TIBIA · Magazin für Holzbläser 29. Jahrgang · Heft 1/2004 · 2019. 12. 19. · tiBia 1/2004 1...

84

Transcript of TIBIA · Magazin für Holzbläser 29. Jahrgang · Heft 1/2004 · 2019. 12. 19. · tiBia 1/2004 1...

  • tiBia 1/2004 1

    TIBIA · Magazin für Holzbläser 29. Jahrgang · Heft 1/2004

    Editorial 2

    David Lasocki: ein Überblick über die Blockflöten-forschung 2001, teil 2 3

    Das Porträt: Baldrick deerenbergCordula Caso im Gespräch mit dem bekannten Blockflötisten und Blockflötenbauer 9

    Heinz Ecker: die Harmoniemusik von Franz Krommer (1759 – 1831) 15

    Antje Gerlof und Wiebke Schuler: einführung in die techniken der neuen Musik für anfänger und Fortgeschrittene auf der Querflöte 25

    Nancy Hathaway: auf der Suche nach der Blockflötenmusik von Benjamin Britten 31

    Christian Schneider: die instrumentensammlung des royal College in london 37

    Anton Schneider: Mondphasenholz – was ist dran? 40

    Summaries 42

    Berichte

    Lucia Mense: 3. internationale Blockflötentage engelskirchen 43

    Dörte Nienstedt: der Große Bremer Blockflötentag 46

    Gudula Rosa: Straßenkinderprojekt im Kongo 48

    Bettina Haugg: aspect 2003 „…a tre voci …“, Weikersheim 50

    Dorit Peschel: 1. erlanger Blockflötentag 51

    Frisch aus der Quelle 54

    Rezensionen

    Bücher 56

    noten 57

    tonträger und aV-Medien 69

    ERTA aktuelle Verbandsnachrichten der european recorder teachers association 72

    Leserforum 74

    Neues aus der Holzbläserwelt 75

    Veranstaltungen 78

    Impressum 80

    TIBIA-Kunstbeilage: Georges Braque (1882 – 1965), Violine und Klarinette (1913), Öl auf leinwand, 55 x 43 cm, narodni Museum, Prag

    Diese Ausgabe enthält folgende Beilage: Musikverlag Bornmann, Schönaich

  • Verehrte leserinnen und leser,tiBia hat ein neues Gesicht bekommen. Wir fanden,dass es an der Zeit war, das layout übersichtlicherund frischer zu gestalten.

    die vier Gelben Seiten inmitten des Heftes, die fürdidaktische themen vorgesehen waren, finden Sie indieser Form nicht mehr. es ist schon nicht leicht,überhaupt über instrumentale techniken, Methodenund interpretationsansätze zu schreiben – alles lässtsich viel leichter im unterricht erklären – dies aberauf exakt 4 Seiten zu tun, ist fast unmöglich. Wirwollen deshalb allerdings nicht etwa auf aufsätze mitdiesen praxis nahen themen verzichten. Ganz im Ge-genteil wollen wir sie in der dem jeweiligen themaangemessenen länge (oder Kürze) bringen. in die-sem Heft erläutern z. B. antje Gerlof und WiebkeSchuler (auf 6 Seiten!) die einführung in die techniken der neuen Musik für anfänger undFortgeschrittene auf der Querflöte.

    die rubrik Nachrichten ist aufgeteilt worden inNeues aus der Holzbläserwelt und Veranstaltungen.So ist ein schneller Überblick einfacher geworden.

    eine Fachzeitschrift zu halten ist für jeden ernst -haften Musiker notwendig. Wir hoffen, dass es unsgelungen ist, ihnen das lesen der ja nicht immer einfachen aufsätze in tiBia so angenehm und un-terhaltsam wie möglich zu machen.

    ein schönes Jahr 2004wünscht ihnen ihretiBia-Schriftleitung

    Editorial

  • tiBia 1/2004 3

    for the Common Flute; laborde, Essai sur la mu-sique ancienne et moderne (Paris, 1780); Ency-clopédie méthodique (Paris, 1788). das Projektist soweit außerordentlich hilfreich, leider fehlenjedoch Matthyszoon, Banister, Huygens, talbot,Speer, douwes, der Blockflötenteil von Freil-lon-Poncein (ein kurioses Versäumnis), Stanes-by, Berlin, Minguet é irol, reynvaan und Swaine. außer mit dem Wort „quatre“ auf dertitelseite wird nirgendwo in den drei Bändenein vierter erwähnt, ob nun bereits fertiggestelltoder in aussicht genommen. Selbst FuzeausWebsite bietet die drei Bände als eine einheit an.auf der französischen e-Mail-Blockflötenlistekursieren allerdings Gerüchte, wonach ein vier-ter Band tatsächlich in Vorbereitung ist. Hoffenwir also, falls dem so ist, dass dieser die lückenfüllt. (Flûte à bec: Quatre volumes réalisés parSusi Möhlmeier et Frédérique thouvenot, 3Bände, Méthodes & traités 8, Courlay (F) 2001,J. M. Fuzeau)

    Weiters taucht „neues“ unterrichtsmaterial ausdem 18. Jahrhundert auf. Ewald Henseler be-richtet von seinem in Japan gemachten Fund,New and Complete Instructions for the CommonFlute, Containing the Easiest &Most ApprovedMethods for Learners to Play (G. Goulding, lon-don 1794), erschienen 14 Jahre nach der „letzten“

    bisher bekannten anlei-tung des Jahrhunderts,sowie Al de toonen vande fluyt abec volgens dennieuwen trant (arnol-dus olofsen, amster-dam um 1734-1767), daseine Grifftabelle ist undaußerdem eine Samm-lung holländischer du -ette enthält. (Zwei unbe-kannte Grifftabellen? in:Tibia, Jg. 26, nr. 1/2001,S. 384-385.)

    dieser vierzehnte Bericht einer reihe behandeltBücher und artikel, die im Jahre 2001 erschie-nen sind und unsere Kenntnisse über die Block-flöte, ihre Hersteller und Spieler, aufführungs-praxis und technik, ihr repertoire sowie ihredarstellung in Kunstwerken der Vergangenheitoder Gegenwart bereichern. einige unerwähntgebliebene Publikationen früherer Jahre sindebenfalls vertreten.

    Aufführungspraxis und Technik

    der französische Verlag J. M. Fuzeau hat dreiBände veröffentlicht, in denen anscheinend ver-sucht werden soll, Faksimiles aller Blockflöten-schulen und relevanten auszüge aus abhand-lungen aus renaissance, Barock und Klassikzusammenzutragen. Zum inhalt: Band 1: ano -nymous, um 1510; Virdung; Ganassi; agricola;Jambe de Fer; Virgiliano; Praetorius; Mersenne;trichet; Band 2: Blankenburg; Jacob van eyck,Der fluyten lust-hof; Bismantova; Hudgebut;Salter; Carr; loulié; The Compleat Flute-Mas-ter; Band 3: Freillon-Poncein (nur der Flageo-lettbereich); Sébastien de Brossard, Dictionnairede musique (Paris, 1703); The Fifth Book of theNew Flute Master; Hotteterre, Principes; Hotte-terre, L’art de preluder; Schickhardt; The Com-pleat Musick-Master;Weigel, Musicum thea-trum (um 1722); Direc-tions for Playing on theFlute; Majer; eisel;tans’ur; The CompleatTutor for the Flute;Garsault, Notionnaireou Mémorial raisonné(Paris, 1761); Francoe-ur, Diapason général detous les instruments àvent (Paris, 1772);Compleat Instructions

    David Lasocki, Musikbib -liothekar an der indiana uni-versity (uSa), schreibt überHolzblasinstrumente, ihreGeschichte, ihr repertoireund ihre aufführungspraxis.die zweite ausgabe seinerkommentierten Bibliogra-phie der Veröffentlichungenüber die Blockflöte, nun mit

    dem titel The Recorder: A Research and InformationGuide (mit richard Griscom) erschien im März 2003bei routledge, new York. eine vollständige liste sei -ner Publikationen: http://php.indiana.edu/~lasocki.

    David LasockiEin Überblick über die Blockflötenforschung 2001, Teil 2Was in Publikationen aus aller Welt über die Blockflöte geschrieben wurde

  • 4 tiBia 1/2004

    David Lasocki

    Patricia M. Ranum beriet Les Arts Florissants1998 bei den Proben zu einer aufführung vonlullys Thésée.dabei pro pagierte sie eine annä-herung an die französische artikulation, die vonSprache und rhetorik ausgeht. Sie rät Blockflö-tisten dazu, ihr Schulwissen zu vergessen undsich stattdessen auf den Sprachfluss franzö -sischer deklamation zu konzentrieren: „umfranzösisch zu klingen, muss ein Stück denrhythmus und die Phrasierung rezitierter fran-zösischer dichtung übernehmen. außerdemmuss der Musiker sein Stück in eine kleine redeverwandeln können.“ Sie beschreibt vier Grund-prinzipien der französischen Phrasierung: 1. „imFranzösischen fließt die lyrik (entsprechend die tonfolgen) über die taktstriche hinweg.“ 2. „Wortgruppen (Versfüße) enden auf einer,langen‘ Silbe.“ 3. „die letzte lange Silbe einerWortgruppe fällt normalerweise auf eine Zähl-zeit, die als ,stark’ oder auch ,gut‘ bezeichnetwird.“ 4. „die unmittelbar vor diesem ruhe-punkt befindliche Silbe fällt natürlich auf eine,schwache‘, ,schlechte‘ note, einen auftakt.“dann zeigt ranum, wie diese vier Prinzipien aufdie Musiknotation übertragen und im Spiel um-gesetzt werden können. in der französischenMusik unterscheidet sie drei Kategorien unter-schiedlicher notationsweisen (genau gleiche,punktierte und „kleine“ notenwerte, die sichzur Behandlung als „notes inégales“ anbieten)sowie die entsprechenden affekte. „notes iné-gales“ sollten „irgendwo zwischen absoluterGleichheit und ungleichheit angesiedelt sein.“Von der „Geschmacksrichtung“ des Stückessollte es abhängen, inwieweit der Blockflötistdas Prinzip der ungleichheit berücksichtigt. alsHilfestellung in dieser Frage fügt ranum eine„Geschmacks-Checkliste“ bei. abschließendwendet sie ihre theorie auf zwei Stücke ausHotteterres Suiten op. 2 an. (French Articulation:The Lessons of Thésée, in: American Recorder,Jg. 42, nr. 1, Januar 2001, S. 6-13; siehe auch ranums wichtiges Werk The Harmonic Orator:The Phrasing and Rhetoric of the Melody inFrench Baroque Airs, Hillsdale (nY) 2001, Pen-dragon Press.)

    Gutes unterrichtsmaterial muss nicht unbedingtJahrhunderte alt sein. Philipp Tenta regt an, das

    offizielle Beatles Songbook und die entsprechen-de „100%ig authentische“ aufnahme als Vorbildfür die ausführung barocker Sonaten zu benut-zen. John lennon und Paul McCartney weichenvom notentext ab – natürlich wurde die auf-nahme gemacht, ehe die transkription zuVeröffent lichungszwecken entstand, aber egal –und sie singen unterschiedlichste Verzierungenoder nicht ganz im unisono, manchmal fügen sieauch eine zweite, nicht notierte Melodieliniehinzu. (‘From Me To You With Love’... PhilippTenta nimmt eine Blockflötenlektion mit Johnund Paul, in: Windkanal 3/2001, S. 10-11.)

    durch seine arbeit als leiter von Blockflöten -ensembles ist Theo Wyatt aufgefallen, dass dieSopranblockflöten ständig zu laut sind. dies seidarauf zurückzuführen, dass „das Spiel der So-pranblockflöte eine völlig unnatürliche angele-genheit“ darstellte, welche ausatmung bei sehrgeringem druck und in wesentlich langsameremtempo als bei der natürlichen atmung erfordert.die präzise, ausdauernde Spannung zwischenBauchmuskulatur und Zwerchfell in Kombina-tion mit reduzierter luftabgabe führt natür -licherweise zu körperlichem unbehagen. „die-jenigen, denen es tatsächlich gelingt, dieerfordernisse des Körpers denen der Musik zuunterwerfen, sind wahrlich musikalische Märty-rer, und ihnen ist ein ehrenplatz im Paradies sicher.“(The Unnatural Descant, in: RecorderMagazine, Jg. 21a [recte 21], nr. 4, Winter 2001,S. 146-47.)

    Peter G. R. Wells hebt hervor, dass Griffe auf dieBesonderheiten des individuellen instrumentsabgestimmt werden müssen und es keine „kor-rekte“ Griffweise für einen bestimmten tongibt. Griffe können abgewandelt werden, um ei-ne Veränderung der Klangfarbe, des affektesoder der Stimmung zu erzielen. Blockflötistennutzen zwar meist alternative Griffe, um dieausführung von trillern zu erleichtern, diesesind jedoch auch ein wichtiges Hilfsmittel dazu,die tonartencharakteristik und das Grundgefühleines Werkes zur Geltung zu bringen. Wellszeigt an einigen Beispielen, wie alternativgriffegenutzt werden können, um die Klangfarbe ei-nes tones zu verändern, unisoni bezüglich der

  • tiBia 1/2004 5

    Blockflötenforschung 2001

    Stimmung zu verbessern und enharmonischeVerwechslungen zu berücksichtigen. abschlie-ßend zeigt er, wie man sich durch Verwendungvon Gabelgriffen und Hinzufügen von Fingernunterhalb des tiefsten gegriffenen tonloches so-wie durch nutzung der obertöne anderer tönealternativen schaffen kann. (Giving the FingersII: Fingering for Expressive Purposes in the Music of the Baroque, in: Recorder Magazine, Jg. 21a [recte 21], nr. 1, Frühjahr 2001, S. 8-11.)

    eine frühere Schülerin Michala Petris, Julie PiHedeboe, gibt eines der Geheimnisse um Petrisbemerkenswerte technik preis: das Öffnen desdaumenloches an der unterseite. (Über denDaumen gepeilt. Beobachtungen zu Michala Petris Daumentechnik, in: Windkanalnr. 2/2001,S. 20-21.)

    die unverzichtbare Frage nach gut gestimmtemZusammenspiel im Blockflötenensemble macht Gisela Rothe zu ihrem thema. Zunächst ver-mittelt sie die nötigen akustischen Hintergrund-informationen. dann wartet sie mit vier„Grundregeln“ der intonation auf, darunter deridee der „Chamäleon-töne“, deren tonhöhesich ihrer Funktion innerhalb eines akkordesanpasst, und stellt einige intonationsübungen inGrundzügen vor. (Intonation im Blockflöten-Ensemble, in: Windkanal nr. 2/2001, S. 24-29;3/2001, S. 22-28. eine ausführlichere Fassung ist bei Mollenhauer (Fulda) als nr. 3 der SerieArbeitsblätter für den Blockflötenunterricht er-schienen.)

    Historische Instrumente

    die Sammlung von Kleininstrumenten im deanCastle in Kilmarnock (Schottland) enthält eininstrument aus elfenbein, das als „Sopranino-Blockflöte, 18. Jahrhundert“ beschrieben wird.es handelt sich um eine seltene Sopranblock -flöte aus dem 17. Jahrhundert mit sehr hoherKammerton-Stimmung und enger Bohrung. dieSchweizer Blockflötistin Marianne Mezger be-schreibt, wie sie das instrument entdeckte. derdänische Blockflötenbauer Ture Bergstrømschildert die erkenntnisse, die er bei der Ver-

    messung der Flöte gewonnen hat. die „bizarreStimmung“ und die unprofessionell gebohrtentonlöcher deuten auf einen laienhaften instru-mentenbauer hin, die Wahl des Materials unddas komplexe Bohrungsprofil allerdings spre-chen gegen diese annahme. als Vorlage für einFlötenmodell eignet es sich seiner ansicht nachnur, weil Blockflöten aus der Übergangszeit soselten sind. (Die Kilmarnocker Flöte, in: Tibia,Jg. 26, nr. 1/2001, S. 386-387.)

    Arnold Myers, direktor und Kurator der edin-burgh university Collection of Historic Musicalinstruments, schreibt über eine im Jahre 2000 er-worbene tenorblockflöte aus elfenbein. dieBlockflöte mit dem Herstellerzeichen „!!“ unterdem Fenster datiert aus dem 16. oder frühen 17.Jahrhundert und wurde 1772 in der inventarlis-te des Markgrafen von Baden-Baden geführt.(ich habe nachgewiesen, dass das fragliche Her-stellerzeichen zur Bassano-Familie gehörte, diein london und Venedig tätig war.) Myers nenntzusammenfassend die Maße des instrumentes,ermittelt durch lerch und löbner, die auch einen nachbau aus mit aluminiumhydroxid angereichertem Polymethyl-Methacrylat her -gestellt haben. (A Renaissance Recorder in Edinburgh, in: Recorder Magazine, Jg. 21a [rec-te 21], nr. 3, Herbst 2001, S. 94-95; david la -socki mit roger Prior, The Bassanos: VenetianMusicians and Instrument Makers in England1531-1665, aldershot/Hampshire 1995, ScolarPress.)

    Für seine doktorarbeit hat Jan Bouterse eineneindrucksvollen, umfassenden Überblick überdie niederländischen Holzblasinstrumentenbau-er und deren erhaltene instrumente vorgelegt.noch nützlicher wird seine arbeit durch dasCd-rom-Format, das den Zugriff auf über2.500 (!) Farbillustrationen erlaubt. die disser-tation ist in holländischer Sprache verfasst undbietet eine Zusammenfassung und ein inhalts-verzeichnis in englischer Sprache. die Hauptka-pitel behandeln: 1. Quellen und Methodik, 2. Bi-ographien, 3. Herkunft, Bedeutung undBeziehungen von Herstellern, 4. listen erhalte-ner und verlorengegangener instrumente, 5.Produktion und Vertrieb der instrumente, 6.

  • 6 tiBia 1/2004

    David Lasocki

    Herstellerzeichen und inschriften, 7. Blockflö-ten, 8.-11. traversflöten, oboen und deutscheSchalmeien, Fagotte und rankette, Klarinetten.die anhänge verzeichnen: a. historische nie-derländische terminologie, B. frühere niederlän-dische Holzblasinstru mente, C. eine diskussionder ikonographischen Forschung und d. voll-ständige Beschreibungen und Maßangaben dererhaltenen instrumente. das Blockflötenkapitelist zunächst nach Größen und instrumententy-pen unterteilt (Sopraninos, third und Sixth Flu-tes, altblockflöten, tenor block flöten und VoiceFlutes, Bässe, Spazierstockflöten, doppelblock-flöten, Französische Flageolette), dann nachHerstellern (van aardenberg, Beukers, Boek -hout, Borkens, eerens, Haka, van Heerde, de Jager, Parent, roosen, rijkel, Steenbergen, terton, Wijne), mit einem zusammenfassendenÜberblick. eine englische Übersetzung ist inVorbereitung. (Nederlandse houtblasinstrumen-ten en hun bouwers 1660-1760 = Dutch Wood-wind Instruments and Their Makers 1660-1760(dissertation, universiteit utrecht 2001); Cd-roM erhältlich bei Huismuziek, MoederMagdalena straat 4, nl - 6109 rC ohé en laak.)

    Nikolaj Tarasov begibt sich, zusammen mit des-sen Kurator Martin Kirnbauer, auf einen „rund-gang“ durch das Musikinstrumentenmuseum Ba-sel (Schweiz), das nun in neuen räumlichkeiten inder altstadt untergebracht ist. die Sammlung be-herbergt nicht weniger als 650 historische Block-flöten. der artikel behandelt folgende Punkte: ei-ne doppelblockflöte von Christian Schlegel, „aufder man kleine Stücke in terzen spielen kann“;Bassblockflöten von Schlegel und Johann Chris-toph denner; Harlan- und dolmetsch-instru-mente aus dem frühen 20. Jahrhundert; eine el-fenbein-Sopranino von Johann Carl denner;zwei kleine elfenbeinerne Flageolette aus nürn-berg; der Wert des Buchsholzes im Barock; ton-höhe im Barock; geschnitzte instrumente aus demBarock; unterschiede zwischen historischenBlockflöten und modernen Kopien; Blockflötenund ähnliche instrumente aus der Zeit nach derMitte des 18. Jahrhunderts; und die Frage, ob Mu-seumsinstrumente gespielt und kopiert werdensollten. (Die Blockflötensammlung im Musikmu-seum Basel, in: Windkanalnr. 1/2001, S. 24-29.)

    Instrumentenkonstruktion, -restaurationund -wartung

    der französische Blockflötenhersteller PhilippBolton beschreibt die einzelnen Schritte beimBau einer Blockflöte, ausgehend von einemStück Buchs von etwa 10 cm durchmesser. Seinartikel trägt die witzige Überschrift Vom Baumzur Blockflöte (De l‘arbre à la flûte, Van boomtot fluit), in: Matière et musique: The Cluny En-counter: Proceedings of the European Encounteron Instrument Making and Restoration, Cluny1999, hrsg. von Claire Chevallier and Jos vanimmerseel, antwerpen 2000, labo 19, S. 113-120; kurze Zusammenfassung auf Boltons Web-site http://ourworld.compuserve.com/homepa-ges/philippe_bolton/Fabrication.html.

    der Schweizer Blockflötenbauer Heinz Am-mann hat seit mehr als 30 Jahren mit histori-schen instrumenten zu tun. er sagt, am meistenhabe ihn eine altblockflöte von thomas Stanes-by jr. beeinflusst, die in nahezu tadellosem Zu-stand erhalten war – mit dem reichsten ober-tonspektrum, das ihm je zu ohren gekommensei. Seiner ansicht nach muss der moderne Her-steller sich immer fragen: Was will ein original-instrument? Was für einen Charakter hat es? alte instrumente strahlen eine besondere Faszi-nation aus, weil die Zellstruktur ihres Holzessich über die Jahrhunderte verändert hat. diesführt zu einer weichen resonanz, die mit der„aggressiven“ Klangqualität neuer instrumentenichts gemein hat. im allgemeinen werdenBlockflöten mit zunehmendem alter besser.ammann lackiert die Bohrung seiner instru-mente, was den ton nicht verändert und dieBohrung widerstandsfähiger gegen Konden -sation macht. der artikel endet mit einemKlang-Vergleich verschiedener Holzarten. am-mann/tarasov (redaktion): Auf der Suche nachder Seele: Historische Blockflöten als Vorbilderim Blockflötenbau, in: Windkanal nr. 4/2001, S. 16-19.

    Motiviert durch die defizite von Gabelgriffenund doppellöchern auf seiner Plastik-Bass-blockflöte hat Denis Thomas sich darange-macht, ein ring-Klappen-System zu entwickeln,

  • tiBia 1/2004 7

    Blockflötenforschung 2001

    das die tonlöcher in ihre akustisch korrektenPositionen bringt. das System beinhaltet aucheinen drücker, der „von Jean Brossa, einemfranzösischen Flötisten, als wahlweise ergän-zung für die Boehmflöte aus Metall eingeführtwurde“. die technik der rechten Hand ist damit„leicht zu erlernen und der einer modernen Flö-te ähnlich“, die Klangfülle und intonation imtiefen register wurde verbessert, der tonumfangdes instrumentes erweitert und das Spiel in denKreuztonarten erleichtert. thomas appelliert andie Hersteller, unter Verwendung solch neuerKlappensysteme neuartige Bass- und auch tenor -blockflöten zu schaffen. in einem Folgeartikeldokumentiert er die Verlängerung des Fußstücksund das Hinzufügen einer daumenklappe fürdie rechte Hand, um ein tiefes e hervorzubrin-gen, was andererseits das Spiel eines kräftigenhohen C ermöglicht. (Modernising a Plastic Bass,in: Recorder Magazine, Jg. 18, nr. 4, dezember1998, S. 133-134; Further Modifications to a Plas-tic Bass, in: Recorder Magazine, Jg. 21a [recte21], nr. 4, Winter 2001, S. 135-137.)

    Stephan Blezinger ermutigt Blockflötisten,ebenso wie Cembalisten für Stimmungskorrek-turen an ihren instrumenten Sorge zu tragen.dann nennt er die „sechs Faktoren, die die Stim-mung einer Blockflöte beeinflussen“: die längedes instruments, durchmesser und Verlauf derBohrung, Größe des aufschnitts sowie Position,Größe und Form der tonlöcher. abschließendbeschreibt er die praktischen Maßnahmen, diebeim Stimmen einer Blockflöte durchzuführensind. (Stimmungskorrekturen an der Blockflöte,in: Windkanal 4/2001, S. 12-15; 1/2002, S. 13-17;auswahl aus Stimmungskorrekturen an derBlockflöte, Arbeitsblätter für den Blockflöten-unterricht, nr. 4, Fulda, Mollenhauer.)

    Bärbel Budgenhagenberichtet über einen rund-brief, in dem sie Blockflötenhersteller und -händ-ler auf das Problem der Kondensation sowie Vor-schläge zu seiner Bewältigung ansprach. Sieerhielt sieben antworten mit – natürlich – ver-schiedenen Vorschlägen. (Von Husten, Schnup-fen, Heiserkeit, in: Windkanal 2/2000, S. 22-23;drei der Vorschläge sind in 4/2000, S. 36-38.)danksagung: Für das einsenden von Quellen sowie

    sons tige unterstützung bei der Vorbereitung dieser Be-sprechung möchte der autor sich bedanken bei richardGriscom, Sabine Haase-Moeck und Moeck Musikinstru-mente + Verlag, Hans Maria Kneihs und erta Öster-reich, nicholas lander, Barbara Sela und Guillermo Pe-nalver, nikolaj tarasov und Conrad Mollenhauer GmbHund seinen Kollegen von der William and Gayle CookMusic library, indiana university, insbesondere MaryWallace davidson und Michael Fling.

    er bittet die leser, ihn über die Tibia-anschrift auf wich-tige Publikationen hinzuweisen, die er möglicherweiseübersehen hat. die meisten artikel sind dem leser überBibliotheken zugänglich – sie sind entweder direkt in gro-ßen Musik bibliotheken oder bei örtlichen Bibliothekenper Fern leihe erhältlich. o

    Übersetzung: D. Presse-Requardt

    Weite teile dieses aufsatzes sind auf englisch in der ZeitschriftAmerican Recorder, Jg. 44, nr. 3, Mai 2003 erschienen.

    Blockflöte kaputt?Die besten Flötenbauer Deutschlands reparieren für Sie.

    early music im Ibach-Haus ·Tel. 02336/990290 ·Fax 02336/914213Mail: early-music@ t-online.de

  • 8 tiBia 1/2004

  • tiBia 1/2004 9

    Cordula Caso: Wie bist du eigentlich zur Block-flöte gekommen, du hast doch ursprünglich Che-mie und Physik studiert?

    Baldrick deerenberg: Für mich spielte die Block-flöte eine zunächst eher untergeordnete rolle. ichhabe immer Geigen- und Klaviermusik gehört,alte Musik und Block flöte nur nebenbei. dass ichselber zufällig Block flöte spielte, hielt ich beinahefür einen Fehler, dachte auch nicht an eine pro-fessionelle aus bil dung auf diesem Gebiet. nachzweieinhalb Jahren Chemie- und Physikstudiummusste ich aber feststel-len, dass das bei mir zunichts führte.

    Je schlechter es mit die-sem Studium ging, destomehr befasste ich michmit Musik, hörte Kon-zerte an, gab mit einemehemaligen Schulfreundselbst Konzerte mitKompositionen von ihmund wir improvisiertengemeinsam. So lag der

    Gedanke nahe, doch Block flöte zu studieren.Mein damaliger Blockflötenlehrer meinte dann,er habe das schon immer von mir erwartet. er ver-wies mich zu meinem Glück an Frans Brüggen,bei dem ich fünf Jahre studierte.

    in den letzten beiden Jahren des Studiums un-terrichtete ich schon selber Haupt- und neben -fach stu denten an einem institut in Haarlem. daswar eigentlich völlig unverantwortlich, wennauch natürlich eine Herausforderung. das niveau war an sich nicht sehr hoch, aber ich

    durfte experimentieren,praktisch alles auspro-bieren, was ich wollte.das machte sehr vielSpaß, und ich konntedabei eine Menge er-fahrungen als lehrersammeln.

    Welche Erfahrungenwährend deines Studi-ums bei Frans Brüggenwaren für dich beson-ders wichtig?

    Porträt: Baldrick DeerenbergBlockflötenspieler, Blockflötenbauer und Blockflö-tenlehrerEin Gesprächsporträt von Cordula Caso

    der Blockflötist Baldrick deerenberg wurde 1946 in ams -terdam geboren. er begann zunächst, Chemie und Phy-sik zu studieren und wechselte dann 1966 an die Musik-hochschule den Haag, wo er die Fächer Schulmusik undBlockflöte bei Frans Brüggen belegte. nach abschlussseines examens 1972 wurde er Professor für Blockflöte(als Hauptfach) an den Musikhochschulen Groningen,amsterdam, antwerpen und utrecht. Seit 1998 ist er Pro-fessor für Kammermusik an der Musikhochschule in ant-werpen.

    Mit dem Barockensemble Fiori Musicali und später in vie-len anderen Kombinationen, u.a. mit dem Antwerps Blok-

    Cordula Casowurde in Kielgeboren. Sie hat Blockflötean der Musikhochschule inlübeck, bei Myriam eich-berger in München, bei ur-sula Schmidt-laukamp inKöln und bei Baldrick dee-renberg in utrecht studiert.an der Folkwang-Hoch-schule essen, abteilung

    duis burg, legte sie bei Prof. Gudrun Heyens ihrekünstlerische reifeprüfung ab. Sie lebt und arbeitetals freie Musikerin und Pädagogin in Köln.

    fluit Consort, dem Huelgas Ensemble und The GreatCharm, hat er konzertiert und tonträger aufgenommen.

    durch enge Kontakte zu Bernhard Junghänel sowiedurch jahrelange Zusammenarbeit mit Hans Schimmelkam Baldrick deerenberg zum Blockflötenbau. Seit 1975baut er eigene Blockflöten, die Museumsinstrumente zumVorbild haben. dabei entwickelte er sehr spezifischeideen vom Klang.

  • 10 tiBia 1/2004

    ich hatte vor meinem Studium schon ideen, wasich mit Musik zum ausdruck bringen wollte. Siesollte expressiv sein, etwas aussagen, harmonischsein usw. diese Vorstellungen wurden durch dasStudium weiter konkretisiert.

    Frans Brüggen arbeitete mit mir oft wenig me-thodisch. Was mich am meisten beeindruckt hatwar, dass er auch auf nicht so guten instrumen-ten immer noch einen ganz schönen Klang er-zeugen konnte. die Prinzipien von Klang habeich bei ihm gelernt.

    Faszinierend waren seine kurzen anmerkungen.als ich mal eine Stelle verzierte, sagte er: „ohneVerzierung ist das viel schöner“, und er spielte esmir auf einer originalflöte wunderschön vor.als ich dann sagte: „auf so einer schönen Flöteist das einfach“ antwortete er: „Wenn das so ist,dann solltest du noch viel mehr verzieren.“Über den berühmten Kontratenor alfred deller,den er gerade besucht hatte, sagte er: „Jetzt weißich, wie er es macht!“ „Wie denn?“ „er machteinfach alles falsch.“ ich lernte, dass man kreativsein muss, dass nichts absolut wahr ist, sondernimmer von bestimmten umständen abhängt.

    Hast du schon zu Beginn deiner Lehrtätigkeitversucht, mit deinen Schülern am Klang zu ar-beiten, oder hat sich das erst im Laufe der Jahreso entwickelt?

    in meinen ersten Jahren als lehrer wollte ich mitmeinen Schülern unbedingt nach Klang suchen.ich war inzwischen selbst so weit, einiges darü-ber sagen zu können. in ziemlich kurzer Zeithatte ich eine Methodik entwickelt, die relativ

    klar war und wirkte. diese Methodik habe ichüber die Jahre immer weiter entwickelt und ichkann heute eigentlich jedem damit weiterhelfen,der mit dem Wunsch nach arbeit am Klang zumir kommt.

    ich habe wohl gelernt, dass man sehr vorsichtigsein muss, jemandem zu zeigen, was bei ihmnicht gut ist, solange man keinen schlüssigenWeg zu einer lösung anbieten kann. Man mussan den dingen arbeiten, wenn die Zeit dafür reifist, dann geht die arbeit auch sehr schnell voran.

    Im Prinzip ist es also dein Klangprogramm, wasdich auszeichnet, was man mit dir verbindet?

    Was man mit mir verbindet, entscheide nicht ich.ich habe viele Studenten zur reifeprüfung undzum Konzertexamen geführt: da gibt es mehr alsnur Klang.

    ich nehme mein Klangprogramm gerne als aus-gangspunkt für meine arbeit mit Schülern. umexpressiv spielen zu können, um seine ideen dar-stellen zu können, muss man eine Stimme, alsoKlang haben.

    Welche Stellung räumst du Artikulationsfragenein?

    es gibt viele leute, die sagen, die artikulation seiso unendlich wichtig, nur mit ihr könne manunterschiede machen usw. ich bin damit über-haupt nicht einverstanden. artikulation ist na-türlich wichtig, aber sie steht nicht an erster Stel-le. nicht die artikulation macht ein Stückinteressant. interessant wird es durch Klänge,

    Porträt

  • tiBia 1/2004 11

    die eine atmosphäre schaffen. ich denke, es gehtum ausdrucksvollen Klang, und dazu kommt dieartikulation. Mit ihrer Hilfe kann man sich na-türlich beweglicher zeigen und ist geschickterim Spiel. Setzt man sie sinnvoll ein, kommt daswieder dem ausdrucksgehalt und der Ver ständ -lich keit des Stückes zugute. ich sage das mit soviel nachdruck, weil ich zu oft in Kursen gehörthabe, man müsse ein bisschen interessanter arti-kulieren, um abwechslung zu schaffen. artiku-lation sollte im dienste der Musik stehen undnicht losgelöst davon betrachtet werden.

    Wie ist deine eigene Auseinandersetzung mittechnischen Fragen verlaufen?

    Meine eigenen erfahrungen mit spieltechnischenFragen sind insgesamt ein bisschen schwierig.Während meines Studiums und in den erstenzehn Jahren danach habe ich regelmäßig Kon-zerte mit alter und neuer Musik gegeben, ob-wohl ich eine katastrophale Finger- und artiku-lationstechnik hatte. die schnellen Sätze suchteich so aus, dass ich damit geschickt umgehenkonnte, oder ich spielte sie einfach nicht. es gabtatsächlich leute, die mir sagten, ich hätte eine fabelhafte technik! es war natürlich sehr unan-genehm, aber ich habe damals die Schlüssel zurlösung meiner Probleme einfach nicht findenkönnen, auch nicht durch unterricht bei Kolle-gen. Wenn ich ihre tipps ausprobierte, ging meinKlang kaputt. das war für mich nicht akzeptabel.

    nach etwa zehn Jahren, es hatte inzwischen inder „Blockflötenszene“ enorme technische Fort -schritte gegeben und viele leute spielten auf ein-mal wahnsinnig schnell, gab es eine große Krisebei mir. ich hatte das Gefühl, so nicht mehr wei-termachen zu können.

    Zu dieser Zeit las ich über Zen, über die Kunstdes Bogenschießens. Was da beschrieben wurde,das war es, was ich suchte. auf diese Weise wollteich lernen.

    nach einem Jahr der Suche konnte ich über-haupt nicht mehr spielen. ich hatte neue dingegelernt, die sehr vielversprechend waren. ichkonnte einiges viel besser, viel freier als vorhertun. in der Praxis war es mir aber unmöglich, da-mit zu spielen. Heute verstehe ich, dass es zu die-

    sem Zeit punkt einfach keine Balance mehr zwi-schen diesen neu erworbenen Fähigkeiten undanderen noch nicht veränderten Bereichen gab.es hat dann sehr lange gedauert, bevor mir soviele Sachen klar geworden sind, dass es zu einerneuen Balance kam.

    Hatten diese neuen Erfahrungen Auswirkungenauf deine Arbeit mit Schülern?

    ich denke, dass ich dadurch als lehrer viel inte -ressanter wurde. ich konnte meinen Schülern vieleneue lösungen anbieten, weil meine einsicht,wie die dinge funktionieren, viel besser gewor-den war.

    Was macht einen guten Lehrer aus?

    liebe muss er haben, und Vertrauen. liebe fürdie Blockflöte, für die Musik. Vertrauen in dieMög lich keiten des Schülers, auch in schwierigenMomenten.

    er muss gut wahrnehmen können, frei von Vor -ur teilen und erwartungen, aber mit einem augefür Qualität. er muss diese Qualität zeigen kön-nen.

    er muss Klarheit schaffen können, Strukturenzeigen, dem Schüler einsicht verschaffen undihn zur Selb ständigkeit erziehen.

    er muss ihn inspirieren in der Suche nach dem,was für ihn wesentlich ist, also ihm helfen, seinePersönlichkeit zu entdecken und zu entwickeln. er muss ihn lehren, kreativ zu sein, immer wie-der neue, persönliche lösungen für Problemezu finden und zu realisieren, was er will. dasMaß ist wichtig: nicht zu viel auf einmal. das istnatürlich für jedermann unterschiedlich.

    Welche Auswirkungen hat nach deiner Mei nungtechnische Perfektion auf die Kreativität?

    Was ist technische Perfektion? Wenn du das sehrschnelle und fehlerfreie Spielenkönnen von ton-leitern und schwierigen Übungen meinst, würdeich sagen: obwohl ich an sich nichts dagegen habe, besteht die Gefahr, dass man diese Fähig-keit ständig zeigen will, anstatt wahrhaftig mitMusik beschäftigt zu sein.

    Baldrick Deerenberg

  • 12 tiBia 1/2004

    ein Wunderkind hat meistens sein instrumentspielen gelernt wie eine Muttersprache. dasscheint die ideale technik. es ist aber keine Ga-rantie für schönes oder interessantes Spiel. Wenndas aufwachsende Kind nichts dazu lernt, ver-schwindet die Bewunderung für die außeror-dentliche Beherrschung und enttäuschungbleibt übrig. nur wenn technik aus dem Be-dürfnis nach musikalischem ausdruck entsteht,wird sie sich immer erneuern und verbessern.

    ich würde also die Frage lieber umdrehen: Wel-che auswirkung hat die (musikalische) Kreativi-tät auf die technische Perfektion? es wird klarsein, dass in diesem Fall eher eine persönlichetechnik entsteht, was nicht heißt, dass kein Ge-brauch gemacht wird von schon erfundenendingen. Übrigens gilt für rein technische Übun-gen auch, dass die Wiederholung schnell lange-weile verursacht. Wenn man dagegen die Wie-derholung kreativ immer neu beleben kann,bekommt die entstehende Perfektion eine inten-sität, die auch persönlich ist, weil Kreativität ansich persönlich ist.

    Ein wichtiger Bereich der Blockflötenmusik istdie Kammermusik. Du hast jahrelang mit ver-schiedenen Ensembles gespielt und auch heutemacht das einen wichtigen Teil deiner Kon -zerttätigkeit aus.

    das schöne an Kammermusik ist, dass jeder-mann seine eigene Stimme spielt. das mit ande-ren zusammen Spielen finde ich oft sehr inspi-rierend. Man muss sich die Spieler natürlichschon aussuchen! So habe ich in antwerpen mit4 ehemaligen Schülern ein Consort gegründet.Mit denen konnte ich natürlich gut zusammen-spielen. Wir haben viel erfolg gehabt, Cds auf-genommen. Für Con sort-Musik braucht mannicht nur virtuose Spieler, sondern Menschen,die zusammenpassen. Klangvorstellung spielt eine wichtige rolle. Man muss nicht unbedingtden gleichen Klang machen, aber ähnliche Prin-zipien haben. es kam wohl vor, dass einer sagte,wir müss ten doch imitationen ähnlich gestalten.ich finde das aber nicht. es gibt doch Sopran,alt, tenor, Bass und noch eine fünfte Stimme da-zu, das sind doch verschiedene typen, also kön-nen sie es unterschiedlich machen. nur muss dieMusik stimmen.

    Du findest es nicht erstrebenswert, dass es wie auseiner Flöte klingt?

    Überhaupt nicht. es ist wohl so, dass wenn einersagt, ich drücke hier Schmerz aus, dann muss derandere es auch können, aber auf seine art, mitseinem Klang.

    Aber das kann doch dann auch unharmonischwirken?

    Warum? ist das bei Gesangsstimmen so? dieklingen doch alle anders. ist das unharmonisch?es ist zwar so, dass man heute auch bei den Sän-gern merkt, dass sie immer ähnlicher singen. istdas aber schöner? ich finde nicht.

    Aber die Blockflötenausbildung geht ja schon indie Richtung, dass man ein bestimmtes Ideal hat,auch eine bestimmte Art von Flöten. Die meistenFlöten, die gespielt werden, klingen alle gleich.Gute Technik …

    langweilig. das sieht man auch in der Kosme-tik, es gibt nur eine idee, wie eine Frau aussehenmuss, und die wird dann so lange operiert bis sietatsächlich so aussieht, das ist doch furchtbar.aber das ist die gleiche entwicklung, eine ten -denz unserer Zeit.

    Was hat sich denn heute verändert, wenn duKammermusik machst?

    Für mich persönlich ist es so, dass ich einigedinge besser beherrsche. darum habe ichmehr raum zu hören, was meine Kollegenspielen, kann darauf reagieren. Meine ideenüber Musik haben sich aber nicht wesentlichverändert.

    Wie bist du dazu gekommen, selbst Blockflötenzu bauen?

    ich hatte gerade begonnen, in Groningen an derMusikhochschule zu arbeiten, da machte michein Student auf Bernhard Junghänel aufmerk-sam. Wir besuchten ihn und bestellten instru-mente für die Hochschule. ich bat ihn, das gerissene Mittelstück einer Moeck-tenorblock-flöte zu ersetzen. Statt es zu tun, stellte er michselbst an eine drehbank. So fing alles an.

    Porträt

  • tiBia 1/2004 13

    in den Sommerferien war ich dann eine Wochebei ihm. er stellte mir seine Werkstatt, Holz undWerkzeug zur Verfügung, sagte aber sehr wenig.nach dieser Woche ging ich mit zwei wunder-schönen Flöten nach Hause. 99 Prozent hatte ichselbst gemacht, aber das entscheidende letzteProzent kam von ihm, das hätte ich nicht ge-konnt. da ich zu dieser Zeit schon sehr langevergeblich auf einige bei Fred Morgan bestellteinstrumente gewartet hatte, gab es einen weite-ren anreiz zu bauen. inzwischen ziehe ich esvor, meine eigenen instrumente zu spielen. Mei-ne Flöten „gehen“ nicht so einfach, aber ich kannsie immer wieder verändern und daraus lernen.das könnte ich mit instrumenten anderer Bauernatürlich nicht tun.

    Was ist dir beim Blockflötenbau besonders wich-tig?

    Historische Blockflöten können ziemlich ver-schieden sein, aber sie haben eine Sache gemein,die mir bei den meisten Kopien fehlt: es geht inerster linie um Klang, der Qualität hat, nicht da-rum, dass sie einfach oder schnell spielen.

    natürlich gab es in der renaissance und imBarock zeitalter generelle Bauprinzipien, be -stimmte instrumententypen entwickelten sich.nach diesen Prinzipien wurde gebaut und esentstanden originale, keine Kopien. Wenn ichmir diese Prinzipien zu eigen mache und da-nach arbeite, entstehen ebenfalls originale.Vielleicht sind sie nicht so gut wie die damali-gen, aber ich denke, das ist für mich die einzigeMöglichkeit, den damaligen Vorstellungen na-hezukommen. es nützt wenig, ein originalin-strument genaues tens zu vermessen und dannin diesen ab messun gen nachzubauen, wennman nicht weiß, was der damalige instrumen-tenbauer warum getan hat, was er erreichenwollte. Jedes Stück Holz ist außer dem anders,hat seine eigenarten. deshalb glaube ich nichtan Kopien. Man muss die ideen der damaligenZeit erfassen. in diesem Sinne ar beite ich histo-risch. ich lasse mich von Gemälden inspirieren,von Zeitzeugenberichten, aussagen über rhe-torik usw. und natürlich von ori ginal in stru -menten. auf der Basis der beobachteten ideevon einem qualitativ hochwertigen Klang sucheich dann nach lösungen, spiele, probiere aus.

    So wurde das früher auch gemacht. es ist eineer fahrungssache.

    Du hast studiert, selbst unterrichtet, dich mit his-torischen Quellen, mit der Zeit und den Vorstel-lungen der Epoche auseinandergesetzt, Blockflö-ten gebaut, in der Ausbildung in Deutschlandund in den Niederlanden wahrscheinlich auch,wird das meiste überhaupt nicht angesprochen.Man lernt Technik …

    Wir haben in utrecht den Studenten zumindestimmer die Möglichkeit geboten, wenigs tens ei-nen Block zu bauen, Flöten zu stimmen. Wir ha-ben angeboten, dass sie sehen, was da vorgeht,wenn man an der Bohrung etwas ändert. es istnatürlich nicht so, dass man durch einen drei -tägigen Kurs Blockbau gleich eine Blockflötebauen kann.

    Hat es denn eine Berechtigung für dich, Block -flöte als alleiniges Instrument zu studieren?

    ich würde es jetzt nicht mehr machen. ich brau-che eine Herausforderung. als Frans Brüggenangefangen hat, da war es natürlich etwas ganzBesonderes, weil es neu war. diese Zeit ist leidervorbei. inzwischen hat man schon ungefähr allesgemacht. eigentlich müssten wir wieder hundertJahre Pause machen und dann neu anfangen. dieGefahr besteht, diese fehlende Herausforderungzu ersetzen durch – „ich mache etwas, was dunoch nicht konntest.“ noch einen besserentrick usw. ich denke, wenn ich jetzt anfangenwürde, wenn ich überhaupt Musik anfangenwürde, würde ich unbedingt etwas mit Compu-ter-technik machen. das könnte eine Heraus-forderung sein.

    Dann findest du es im Prinzip nicht sinnvoll, sichnur mit der Alten Musik zu beschäftigen?

    So weit gehe ich nicht. ich war immer auf der Su-che nach neuen Wegen, sowohl im Block flöten -bau als auch in der modernen Musik. ich habedie ersten zehn Jahre ziemlich viel mit modernerMusik gemacht. Später habe ich versucht, lö -sun gen in der technik zu suchen usw. Jetzt kannich sehr zufrieden sein, wenn es mir gelingt ein-fach schön zu spielen. Wenn jemand redlich ist,wenn es ihm reicht, nur mit alter Musik be-

    Baldrick Deerenberg

  • 14 tiBia 1/2004

    schäftigt zu sein, und wenn er nicht versucht vielmehr daraus zu machen als darin steckt, kann iches sehr schätzen.

    Vielleicht sagst du noch etwas zu Neuer Musik?

    als ich noch an der universität studierte, habeich sehr oft mit einem befreundeten Komponis-ten, Jacques Bank, zusammengespielt. Wir spiel-ten seine Kompositionen, die er sehr oft gleichwieder anpasste. daneben improvisierten wir.dabei machte auch sein Bruder mit, der über-

    haupt kein instrument spielte. das war unheim-lich inspirierend! Wir Musiker waren durch un-sere in stru mente eingeschränkt, aber der Brudermachte einfach Klang. der redete, schrie, ist indas Klavier gekrochen und hat da Klänge ge-macht, die ich nicht beschreiben kann. es war sophantastisch. Jacques Bank hat immer wiederStücke mit Blockflöte komponiert, zusammenmit orgel, Bariton, Schlag zeug oder Chor undvieles mehr. So bin ich eigentlich zu neuer Mu-sik gekommen. ich besuchte damals auch viele

    Porträt

    Konzerte mit moderner Musik. eigentlich ist esso gekommen, dass ich angefangen habe, Musikzu studieren.

    Fandest du die Stücke schön?

    Heute spricht man von den sechziger Jahren alsvon den goldenen Jahren der modernen Musik,aber das meiste davon war einfach unsinn, un-interessant. ab und zu gab es etwas Gutes. Wennes darum ging, selber zu spielen, habe ich michbei moderner Musik nie gefragt, ob sie mir ge-fällt. ich habe sie einfach gespielt und das Bestedaraus gemacht. ich überzeugte, eben gerade,weil ich nicht darüber nachgedacht habe, ob dieStücke mir gefallen.

    Welche Stücke gefallen dir?

    Moderne Stücke? Sehr wenige. ich denke schon,dass man immer wieder die neueste Musik spie-len sollte. nach einer Weile kann man feststellen,dass einige Stücke der Mühe wert sind. Manchesind eine Herausforderung, so wie Gesti. es reizteinen, die Probleme zu lösen. Black Intentiondagegen ist z. B. einfach ein schönes Stück. Wennmich jemand anruft und sagt, er möchte einKonzertprogramm und erwarte auch ishii, dannspiele ich es, aber habe von mir aus nicht das Be-dürfnis, es zu spielen.

    Worin liegt für dich dann in der modernen Mu-sik eine mögliche Zukunft?

    die elektronische Musik hat sehr lange die ein-schränkung gehabt, dass es fast unmöglich war,interessante elektronische live-Musik zu ma-chen. alles was man da produzierte, war soschwierig zu beherrschen, dass es zu langsamging, um interessant zu sein. dank des Compu-ters sind wir jetzt so weit, dass man mit den Pro-blemen besser umgehen kann, aber immer nocheingeschränkt. es müsste so sein, dass man Kon-takte am Kopf hätte. du hast einen Gedankenund er wird gleich umgesetzt in einen Klang.Wenn wir so weit wären! das würde natürlicheine ganz neue technik fordern: das Vermögen,seine Gedanken so zu lenken, dass eine Musikentsteht.Vielen Dank für das Gespräch. o

    Mitarbeit: anke Hutten

    Celle Tel: 05141 / 217298

    [email protected]

    ROHMER

  • tiBia 1/2004 15

    niekapelle zu den die musikalische entwicklungder Gattung Harmoniemusik prägenden en-sembles im raum Wien-Preßburg zählte.

    Seinen Wiener lebensweg setzte Krommer alsKapellmeister des Grafen ignaz Fuchs, als Mu-sikdirektor der Ballette beim k. k. Hoftheater, alsk. k. antikammer-türhüter bzw. Kammertür-hüter5 und als letzter beamteter Kammerkapell-meister und Hofkomponist unter Kaiser Franzi. von Österreich fort. er starb 1831 in Wien.

    Mit ausnahme von oper, lied und Solo-Kla-vierwerk umfasst Krommers Œuvre alle musi-kalischen Gattungen seiner Zeit. insbesonderegehörten Krommers Quartette und Quintettezu den anfang des 19. Jahrhunderts am meistengespielten Werken dieser Gattungen.6noch be-vor er sich aber dem Streichquartett und demQuintett zuwandte, „… begann [Krommer] fürBlasharmonie zu componiren […]. die Harmo-niemusik war ihm Vorschule zur edleren undfreieren Kunst des Quartetts …“.7 nach Über-zeugung Wilhelm Heinrich riehls war Krom-mer der letzte namhafte Meister der Kammer-

    musik, der ein ganzesStück lebensberuf andie undankbare Kunst-gattung der Harmonie-stücke wandte; „Krom-mers Harmoniestücke[…] zählen zu seinenbesten arbeiten, und äl-tere Musiker stellten siesogar über seine Quar-tette.“8

    Franz Krommers har-moniemusikalische Wer -ke sind sowohl der zivi-len Harmoniemusik(Harmonien, Partiten)als auch der Militär-Harmoniemusik (Mär-sche9, Märsche für tür-

    Ein kurzer biographischer Abriss

    Franti?ek Vincenc Kramá? alias Franz Krom-mer, ein Zeitgenosse Mozarts und Beethovensmit lebensmittelpunkt in Wien, steht in einerreihe ungezählter böhmischer und mährisch-schlesischer Komponisten, Konzert- und Ka-pellmeister, Virtuosen und orchestermusiker,die im 17. und 18. Jahrhundert aus ihrer Heimatemigrierten; auswanderungsziele neben Wienwaren im wesentlichen Paris, london, rom unddeutsche residenzen.2

    Geboren wurde Franti?ek Vincenc Kramá? imJahre 17593 im (west-)mährischen Kamenice.Mähren, das wie Böhmen 1526 auf dem erbwe-ge an Österreich fiel, blieb während dieser Zeitkulturell sehr eng mit Österreich, speziell mitWien, verbunden. dies schlägt sich nicht nur inder deutschsprachigen namengebung Kramá?sin Franz Vinzenz Krommer4 nieder; seine Vitawurde dadurch wesentlich beeinflusst.

    Krommer, Violinvirtuose, organist und Kom-ponist, war im wesentlichen autodidakt; er er-hielt lediglich Violin-und orgelunterrichtdurch seinen onkelanton MatthiasKrom mer (1742-1804).Seine lebensstationenwaren: Violinist, späterMusikdirektor in derHauskapelle des Gra-fen ayrum (alias Sty-rum) in Simonthurn(ungarn); Chorregentam dom zu Fünfkir-chen/ungarn; Kapell-meister beim regimentKaroly und Musikdi-rektor beim FürstenGrassalkovich (bis zudessen tod 1795) inWien, dessen Harmo-

    Heinz EckerDie Harmoniemusik von Franz Krommer (1759-1831)unter besonderer Berücksichtigung ihrer Besetzung und Bearbeitung1

    Heinz Ecker, Jahrgang 1955,stu dierte Be triebs wirtschaftan der ludwig-Maximilians-uni versität in München undschloss 1981 mit dem aka de -mi schen Grad eines diplom-Kaufmanns ab. ab Mitte derneunziger Jahre nahm er dasStudium der Musikwissen-schaft und Musikpädagogik

    an der Johann -Wolfgang-Goethe-universität inFrankfurt am Main auf, wo er im Jahr 2001 mit einerarbeit über die Harmoniemusik von Franz Krom-mer zum dr. phil. promoviert wurde.Seit vielen Jahren ist Heinz ecker als Manager in derunter nehmens be ra tungs branche tätig. als ausgebil-deter Klarinettist verschrieb er sich jahrelang mit ei-nem eigenen ensemble der Har moniemusik undspielt heute in einem projekt bezogenen pro fessio -nellen Sinfo nie or chester.

  • 16 tiBia 1/2004

    Heinz Ecker

    Harmoniemusik-Besetzungen

    im Hinblick auf die Besetzung der Harmonie-musikwerke ist zunächst zwischen der zivilenHarmoniemusik und der Militär-Harmonie -musik zu unterscheiden. Während in der zivilenHarmoniemusik eine gewisse Standardbeset-zung vorherrscht, findet sich in der Militär-Har-moniemusik eine zum teil sehr ungewöhnlicheinstrumentierung.

    den Kern der Standardbesetzung in der zivilenHarmoniemusik Krommers bilden 2 (transpo-nierende) Klarinetten, 2 Fagotte und 2 (transpo-nierende) Hörner (6-stimmige Harmoniemu-sik). in der 8- bzw. 9-stimmigen Harmonie-musik ist dieser Kern um 2 oboen erweitert.

    dazu tritt das Kontrafagott zur Verdopplungund Verstärkung der zweiten Fagottstimme. inder 10-stimmig angelegten Harmonie schließ-lich schreibt Krommer als „Signalinstrument“noch (transponierende) trompete/tromba-tromba Principale bzw. Clarino ad libitum vor.

    Hier ist ein kleiner exkurs zum Stand der tech-nischen entwicklung der Holz- und Blechblas-instrumente um das Jahr 1800 angebracht, umsich auch einmal eine zumindest vage Vorstel-lung vom Klang der Harmoniemusik-ensem-bles zu jener Zeit zu machen.

    die technische entwicklung der Holzblasin-strumente oboe, Klarinette und Fagott im aus-gehenden 18. Jahrhundert stand ganz im Zei-chen der Verbesserung der intonation und dererleichterung der Grifftechnik mittels Klappen-technik; dabei war die tonlochbohrung ein stän-diger Kompromiss zwischen Sauberkeit der in-tonation und Bequemlichkeit der applikatur.und das von theobald Boehm (1794-1881) ent-wickelte Prinzip des ringklappenmechanismus,das den Flötenbau revolutionierte und auch aufden Bau von oboe, Klarinette und Fagott über-tragen wurde, ließ noch einige Jahrzehnte aufsich warten: erst ab Mitte des 19. Jahrhundertskonnten dann nämlich mit Hilfe von ringenbeim decken der tonlöcher auch Klappen auto-matisch bedient werden, so dass zur Verbesse-rung der intonation Korrekturbohrungen mög-lich wurden.

    die oboe ums Jahr 1800 hatte in der regel 2Klappen; zum Vergleich dazu die moderneoboe: Von den 16-22 tonlöchern werden 6 mitden Fingern gedeckt, die übrigen mit Klappen.die Klarinette um 1800 war mit 5 oder 6 Klap-pen ausgestattet, heute ist sie mit 22 Klappenund 5 Brillenringen bestückt. und schließlichnoch das Fagott: um 1800 hatte das Fagott 10 bis11 Klappen, während das moderne deutsche Fa-gott mit 24 Klappen versehen ist.

    allein der Vergleich der applikaturen der altenmit den in der Grundstimmung relativ sauberenmodernen instrumenten macht deutlich, dass esum die Grund-intonation der oboe, der Klari-nette und des Fagotts zur Zeit Krommers nichtsonderlich gut bestellt gewesen sein konnte.

    kische Musik) zuzurechnen. original oder bear-beitet befinden sie sich heute in Bibliotheken,wenige auch in Privatbesitz, in zwölf europäi-schen ländern (Bundesrepublik deutschland,Österreich, Schweiz, tschechische republik,ungarn, Polen, italien, Spanien, Frankreich,Großbritannien, niederlande, Schweden), inKanada und in den Vereinigten Staaten vonamerika.

  • tiBia 1/2004 17

    Die Harmoniemusik von Franz Krommer

    einzig und allein der Bläser war gefordert, durchseine embouchure-technik die intonations-schwächen seines instrumentes, so gut es ging,auszugleichen.

    Mit der herausragenden Bedeutung des ring-klappenmechanismus für intonation und Spiel-technik bei den rohrblattinstrumenten ver-gleichbar ist die des Ventils bei den trompe-teninstrumenten. doch auch die erfindung derVentile stand um 1800 noch aus: erst 1818 ließensich Friedrich Blühmel und Heinrich Stölzel inBerlin das erste Pump-Ventil patentieren (dane-ben gibt es noch das 1832 von Joseph riedl inWien entwickelte dreh- oder Zylinder-Ventil);erst mit Hilfe der Ventile wurden die Blechblas-instrumente voll chromatisch spielbar.

    auf dem Horn um das Jahr 1800 konnten dietöne der naturtonreihe erzeugt werden, er-gänzt um zahlreiche chromatische und diatoni-sche töne durch einführung der rechten Handin die Stürze (Praxis des Stopfens). durch in dierohrwindungen einzusetzende, unterschiedlichlange Stimm- bzw. inventionsbögen war esmöglich, in verschiedenen tonarten zu spielen.Sehr häufig verwendet Krommer in den Horn-stimmen die Stimmung es, analog der Grund-tonart vieler seiner Partiten, die für die Hornis-ten dann die zu spielende tonart C-dur ergibt.in den meisten Fällen aber begegnet als Bezeich-nung der Stimmung bzw. Grundtonart nicht es,sondern das enharmonische Äquivalent dis; dertitel einer Partita lautet nicht selten „Partita exdis“, also „Partita aus dem dis“. in der Ver-wendung der Bezeichnung dis statt es wirktnoch die Buchstabennotation der alten deut-schen orgeltabulatur nach, die die chromatischeHochalteration durch eine dem Buchstaben an-gehängte Schleife zum ausdruck brachte, die immittelalterlichen latein die übliche abkürzungfür die Schlusssilbe -is war. Mit ausnahme des b(rotundum) gab es für tiefalterierte töne keinebesondere Bezeichnung, so dass töne wie esoder as als dis oder gis bezeichnet wurden. dieseGewohnheit erhielt sich bis anfang des 19. Jahr-hunderts.10

    auch die trompete (italienisch tromba, franzö-sisch trompette) war in ihrem tonumfang zu-nächst auf die natur- bzw. obertonreihe be-

    schränkt; zur Veränderung des Grundtons wur-den gerade Verlängerungsstücke („Setzstücke“)oder Krummbögen, analog den inventionsbö-gen beim Horn, benutzt, die zwischen Mund-stück und Hauptrohr eingesetzt wurden und soauch das Spielen in verschiedenen tonarten er-möglichten. Krommer verwendet die trompete,auch als tromba Principale bezeichnet, im no-tierten tonbereich vom 3. bis zum 8. Partialton(g, c1, e1, g1, b1, c2): einzeltöne, tonrepetitionenund gebrochene dreiklangsfiguren dieses no-tenmaterials dienen in seinen Kompositionen oftzur Bekräftigung von tonika und dominante.im Gegensatz zur tromba Principale, der tiefentrompete, ist das Clarin bzw. Clarino (MehrzahlClarini) das trompetenregister über dem ein-schließlich 8. Partialton (c2): ab dem 8. Partial-ton liegen alle weiteren obertöne im wesentli-chen nicht weiter als eine große Sekundeauseinander und erlauben somit eine im Ver-gleich zur tromba Principale abwechslungsrei-chere Stimmführung.

    der Clarino-Part in Krommers Harmoniemu-sikwerken unterscheidet sich hinsichtlich desregis ters jedoch in keiner Weise von dem dertrompete bzw. der tromba Principale; die Be-zeichnung Clarino wurde von ihm respektivevon seinen Verlegern als Synonym für trompe-te/tromba Principale verwendet. unbefriedi-gend blieb das den Holzblasinstrumenten ent-lehnte Prinzip der mit Klappen zu öffnendenlöcher in der resonanzröhre: die Klappen-trompete, die 1801 in Wien eingeführt wurdeund die auch Krommer in seiner Militär-Har-moniemusik vorschreibt, gewann die außerhalbdes 3. bis 8. Partialtons liegenden töne durchvier bis sechs mit Klappen zu öffnende löcher.

    Soweit die von Krommer vorgesehene und inden Wiener drucken so berücksichtigte instru-mentierung. im unterschied dazu sehen die Pa-riser editionen der 9- bzw. 10-stimmigen Har-monien von Bochsa père und Dufaut et Dubois,die diese als Suiten bezeichnen, einige Beset-zungsänderungen vor:– Serpent, Posaune oder Kontrabass statt Kon-

    trafagott als Sechzehnfuß (eine oktave tieferals notiert),

    – Klarinetten in C bzw. Flöten können dieoboen ersetzen,

  • 18 tiBia 1/2004

    Heinz Ecker

    – große Flöte in C/es bzw. kleine Flöte in es inermangelung einer oboe i/Klarinette i in C.

    Jeffrey K. olson erklärt sich diese von der Wie-ner ausgabe abweichende instrumentierung mitder seit der Französischen revolution in Frank-reich existierenden und dominierenden Stan-dard-Besetzung der Militärkapellen: „the flute,C clarinet, serpent and trombone were all regu-lar members of the French military band, whilethe oboe and contrabassoon were not. it wouldthus appear that the seemingly unusual instru-mentation proposed in the Dufaut et Dubois edi-tion of Krommer’s harmoniemusik may havebeen a result of the dominance of the militaryband in the wind music of France during the ear-ly nineteenth century.“11 dieser Besetzungsfor-mation aufführungsmaterial an die Hand zu ge-ben war wohl letztendlich ausschlaggebenddafür, dass „dufaut et dubois“ die Suiten mitden verschiedenen Besetzungsalternativen vor-legten.

    außergewöhnlich in der Besetzung ist ein Zy-klus von handschriftlichen Partiten, der amStandort regensburg/Fürst thurn und taxisHofbibliothek (riSM-Bibliothekssigel rtt) ar-chiviert ist: der 6-stimmige Standardbeset-zungs-Kern erfährt hier eine erweiterung um 2Violen bzw. alternativ 2 Bassetthörner.

    am Standort Kromeríz (= Kremsier)/arcibis-kupsky zámek, hudební sbírka (riSM-Biblio-thekssigel Kra) findet sich die abschrift eineroktett-Partita, in der keine oboen besetzt sind:Zwei Klarinettenpaare in B- bzw. in C-Stim-mung bilden zusammen mit den Hörnern undden Fagotten das oktett-ensemble.

    eine Besonderheit stellen auch zwei Partiten imkonzertierenden Stil dar: das Harmoniemusik-ensemble begleitet ein oder zwei Solo-Bläser,zum einen eine Klarinette, zum anderen zweiHörner.

    Während die lediglich als „Märsche“ bezeichne-ten Werke in der Besetzung von der der zivilen10-stimmigen Harmoniemusik nicht abweichen,ist die Besetzung der „Märsche für türkischeMusik“ von mehr als zweifach besetzten Klari-netten, Hörnern und Clarini/trompeten und

    von Schlaginstrumenten (kleine und großetrommel) geprägt (oboen fehlen zum teil völ-lig). insbesondere fällt in zwei Märschen für tür-kische Musik bei den Holzblasinstrumenten dieBevorzugung der hohen Klarinetten (Klarinet-ten in es mehrfach, Klarinette in as) und derPiccoloflöte mit ihren hohen und durchdringen-den Frequenzbereichen auf. an dieser Stellemuss man sich noch einmal vergegenwärtigen,dass die intonation schon bei einfach besetztemhohen Holz sehr kritisch ist (auch heute nochbei den modernen, in sich relativ gut stimmen-den instrumenten): um wieviel mehr verschärftsich das intonationsproblem bei mehrfach be-setztem hohen Holz, auch und gerade zu leb-zeiten Krommers, in denen die Holzblasinstru-mentenbauer selbst von einer einigermaßensauberen Grundstimmung der von ihnen gefer-tigten instrumente noch weit entfernt waren.

    die Besetzung des letzten in Wien veröffent-lichten Harmoniemusikwerkes Krommers, eineHommage an seinen dienstherrn und KaiserFranz i., das Volkslied: Gott erhalte Franz, denKaiser, als Marsch für türkische Musik, legt be-redtes Zeugnis ab für das außergewöhnlicheund letztendlich auch „Klang-exotische“: Pic-coloflöte in es, Klarinette in as, 4 [sic] Klarinet-ten in es, 2 Hörner in es, 2 Hörner in B, Hornin F, 2 Klappentrompeten in es, trompete inhoch B, 2 trompeten in es, trompete in F,trompete in d, 2 Posaunen, Bassposaune, Bäs-se, kleine trommel, große trommel.

    roger Hellyer zeigt sich verwundert überKrommers instrumentierungstechnische Bega-bung: „it is amazing that a man who is notknown to have been a player of wind instru-ments could have had such a close affinity withthem - close enough not only to understand theirtechnical limitations and possibilities, but also tohave a seemingly innate feeling for their musicalpossibilities as well.“12

    und doch gibt es einen nachweis über Krom-mers instrumentale Fertigkeiten: Paul Wranitz-ky (1756-1808) schildert in seinem Brief vom 19.dezember 1798 an den Verleger Johann andré(1741-1799) in offenbach am Main u. a. die„Musikszene“ im Wien des Jahres 1798; darinwird auch Franz Krommer erwähnt, dessen

  • tiBia 1/2004 19

    Die Harmoniemusik von Franz Krommer

    Hauptinstrument die Violine sei, der aber auchmit großem Geschick Fortepiano, Czimbal(Hackbrett) und oboe spiele.13 Hinzu kommt,dass Krommer in einem musikalischen umfeldaufwuchs, das instrumentaltechnisch eine be-sondere Vorliebe für aerophone zeigte. Ge-rühmt wurde die Geschicklichkeit der böhmi-schen Musikanten im Blasinstrumentenspiel;dabei war das Horn „… vor der einbürgerungder Klarinette neben der Violine das spezifischeMusikanteninstrument in Böhmen“14 – im übri-gen wird ja dem böhmischen Grafen Sporck dieeinführung des Waldhorns in Böhmen und denangrenzenden ländern zugeschrieben. auchwaren oboe und Fagott vor 1800 „… durch dieweitreichende Musikpflege des adels und derGeistlichkeit ebenso Volksinstrumente wie Vio-line, Horn und trompete.“15 dies alles mag mitzu Krommers affinität zu Blasinstrumentenbeigetragen haben.

    Harmoniemusik-Bearbeitungen

    neben Krommers original-Harmoniemusik-werken existieren auch noch Bearbeitungen der-selben für andere Besetzungen. die existenz sol-cher arrangements lässt sich sicherlich zu einemgroßen teil auf das nicht-Vorhandensein dervom Komponisten geforderten Besetzung, oderanders ausgedrückt, auf das Vorhandensein be-stimmter instrumente bzw. instrumentalisten aneinem bestimmten ort zurückführen.

    ein Bearbeiter par excellence war Franz Josephrosiniack (auch: rosinak). auf den namen ro-siniack stößt man im Zusammenhang mit den inder Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothekzu donaueschingen erhaltenen Harmoniemu-sik-Bearbeitungen des öfteren. rosiniack, inBöhmen geboren, lebte von 1748 bis 1823 undgehörte als oboist und Fagottist von 1777 bis zuseinem tode der Fürstlich FürstenbergischenHofkapelle zu donaueschingen an; offensicht-lich stand er dieser auch vor. daneben tat er sichals Bearbeiter fremder Werke hervor.16 Krom-mers Harmoniemusik inspirierte rosiniack ganzbesonders zu umarbeitungen: auf sein instru-ment oboe zugeschnitten arrangierte er sechsvon elf der lt. „Catalog / Über / VorhandeneClavier= und Sing=Musick / Sr Hochfürstlichendurchlaucht / Carl Joachim / regierenden Für-

    sten / zu / Fürstenberg / &. &.“ von 1803 vor-handenen oktett-Partiten für die Besetzung 2oboen, Klarinette und Fagott, alle elf und au-ßerdem noch op. 45 nr. 1 für oboen-Quintett(oboe, Violine, 2 Violen und Violoncello).

    in einem der wichtigsten Zentren der mährisch-tschechischen instrumentalmusik vom ausge-henden 17. Jahrhundert bis zu Beginn des 19.Jahrhunderts, der Schlossresidenz der Fürstbi-schöfe von olmütz (olomouc) in Kremsier(Kromeríz), wirkte anfang des 19. Jahrhundertsein weiterer Bearbeiter Krommerscher Harmo-niemusik namens Václav Hawel. Wenn auch dieHochblüte der Hofkapelle unter das episkopatdes Fürstbischofs Karl liechtenstein-Kastel-korn fiel (1664-1695), so gab es doch auch unterden zu lebzeiten Krommers amtierenden Fürst-bischöfen (leopold Graf von egk 1758-1760,Maximilian Graf von Hamilton 1761-1776, an-ton theodor Graf von Colloredo-Waldsee 1777-1811, Maria thaddäus Graf von trauttmanns-dorf 1811-1819 und rudolph erzherzog vonÖsterreich, ein Bruder Kaiser Franz’ i., 1819-1831) ein reges Musikleben in Kremsier.

    Maria thaddäus Graf von trauttmannsdorf be-kleidete vor seiner Wahl zum erzbischof vonolmütz das amt des Bischofs zu Königgrätz(1794-1811). in jener Zeit unterhielt der Bischofin seiner Sommer residenz in Chrast bei Chru-dim ein Musik ensemble, das ab dem Jahre 1804als Harmoniemusik-ensemble fungierte undvon seinem Kammerdiener Václav Hawel (auch:Havel) geleitet wurde. Hawel, um 1778 in Praggeboren, gestorben nach 1826, war wahrschein-lich Klarinettist und kopierte bzw. bearbeiteteauch Harmoniemusik-Kompositionen.

    Hawel begleitete Maria thaddäus Graf vontrauttmannsdorf nach dessen Wahl zum erzbi-schof von olmütz nach Mähren: Mit dem um-zug von Maria thaddäus Graf von trautt-mannsdorf nach olmütz gelangte auch dessenMusiksammlung nach Kremsier.17 das erklärtdie ortsangabe „Chrast“ auf den von Hawelverfertigten und in Kremsier gefundenen Ko-pien und Bearbeitungen von Krommer-Partiten.

    Hawels Feder entstammen Bearbeitungen vonPartiten in ursprünglicher oktett- bzw. nonett-

  • 20 tiBia 1/2004

    Heinz Ecker

    besetzung (2 oboen, 2 Klarinetten, 2 Hörnerund 2 Fagotte bzw. zusätzlich Kontrafagott) fürdie Besetzung 2 Klarinetten, 2 Fagotte und 2Hörner, zum teil auch mit Clarino bzw. trom-ba ad libitum.

    der im K. K. 60. infanterie-regiment unter ig-natz Graf Gyulai dienende Wiener Militär-Kapellmeis ter reznicek (1787-1848) (auch: rez-niczek oder resnitschek) schrieb im Jahre 1825auf der Grundlage einer bis dato nicht nach-weisbaren Partita ein arrangement für türkischeMusik, das als handschriftliche Partitur amStandort Wien/Österreichische nationalbiblio-thek, Musiksammlung (riSM-BibliothekssigelWn) mit der Signatur (Mus.Hs. 2280) einsehbarist.

    Von Franz Krommer selbst stammen auchadaptionen von Märschen für Klavier, eine Be-arbeitung des 4. Satzes (Alla Pollacca) von op. 73für Klavier und wahrscheinlich eine transkrip-tion der Harmonie op. 78 für 2 Flöten und Kla-vier. des weiteren sind einige Partiten identischmit Streichquintetten.

    ein Bearbeitungs-Sonderfall ist in der Zusam -menstellung einzelner Sätze aus zwei oder mehrWerken Krommers zu einem neuen Stück gege-ben. im Stift Melk (riSM-Bibliothekssigel M)begegnen gleich zwei solcher Satzzusammen-stellungen: Harmonie=Stücke für den Frohn -leichnams=Umgang mit der Signatur (V 1189)und Harmoniemit der Signatur (Vi 1768).

    am Standort regensburg/Fürst thurn und ta-xis Hofbibliothek (riSM-Bibliothekssigel rtt)begegnet eine weitere eigentümliche Bearbei-tung: in der dreisätzigen Partita in B-dur mitder Signatur (Krommer 10) findet sich op. 73 ru-dimentär mit 2 Sätzen wieder; der letzte Satz istein andante, das aller Wahrscheinlichkeit nachnicht von Krommer stammt.

    Wie zuvor schon ausgeführt, nahmen die PariserVerleger Bochsa père und Dufaut et Dubois „be-setzungstechnische“ Bearbeitungen bzw. Verän-derungen bei der drucklegung der 9- bzw. 10-stimmigen Harmonien op. 45 nr. 1, op. 45 nr. 2,op. 45 nr. 3, op. 57, op. 67, op. 69, op. 71, op. 73,op. 76, op. 77, op. 78, op. 79 und op. 83 vor.

    Schlussbetrachtung

    das Gros der Harmoniemusikwerke Krom-mers, vor allem und gerade die zivile Harmonie-musik, erschien zum ersten Mal im ersten de-zennium des 19. Jahrhunderts in Wien imdruck. danach, ca. 1818 und ca. 1826/1827, be-schränkte sich die edition auf Militär-Märsche.

    die Massierung der erstdrucke im Zeitraumzwischen 1803 und 1810 legt zunächst denSchluss nahe , dass dieses Jahrzehnt den Höhe-punkt der zivilen Harmoniemusik, zumindestim österreichisch-böhmisch-mährisch-ungari-schen raum, darstellte, wenn man einmal Krom-mer als einen ihrer herausragenden Schöpfer undstellvertretend für die vielen ungenannten undzum teil heute unbekannten Komponisten die-ses Genres betrachtet.Bedenkt man jedoch, dass ende 1795 sowohl inWien als auch in Prag, den beiden wichtigstenmusikalischen Zentren im Mitteleuropa des aus-gehenden 18. Jahrhunderts, die Kultur der aus -übenden herrschaftlichen Haus- bzw. Harmonie-kapellen schon beinahe erloschen war, so stelltsich die Frage, ob von Krommer nicht einfachdie Gelegenheit wahrgenommen wurde, unge-achtet der rückläufigen „Konjunktur“ für Har-moniemusik-Kompositionen in ermangelungreproduzierender ensembles, zumindest in denStädten Wien und Prag, einen teil seiner Har-moniemusikwerke bei den um die Jahrhundert-wende wie Pilze aus dem Boden schießendenMusikverlagen in Wien zwecks weiterer Ver-breitung, auch und gerade über Wien und Praghinaus, drucken zu lassen. in beiden Metropolenwar zu jener Zeit der Zenit der herrschaftlichenHarmoniemusik-Kultur allemal überschritten;die relativ große anzahl von erstdrucken im ers -ten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts in Wien lässtsich in diesem Fall nicht unbedingt als indiz füreine Blüte der Harmoniemusik in diesemraum/Zeitraum heranziehen. Wann auch immerdie „Hochzeit“ des Genres Harmoniemusik zuveranschlagen ist (für Wien konstatiert rogerHellyer: „Harmoniemusik reached the pinnacleof its popular acclaim and artistic achievement inVienna in the last two decades of the eighteenthcentury“)18 –, fest steht, dass zu lebzeitenKrommers die Harmoniemusik allmählich anBedeutung und öffentlichem interesse gewann,

  • tiBia 1/2004 21

    Die Harmoniemusik von Franz Krommer

    Massenkeil, vierter Band, Freiburg, Basel, Wien: VerlagHerder 1987, S. 121-125Altenburg, d.: Trompete, in: Das große Lexikon der Mu-sik in acht Bänden, hrsg. von Marc Honegger und Gün -ther Massenkeil, achter Band, Freiburg, Basel, Wien: Ver-lag Herder 1987, S. 174-177Anzenberger, Friedrich: Tanz- und Militärmusiker umJosef Lanner, in: Begleitbuch zur Ausstellung „FlüchtigeLust. Joseph Lanner. 1801-1843“, Wien 2001, S. 53-66Apel, Willi: Die Notation der polyphonen Musik 900-1600, Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1989

    sie u. a. durch sein Schaffen ihren Höhepunkt er-reichte und schließlich in Bedeutungslosigkeitabsank: außerhalb jeglichen Kausalzusammen-hanges sind die lebenszeit Krommers und dieZeit des Werdens und Vergehens der GattungHarmoniemusik nahezu kongruent. o

    Literatur:Altenburg, d.: Horn, in: Das große Lexikon der Musik inacht Bänden, hrsg. von Marc Honegger und Günther

    Harmonie in F-dur, op. 73: Beginn 3. Satz (adagio). autographe Partitur in der Bibliothèque nationale, Paris, Signatur (Ms. 6579) (vergrößerter ausschnitt)

  • 22 tiBia 1/2004

    Heinz Ecker

    Becker, Heinz: Die europäischen Oboeninstrumente, in:Musikinstrumente in Einzeldarstellungen, Band 2: Blas-instrumente, Kassel, Basel, london: deutscher taschen-buch Verlag/Bärenreiter-Verlag 1982 (edition MGG), S. 79-113Berner, alfred: Geschichte der Trompeteninstrumente.Typen und Verwendung im Abendland bis zum Ende des18. Jahrhunderts, in: Musik instrumente in Einzeldarstel-lungen, Band 2: Blasinstrumente, Kassel, Basel, london:deutscher taschenbuch Verlag/Bärenreiter-Verlag 1982(edition MGG), S. 263-275Bröcker, M.: Oboe, in: Das große Lexikon der Musik inacht Bänden, hrsg. von Marc Honegger und GüntherMassenkeil, sechster Band, Freiburg, Basel, Wien : VerlagHerder 1987, S. 84f.Bröcker, M.: Ventil, in: Das große Lexikon der Musik inacht Bänden, hrsg. von Marc Honegger und GüntherMassenkeil, achter Band, Freiburg, Basel, Wien: VerlagHerder 1987, S. 239Diederichs-Lafite, Marion: Mähren in der Musikge-schichte, in: Österreichische Musik Zeitschrift, Jg. 42/4,april 1987, S. 145f.Elvert, Christian ritter d’: Zur Geschichte des Erzbis-thums Olmütz und insbesondere seines mehrhundert -jährigen Kampfes mit den mährischen Ständen und derStaatsgewalt, Brünn 1895, Verlag der historisch=statisti-schen SectionFederhofer-Königs, renate: Rudolph, in: Die Musik inGeschichte und Gegenwart. allgemeine enzyklopädieder Musik, hrsg. von Friedrich Blume, München undKassel, Basel, london: Gemeinsame taschenbuchaus -gabe des deutschen taschenbuch Verlags und des Bären-reiter-Verlags 1989, Band 11, Sp. 1058-1061Gourdet, G.: Fagott, in: Das große Lexikon der Musik inacht Bänden, hrsg. von Marc Honegger und GüntherMassenkeil, dritter Band, Freiburg, Basel, Wien: VerlagHerder 1987, S. 41-43Hellyer, roger: ‘Harmoniemusik’: Music for Small WindBand in the Late Eighteenth and Early Nineteenth Cen-turies, Phil. diss. oxford 1973Komma, Karl Michael: Das böhmische Musikantentum,Kassel: Johann Philipp Hinnenthal-Verlag 1960 (die Mu-sik im alten und neuen europa, eine Schriftenreihe, hrsg.von Walter Wiora, Band 3)Kroll, oskar: Die Klarinette, reprint Kassel, Basel,tours, london: Bärenreiter 1978Kramá?, in: Riemann Musiklexikon, hrsg. von WillibaldGurlitt, 12., völlig neubearbeitete auflage, Mainz: B.Schott’s Söhne 1959, Personenteil a-K, S. 959

    Krommer, in: Allgemeines historisches Künstler=Lexikonfür Böhmen und zum Theil auch für Mähren und Schle-sien, gesammelt und bearbeitet von Gottfried Johann dla-bacz, Prag: Gottlieb Haase 1815, Zweiter Band, Sp. 135-139Krommer, in: Biographie Universelle des Musiciens et Bib -liographie Générale de la Musique, hrsg. von François Joseph Fétis, Paris 1875, reprint Bruxelles: Culture etCivilisation 1963, Band 5, S. 118f.Krommer, in: Encyclopädie der gesammten musikalischenWissenschaften, oder universal=lexicon der tonkunst,Stuttgart: Verlag von Franz Heinrich Köhler 1841, vierterBand, S. 242Krommer, in: Musikalisches Conversations-Lexikon. ei-ne encyklopädie der gesammelten musikalischen Wis-senschaften, bearbeitet und herausgegeben von HermannMendel, Berlin: robert oppenheim 1876, sechster Band,S. 167Krommer, in: Neues Universal-Lexikon der Tonkunst.Für Künstler, Kunstfreunde und alle Gebildeten, bearbei-tet und herausgegeben von eduard Bernsdorf, dresden:robert Schaefer 1857, zweiter Band, S. 665f.Krommer, in: Universal-Lexikon der Tonkunst. neueHand=ausgabe in einem Bande, neu bearbeitet, ergänztund theilweise vermehrt von dr. F. S. Gaßner, Stuttgart:Verlag von Franz Köhler 1849, S. 511f.Meyer, ernst Hermann: Die Bedeutung der Instrumen-talmusik am Fürstbischöflichen Hofe zu Olomouc (ol-mütz) in Kromeríz (Kremsier), in: Die Musikforschung,hrsg. von der Gesellschaft für Musikforschung u. a., iX.Jahrgang, Kassel und Basel: Bärenreiter-Verlag 1956, Heft4, S. 388-411Monk, Christopher W.: Die älteren Blechblasinstrumen-te: Zink, Posaune, Trompete, in: Musikinstrumente. DieGeschichte ihrer Entwicklung und ihrer Formen. einSymposion von sechzehn autoren, hrsg. von anthonyBaines, München: Prestel-Verlag 1982, S. 293-311Nettl, Paul: Zur Geschichte der Musik kapelle des Fürst-bischofs Karl Liechtenstein=Kastelkorn von Olmütz, in:Zeitschrift für Musikwissenschaft, hrsg. von der deut-schen Musikgesellschaft, leipzig: Breitkopf & Härtel,vierter Jahrgang oktober 1921-September 1922, achtesHeft (Mai 1922), S. 485-496Oesterreichisch=Kaiserliche privilegirte Wiener=Zeitung,nr. 160, vom Samstag, dem 15. Juli 1820, S. 640 anhangOlson, Jeffrey K.: Partita in Eb, op. 71 by Franz VinzenzKrommer: A critical/historical edition, diss., the ohioState university, 1992 (autorisiertes Faksimile auf der Basis eines von uMi dissertation information Serviceangefertigten Mikrofilms)Padrta, Karel: Franz Krommer (1759-1831). themati-scher Katalog seiner musikalischen Werke, Praha: editioSupraphon 1997 (H 7759)Riehl, Wilhelm Heinrich: Musikalische Charakterköpfe.ein kunstgeschichtliches Skizzenbuch, zweite auflage,des ersten unveränderten abdrucks, Stuttgart: Verlag der

    KlariSaxMusikalienfachhandelBlockflöten von ADLER-HEINRICH, Meinel,

    Moeck, Mollenhauer,Gebr. Schneider, Ralf Schneider und ZEN-ONMundharmonikas von C. A. Seydel Söhne

    tel.: 09161 / 88 34 67, Fax: 09161 / 88 34 66email: [email protected]

  • tiBia 1/2004 23

    Die Harmoniemusik von Franz Krommer

    J. G. Cotta’schen Buchhandlung 1881, dritter Band, S. 129-186Robbins: Haydn: the Years of ‘the Creation’ 1796-1800,london: thames and Hudson 1977 (Haydn: Chronicleand works in five volumes by H. C. robbins landon,vol. 4)Rosinak, in: Allgemeines historisches Künstler=Lexikonfür Böhmen und zum Theil auch für Mähren und Schle-sien, gesammelt und bearbeitet von Gottfried Johann dla-bacz, Prag: Gottlieb Haase 1815, zweiter Band, Sp. 593Sachs, Curt: Klarinette, in: Real -Lexikon der Musikin-strumente, zugleich ein Poly glossar für das gesamte in-strumentengebiet, Berlin: im Verlag von Julius Bard 1913,S. 215Schoenbaum, Camillo: Die böhmischen Musiker in derMusikgeschichte Wiens vom Barock zur Romantik, in:Studien zur Musikwissenschaft, Beihefte der denkmälerder tonkunst in Österreich, fünfundzwanzigster Band,Festschrift für erich Schenk, Graz-Wien-Köln: HermannBöhlhaus nachf. 1962, S. 475-495Schönfeld, Johann Ferdinand von: Jahrbuch der Ton-kunst von Wien und Prag. 1796. im von SchönfeldischenVerlag. Faksimile-nachdruck der ausgabe Wien 1796,München-Salzburg: emil Katzbichler 1976 (Publikatio-nen der Sammlungen der Gesellschaft der Musikfreundein Wien, hrsg. von otto Biba)Schuler, Manfred: Der angebliche Mozart-„Fund“, in:Acta Mozartiana. Mitteilungen der Deutschen Mozart-Gesellschaft e. V., zweiunddreißigster Jahrgang, Februar1985, Heft 1, S. 8-13Sehnal, Jirí: Die Musikkapelle des Olmützer Bischofs KarlLiechtenstein-Castelcorn in Kremsier, in: Kirchenmusika-lisches Jahrbuch, hrsg. vom allgemeinen Cäcilien-Ver-band für die länder der deutschen Sprache, Köln: luthe-druck 1967, 51. Jahrgang, S. 79-123Sehnal, Jirí: Die Musikkapelle des Olmützer Bischofs Ma-ximilian Hamilton (1761-1776), in: Die Musikforschung,hrsg. von der Gesellschaft für Musikforschung, XXiV.Jahrgang, Kassel und Basel: Bärenreiter-Verlag 1971, Heft4, S. 411-417Sehnal, Jirí: Harmonie na Morave 1750-1840 / Harmo-niemusik in Mähren 1750-1840, in: Casopis MoravskéhoMusea / acta Musei Moraviae, Vedy spolecenské / Scien-tiae sociales, lXViii, 1983, S. 117-148Sehnal, Jirí: Die Musikkapelle des Olmützer ErzbischofsAnton Theodor Colloredo-Waldsee 1777-1811, in: TheHaydn Yearbook/Das Haydn Jahrbuch 1978, Vol.X/Band X, S. 132-150 (universal edition für den/for theVerein internationale Joseph Haydn Stiftung eisenstadt)Stoneham, Marshall; Gillaspie, Jon a.; Clark, davidlindsey: Wind ensemble sourcebook and biographicalguide, Westport, Connecticut · london: Greenwoodpress 1997 (Music reference Collection, number 55)Suppan, Wolfgang: Die Harmoniemusik. Das private Re-präsentations- und Vergnügungsensemble des mitteleuro-päischen Adels zwischen Kunst- und gesellschaftlichem

    Gebrauchswert, in: Musica Privata. die rolle der Musikim privaten leben. Festschrift zum 65. Geburtstag vonWalter Salmen, hrsg. von Monika Fink, rainer Gstreinund Günter Mössmer, innsbruck: edition Helbling 1991,S. 151-165Tabulatur, in: Musikalisches Conversations-Lexikon. ei-ne encyklopädie der gesamten musikalischen Wissen-schaften, begründet von Hermann Mendel, vollendet vondr. august reissmann, leipzig: Verlag von list & Fran-cke o. J., zehnter Band, S. 59-72Tarr, e. H.: Clarino, in: Das große Lexikon der Musik inacht Bänden, hrsg. von Marc Honegger und GüntherMassenkeil, zweiter Band, Freiburg, Basel, Wien: VerlagHerder 1987, S. 159f.Walter, Horst: Franz Krommer (1759-1831). Sein Lebenund Werk, mit besonderer Berücksichtigung der Streich-quartette, Phil. diss. Wien 1932 (masch.)Weinmann, alexander: Wiener Musikverleger und Mu-sikalienhändler von Mozarts Zeit bis gegen 1860. ein fir-mengeschichtlicher und topographischer Behelf, Wien: inKommission bei Rudolf M. Rohrer 1956 (Veröffentli-chungen der Kommission für Musikforschung, hrsg. vonerich Schenk, Heft 2)Wessely, othmar: Krommer, in: Die Musik in Geschichteund Gegenwart. allgemeine enzyklopädie der Musik,hrsg. von Friedrich Blume, Kassel-Basel-london-newYork: Bärenreiter 1958, Band 7, Sp. 1815-1822Wessely, othmar: Krommer, Franz (Vinzenz), in: TheNew Grove Dictionary of Music and Musicians, hrsg. vonStanley Sadie, london: Macmillan Publishers limited1980, Band 10, S. 278f.Whitwell, david: Franz Krommer: Early Wind Master, in:the Journal of Band Research, Vol. X/2 (spring 1974), S. 21-24, troy State university Press

    JOHN HANCHETder Spezialist für Schalmeien,

    und Frühe Blockflöten

    1, Roxley Close, Norwich NR7 0QHEngland ((0044) 1603 437324

    www.hanchet-woodwind.co.uk

    e-mail: [email protected]

    ZU VERKAUFEN:3 Krummhörner (Alt, Tenor, Bass extd.)Original Hanchet,zus. 1.350,00 Euro VB

    Tel.: 0228 - 471890

  • 24 tiBia 1/2004

    Heinz Ecker

    ––––––––––––––ANMERKUNGEN1der artikel behandelt verkürzt zwei Schwerpunkte derdissertation „die Harmoniemusik von Franz Krommer.Versuch einer kritischen Bestandsaufnahme, mit themati-schem Katalog“ von Heinz ecker am Musikwissen-schaftlichen institut der Johann-Wolfgang-Goethe-uni-versität zu Frankfurt am Main (2001). die dissertationbesteht aus einem textteil (Band i) sowie einem themati-schen Katalog (Band ii) und ist auf Cd-roM erschienen.erhältlich ist die Cd-roM beim Verfasser (http://www.krommer.com; e-Mail: h.ecker@t-online. de)

    2 Zur „Musikanten-emigration“ des 17. und 18. Jahr-hunderts siehe vor allem K. M. Komma, Das böhmischeMusikantentum, S. 153-1653das riemann Musiklexikon führt als Geburtsjahr 1760auf (riemann-lexikon Kramáfi, Personenteil a-K, 1959,S. 959). andere lexika und enzyklopädien nennen 1759als Geburtsjahr. da im totenprotokoll Krommers ausdem Jahre 1831 als Sterbealter 72 Jahre angegeben ist, istdas Jahr 1759 als Geburtsjahr anzunehmen (siehe H. Wal-ter, Krommer, S. 2)4 eine weitere namensvariante ist „Krommer-Kramáfi“(siehe o. Wessely, nGroved Krommer, Band 10, 1980, S. 278) bzw. „Kramáfi-Krommer“ (siehe K. Padrta, FranzKrommer, S. 9); im folgenden werden jedoch nur noch dienamen „Franz Krommer“ bzw. „Krommer“ verwendet.„in der Matrikeleintragung […] steht die altertümlichetschechische Form ‘Kramarz’ mit den lateinisch ange-führten Vornamen ‘Franciscus Vincencius’.“ (K. Padrta,Franz Krommer, S. 53, anmerkung 1). in den zahlreichenWerk-Manuskripten bzw. -Kopien begegnen noch weite-re namensabwandlungen wie „Kromer“, „Cromer“,„Crommer“, „Kramer“ und „Krammer“, die auch schoneinmal zu einer falschen Werk-Komponisten-Zuordnungführen können.5 „der „Kammerthürhüter“ war eine Sinecure undKrommer fand durch dieselbe wohl zuerst die goldeneMuße, ganz seinem künstlerischen Schaffen leben zu kön-nen.“ (W. H. riehl, Charakterköpfe, S. 137); Karel Padr-ta begreift den Kammertürhüter als bloße titularfunk-tion, „… die Krommer den Zugang zum Hof ermöglichensollte, seine eigentliche aufgabe war jedoch sein musika-lisches Wirken; […].“ (K. Padrta, Franz Krommer, S. 33)6 Siehe W. H. riehl, Charakterköpfe, S. 1437W. H. riehl, Charakterköpfe, S. 1848W. H. riehl, Charakterköpfe, S. 183neben den Werken für reine Streicher- und Bläserbeset-zungen existieren von Krommer des Weiteren auch ge-mischte Quintette (Flöte bzw. oboe und Streicher) undQuartette (Streicher mit Flöte, oboe, Klarinette oder Fagott) (siehe K. Padrta, Franz Krommer, S. 169ff. und S. 231ff.)9 im „HarmonieSelbstVerlag“ des Verfassers sind zwi -schenzeitlich drei textkritische, neuzeitliche erstausga-ben der Geschwindmärsche für Harmoniemusik erschie-nen (siehe http://www.krommer.com)10 Siehe W. apel, notation, S. 28f. und MCl tabulatur,zehnter Band, S. 6011 J. K. olson, Partita op. 71, S. 281, siehe auch S. 22-2812 r. Hellyer, Music for Small Wind Band, S. 29013 Siehe H. C. r. landon, Haydn 4, S. 331f.; siehe auchM. Stoneham u. a., Wind ensemble sourcebook, S. 21414K. M. Komma, das böhmische Musikantentum, S. 61f15 K. M. Komma, das böhmische Musikantentum, S. 6616 Siehe M. Schuler, rosinak, S. 1017 Siehe J. Sehnal, Harmoniemusik in Mähren, S. 14718 r. Hellyer, Music for Small Wind Band, S. 95

    Altershalber zu verkaufen:1 Quartett Kynseker-Paetzold Blockflöten

    cis/fis, Pflaume1 barocke Sopranblockflöte, Fehr,

    EbenholzJeweils zum halben Ladenpreis!

    1 Diskantgambe (Bächle) r 3.000,--1 Altgambe (Bächle) r 4.000,--

    Tel. 07464 / 1485

  • tiBia 1/2004 25

    Kinder sind, wenn sie auf einem instrument mitdem unterricht beginnen, noch nicht zu sehr aufeinen bestimmten Klang des instruments festge-legt. dies und die natürliche experimentierfreu-de des Kindes ermöglichen den spielerischenumgang mit modernen techniken von Beginnan.

    Schon die ersten Versuche auf dem Flötenkopfsind streng genommen außerordentliche tech-niken, die den Spaß und das Kennenlernen desinstruments fördern. Schon hier wird dem Kindklar, dass Flötespielen mehr sein kann, als dasdrücken der richtigen Klappen und das erzeu-gen eines schönen Klangs. Kinder sollten diesetechniken begreifen als ein ausdrucksmittel desKomponis ten oder des improvisierenden, eben-so wie töne, rhythmen, Klangfarben, lautstär-ken und Zusammenklänge.

    das Kennenlernen der techniken muss sein wiedas erlernen einer Sprache für etwas, das wirschon lange sagen wollten, wofür uns aber dieMittel fehlten. also niemals trockenes Hand-werk lehren, sondern jede technik mit einer Bin-dung an eine oder mehrere aussagemöglichkei-ten vorstellen, denn nur so können Schüler neuetechniken als eine Mög lichkeit in ihrer aus-druckspalette begreifen.

    Wirklich leichte, am anfänger orientierte lite-ratur mit einsatz moderner techniken gibt esviel zu wenig, schwere dagegen genug. dies zeigtaber deutlich das dilemma der Musikschullehr-kraft auf der Suche nach Kammermusik, die z. B.auch für Jugend musiziert geeignet wäre. ein gu-ter effekt ist, dass manche Schüler und lehr-kräfte zu komponieren beginnen, nachteiligwirkt sich allerdings aus, dass nur wenige Ver -lage bereit sind, die oft sehr gut verwendbarenergebnisse zu drucken.

    in ermangelung geeigneter literatur greifen wirvor allem auf improvisatorische Methoden zumVertrautwerden mit den und anwenden der

    neuen techniken zurück. Wir möchten hier ver-schiedene Wege des Kennenlernens und auch desspielerischen erarbeitens aufzeigen, die für älte-re und jüngere Schüler geeignet sind.

    – Mögliche techniken für anfänger:Flatterzunge, aeolian Sound, Harmonicsund Überblasrakete, Jet-Whistle, Finger-klappern auch beim Blasen ins Mundloch,evtl. einfacher doppelklang (d3-Griff), Sin-gen und Spielen, tremoli, andere artikula-tionssilben, einfache Glissandi, tongue ram

    – dazu für Fortgeschrittene:erweiterte doppelklänge, Whistles, Pizzica-to, erweiterte Glissandi, Bisbigliando

    Antje Gerlof und Wiebke SchulerEinführung in die Techniken der Neuen Musik für Anfänger undFortgeschrittene auf der Querflöte

    Antje Gerlof (Flöte) studierte zuletzt bei Mirjamnastasi in Frankfurt. Flötistin am Coburger lan-destheater, dozentin für Querflöte und stellvertre-tende Schulleiterin an der Sing- und Musikschule imlandkreis Coburg. Seit 1996 hat sie eine Professur-vertretung für Querflöte an der MusikhochschuleFreiburg inne.

    Wiebke Schuler, Studium an der MusikhochschuleFreiburg und an der royal academy of Music inlondon. diplome in den Fächern orchestermusik,diplommusiklehrer sowie der elementaren Musik-pädagogik. unterricht und Meisterkurse u. a. beiProf. dr. Mirjam nastasi, antje Gerlof, Sigrun Witt,William Bennett und Michael Cox. langjährige un-terrichtstätigkeit in den Fächern Querflöte und Mu-sikalische Früherziehung, seit november 2002 lehr-kraft an der Musikschule offenburg.

    antje Gerlof Wiebke Schuler

    Fot

    o: G

    erd

    Hei

    nlei

    n

    Fot

    o: e

    lke

    Moh

    l

  • 26 tiBia 1/2004

    ein wilder orkan auf hoherSee

    ein leichter Sommerwind

    ein stetiger Wind mit heftigenBöen

    der Wind lässt viele bunteBlätter vom Baum fallen

    Lufttöne oder Aeolian Sounds

    lufttöne gehören neben dem Klappenschlagenwohl zu den einfachsten neuen Spieltechnikenund bieten viel Stoff für die kindliche Phantasie.Über die imitation von verschiedensten Geräu-schen können musikalische ausdrucksqualitä-ten erfahren, erarbeitet und verfeinert werden.auf diesem Wege lernt ein Schüler, sich kreativmit Klangereignissen (jeglicher art!) ausei -nanderzusetzen, eine Zielvorstellung zu entwi-ckeln und Musik als eine „erzählung“ und somitals eine „aussage“ ohne Worte zu verstehen,nicht als eine mechanische reproduktion.

    im unterricht könnte je nach Spielstand desSchülers entweder mit dem Kopfstück oder be-reits mit der ganzen Flöte begonnen werden.Manchmal ist es auch ratsam, zunächst nur diekörperlichen Gegebenheiten ganz ohne instru-ment wahrzunehmen. (Was muss ich tun, damitmeine luft scharf, weich, laut, leise, explosiv,gleichmäßig oder unregelmäßig klingt?)

    die verschiedenen lufttonqualitäten lassen sichauch alternativ durch eine improvisation ein-führen, was wesentlich anregender wäre. dabeiwird das thema ein Segelboot auf hoher See alsausgangspunkt genommen. der Schüler könntesowohl zusammen mit dem lehrer als auch ab-wechselnd spielen, so wie es sich ergibt. im an-schluss wäre es ratsam, die Windarten differen-zierter zu wiederholen und graphisch zu notieren.

    auch andere Bilder könnten sich entwickeln:

    die freie Spalte beschreibt den umgekehrtenWeg: Von einer Graphik aus soll ein entspre-chendes Vorstellungsbild gefunden werden.

    in den folgenden Stunden könnten eigene Stückeentstehen, zunächst rein graphisch notiert, spä-ter auch mit den geläufigen Zeichen und inKombination mit anderen Spieltechniken sowieherkömm lichem Spiel. dabei könnte, je nachBedürfnis des jeweiligen Schülers, ein Bild, eineGeschichte oder ein Gedicht als anregung die-nen. Für Schüler, die sich mit eigenschöpferi-schen aktivitäten schwer tun, könnte man Kin-derlieder oder die derzeitigen Stücke aus derQuerflötenschule nehmen und mit lufttönenauszieren, die im notentext entsprechend ge-kennzeichnet werden können.

    Flatterzunge

    Flatterzunge ist für Kinder alles mögliche: einauto , ein Motorboot, ein Maschinengewehr …es liegt also nahe, eine passende Geschichte da-mit darzustellen. die Flatterzunge hat einen ho-hen Verfremdungseffekt und macht aus einemalten tanz rasch ein modernes Stück. Flatter-zunge lässt sich entweder mit dem Gaumen-oder mit dem Zungen-r erzeugen, wobei sichersteres für piano und tiefe lage anbietet undletzteres für forte und hohe lage.