Theodor W. Adorno zu Walter Benjamin

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  • 8/14/2019 Theodor W. Adorno zu Walter Benjamin

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    Vermchtnis. Dialektisches Denken ist der Versuch, denZwangscharakter der Logik mit deren eigenen Mitteln zu durch-brechen. Aber indem es dieser Mittel sich bedienen mu, stehtes in jedem Augenblick in Gefahr, dem Zwangscharakter selberzu verfallen: die List der Vernunft mchte noch gegen dieDialektik sich durchsetzen. Nicht anders lt das Bestehende

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    sich berschreiten als vermge des Allgemeinen, das dem Bestehenden selbst entlehnt ist. Das Allgemeine triumphiert bersBestehende durch dessen eigenen Begriff, und darum droht in

    solchem Triumph dieMacht

    des blo Seienden stets sich wiederherzustellen aus der gleichen Gewalt, die sie brach. Durch dieAlleinherrschaft der Negation wird nach dem Schema des immanenten Gegensatzes die Bewegung des Gedankens wie der Geschichte eindeutig, ausschlielich, mit unerbittlicher Positivittgefhrt. Alles wird unter die in der gesamten Gesellschaft historisch je magebenden wirtschaftlichen Hauptphasen und ihreEntfaltung subsumiert: das ganze Denken hat etwas von dem,was Pariser Knstler le genre chef-d' oeuvre nennen. Da dasUnheil gerade von der Stringenz solcher Entfaltung bewirktwird; da jene geradezu mit der Herrschaft zusammenhngt, istin der kritischen Theorie zumindest nicht explizit, welche wiedie traditionelle vom Stufengang auch das Heil erwartet. Strin

    genz und Totalitt, die brgerlichen Denkideale von Notwendigkeit und Allgemeinheit, umschreiben in der Tat die Formel

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    bcher wie Alice in Wonderland oder der Struwwelpeter, vordenen die Frage nach Fortschritt und Reaktion lcherlich wre,enthalten unvergleichlich beredte re Chiffren selbst der Ge-schichte als die mit der offiziellen Thematik von tragischerSchuld, Wende der Zeiten, Weltlauf und Individuum befateGrodramatik Hebbels, und in den schnden und albernenKlavierstcken Saties blitzen Erfahrungen auf, von denen dieKonsequenz der Schnbergschule, hinter der alles Pathos dermusikalischen Entwicklung steht, nichts sich trumen lt. Ge-rade die Groartigkeit der F o lgerungen mag unversehens denCharakter des Provinziellen annehmen. Benjamins Schriftensind der Versuch, in immer erneutem Ansatz das von den groen

    Intentionen nicht bereits Determinierte philosophisch fruchtbarzu machen. Sein Vermchtnis besteht in der Aufgabe, solchenVersuch nicht den verfremdenden Rtselbildern des Gedankens einzig zu berlassen, sondern das Intentionslose durch den Be-

    griff einzuholen: der Ntigung, dialektisch zugleich und undia-lektisch zu denken.