Thesenpapier: Gegenrede gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit

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Gegenrede gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit (Götz Nordbruch, ufuq.de) Islam- und Muslimfeindlichkeit sind in der Gesellschaft weit verbreitet. Neuere Studien verweisen auf die Akzeptanz entsprechender Positionen unter Anhängern aller Parteien. So findet die Aussage „Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land“ nicht nur bei Wählern der AfD (85,9%), sondern auch bei jenen der SPD (47,8%), der CDU (45,7%), der Linken (37,7%) oder der Grünen (24,7%) große Zustimmung (Decker, Kiess, Brähler, Die enthemmte Mitte, Berlin 2016). Soziale Medien spielen für die Verbreitung islamfeindlicher Positionen eine wichtige Rolle. Diese beschränkt sich nicht auf die Kommunikation rassistischer Ressentiments und die wechselseitige Bestätigung der Kommentatoren, sondern beinhaltet auch eine mobilisierende Wirkung im Alltagshandeln. Beispielshaft dafür stehen Facebook-Seiten wie „Halal challenge“, auf denen islamfeindliche Aktionen u.a. gegen den Verkauf von halal-Lebensmitteln in Supermarktketten dokumentiert werden und zugleich zum Nachahmen aufgerufen wird. Islamfeindlichkeit als eine Form rassistischer Diskriminierung dient der Rechtfertigung von Ausgrenzung von Muslimen – oder von Menschen, die als Muslime wahrgenommen werden – und prägt damit deren Alltag und deren Positionierung gegenüber der Gesellschaft. So lässt sich am Beispiel der Sarrazin-Debatte der negative Einfluss entsprechender Positionen auf das Selbstverständnis vieler Muslime nachzeichnen. Soziale Medien sind ein wichtiges Forum, um islamfeindlichen Positionen entgegenzuwirken und Muslime im Umgang mit Rassismus zu stärken. In dem Projekt „Was postest Du? Politische Bildung mit jungen Muslim_innen online“ haben wir verschiedene Ansätze der Gegenrede ausprobiert: 1. Antimuslimischen Rassismus benennen und sichtbar machen! Jugendliche beklagen häufig einen Mangel an öffentlichem Interesse an rassistischen Diskriminierungen und islamfeindlichen Übergriffen. Vor diesem Hintergrund bieten soziale Medien die Möglichkeit, entsprechende Erfahrungen abzubilden und in die öffentliche Diskussion einzubringen. Hinweise auf Berichte über Angriffe auf Moscheen oder Diskriminierungen von Frauen mit Kopftuch bei der Jobsuche stehen für eine Anerkennung der Probleme, mit denen Muslime im Alltag konfrontiert sind – und bieten die Möglichkeit, über Handlungsoptionen aufzuklären und Umgangsweisen zu entwickeln. 2. Aufklärung gegen Ressentiments?! Vorurteile basieren vielfach auf einer verzerrten Wahrnehmung und einer Verallgemeinerung von Beobachtungen. In Diskussionen in sozialen Medien lassen sich Hintergrundinformationen und Berichte über den Islam und die Lebenswelten von Muslimen einbringen, die dem Bild einer homogenen, statischen und rückständigen Religion widersprechen. Ziel ist es dabei, die Vielfalt islamischer Glaubensvorstellungen und –praktiken sichtbar zu machen und damit der Vorstellung eines fixen Glaubens, der seit dem 7. Jahrhundert unverändert bestehe, entgegenzuwirken. Dabei ist auch klar, dass sich islamfeindliche Positionen gerade bei Menschen mit geschlossenen rassistischen Weltbildern nicht mit rationalen Argumenten widerlegen lassen. Dennoch

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GegenredegegenIslam-undMuslimfeindlichkeit(GötzNordbruch,ufuq.de)Islam-undMuslimfeindlichkeitsindinderGesellschaftweitverbreitet.NeuereStudienverweisenaufdieAkzeptanzentsprechenderPositionenunterAnhängernallerParteien.SofindetdieAussage„DurchdievielenMuslimehierfühleichmichmanchmalwieeinFremderimeigenenLand“nichtnurbeiWählernderAfD(85,9%),sondernauchbeijenenderSPD(47,8%),derCDU(45,7%),derLinken(37,7%)oderderGrünen(24,7%)großeZustimmung(Decker,Kiess,Brähler,DieenthemmteMitte,Berlin2016).SozialeMedienspielenfürdieVerbreitungislamfeindlicherPositioneneinewichtigeRolle.DiesebeschränktsichnichtaufdieKommunikationrassistischerRessentimentsunddiewechselseitigeBestätigungderKommentatoren,sondernbeinhaltetaucheinemobilisierendeWirkungimAlltagshandeln.BeispielshaftdafürstehenFacebook-Seitenwie„Halalchallenge“,aufdenenislamfeindlicheAktionenu.a.gegendenVerkaufvonhalal-LebensmittelninSupermarktkettendokumentiertwerdenundzugleichzumNachahmenaufgerufenwird.IslamfeindlichkeitalseineFormrassistischerDiskriminierungdientderRechtfertigungvonAusgrenzungvonMuslimen–odervonMenschen,diealsMuslimewahrgenommenwerden–undprägtdamitderenAlltagundderenPositionierunggegenüberderGesellschaft.SolässtsichamBeispielderSarrazin-DebattedernegativeEinflussentsprechenderPositionenaufdasSelbstverständnisvielerMuslimenachzeichnen.SozialeMediensindeinwichtigesForum,umislamfeindlichenPositionenentgegenzuwirkenundMuslimeimUmgangmitRassismuszustärken.IndemProjekt„WaspostestDu?PolitischeBildungmitjungenMuslim_innenonline“habenwirverschiedeneAnsätzederGegenredeausprobiert:1. AntimuslimischenRassismusbenennenundsichtbarmachen!JugendlichebeklagenhäufigeinenMangelanöffentlichemInteresseanrassistischenDiskriminierungenundislamfeindlichenÜbergriffen.VordiesemHintergrundbietensozialeMediendieMöglichkeit,entsprechendeErfahrungenabzubildenundindieöffentlicheDiskussioneinzubringen.HinweiseaufBerichteüberAngriffeaufMoscheenoderDiskriminierungenvonFrauenmitKopftuchbeiderJobsuchestehenfüreineAnerkennungderProbleme,mitdenenMuslimeimAlltagkonfrontiertsind–undbietendieMöglichkeit,überHandlungsoptionenaufzuklärenundUmgangsweisenzuentwickeln.2. AufklärunggegenRessentiments?!VorurteilebasierenvielfachaufeinerverzerrtenWahrnehmungundeinerVerallgemeinerungvonBeobachtungen.InDiskussioneninsozialenMedienlassensichHintergrundinformationenundBerichteüberdenIslamunddieLebensweltenvonMuslimeneinbringen,diedemBildeinerhomogenen,statischenundrückständigenReligionwidersprechen.Zielistesdabei,dieVielfaltislamischerGlaubensvorstellungenund–praktikensichtbarzumachenunddamitderVorstellungeinesfixenGlaubens,derseitdem7.Jahrhundertunverändertbestehe,entgegenzuwirken.Dabeiistauchklar,dasssichislamfeindlichePositionengeradebeiMenschenmitgeschlossenenrassistischenWeltbildernnichtmitrationalenArgumentenwiderlegenlassen.Dennoch

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könnensieAnstoßsein,umdieseBilderzuirritierenunddamiteinerVerfestigungvonRessentimentsvorzubeugen.3.„Normalität“abbilden–aberwie?WennesinMedienberichtenumIslamundumMuslimegeht,stehenoftKonflikteundProblemeimMittelpunkt.DerAlltagvonMuslimeninderGesellschaftgerätdabeiausdemBlick.SozialeMedienbietendieChance,dieseAlltäglichkeitundSelbstverständlichkeitdurchdenHinweisaufKommentare,ErzählungenoderPerspektivenvonMuslimensichtbarzumachen.DabeigehtesnichtalleinumdasSichtbarmachenvonMuslimenalsMuslime,sondernauchumderenSelbstverständnissealsBürger,alsStudentenoderBürokauffrau,alsMitgliedeinesSportvereinsoderalsAktivistinineinerUmweltgruppe.MittlerweilegibteszahlreicheOnline-AngebotevonMuslimen,diesichinGesprächeundDiskussionenalsalternativePerspektiveneinbringenlassen.

4. JungeMuslimeempowernIslamfeindlichenEinstellungenundDiskriminierungenentgegenzuwirkenisteineAufgabederganzenGesellschaft.Dennochisteswichtig,geradeauchjungeMuslimeinderAuseinandersetzungmitIslamfeindlichkeitzustärkenundihnenHandlungsmöglichkeitenaufzuzeigen.AuchhierbietensozialeMedieneinewichtigeMöglichkeit,umeigeneWahrnehmungenundErfahrungeneinzubringenundeigeneInteressenundBedürfnissesichtbarzumachen–unddamitaucheineDiskussionüberdiesePerspektiveneinzufordern.DiesbedeutetinderpädagogischenArbeitauch,Parteizuergreifen,woInteressenvonjungenMuslimenausgeblendetoderbestrittenwerden,undsiedarinzubestärken,sichgeradeauchdorteinzubringen,woihreMeinungensonstzukurzkommen.