddemann, Luise: Imagination als heilsame Kraft.

Zur Behandlung von Traumafolgen mit ressourcen-

orientierten Verfahren, Klett-Cotta-Verlag

• Reddemann/Dehner-Rau: Trauma-Folgen erkennen,

überwinden und an ihnen wachsen, Trias– Verlag

Angelika Bock

Mein Anliegen mit diesem Artikel ist es, denen, die eine Traumatisierung überlebt

haben, zu sagen, dass es Hilfe gibt und dass sie nicht allein sind. Der Weg aus dem

Trauma kann lang sein, aber er lohnt sich! Wichtig ist, den ersten Schritt zu tun.

Dafür ist es nie zu spät.

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Grenzen

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Ja, ich weiß, dass das Wort Behinderung für

die meisten von uns ein schwer verdauliches

Wort ist. Viele fühlen sich gar nicht erst ange-

sprochen und manche davon abgestoßen. Wer

gibt schon gerne zu, behindert zu sein? Wer

ist denn gerne behindert in unserer Leistungs-

gesellschaft, in der wir alle nach dem Motto:

„Schneller, weiter, höher!“ leben? Allen Inklu-

sionsbemühungen und -debatten zum Trotz

ist es im Alltag oft nicht leicht zuzugeben, an

Grenzen gestoßen zu sein. Auch mir erging

es jahrzehntelang so und ich hätte alles, aber

auch wirklich alles dafür gegeben, von meinem

Umfeld nicht als behindert wahrgenommen

zu werden, denn Behinderung ist im Alltag

meistens mit Abwertung und Bevormundung

verknüpft.

Die Grenzen zwischen dem Reich der Behinde-

rung und dem der Normalität sind nicht so sta-

bil und sicher, wie die von Landesgrenzen: „Sie

verlassen jetzt das Reich der Normalität und

betreten nun das Reich der Behinderten.“ Zwei

Dinge hat die Grenze zwischen Behinderung

und Normalität mit Landesgrenzen gemein-

sam: Den Korridor dazwischen und die Grenz-

wächter. Grenzwächter nenne ich Personen,

die ungefragt in meinen Raum eindringen und

mich auf meinen Platz verweisen.

Das erste Zusammentreffen mit der Lieb-

sten einer Kurbekanntschaft anlässlich ihrer

Geburtstagsfeier habe ich besonders deutlich

in Erinnerung. Sie, Diplom-Sozialpädagogin

wie ich, fragte mich innerhalb der ersten fünf

Minuten: „Hast du eigentlich einen Schwerbe-

hindertenausweis?“ „Nein, den habe ich nicht,

wozu auch?“, antwortete ich und war sehr

irritiert über dieses unpassende und abson-

derliche Gesprächsthema. Sie aber erklärte

mir haarklein, in allen Einzelheiten, die Vorteile

eines solchen Ausweises. Meine Gegenargu-

Mein Leben als Grenzgängerin zwischen Behinderung

und Normalität Von Bettina von Hanffstengel

Und es gibt ein paar wesentliche Unterschiede

zwischen der Grenze zwischen Behinderung

und Normalität und Landesgrenzen: Die

Grenzen sind fließend. Sie sind abhängig

von der Tagesform und den beteiligten Men-

schen. Manchmal ist es wirklich gleichgültig,

ob ich normal oder behindert bin, weil diese

Definition im Umgang miteinander keine Rolle

spielt. Die Reise zwischen Behinderung und

Normalität kann sehr kurz sein und leider

bestimme nicht ich, wann ich sie antreten und

wo ich ankommen will und wie lange ich dort

bleiben möchte.

Bettina von Hanffstengel

mente ließ sie nicht gelten. Schon war sie in die

Rolle der sachkompetenten Sozialpädagogin

geschlüpft, mir blieb die Rolle als mögliche Kli-

entin. Sie hatte sich als Grenzwächterin betä-

tigt und mir und allen anderen anwesenden

Frauen klar gemacht, dass wir hier nicht auf

einer Ebene miteinander umgehen. Dass es

einen wesentlichen Unterschied zwischen mir

und den anderen Frauen gibt. Und wenn es

nur der ist, ungefragt Ratschläge erteilen zu

dürfen, denn sind Behinderte überhaupt in der

Lage eigene Entscheidungen zu treffen? Sie

verlieren viel zu schnell den Überblick und noch

schlimmer, wollen es gar nicht wahrhaben,

behindert zu sein.

Nun wäre es unehrlich zu behaupten, dass

sich nur Nichtbehinderte als Grenzwächter

betätigen. Auch Behinderten ist es wichtig, die

Grenze zu den trampeligen und unsensiblen

Normalos immer wieder sichtbar zu machen.

Wie konnte ich es als scheinbar nichtbehinder-

te Frau wagen, beim Frauen-Musik-Festival im

Hunsrück das Kompostklo, das ausschließlich

für die behinderten Frauen bestimmt war, zu

benutzen? Zugegeben, es war mir tausendmal

angenehmer als das ständig überlaufende WC

im Toilettenwagen, auch wenn es mit seiner in

alle vier Winde flatternden Zeltplane und dem

Schild, das „besetzt“ oder „frei“ anzeigte, keine

wirkliche Abgeschiedenheit zuließ. Das Kom-

postklo glücklich verlassen habend, begegnete

ich einer Frau, die wohl etwas länger warten

musste und mich fragte: „He, bist du eigentlich

behindert?“ Völlig überrumpelt rechtfertigte

ich mich sogleich: „Ja, und wenn ich gestern

nicht so gut für mich gesorgt hätte, würde ich

heute erbärmlich hinken.“ Ja, ich bin wirklich

gehbehindert, auch wenn ich meistens keine

Gehhilfe brauche.

In meinem Elternhaus galt ich als nicht nicht-

behindert. Diese doppelte Verneinung lässt

keinen Raum für ein „ja“, manchmal auch wenig

Luft zum Atmen, denn die Grenze verlief in mir.

Lebensentscheidungen konnte ich nicht selbst

treffen. Da brauchte ich, wie jede Behinderte,

einen Nichtbehinderten an meiner Seite, der

das für mich tat. Diese Aufgabe übernahm

meistens meine Mutter. Aber bei einem „Nein“

meinerseits, wenn ich mich einer Situation

nicht gewachsen fühlte, gab es kein Pardon.

Dann musste ich die starke Nichbehinderte

herauskehren.

Die auf der anderen Seite des Zaunes, die Leute

jenseits der Grenze, kannte ich noch nicht. Nur

das Gefühl, das sich einstellte, nachdem ich

meine Diagnose erfahren hatte, war deutlich:

Nun bin ich endgültig auf der anderen Seite

des Zaunes gelandet. Einen Zaun, eine Grenze,

die ich wohl schon oft gepürt, aber nie hatte

benennen können.

Aber so einfach war es nun auch wieder nicht.

Ich landete nicht endgültig auf der anderen Sei-

te. Ich habe oft das Gefühl, wie eine Spielfigur

zwischen den beiden Reichen hin- und herge-

schoben zu werden. Ich muss die Spielregeln in

beiden Reichen kennen, sonst bin ich verloren

und ich erkenne einen Grenzwächter, wenn ich

ihn sehe.

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Grenzen

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Es ist ein Thema, das unser Leben durchzieht.

Schon bei der Geburt kommt sicher manche

Mutter an ihre Grenzen. Als Kind teste ich mei-

ne Grenzen aus. Auf dem Weg zum Erwachsen-

werden lerne ich das erste Mal, dass ich an mei-

ne Grenzen komme. Ich muss eigene Grenzen

akzeptieren lernen. Das ist nicht immer einfach.

Ich erfahre aber auch die Grenzen der anderen.

Grenzen erfahren und setzen sagt viel aus,

wie jede/r Einzelne von uns mit Distanz und

Nähe umgeht. Unser Zusammenleben wird von

Distanz und Nähe bestimmt. Nähe bedeutet auf

der einen Seite Geborgenheit, auf der anderen

Seite kann es aber auch Angst machen und

erdrücken.

Wir alle leben in bestimmten Grenzen, die uns

im persönlichen Bereich gesetzt sind bezie-

hungsweise uns von außen vorgegeben wer-

den. So kommt für jeden von uns die Frage:

Wie gehe ich einmal mit Grenzen um und wie

setze ich selbst Grenzen? Fehlende Gesund-

heit, Arbeitslosigkeit, aber auch Arbeitsüber-

lastung, Partnerschaft, sowie Beziehungen

setzen mir persönlich Grenzen. Ich könnte

sicher noch weitere Punkte anführen. Es sollen

hier nur einige Beispiele sein. Gesellschaftliche

Strukturen und Normen setzen von außen

Grenzen, in denen wir uns bewegen müssen.

Sie schaffen die Regeln unseres Zusammen-

lebens und das ist auch gut so. Einfach ist es

sicher nicht, mit Vorurteilen und Stigmata

umzugehen.

Da wären wir schon bei der anderen Seite, näm-

lich dem Setzen von Grenzen. Es ist wichtig und

sinnvoll, Grenzen zu setzen, um Beziehungen

stabil zu gestalten und einen Freiraum für mich

persönlich zu wahren. Die Balance zwischen

Distanz und Nähe ist eine große Herausfor-

derung an uns, damit Beziehungen gelingen

und gelebt werden können. Meine Freiheit hört

da auf, wo die Freiheit des anderen beginnt.

Zum Grenzen setzen gehören Mut und Selbst-

vertrauen, was ich jeder/m Einzelnen von uns

reichlich wünsche. Ich wünsche uns, dass uns

die eigenen Grenzen nicht mutlos machen und

uns gefangen nehmen, dass wir sie akzeptieren

können und damit umgehen lernen. Ich wün-

sche uns Menschen an unserer Seite, die uns

helfen, Grenzen zu überwinden. Ich wünsche

uns Menschen, die uns helfen, mit Grenzer-

fahrungen positiv umzugehen und daran zu

wachsen. Dabei spielen Wertschätzung sowie

Akzeptanz eine große Rolle. Leben ist geben

und nehmen! In diesem Spannungsfeld bewe-

gen wir uns tagtäglich. Es ist ein Prozess, der

nie beendet sein wird, da er jeden Tag neu

gelebt werden muss. Dazu hilft mir mein Glau-

ben, mein Vertrauen in Gott, dass ich in seinen

Händen geborgen bin. In Grenzen leben, zur

Hoffnung berufen! Dies kann ich in der Nach-

folge Jesu leben, die eine feste Beziehung in

meinem Leben ist. Jesus ist Leben und mit

meinem Gott kann ich über Mauern springen!

Gottes Segen wünscht Euch

Eure Antje

Grenzen akzeptieren Von Antje

Antje Angermüller ist Zehlendorfer Diakonieschwes-

ter. Sie arbeitet als Krankenschwester in Berlin.

Grenzen erfahren und setzen sagt viel darüber aus, wie jede/r

Einzelne von uns mit Distanz und Nähe umgeht.“„

Antje

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Grenzen

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Mit 20 Jahren war die Welt ganz aufregend und

alles schien mir möglich! Ich hatte das Studium

begonnen und war in eine andere Stadt gezo-

gen. Alles war auf Anfang. So habe ich die Zeit

damals in Erinnerung.

Und dann drei Monate Asien. Diese Erfahrung

ist mir immer noch sehr präsent und sie war

sehr prägend. Ich durfte eine Sozialarbeiterin

in einem Slum begleiten. Wie spannend war es,

neue Kulturen und andere Menschen kennen zu

lernen! Menschen, die sehr höflich waren und

die das Bedürfnis nach Alleinsein nur verstehen

konnten, wenn man an die Familie schreibt.

Menschen, die aus meiner Sicht in elenden

Umständen lebten und mir erklärten, dass ich

immer eingeladen sei, wenn ich wieder nach

Thailand käme! Das war mir fremd und sehr

anregend zugleich!

Drei Monate sind natürlich eine Zeit, in der

ich auch an die Grenzen meiner Belastbarkeit

gekommen war, zum Beispiel hatte ich Zahn-

schmerzen — und das in einem abgelegenen

Dorf. Es geht lustiger. Aber Lösungen und

Hilfen waren immer zu finden. Das ist mir das

kostbarste aus dieser Zeit, dass ich ein Stück

erwachsener und selbstbewusster zurückkam,

mit neuen Erlebnissen im Gepäck und gestärkt.

Durch das Überschreiten der Ländergrenzen

habe ich auch meine Grenzen gehörig ausge-

testet und erweitert. Ich möchte das nicht

missen und wünsche möglichst vielen Jugend-

lichen die Chance, sich so ganz anders kennen

zu lernen und den Eltern die Gelassenheit und

Zuversicht, das positiv zu begleiten!

Grenzen überschreiten Eine Erfahrung von Heidi

Wie spannend war es, neue Kulturen und andere Menschen

kennen zu lernen! Menschen, die sehr höflich waren und die

das Bedürfnis nach Alleinsein nur verstehen konnten, wenn

man an die Familie schreibt. Menschen, die aus meiner Sicht in

elenden Umständen lebten und mir erklärten, dass ich immer

eingeladen sei, wenn ich wieder nach Thailand käme! Das war

mir fremd und sehr anregend zugleich!

Heidi

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Grenzen

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Wir sind die Schlümpfe von Kai und Katja

Liebe Leserinnen und Leser der ullrich-turner-

syndrom-nachrichten! Letztes Jahr habe ich

von meiner Hochzeit mit meinem Mann Kai

erzählt. Dieses Mal möchte ich von der Zeit

nach Mai 2010 bis heute berichten, denn es hat

sich viel getan, man könnte fast sagen: es hat

sich alles um 180 Grad gedreht. Die UTS-Frauen

mit Kinderwunsch möchte ich ermutigen, auch

ungewöhnliche Schritte zu erwägen und sich

nicht alleine mit der Aussage „UTS-Frauen sind

unfruchtbar” zufrieden zu geben.

Alles fing an, als ich eines abends im Arbeits-

zimmer meinen Mann Kai im Internet forschen

sah, welche Möglichkeiten eine UTS-Frau hat,

um schwanger zu werden. Ich freute mich,

dass wir beide einen Kinderwunsch hatten und

beschloss, von meiner Seite aus alles dafür zu

tun, uns diesen Wunsch zu erfüllen. Bis dahin

hatte ich den Kenntnisstand, dass UTS-Frauen

grundsätzlich unfruchtbar sind, wusste aber,

dass es sich bei mir um eine Mosaikform han-

delt. Kai hatte sich bis dahin näher mit dem

Thema Eizellspende befasst und wir sahen

darin eine Möglichkeit, unseren Kinderwunsch

wahr werden zu lassen. Deshalb beschlossen

wir, meinen Frauenarzt zu befragen, wie er

die Erfolgschancen einschätzt und wie er das

gesundheitliche Risiko sieht.

Dieser ermutigte uns zu diesem Schritt, und

sicherte uns seine engmaschige Überwachung

zu, falls die Eizellspende erfolgreich sein sollte.

Nachdem wir uns für diesen Schritt entschie-

den hatten, ging es weiter mit der Auswahl

einer Klinik und schlussendlich fiel unsere

Wahl auf eine Klinik in Kapstadt, Südafrika,

die recht gute Bewertungen vorweisen konnte

und auf einen deutschen Arzt, der vor circa 25

Jahren aus Deutschland ausgewandert war. Ein

persönliches Vorgespräch war zwar aufgrund

der Entfernung nicht möglich, aber unsere

Fragen konnten wir mailen oder telefonisch

durchgeben. Wir erhielten bald nach der Kon-

taktaufnahme die E-Mail Adresse einer Spen-

derinnenagentur, wo wir uns Kinderfotos und

Lebensläufe der potenziellen Spenderinnen

anschauen konnten. Als auch diese Entschei-

dung getroffen war, brauchten Kai und ich noch

verschiedene Untersuchungen und ich erhielt

einen Medikamentenplan, ab wann ich welche

Tabletten einnehmen muss, um meinen Zyklus

an den der Spenderin anzupassen. Endlich

konnte das Abenteuer beginnen!

Die Eizellspende selber war völlig schmerzfrei,

wir haben uns bei dem Arzt und generell in

der Klinik sehr gut aufgehoben gefühlt, unsere

Fragen wurden kompetent und auch für uns

Laien verständlich beantwortet. Auch mit der

Sauberkeit und Hygiene waren wir vollauf

zufrieden. Zehn Tage nach dem Transfer war

es dann soweit: Ich konnte einen Schwanger-

schafts-Frühtest durchführen, um einen ersten

Hinweis zu erhalten, ob sich die befruchtete

Eizelle eingenistet hat oder nicht.

Ich versuchte meine Enttäuschung nicht so zu

zeigen und plötzlich fiel mir der gute Rat ein,

den ich auch meinen Kundinnen immer mit auf

den Weg gebe, die einen Schwangerschaftstest

kaufen: Dass man am besten die vom Herstel-

ler empfohlenen Ablesezeit einhält, um sicher

zu gehen, dass alle chemischen Reaktionen

stattgefunden haben. Also schaute ich nach

den empfohlenen drei Minuten wieder auf das

Display und traute meinen Augen kaum, als ein

zweiter Streifen im Fenster erschien. Er zeigte

eine Schwangerschaft an! Ich freute mich

unwahrscheinlich, versuchte aber, das positive

Ergebnis als Hinweis zu verstehen und nicht als

endgültige Bestätigung. Aber sowohl der „nor-

male” Schwangerschaftstest, als auch mein

Gynäkologe bestätigten die Schwangerschaft.

Die Schwangerschaft verlief normal und bald

stellte sich auch eine morgendliche Übelkeit

ein. Als ich mich eines morgens übergeben

musste und ein bisschen Blut mit darin enthal-

ten war, wollte ich sicherheitshalber meinen

Gynäkologen befragen. Dieser kicherte bei der

Ultraschall-Untersuchung und verkündete die

frohe Botschaft, dass er zwei Fruchthüllen sieht

und dass es sich um eine Zwillingsschwanger-

schaft handelt. Nach ca. vier Wochen Morgen-

übelkeit verlief der Rest der Schwangerschaft

völlig ohne Komplikationen bis zum 8. Juni

morgens, als ich krampfartige Durchfälle erlitt,

und überlegte, mich auf Wehen im Kranken-

haus untersuchen zu lassen. Da aber im Laufe

des Tages keine weiteren Durchfälle auftraten,

„Und sie dreht sich doch ...“ Ein Erfahrungsbericht zur Fremdeispende von Katja

hatte ich die Krämpfe fast schon vergessen,

bis dann abends sturzbachartig Durchfall und

Schmerzen erschienen. Durch eine kompetente

Behandlung und professionelle Untersuchung

wurde eine Schwangerschaftsvergiftung fest-

gestellt. Das erforderte schnelles Handeln,

sprich Kaiserschnitt bei Vollnarkose, um ein

Koma zu verhindern. An dieser Stelle nochmal

eine lobende Erwähnung an das Evangelische

Krankenhaus Düsseldorf. Somit wurden meine

Zwillinge Lukas und Simon am 9. Juni 2012 um

11.42 Uhr und 11.43 Uhr geboren — in der 35.

Schwangerschaftswoche. Nach einem vierwö-

chigen Aufenthalt der beiden Jungs in der Kin-

derintensiv-Station haben wir sie inzwischen

seit acht Wochen bei uns zu Hause. Sie haben

sich prächtig entwickelt und sind völlig gesund.

Jeden Tag freue ich mich über die Zwillinge und

würde alles genau so wieder entscheiden. Der

Mut, aussergewöhnliche Wege zu beschreiten,

hat sich mehr als gelohnt. Ich danke Kai für sein

Engagement und die Unterstützung bei der

Verwirklichung dieses Wunsches.

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Alles fing an, als ich eines abends im Arbeitszimmer meinen Mann Kai

im Internet forschen sah, welche Möglichkeiten eine UTS-Frau hat, um

schwanger zu werden. Ich freute mich, dass wir beide einen Kinderwun-

sch hatten und beschloss, von meiner Seite aus alles dafür zu tun, uns

diesen Wunsch zu erfüllen. Bis dahin hatte ich den Kenntnisstand, dass

UTS-Frauen grundsätzlich unfruchtbar sind, wusste aber, dass es sich

bei mir um eine Mosaikform handelt.

Aufgeregt schaute ich nach der Hälfte der

Ablesezeit auf das Display und war enttäus-

cht, als das Fenster kein positives Ergebnis

anzeigte. Kai versuchte mich aufzumuntern

und meinte, dass es dann nicht sein soll mit

der Schwangerschaft und wir dann unser

Leben anders gestalten mit aufregenden

Reisen zum Beispiel. Wir hatten uns vor der

Eizellspende darauf geeinigt, dass wir EINEN

Versuch unternehmen und mit dem Ergebnis

uns dann arrangieren — wie auch immer es

dann ausgeht.

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Mitglieder stellen sich vor

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Warum bist Du Mitglied der Turner-Syndrom-

Vereinigung Deutschland geworden? Ich

suchte Menschen, die mit dem Begriff Turner-

Syndrom etwas anfangen konnten. Deshalb

habe ich in einer Frauenzeitschrift eine Anzeige

aufgegeben. (Turner–Frauen gesucht!). Bei den

Antworten war auch ein Hinweis auf die Turner-

Syndrom-Vereinigung dabei. So beschloss ich,

mich dort zu melden und zu informieren. Bei

den Antworten befand sich auch ein Brief, der

sich auf die Sängerin Tina Turner bezog. Das

fand ich lustig.

Du bist Regionalleiterin aus Würzburg.

Welche Selbsthilfeszene gibt es in Würzburg?

Hier in Würzburg ist die Selbsthilfeszene

sehr aktiv. Gesundheitstag, Tag der seltenen

Krankheiten, Weihnachtsmarktbuden für die

Gruppen, Runder Tisch der Krankenkassen und

vieles mehr. Es gibt ein Aktivbüro für Selbsthil-

fegruppen. Zusätzlich gibt es einen Förderver-

ein für die Selbsthilfegruppen.

Dein Mann Peter begleitet Dich immer bei den

Jahrestreffen. Das finde ich bemerkenswert.

Unterstützt er Dich bei Deiner Arbeit als

Regionalleiterin? Ja, Peter unterstützt mich

großartig. Er schaut die E-Mails durch und wenn

tagsüber Telefonanrufe kommen, regelt er das.

Und abends reden und klären wir dann gemein-

sam die Anliegen, die aufgekommen sind.

Welche Unterstützung bekommst Du durch

Deine Regionalgruppe? Ich wollte ja vor einiger

Zeit eine Regionalgruppe aufbauen. Dies hat

aber leider nicht so geklappt, wie ich mir das

gewünscht hätte. Da ich in dieser Zeit auch

beruflich sehr angespannt war, habe ich das

auch mal ruhen lassen. Mal schauen, vielleicht

nehme ich jetzt wieder einen Anlauf zur Grup-

pengründung.

Welche Unterstützung wünschst Du Dir vom

Vorstand? Der Vorstand und die Regional-

gruppen stellen solche tolle Wochenenden auf

die Beine, zum Beispiel Mädchen — Frauen —

Eltern — Paare. Als ich im Oktober 2011 mir die

Termine im Internet anschauen wollte, war nur

der Termin für das Gesamttreffen zu sehen. Ich

denke, jeder, der im Internet zu uns schaut, soll

sehen, was wir so alles auf die Beine stellen.

Was sollte sich im Verein verbessern? Sicher

kann sich im Verein etwas verbessern. Aber,

wie ich vorhin sagte, der Verein und seine Grup-

pen stellen tolle Wochenenden auf die Beine.

Und das CD-Projekt ist ja auch toll — könnte

vielleicht auch mehr Werbung im Internet auf

unserer Homepage vertragen.

Was ist Deine Profession? Beruflich bin ich bei

der Deutschen Telekom. Bisher habe ich haupt-

sächlich Auftragsbearbeitung gemacht. Jetzt

bin ich in der internen Hotline für Techniker.

Wie kommst Du im Beruf mit Deiner Hörbehin-

derung klar beziehungsweise wie offen gehst

Du mit dieser Hörbehinderung um? In der

Auftragsbearbeitung war ich kaum am Telefon.

Da war die Hörbehinderung kein Problem. An

der Hotline sieht das etwas anders aus. Aber

ich kann ja die Hörerlautstärke hochdrehen

beziehungsweise die Techniker fragen, wenn

ich etwas nicht verstanden habe.

Welche Unterstützung hast Du von der

Krankenkasse für den Kauf von Hörgeräten

bekommen? Die Krankenkasse hat mir neue

Hörgeräte beziehungsweise eine Hörbrille

anteilmäßig bezahlt.

Was ist Deine Lieblingsbeschäftigung? Bist

Du noch Squardancerin? Natürlich sind Peter

und ich noch begeisterte Square Dancer. Da

beim Square Dance die Kommandos aus dem

Liedtext herausgehört werden müssen, ist das

auch ein gutes Hörtraining.

Deine Lieblingsmusik? Schlager der 60iger,

70iger, 80iger Jahre oder auch die neue

Deutsche Welle sind meine Welt. In unserer

Playbackgruppe zeigt sich immer wieder, dass

diese Lieder bei den Gästen auf Geburtstagen,

an Fasching oder Hochzeiten oder sonstigen

Festlichkeiten besonders gut ankommen. Ich

habe zum Beispiel die Gitte Häning, Nicki,

Mireille Matthieu, Conny Froebes im Repertoire.

Dein Lieblingsautor? Marion Zimmer Bradley,

die Avalon Reihe, Akif Pirinci, die Katzenkrimis

Felidae

Dein Lieblingssport? Wie könnte es anders

sein: Tanzen im Allgemeinen und Square Dance

Besonderen. Line Dance, Standardtanz, Stepp-

tanz habe ich auch ausprobiert, aber nichts

geht über Square Dance.

Mit wem würdest Du gerne einen Kaffee trink-

en? Ich würde gerne mit meinem obersten Chef

René Obermann Kaffee trinken. Das würde

bestimmt eine interessante Gesprächsrunde

werden.

Bettina

Peter

Foto

: Ma

rlis Ste

mp

el

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Mitglieder stellen sich vor

29

Es war einmal eine getigerte Katze, die brauchte

unbedingt einen Frieden, denn sie hatte keinen und

war doch nicht mehr ganz jung. Aber woher sollte sie

ihn bekommen? Die Katze hätte alles dafür getan, um

Frieden zu erlangen. Sie hätte sogar der gemeinen

schwarzen Katze aus der Nebenstraße die besten

Mäuse überlassen!

Eines Tages traf die Katze im Wald das zahme Kanin-

chen. „Liebes Kaninchen, ich brauche einen Frieden.

Kannst du mir sagen, wo ich einen finde?“ „Wozu

brauchst du ihn denn?“ „Jeder braucht einen Frie-

den, zum Beispiel, wenn er ganz doll traurig ist.“ „Das

verstehe ich, doch ich habe keinen Frieden. Vielleicht

hat ja das lustige Eichhörnchen einen“, schlug das

Kaninchen vor.

Also machten sie sich auf den Weg zu dem lustigen

Eichhörnchen. Dort meinte das zahme Kaninchen:

„Die Katze braucht einen Frieden. Hast du einen?“

„Wozu braucht die Katze einen Frieden?“ „Na, weil

jeder einen braucht, zum Beispiel, wenn er ganz doll

traurig ist …“ „ … oder wenn er Angst hat“, ergänzte

die getigerte Katze. „Hm, ich habe keinen Frieden,

aber vielleicht hat der Fuchs einen.“ Die Katze hatte

Zweifel daran, den Fuchs zu fragen. Ist denn der

Fuchs nicht bekannt dafür, mit seiner Hinterhältigkeit

andere ins Verderben zu stürzen? Das Eichhörnchen

beschwichtigte die Katze. „Erst neulich hat er mir

geholfen, mein Nussversteck wiederzufinden. Dafür

hat er keine Gegenleistung verlangt.“ Somit suchten

sie gemeinsam den Fuchs auf. „Fuchs, die Katze

braucht einen Frieden. Kannst du uns sagen, wo sie

einen findet?“ erklärte das Eichhörnchen ihr Kom-

men. „Wozu braucht sie einen Frieden?“ Sie braucht

Frieden zum Beispiel, wenn sie traurig ist, Angst hat

…“ „ … oder wütend ist“, warf das Kaninchen ein. Der

Fuchs dachte nach. Schließlich nickte er und sagte:

„Ich weiß zwar auch nicht, wo man Frieden bekommt,

aber ihr müsst schon erschöpft sein von eurer Suche.

Setzt euch erst mal und erholt euch.“ Aber wir haben

doch nicht mehr so viel Zeit“, entgegnete die Katze.

„Na ja, aber müde bin ich schon“, warf das Kaninchen

ein. Und so ließen sie sich doch nieder. Einen Frieden

fanden sie jedoch nicht.

Nach einer Weile zogen sie weiter. Sie waren so damit

beschäftigt, einen Frieden zu erlangen, dass sie gar

nicht mehr richtig nach links und rechts guckten. Sie

liefen und liefen. Doch dann entdeckte der Fuchs die

weise Eule auf einem Ast sitzen. „Weise Eule, kannst

du uns sagen, wo wir einen Frieden finden?“ fragte er.

„Ich habe meinen bereits gefunden. Wo ihr einen fin-

det kann ich euch nicht sagen. Er ist in euch drin. Aber

wie ihr ihn findet, müsst ihr selbst herausfinden.“ Die

Tiere blickten sich an. Sie hatten kein Wort verstan-

den. „Eule, kannst du uns das genauer erklären?“

fragte die Katze. „Nein, das kann ich nicht. Den Weg

müsst ihr selber gehen. Ich wünsche euch viel Er-

folg.“ Mit diesen Worten flog die Eule davon.

Ratlos blieben die Tiere zurück. Sie waren so nah am

Ziel gewesen und dann flatterte die Lösung buch-

stäblich davon. Nachdenklich machten sie sich wie-

der auf den Weg. Nach einer Weile trafen sie den

kuscheligen Bären. „Bär, kannst du uns sagen, wo

wir einen Frieden finden? Die Eule hat so rätselhaft

davon gesprochen, dass wir den Weg selber gehen

müssten. Aber was meint sie damit?“ fragte die

Katze. „Vielleicht kann ich euch weiterhelfen, aber

zuerst möchte ich diesen Honigtopf leeressen. Wenn

ihr auch hungrig seid könnt, ihr euch gerne etwas

nehmen“, sagte der Bär freundlich und aß genüss-

lich weiter. Die Tiere zögerten, denn sie hatten doch

eigentlich keine Zeit, aber was blieb ihnen anderes

übrig, wenn sie etwas erfahren wollten. Nachdem

der Bär das letzte bisschen Honig ausgeleckt hatte,

schaute er sich um und sagte: „Ein Frieden ist für

mich, wenn ich ganz in Ruhe genüsslich meinen Honig

essen kann. Dabei lasse ich mich auch nicht stören.“

Die Tiere machten große Augen. Das sollte Frieden

sein? „Wenn ich Honig esse, passiert aber nichts

Besonderes“, warf das Kaninchen ein. „Das hängt

von der Einstellung ab“, erklärte der Bär. „Mir geht

es jedenfalls gut, wenn ich ganz entspannt meinen

Honig essen kann.“ Die Tiere bedankten sich und

gingen weiter. Waren sie einem Frieden schon näher?

Auf einer Lichtung traf die Karawane auf die ehrgei-

zige Schildkröte. „Sag, Schildkröte, weißt du, wie man

einen Frieden erlangt? Die weise Eule sagt, dass er

in uns drin ist und Bär meint beim Honigessen einen

zu haben. Aber wir haben noch keinen gefunden.“

Die Schildkröte wackelte mit dem Kopf. „Ihr habt ein

großes Ziel. Seid nicht zu streng mit euch. Manche

Dinge findet man stückweise. Geht nach Hause und

ihr werdet klarer sehen.“ Die Tiere befolgten den Rat

und machten sich auf den Heimweg. Als sie an den

einzelnen Stationen ihres Weges vorbeikamen, wur-

de ihnen bewusst, dass sie doch eine ganze Menge

erfahren hatten. Jetzt mussten sie alles sacken las-

sen, vielleicht kam ja noch die Erleuchtung. Nach und

nach verabschiedeten sie sich und versprachen, sich

zwischendurch noch mal auszutauschen. So verging

eine gewisse Zeit. Die Tiere gingen ihren Aufgaben

nach und arbeiteten an ihrem Frieden.

Eines Tages kam die weise Eule bei der getigerten

Katze vorbei. „Und, hast du einen Frieden gefunden?“

fragte sie diese. „Ja, ich bin ihm ein ganzes Stück

näher gekommen“, sagte die Katze und fuhr mit

ihrem Klavierspiel fort.

Wie man einen Frieden erlangt Eine Kurzgeschichte von Jessica

Ich habe die fabelartige Kurzgeschichte „Wie man

einen Frieden erlangt“ zunächst in Anlehnung an den

Text „Wie man eine Hilfe findet“ von Jürg Schubiger

erstellt. Damit manche Besonderheiten des Textes

leichter zu verstehen sind, möchte ich an dieser Stelle

ein paar Hinweise geben.

Durch den Titel der Geschichte eröffnet sich dem

Leser eine Problemstellung. Gleichzeitig wird die

Erwartungshaltung aufgebaut, dass die Geschichte

eine Lösung für diese bietet. Auffällig ist die Verwen-

dung des unbestimmten Artikels „einen“. Er verdeut-

licht, dass es nicht nur den einen Frieden gibt. Er kann

sich auf unterschiedliche Weise äußern. Hier bleibt

dem Leser ein Spielraum für Assoziationen. Das Inde-

finitpronomen „man“ verstärkt die Erwartung, dass

ein allgemeiner, für jedermann geltender Rat folgt.

Kann die Kurzgeschichte diese Erwartung erfüllen?

Was erfährt der Leser, wenn er sich mit der getigerten

Katze auf den Weg macht, einen Frieden zu erlangen?

Zunächst denken die Tiere darüber nach, wofür man

Frieden benötigt. Da für mich zum innerem Frieden

die Abwesenheit von aufwühlenden Gefühlen, wie

Angst und Wut gehört, habe ich die Tiere darüber

nachdenken lassen. Wenn ich Angst habe oder

wütend bin, brauche ich Frieden. Ihr als Leser wer-

det auf dem Weg angeregt darüber nachzudenken,

was denn für euch Frieden bedeutet. So sagt auch

die Eule, dass sie ihren Frieden gefunden hat, die

anderen ihren aber selber finden müssen. Auch der

Bär hat seinen Frieden gefunden. Er empfindet ihn

beim Honigschlecken und bleibt ganz gelassen. Dies

äußert er auch gegenüber den anderen Tieren.

Die Schildkröte gibt ebenfalls einen wichtigen Hin-

weis. Man erlangt seinen Frieden nur Stück für Stück.

Man muss Geduld mit sich haben. Die Katze hat ihren

Frieden zum Schluss dann gefunden. Ihr hilft das

Klavierspiel. Das muss aber nicht für die anderen

gelten. Vielleicht liest das Kaninchen lieber ein Buch.

Somit kann die Geschichte zwar keinen allgemein-

gültigen Rat geben, wie man Frieden erlangt, weil es

den einen Frieden eben nicht gibt. Und doch bietet

sie ohne erhobenen Zeigefinder richtungsweisende

Anregungen.

Hintergrund und Interpretationshilfe

Jessica

Foto

: privat

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Adressen

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Impressum

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Turner-Syndrom-Vereinigung Deutschland e. V.

Marlis Stempel (ViSdP)

Antje, Angelika Bock, Bettina von Hanffstengel, Heidi,

Jessica, Katja, Kerstin Subtil

Allen Autorinnen sei ein herzlicher Dank ausgesprochen!

DTP Marlis Stempel

Druckerei Albers, Düsseldorf

700 Exemplare

halbjährlich im Mai und Oktober, jeweils zum

Jahrestreffen und zum Frauentreffen

2,50 Euro pro Exemplar. Mitglieder erhalten die

„ullrich-turner-syndrom-nachrichten“ kostenlos.

0946-8331

die Inhalte dieser Zeitschrift sind alleinige Meinungsäu-

ßerungen der Autoren und Autorinnen. Sie stimmen nicht

unbedingt mit der Meinung der Turner-Syndrom-Vereinigung

Deutschland e. V. überein.

für die Ausgabe 1. 2013 ist der 25. März 2013

Herausgeber

Redaktion

MitarbeiterInnen

dieser Ausgabe

Satz

Druck

Auflage

Erscheinungsweise

Preis

ISSN

Hinweis

Redaktionsschluss

turner-syndrom-vereinigung Deutschland e.v.

www.turner-syndrom.deWir bieten Hilfe und Informationen zum Ullrich-Turner-Syndrom.

GeschäftsstelleSandra Reiß Schumannstraße 38 60325 Frankfurt Fon 0 69. 27 24 58 [email protected] SchirmherrinDr. med. Astrid Bühren

Beratung und InfoserviceDiplom-Psychologin Angelika BockFon 0 56 52. 9 18 44 [email protected]

VorstandGabriele ScheuringBettina SchaeferKirsten [email protected]

Registergericht zur ZeitAmtsgericht WaldbrölRegisternummer VR 80733

MitgliedschaftenACHSE e. V.Kindernetzwerk e. V.Netzwerk gegen Selektion durch PränataldiagnostikParitätischer Wohlfahrtsverband

Wir sind eine gemeinnützige, ehrenamtlich tätige Selbsthilfe- organisation.

Spenden und Mitgliedsbeiträge sind steuerlich absetzbar.

Freistellungsbescheid Finanzamt Frankfurt am MainSteuernummer 047 250 62495

Die Bankverbindungen sind bei der Geschäftsstelle zu erfragen.

Das nächste Schwerpunktthema beschäftigt sich mit fol-

genden Fragen: „Was hat die Turner-Syndrom-Vereinigung

Deutschland in meinem Leben verändert? Welche Erleb-

nisse verbinden mich mit dem Verein? Was gefiel mir bei

den Jahrestreffen besonders oder was möchte ich kritisie-

ren? Was haben die Begegnungen mit Vereinskollegen und

-kolleginnen bei mir verändert?

Zuschriften erbitten wir an:

Marlis Stempel

Böhmer Straße 4

47249 Duisburg

Fon 02 03. 78 69 52

Fax 03 22. 21 16 06 34

[email protected]

Stand: September 2012

Grenzen Turner-Syndrom-Vereinigung Deutschland e. V.

Geschäftsführerin

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53809 Ruppichteroth

Fon 0 22 47 75 97 50

Fax 0 22 47 75 97 56

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Ansprechpartnerin für die Mädchenarbeit

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Rödlas 4

91077 Neunkirchen am Brand

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Fax 0 91 92. 99 40 79

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36199 Rotenburg an der Fulda

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Erste Vorsitzende

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Handy 01 62. 41 0 11 88

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Ansprechpartnerin

für die Regionalgruppen

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Redaktionsteam

Bettina von Hanffstengel

Marlis Stempel

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mit zahlreichen Infos zum

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Silke Flinder Fon 0 30. 66 46 01 01

Bettina von Hanffstengel Fon 0 91 92. 99 40 86

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weitere aktuelle Termine finden Sie unter

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in der JH Bonn Venusberg

11. Weibertreffen in der JH Mainz

25 Jahre Turner-Syndrom-Vereini-

gung Deutschland e. V. Wir feiern

im VCH-Hotel Christophorus beim

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Elstal in Berlin

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für Kinderbetreuung wird gesorgt.

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Stammtisch bei Mamma Leone

Duisburger Selbsthilfetage

Regionalgruppe Hamburg

KISS Wandsbek, Brauhausstieg 15-17

22041 Hamburg-Wandsbek

1. bis 3. Februar 2013

1. bis 3. März 2013

3. bis 5. Mai 2013

3. bis 6. Oktober 2013

8. bis 10. November 2013

Jeden ersten Freitag im Monat

18:45 Uhr bis circa 21:00 Uhr

29. bis 30. September 2012

Jeden dritten Samstag im Monat

15:00 Uhr bis 18:00 Uhr

Wir laden ein zum

Jahrestreffenin das VCH-Hotel Christophorus

Evangelisches Johannesstift

Berlin vom 3. bis 5. Mai 2013

Foto

: VC

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