Thomas Wörz Presse

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Psychische & physische Grenzgänge ANALYSE. Psychotherapeut Thomas Wörz über mentale Belastungen. DERDRUCK. Die körperlichen Herausforderungen, der Druck von außen, die eigenen Er- wartungen, das Umgehen mit Rückschlägen - wie groß ist die psychische Belastung eines Skirennläufers? Die Wahrheit ist: Jene, die bei der WM um Medaillen fahren, haben längst gelernt, mit diesen Faktoren gut umzugehen. Wesentlich größer ist die Herausforderung für Nachwuchsläufer, weiß Psy- chotherapeut Thomas Wörz. DASUMFELD. "Auf dem Weg an die Spitze macht man ein ziem- liches Szenario mit", sagt Wörz. "Die Gesamtbelastung ist enorm, Lehrer, Trainer, Eltern - jeder will aus dem Sportler das Maximum herausholen. Sein gesamtes Umfeld versucht ihn in eine Richtung zu bringen." Der Sportler ist vor allem Fremdinteressen ausgesetzt. Zu glauben, dass er aus- schließlich seine eigenen Ziele verfolgt, sei oft ein trügerisches Selbstbild, so Wörz. Wenn Ta- lente mit dem Druck nicht um- gehen können, äußert sich das auch durch eine erhöhte Verlet- zungsanfälligkeit und Dropout. PRÄGUNG.Thomas Wörz plädiert tür mehr Selbstbestimmung. . DASZIEl."Die Herausforderung ist, sich von all diesen Faktoren zu befreien, um selbstbestimmt zu sein. Die wenigen, die das Umfeld zu ihren Gunsten nüt- zen können, schaffen es auch ganz nach oben", sagt der Sportwissenschaftler, der unter anderem Marlies Schild be- treut. "Es ist ein permanenter Kampf nach Unabhängigkeit." DERSELBSTWERT. Ein Rennfahrer muss sich extrem überwinden, über Grenzen gehen, hart trainieren. Und er muss eine Begeisterung am Wettkampf haben. Diese Freude kann ein Sportler verlieren, wenn er sich nur über die Leistung definiert beziehungsweise von außen nur über Ergebnisse bewertet wird. Das führt zu einem inne- ren Dauerstress. "Es wird dem Athleten vermittelt: Wenn du es nicht schaffst, wirst du nicht akzeptiert. Im Grunde eine to- tale Entwertung", sagt Wörz. Umso wichtiger ist ein funktio- nierendes soziales Umfeld au- ßerhalb des Sports. Dieses zu pflegen gestaltet sich gerade im Skizirkus wegen der vielen Reisen schwer. DIESUCHT. Der Mensch versucht stets, mit Problem situationen umzugehen. Wer sie bewältigt, fühlt sich gut. Bei einem Spit- zensportler spielen sich diese Aufs und Abs in viel extreme- ren Bereichen ab. "Es treten bei der Ausführung des Sports durchaus intensive Glückszu- stände ein. Der Erfolg ist ein zusätzlicher Verstärker", so Wörz. Und diese Kombination macht am Ende abhängig. UNFALLCHIRURG ARTUR TROST: ,An körperliche Spätfolgen denkt keiner.' KEINEAUSNAHME. Die Sicherheits- diskussion im Skizirkus hat nach dem Unfall von Hans Grugger einen Höhepunkt er- reicht, doch Unfallchirurg Artur Trost, der Arzt, der Hermann Maiers Bein nach dessen Mo- torradunfall rettete, relativiert die Gefährlichkeit des Skirenn- sports: "In fast allen Sportarten passieren Unfälle und schwere Verletzungen. Der Skisport steht in Österreich sehr im Rampenlicht, deswegen fällt es mehr auf." KRITIKAMSYSTEM. Innerhalb des Skirennsports sei das Risiko bei Speedbewerben natürlich wesentlich höher als bei tech- 92 HARTEWORTE. Sportmediziner Artur Trost macht kein Hehl aus den Folgen der Höchst- beanspruchung von Knochen, Bändern und Knorpeln. nischen. Der Sporttraumato- loge kritisiert, dass Rennläufer im Nachwuchsbereich oft da- zu angehalten würden, alle Dis- ziplinen zu fahren, auch wenn sie dafür nicht geeignet sind. Damit steige auch das Verlet- zungsrisiko. "Die Weltcupläufer können es sich dann richten. Sie wissen, auf was sie sich einlassen", sagt Trost. ABNÜTlUNGSERSCHEINUNGEN. Worüber kaum ein Hochleistungssport- ler nachdenken will, sind die Spätfolgen. "Alle zahlen ihren Preis", sagt Trost. "Aber eben erst zehn, fünfzehn Jahre nach der Karriere. Ich habe Röntgen- bilder von Knien dreißigjähriger Skifahrer gesehen, bei denen klar ist, dass sie frühzeitig Pro- thesen bekommen werden." .,. Womit sich der Kreis schließt: dem Skirennsport hat Lizz Görgl von klein auf alles andere untergeordnet. Und das ist bis heute so ge- blieben. Görgl: "Skirennfah- ren ist mein Beruf, und ich versuche jeden Tag, meine Ar- beit so gut wie möglich zu er- ledigen." Dass sie ihre große Leidenschaft zu ihrem Beruf machen konnte, empfindet die Doppelweltmeisterin als "großes Glück". Abnabelungsprozess. Görgis Eltern - der Vater war Religi- onslehrer und Psychothera- peut - haben seinerzeit einen Kredit von rund 100.000Euro aufgenommen, um die sport- liche und schulische Ausbil- dung ihrer Tochter und ihres um drei Jahre älteren Bruders Stephan in der Ski-Eliteschule Stams zu finanzieren. Die Kin- der haben später die Rückzah- lung des Kredits übernom- men. Der Abnabelungspro- zess von zuhause war spätes- tens mit der Übersiedlung in eine eigene Wohnung in Inns- bruck abgeschlossen. Auch die Fragen nach der erfolg- reichen Mutter wurden mit der Zeit immer weniger. Es gibt nicht viele Kinder von ehemaligen Spitzenrenn- läufern im Skizirkus, die in die Fußstapfen ihrer Eltern treten: Hansi Hinterseer zum Beispiel kämpfte seinerzeit nicht nur zwischen den Sla- lomtoren, sondern auch gegen seinen "Übervater" Ernst Hinterseer, den Slalom-Olym- piasieger von 1960. Und auch der gebürtige Garmisch-Par- tenkirchner Felix Neureuther ~ wird seit seinem Einstieg in ~ den Skirennsport beharrlich ~ an seiner Mutter Rosi Mitter- ~ maier, der Doppelolympiasie- ~ gerin 1976, und seinem Vater i Christian gemessen, zu seiner ~ Zeit einer der weltbesten Sla- '" lomrennläufer der Welt. ~ Umso bemerkenswerter, ~ mit welcher Hingabe Elisa- ! beth Görgl trotz aller Rück- ~ schläge unbeirrt an ihren Kar- ; rierezielen festgehalten hat. E Deshalb verliert sie auch in - NEWS 07/11

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Psychische & physische GrenzgängeANALYSE. Psychotherapeut Thomas Wörz über mentale Belastungen.

DERDRUCK.Die körperlichenHerausforderungen, der Druckvon außen, die eigenen Er-wartungen, das Umgehen mitRückschlägen - wie groß istdie psychische Belastung einesSkirennläufers? Die Wahrheitist: Jene, die bei der WM umMedaillen fahren, haben längstgelernt, mit diesen Faktorengut umzugehen. Wesentlichgrößer ist die Herausforderungfür Nachwuchsläufer, weiß Psy-chotherapeut Thomas Wörz.

DASUMFELD."Auf dem Weg andie Spitze macht man ein ziem-liches Szenario mit", sagt Wörz."Die Gesamtbelastung istenorm, Lehrer, Trainer, Eltern -jeder will aus dem Sportler dasMaximum herausholen. Seingesamtes Umfeld versucht ihnin eine Richtung zu bringen."Der Sportler ist vor allemFremdinteressen ausgesetzt.Zu glauben, dass er aus-schließlich seine eigenen Zieleverfolgt, sei oft ein trügerischesSelbstbild, so Wörz. Wenn Ta-lente mit dem Druck nicht um-gehen können, äußert sich dasauch durch eine erhöhte Verlet-zungsanfälligkeit und Dropout.

PRÄGUNG.Thomas Wörz plädierttür mehr Selbstbestimmung. .

DASZIEl. "Die Herausforderungist, sich von all diesen Faktorenzu befreien, um selbstbestimmtzu sein. Die wenigen, die dasUmfeld zu ihren Gunsten nüt-zen können, schaffen es auchganz nach oben", sagt derSportwissenschaftler, der unteranderem Marlies Schild be-treut. "Es ist ein permanenterKampf nach Unabhängigkeit."

DERSELBSTWERT.Ein Rennfahrermuss sich extrem überwinden,

über Grenzen gehen, harttrainieren. Und er muss eineBegeisterung am Wettkampfhaben. Diese Freude kann einSportler verlieren, wenn er sichnur über die Leistung definiertbeziehungsweise von außennur über Ergebnisse bewertetwird. Das führt zu einem inne-ren Dauerstress. "Es wird demAthleten vermittelt: Wenn dues nicht schaffst, wirst du nichtakzeptiert. Im Grunde eine to-tale Entwertung", sagt Wörz.Umso wichtiger ist ein funktio-nierendes soziales Umfeld au-ßerhalb des Sports. Dieses zupflegen gestaltet sich geradeim Skizirkus wegen der vielenReisen schwer.

DIESUCHT.Der Mensch versuchtstets, mit Problem situationenumzugehen. Wer sie bewältigt,fühlt sich gut. Bei einem Spit-zensportler spielen sich dieseAufs und Abs in viel extreme-ren Bereichen ab. "Es tretenbei der Ausführung des Sportsdurchaus intensive Glückszu-stände ein. Der Erfolg ist einzusätzlicher Verstärker", soWörz. Und diese Kombinationmacht am Ende abhängig.

UNFALLCHIRURG ARTUR TROST: ,An körperliche Spätfolgen denkt keiner.'

KEINEAUSNAHME.Die Sicherheits-diskussion im Skizirkus hatnach dem Unfall von HansGrugger einen Höhepunkt er-reicht, doch Unfallchirurg ArturTrost, der Arzt, der HermannMaiers Bein nach dessen Mo-torradunfall rettete, relativiertdie Gefährlichkeit des Skirenn-sports: "In fast allen Sportartenpassieren Unfälle und schwereVerletzungen. Der Skisportsteht in Österreich sehr imRampenlicht, deswegen fälltes mehr auf."

KRITIKAMSYSTEM.Innerhalb desSkirennsports sei das Risikobei Speedbewerben natürlichwesentlich höher als bei tech-

92

HARTEWORTE.Sportmediziner

Artur Trost machtkein Hehl aus den

Folgen der Höchst-beanspruchung von

Knochen, Bändernund Knorpeln.

nischen. Der Sporttraumato-loge kritisiert, dass Rennläuferim Nachwuchsbereich oft da-zu angehalten würden, alle Dis-ziplinen zu fahren, auch wennsie dafür nicht geeignet sind.Damit steige auch das Verlet-zungsrisiko. "Die Weltcupläuferkönnen es sich dann richten.Sie wissen, auf was sie sicheinlassen", sagt Trost.

ABNÜTlUNGSERSCHEINUNGEN.Worüberkaum ein Hochleistungssport-ler nachdenken will, sind dieSpätfolgen. "Alle zahlen ihrenPreis", sagt Trost. "Aber ebenerst zehn, fünfzehn Jahre nachder Karriere. Ich habe Röntgen-bilder von Knien dreißigjährigerSkifahrer gesehen, bei denenklar ist, dass sie frühzeitig Pro-thesen bekommen werden."

.,. Womit sich der Kreisschließt: dem Skirennsporthat Lizz Görgl von klein aufalles andere untergeordnet.Und das ist bis heute so ge-blieben. Görgl: "Skirennfah-ren ist mein Beruf, und ichversuche jeden Tag, meine Ar-beit so gut wie möglich zu er-ledigen." Dass sie ihre großeLeidenschaft zu ihrem Berufmachen konnte, empfindetdie Doppelweltmeisterin als"großes Glück".

Abnabelungsprozess. GörgisEltern - der Vater war Religi-onslehrer und Psychothera-peut - haben seinerzeit einenKredit von rund 100.000Euroaufgenommen, um die sport-liche und schulische Ausbil-dung ihrer Tochter und ihresum drei Jahre älteren BrudersStephan in der Ski-EliteschuleStams zu finanzieren. Die Kin-der haben später die Rückzah-lung des Kredits übernom-men. Der Abnabelungspro-zess von zuhause war spätes-tens mit der Übersiedlung ineine eigene Wohnung in Inns-bruck abgeschlossen. Auchdie Fragen nach der erfolg-reichen Mutter wurden mitder Zeit immer weniger.Es gibt nicht viele Kinder

von ehemaligen Spitzenrenn-läufern im Skizirkus, die indie Fußstapfen ihrer Elterntreten: Hansi Hinterseer zumBeispiel kämpfte seinerzeitnicht nur zwischen den Sla-lomtoren, sondern auch gegenseinen "Übervater" ErnstHinterseer, den Slalom-Olym-piasieger von 1960. Und auchder gebürtige Garmisch-Par-tenkirchner Felix Neureuther ~wird seit seinem Einstieg in ~den Skirennsport beharrlich ~an seiner Mutter Rosi Mitter- ~maier, der Doppelolympiasie- ~gerin 1976, und seinem Vater iChristian gemessen, zu seiner ~Zeit einer der weltbesten Sla- '"lomrennläufer der Welt. ~

Umso bemerkenswerter, ~mit welcher Hingabe Elisa- !beth Görgl trotz aller Rück- ~schläge unbeirrt an ihren Kar- ;rierezielen festgehalten hat. E

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