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Themenheft Globalisierung ab Klasse 9 Tim Engartner, Andreas Nölke Fluch oder Segen? Licht und Schatten der Globalisierung

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Themenheft Globalisierungab Klasse 9

Tim Engartner, Andreas Nölke

Fluch oder Segen?Licht und Schatten der Globalisierung

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Bestellnummern30459: Lehrerheft (inkl. didaktischem Kommentar)30460: Schülerheft

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[A] Merkmale der Globalisierung

M1: Weltweite Vernetzung – ein alltägliches Phänomen ...................................... 4M2: Dimensionen der Globalisierung ................................................................... 6M3: Weltweite Vernetzung per Information ......................................................... 8

[B] Globalisierung des Handels

M4: Weltweite Warenströme ..............................................................................10M5: Handel mit Rohstoffen .................................................................................12M6: Triebkräfte der Handelsglobalisierung ..........................................................13M7: Die Welthandelsorganisation (WTO): Erfolg oder Misserfolg? .....................14M8: Das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) ....................................16

[C] Globalisierung der Finanzmärkte

M9: Dimensionen und Ursachen der Finanzglobalisierung ..................................18M10: Wie viel finanzielle Globalisierung ist sinnvoll? ...........................................18M11: Finanzmarktregulierung und ihre Auswirkungen .........................................19

[D] Globalisierung der Produktion

M12: Die neue internationale Arbeitsteilung: globale Produktionsketten ........... 20M13: Globale Neugewichtung .............................................................................21M14: Deutschland im Standortwettbewerb ....................................................... 22M15: Standortwettbewerb: Perspektiven von Gewinnern und Verlierern ...........24M16: Gewerkschaften suchen die internationale Kooperation ........................... 28

[E] Globalisierung der Arbeitsmärkte

M17: Bauarbeiter als moderne Sklaven .............................................................. 32M18: Elend und Hoffnung in der Textilindustrie ................................................. 33M19: „Bloß kein Boykott“ .................................................................................. 36M20: „Schutzmauern“ der EU ........................................................................... 38

[F] Globalisierung der Politik

M21: Was kann die Politik tun? Lässt sich Globalisierung politisch steuern? ..... 40M22: Nationale Wirtschaftspolitik in Zeiten der Globalisierung .......................... 42M23: Abschlussaufgabe „Eine andere Welt ist möglich!“ ................................. 43

Didaktisch-methodischer Kommentar

Einleitung ...............................................................................................................46Didaktische Kommentierung der einzelnen Materialien ........................................47Weiterführende Literatur .......................................................................................57

Bild- und Quellenverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

M7 verweist auf eine Vertiefungsaufgabe oder ein Vertiefungsmaterial zur Differenzierung im Unterricht.

M2 / A3 verweist darauf, dass die Aufgabe mit einem vorangegangenen Material oder einer vorangegangenen Aufgabe verknüpft ist.

Legende

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4boeckler-schule.de | Themenheft Globalisierung | [A] Merkmale der Globalisierung

SPITZBERGEN(NO)

ALASKA (USA)

KANADA

VEREINIGTE STAATEN

PAZIFISCHER OZEAN MEXIKO

KOLUMBIEN

VENEZUELA

BRASILIENPERU

BOLIVIEN

ARGENTINIEN

CHILE PARAGUAY

URUGUAY

FALKLANDINSELN (GB)

KUBA

ECUADORECUADOR(GALAPAGOS-

INSELN)

PANAMACOSTA RICA

EL SALVADOR NICARAGUAGUATEMALA

BELIZEHONDURAS

BAHAMAS

HAITIJAMAIKA

PR

TRINIDAD UND TOBAGO

GUYANAFRANZÖSISCH-GUYANA

SURINAME

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

ATLANTISCHEROZEAN

INDISCHEROZEAN

GRÖNLAND (DÄNEMARK)

ANTARKTIS

MADAGASKARRÉUNION

MAURITIUS

SEYCHELLEN

KOMOREN

AUSTRALIEN

NEUSEELAND

CHINA

KASACHSTAN MONGOLEI

RUSSLAND

ARKTISCHEROZEAN

WEISS-RUSS-LAND

GRITALIEN

FRANK-REICH

DEUTSCH-LAND

NOR-WEGEN

SCHWE-DEN

ISLAND

FINN-LAND

EE

LVLTRU

DKVEREINIGTES KÖNIGREICH

IRLANDNL

BECZ

SK

TURKME-NISTAN

USBEKIS-TAN KIRGISIS-

TAN

TJ

AFGHA-NISTANIRAN

PAKISTAN

INDIEN

SRI LANKA

BTNEPAL

BD MYAN-

MARLAOS

THAI-LAND

KAMBODSCHA

PAPUA-NEUGUINEA

MALAYSIA

INDONESIEN

OSTTIMOR

BRUNEI

SALOMONEN

VANUATU

NEUKALEDONIEN(FRANKREICH)

PHILIPPINEN

JAPANSÜDKOREA

NORDKOREA

VIETNAM

RUMÄ-NIEN

MD

UKRAINE

TÜRKEI

BGMEAL

MTTUNESIEN

LIBYENALGERIEN

MAROKKO

MAURE-TANIEN

BURKINA FASO

BJTGGH

ELFEN-BEIN-KÜSTE

SIERRA LEONE

LIBERIA

GUINEA

GAMBIAGUINEA-BISSAU

SENEGAL

WEST-SAHARA

MALISUDAN

SÜD-SUDAN

TSCHAD

ÄTHIOPIEN

DSCHIBUTI

ERITREA

SAUDI-ARABIEN

JEMEN

OMANAE

QA

KW

IL

LB

SOMALIA

KENIA

TANSANIA

SAMBIA

NAMIBIA BOTS-WANA

SWASILAND

LESOTHOSÜDAFRIKA

SIM-BABWE

MALAWI

MOSAMBIK

UGANDAGQ

REPUBLIK KONGO

DEMOKRATISCHE REPUBLIK KONGO

GA-BUN

ANGOLA

NIGER

NIGERIA

KAME-RUN

ZENTRAL-AFRIKANISCHE

REPUBLIK

ÄGYPTEN

SPANIENPORTUGAL

CY

RSSIHR BH

SYRIEN

AMGE

AZ

IRAK

JO

LU

AD

CH

POLEN

AT HU

MZ

PAZIFISCHER OZEAN

ANDORRAVEREINIGTE ARABISCHE EMIRATEALBANIENARMENIENÖSTERREICHASERBEIDSCHANBANGLADESCHBELGIEN BULGARIENBOSNIEN UND HERZEGOWINABENINBHUTANSCHWEIZZYPERNTSCHECHIENDÄNEMARKESTLANDVEREINIGTES KÖNIGREICHGEORGIENGHANAÄQUATORIALGUINEAGRIECHENLANDUNGARNKROATIENISRAELJORDANIENKUWAITLIBANONLETTLANDLITAUENLUXEMBURGMOLDAWIENMONTENEGROMALTAMAZEDONIENNIEDERLANDENORWEGENPUERTO RICO (USA)KATARRUSSLANDSERBIENSLOWENIENSLOWAKEITOGOTADSCHIKISTAN

ADAEALAMATAZBDBEBGBHBJBTCHCYCZDKEEGBGEGHGQGRHUHRILJOKWLBLVLTLUMDMEMTMZNLNOPRQARURSSISKTGTJ

[A] Merkmale der Globalisierung

M1 Weltweite Vernetzung – ein alltägliches Phänomen

Zwar gilt als Beginn der Globalisierung gelegentlich die Entdeckung Amerikas im Jahr 1492, aber erst seit den 1990er-Jahren ist dieses Schlagwort in aller Munde. Während über die Chancen meist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesprochen wird, sind viele Menschen über die Verflechtung in Wirtschaft, Politik und Kultur zunehmend verunsichert. Durch seine rasante Verbrei-tung und Verwendung ist die begriffliche Schärfe des

Wortes „Globalisierung“ verloren gegangen. Um einen Eindruck von der täglichen Realität der Globalisierung zu gewinnen, beantworten Sie zunächst die nachfolgen-den Fragen. Markieren Sie anschließend die ermittelten Länder in der Karte, um anschaulich zu machen, wie global vernetzt Sie sind. Sollten Sie die Angaben nicht aus der Erinnerung heraus machen können, schauen Sie auf den Produkten nach oder recherchieren Sie im In-ternet.

Autorentext

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Abb. 1, fotolia

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5boeckler-schule.de | Themenheft Globalisierung | [A] Merkmale der Globalisierung

SPITZBERGEN(NO)

ALASKA (USA)

KANADA

VEREINIGTE STAATEN

PAZIFISCHER OZEAN MEXIKO

KOLUMBIEN

VENEZUELA

BRASILIENPERU

BOLIVIEN

ARGENTINIEN

CHILE PARAGUAY

URUGUAY

FALKLANDINSELN (GB)

KUBA

ECUADORECUADOR(GALAPAGOS-

INSELN)

PANAMACOSTA RICA

EL SALVADOR NICARAGUAGUATEMALA

BELIZEHONDURAS

BAHAMAS

HAITIJAMAIKA

PR

TRINIDAD UND TOBAGO

GUYANAFRANZÖSISCH-GUYANA

SURINAME

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

ATLANTISCHEROZEAN

INDISCHEROZEAN

GRÖNLAND (DÄNEMARK)

ANTARKTIS

MADAGASKARRÉUNION

MAURITIUS

SEYCHELLEN

KOMOREN

AUSTRALIEN

NEUSEELAND

CHINA

KASACHSTAN MONGOLEI

RUSSLAND

ARKTISCHEROZEAN

WEISS-RUSS-LAND

GRITALIEN

FRANK-REICH

DEUTSCH-LAND

NOR-WEGEN

SCHWE-DEN

ISLAND

FINN-LAND

EE

LVLTRU

DKVEREINIGTES KÖNIGREICH

IRLANDNL

BECZ

SK

TURKME-NISTAN

USBEKIS-TAN KIRGISIS-

TAN

TJ

AFGHA-NISTANIRAN

PAKISTAN

INDIEN

SRI LANKA

BTNEPAL

BD MYAN-

MARLAOS

THAI-LAND

KAMBODSCHA

PAPUA-NEUGUINEA

MALAYSIA

INDONESIEN

OSTTIMOR

BRUNEI

SALOMONEN

VANUATU

NEUKALEDONIEN(FRANKREICH)

PHILIPPINEN

JAPANSÜDKOREA

NORDKOREA

VIETNAM

RUMÄ-NIEN

MD

UKRAINE

TÜRKEI

BGMEAL

MTTUNESIEN

LIBYENALGERIEN

MAROKKO

MAURE-TANIEN

BURKINA FASO

BJTGGH

ELFEN-BEIN-KÜSTE

SIERRA LEONE

LIBERIA

GUINEA

GAMBIAGUINEA-BISSAU

SENEGAL

WEST-SAHARA

MALISUDAN

SÜD-SUDAN

TSCHAD

ÄTHIOPIEN

DSCHIBUTI

ERITREA

SAUDI-ARABIEN

JEMEN

OMANAE

QA

KW

IL

LB

SOMALIA

KENIA

TANSANIA

SAMBIA

NAMIBIA BOTS-WANA

SWASILAND

LESOTHOSÜDAFRIKA

SIM-BABWE

MALAWI

MOSAMBIK

UGANDAGQ

REPUBLIK KONGO

DEMOKRATISCHE REPUBLIK KONGO

GA-BUN

ANGOLA

NIGER

NIGERIA

KAME-RUN

ZENTRAL-AFRIKANISCHE

REPUBLIK

ÄGYPTEN

SPANIENPORTUGAL

CY

RSSIHR BH

SYRIEN

AMGE

AZ

IRAK

JO

LU

AD

CH

POLEN

AT HU

MZ

PAZIFISCHER OZEAN

ANDORRAVEREINIGTE ARABISCHE EMIRATEALBANIENARMENIENÖSTERREICHASERBEIDSCHANBANGLADESCHBELGIEN BULGARIENBOSNIEN UND HERZEGOWINABENINBHUTANSCHWEIZZYPERNTSCHECHIENDÄNEMARKESTLANDVEREINIGTES KÖNIGREICHGEORGIENGHANAÄQUATORIALGUINEAGRIECHENLANDUNGARNKROATIENISRAELJORDANIENKUWAITLIBANONLETTLANDLITAUENLUXEMBURGMOLDAWIENMONTENEGROMALTAMAZEDONIENNIEDERLANDENORWEGENPUERTO RICO (USA)KATARRUSSLANDSERBIENSLOWENIENSLOWAKEITOGOTADSCHIKISTAN

ADAEALAMATAZBDBEBGBHBJBTCHCYCZDKEEGBGEGHGQGRHUHRILJOKWLBLVLTLUMDMEMTMZNLNOPRQARURSSISKTGTJ

Aufgaben

A1 In welchem Land wurden Ihr T-Shirt, Ihre Jeans und/oder Ihre Schuhe gefertigt?

A2 Sehen Sie nach, in welchem Land Ihre elektro-nischen Geräte (Handy, Computer, Spielkonsole etc.) gefertigt wurden.

A3 Ermitteln Sie, aus welchem Land a) Ihre Zahn-pasta, b) Ihr Duschgel und c) Ihr Shampoo kommen? Was fällt auf?

A4 Recherchieren Sie im Supermarkt fünf ver-schiedene Nahrungsmittel und deren Herkunft.

A5 Aus welchem Land stammt der Sänger/die Sängerin Ihres aktuellen Lieblingssongs?

A6 Wo wurde der letzte Kinofilm, den Sie gesehen haben, produziert?

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M2 Dimensionen der Globalisierung

Lange Zeit bezeichnete der Begriff „Globalisierung“ nur das stärkere Zusammenwachsen der Volkswirtschaften durch internationalen Handel. Seit einigen Jahren um-fasst er aber nun auch den globalen Wandel von (1) In-formationsströmen, (2) Produktionsstandorten sowie (3) Arbeits- und (4) Finanzmärkten.

1 – 4 und 6 picture-alliance

5 fotolia

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Fotoanalyse

1. Was ist auf dem Bild (alles) zu sehen? Zur Beantwortung der Frage ist es hilfreich, den Vorder-, Mittel- und Hintergrund separat zu betrach-ten. Ist dies nicht möglich oder sinnvoll, kann man das Foto auch in gleichmäßige Flächen aufteilen und diese zunächst einzeln beschreiben.

2. Was sind Ihre ersten Eindrücke beim Betrachten des Fotos? Um möglichst detaillierte Antworten auf diese Frage geben zu können, empfiehlt es sich, den Aufbau und die Atmosphäre des Fotos zu schildern.

3. In welchen historischen Kontext lässt sich das Bild einordnen? Was wissen wir über diese Zeit?

4. Ist das Foto arrangiert, d. h. wussten die Fotografier-ten, dass sie fotografiert wurden? Überlegen Sie, ob – und wenn ja, inwieweit – Beziehungen zwischen den Fotografierenden und den Fotografierten bestehen.

5. Gibt es Bildinhalte, die Sie erwartet hätten, die aber nicht (offensichtlich) vorhanden sind?

Aufgaben

A1 Analysieren Sie die Fotos, indem Sie sich an dem nebenstehenden Raster zur Fotoanalyse orien-tieren. Bedenken Sie dabei, dass nicht jede Frage für jedes Foto beantwortet werden kann.

A2 Welche Schlagwörter verbinden Sie mit dem Begriff „Globalisierung“? Orientieren Sie sich bei Ihren Überlegungen an den Fotos und ordnen Sie Ihre Beschreibungen entlang der vier verschiedenen Aspekte der Globalisierung, die in Abbildung 2 oben angegeben sind.

A3 Wie machen sich die benannten Aspekte der Globalisierung in Ihrem Alltag bemerkbar? Wie emp-finden Sie diese Entwicklungen? Formulieren Sie einen ca. zehn Sätze umfassenden Text unter der Überschrift „Globalisierung in meinem Alltag“.

Aspekte der Globalisierung

2. Gesellschaft Die Welt als „global village“

3. ÖkonomieDer Weltbinnenmarkt

4. Kommunikation Die „vernetzte Welt“

1. Sicherheit Die Welt als „Risikoge-meinschaft“

Bedeutungsverlust von Nationalstaaten

Abbau von Handelsschranken, Mobilität des Kapitals, sinkende Transportkosten

Entwicklung der Mikroelektronik und der Telekommunikation

Grenzüberschreitende Bedrohung der Menschen durch globale Gefähr-dungen (Klima, Armut, Migration)

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Abb. 2

Infobox 1

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Anteil der Haushalte mit Internetanschluss nach Regionen, 2014, in Prozent

Europa

Amerika

GUS

Welt

Arab. Staaten

Asien-Pazifik

Afrika

78,0

57,4

53,0

43,6

36,0

35,9

11,1

Abb. 3, International Telecommunication Union, Measuring the Infor-mation Society Report 2014

M3 Weltweite Vernetzung per Information

Die immer leichtere und schnellere Erreichbarkeit von Menschen, Ideen, Waren und Finanzen ist ein seit Jahr-hunderten zu beobachtendes Phänomen. Die Erfindun-gen von Eisenbahn, Dampfschiff, Verbrennungsmotor und Düsenflugzeug auf der einen sowie von Telegraf, Telefon und Telefax auf der anderen Seite haben die Welt immer enger zusammenwachsen lassen. Doch insbeson-dere die neuen lnformationstechnologien haben den Pro-zess in Intensität, Qualität und Dynamik beschleunigt. So ist eine rasante Verbreitung von Kommunikations-technologien in allen Regionen der Welt festzustellen, vor allem im Bereich der Mobilfunkanschlüsse. Deren Zahl stieg von 11 Millionen im Jahr 1990 auf 6,6 Mil-liarden im Jahr 2013. Auch die Zahl der Internetver-bindungen wächst beständig. Während es 2000 erst 400 Millionen Internetnutzer gab, sind es 2015 bereits 3,2 Billionen. Laut der International Telecommunication Union – einer Sonderorganisation der UN – verkleinert sich die „Digital Divide“, sprich: die Kluft zwischen ökonomisch entwickelten und sich entwickelnden Staa-ten beim Zugang zum Internet und anderen Kommuni-kationsmedien, zunehmend. Dennoch lassen sich noch immer große Unterschiede zwischen den Entwicklungs- und Industrieländern feststellen.

in Anlehnung an: Christoph Scherrer/Caren Kunze, Globalisierung, Göttingen 2011, S. 16 –17, neuere Daten: International Telecommunica-tion Union (ICT), Ericsson

5

10

15

20

Aufgaben

A1 Analysieren und interpretieren Sie Abbil-dung 3. Welche Aussagen lassen sich in Kombination mit dem Text über die globale Vernetzung von Infor-mationen treffen?

A2 Abbildung 4 zeigt, welche gängigen In-ternetseiten in welchen Regionen der Welt am meisten besucht werden. Erarbeiten Sie die zentrale Aussage.

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Abb. 4, Graham, M. / De Sabbata, St., Internet Geographies, Oxford Internet Institute, 9/2013, F.A.Z.-Karte sie, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.10.2013

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[B] Globalisierung des Handels

M4 Weltweite Warenströme

20100 0,5 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

ChinaUSA

DeutschlandJapan

FrankreichNiederlande

GroßbritannienItalien

SüdkoreaBelgienKanada

SingapurRussland

MexikoSpanien

80 Prozent des weltweiten Handels

IndienTaiwan

AustralienBrasilien

ThailandSchweiz

MalaysiaSaudi-Arabien

PolenÖsterreichSchweden

TürkeiIndonesienTschechienNorwegen

UngarnDänemark

IrlandSüdafrika

IranVietnamFinnland

SlowakeiChile

NigeriaArgentinien

PortugalIsrael

UkraineRumänien

PhilippinenVenezuela

AlgerienIrak

VAE*

*Vereinigte Arabische Emirate

Hongkong

5500

2500

15001000

500

100300

Gemeinschaft Unabhängiger Staaten

Golfstaaten

Afrika

Westeuropa

Mittel- und Südamerika

Nordamerika

Asien

48,7

71

18,6

12,3

10

52,6

25,6

Weltweiter Warenhandelin Milliarden US-Dollar

Abb. 5, Statistiken zum internationalen Handel, Welthandelsorganisation (WTO), 2001 und 2011; Handbook of Statistics, Handels- und Entwick-lungskonferenz der UN (Unctad), 2011; Internationaler Währungsfond (IWF), Le Monde Diplomatique, Atlas der Globalisierung 2012

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Aufgaben

A1 M4 zeigt die weltweiten Warenströme. Stellen Sie zunächst Vermutungen im Hinblick auf die welt-weite Arbeitsteilung zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern an und recherchieren und ergänzen Siea] in Tabelle 1 die drei wichtigsten deutschen Import- und Exportgüter, vgl. dazu Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch, Kapitel 16: Außenhandel, www.destatis.deb] in Tabelle 2 die sieben großen Wirtschaftsregionen der Erde in der Rangordnung ihrer Warenexporte unter Nennung ihrer beiden jeweils führenden Exportländer, vgl. dazu obige Karte sowie Germany Trade and Invest, Länderwissen, www.gtai.de.

A2 Ergänzen Sie die aktuellen Zahlen in Ta-belle 3 und werten Sie diese aus. Stellen Sie Entwick-lungslinien dar.

A3 Beurteilen Sie die Strukturen des internatio-nalen Handels. Beachten Sie dabei, welche Verschie-bungen sich im internationalen Handel in den letzten Jahrzehnten ergeben haben.

A = Rangordnung der globalen Wirtschafts- regionen (US-$)

B = die jeweils führenden Exportländer (US-$)

C = die jeweils wichtigsten Exportprodukte

Historische Entwicklungslinien des Welthandels: Handelsanteile ausgewählter Regionen und Länder*in Prozent

1948 1973 Aktuell

Welt 100 100 100

Nordamerika 28,1 17,3

USA 21,7 12,3

Kanada 5,5 4,6

Mexiko 0,7 0,4

Süd- und Mittelamerika 11,3 4,3

Brasilien 2,0 1,1

Europa 35,1 50,9

Deutschland 1,4 11,6

Frankreich 3,4 6,3

Italien 11,3 5,1

Großbritannien 1,8 3,8

GUS-Staaten (Ex-Sowjetunion)

– –

Afrika 7,3 4,8

Mittlerer Osten 2,0 4,1

Asien 14,0 14,9

China 0,9 1,0

Japan 0,4 6,4

Indien 2,2 0,5

Welthandelsvolumen(nominal) in Mrd. $

59 579

*Berechnungsbasis: weltweite Warenexporte (Angaben in Prozent)

Importprodukte Exportprodukte

1. 1.

2. 2.

3. 3.

A B C

1.1.

2.

2.1.

2.

3.1.

2.

4.1.

2.

5.1.

2.

6.1.

2.

7.1.

2.

Tab. 3, WTO (Hrsg.), International Trade Statistics, Genf 2009, S. 10

Tab. 2

Tab. 1

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M5 Handel mit Rohstoffen

Kaffee, das braune Gold, ist weltweit eines der gefrag-testen Getränke. Allein hierzulande trinkt jede/r im Durchschnitt mehr als drei Tassen Kaffee pro Tag. Und die Frage „Wollen wir uns auf einen Kaffee treffen?“ steht noch immer sinnbildlich für den Wunsch nach ei-nem Gespräch. Seit Jahren ist der Preis für Rohkaffee starken Schwankungen unterworfen. In der Welt gibt es inzwi-schen 70 Länder, die Kaffee anbauen. Das Leben von ca. 100 Millionen Menschen hängt vom Preis ab, den die Kaffeebauern für ihr Produkt erhalten. Der Weltmarkt-preis für ein britisches Pfund (453,6 Gramm) lag Ende 2003 bei ca. 60 US-Cent. Die geerntete Kaffeemenge war gestiegen, die Preise waren durch das vergrößerte Angebot gefallen. Die Staatsverwaltungen in den Kaf-feeländern nahmen weniger Steuern ein […]. Länder wie Brasilien, Kolumbien, Ruanda, Äthiopien und andere, deren Hauptausfuhrgut Kaffee ist, gerieten in Schwie-rigkeiten. Man kann verschiedene Ursachen unterschei-den: das oft schlechte Wetter in den Anbaugebieten (z.B. Frost in Brasilien); die schwankende Nachfrage nach speziellen Kaffeesorten; und besonders das Überange-bot von Kaffee, weil immer neue Erzeugerländer (wie z.B. Vietnam) auf den Weltmarkt drängten. Das Markt-gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage stör-te vor allem Vietnam, das vom Kaffeeimporteur zum zweitgrößten Kaffeeproduzenten aufstieg. Ein Abkom-men sollte die Produktion der Nachfrage anpassen, aber Vietnam hielt sich nicht daran. Es gelang nicht, die För-dermengen zu regulieren. Erst mit der schnell steigenden Nachfrage nach Kaffee in China und Indien hat sich das Bild geändert. Damit zogen auch die Preise wieder an und für Kaffee exportierende Länder boten sich neue Marktchancen.

Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Themen und Materialien – Globale Herausforderungen 2, Bonn 2011, S. 128

Aufgaben

A1 Welche Schwierigkeiten können sich für Staa-ten ergeben, wenn der Kaffeepreis stark schwankt?

A2 Interpretieren Sie Abbildung 6 vor dem Hinter-grund des Textes M5.

A3 Analysieren Sie vor dem Hintergrund von Abbildung 7 die ausgewiesenen Exportgüter. Welche Probleme könnten sich daraus ergeben?

Abb. 6, dpa-infografik

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M6 Triebkräfte der Handelsglobalisierung

Die Globalisierung des Handels wird durch verschiede-ne Kräfte angetrieben. Drei Bündel von Faktoren lassen sich dabei unterscheiden:

1. Verringerte Transportkosten: Heute machen die Transportkosten in der Regel nur noch einen Bruchteil des Preises von Produkten aus, bei einem Fernseher von Asien nach Europa etwa nur ca. 1,4 Prozent. Zwischen 1930 und 1995 sind die Kosten für Seefracht um 65 Pro-zent gesunken, für die Luftfracht sogar um 88 Prozent.

2. Leichtere Kommunikation: Noch stärker als die Transportkosten sind die Kommunikationskosten ge-sunken, bei Telefonanrufen zwischen London und New York von 1930 bis heute um mehr als 99 Prozent – für ein dreiminütiges Gespräch sind nun nicht mehr 245 US Dollar fällig, sondern nur noch wenige US-Cent. Hinzu kommen die Erleichterungen durch Internettelefonie.

3. Liberalisierung durch die Politik: Viele Länder schützen traditionell ihre einheimischen Produzenten zumindest vorübergehend durch Zölle und andere Han-delserschwernisse, insbesondere um ihnen zu erlauben, gegenüber Produzenten anderer Länder konkurrenzfähig zu werden. Durch eine Reihe von internationalen Verträ-gen sind solche Handelserschwernisse abgebaut worden.

Autorentext

Aufgaben

A1 Beantworten Sie die nachfolgenden Fragen, indem Sie einen der drei in M6 genannten Faktoren auf den konkreten Fall anwenden: Warum...

a] ... werden in der Nordsee gefischte Krabben teilwei-se 6.000 Kilometer bis nach Afrika transportiert, damit Arbeitskräfte sie dort pulen können, bevor sie dann hierzulande wieder auf den Markt kommen?

b] ... verbietet die Bundesregierung nicht die Einfuhr von Textilien aus Asien, um die Ausbeutung der dorti-gen Näherinnen zu beenden?

c] … sind die Äpfel aus Neuseeland oftmals genauso billig wie die aus Italien?

d] ... reisen heute mehr Europäer in entfernte Länder als in den 1970er-Jahren?

e] ... läuft eine Flugbuchung in Frankfurt/Main mögli-cherweise über ein Callcenter in Südafrika?

f] ... kann man neuerdings sogar in Indien Käufer/innen für seine Briefmarkensammlung finden?

Abb. 7, Vereinte Nationen 2014, Stand: jeweils jüngst verfügbar (2009 bis 2013), dpa-infografik 

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M7 Die Welthandelsorganisation (WTO): Erfolg oder Misserfolg?

Güter und Zollabkommen (GATT)regelt den Warenverkehr in den Bereichen:• Industriegüter: Zollsen-

kungen bis zu 100 %• Landwirtschaft: Abbau

von Subventionen• Textilhandel: Abbau von

Exportbeschränkungen

Dienstleistungsabkom-men (GATS)regelt den Handel mit Dienstleistungen, Öffnung der Märkte, Abbau von Handelshemmnissen in den Bereichen:• Telekommunikation• Banken und Versiche-

rungen• Transport• Tourismus

1. Prinzip der Meistbegünstigung

Handelsvorteile müssen allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gewährt werden

2. Prinzip der Nichtdiskriminierung

Keine Benachteiligung eines einzelnen Mit-gliedstaates gegenüber anderen Mitgliedstaaten

3. Prinzip der Inländerbehandlung

Keine Begünstigung inlän-discher Güter und Dienst-leistungen gegenüber ausländischen Produkten

4. Prinzip der Transparenz

Keine geheimen Abkom-men, sondern gegensei-tige Information über Handelsvorschriften

Welthandelsorganisation (WTO)

Prinzip der Konsensentscheidungen: eine Entscheidung gilt als angenommen,

wenn ihr kein Mitgliedstaat formell widerspricht.

Streitschlichtung / Regelung bei Handelskonflikten

Abkommen über geistiges Eigentum (TRIPS)regelt den Schutz des geistigen Eigentums in den Bereichen:• Patente• Marken• Urheberrecht• Industriedesign• Computerprogramme

Abb. 8

Fall 1: […] [Die Zölle auf Edelstahlrohre aus der EU], von China wegen angeblicher Dumpingpreise der EU verhängt, seien „unvereinbar mit dem Recht der WTO“, heißt es in einer Mitteilung der EU-Kommission in Brüs-sel. Die EU schloss sich einer Klage Japans an, das zuvor ebenfalls von China mit hohen Strafzöllen auf nahtlose Edelstahlrohre bestraft worden war. Die EU hatte bisher am chinesischen Markt für die Rohre, die unter ande-rem im Reaktorbau eingesetzt werden, einen Anteil von etwa 35 Prozent. Zu den großen Herstellern zählt die deutsche Salzgitter AG. Die chinesischen Zölle in Höhe von 9,7 und 11,1 Prozent behinderten den Zugang zum chinesischen Markt „erheblich“, heißt es in der Mittei-lung der EU-Kommission. […] Konsultationen im Rah-men der WTO böten nun eine Möglichkeit, „eine Ver-handlungslösung zu finden“, teilte die EU-Kommission mit. Gibt es kein Ergebnis, muss ein Panel der Genfer Organisation entscheiden. […] Mit den Zöllen auf naht-lose Edelstahlrohre reagierte China nach Ansicht von Diplomaten auf höhere Zölle, die seit 2011 von der EU auf chinesische Rohre erhoben werden. China hat sich in der Vergangenheit bei der WTO unter anderem er-

folgreich gegen EU-Zölle auf Stahlklammern oder Schu-he beschwert. Die EU war mit einer Beschwerde gegen chinesische Zölle auf Personen-Scanner für Flughäfen erfolgreich. […] Entscheidungen in WTO-Streitfällen können erfahrungsgemäß mehrere Jahre lang auf sich warten lassen - was auch ein Anreiz für eine Einigung auf dem Verhandlungswege ist.

EU legt im Handelsstreit mit China nach, dpa, 13.6.2013

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Nichttarifäre Handelshemmnisse Dumping Tarifäre Handelshemmnisse

• z. B. Formalitäten im Abferti-gungsverfahren an den Grenzen, Vorgaben technischer Standards, Gesundheitsprüfungen, Umwelt-schutzvorschriften

• meistens sachlich begründet und zum Schutz der Verbraucher/innen oder zur Erleichterung des Handels erforderlich, gelegentlich jedoch auch diskriminierender Gebrauch

• Die Bedeutung dieser Maßnahmen wächst, da es schwer ist festzustel-len, ob – und wenn ja, inwieweit – Vorschriften tatsächlich den erklär-ten Zielen (Sicherheit, Gesundheit oder Umweltschutz etc.) dienen.

• systematischer Verkauf eines Pro-dukts im Ausland zu Preisen unter dem Marktpreis im Erzeugerland.

• Die ruinöse Konkurrenz zielt darauf, den Markt des Importlan-des zu erobern. Dann werden die Preise erhöht und die entstandenen Verluste durch Monopolgewinne ausgeglichen.

• Durch diese Preisdifferenzierung entstehen Wettbewerbsverzerrun-gen. Ausgleichende Anti-Dumping-Zölle können jedoch ebenfalls pro-tektionistisch eingesetzt werden.

• öffentlich ausgewiesene Abgaben oder Begrenzungen von Ein- oder Ausfuhren

1. Zölle (Abgaben, die beim grenz-überschreitenden Warenverkehr vom Staat erhoben werden wie z. B. Schutzzölle, Finanz zölle, Wertzölle, Im- und Exportzölle)

2. Schwellenpreise (Marktpreise, zu denen Agrarprodukte in die EU importiert werden dürfen; oberhalb des Weltmarktpreises)

3. Kontingente (mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen)

4. Ausfuhr- und Einfuhrverbote (z. B. Verbot, Kriegswaffen in Konfliktge-biete zu liefern)

Tab. 4, nach: Klaus-Peter Kruber, Internationale Wirtschaftsbeziehun-gen (Ökonomische Bildung kompakt – Band 6), Braunschweig 2005,  S. 50–52, 54, 55

Fall 2: Der seit zwei Jahrzehnten andauernde Streit um europäische Zölle auf Bananen aus Südamerika ist nach Angaben der WTO beigelegt. Beide Seiten hätten am Donnerstag ein entsprechendes Übereinkommen unter-zeichnet, teilte die Welthandelsorganisation (WTO) in Genf mit. Demnach fallen die Zölle für die Einfuhr süd-amerikanischer Bananen nach Europa von derzeit 136 Euro je Tonne auf 114 Euro im Jahr 2017. „Das ist ein historischer Moment“, wurde WTO-Generaldirektor Pascal Lamy zitiert. Seit Anfang der 1990er Jahre hatten südamerikanische Länder gegen die EU-Bestimmungen zu Bananenimporten gekämpft, die nach ihrer Ansicht die Einfuhr der Früchte aus Afrika oder der Karibik bevorzugten. Nachdem die WTO im Sinne der latein-amerikanischen Exporteure entschieden hatte, dauerte es mehrere Jahre, bis sich 2009 beide Seiten unter Betei-ligung der USA grundsätzlich einigten. Das Abkommen tritt nun in Kraft.

„Bananenstreit“ zwischen EU und Südamerika beigelegt, dpa, 8.11.2012

Aufgaben

A1 Stellen Sie auf der Grundlage von Abbildung 8 die Aufgaben der WTO dar.

A2 Lesen Sie die beiden Fallstudien. Wählen Sie eine aus und bilden Sie eine Arbeitsgruppe, um folgen-de Aufgaben zu bearbeiten:a] Stellen Sie dar, welches der in der Grafik erwähnten Teilabkommen der WTO (GATT, GATS, TRIPS) betrof-fen ist.b] Überlegen Sie, welches der vier WTO-Prinzipien von der Streitigkeit berührt wird.c] Identifizieren Sie die Art des Handelshemmnisses, das im Mittelpunkt des Konflikts steht. Orientieren Sie sich zur Beantwortung dieser Frage an Tabelle 4.

Instrumente des Protektionismus

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M8 Das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP)

Die USA und Europa pflegen traditionell enge Handels-beziehungen; die Zölle für die Einfuhr der meisten Wa-ren sind auf beiden Seiten des Atlantiks niedrig. Seit sich die asiatischen Länder und ehemalige Ostblock-Staaten zunehmend in den Welthandel integrieren, hat die Be-deutung der beiden Partner füreinander abgenommen. Dennoch versprechen sich sowohl die Europäische Uni-on als auch die USA von einer gemeinsamen Freihandels-zone eine Intensivierung des transatlantischen Handels. Simulationsstudien beziffern die langfristigen Effek-te eines umfassenden Handelsabkommens recht unter-schiedlich, zeigt IMK1-Forscherin Sabine Stephan. Das Centre for Economic Policy Research kommt im Schnitt auf ein zusätzliches jährliches Wachstum von etwa 0,03 Prozentpunkten für die EU und die USA. Studien des ifo-Instituts und der Bertelsmann-Stiftung sind da opti-mistischer: Hier legen Deutschland und die EU jährlich um 0,34 Prozentpunkte zu, die USA sogar um 0,96 Pro-zentpunkte. In einem Zeitraum von 15 Jahren würden aber laut ifo-Institut auch dann in der EU nur maximal 400.000 neue Arbeitsplätze entstehen – unter der Vor-aussetzung, dass das Handelsabkommen genauso weit-reichend ausfällt wie ein EU-Beitritt der USA. Alle Modellrechnungen beruhen entscheidend auf der Annahme, dass neben tarifären auch nicht-tarifäre Handelshemmnisse abgebaut werden – also Qualitäts-standards, technische Normen und Kennzeichnungs-pflichten angeglichen werden. Ein Beispiel wären hier genmanipulierte Lebensmittel. Die müssen in den USA nicht gekennzeichnet werden, was das deutsche Ver-braucherschutzministerium und eine Mehrheit der Bür-ger vehement ablehnen. Angesichts solch gravierender Konfliktpunkte lasse sich also gar nicht sagen, wie weit-reichend das Handelsabkommen ausfallen werde, so Ste-phan. Hinzu kommt: „Die beiden Wirtschaftsräume pla-nen nicht nur ein Handels- sondern auch ein Investiti-onsabkommen, das eine Investitionsschutzklausel bein-halten wird“, so die IMK-Forscherin. Diese sei eigentlich dazu gedacht, ausländische Investoren gegen willkürli-che Enteignung und Diskriminierung zu schützen. Er-fahrungen in bereits existierenden Freihandelszonen zeigten aber, dass immer mehr ausländische Investoren gegen Gesundheits- und Umweltschutzauflagen sowie Entscheidungen der Sozial- und Wirtschaftspolitik kla-gen, wenn sie ihre geplanten Gewinne bedroht sehen. Solche Investor-Staat-Klagen können Entschädigungs-zahlungen in Milliardenhöhe nach sich ziehen.

Hoher Preis für wenig Wachstum, Böckler Impuls 19/2013

Aufgaben

A1 Identifizieren Sie anhand von M8 die Aspekte, die in Bezug auf TTIP kontrovers diskutiert werden.

A2 Recherchieren Sie die Argumente der TTIP-Befürworter und der TTIP-Gegner und tragen Sie diese in der Tabelle (S. 17) zusammen.

A3 Nehmen Sie für oder gegen TTIP Stellung. Begründen Sie Ihre Meinung. Nutzen Sie dafür die entsprechenden Linien auf S. 17.

1   Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung

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Pro Contra

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18boeckler-schule.de | Themenheft Globalisierung | [C] Globalisierung der Finanzmärkte

[C] Globalisierung der Finanzmärkte

M9 Dimensionen und Ursachen der Finanzglo-balisierung

Seit Beginn der 1980er-Jahre ist das Volumen der globalen Finanzmärkte wesentlich schneller gestiegen als das der weltweiten Wirtschaftsleistung. Auch wenn technologi-sche Neuerungen im Bereich der Telekommunikation und der Finanzmathematik eine wichtige Rolle gespielt haben, stellt die Finanzglobalisierung vor allem ein politisches Projekt dar. Als wesentliche Ursache sind die Liberalisie-rung des internationalen Kapitalverkehrs nach Ende des Systems von Bretton Woods 1973 zu nennen sowie die nachfolgenden Reformen der nationalen Kapitalmärkte, vor allem in den USA und Großbritannien („Big Bang“). Unterstützt durch Entwicklungen in den Wirtschaftswis-senschaften haben insbesondere die britische und die US-amerikanische Regierungen der 1980er-Jahre wesentliche politische Weichenstellungen vorgenommen. Auch die Europäische Union hat den Prozess der Finanzglobalisie-rung nachhaltig unterstützt, insbesondere im Bemühen um die Schaffung eines paneuropäischen Finanzmarktes. In den 1980er-Jahren gewann der Prozess erheblich an Schwung, insbesondere nachdem die von Alan Greenspan geleitete US-Notenbank die Aufnahme von Krediten für Finanzmarktgeschäfte erleichtert hatte. Zudem wird die Finanzglobalisierung von einem deutlichen Überschuss an Geldvermögen auf der Suche nach rentablen Anlagemög-lichkeiten vorangetrieben.

Autorentext 

M10 Wie viel finanzielle Globalisierung ist sinn-voll?

Eine aktuelle empirische Studie stellt eine These der Standardökonomie infrage: Je weiter der Finanzsektor entwickelt sei, desto leichter fänden innovative Unter-nehmer und potenzielle Geldgeber zusammen, was das Wirtschaftswachstum beflügeln würde. […] Es scheint eine Schwelle zu geben, ab der weiteres Wachstum der Finanzwirtschaft keinen positiven Einfluss auf die Ent-wicklung der realen Ökonomie mehr hat. Nach den Be-rechnungen der Wissenschaftler ist dieser Grenzwert dann erreicht, wenn die Summe der Kredite an den privaten Sektor rund 100 Prozent des Bruttoinlands-produkts entspricht. Wenn die Banken also bereits so viel Geld verleihen, wie alle Unternehmen zusammen im Jahr einnehmen, tragen weitere Kredite nicht mehr dazu bei, die reale Produktion anzukurbeln. Doch die For-scher kommen nicht nur zu dem Schluss, dass ein größe-

rer Finanzsektor der übrigen Wirtschaft nicht nützt. Sie sehen darin sogar eine Gefahr. Die Ökonomen nennen zwei mögliche Gründe dafür, dass ausgedehnte Finanz-systeme einen negativen Einfluss auf das Wirtschafts-wachstum haben könnten. Einer sei die erhöhte Volati-lität – zunehmende Schwankungsanfälligkeit – und das damit verbundene höhere Crash-Risiko. Der zweite sei in sich häufenden Fehlinvestitionen zu sehen.

Finanzwirtschaft: Zu groß ist ungesund, in: Böckler Impuls 13/2011

Aufgaben

A1 Recherchieren Sie die in M9 erwähnten histo-rischen Ereignisse (z. B. den Zusammenbruch Bretton Woods sowie den „Big Bang“).

A2 Stellen Sie die verschiedenen Erklärungen für die Entstehung der Finanzglobalisierung zusammen und diskutieren Sie die Bedeutung einzelner Faktoren.

A3 Was sind die Vorzüge entwickelter Finanzsek-toren (M10)?

A4 Worin sehen die Autoren die Gefahr besonders großer Finanzmärkte (M10)?

A5 Welche der in Abbildung 9 genannten Länder waren von der Finanzmarktkrise besonders schwer betroffen? Recherchieren Sie im Internet die Entwick-lung des Wirtschaftswachstums in diesen Ländern seit 2006.

Größe des Finanzsektors differiertGemessen am Bruttoinlandsprodukt betrugendie Kredite an die private Wirtschaft 2006 in ...

Island

0 100 % 200 %

USA

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Abb. 9, Arcand, Berkes, Panizza 2011, Böckler Impuls 13/2011

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Der doppelte Nutzen der Finanzmarkt-Regulierung

1917 1921 1925 1929 1933 1937 1941 1945 1949 1953 1957 1969 1973 19771961 1965 1989 1993 19971981 1985 20092001 2005

Staatliche Regulierung von Banken durch das Glass-Steagall-Gesetz, Juni 1933

Beginn der Deregulierung des Bankensektors, März 1980

Anteil der Einkommender reichsten 10% amUS-Bruttoinlandsprodukt

Verluste an Bankeinlagen* in % des US-Bruttoinlandsprodukts

* in Pleite gegangenen oder durch den Staat geretteten Banken

M11 Finanzmarktregulierung und ihre Auswirkungen

Aufgaben

A1 Erläutern Sie, worin der doppelte Nutzen einer strengen staatlichen Regulierung von Finanz-märkten besteht (M11).

A2 Skizzieren Sie den Zusammenhang zwischen M11 und den anderen Texten und Abbildun-gen auf S. 18.

A3 Diskutieren Sie, welche Maßnahmen zur strikteren Regulierung von Finanzmärkten seit der Finanzkrise von 2008/09 Ihnen bekannt sind und wie sich diese Maßnahmen auf die Finanzglobalisierung auswirken können.

Abb. 10, Moss 2010, Böckler Impuls 17/2010

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[D] Globalisierung der Produktion

M12 Die neue internationale Arbeitsteilung: glo-bale Produktionsketten

Als internationale Arbeitsteilung wird die grenzüber-schreitende Aufteilung von Produktionsaktivitäten auf bestimmte Länder oder Ländergruppen verstanden. Da-bei wird zwischen der klassischen und der neuen inter-nationalen Arbeitsteilung unterschieden. Die klassische internationale Arbeitsteilung ist die Aufteilung der Welt nach Rohstofflieferanten und Konsumgüterproduzen-ten. In der Praxis bedeutete dies, dass arme, schwach industrialisierte Entwicklungsländer vornehmlich Roh-stoffe (z. B. Erdöl aus Nigeria, Bananen aus Honduras) exportieren und reiche Industrieländer veredelte Pro-dukte mit entsprechend höherem Mehrwert (z. B. Ma-schinen, Medikamente) herstellen. Diese Form hat sich über Jahrhunderte herausgebildet und ist weitgehend identisch mit der Aufteilung in Entwicklungs- und In-dustrieländer. Mittlerweile wird aber auch von einer neuen inter-nationalen Arbeitsteilung gesprochen. Das bedeutet, dass eine funktionale Arbeitsteilung zwischen räumlich getrennten Unternehmenseinheiten möglich wurde. Be-stimmte Unternehmensfunktionen konnten in den Re-gionen angesiedelt werden, in denen die dafür jeweils besten Standorteigenschaften vorzufinden sind. Montage-Zweigwerke werden bevorzugt in Regionen mit einem großen Potenzial ungelernter Arbeitskräfte, geringem Lohnniveau und anderen Kostenvorteilen angesiedelt. Forschungszweigwerke dagegen in Regionen mit einem großen Potenzial an hochqualifizierten Arbeitskräften, Ballungsvorteilen, bedeutenden Forschungseinrichtun-gen und hochwertigen Lebensbedingungen.

Mirko Ellrich, Infoblatt Internationale Arbeitsteilung, GeographischeInfothek, Leipzig 2012 © Ernst Klett Verlag GmbH

Aufgaben

A1 Recherchieren Sie die Globalisierung eines Ihnen vertrauten Konsumguts, also den Weg von den Rohstoffen zum Endverbraucher im Internet: (a) eine Computer-Festplatte, (b) ein Handy, (c) eine Jeans oder (d) eine elektrische Zahnbürste und visualisieren Sie die einzelnen Stationen auf der Weltkarte M1 ,S. 4/5.

A2 Ermitteln Sie auf den Websites einschlägiger Tages- und Wochenzeitungen, welcher Anteil des Endpreises als Lohn in etwa an die Arbeiter/innen in der Fertigung dieser Produkte bezahlt wird.

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M13 Globale Neugewichtung

Abb. 11, isw-report 100/101, Umbruch im globalen Kapitalismus,  April 2015, www.isw-muenchen.de

Aufgaben

A1 Erläutern Sie Abbildung 11 (unter Einbeziehung von Infobox 2) mit Ihren eigenen Worten, indem Sie u. a. folgende Fragen beantworten:a] Was macht das Schaubild deutlich?b] Welche Auswirkungen dürften die Entwicklungen auf die entwickelten Industriestaaten haben?c] Welchen Einfluss könnte die immer weiter voran-schreitende internationale Arbeitsteilung (M12) auf den heimischen Arbeitsmarkt haben?

Die Gruppe der Sieben (G7) ist der Zusammenschluss der bedeutendsten Industrienationen der westlichen Welt. Dazu zählen Deutschland, Frankreich, Großbri-tannien, Italien, Japan, Kanada und die USA. Deren Staats- und Regierungschefs kommen regelmäßig zu Gipfeltreffen zusammen.

Zu den BRICS-Staaten zählen Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Es ist eine Vereinigung aufstrebender Volkswirtschaften.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist der Wert aller in einer Volkswirtschaft neu geschaffenen Güter und Dienstleistungen in einem bestimmten Zeitraum.

Die Kaufkraft ist die Gütermenge, die ein Wirtschafts-subjekt mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geld kaufen kann. Die Kaufkraftparität gibt an, wie viel Geld in verschiedenen Ländern unabhängig vom Wechselkurs für jeweils das gleiche Gut bezahlt werden muss.

Infobox 2

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Abb. 12

M14 Deutschland im Standortwettbewerb

Angaben in Prozent*, nichtfinanzielle gewerbliche Wirtschaft, bis 2006 und geplant (Stand: 2008)

Verlagerungsziele

0 10 155 20 30 4025 35 45 6050 55 Prozent

Asien, Australien

12 neueEU-Mitgliedstaaten

China

Deutschland

EU15

übriges Europa

Nordamerika

Indien

übriges

und Ozeanien

Lateinamerika

Afrika

Industrieunternehmen

Unternehmen der nichtfinanziellen gewerblichen Wirtschaft(ohne Industrie)

63,1

38,1

33,3

24,7

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20,0

10,4

18,0

8,7

7,2

4,7 * Mehrfachnennungen möglich

0 10 20 30 40 60 7050 80 Prozent

Lohnkosten

Zugang zu neuenAbsatzmärkten

andere Kosten

Steueranreize

strategischeVorgaben

neuesGeschäftsmodell

geringereRegulierung

Produktentwicklung

81,9

81,8

73,7

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57,5

49,0

48,5

47,3 * Mehrfachnennungen möglich

Motive für die Verlagerung wirtschaftlicher AktivitätenAngaben in Prozent*, nichtfinanzielle gewerbliche Wirtschaft, bis 2006 und geplant (Stand: 2008)

Abb. 13 

beide  Abbildungen:  Statistisches  Bundesamt, Verflechtung  deutscher Unternehmen mit dem Ausland 2009, Bundeszentrale für politische Bil-dung, 2009, www.bpb.de

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Aufgaben

A1 Fassen Sie die Hauptaussagen der Abbildun-gen 12 und 13 zusammen.

A2 Überlegen Sie gemeinsam, welche Zielländer/-regionen (Abb. 12) welche Standortvorteile (Abb. 13) bieten.

A3 Diskutieren Sie den internationalen Standort-wettbewerb vor dem Hintergrund der beiden Grafi-ken mit Blick auf a) die Attraktivität verschiedener Standorte und b) die Vor- und Nachteile des Standorts Deutschland.

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b) GewerkschaftenVor dem Hintergrund der weltweiten Deregulierung der nationalen Arbeitsmärkte haben Konzerne wie Nestlé mit Hilfe von Personalabbau, Produktionsver-lagerungen, der Umwandlung von festen in temporäre Beschäftigungsverhältnisse und der Ausschaltung von Gewerkschaften in den letzten Jahren massive Gewin-ne erzielt. Beispielsweise hat Nestlé in den 10 Jahren zwischen 2000 und 2010 ihren Reingewinn um 594% von 5,8 Milliarden CHF [Schweizer Franken] auf 34,2 Milliarden gesteigert. Der Personalbestand wuchs in der gleichen Zeit nur um 25% von 225.000 auf 281.000 Be-schäftigte. […] Dabei geht es um die Maximierung der Produktivität und der Gewinne durch Wettbewerb: Mit-arbeitende in jedem Betrieb treten in einen Wettbewerb zu anderen Nestlé-Mitarbeitenden im In- und Ausland. Betriebseinheiten, die nicht Schritt halten, werden durch Umstrukturierung oder Schließung bestraft. […] „Dort wo es Gewerkschaften gibt, wird Nestlé stets versuchen, sie zu schwächen. Outsourcing und Temporäranstellun-gen sind die wichtigsten Instrumente, mit denen Un-ternehmensleitungen die Position von Gewerkschaften auf Betriebsebene zu schwächen versuchen“, so Peter Rossman von der internationalen Lebensmittelarbeiter-gewerkschaft IUL. Nestlé hat die IUL auf der globalen Ebene bis heute nicht als Verhandlungspartnerin aner-kannt. […] Mit anderen Worten: Die Nestlé-Konzern-leitung in Vevey behält sich das Recht vor, wichtige Entscheidungen zu treffen, die das Leben der Konzern-Mitarbeitenden in aller Welt berühren, lehnt jedoch jede Verantwortung für globale Arbeitsbeziehungen ab.

Multiwatch, Arbeits- und Gewerkschaftsrechte, www.multiwatch.ch/de/f97000025.html, abgerufen am 28.9.2015

M15 Standortwettbewerb: Perspektiven von Gewinnern und Verlierern

a) Kinder Das Kinderhilfswerk Terre des hommes erklärt eine Form der Kinderarbeit in Indien.Das Wort „Sumangali“ bedeutet übersetzt „Glückliche Braut“: Der hohe Brautpreis, der bei einer Heirat an die Familie des Mannes gezahlt werden muss, zwingt vie-le Eltern dazu, ihre Töchter zum Geldverdienen in die Fabriken zu schicken. Menschenhändler nutzen die pre-käre Situation armer Familien aus: Sie ziehen über die Dörfer und suchen gezielt nach diesen Mädchen – um ihnen eine gute Arbeit mit Verpflegung und Unterkunft zu versprechen. Häufig werden die Eltern der Mädchen so lange überzeugt, bis sie in den menschenverachtenden Sumangali-Vertrag einwilligen. Für die Mädchen be-ginnt damit eine jahrelange Tortur. In den Fabriken sind sie praktisch rechtlos. Sie müssen täglich 12 bis 16 Stun-den arbeiten, auch 24-Stunden-Schichten sind üblich. An den alten Maschinen verletzen sie sich häufig. Immer wieder werden sie von den Aufsehern beschimpft, ge-schlagen und sexuell belästigt. Die Arbeiterinnen leben eingesperrt auf dem Fabrikgelände. In finsteren Bara-cken schlafen sie dicht gedrängt auf dem blanken Fuß-boden. Selbst um den versprochenen Lohn, der weit un-ter dem indischen Mindestlohn liegt, werden die meisten noch betrogen. Die Mädchen haben kaum Kontakt zu ihren Eltern. Täglich versuchen einige, aus den Fabriken zu entkommen. Manche der Mädchen sehen Selbstmord als einzigen Ausweg.

Terre des hommes, Was ist Sumangali? (2014), www.sklaverei-in-mode.de, abgerufen am 29.7. 2015

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16-jähriger Junge aus Mali berichtet von seiner  Arbeit auf einer Kakaoplantage, zitiert nach: Tanja Dü-ckers, Kinderschokolade, Amnesty Journal Dezember 2013, www.amnesty.de, abgerufen am 8.9.2015

„Wir schliefen auf dem Boden einer Hütte aus Schlamm und Stroh. Wir durften sie nur zur Arbeit in den Feldern verlassen. Die Arbeitszeiten waren sehr hart, von Sonnenaufgang bis Son-nenuntergang, und manchmal, wenn Vollmond war, sogar bis zehn Uhr abends. Uns wurde Lohn versprochen, aber sie sagten, dass wir erst die Kosten der Reise zurückzahlen müssten. Ich habe mich dort zwei Jahre lang abgerackert, ohne jemals Geld zu bekommen. Kinder, die sich weigerten zu arbeiten, wurden mit dem Motorgurt des Traktors geschlagen oder mit Zigaretten verbrannt. Wir bekamen kaum etwas zu essen (…). Einige Kin-der sind vor Erschöpfung zusammengebrochen. Diejenigen, die krank wurden, wurden fortgeschafft. Wir haben sie nie wieder gesehen.“

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Lohn- und Arbeitskosten: Deutschland weiter im euro-päischen Mittelfeld

Auch 2014 liegt Deutschland mit 31,80 Euro pro Arbeits-stunde bei den Arbeitskosten für die Privatwirtschaft im westeuropäischen Mittelfeld (Platz 8 unter den EU-Ländern). Höhere Arbeitskosten weisen z. B. wichtige Handelspartner wie die Niederlande, Frankreich, Belgi-en, Schweden und Dänemark auf. Dänemark hatte 2014 mit 42,- Euro pro Stunde die höchsten Arbeitskosten in Europa. Gustav A. Horn, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sieht bei den Arbeits- und Lohnstückkosten in Deutschland ein sehr prägnantes Muster:

„In Krisenländern wie Griechenland oder Portugal sind sie zuletzt unter großen Opfern der Bevölkerung drastisch zurückgegangen. In Irland und Spanien stagnieren sie. Die von manchen erhoffte wirtschaftliche Erholung ist aber ausgeblieben. Denn als Kehrseite dieser Senkung waren die Einkommensverluste in diesen Ländern so groß, dass die Binnennachfrage extrem gelitten hat. Grundsätzlich ähnlich, wenn zum Glück nicht so drama-tisch, waren die Zusammenhänge in Deutschland wäh-rend der 2000er Jahre: Löhne und Arbeitskosten hatten sich gesamtwirtschaftlich nur sehr langsam entwickelt, gleichzeitig waren Wirtschaftswachstum und Beschäf-tigung schwach. Besser gelaufen ist es erst, als nach der Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise die Lohnentwicklung stärker wurde und die Binnennachfrage die Konjunktur stützen konnte. Das unterstreicht einmal mehr, wie falsch es ist, sich einseitig auf möglichst niedri-ge Arbeitskosten zu fixieren.“

Hans-Böckler-Stiftung, Pressemitteilung vom 17.11.2014

Abb. 14, Statist. Bundesamt, dpa-Grafik

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c) UnternehmenMit durchschnittlich rund 32 Euro je geleisteter Ar-beitsstunde lag Deutschland bei den Arbeitskosten in der gewerblichen Wirtschaft im Jahr 2014 um rund 30 Prozent über dem EU-Durchschnitt. […] Arbeitskosten haben einen hohen Einfluss auf die Attraktivität eines Landes als Standort für Unternehmen. Ihre Höhe be-stimmt die Rentabilität von Investitionen entscheidend mit. Je geringer das Arbeitskostenniveau ist, umso grö-ßer sind die Chancen, dass Unternehmen bei vergleich-baren Rahmenbedingungen in diesem Land investieren. Niedrige Arbeitskosten sind ein Standortvorteil, weil sie die Rendite vorhandener und die Renditeerwartun-gen neuer Investitionen erhöhen. Im Ergebnis entstehen neue Arbeitsplätze, und der Druck, vorhandene Arbeits-plätze aus Kostengründen zu verlagern, nimmt ab. Der überwiegende Teil der Arbeitskosten wird durch Vereinbarungen der Tarif- und Arbeitsvertragsparteien bestimmt. Erfreulicherweise verfolgen die Tarifparteien seit mehreren Jahren eine insgesamt beschäftigungsori-entierte Lohnpolitik. Durch sie hat sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft im internationalen Vergleich deutlich verbessert. Um diesen Erfolg nicht zu verspielen, muss der eingeschlagene Kurs moderater Lohnabschlüsse fortgesetzt werden.

Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände,  Standort Deutschland noch immer zu teuer, in: www.arbeitgeber.de, abgerufen am 18.6.2015

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e) FrauenDie Sorgearbeit […] bleibt nach wie vor den privaten Haushalten überlassen, während zugleich die sozial-staatlichen Leistungen mehr und mehr abgebaut wer-den. Seit den 1990er Jahren wird sie in einem historisch neuen Ausmaß weltweit vor allem von Migrantinnen verrichtet. Sie tun dies teils in legalen, oft auch in halble-galen oder illegalen Beschäftigungsverhältnissen, nicht zuletzt weil in vielen reichen Ländern ausgrenzend wir-kende Arbeitsmarkt- und Einwanderungsgesetze gelten. Besonders ausgeprägt ist diese Entwicklung in Ländern wie Deutschland und Österreich, wo sogenannte Cash-for-Care-Politiken – siehe beispielsweise das von der deutschen Bundesregierung im August 2013 eingeführte Betreuungsgeld – Anreize schaffen, um die Sorgearbeit weiterhin in Familien zu belassen. Auch in wirtschafts-liberalen Ländern wie den Vereinigten Staaten und Großbritannien, in denen die meisten Dienstleistungen traditionell über den Markt eingekauft werden, erledi-gen überwiegend Migrantinnen die Sorgearbeit. Weni-ger ausgeprägt ist ihr Einsatz in Ländern, die verstärkt öffentliche Dienstleistungen anbieten, wie etwa in den skandinavischen Ländern, aber auch in Frankreich. Auf diese Weise kam es zum einen zur Umverteilung der Sorgearbeit unter Frauen, während die ungleiche Ar-beitsteilung zwischen Frauen und Männern jedoch un-angetastet blieb. Zum anderen lösen die reichen Länder des Nordens und Westens ihr Sorgeproblem, indem sie auf die Arbeitskraftressourcen des Südens und Ostens zurückgreifen. So kochen, putzen, betreuen und pflegen in den Haushalten Deutschlands, Österreichs oder der USA vor allem Polinnen, Sloweninnen oder Lateiname-rikanerinnen. Es zeigen sich dabei Arbeitskonflikte in den versorgten Haushalten – die Kämpfe der Domestic Workers um ihre Anerkennung haben inzwischen auch die UNO erreicht. Und in den Gesellschaften, aus de-nen die Arbeitskräfte stammen, bleiben in vielen Fällen Kinder und Jugendliche oder bedürftige Eltern auf sich allein gestellt und unversorgt zurück.

Brigitte Aulenbacher, Unentbehrlich, unterbezahlt – und viel zu wenig anerkannt, Le Monde diplomatique, Atlas der Globalisierung – Weni-ger wird mehr, Berlin (taz Verlag) 2015

d) Konsument(inn)en Von der Globalisierung profitieren in erster Linie die Verbraucher. […] Die internationale Arbeitsteilung führt dazu, dass die Menschen hierzulande Güter aus Niedrig-lohnländern wesentlich günstiger einkaufen können als hiesige Produkte. […] Darüber hinaus sorgt der höhere Konkurrenzdruck selbst für niedrigere Produktionskos-ten, weil er die Firmen dazu anhält, über Produktivi-tätssteigerungen und Prozessinnovationen günstiger als die Wettbewerber anzubieten. Zudem verbreitert die Globalisierung die Angebotspalette. Seien es Autos, Fernseher oder Schuhe, jeder kann sich heute in jeder Produktkategorie aus einer großen Vielfalt das Produkt heraussuchen, das seinen Vorstellungen am ehesten ent-spricht. […]

Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Nutzen für Verbraucher, www.iwkoeln.de/de/infodienste/iw-dossiers/kapitel/vorteile-der-globalisierung/beitrag/nutzen-fuer-verbraucher-20207, abgerufen am 9.3.2015

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Aufgaben

A1 Im globalen Wettbewerb um die Suche nach dem besten Produktionsstandort gibt es Gewinner/innen und Verlierer/innen. Stellen Sie anhand der vor-liegenden Texte (M15, a bis e) gegenüber, wer vom glo-balen Standortwettbewerb profitiert und wer darunter leidet. Listen Sie auf, worin die Vor- und Nachteile für die Beteiligten bestehen.

A2 Welche Konsequenzen für die Diskussion um Arbeitskosten ergeben sich aus der Analyse von Gus-tav Horn (s. Kasten S. 25)?

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M16 Gewerkschaften suchen die internationale Kooperation

Im Zuge der Globalisierung sind Gewerkschaften in der ganzen Welt immer häufiger in der Defensive. Sie ha-ben in erster Linie versucht, vor Ort ihre hart erkämpf-ten Erfolge der Vergangenheit zu verteidigen. Aber sie haben zum Teil auch damit begonnen, transnationale Handlungsmöglichkeiten auszuloten, um den globa-len Wettbewerb zu bändigen, der von einem Unterbie-tungswettlauf bei den Arbeitskosten befeuert wird. Die Herausforderung besteht darin, eine Strategie zu entwi-ckeln, die eine politische und organisatorische Antwort auf das Dilemma der Gewerkschaften gibt: Wie können Gewerkschaften als lokal und national verankerte Or-ganisationen ihre Macht einsetzen, um die transnati-onale Regulationslücke in den Arbeitsbeziehungen zu schließen? Dabei sind Globale Rahmenvereinbarun-gen (GRV) zurzeit das wichtigste Instrument, das Ge-werkschaften haben. Im Gegensatz zu unilateralen und freiwilligen Verhaltenskodizes der unternehmerischen sozialen Verantwortung sind GRV bilateral verhandelte Vereinbarungen zwischen transnationalen Konzernen und globalen Gewerkschaftsverbänden (normalerweise in enger Zusammenarbeit mit der im Konzern wichtigs-ten Mitgliedsgewerkschaft). Basierend auf den Kernar-beitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sowie weiteren wichtigen ILO-Konventionen le-gen GRV ein Fundament für eine transnationale Arena der Arbeitsbeziehungen, die sich über den transnatio-nalen Konzern hinaus auf dessen globales Produktions-netzwerk von Zulieferern, Subunternehmern und weite-ren Geschäftspartnern erstreckt. Nicht zuletzt enthalten GRV Überwachungsverfahren sowie Verfahren für die Behandlung von Verstößen und Konflikten.

in Anlehnung an: Michael Fichter, Globale Rahmenvereinbarungen als Baustein einer internationalen Gewerkschaftsstrategie, Gegenblende, Ausgabe Nr. 23, 2013

Kernarbeitsnorm Anwendungsbereich Beispiel

Vereinigungsfreiheit und Schutz des Vereinigungsrechts (1948)

Untersagung der Bildung einer Gewerkschaft

Nichtanerkennung der Nationalen Vereinigung der Lehrer in Äthiopien

Vereinigungsrecht und Recht zu Kollektivverhand- lungen (1949)

Gleichheit des Entgelts (1951)

Abschaffung der Zwangsarbeit (1957)

Diskriminierung (Beschäftigung und Beruf) (1958)

Mindestalter (1973)

Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (1999)

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Tab. 5

© posterfortomorrow 2014, James Vodden, Poster-Wettbewerb „Work Right!“

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© posterfortomorrow 2014, Arnaud Faverjon, Poster-Wettbewerb „Work Right!“, mehr Poster unter: www.posterfortomorrow.org/en/gallery

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Hauptsitz in Genf. Sie ist zuständig für die Formulierung und Durchsetzung internationaler Arbeits- und Sozialstandards. Die weltweit gelten-den Mindeststandards sollen die Rechte bei der Arbeit und damit menschenwürdi-ge Arbeit für alle Menschen auf der Welt sicherstellen. Vier Grundprinzipien be-stimmen Selbstverständnis und Handeln der ILO: Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen, Beseitigung der Zwangsarbeit, Abschaffung der Kin-derarbeit, Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf. Diese Grund-prinzipien haben in acht Übereinkommen, auch Kernarbeitsnormen genannt, ihre konkrete Ausgestaltung erfahren.Weitere Informationen: www.ilo.org

Infobox 3

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Rechte nicht garantiert wegen des Zusammenbruchs der Rechts-staatlichkeit

Rechte nicht garantiert

Systematische Rechtsverletzungen

Regelmäßige Rechtsverletzungen

Wiederholte Rechtsverletzungen

Unregelmäßige Rechtsverletzungen

Keine Angaben

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Auf der Website des Internationalen Gewerkschafts-bundes (IGB, in Englisch: ITUC) finden Sie eine Welt-karte mit Hinweisen auf die weltweite Verletzung von Gewerkschaftsrechten (s. oben). So wurde in Paraguay die Vorsitzende der Bank-angestelltengewerkschaft Federación de Trabajadores Bancarios y Afines del Paraguay (FETRABAN) unge-rechtfertigterweise entlassen, als sie gerade den Posten als Gewerkschaftsvertreterin bei der Bank übernom-men hatte. Und ein Streik der Liga de Obreros Maríti-mos del Paraguay (LOMP) am 12. November 2014 in Asunción, bei dem die Hafenarbeiter den Río Paraguay auf der Höhe des Hafens Caacupemí in Zeballos Cué blockierten, wurde von der Marinepräfektur brutal un-

terdrückt. Im März 2015 schließlich ging die kolum-bianische Einsatzpolizei ESMAD so brutal gegen strei-kende Zuckerrohrschneider einer Zuckerfabrik vor, dass fünf der Arbeiter verletzt wurden, zwei von ihnen schwer. Die Liste der Beispiele ließe sich nahezu beliebig fortsetzen.

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Übersicht über die Verletzung von Gewerkschaftsrechten

Abb. 15, Internationaler Gewerkschaftsbund, Der Globale Rechtsindex des IGB – Die schlimmsten Orte der Welt für erwerbstätige Menschen, http://survey.ituc-csi.org/, abgerufen am 2.9.2015

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Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) ist die globale Stimme der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-mer weltweit. Hauptaufgabe des IGB ist die Förderung und Verteidigung der Arbeitnehmer/innenrechte und -interessen durch die internationale Zusammenarbeit der Gewerkschaften, globale Kampagnen und Lobbyar-beit bei den großen globalen Institutionen. Zu seinen wichtigsten Arbeitsbereichen gehören: Gewerkschafts- und Menschenrechte; Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitsplatz; Gleichstellung und Nichtdiskriminierung sowie internationale Solidarität. Dem IGB gehören heute 305 Gewerkschaften aus 153 Ländern mit rund 167,6 Millionen Mitgliedern an.

Weitere Informationen: www.ituc-csi.org

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ITUC Global Rights Index,The world‘s worst countries for workers www.youtube.com/watch?v=9-wdewTPTKs (in Englisch), abgerufen am 8.9.2015

Aufgaben

A1 Warum gibt es mit Blick auf die Globalisierung der Produktion Handlungsbedarf auf Seiten der Arbeit-nehmer/innen und ihrer Vertreter/innen (M16)?

A2 Recherchieren Sie Anwendungsbereiche und Beispiele für die Kernarbeitsnormen in Tabelle 5, S. 28.

A3 Recherchieren und erläutern Sie gemein-sam mit Ihrem Sitznachbarn/Ihrer Sitznachbarin ein Beispiel, wie sich Gewerkschaften weltweit gegen Kinderarbeit engagieren. Die Stiftung Fair Childhood gewährt einige interessante Einblicke in ihre Arbeit (www.fair-childhood.eu), aber auch andere interna-tional tätige Gewerkschaften sind im Kampf gegen Kinderarbeit tätig.

A4 Recherchieren Sie ein Beispiel und stellen Sie dieses – bestenfalls mit Fotomaterial – in Gestalt einer Wandzeitung Ihren Mitschüler(inne)n vor!

A5 Unter http://survey.ituc-csi.org/ITUC-Global-Rights-Index.html?lang=en findet sich ein Film, der den vom Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB) entwickelten „ITUC Global Rights Index“ erläutert. Auf welchen Handlungsebenen können Gewerkschaf-ten ihre Interessen in Bezug auf Konzerne verfolgen, die weltweit produzieren? Diskutieren Sie Vorzüge und Nachteile und fällen Sie ein Urteil, inwieweit der IGB einen Beitrag dazu leisten kann.

Infobox 4

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32boeckler-schule.de | Themenheft Globalisierung | [E] Globalisierung der Arbeitsmärkte

[E] Globalisierung der Arbeitsmärkte

M17 Bauarbeiter als moderne Sklaven

a) Aus zwei Gründen kommt die Fußball-Weltmeister-schaft 2022 in Qatar nicht aus den Schlagzeilen: wegen der Hitze im Sommer und wegen der Behandlung der Bauarbeiter. Die Entscheidung, ob das Turnier in den Winter- oder in den Sommermonaten stattfindet, wird aufgeschoben. Aufgeschoben werden auch Entscheidun-gen zur Verbesserung der Lage der Bauarbeiter. Dabei steht Qatar stellvertretend für alle arabischen Golfstaa-ten am Pranger. Seit die Fifa die WM an das kleine, aber reiche Land am Golf vergeben hat, blickt die (westliche) Welt kritisch auf Qatar. Dort stößt auf Unverständnis, dass der Westen in den Parallelwelten […] einen Wider-spruch sieht: Auf der einen Seite drängt ihre postmoder-ne Glitzerwelt auf die Bühne der Welt, auf der anderen sind die Bedingungen der Arbeiter, die diese Glitzerwelt bauen, erbärmlich. Von moderner Sklaverei ist die Rede. Qatar gibt zwar, vorbildlich, viel Geld aus, um in den Ländern, aus denen Bauarbeiter kommen, Millionen von Kindern überhaupt eine Schulbildung zu ermöglichen. Deren Väter arbeiten aber in Qatar auf Baustellen unter unwürdigen Bedingungen. […] Zwar sind die Bauarbei-ter rechtlich keine Sklaven, sie sind aber schlechter als diese gestellt: Sie arbeiten anonym auf Großbaustellen, geben ihre Pässe an ihren „Sponsor“ ab, können ohne dessen Einverständnis weder ausreisen noch den Ar-beitsplatz wechseln; bis in die Gegenwart zahlen skru-pellose Unternehmer den Bauarbeitern den zugesagten Lohn nicht aus. Dass sie keine Rechte bekommen, hängt auch damit zusammen, dass die Furcht der Einheimi-schen vor Überfremdung groß ist. In Qatar stellen die Einheimischen ein Siebtel der Bevölkerung, in Dubai nur ein Zehntel. […] Die Einheimischen setzen daher durch, dass einfache Arbeiter nach einer bestimmten Zeit das Land verlassen müssen. Indem die Einheimischen den Arbeitern aus Asien kaum Rechte geben und sie diese je-derzeit abschieben können, glauben sie, dass diese nicht sesshaft und zu keiner politischen Gefahr werden. Das Ungleichgewicht zwischen den reichen Einheimischen und den asiatischen Habenichtsen ist eine Zeitbombe, für deren Entschärfung es nach wie vor kein Rezept gibt.

Rainer Hermann, Die Glitzerwelt und ihre Opfer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.1.2014

b) Im Januar 2014 meldete der Spiegel: „Die Vorberei-tungen für die Fußball-WM 2022 in Katar fordern weit mehr Menschenleben als bisher bekannt. Neu aufge-tauchte Dokumente belegen: Die internationalen Pro-teste gegen die menschenunwürdigen Bedingungen auf den WM-Baustellen in dem Wüstenland haben nichts bewirkt – es sterben nach wie vor Dutzende ausländi-scher Arbeiter. Über die skandalösen Umstände in Katar wurde erstmals im vergangenen September berichtet. Doch in den vier folgenden Monaten registrierten al-lein die Behörden des Himalaya-Staates Nepal […] 36 Landsleute, die auf katarischen Baustellen den Tod fan-den. Insgesamt waren es im Jahr 2013 nach offiziellen Zahlen 185 Nepalesen. […] Die Gesamtzahl der Opfer, die das umstrittene Großereignis inzwischen gefordert hat, dürfte wesentlich höher liegen. Die Nepalesen stel-len […] lediglich ein Sechstel der insgesamt rund zwei Millionen Mann starken Gastarbeiterarmee in Katar.“

SPIEGEL ONLINE, Michael Kröger, 25.1.2014, www.spiegel.de/politik/ausland/gastarbeiter-in-katar-erneut-dutzende-tote-auf-wm-baustel-len-a-945500.Html, abgerufen am 8.9.2015

Aufgaben

A1 Schildern Sie die Situation der Bauarbeiter an den WM-Spielstätten in eigenen Worten (M17a und b).

A2 Kennen Sie vergleichbare Fälle von Arbeits-migration? Legen Sie dabei die Definition in Infobox 5 zu Grunde: Führen Sie sich zugleich vor Augen, dass die traditionellen Formen der endgültigen Aus- und Einwanderung durch neue Wanderungsformen ergänzt werden, wie z. B. durch die Pendelwanderungen oder die „zirkuläre“ Migration. So pendeln zunehmend auch Arbeitsmigrant(inn)en mit kurzfristigem Aufenthalt zwischen ihrem Heimatland und einem – oder sogar mehreren – Aufnahmeländern.

A3 Welche Lösungsmöglichkeiten könnte es für die häufig als Problem angesehene Arbeitsmigration geben?

A4 Recherchieren Sie, unter welchen Um-ständen Arbeitsmigrant(inn)en in anderen Teilen der Welt arbeiten.

Arbeitsmigration

Eine der wichtigsten Wanderungsformen ist die Einreise in ein Land, um dort befristet oder dauerhaft zu arbeiten. Meistens gehen Arbeitsmigrant(inn)en als ungelernte Saisonarbeiter/innen Tätigkeiten nach, die den einheimi-schen Arbeitskräften zu schlecht bezahlt, zu schmutzig oder zu gefährlich sind. Gelegentlich handelt es sich bei Arbeitsmigrant(inn)en aber auch um hoch qualifizierte Ma-nager/innen, Wissenschaftler/innen oder Techniker/innen.

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DGB-Kampagne zu Qatar 2022www.rerunthevote.org

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M18 Elend und Hoffnung in der Textilindustrie

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Dokumentation „Die Preis-Lüge“ (2013), Foto: picture-alliancewww.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=44502

Kampagne für Saubere Kleidung / INKOTA-netzwerk e.V.

        

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Die Asian Floor Wage Alliance ist eine von internationa-len Gewerkschaften geführte Kampagne, die existenzsi-chernde Löhne für alle Textilarbeiterinnen und -arbeiter in Asien zum Ziel hat. Die existenzsichernden Löhne (living wages) gelten für eine Arbeitswoche von max. 48 Stunden und liegen deutlich über den in einzelnen Ländern gesetzlich festgelegten Mindestlöhnen (mini-mum wages). Die Errechnung der Höhe der living wages basiert auf folgenden Annahmen:

• Ein Arbeiter/Eine Arbeiterin muss sich selbst sowie zwei weitere „Verbrauchseinheiten” versorgen können (1 Verbrauchseinheit = ein/e Erwachsene/r oder zwei Kinder).

• Ein/e Erwachsene/r benötigt 3.000 Kalorien pro Tag, um arbeiten zu können.

• In Asien betragen die Ausgaben für Essen ungefähr die Hälfte der Gesamtausgaben eines Arbeiters / einer Arbeiterin.

Um die living wages in den einzelnen Ländern auch anzuwenden, wird deren Höhe in Kaufkraftparitäten (s. Erklärung zu M13, S. 21) angegeben. Die Werte werden regelmäßig aktualisiert.

Mehr Informationen: asia.floorwage.org (in Englisch)

Infobox 6

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Der Sportartikelhersteller adidas stellt auf der Firmen-website seine Arbeitsplatzstandards dar:

„Als verantwortungsbewusst handelndes Unternehmen ist es unser Ziel, dass die in unserer Beschaffungskette beschäftigten Arbeiter in ihrem Alltag keine Not erleiden müssen. Wir möchten, dass Arbeitnehmer genug verdie-nen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern und darüber hinaus Konsumausgaben tätigen sowie Geld sparen zu können. Dieses Ziel haben wir in den Leitprinzipien unserer Arbeitsplatzstandards […] festgeschrieben. Wir suchen Geschäftspartner, die kontinuierlich den Lebens-standard ihrer Mitarbeiter durch das Lohngefüge, Sozi-alleistungen, Sozialprogramme und andere Leistungen heben sowie insgesamt die Lebensqualität erhöhen. […] Obwohl wir nicht bestimmen, welche Löhne die Zuliefer-betriebe ihren Beschäftigten zahlen, verpflichten wir die Arbeitgeber, zumindest die gesetzlich vorgeschriebene bzw. die in einem Tarifverhandlungsverfahren ausgehan-delte Vergütung zu leisten. Als Abnehmer der in einem Zulieferbetrieb gefertigten Waren haben wir in zweier-lei Hinsicht Einfluss darauf, dass der Betrieb seinen Beschäftigten angemessene Löhne zahlt: durch die von uns gezahlten Produktpreise und durch eine verantwor-tungsvolle Beschaffung dieser Produkte.“

Kritische Themen, www.adidas-group.com/de/nachhaltigkeit/beschaffungskette/kritische-themen-copy, Angemessene Löhne, abgerufen am 8.9.2015

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Aufgaben

A1 Schauen Sie die 30-minütige Dokumentation „Die Preis-Lüge“ (M18). a] Machen Sie sich Stichpunkte, um anschließend eine Liste der Missstände zu erstellen.b] Die im Film erwähnte Asian Floor Wage Alliance (s. Infobox 6) setzt sich für existenzsichernde Löhne ein. Worin liegt der Wert des internationalen Ansatzes der Kampagne?

A2 Wie interpretieren Sie das links abgebildete Label vor dem Hintergrund des Dokumentarfilms und um welche Aspekte könnte es ergänzt werden?

A3 Welche Modeunternehmen kennen Sie und was wissen Sie über die Situation der für diese tätigen Beschäftigten? Recherchieren Sie auf den Websites der Unternehmen und – sofern ersichtlich – ihrer Zulieferbetriebe.

A4 Listen Sie wenigstens zehn Fälle auf, in denen internationale Arbeitsrechte in Mexiko, Bangladesch, Deutschland oder den USA verletzt wurden. Ziehen Sie dafür die Informationen des Internationalen Gewerk-schaftsbundes (ITUC) unter http://survey.ituc-csi.org (s. S. 30) hinzu. Dabei dürfte die deutsche Version der Website hilfreich sein.

A5 Verschaffen Sie sich einen vertieften Einblick in die Arbeitsbedingungen in der Textilindus-trie. Eine aufschlussreiche Quelle finden Sie in der Studie „Wer bezahlt unsere Kleidung bei Lidl und Kik?“ auf den Seiten 14 bis 17 unter www.saubere-kleidung.de/downloads/publikationen/2008-01_Brosch-Lidl-KiK_de.pdf. Halten Sie die Ergebnisse in einigen Sätzen fest.

A6 Auf der Internetplattform You Tube findet sich das Video „Schön! Färber!“, www.youtube.com/watch?v=2JomPtm00yU . a] Kommentieren Sie die Inhalte dieses Videos. Neh-men Sie dafür auch die Kommentare unterhalb des Videofensters zur Kenntnis.b] Benennen Sie drei internationale Arbeits- und Sozi-alstandards (sog. Kernarbeitsnormen), gegen die in den geschilderten Fällen verstoßen wird. Vergleichen Sie dazu Tabelle 5 auf S. 28.

A7 Verfassen Sie eine Stellungnahme, in der Sie den Verhaltenskodex des Sportartikelherstellers adidas bewerten (siehe Kasten oben).

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M19 „Bloß kein Boykott“

Textilgewerkschafterin Nazma Akter aus Bangladesch be-richtet beim IGB [Internationaler Gewerkschaftsbund]-Kongress in Berlin über zaghafte Fortschritte bei der Ge-werkschaftsbildung.

Vor über einem Jahr kamen bei der Tragödie von Rana Plaza mehr als 1.100 Arbeiterinnen ums Leben. Hat sich die Lage verbessert?Ja. Seither wurden in Bangladesch in rund 160 Betrie-ben Gewerkschaften gegründet. Das hat damit zu tun, dass die gewerkschaftliche Arbeit erleichtert wurde. Früher benötigten wir die Zustimmung des Fabrikbe-sitzers. Die haben wir natürlich nie bekommen; nur wenige trauten sich, das zu unterlaufen. Auch heute ist es nicht einfach – Tarifverhandlungen in den Fabriken bleiben die Ausnahme. Aber es geht doch einiges voran. Eines unserer größten Probleme bleibt, dass eine Ge-werkschaft 30 Prozent der Belegschaft hinter sich haben muss. Und: Es gibt 4.000 Textilfabriken. Es bleibt viel zu tun.

Sie sind schon seit 25 Jahren in der Gewerkschaft... Ja. Ich habe mit elf als Näherin angefangen, zusammen mit meiner Mutter in einer Fabrik, die für Walmart pro-duziert hat, 14 Stunden am Tag, sieben Tage in der Wo-che, für nicht mal einen Dollar am Tag.

Wie hat sich das angefühlt – für so wenig Geld für einen so reichen Konzern zu arbeiten?Darüber haben wir nicht nachgedacht. Meine Familie musste über die Runden kommen. Ich hatte, wie alle anderen auch, nicht viel Auswahl.

Was hat Sie in die Gewerkschaft gebracht?Ich war 13, als meine Geschwister zu den Ersten gehör-ten, die Arbeitsverträge gefordert haben. Ihnen wurde das Leben zur Hölle gemacht, ich wollte sie unterstüt-zen. Als Folge wurde ich eingeschüchtert, bedroht, be-lästigt und entlassen. Ich kam auf eine schwarze Liste, die zwischen den Fabrikchefs weitergereicht wurde. Es war eine schwere Zeit. Aber am Ende zählt: Heute hört man mir zu; ich reise und erzähle von unseren Arbeits-bedingungen. Es hat sich gelohnt.

Wie wichtig war bei den Verbesserungen des letzten Jahres internationale Unterstützung?Immens wichtig. Der europäische Gewerkschaftsbund IndustriAll, der Dachverband Uni und die Internationa-le Arbeitsorganisation haben uns zum Beispiel massiv unterstützt, das Sicherheitsprogramm Accord durch-zusetzen; in 160 Betrieben gibt es nun Sicherheitsstan-dards für Gebäude- und Brandschutz, die auch umge-setzt und kontrolliert werden. Auch dass IGB-Präsident Michael Sommer in Bangladesch war, hat sehr geholfen. Er bekommt Zugang zu Politikern, die mit uns nicht reden wollen. Wenn er Dinge wie Sicherheit oder Ver-einigungsfreiheit anspricht, wird das ernst genommen. Deutschland ist ja nicht nur unser größter Markt; un-sere Politiker sind auch häufig die, denen die Fabriken gehören. Und: Wenn es um Frauenrechte geht, ist es auch gut, wenn man uns in den Gewerkschaften Mut macht. Unter vier Millionen Textilarbeitern sind kaum Männer.

Das Klischee sagt: Frauen sind schwer zu organisie-ren...Das stimmt nicht. Sie haben ein massives Interesse, dass sich etwas ändert; schon weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder unter den gleichen Bedingungen arbeiten. Aber sie brauchen Bildung und Fortbildung, müssen über ihre Rechte informiert und ermutigt werden. Viele sind ja noch sehr jung.

Wie groß ist die Sorge, dass die Textilketten sich ab-wenden? H&M hat bereits angekündigt, künftig in Äthiopien produzieren zu lassen – in Bangladesch wird es ihnen zu teuer. Für uns wäre das eine Katastrophe: H&M ist der größte Produzent im Land. Umso wichtiger ist, dass wir internationale Solidarität und Hilfe von den Ge-werkschaften in Europa und den USA bekommen. Wir hängen alle an derselben Versorgungskette – ihr an dem einen und wir am anderen Ende. Wir produzieren für multinationale Unternehmen; also muss auch multinati-onal vermittelt werden, dass Arbeiter ein Recht auf wür-devolle Behandlung haben. Und europäische Gewerk-schaften sind stark – viel stärker als unsere.

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Nazma Akter, 40, ist Präsidentin der Textilgewerkschaft Sammilito Garment Workers Federation in Bangladesch. Die ehemalige Kinderarbeiterin setzt sich seit 25 Jahren für bessere Arbeitsbedingungen ein. 2013 bekam sie den „Female Leader of the Year Award“ verliehen.

Nun denken viele: Wenn eine Textilkette Arbeiterin-nen ausbeutet, kaufe ich da nicht mehr.Bloß nicht! Wen boykottiert ihr denn damit? Die Arbei-terinnen, die ihre Familien nicht mehr ernähren können! Sprecht mit den Verantwortlichen, schreibt Briefe oder Resolutionen, geht zu den Betriebsräten und mit denen in die Chefetagen! Aber sorgt nicht dafür, dass wir un-sere Jobs verlieren!

Jeannette Goddar, „Bloß kein Boykott“ , Magazin Mitbestimmung 6/2014

Aufgaben

A1 Analysieren Sie die Sichtweise von Nazma Akter (M19) mit Blick auf a] die Rolle der Gewerkschaf-ten und b] den gewerkschaftlichen Organisationsgrad von Frauen.

A2 Tragen Sie die Gründe zusammen, die aus Sicht der Gewerkschafterin gegen einen Kaufboykott sprechen.

A3 Beurteilen Sie den Standpunkt der Gewerk-schafterin Nazma Akter.

Jeannette Goddar

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1. Harm Bengen

2. Heiko Sakurai

3. Simon Kneebone

4. Katharina Greve

5. Burkhard Mohr

6. Heiko Sakurai

M20 „Schutzmauern“ der EU

Am 3. Oktober [2013] kenterte vor der Küste Lam-pedusas [in Italien, Anm. T. E.] ein Schiff mit über 500 Flüchtlingen, nur 155 von ihnen überlebten. Politiker in ganz Europa zeigten sich schockiert – als ob es das erste Mal gewesen wäre, dass Menschen auf ihrer Flucht nach Europa ertrinken. Dabei sind die Fakten hinlänglich be-kannt: Knapp zwei Drittel aller „illegalen“ Einreisen in die EU erfolgen über den Seeweg, zumeist in völlig über-füllten, nicht hochseetauglichen Booten. Schätzungswei-se 60.000 Menschen wagen pro Jahr die Flucht über das Mittelmeer Richtung EU, etwa 2.000 von ihnen sterben während der Überfahrt. Papst Franziskus […] fand dafür das treffende Wort: „Schande“. Tatsächlich trifft die Europäische Union eine unmittelbare Mitschuld an diesen Toten, denn Eu-ropa ignoriert die Toten an seinen Stränden nicht, es nimmt „diese Menschenopfer in Kauf“, so Giusi Nico-lini, die Bürgermeisterin von Lampedusa, „um die Mi-grationsflüsse einzudämmen“. Im Sinne einer gezielten Abschreckungslogik sind diese Nachrichten und Bilder Teil des europäischen Migrationsregimes. Alle wissen davon, aber keiner tut etwas gegen die Gefahren. An-dernfalls, so die brutale Logik, würden noch weit mehr Menschen versuchen, das Mittelmeer zu überqueren. Die Toten von Lampedusa sind somit Teil einer gezielten Kommunikationsstrategie der EU. Sie sollen potentiellen Flüchtlinge in den Herkunftsgesellschaften klarmachen, dass Europa seine Grenzen um buchstäblich jeden Preis schützt. […]

Die EU orientiert ihre Flüchtlingspolitik dabei am ver-meintlichen Interesse ihrer Bürger an Ruhe und Wohl-stand. Von einer Grenzpolitik im Namen der Menschen-rechte und des Flüchtlingsschutzes kann dabei keine Rede sein. […] Ohne eine gerechte Verteilung der Asyl-verfahren zwischen den EU-Staaten werden die Rand-länder dagegen weiter versuchen, ihre Antragszahlen klein zu halten. […] Mit ihrer aktuellen Flüchtlings-politik entzieht sich die EU ihrer humanitären Verant-wortung, und verletzt damit auch ihre selbstgesetzten Normen, wie sie in internationalen Verträgen und euro-päischen Grundsatzdokumenten festgelegt wurden. […]

Gesa Heinbach, Lampedusa – Europas Schande, in: Blätter für deut-sche und internationale Politik, Heft 11 (2013), S. 5 – 8

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Aufgaben

A1 Nennen Sie möglichst viele Gründe, weshalb Menschen sich als Flüchtlinge Gefahren wie denen aussetzen, die auf dem (See-)Weg nach Europa lauern (M20).

A2 Diskutieren Sie die Karikaturen dieser Doppel-seite mit Ihrer Tischnachbarin / Ihrem Tischnachbarn.

A3 Erfinden Sie passende Untertitel für die Kari-katuren. Seien Sie dabei kreativ und denken Sie daran: Eine Karikatur stellt einen Sachverhalt überspitzt dar – dies gilt auch für den Untertitel!

A4 Eine Aufgabe für besonders Kreative lautet: Zeichnen Sie eine eigene Karikatur. Wählen Sie dazu einen Ihrer Meinung nach besonders interessanten Aspekt der globalen Arbeitsmigration aus und stellen Sie diesen überspitzt dar.

A5 Wo wohnen in Ihrer Stadt oder in Ihrem Dorf Flüchtlinge? Unter welchen Umständen leben sie? Versuchen Sie, einen Einblick in Ihre Lebensweise zu bekommen, indem Sie das Gespräch mit Ihnen suchen. Diskutieren Sie mit Ihren Mitschüler(inne)n, welche Fragen für Sie und die Gesprächspartner/innen interes-sant sein könnten. Anhaltspunkte könnten folgende Fragen liefern:a] Aus welchen Gründen sind Sie nach Deutschland geflüchtet?b] Welche Probleme sind für Sie am dringendsten?c] Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft? Welche Ziele haben Sie?

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40boeckler-schule.de | Themenheft Globalisierung | [F] Globalisierung der Politik

[F] Globalisierung der Politik

M21 Was kann die Politik tun? Lässt sich Globali-sierung politisch steuern?

Pro: Globale Wirtschaft braucht globale RegelnMit der Herausbildung globaler Ordnungsstrukturen wachsen die gesellschaftlichen Ansprüche an inter- und transnationale Politik. […] Welche Ziele sollen global erreicht werden, und welche Maßnahmen sind dafür erforderlich? […] Auf welcher Ebene – in nationalen In-stitutionen, internationalen Verhandlungen oder gar ei-genständigen supranationalen Organisationen – soll die Entscheidungskompetenz für eine gesellschaftliche He-rausforderung liegen? In entsprechenden Debatten fällt dabei oft der Begriff der Subsidiarität. Demnach sollten Entscheidungen immer auf der niedrigsten Ebene getrof-fen werden, auf der sich ein Problem lösen lässt, weil so ein Maximum an individueller und gesellschaftlicher Selbstbestimmung gewährleistet wird. Im Kontext der Globalisierung fällt gesellschaftliche Selbstbestimmung paradoxerweise aber oft geringer aus, wenn Kompe-tenzen auf der niedrigeren, das heißt nationalen Ebene verbleiben. Das liegt einerseits daran, dass die Entschei-dungen einzelner Staaten auch auf andere, nicht an der Entscheidung beteiligte Gesellschaften Auswirkungen haben. Diese sogenannten Externalitäten sind nicht un-bedingt beabsichtigt, aber häufig auch nicht zu vermei-den. So beeinflusst etwa die nationale Entscheidung für oder gegen industrielle Abgasfilter unweigerlich auch die Luftqualität in Staaten, die nicht an der Entscheidung beteiligt waren. Andererseits stimmen die langfristigen Interessen einer Gesellschaft oft nicht mit ihren kurz-fristigen Interessen überein, denen häufig der Vorrang gegeben wird (sogenannte zeitliche Inkonsistenzen). Langfristig haben zum Beispiel alle Gesellschaften ein gemeinsames Interesse an guter Luftqualität, kurzfristig möchte aber keine von ihnen die wirtschaftlichen Kos-ten von Filteranlagen tragen. Externalitäten und zeitli-che Inkonsistenzen lassen sich oft besser meistern, wenn Regierungen entsprechende Kompetenzen in internatio-nalen Gremien zusammenlegen oder sie direkt an un-abhängige supranationale Akteure übertragen [Global Governance]. Da einzelne Staaten und gesellschaftliche Interessen aber unterschiedlich stark von solchen Arran-gements profitieren, gehen die Ansichten über angemes-sene Kompetenzverteilungen notwendigerweise ausein-ander und führen zu politischen Konflikten.

Christian Rauh, Legitimität und Politisierung globaler Steuerung,  in: Informationen zur politischen Bildung 325/2015 „Regieren jenseits des Nationalstaats“

Contra: Global Governance ohne KonzepteTrotz immer neuer Finanzkrisen ist die Herausbildung der G 20 die einzige größere institutionelle Veränderung, die sich seit 2007 vollzogen hat. Die G 82 allein habe die großen wirtschaftlichen und finanziellen Fragen nicht mehr lösen können, hieß es zu Recht. Doch der Einfluss der G 20, der den Machtzuwachs der Schwellenländer in Asien und Lateinamerika widerspiegeln sollte, steht im-

mer noch weit hinter dem der G 8 zurück, in der die al-ten Mächte aus Nordamerika und Europa plus Japan die Politik koordinierten. Auch bei der Suche nach Rezepten gegen die Klimaerwärmung, die Ausbeutung natürlicher Ressourcen oder den Rückgang der Agrarflächen ist die Weltgemeinschaft gelähmt. […] Der Vorwurf der Unbeweglichkeit trifft auch den Internationalen Währungsfonds [IWF] […]. Vom IWF wird seit langem gefordert, er müsse seine Funktions-weise reformieren und zugleich „demokratisieren“. Für ihn kommt neuerdings eine weitere Herausforderung hinzu: die Konkurrenz anderer Geldgeber, die Kredite nach weniger ideologischen Kriterien gewähren. Heu-te können sich afrikanische Staaten, die Probleme mit dem IWF und anderen Gläubigern haben, neues Geld von China ausleihen. Und seit 2010 gibt es einen Asia-tischen Währungsfonds (den die USA in der Krise von 1998 noch verhindern wollten). An den Debatten über eine neue Architektur des Weltwährungssystems, die vor allem von China ausgeht, ist der IWF nicht beteiligt. Das Stimmgewicht der Mitgliedstaaten entspricht der Höhe ihrer Kapitaleinlagen, was den USA praktisch ein Vetorecht verleiht; der Posten des IWF-Generaldi-rektors steht gewohnheitsrechtlich den Europäern zu. Im Vergleich mit IWF und Weltbank ist die Willensbil-dung innerhalb der 1995 gegründeten Welthandelsorga-nisation (WTO) demokratischer, weil sie nach dem Prin-zip „ein Land, eine Stimme“ funktioniert. Damit bietet sie den Ländern des Südens zuweilen eine Plattform für ihre wachsende Opposition gegen die ökonomische Lo-gik der führenden Wirtschaftsmächte. Das führt aber häufig zur Blockade der multilateralen Verhandlungen. Deshalb ziehen heute viele reiche Länder bilaterale Ab-kommen vor, bei denen die WTO praktisch keine Rolle spielt.

in Anlehnung an: Le Monde diplomatique, Atlas der Globalisierung.Die Welt von morgen, Berlin (taz Verlag) 2011

2   Der G7 gehören Deutschland, Frank-reich, Großbritannien, Italien, Japan, die USA und Kanada an. Außerdem ist die Europäische Union bei allen Treffen vertreten. Die G8 umfasst die genannten Länder der G7 und zusätzlich Russland. Aufgrund der Verletzung der Souveränität und ter-ritorialen Unversehrtheit der Ukraine durch Russland haben die Staats- und Regierungschefs der G7 am 24. März 2014 beschlossen, nicht [an dem für dasselbe Jahr geplanten] G8-Gipfeltreffen unter russischer Präsidentschaft (4./5. Juni 2014 in Sotschi) teilzunehmen. Stattdessen hat sich die G7 in diesem Jahr zu einem Gipfel am 4. und 5. Juni in Brüssel getroffen. (www.bundesre-gierung.de, abgerufen am 29.9.2015)

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Pro Contra

Aufgaben

A1 Stellen Sie die Pro- und Contra-Argumente zu den Institutionen der Global Governance in M21 in der Tabelle oben ausführlich gegenüber.

A2 Nehmen Sie Stellung zu nachfolgender These: „IWF und WTO spiegeln die neuen weltweiten Kräfte-verhältnisse so wenig wider wie G7.“ Berücksichtigen Sie in Ihrer Argumentation zustimmende und ablehnen-de Positionen.

A3 Analysieren Sie die obige Karikatur. Welches ist die zentrale Aussage? Teilen Sie diese?

Thomas Plaßmann

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M22 Nationale Wirtschaftspolitik in Zeiten der Globalisierung

Etwa seit der deutschen Vereinigung haben sich in Deutschland vielfältige wirtschaftliche Probleme her-ausgebildet, von denen ein nicht unbedeutender Teil sei-nen Ursprung in der Globalisierung und der wirtschafts-politischen Reaktion hierauf hat. Die nunmehr deutlich engere Verflechtung Deutschlands mit den internationa-len Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkten hat zu verän-derten Machtverhältnissen auf den Arbeitsmärkten ge-führt. Die tatsächliche oder angedrohte Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland hat die Machtposition der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften erheblich ge-schwächt. In die gleiche Richtung wirkt der wachsende Einfluss der Finanzmarktinvestoren auf die Unterneh-mensführung, die höhere Renditen auch zu Lasten der Lohneinkommen fordern. Dies alles schlägt sich zuvorderst in den Lohnab-schlüssen nieder. Seit 1996 ist die Lohnentwicklung zu-rückhaltend […]. [So] hat sich seither eine fortgesetzte Umverteilung von Arbeitseinkommen in Gewinnein-kommen ergeben. Im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit hat sich dies jedoch positiv ausge-wirkt und die Exporteure von Gütern und Dienstleistun-gen gestärkt. Hinzu kam der Einfluss wirtschaftspoliti-scher Maßnahmen. Um vermeintliche noch vorhandene Kostennachteile auf den Weltmärkten zu kompensieren, wurden über Senkungen der Lohnnebenkosten mit be-gleitenden zum Teil massiven Sparmaßnahmen die Ein-kommen weiter unter Druck gesetzt. Verstärkt wurde dieser Prozess durch arbeitsmarktpolitische Maßnah-men, die Arbeitslose im Zuge der Hartz-Reformen zu einer rascheren Annahme von Stellenangeboten auch bei sehr niedrigen Löhnen zwingen. Im Ergebnis blei-ben die Realeinkommen der privaten Haushalte, also der Konsumenten, merklich hinter der wirtschaftlichen Entwicklung zurück. Selbst im Aufschwung der Jahre 2005 bis 2008 verloren die privaten Haushalte in der Summe an Kaufkraft. Das hatte es zuvor noch in keinem Aufschwung gegeben. Diese schwache Übertragung von Wachstumsimpul-sen auf die privaten Einkommen schwächt in der Fol-ge wiederum das Wachstum, da Absatz und Produkti-on im Inland lahmen. Dies kann in Deutschland auch nicht durch die beträchtlich gesteigerte internationale Wettbewerbsfähigkeit kompensiert werden, da der Bin-nenmarkt in Deutschland zu bedeutsam ist. […] Dies zu ändern ist die vordringliche Notwendigkeit der Wirt-schaftspolitik in Deutschland in Zeiten der Globalisie-rung.

Gustav Horn, Wirtschaftspolitik in Zeiten der Globalisierung, online-Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2011

Aufgaben

A1 Erarbeiten Sie, worin der Autor das Kernprob-lem der Globalisierung sieht (M22).

A2 Stellen Sie die Position des Autors in Form einer zehn Sätze umfassenden Pressemitteilung aus der Perspektive einer Gewerkschaft dar.

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Aufgaben

A1 Analysieren und interpretieren Sie die Fotos. Orientieren Sie sich dabei an dem Raster zur Fotoana-lyse (siehe dazu Infobox 1 auf S. 7).

M23 Abschlussaufgabe „Eine andere Welt ist möglich!“

1 – 4 picture-alliance

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Fortsetzung S. 44

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Aufgaben

A2 Ein zentrales Motto der Globalisierungskriti-ker/innen lautet: „Eine andere Welt ist möglich.“ Wie sieht die „andere Welt“ aus, die Sie sich wünschen? Tragen Sie Ihre Wünsche im Plenum in Form einer Zu-kunftswerkstatt zusammen. Berücksichtigen Sie dabei die Informationen in den Infoboxen 7 bis 10.

A3 Versetzen Sie sich gedanklich in das Jahr 2050. Entwickeln Sie ein umfassendes und anschauliches Szenario. Beim Best-Case-Szenario konzentrieren Sie sich auf die positiven Projektionen, beim Worst-Case-Szenario nur auf die negativen Projektionen. Beachten Sie dabei Folgendes: Beginnen Sie mit dem Einflussfaktor, der am wichtigsten ist, und beziehen Sie anschließend die übrigen Einflussfaktoren darauf. Ändern Sie – falls erforderlich – die Ausarbeitung der aktivsten Einfluss-faktoren, um Widersprüche zu vermeiden. Grundsätzlich unterscheidet man die Einflussfaktoren in Abhängigkeit von ihrem Wirkungsgrad (vgl. Infoboxen 9 und 10).

Die Phasen

1. Kritikphase: Was missfällt?Hier wird zusammengetragen und dokumentiert (z. B. auf einer Wandzeitung), was als störend empfunden und für verbesserungswürdig gehalten wird. Nachdem jede(r) seine/ihre Kritikpunkte benannt hat, erfolgt eine Festle-gung auf bestimmte Aspekte.

2. Phantasie- und Utopiephase Nun darf jede(r) ihre/seine Wünsche und Phantasien zum Ausdruck bringen. Dabei dürfen auch (scheinbar) unrea-listische Vorschläge unterbreitet werden. Untersagt sind in dieser Phase „Killerphrasen“ der Art „Das geht doch überhaupt nicht“, „Wer soll das denn bezahlen?“ o. ä., da diese das kreative, fantastische und utopische Denken im Keim ersticken.

3. VerwirklichungsphaseDie in der vorherigen Phase entwickelten Ideen und Wünsche werden wieder in die Normalität und den Alltag zurückgeholt. Dabei gilt es folgende Fragen zu stellen: Welche Ideen sind besonders interessant und lohnt es sich zu verfolgen? Zudem sollten Fragen der Art „Gibt es in der Praxis bereits Ansätze, die in die gewünschte Richtung weisen?“, „Welche Beharrungskräfte müssen überwunden werden?“ und „Wie beurteilen Fachleute die Erfolgschancen unserer Idee?“ umfassend beantwortet werden, um Durchsetzungsstrategien zu entwickeln.

Fortsetzung von S. 43

Infobox 7

Der Szenariotrichter

Ein Szenario ist ein komplexes und hypothetisches Zukunftsbild, das nicht nur quantitative und qualitative Aussagen zu einem sachlich und räumlich abgegrenzten Gegenstandsbereich enthält, sondern zugleich alternative Entwicklungsmöglichkeiten bis zum Zieljahr benennt. Bei der Erarbeitung von Szenarien werden in der Regel drei Grundtypen von Szenarien unterschieden:

Das positive Extremszenario (best-case-scenario), das sich an der bestmöglichen Zukunftsentwicklung orien-tiert, stellt den oberen Trichterrand dar.

Das negative Extremszenario (worst-case-scenario), das die am wenigsten wünschenswerte Entwicklung aufzeigt, befindet sich am unteren Trichterrand.

Das Trend-Szenario (trend-extrapolation), das den Entwicklungstrend der Vergangenheit in die Zukunft fort-schreibt, liegt in der Mitte des Trichterquerschnitts, lässt sich erst nach Durchführung der Methode bestimmen und bildet – ungeachtet möglicherweise auftretender Störfak-toren – den wahrscheinlichsten Ereignisverlauf ab.

Jedes Szenario muss

a. vollständig sein, d. h. zu möglichst allen Einflussfakto-ren Aussagen enthalten,

b. zusammenhängend sein, d. h. die Ausprägungen der Faktoren verweisen aufeinander,

c. stimmig sein, d. h. die Ausprägungen der Faktoren stehen nicht in Widerspruch zueinander,

d. nachvollziehbar sein, d. h. die Entstehung des Szena-rios ist für Außenstehende transparent,

e. möglich sein, d. h. keine utopische Zukunftsvorstel-lung formulieren.

Infobox 8, Abb. nach: Retzmann,Th. (1996), Die Szenario-Technik. Eine Methode für ganzheitliches Lernen im Lernfeld Arbeitslehre, in: awt-info, 15. Jg., Heft 2

Positives Extremszenario

NegativesExtremszenario

Trendszenario

Zeit

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Gruppierung der Einflussfaktoren

Best-Case-Szenario Worst-Case-Szenario

Zentrale Einflussfaktoren Zentrale Einflussfaktoren

aktive Einflussfaktoren reaktive Einflussfaktoren aktive Einflussfaktoren reaktive Einflussfaktoren

kritische Einflussfaktoren puffernde Einflussfaktoren kritische Einflussfaktoren puffernde Einflussfaktoren

Einflussfaktoren

1. Aktive Einflussfaktoren beeinflussen andere Faktoren sehr stark, werden aber von ihnen wenig oder gar nicht beeinflusst.

2. Reaktive Einflussfaktoren beeinflussen andere Faktoren relativ schwach, werden selbst jedoch massiv beeinflusst.

3. Kritische Einflussfaktoren beeinflussen andere Faktoren stark und werden von diesen ebenfalls stark beeinflusst.

4. Puffernde Einflussfaktoren beeinflussen die übrigen Fakto-ren schwach und werden ihrerseits ebenfalls schwach beeinflusst.

Die Einflussfaktoren müssen

a. eindeutig sein, d. h. von jedem/jeder in der gleichen Weise verstanden werden können,

b. wertneutral sein, d. h. nicht wertend, fordernd oder vorschreibend formuliert werden,

c. trennscharf sein, d. h. keine Überschneidungen aufwei-sen,

d. konkret sein und zugleich nicht auf unterschiedlichen Konkretisierungsniveaus angesiedelt,

e. umfassend sein, d. h. möglichst viele Aspekte des Ein-flussbereichs beinhalten.

Die folgende Darstellung soll Ihnen helfen, die Einflussfaktoren zu unterscheiden:

Einflussfaktoren

Einfluss aktive reaktive kritische puffernde

auf andere Faktoren sehr stark relativ schwach stark schwach

durch andere Faktoren wenig bis gar nicht sehr stark stark schwach

Infobox 9

Infobox 10

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Didaktisch-methodischer Kommentar

Einleitung

Das Schlagwort „Globalisierung“ umschreibt die zunehmende weltweite Vernetzung sozialer, politischer und ökonomischer Entwicklungen. Die zeithistorische Diagnose begnügt sich wahlweise mit dem Hinweis auf Globalisierung als „größte Chance für wirtschaftlichen Wohlstand“ oder aber als „Entwicklung in Richtung Arbeitsplatzver-nichtung“. Neben Chancen bringt die Globalisierung für viele Menschen nämlich auch Ungewissheiten und Ängste mit sich, weshalb die Bewegung der Globalisierungskri-tiker/innen mit ihrer Behauptung „Eine andere Welt ist möglich!“ unter Jugendlichen großen Zulauf hat. Jenseits dieser plakativen Zuschreibungen ist das Thema Globali-sierung aber auch von höchster tagespolitischer Bedeutung – und damit in besonderer Weise relevant für den Politik-, Ökonomie- und Geschichtsunterricht.

Das vorliegende Themenheft soll Antworten auf grundlegende Fragen geben:

• Was genau ist unter Globalisierung zu verstehen?• Wo wird sie im Alltagsleben sicht- und spürbar? • Welche Vorteile bringt sie mit sich und wo sind mögliche Schattenseiten zu sehen? • Wie lässt sich Globalisierung politisch gestalten?

Anlage des ThemenheftsGlobalisierung betrifft die Lebenswelt der Lernenden in vielfältiger Art und Weise. Schüler/innen sind zunächst durch ihren Konsum direkt von Globalisierung betroffen, mittelfristig aber auch als Arbeiternehmer/innen und Steuerzahler/innen – ggf. auch als Migrant(inn)en. Besonders wichtig ist überdies die Identifikation von Handlungsmöglich-keiten, denn Globalisierung wird nicht nur durch globale, europäische oder nationale Politik gestaltet, sondern auch im Alltagsleben, etwa durch die Entscheidung für oder gegen bestimmte Konsumgüter oder das Engagement in der Zivilgesellschaft. Dement-sprechend erfordert auch die unterrichtliche Bearbeitung einen kontrovers angelegten, problem- bzw. konfliktorientierten Zugang, der das Leben in der globalen Gesellschaft beleuchtet und dabei die Chancen sowie Risiken für das Subjekt herausstellt. Um sich in dieser Gesellschaft orientieren und mündige Entscheidungen treffen zu können, sind Analysekompetenzen zur Untersuchung und Einschätzung von Rahmenbedingungen und Handlungsmöglichkeiten zentral, weshalb diese in der didaktisch-methodischen Ausrichtung des Themenhefts eine wichtige Rolle spielen.

Die Struktur des Themenhefts folgt der Überlegung, dass Globalisierung in verschie-denen Bereichen von Wirtschaft und Politik unterschiedlich stark ausgeprägt ist und spezifische Auswirkungen hat. Globalisierung ist also nicht gleich Globalisierung. Die Globalisierung der Finanzmärkte ist beispielsweise viel weiter fortgeschritten als die der Arbeitsmärkte. Im Kern behandelt das Themenheft die Globalisierung von Handel, Finanzen, Produktion und Arbeit, der Fokus liegt also auf wirtschaftlicher Globalisie-rung. Eingeleitet werden diese vier Kernbereiche durch einen Abschnitt, der einen ersten Zugang zum Thema erlaubt. Im letzten Abschnitt geht es um die Globalisierung der Politik, genauer um die Handlungsmöglichkeiten der Politik in Zeiten der Globa-lisierung. Die Materialien zu den Kernbereichen beschäftigen sich zunächst mit dem Ausmaß der Globalisierung im jeweiligen Bereich, dann mit den Ursachen und Folgen und abschließend mit den Handlungsmöglichkeiten.

Das Heft greift insbesondere die Themenbereiche auf, bei denen sich seit der frühen Globalisierungsdiskussion der 1980er- und 1990er-Jahre gravierende Veränderungen ergeben haben, und ergänzt so existierende Materialien.1 Im Vordergrund steht dabei, dass die Globalisierung durch den Aufstieg der Schwellenländer und die damit ein-hergehende internationale Arbeitsteilung in eine neue Phase getreten ist. Die Schüler/innen sollen erkennen, dass die traditionellen Mitgliedsländer der OECD – also die USA, die Staaten Westeuropas und Japan – insbesondere seit der globalen Finanzkrise nicht mehr so eindeutig die Weltwirtschaft dominieren, wie es viele Jahrzehnte der Fall war. 1   vgl. Literaturhinweise 

auf S. 57

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Didaktische Kommentierung der einzelnen Materialien

Kapitel A: Merkmale der Globalisierung

Globalisierung beschreibt ein abstraktes Phänomen, das unterschiedliche Ausprägun-gen kennt und im Alltagsleben oft unreflektiert bleibt. Deshalb soll Kapitel A eine An-näherung der Schüler/innen an den Globalisierungsbegriff ermöglichen und zu einem differenzierten Verständnis seiner Dimensionen beitragen. Die Identifikation entspre-chender Merkmale erfolgt induktiv über die Analyse der Alltagswelt der Lernenden, was einen lebensweltnahen und subjektorientierten Zugang zum Gegenstandsbereich und eine greifbare Auseinandersetzung mit dem abstrakten und omnipräsenten Globa-lisierungskonzept ermöglicht.

Bei der Lebenswelt der Schüler/innen ansetzend, beleuchtet M1 die weltweite Vernet-zung als alltägliches Phänomen. Diese erleben Lernende vor allem in ihrer Rolle als Konsument(inn)en. Produkte werden täglich unreflektiert verwendet, ohne zu beden-ken, welche Strecken sie oft schon zurückgelegt haben. Dabei ergeben sich beispiels-weise Fragen nach Standortvorteilen, Herstellungsbedingungen sowie Umwelt- und Sozialstandards, was zu einer multiperspektivischen Sicht auf die ökonomischen, politischen und kulturellen Facetten von Globalisierung führt. Die Recherchetätigkeit der Schüler/innen kann dabei selbst zum Ausgangspunkt für eine Identifikation von Informationsasymmetrien auf (globalen) Märkten gemacht werden, erweist sich eine lückenlose Rekonstruktion der Wertschöpfungskette doch meist als unmöglich. Schü-ler/innen müssen in diesem Zusammenhang die Verlässlichkeit und Aussagekraft von Informationen bewerten lernen (Informationskompetenz). Eine Weltkarte bietet ihnen dabei die Möglichkeit zur Verortung und dient als Überblicks- und Ergebnissicherungs-instrument.

Aufbauend auf den individuellen Erfahrungen mit Globalisierung werden in M2 deren Dimensionen im Hinblick auf Informationsströme, Produktionsstandorte sowie Ar-beits- und Finanzmärkte ausdifferenziert. Dabei sollen sich die Schüler/innen zunächst buchstäblich ein Bild von den Erscheinungsformen der Globalisierung machen, indem sie die in M2 abgedruckten Fotos analysieren (Aufgabe 1). Solche Fotografien sind genuiner Bestandteil alltäglicher medialer Berichterstattung und gehören damit zur Lebenswelt von Schüler(inne)n. Medial vermittelte Bildwelten interpretieren zu kön-nen, die sich vielfach zwischen Inszenierung, Skandalisierung und neutraler Abbildung von Sachverhalten bewegen, ist ein wesentlicher Bereich der Medienkompetenz. Nicht selten lösen Bilder Emotionen aus und verbergen den Betrachter(inne)n den Kontext ihrer Entstehung. Entsprechend soll der nachfolgende Infokasten zur Fotoanalyse zu einer differenzierten Betrachtung anregen.

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In Aufgabe 2 (M2) sollen die Schüler/innen ihre Assoziationen zum Globalisierungs-begriff entlang der vorgegebenen Stränge des Schaubildes strukturieren. Dies hilft bei der Ausdifferenzierung unterschiedlicher Dimensionen und Wirkungsbereiche von Globalisierungsprozessen, von Sicherheitsfragen über gesellschaftliche Auswirkungen und ökonomische Verbindungslinien bis hin zur kommunikativen Vernetzung. Diese Strukturierung ist die Basis für die Textproduktion in Aufgabe 3. Sie ermöglicht eine fundierte und differenzierte Betrachtung der Auswirkungen von Globalisierung auf die individuelle Alltagssituation der Schüler/innen. Dabei müssen sie ihren Alltag analy-sieren und ihre persönlichen Einstellungen und Wahrnehmungen reflektieren, um zu einer Beurteilung der „Globalisierung des Alltags“ zu gelangen. Die Verschriftlichung dieser Analyse stellt Anforderungen an die Argumentations- und Artikulationskompe-tenzen der Schüler/innen im Bereich der Schriftsprache.

In M3 geht es um die weltweiten Informationsströme, die im Internetzeitalter zu einer engen Vernetzung des „globalen Dorfes“ beigetragen haben. Die Analyse der Schaubil-der soll die Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich der besuchten Internetseiten und der Internetanschlüsse in den verschiedenen Regionen der Welt deutlich machen. Außerdem werden auf der Weltkarte die mächtigen Instanzen des World Wide Web iden-tifiziert, die entscheidende Größen der Informationsbeschaffung und -übertragung sind. Eine zusätzliche Interpretationshilfe bietet der Text.

Das nachfolgende Raster beinhaltet Orientierungshilfen für den Umgang mit Statisti-ken und Diagrammen.2

Analyseraster für die Interpretation von Fotos

Wahrnehmung

Hier geht es darum, die Schüler/innen im Stile einer klassischen Bildbeschreibung möglichst detailliert die Frage beantworten zu lassen, was und/oder wen sie in der Abbildung erkennen. Hilfreich ist dabei die Vorstellung, sie müssten das Bild jemandem beschreiben, mit dem sie tele-fonieren, der dieses also nicht vor Augen hat. Gestik, Mimik und Körperhaltung der abgebildeten Personen gilt es ebenso zu beschreiben wie den Aufbau und die Atmosphäre des Bildes.

Analyse

In einem zweiten Schritt wird die Kernaussage des Bildes gedeutet. Mit welchen Stilmitteln (Figuren, Objekten, Symbolen) wurde gearbeitet? Welche Auffälligkeiten gibt es? In welchen historischen Kontext lässt sich das Bild einordnen? Was wissen wir über jene Zeit?

Interpretation

Nahezu jedem Bild liegt eine von den Fotografierenden, Zeichnenden oder Malenden intendierte Aussage oder – pathetischer formuliert – Botschaft zu Grunde. Insofern gilt es zu fragen, welche Emotionen geweckt werden sollen, welche Einstellung oder Wertung transportiert wird und welche weiteren Fragen sich aus den Einschätzungen ergeben. Zu wissen, ob das Bild auf die Vergangenheit, die Gegenwart oder die Zukunft anspielt, ist nicht nur für die zeitliche, sondern auch für die inhaltliche Kontextualisierung von besonderer Bedeutung.

2   Weitere Informati-onen zum Umgang mit Statistiken und Schaubildern liefern Harter-Meyer, R. (2001), Analyse und Bewertung von Statis-tiken und Schaubil-dern – Chancen und Risiken. In: Retzmann, Th. (Hrsg.), Metho-dentraining für den Ökonomieunterricht I, Schwalbach/Ts., S. 67–78 und Lach, K./Massing, P. (2007), Umgang mit Statisti-ken und Tabellen. In: Methodentraining für den Politikunterricht II, Schwalbach/Ts., S. 21–30

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Raster zur Analyse von Statistiken und Diagrammen

Das Raster ist eine Hilfestellung und soll Sie bei der Analyse und Interpretation statistischer Darstellungen unterstützen. Es ist keine Checkliste. Überlegen Sie sich daher auch immer zusätzliche Fragen.

Klärung der dargebotenen Inhalte sowie von Form und Quelle der Statistik

1. Welche Mengen- und Größenangaben liegen der Untersuchung zu Grunde?2. Liegt eine Häufigkeitsverteilung in absoluten oder relativen Wertangaben vor? Auf welche

Bezugsgrößen beziehen sich die Prozentwerte? 3. Welches Merkmal/ Welche Merkmale wurde/n erfasst?4. Auf welchen Zeitraum bzw. Zeitpunkt beziehen sich die Ergebnisse?5. Welche Form der Darstellung wurde gewählt (z.B. Tabelle, Kreis-, Kurvendiagramm)?6. Wer hat die Statistik wann und wo erstellt sowie veröffentlicht?

Ergebnisanalyse (Auswertung)

7. Welcher Trend lässt sich erkennen? Welcher Wert wurde am Beginn/am Ende der Zeitreihe gemessen?

8. Weist die Entwicklung Auffälligkeiten auf? Gibt es einen Höhepunkt/Tiefpunkt? Für welche Zeiträume lassen sich gegenläufige Entwicklungen erkennen?

9. Lassen sich bestimmte Regelmäßigkeiten erkennen?10. Gibt es Schnittpunkte?

Interpretation

11. Wie lässt (lassen) sich die Aussage(n) der Statistik(en) zusammenfassend formulieren?12. Welche Bedeutung kommt der (den) Aussage(n) im Hinblick auf die untersuchte Fra-

gestellung bzw. das behandelte Thema zu? Welche Schlussfolgerungen legt/legen die Aussage(n) nahe?

13. In welchen Punkten weist die Statistik Unklarheiten (etwa hinsichtlich der Quelle), Defizite (fehlende Angaben, die für eine differenzierte Beurteilung nötig wären), Fehler (etwa in der Berechnung), graphische Verzerrungen oder andere Mängel auf?

14. Weisen Auswahl, graphische Aufbereitung und Kommentierung der Daten, insbesondere die Wahl der Vergleichsgrößen, auf ein bestimmtes Interesse an der Publikation der Statis-tik hin, für das der Betrachter / die Betrachterin eingenommen werden soll?

in Anlehnung an: Burkhard, K.-J., Zur Analyse statistischer Quellen im Wirtschaftsunterricht, in: arbeiten + lernen, 8. Jg., Nr. 32 (1998), S. 36 

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Kapitel B: Globalisierung des Handels

Kapitel B thematisiert den internationalen Handel, den sichtbarsten Teil der Globa-lisierung. Dabei stehen Aspekte wie die Hierarchisierung der Weltwirtschaft, die Bedeutung verschiedener Länder als deutsche Handelspartner und die Abhängigkeit vieler Entwicklungsländer vom Export einzelner Rohstoffe im Vordergrund. Darüber hinaus geht es um die Triebkräfte der Handelsglobalisierung sowie deren politische Forcierung durch die Welthandelsorganisation und interregionale Abkommen wie das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP).

M4 dokumentiert zunächst das Ausmaß der globalen Warenströme, um den Schüler(inne)n ein Grundverständnis der wichtigsten Akteure der Handelsglobalisie-rung und von deren Interdependenzen zu vermitteln. Anschaulich werden sollen dabei die Unterschiede zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern sowie der Stellenwert der einzelnen Weltregionen im globalen Handel beziehungsweise als deut-sche Handelspartner inklusive der jüngsten Verschiebungen zugunsten der Schwellen-länder.

M5 soll die Schüler/innen für die problematischen Auswirkungen der Globalisierung des Handels sensibilisieren, und zwar am Beispiel der Preisentwicklung für Rohstoffe und der Abhängigkeit vieler Entwicklungsländer von diesen Preisen. Nicht alle Volks-wirtschaften profitieren in demselben Maße von der Handelsglobalisierung. Wie in M4 wird hier die Recherchefähigkeit der Schüler/innen gefördert, insbesondere mit Blick auf die für ein differenziertes Verständnis der Globalisierung unverzichtbaren Wirt-schaftsstatistiken.

Als Triebkräfte der Globalisierung gelten in der populären Wahrnehmung zumeist technische Faktoren wie verringerte Transportkosten oder die Entwicklung globaler Kommunikationsnetzwerke. M6 stellt diesen technischen Phänomenen politische Hintergründe zur Seite. Die Schüler/innen sind aufgefordert, selbst zu reflektieren, welche Faktoren aus ihrer Sicht ausschlaggebend sind. Im Zusammenhang mit den Konsequenzen der Handelsglobalisierung für den Gütertransport kann der Blick auch auf Umweltfolgen gelenkt werden.

Die politischen Weichenstellungen sowie die politischen Gestaltungsmöglichkeiten treten in M7 und M8 in den Vordergrund. Die Schüler/innen sollen zunächst durch Anwendung auf konkrete Fälle lernen, was die abstrakten Elemente und Normen der WTO in der Praxis bedeuten (M7), um auf dieser Grundlage in der aktuellen Kontro-verse zum Transatlantischen Freihandelsabkommen Stellung nehmen zu können (M8). Im Gegensatz zu anderen Formen der Globalisierung gibt es im Bereich des Handels vergleichsweise effektive globale und regionale Institutionen zur Konfliktbewältigung. Allerdings treten die klassischen Fragen (Zölle/tarifäre Handelshemmnisse) immer mehr gegenüber neuen und viel anspruchsvolleren Anforderungen (nicht-tarifäre Handelshemmnisse, Investorenschutz) in den Hintergrund. Da sich über letztere auf globaler Ebene kein Einvernehmen erzielen lässt (Grundvoraussetzung für ein neues WTO-Abkommen), finden nun Verhandlungen auf interregionaler Ebene statt, bei-spielsweise in Form von TTIP.

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Kapitel C: Globalisierung der Finanzmärkte

„Noch nie in der Geschichte der Menschheit war so viel Geld unterwegs wie heute, noch nie konnte damit so schnell gehandelt werden. Und noch nie nutzte dieses Geld den gesamten Planeten als Spielwiese, so wie es heute der Fall ist, in der Ära der Globalisierung.“ So ließ sich Hilmar Kopper, langjähriger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank und einst der mächtigste Banker der Republik, im Jahr 2011 im Nach-richtenmagazin „Der Spiegel“ zitieren. Das Zitat weist darauf hin, dass die Finanzmärk-te im „Zeitalter der Globalisierung“ nicht nur gewichtiger sind als jemals zuvor in der Geschichte. Zugleich sind sie auch weitaus stärker „globalisiert“ als Handel, Produkti-on oder Migration. Gleichzeitig fehlt es bislang an effektiven politischen Steuerungs-instrumenten, wie die globale Finanzkrise zuletzt verdeutlicht hat. Da die Finanzkrise selbst Gegenstand eines separaten Themenhefts ist3, wird das Thema der Finanzglo-balisierung kürzer behandelt als die übrigen Bereiche der Globalisierung. Die Schüler/innen sollen sich aber auch hier die Kernfragen erschließen können und insbesondere zum Nachdenken über die Frage angeregt werden, welches Ausmaß an Globalisierung sinnvoll ist.

Der Fokus von M9 liegt auf den Ursachen der Globalisierung der Finanzmärkte. Deutlich werden sollte auch hier, dass Globalisierung kein Naturereignis ist, sondern auf konkrete regulatorische Weichenstellungen und technologische Entwicklungen zurückgeht. Auch die finanzielle Globalisierung ist potentiell beherrschbar, wobei die Schüler/innen kontrovers diskutieren sollen, ob sie eher Technologie oder Politik als ausschlaggebend erachten (Aufgabe A2).

M10 wendet sich der Frage zu, welches Ausmaß an finanzieller Globalisierung wün-schenswert ist. Schüler/innen können in diesem Kontext darüber reflektieren, wie die mit ausgeprägter Globalisierung notwendig verbundenen Fluktuationen auf den Finanzmärkten ihr Leben beeinflussen, beispielsweise über Wirtschaftskrisen und Ar-beitslosigkeit oder im Hinblick auf private soziale Absicherung. Ausgangspunkt ist hier der Vergleich von Ländern mit unterschiedlich großen Finanzsektoren.

M11 greift die Frage nach dem wünschenswerten Ausmaß finanzieller Globalisierung noch einmal auf. Im Vordergrund steht hier die staatliche Regulierung von Finanzmärk-ten und deren Nutzen, und zwar am Beispiel der USA und ihrer Bankenregulierung. Deutlich werden soll dabei, dass Globalisierung kein linearer Prozess ist, sondern dass es historisch bereits Phasen der Deglobalisierung gegeben hat, im Bereich der Finanz-märkte insbesondere zwischen den 1940er- und 1960er-Jahren. Die Schüler/innen sol-len darüber reflektieren, welche Lehren aus der globalen Finanzkrise gezogen wurden und ob die entsprechenden Konsequenzen aus ihrer Sicht ausreichen.

3   Engartner, T. (2013), Denn wir wissen nicht, was sie tun – oder: Die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise 2008 ff., Themenheft Finanzkrise, Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf

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Kapitel D: Globalisierung der Produktion

Bei der Globalisierung der Produktion haben sich in den vergangenen zwei Jahr-zehnten durch den Aufstieg der großen Schwellenländer erhebliche Verschiebungen ergeben. Gleichzeitig betrifft dieser Teilbereich der Globalisierung die Lebenswelt der Schüler/innen besonders stark, etwa wenn es um den Produktionsprozess von Kon-sumgütern, Boykottaufrufe und soziales Engagement oder auch um Veränderungen von Produktionsstandorten in Deutschland und damit mittelbar um die berufliche Zu-kunft der Schüler/innen geht (weniger Arbeitskräftebedarf in der Produktion, stärkerer Bedarf in höherwertigen Teilen der Wertschöpfungskette, z.B. Forschung und Entwick-lung, Design, Marketing, Vertrieb). Im Mittelpunkt stehen dabei konkrete – individuelle und kollektive – Handlungsmöglichkeiten.

M12 erläutert das Konzept globaler Produktionsketten und greift dabei auf die Auf-gaben zu M1 in Kapitel A (Merkmale der Globalisierung) zurück, um zu verdeutlichen, dass viele Konsumgüter nicht in einem Land hergestellt werden („Made in Germany“), sondern zunehmend in sehr komplexen grenzüberschreitenden Produktionsketten. Ein erster Einstieg in die Problematisierung dieser Prozesse besteht darin, dass nach dem Anteil der Löhne am Endpreis von Produkten gefragt wird. Angaben sowohl zu den Produktionswegen als auch zur Preiskalkulation finden die Schüler/innen nach kurzer Recherche im Internet.

M13 veranschaulicht die zentrale Veränderung im Bereich der globalen Produktions-prozesse, den Bedeutungsgewinn der Schwellenländer. Diese Veränderung sollen die Schüler/innen nicht nur analytisch erfassen, sondern mit Blick auf den eigenen Le-bensweg reflektieren, insbesondere in Bezug auf den heimischen Arbeitsmarkt. M14 vertieft diesen Aspekt insofern, als es hier um die Rolle Deutschlands im globalen Standortwettbewerb geht. M15 erweitert die schülerorientierte Perspektive dadurch, dass neben der eigenen beruflichen Zukunft auch die Lebensumstände von Kindern in anderen Erdteilen einbezogen werden. Gleichzeitig können die Lernenden darüber diskutieren, welche Länder, Unternehmen oder Arbeitnehmer/innen Gewinner und Verlierer der Globalisierung von Produktionsprozessen sind.

Das vielseitige Material in M16 lenkt den Blick auf politische und gewerkschaftliche Handlungsmöglichkeiten zur Gestaltung der Globalisierung der Produktion. Im Vor-dergrund stehen zunächst globale Rahmenvereinbarungen, ein Instrument, mit dem Arbeitnehmervertretungen aus mehreren Ländern Unterbietungswettläufe zwischen Standorten multinationaler Unternehmen verhindern können. Zudem wird die über viele Jahrzehnte erkämpfte Verankerung klassischer Gewerkschaftsforderungen in die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ebenso thematisiert wie Verletzungen dieser Normen, etwa durch Kinderarbeit.

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Kapitel E: Globalisierung der Arbeitsmärkte

Massive Auswirkungen hat Globalisierung auch auf die Arbeitsmärkte. Befördert sie Armut und Ungleichheit in der Welt oder bringt sie mehr Beschäftigung und Infra-struktur in Regionen, die vormals als strukturschwach galten? Am Beispiel der Arbeits-bedingungen auf den Baustellen Katars und in den Textilfabriken Asiens ist über die Verantwortung der Produzenten und Konsument(inn)en für sichere Arbeitsbedingun-gen und faire Löhne nachzudenken. Auf der Suche nach besseren Arbeitsbedingungen verlassen viele Menschen ihre Heimat und werden zu (Arbeits-)Migrant(inn)en. Sie sind dabei mit der Flüchtlingspolitik Europas und den damit verbundenen humanitären Katastrophen konfrontiert.

Unter welchen Bedingungen asiatische Arbeitsmigrant(inn)en auf den Baustellen Ka-tars arbeiten, die als fertige Stadien zur Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in das Zent-rum der sportinteressierten Weltöffentlichkeit rücken sollen, wird in M17 thematisiert. In Anlehnung an die Texte sollen Schüler/innen in Aufgabe 1 die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen und die Situation der Arbeiter herausarbeiten, um in Aufgabe 2 weitere Fälle von Arbeitsmigration zu recherchieren. Das Material zielt in besonderer Weise auf eine problemorientierte4 Aufarbeitung der ökonomischen, politischen und sozialen Auswirkungen von Globalisierung, weshalb in Aufgabe 3 auch Lösungsmög-lichkeiten für die zuvor identifizierten Problemstellungen entwickelt werden sollen. In Aufgabe 4 ist ein analytischer Transfer gefordert, indem Schüler/innen die zuvor erarbeiteten Strukturmerkmale und Probleme von Arbeitsmigration aufgreifen und auf andere Kontexte übertragen.

„Made in Bangladesh“ – diese Herkunftsdeklaration findet sich an vielen Textilpro-dukten namhafter Hersteller und Modeketten, die ihre Kleidung wegen der „güns-tigen“ Standortbedingungen bevorzugt in Asien fertigen lassen. Was dies für die Arbeiter/innen in der Textilindustrie bedeutet, thematisiert M18. Dabei erweist sich die Auseinandersetzung mit den Herstellungsbedingungen von Textilprodukten als besonders lebensweltnah und stellt Betroffenheit her. Denn Kleidung hat nicht nur für Jugendliche einen besonderen Stellenwert. Dabei lassen sich die Dilemmata zwischen Trendbewusstsein, Schnäppchenjagd und ethischem Bewusstsein illustrieren. Die 30-minütige Dokumentation „Die Preis-Lüge“ soll eingangs eine Vorstellung von den Arbeitsbedingungen in den Fabriken vermitteln und das zeigen, was meist verborgen bleibt (Aufgabe 1).

Gütesiegel und Kampagnen stellen Versuche dar, ein Bewusstsein für Missstände zu schaffen bzw. eine Öffentlichkeit herzustellen, um für verbesserte Produktionsbedin-gungen zu werben. Dabei sind die Chancen und Grenzen solcher Aktionen und Zertifi-kate differenziert zu betrachten (Aufgabe 2), zumal Verbraucher/innen die inflationäre Entwicklung von Labels häufig als verwirrend empfinden.5

In Aufgabe 3 sollen die Schülerinnen und Schüler untersuchen, wie sich ausgewähl-te Modeunternehmen für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen einsetzen. Die Recherchen auf den Websites der Unternehmen (z. B. Nachhaltigkeitsberichte) bilden ebenso wie die vom Sportartikelhersteller adidas formulierten Arbeitsplatzstandards greifbare Ausgangspunkte für die Erörterung der Frage, wie ein schrittweiser Wandel der Produktionsbedingungen gelingen könnte.

Durch die Arbeit an konkreten Fällen von Arbeitsrechtsverletzungen (Aufgabe 4) kön-nen Schüler/innen die unterschiedlichen Facetten und Motive unternehmerischen Ver-haltens im Rahmen einer Recherche erforschen. Im Umkehrschluss können auch die Rechte von Arbeitnehmer(inne)n thematisiert werden. Dieser Punkt wird insbesondere in Aufgabe 6b bedeutsam, wenn es um Kernarbeitsnormen und Verstöße gehen soll. Darüber hinaus lernen Schüler/innen auch gewerkschaftliche Institutionen und weitere Instanzen (wie z. B. NGOs) kennen, die sich für die Rechte von Arbeitenden einsetzen. Aufgabe 5 ermöglicht über die Auseinandersetzung mit der Studie „Wer bezahlt

4   z.B. Reinhardt, S. (2012), Politikdidaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin, S. 93 –104 sowie Gies-ecke, H. (1997), Kleine Didaktik des politi-schen Unterrichts, Schwalbach/Ts.

5   vgl. weiterführend: Engartner, T. (2014), Umwelt- und Sozial-siegel: Wie informativ und glaubwürdig sind sie? Zur Aufhe-bung von Informa-tionsasymmetrien beim ethischen Konsum von Waren, in: Retzmann, Th./ Grammes, T. (Hrsg.), Warenethik in der ökonomischen und politischen Bildung, Schwalbach/Ts., S. 21–39

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unsere Kleidung bei Lidl und KiK?“ eine vertiefende Analyse der Arbeitsbedingun-gen in der Textilindustrie. Die Studie bietet Schüler(inne)n eine Möglichkeit, un-ternehmerische Strategien zur Kostenreduktion nachzuvollziehen und kritisch zu betrachten. Für die Analyse der Diagramme kann der auf S. 49 abgedruckte Schau-kasten hilfreich sein. Der Umgang mit solchen Materialien ist unter wissenschafts-propädeutischen Gesichtspunkten ein wichtiger Aspekt zur Studienvorbereitung von Oberstufenschüler(inne)n.

Das Video „Schön! Färber!“ (Aufgabe 6) stellt einen satirischen Zugang zu den Ge-schäftspraktiken von Lidl, KiK und anderen Discountern dar. Die Inszenierungsform auf der Online-Plattform YouTube bietet den User(inne)n die Möglichkeit, durch die Kommentarfunktion ihren Standpunkt zu markieren, Kritik zu üben und zu diskutieren und so am öffentlichen Diskurs teilzunehmen. Die Kommentare können darüber hinaus auf ihre argumentative Schärfe, den Reflexions- sowie den Emotionalisierungsgrad hin untersucht werden. Der Kommunikationszusammenhang ist ein besonderer, denn die Anonymität des Internets lässt Menschen anders interagieren, als es in „realen“ Kontexten der Fall ist. Das Wissen um diese Besonderheiten ist Teil von Medienkom-petenz. Darüber hinaus bietet das Video Anlass für eine vertiefende Auseinanderset-zung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen. Angesichts zahlreicher ungeahndeter Verstöße zeigen sich die Unterschiede zwischen Norm und Realität sowie die Notwen-digkeit politischer Reformen.

Dabei gilt es zu beachten, dass die verantwortungsvolle Produktion nicht allein durch freiwillige Selbstverpflichtungen von Unternehmen zu erreichen ist, werden CSR-Maßnahmen (Corporate Social Responsibility) und Umweltschutz-Kampagnen doch gelegentlich auch nur als Möglichkeiten des „Greenwashing“ genutzt. Die Fotos der den Schüler(inne)n weitestgehend bekannten Modeunternehmen sollen einen Recher-cheanlass bieten (Aufgabe 3), d. h. die Schüler/innen sollen ergründen, wie die Arbeits-bedingungen der Beschäftigten in den Unternehmen wie auch in den entsprechenden Zulieferbetrieben sind. Schüler/innen erfahren in der Beschäftigung mit den Beispie-len, welche Aktivitäten einige Unternehmen entfalten, um auf Missstände in der Textil-produktion zu reagieren. Zugleich entwickeln sie ein Bewusstsein für PR-Strategien, indem sie eine eigene Stellungnahme verfassen (Aufgabe 7). In diesem Zuge wird die Urteilsfähigkeit der Schüler/innen geschult, die erfahren, dass eine mündige (Konsum-) Entscheidung nur auf Grundlage unabhängiger Informationen getroffen werden kann.

Um die Rolle der Konsument(inn)en bei der ethisch-verantwortungsvollen Gestaltung des Marktes geht es auch in M19. Thema sind die Möglichkeiten einer konsumbürger-schaftlichen Einflussnahme auf die Unternehmenspolitiken durch Boykott oder die direkte Ansprache von Unternehmen durch Briefe, Internetforen u. Ä. Interpretiert man den Konsum von Waren und Dienstleistungen als Wahlhandlungen, so wird jeder Einkauf zur Abstimmung über ethisch-korrektes unternehmerisches Verhalten. Da-bei sollen in Aufgabe 2 die Chancen und Grenzen dieser Watchdog-Funktion von den Schüler(inne)n diskutiert und daraus erwachsende Handlungsoptionen identifiziert werden. Außerdem bietet M19 die Möglichkeit zur Erkundung gewerkschaftlicher Or-ganisationsformen und Funktionen sowie der Rollen bzw. Standpunkte von Frauen in den Gewerkschaften (Aufgaben 1 und 3).

Die Suche nach besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen ist eine wichtige Motiva-tion globaler Flüchtlingsströme. In M20 wird beleuchtet, was es bedeutet, flüchten zu müssen, und inwiefern die europäischen Staaten „Schutzmauern“ gegen die Schutz-suchenden errichten. Im Zentrum der Auseinandersetzung stehen dabei Karikaturen, die verschiedene Aspekte der Flüchtlingspolitik Europas beleuchten. Zunächst sollen sich die Schüler/innen jedoch über die Motive und Lebensumstände der Menschen vergewissern, die eine lebensgefährliche Reise ins Ungewisse antreten (Aufgabe 1).

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In den Aufgaben 2 bis 4 erfolgt eine intensive Beschäftigung mit den abgedruckten Karikaturen. Als Hilfestellung kann der nachfolgende Kasten dienen, der Hinweise für unterschiedliche Untersuchungskriterien gibt. Um im Rahmen des Unterrichts Verhaltensänderungen auszulösen, muss das „Konflikthafte“, das „Strittige“ und das „Provozierende“ bei der Auswahl des Lerngegenstands klar hervortreten. Gleichzeitig gilt es anzumerken, dass Karikaturen in Abhängigkeit vom politischen Standpunkt des Zeichners/der Zeichnerin, der Redaktion oder des Verlegers/der Verlegerin Aspekte tendenziös darstellen, d. h. vor allem verkürzen, überzeichnen und nicht nur in Wahl-kämpfen als politische „Waffe“ Verwendung finden. Unkritischen Betrachtungen darf nicht Vorschub geleistet werden, da anderenfalls Vorurteile aufgebaut oder verstärkt werden.

Aufgabe 5 knüpft direkt an die Lebenswelt der Schüler/innen an, die dazu aufgefordert werden, in einen Dialog mit Flüchtlingen zu treten, die in ihrem Umfeld leben. Dabei sind sowohl kulturelle Kompetenzen und Sensibilität als auch Empathie gefordert. Solche Begegnungen dienen dazu, Ängste und Vorurteile abzubauen, und leisten einen aktiven Beitrag zur vielzitierten „Willkommenskultur“, indem man Interesse an den Nöten und Wünschen anderer demonstriert.

Interpretation von Karikaturen

Stummer Impuls

Hierbei wird die Karikatur von der Lehrkraft kommentarlos auf die Wand projiziert, so dass die Aufmerksamkeit der Lernenden auf die zentrale Problemstellung der Stunde oder der Unter-richtseinheit gelenkt wird.

Hot-Spots

Insbesondere bei komplexeren Karikaturen und/oder bei Lerngruppen, für die die Arbeit mit Ka-rikaturen recht neu ist, eignet sich die Hot-Spots-Methode. Zentrale Karikaturelemente werden gekennzeichnet (z. B. durch Umkreisen), wodurch der Blick auf das Wesentliche gelenkt wird. Die Lernenden bekommen so ein Gespür für die Bedeutsamkeit von Details.

Puzzlemethode

Die Karikatur wird den Schüler(inne)n in kleinen Einzelteilen vorgelegt (in Einzelarbeit oder auf dem Overheadprojektor). Beim Puzzeln entsteht nach und nach ein Bild. Diese Vorgehensweise schärft ähnlich wie die Hot-Spots-Methode den Blick für Details.

Untertitel texten

Oftmals enthalten Karikaturen einen Untertitel, der zum Verständnis beiträgt oder die Aussage unterstreicht. Entfernt man den Untertitel und stellt den Schüler(inne)n den Arbeitsauftrag, eigene Untertitel zu entwickeln, bringt man sie über diesen kreativen Umweg zur intensiven Aus-einandersetzung mit dem Objekt.

Karikaturen produzieren

Dies ist sicherlich eine Aufgabe, die nur ältere und im Umgang mit Karikaturen erfahrene Schüler/innen leisten können. Der kreative und produktorientierte Zugang erfordert ein genaues Verständnis von Karikaturen und ist für die Schüler/innen mit der Einsicht in den Produktionspro-zess und die Gedankengänge einer Karikaturistin / eines Karikaturisten verbunden.

„Karika-Tour“

Diese Einsatzmöglichkeit findet sich unter anderem in der von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenen Methodenkiste. Die Schüler/innen sollen sich eigenständig einen Überblick über unterschiedliche Interpretationen eines Themas verschaffen. Dazu werden die Karikaturen an den Wänden des Klassenraums aufgehängt und reihum in Kleingruppen analysiert. Anschließend kann die Lehrkraft eine der Karikaturen verdeckt ziehen und von den Lernenden deuten lassen.

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Kapitel F: Globalisierung der Politik

Ist Globalisierung politisch steuer- bzw. regulierbar? Globalisierung ist nicht nur für ökonomische Beziehungen zwischen Unternehmen bedeutsam, sondern auch im Hinblick auf politische Strukturen, Systeme und Prozesse. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen wird der Ruf nach einem globalen Ordnungsrahmen, also nach „Global Governance“, laut.

Das Für und Wider eines solchen weltpolitischen Rahmens soll in M21 ausführlich ana-lysiert werden. Dazu erfolgt in Aufgabe 1 eine Gegenüberstellung der Pro- und Contra-Argumente, die die Schüler/innen aus den beiden Texten extrahieren können. Diese Auflistung könnte auch als Ausgangspunkt für eine Pro- und Contra-Debatte im Unter-richt dienen. Die Gegenüberstellung unterschiedlicher Positionen und die argumenta-tive problemorientierte Aushandlung tragen zur Urteilskompetenz von Schüler(inne)n bei. Dazu eignet sich zum Beispiel auch die Methode der Fishbowl-Diskussion. Aufga-be 2 bietet die Möglichkeit zu einer vertiefenden Auseinandersetzung mit internatio-nalen Organisationen, insbesondere vor dem Hintergrund des Aufstiegs der großen Schwellenländer und der entsprechenden Machtverschiebungen. Die Karikatur in Aufgabe 3 problematisiert die Naturgesetzlichkeit, die Globalisierungsprozessen oft unterstellt wird, und kann als Ansatzpunkt zu Überlegungen über deren politische Gestaltbarkeit fungieren. Für die Analyse können die Schüler/innen wiederum auf den Infokasten zur Karikaturenanalyse zurückgreifen.

M22 beleuchtet die Auswirkungen der Globalisierung auf die nationale Wirtschaftspo-litik unter den Gesichtspunkten von Lohn- und Binnenmarktentwicklung. Dabei sollen die Schüler/innen in Aufgabe 1 die Kernaussage des Textes erarbeiten, um in Aufgabe 2 selbst eine Pressemitteilung aus der Perspektive einer Gewerkschaft zu verfassen. Dazu müssen sie sich wiederholt mit den Auswirkungen von Globalisierungsprozessen auf Arbeitnehmer/innen bzw. private Haushalte auseinandersetzen und diese in einen Text fassen. Sie beziehen dabei Stellung und reflektieren ihre eigene Position aus der Außenperspektive.

In M23 steht die Gegenwarts- und Zukunftsorientierung im Vordergrund. Ausgehend von der gegebenen Situation und der Kritik an Globalisierung und Kapitalismus sollen Schüler/innen ihre Wünsche für die Zukunft artikulieren. In Aufgabe 1 erarbeiten sie durch die Bildanalyse Kritikpunkte der Globalisierungskritiker, aus denen sie in Aufgabe 2 eigene Wünsche und Gedanken zu einer „anderen Welt“ in der Zukunft entwickeln können (s. auch Infobox 1, S. 7). Dabei werden sie sich ihrer persönlichen Wünsche und Pläne für ihr gegenwärtiges und künftiges Leben bewusst und simu-lieren im Rahmen von Aufgabe 3, welche (Zukunfts-)Szenarien6 vor dem Hintergrund unterschiedlicher Einflussfaktoren denkbar sind. Dies fördert (strategisches) Denken in Alternativen, wobei sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Prioritätenset-zung der Schüler/innen offenbaren. Dies illustriert die Pluralität von Lebensstilen und Meinungen und erfordert gegenseitige Toleranz.

6   Weitere Hinweise zu den Methoden der Zukunftswerkstatt und der Szenario-technik finden sich bei Retzmann, Th. (2011), Die Szena-riotechnik – eine zukunftsorientierte Methode ökonomi-scher Bildung. In: Retzmann, Th. (Hrsg.): Methodentraining für den Ökonomieunter-richt II, Schwalbach/Ts., S. 175 –194

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Weiterführende Literatur

Altvater, Elmar / Mahnkopf, Birgit (2007): Grenzen der Globalisierung. Ökonomie, Ökologie und Politik in der Weltgesellschaft, 7. Auflage, Münster

Baylis, John / Smith, Steve / Owens, Patricia (2013): The Globalization of World Politics. Introduction to Interna-tional Relations, 6. Auflage, Oxford

Bieling, Hans-Jürgen (2010): Die Weltordnungspolitik der Europäischen Union, Wiesbaden

Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) (2015): Regieren jenseits des Nationalstaats, Informationen zur politischen Bildung, Heft 325, Bonn

Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) (2011 / 2013): Globale Herausforderungen 1–3, Themen und Mate-rialien, Bonn

Engartner, Tim / Tschirner, Martina (2015): Viel Mode für wenig Geld – ist das fair? Entscheidung im Unterricht, Unterrichtsmaterialien im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

Heires, Marcel / Nölke, Andreas (Hrsg.) (2014): Politische Ökonomie der Finanzialisierung, Wiesbaden

Hirst, Paul / Thompson, Grahame / Bromley, Simon (2009): Globalization in Question, 3. Auflage, Cambridge

Le Monde diplomatique (2015): Atlas der Globalisierung – Weniger wird mehr, Berlin (taz Verlag)

Nölke, Andreas / May, Christian / Claar, Simone (Hrsg.) (2014): Die großen Schwellenländer: Ursachen und Folgen ihres Aufstiegs in der Weltwirtschaft, Wiesbaden

O’Brien, Robert / Williams, Marc (2010): Global Political Economy: Evolution and Dynamics, 3. Auflage, Ba-singstoke u.a.

Rodrik, Dani (2011): Das Globalisierungs-Paradox, München

Stiftung Entwicklung und Frieden / Institut für Entwicklung und Frieden / Käte Hamburger Kolleg (2015): Globa-le Trends 2015, Frankfurt / Main

Werlen, Benno (2007): Globalisierung, Region und Regionalisierung. Sozialgeographie alltäglicher Regionali-sierungen, 2. Auflage, Stuttgart

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Bild- und Quellenverzeichnis

U1 Demonstration: picture-alliance / NurPhoto; Näherin: picture-alliance / Keystone; Hafenarbeiter: Simone M. Neumann

4f. Weltkarte: fotolia, Vektorgrafik

6 Fotos/Bild: 1 – 4 picture-alliance; 5 fotolia

7 Foto: 6 picture-alliance

8 Abb. 3: International Telecommunication Union, Measuring the Information Society Report 2014, S. 11, www.itu.int/en/ITU-D/Statistics/Documents/publications/mis2014/MIS2014_without_Annex_4.pdf, abgeru-fen am 8.9.2015

9 Abb. 4: Graham, M. / De Sabbata, St., Internet Geographies, Oxford Internet Institute, 9/2013, F.A.Z.-Karte sie, FAZ, 14.10.2013 © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv

10 Abb. 5: Atlas der Globalisierung 2012, Le Monde Diplomatique, Statistiken zum internationalen Handel, Welthandelsorganisation (WTO), 2001 und 2011; Handbook of Statistics, Handels- und Entwicklungskonfe-renz der UN (Unctad), 2011; Internationaler Währungsfond (IWF)

11 Tab. 3: WTO (Hrsg.): International Trade Statistics, Genf 2009, S. 10

12 Abb. 6: dpa-Infografik

13 Abb. 7: Vereinte Nationen 2014, Stand: jeweils jüngst verfügbar (2009 bis 2013), dpa-infografik

14 Abb. 8: nach: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Politik & Unterricht – Zeitschrift für die Praxis der politischen Bildung, Heft 4/2003

15 Tab. 4: nach: Klaus-Peter Kruber, Internationale Wirtschaftsbeziehungen (Ökonomische Bildung kompakt – Band 6), Braunschweig 2005, S. 50–52, 54, 55

18 Abb. 9: Daten: Arcand, J. L./ Berkes, E./ Panizza, U. (2011): Too Much Finance?, Böckler Impuls 13/2011

19 Abb. 10: Daten: Moss, D. A. (2010): Bank Failures, Regulation and Inequality in the United States, Böckler Impuls 17/2010

21 Abb. 11: isw-report 100/101, Umbruch im globalen Kapitalismus, April 2015, www.isw-muenchen.de

22 beide Abb.: Statistisches Bundesamt, Verflechtung deutscher Unternehmen mit dem Ausland 2009, Bun-deszentrale für politische Bildung, 2009, www.bpb.de; Abb. 12: www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52854/verlagerungsziele; Abb. 13: www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/globalisierung/52851/verlagerungsmotive

25 Abb. 14: Statistisches Bundesamt, dpa-Grafik

26f. Fotos: picture-alliance

28 Poster: © posterfortomorrow 2014, James Vodden

29 Poster: © posterfortomorrow 2014, Arnaud Faverjon

30f. Abb. 15: Internationaler Gewerkschaftsbund, Der Globale Rechtsindex des IGB – Die schlimmsten Orte der Welt für erwerbstätige Menschen, http://survey.ituc-csi.org/, abgerufen am 2.9.2015

31 Foto: ITUC Global Rights Index: The world‘s worst countries for workers, www.youtube.com/watch?v=9-wdewTPTKs (in Englisch), abgerufen am 8.9.2015

32 M17a): Rainer Hermann, Die Glitzerwelt und ihre Opfer, FAZ, 9.1.2014 © Alle Rechte vorbehalten. Frankfur-ter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv

33 Foto: picture-alliance / dpa; Bild: Kampagne für Saubere Kleidung / INKOTA-netzwerk e.V., www.inkota.de/wm2006/downloads/made-in-hell.pdf

34 Fotos: 1. H&M-Filiale: picture-alliance / ZB; 2. BOSS: picture-alliance / dpa Themendienst; 3. hessnatur-Label: picture-alliance / Romain Fellens

35 DGB-Kampagne zu Qatar 2022, www.rerunthevote.org

37 Foto: Jeannette Goddar

38f. Karikaturen: 1 Harm Bengen, 2 und 6 Heiko Sakurai, 3 Simon Kneebone, 4 Katharina Greve, 5 Burkhard Mohr

41 Karikatur: Thomas Plaßmann

43 Fotos: 1 – 4 picture-alliance

44 Infobox 8: Abb. nach: Retzmann,Th. (1996), Die Szenario-Technik. Eine Methode für ganzheitliches Lernen im Lernfeld Arbeitslehre, in: awt-info, 15. Jg., Heft 2

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Mitbestimmungsförderung und -beratungDie Stiftung informiert und berät Mitglieder von Betriebs- und Personalräten sowie Vertreterinnen und Vertreter von Beschäftigten in Aufsichtsräten. Diese können sich mit Fragen zu Wirtschaft und Recht, Personal- und Sozialwesen, zu Aus- und Weiterbildung an die Stiftung wenden.

Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI)Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung forscht zu Themen, die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Bedeutung sind. Globalisierung, Beschäftigung und institutioneller Wandel, Arbeit, Verteilung und soziale Sicherung sowie Arbeitsbeziehungen und Tarifpolitik sind die Schwerpunkte. Das WSI-Tarifarchiv bietet umfangreiche Dokumentationen und fundierte Auswertungen zu allen Aspekten der Tarifpolitik.

Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK)Das Ziel des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung ist es, gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge zu erforschen und für die wirtschaftspolitische Beratung einzusetzen. Daneben stellt das IMK auf der Basis seiner Forschungs- und Beratungsarbeiten regel mäßig Konjunkturprognosen vor.

Forschungsförderung Die Forschungsförderung finanziert und koordiniert wissenschaftliche Vorhaben zu sechs Themenschwerpunkten: Erwerbsarbeit im Wandel, Strukturwandel – Innovationen und Beschäftigung, Mitbestimmung im Wandel, Zukunft des Sozialstaates/Sozialpolitik, Bildung für und in der Arbeitswelt sowie Geschichte der Gewerkschaften.

Studienförderung Als zweitgrößtes Studienförderungswerk der Bundesrepublik trägt die Stiftung dazu bei, soziale Ungleichheit im Bildungswesen zu überwinden. Sie fördert gewerkschaftlich und gesellschaftspolitisch engagierte Studierende und Promovierende mit Stipendien, Bildungsangeboten und der Vermittlung von Praktika. Insbesondere unterstützt sie Absol-ventinnen und Absolventen des zweiten Bildungsweges.

ÖffentlichkeitsarbeitMit dem 14-tägig erscheinenden Infodienst „Böckler Impuls“ begleitet die Stiftung die aktuellen politischen Debatten in den Themenfeldern Arbeit, Wirtschaft und Soziales. Das Magazin „Mitbestimmung“ und die „WSI-Mitteilungen“ informieren monatlich über Themen aus Arbeitswelt und Wissenschaft.

Mit der Homepage www.boeckler.de bietet die Stiftung einen schnellen Zugang zu ihren Veranstaltungen, Publikationen, Beratungsangeboten und Forschungsergebnissen.

Hans-Böckler-StiftungHans-Böckler-Str. 3940476 Düsseldorf

Telefon 0211- 7778 - 0 Telefax 0211- 7778 - 120www.boeckler.de

Hans-Böckler-StiftungDie Hans-Böckler-Stiftung ist das Mitbestimmungs-, Forschungs- und Studienförderungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Gegründet wurde sie 1977 aus der Stiftung Mitbestimmung und der Hans-Böckler-Gesellschaft. Die Stiftung wirbt für Mitbestimmung als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft und setzt sich dafür ein, die Möglichkeiten der Mitbestimmung zu erweitern.

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Das Lehrerportal zur sozioökonomischen Bildungwww.boeckler-schule.de

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