Theorie und Praxis miteinander verschmelzen · FUTUR: Als Plenarredner auf dem PTK 2013 haben Sie...

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Kontakt Dr.-Ing. Erwin Flender Telefon: +49 241 88 901-0 E-Mail: [email protected] Gesellschafter und Geschäftsführer zum weltweiten Marktführer für Gießereipro- zesssimulation entwickelte. Dr. Erwin Flender ist Mitglied im Technischen Vorstand des Bundesverbandes der Deutschen Gießerei- Industrie (BDG). Seit Oktober 2012 ist er Prä- sident des BDG und Mitglied des Präsidiums des Bundesverbandes der Deutschen Indus- trie (BDI). Er ist außerdem Vizepräsident des Vereins Deutscher Gießereifachleute (VDG), seit 2008 Vorsitzender der Forschungsverei- nigung Gießereitechnik (FVG) und seit Mai 2002 Vorsitzender des Forschungsbeirates von VDG und FVG. Seit 2011 ist er Mitglied im Präsidium und seit 2012 Vorsitzender des Aufsichtsrates der AiF. Zur Person Dr. Erwin Flender, Jahrgang 1952, studierte nach einer Dreherlehre und Qualifikation über den zweiten Bildungsweg zunächst Produktions- und Maschinentechnik an der Fachhochschule Hagen und anschlie- ßend Gießereikunde an der RWTH Aachen. Danach war er als wissenschaftlicher Mit- arbeiter am Gießerei-Institut der RWTH Aachen und später als Projektingenieur bei der Stahlwerke Bochum AG tätig. Von 1984 bis 1985 leitete er hier die Fertigung in der Sparte Stahlformguss. Nach seiner Promo- tion zum Dr.-Ing. an der RWTH Aachen 1985 übernahm er von 1985 bis 1987 die Leitung des Produktbereiches Filtration und Nicht- eisenmetallurgie der Foseco GmbH, Bor- ken. 1988 gründete er die MAGMA Gie- ßereitechnologie GmbH, Aachen, die er als 24 Theorie und Praxis miteinander verschmelzen Wie in einem Schmelztiegel fließen in der Gießerei-Industrie Wissenschaft, Tech- nologie und Erfahrung aus unterschiedlichen Bereichen zusammen. Die MAGMA Gießereitechnologie Gesellschaft für Gießerei-, Simulations- und Regeltechnik GmbH in Aachen versteht sich als ein zentrales Verbindungsglied zwischen diesen Welten. Welche Herausforderungen daraus erwachsen, wird Dr. Erwin Flender, Geschäftsführender Gesellschafter von MAGMA, auf dem XIV. Internationalen Produktionstechnischen Kolloquium (PTK) vom 25. bis 26. September 2013 in Berlin erläutern. Wir sprachen mit ihm schon einmal vorab darüber, wie ein effizientes Zusammenspiel von Wissen, Werkzeugen und Wertschöpfung in der Gießereitechnik gelingen kann. FUTUR 2/2013 25 Interview FUTUR: Herr Dr. Flender, nehmen wir an, wir treffen uns in einem Fahrstuhl. Wie würden Sie Ihr Unternehmen in drei Sätzen vorstellen? Flender: MAGMA entwickelt und vermark- tet Prozess-Simulationssoftware für metal- lische Werkstoffe und Kunststoffe, die mit verschiedenen Gießverfahren zu Produkten verarbeitet werden. Mit den Programmen kann man die Konstruktion der Bauteile überprüfen und verbessern, den Herstel- lungsprozess und das gießtechnische Layout optimieren sowie eine gezielte Fehlerver- meidungsstrategie verfolgen. Das alles kann man virtuell am Computer durchführen und muss nicht erst ein Werkzeug für die Proto- typenherstellung erstellen, um einen realen Abguss durchzuführen. Diese Optimierung am Bildschirm spart Zeit und Kosten ent- lang der gesamten Prozesskette und unter- stützt so die Ausschöpfung der Potenziale von gegossenen Bauteilen und Prozessen. FUTUR: Als Plenarredner auf dem PTK 2013 haben Sie etwas mehr Zeit als für den »eleva- tor pitch«. Welche Rolle spielt die Verbindung von Wissen, Werkzeugen und Wertschöp- fung in der Gießereitechnik? Flender: Bei einem mehr als 5000 Jahre alten Verfahren wie dem Gießen existie- ren ein umfangreiches Wissen und nütz- liche Erfahrungen. Sie bilden die Basis für eine mögliche Wertschöpfung. Werkzeuge kann man ganz allgemein als Ressourcen zur Umsetzung dieses Know-hows in Erträge ansehen. Ein tiefes und umfassendes Wis- sen und gute Werkzeuge ermöglichen dabei höhere Wertschöpfungen. Die genannten drei Faktoren hängen natürlich kreislauf- artig zusammen; eins nährt das andere. Von zunehmender Bedeutung in der Gie- ßereitechnik sind zudem eine gut entwi- ckelte Infrastruktur, eine leistungsfähige Zuliefererkette und Logistikleistungen, die sich dann auch geschäftlich positiv für die Unternehmen auswirken. FUTUR: Sie haben 1988 mit der Gründung von MAGMA erstmals eine Simulationssoft- ware auf den Markt gebracht. Wie wichtig ist heute Software für eine effiziente Fertigung? Flender: Eine effiziente Fertigung bedingt immer auch eine wirtschaftliche Fertigung. Beim Gießen wurden Verbesserungen jahr- hundertelang immer nur durch eine ausge- prägte Trial-and-Error-Charakteristik und die dabei gewonnenen Erfahrungen erreicht. Die Innovation der Gießereiprozess-Simulation hat die methodische Arbeitsweise in der Gießereibranche nachhaltig verändert und Kosteneinsparungen in signifikanter Höhe ermöglicht. Aus diesem Grund bestehen Gussabnehmer heute in der Regel darauf, dass der Gießer simuliert. FUTUR: Sie unterhalten neben dem Firmen- hauptsitz in Aachen Tochtergesellschaften in Nord- und Südamerika sowie Asien. Funktio- niert Wertschöpfung heute nur noch global? Flender: Prozess-Simulationsprogramme kann man einfacher exportieren als Hard- ware, z. B. Maschinen und Anlagen. Sie erfordern aber in jedem Fall eine lokale Vertriebs-, Support- und Schulungs-Infra- struktur – verbunden mit umfassendem, insbesondere technischem Know-how. Für die Akzeptanz und den Erfolg beim Kun- den ist zudem der Aufbau von Vertrauen in diese Technologie und die Verlässlichkeit in den Partner notwendig – das erfordert auch Zeit. Generell würde ich sagen, dass gerade kleine und mittelständische Unter- nehmen auch bei der Beschränkung auf ihren Heimatmarkt erfolgreich sein können. Globale Wertschöpfung ist wesentlich vom Produkt abhängig, das man anbietet. Bei einer stark standardisierten Software wird ein fertig erstelltes Produkt mit überschau- baren und planbaren Vertriebskosten ver- marktet und das ist grundsätzlich einfacher als bei Hardware. FUTUR: Seit Ende letzten Jahres sind Sie Prä- sident des Bundesverbandes der Deutschen Gießerei-Industrie (BDG). Warum engagie- ren Sie sich ehrenamtlich – auch in vielen anderen Organisationen und Verbänden? Flender: Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich das ehrenamtliche Engagement immer freiwillig und gern gemacht habe. Gelegentlich wird man auch mal gebeten, eine Aufgabe zu übernehmen. Wenn ich das annehme, engagiere ich mich auch und mache diese Aufgabe so gut wie möglich und lasse mich auch in die Pflicht neh- men. Es hat mir auch immer schon Freude gemacht, in unterschiedlichen Netzwerken mit interessanten Menschen zu kommunizie- ren. Dabei habe ich auch Erkenntnisse und Erfahrungen aus anderen Industrien und Organisationen gesammelt, die sehr nützlich für mich waren. Ich habe gerade beruflich bisher auch viel Glück gehabt und möchte nun auch gern meine Hilfe – wo gewünscht und möglich – zur Verfügung stellen. Beson- ders schön sind die Aufgaben, bei denen ich in der Zusammenarbeit mit jungen Men- schen nützlich sein kann. »Als Unternehmer bin ich davon überzeugt, dass Innovationsfähigkeit der Schlüssel zu Wettbewerbs- fähigkeit und Wachstum ist. Für den Mittelstand ist Kooperation dabei ein zentrales Element. Nur im Schulterschluss zwischen Wirtschaft und Wis- senschaft, zwischen großen und kleinen Unterneh- men sowie gemeinsam mit Politik und Ministerien kann dies gelingen.«

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Kontakt

Dr.-Ing. Erwin Flender

Telefon: +49 241 88 901-0

E-Mail: [email protected]

Gesellschafter und Geschäftsführer zum

weltweiten Marktführer für Gießereipro-

zesssimulation entwickelte. Dr. Erwin Flender

ist Mitglied im Technischen Vorstand des

Bundesverbandes der Deutschen Gießerei-

Industrie (BDG). Seit Oktober 2012 ist er Prä-

sident des BDG und Mitglied des Präsidiums

des Bundesverbandes der Deutschen Indus-

trie (BDI). Er ist außerdem Vizepräsident des

Vereins Deutscher Gießereifachleute (VDG),

seit 2008 Vorsitzender der Forschungsverei-

nigung Gießereitechnik (FVG) und seit Mai

2002 Vorsitzender des Forschungsbeirates

von VDG und FVG. Seit 2011 ist er Mitglied

im Präsidium und seit 2012 Vorsitzender des

Aufsichtsrates der AiF.

Zur Person

Dr. Erwin Flender, Jahrgang 1952, studierte

nach einer Dreherlehre und Qualifikation

über den zweiten Bildungsweg zunächst

Produktions- und Maschinentechnik an

der Fachhochschule Hagen und anschlie-

ßend Gießereikunde an der RWTH Aachen.

Danach war er als wissenschaftlicher Mit-

arbeiter am Gießerei-Institut der RWTH

Aachen und später als Projektingenieur bei

der Stahlwerke Bochum AG tätig. Von 1984

bis 1985 leitete er hier die Fertigung in der

Sparte Stahlformguss. Nach seiner Promo-

tion zum Dr.-Ing. an der RWTH Aachen 1985

übernahm er von 1985 bis 1987 die Leitung

des Produktbereiches Filtration und Nicht-

eisenmetallurgie der Foseco GmbH, Bor-

ken. 1988 gründete er die MAGMA Gie-

ßereitechnologie GmbH, Aachen, die er als

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Theorie und Praxis miteinander verschmelzen

Wie in einem Schmelztiegel fließen in der Gießerei-Industrie Wissenschaft, Tech-

nologie und Erfahrung aus unterschiedlichen Bereichen zusammen. Die MAGMA

Gießereitechnologie Gesellschaft für Gießerei-, Simulations- und Regeltechnik

GmbH in Aachen versteht sich als ein zentrales Verbindungsglied zwischen diesen

Welten. Welche Herausforderungen daraus erwachsen, wird Dr. Erwin Flender,

Geschäftsführender Gesellschafter von MAGMA, auf dem XIV. Internationalen

Produktionstechnischen Kolloquium (PTK) vom 25. bis 26. September 2013 in

Berlin erläutern. Wir sprachen mit ihm schon einmal vorab darüber, wie ein

effizientes Zusammenspiel von Wissen, Werkzeugen und Wertschöpfung in der

Gießereitechnik gelingen kann.

FUTUR 2/2013 25Interview

FUTUR: Herr Dr. Flender, nehmen wir an, wir

treffen uns in einem Fahrstuhl. Wie würden

Sie Ihr Unternehmen in drei Sätzen vorstellen?

Flender: MAGMA entwickelt und vermark-

tet Prozess-Simulationssoftware für metal-

lische Werkstoffe und Kunststoffe, die mit

verschiedenen Gießverfahren zu Produkten

verarbeitet werden. Mit den Programmen

kann man die Konstruktion der Bauteile

überprüfen und verbessern, den Herstel-

lungsprozess und das gießtechnische Layout

optimieren sowie eine gezielte Fehlerver-

meidungsstrategie verfolgen. Das alles kann

man virtuell am Computer durchführen und

muss nicht erst ein Werkzeug für die Proto-

typenherstellung erstellen, um einen realen

Abguss durchzuführen. Diese Optimierung

am Bildschirm spart Zeit und Kosten ent-

lang der gesamten Prozesskette und unter-

stützt so die Ausschöpfung der Potenziale

von gegossenen Bauteilen und Prozessen.

FUTUR: Als Plenarredner auf dem PTK 2013

haben Sie etwas mehr Zeit als für den »eleva-

tor pitch«. Welche Rolle spielt die Verbindung

von Wissen, Werkzeugen und Wertschöp-

fung in der Gießereitechnik?

Flender: Bei einem mehr als 5000 Jahre

alten Verfahren wie dem Gießen existie-

ren ein umfangreiches Wissen und nütz-

liche Erfahrungen. Sie bilden die Basis für

eine mögliche Wertschöpfung. Werkzeuge

kann man ganz allgemein als Ressourcen zur

Umsetzung dieses Know-hows in Erträge

ansehen. Ein tiefes und umfassendes Wis-

sen und gute Werkzeuge ermöglichen dabei

höhere Wertschöpfungen. Die genannten

drei Faktoren hängen natürlich kreislauf-

artig zusammen; eins nährt das andere.

Von zunehmender Bedeutung in der Gie-

ßereitechnik sind zudem eine gut entwi-

ckelte Infrastruktur, eine leistungsfähige

Zuliefererkette und Logistikleistungen, die

sich dann auch geschäftlich positiv für die

Unternehmen auswirken.

FUTUR: Sie haben 1988 mit der Gründung

von MAGMA erstmals eine Simulationssoft-

ware auf den Markt gebracht. Wie wichtig ist

heute Software für eine effiziente Fertigung?

Flender: Eine effiziente Fertigung bedingt

immer auch eine wirtschaftliche Fertigung.

Beim Gießen wurden Verbesserungen jahr-

hundertelang immer nur durch eine ausge-

prägte Trial-and-Error-Charakteristik und die

dabei gewonnenen Erfahrungen erreicht. Die

Innovation der Gießereiprozess-Simulation

hat die methodische Arbeitsweise in der

Gießereibranche nachhaltig verändert und

Kosteneinsparungen in signifikanter Höhe

ermöglicht. Aus diesem Grund bestehen

Gussabnehmer heute in der Regel darauf,

dass der Gießer simuliert.

FUTUR: Sie unterhalten neben dem Firmen-

hauptsitz in Aachen Tochtergesellschaften in

Nord- und Südamerika sowie Asien. Funktio-

niert Wertschöpfung heute nur noch global?

Flender: Prozess-Simulationsprogramme

kann man einfacher exportieren als Hard-

ware, z. B. Maschinen und Anlagen. Sie

erfordern aber in jedem Fall eine lokale

Vertriebs-, Support- und Schulungs-Infra-

struktur – verbunden mit umfassendem,

insbesondere technischem Know-how. Für

die Akzeptanz und den Erfolg beim Kun-

den ist zudem der Aufbau von Vertrauen

in diese Technologie und die Verlässlichkeit

in den Partner notwendig – das erfordert

auch Zeit. Generell würde ich sagen, dass

gerade kleine und mittelständische Unter-

nehmen auch bei der Beschränkung auf

ihren Heimatmarkt erfolgreich sein können.

Globale Wertschöpfung ist wesentlich vom

Produkt abhängig, das man anbietet. Bei

einer stark standardisierten Software wird

ein fertig erstelltes Produkt mit überschau-

baren und planbaren Vertriebskosten ver-

marktet und das ist grundsätzlich einfacher

als bei Hardware.

FUTUR: Seit Ende letzten Jahres sind Sie Prä-

sident des Bundesverbandes der Deutschen

Gießerei-Industrie (BDG). Warum engagie-

ren Sie sich ehrenamtlich – auch in vielen

anderen Organisationen und Verbänden?

Flender: Zunächst einmal möchte ich sagen,

dass ich das ehrenamtliche Engagement

immer freiwillig und gern gemacht habe.

Gelegentlich wird man auch mal gebeten,

eine Aufgabe zu übernehmen. Wenn ich

das annehme, engagiere ich mich auch und

mache diese Aufgabe so gut wie möglich

und lasse mich auch in die Pflicht neh-

men. Es hat mir auch immer schon Freude

gemacht, in unterschiedlichen Netzwerken

mit interessanten Menschen zu kommunizie-

ren. Dabei habe ich auch Erkenntnisse und

Erfahrungen aus anderen Industrien und

Organisationen gesammelt, die sehr nützlich

für mich waren. Ich habe gerade beruflich

bisher auch viel Glück gehabt und möchte

nun auch gern meine Hilfe – wo gewünscht

und möglich – zur Verfügung stellen. Beson-

ders schön sind die Aufgaben, bei denen ich

in der Zusammenarbeit mit jungen Men-

schen nützlich sein kann.

»Als Unternehmer bin ich davon überzeugt, dass Innovationsfähigkeit der Schlüssel zu Wettbewerbs- fähigkeit und Wachstum ist. Für den Mittelstand ist Kooperation dabei ein zentrales Element. Nur im Schulterschluss zwischen Wirtschaft und Wis-senschaft, zwischen großen und kleinen Unterneh-men sowie gemeinsam mit Politik und Ministerien kann dies gelingen.«