"TK spezial" für Saarland 2-2014

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Saarländisches Darmkrebs-Info-Terminal beim Felix Burda Award Leitfaden „Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ überarbeitet Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) in Betrieb spezial SAARLAND Nr. 2 2014 Informationsdienst der Techniker Krankenkasse Liebe Leserin, lieber Leser, Anfang Juni wurde das GKV-Finanz- struktur- und Qualitäts-Weiterent- wicklungsgesetz vom Bundestag verabschiedet. Dabei sollen im Risikostrukturausgleich beim Kran- kengeld die tatsächlichen Kranken- geldzahlungen zur Hälfte zwischen den Kassen ausgeglichen werden. Das halbiert auch den Anreiz für eine wirtschaftliche Leistungssteu- erung etwa durch Beratung zur Wiederherstellung der Arbeitsfähig- keit. Dies ist gesellschaftlich nicht sinnvoll und fördert kostenintensive Fehlanreize. Eine Berücksichtigung der Grundlohnhöhe, die maßgeblich die Krankengeldzahlungen beein- flusst, fehlt dagegen. Im Gesetz ist zwar von Übergangs- regelungen die Rede, aber nie- mand glaubt, dass in den nächsten Jahren noch mal nachgebessert wird. Wenn die Kassen hier von finanzwirksamen Steuerungsanrei- zen entbunden werden, hilft auch das Etikett „Übergangslösung“ nicht. Denn das Falsche wird nicht richtiger, wenn es nur befristet gelten soll. Jörn Simon Leiter der TK-Landesvertretung Saarland EDITORIAL Nur wenige neue Wirkstoffe mit therapeutischem Fortschritt Neuer TK-Innovationsreport Trotz früher (Zusatz-)Nutzenbewer- tung, die der Gesetzgeber mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) eingeführt hat, zeigt sich, dass zum Zeitpunkt der Markteinfüh- rung oftmals noch keine ausreichen- den Erkenntnisse darüber vorliegen, welchen therapeutischen Fortschritt neue Arzneimittel im realen Versor- gungsalltag darstellen. Zu diesem Ergebnis kommt der Innovationsre- port 2014, den Wissenschaftler der Universität Bremen mit Unterstüt- zung der Techniker Krankenkasse (TK) erstellt haben. 20 Wirkstoffe untersucht Von den 20 Wirkstoffen, die im Report untersucht wurden, haben Hersteller im Nachhinein für acht Wirkstoffe Warnhinweisschreiben verschickt – unter anderem sogenannte Rote- Hand-Briefe, mit denen pharmazeu- tische Unternehmen vor allem über neu erkannte, bedeutende Arzneimit- telrisiken und Maßnahmen zu ihrer Vermeidung informieren müssen. Nach Meinung der TK reicht daher eine einmalige Bewertung neuer Arzneimittel nicht aus. Erst weitere „Nachuntersuchungen“ mit Erfah- rungen aus dem Versorgungsalltag ermöglichen es, den tatsächlichen Nutzen neuer Medikamente besser einzuschätzen. Nur drei Wirkstoffe brin- gen einen therapeutischen Fortschritt Für den Innovationsreport 2014 haben Studienleiter Prof. Dr. Gerd Glaeske und sein Team Wirkstoffe untersucht, die 2011 – also im ersten Jahr nach Inkrafttreten des AMNOG – auf den deutschen Markt gelangten. Davon sind lediglich drei Wirkstoffe in der Gesamtschau als therapeutischer Fortschritt einzustufen. Betrachtet wurden dabei drei Dimensionen: Erstens, ob es bereits verfügbare Therapien zur Behandlung der jewei- ligen Krankheit gibt. Zweitens, ob der Wirkstoff tatsächlich einen relevanten Zusatznutzen vorweisen kann. Und drittens, ob die Kosten höher oder niedriger im Vergleich zu vorhande- nen Therapien ausfallen. Glaeske sagt dazu: „Die Ergebnisse zu den Auswertungen für das Jahr 2011 fallen insgesamt betrachtet eher bescheiden aus. Da tröstet es kaum, dass der Jahrgang 2010 noch schlech- ter abgeschnitten hat.“ Er weist auch auf die Konzentration der Indikations- gebiete für die neuen Arzneimittel hin. „Auffällig ist“ , so Glaeske, „dass ein Drittel der neuen Arzneimittel auf die Onkologie und multiple Sklerose entfallen, auf Krankheiten also, bei denen wegen der Behandlungsnot- wendigkeit auch besonders hohe Kosten akzeptiert werden.“

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Saarländisches Darmkrebs-Info-Terminal beim Felix Burda Award • Leitfaden „Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ überarbeitet • Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) in Betrieb

spezialSa a r l a n d

nr. 2 2014Informationsdienst der Techniker Krankenkasse

liebe leserin,lieber leser,

anfang Juni wurde das GKV-Finanz-struktur- und Qualitäts-Weiterent-wicklungsgesetz vom Bundestag verabschiedet. dabei sollen im risikostrukturausgleich beim Kran-kengeld die tatsächlichen Kranken-geldzahlungen zur Hälfte zwischen den Kassen ausgeglichen werden.

das halbiert auch den anreiz für eine wirtschaftliche leistungssteu-erung etwa durch Beratung zur Wiederherstellung der arbeitsfähig-keit. dies ist gesellschaftlich nicht sinnvoll und fördert kostenintensive Fehlanreize. Eine Berücksichtigung der Grundlohnhöhe, die maßgeblich die Krankengeldzahlungen beein-flusst, fehlt dagegen.

Im Gesetz ist zwar von Übergangs-regelungen die rede, aber nie-mand glaubt, dass in den nächsten Jahren noch mal nachgebessert wird. Wenn die Kassen hier von finanzwirksamen Steuerungsanrei-zen entbunden werden, hilft auch das Etikett „Übergangslösung“ nicht. denn das Falsche wird nicht richtiger, wenn es nur befristet gelten soll.

Jörn Simonleiter der TK-landesvertretungSaarland

Editorial

Nur wenige neue Wirkstoffe mit therapeutischem Fortschritt

Neuer TK-Innovationsreport

Trotz früher (Zusatz-)nutzenbewer-tung, die der Gesetzgeber mit dem arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (aMnOG) eingeführt hat, zeigt sich, dass zum Zeitpunkt der Markteinfüh-rung oftmals noch keine ausreichen-den Erkenntnisse darüber vorliegen, welchen therapeutischen Fortschritt neue arzneimittel im realen Versor-gungsalltag darstellen. Zu diesem Ergebnis kommt der Innovationsre-port 2014, den Wissenschaftler der Universität Bremen mit Unterstüt-zung der Techniker Krankenkasse (TK) erstellt haben.

20 Wirkstoffe untersucht

Von den 20 Wirkstoffen, die im report untersucht wurden, haben Hersteller im nachhinein für acht Wirkstoffe Warnhinweisschreiben verschickt – unter anderem sogenannte rote- Hand-Briefe, mit denen pharmazeu-tische Unternehmen vor allem über neu erkannte, bedeutende arzneimit-telrisiken und Maßnahmen zu ihrer Vermeidung informieren müssen. nach Meinung der TK reicht daher eine einmalige Bewertung neuer arzneimittel nicht aus. Erst weitere „nachuntersuchungen“ mit Erfah-rungen aus dem Versorgungsalltag ermöglichen es, den tatsächlichen nutzen neuer Medikamente besser einzuschätzen.

Nur drei Wirkstoffe brin-gen einen therapeutischen Fortschritt

Für den Innovationsreport 2014 haben Studienleiter Prof. dr. Gerd Glaeske und sein Team Wirkstoffe untersucht, die 2011 – also im ersten Jahr nach Inkrafttreten des aMnOG – auf den deutschen Markt gelangten. davon sind lediglich drei Wirkstoffe in der Gesamtschau als therapeutischer Fortschritt einzustufen. Betrachtet wurden dabei drei dimensionen: Erstens, ob es bereits verfügbare Therapien zur Behandlung der jewei-ligen Krankheit gibt. Zweitens, ob der Wirkstoff tatsächlich einen relevanten Zusatznutzen vorweisen kann. Und drittens, ob die Kosten höher oder niedriger im Vergleich zu vorhande-nen Therapien ausfallen.

Glaeske sagt dazu: „die Ergebnisse zu den auswertungen für das Jahr 2011 fallen insgesamt betrachtet eher bescheiden aus. da tröstet es kaum, dass der Jahrgang 2010 noch schlech-ter abgeschnitten hat.“ Er weist auch auf die Konzentration der Indikations-gebiete für die neuen arzneimittel hin. „auffällig ist“, so Glaeske, „dass ein drittel der neuen arzneimittel auf die Onkologie und multiple Sklerose entfallen, auf Krankheiten also, bei denen wegen der Behandlungsnot-wendigkeit auch besonders hohe Kosten akzeptiert werden.“

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TK spezial Saarland · 2/2014 | 2

Saarland mit den meisten Innovationsverordnungen ohne Zusatznutzen

Berücksichtigt man bei der Erstellung einer Karte der Innovationsverord-nungsprävalenz nach Bundesländern nur diejenigen arzneimittel, für die im vorliegenden report ein fehlen-der Zusatznutzen konstatiert wurde, ergeben sich regionale Unterschiede. die Zahlen zeigen die Verordnungs-anteile bei den TK-Versicherten. die nach dem Saarland (0,49 Promille) größten Verordnungsanteile bei arzneimitteln, die im Innovationsre-port mit einer „roten nutzenampel“ gekennzeichnet wurden, finden sich neben Baden-Württemberg in nie-dersachsen und Sachsen (alle 0,45

Promille), es gibt auch regionen mit niedrigeren Verordnungsprävalenzen (zum Beispiel Sachsen-anhalt: 0,31 Promille).

die rote ampel erhielten die neuen arzneimittel, die für die Behandlung gegenüber den bisher verfügbaren arzneimitteln keine patientenrele-vante Verbesserung bedeuten oder sogar eine schlechtere nutzen-Scha-den-relation aufweisen als bisher verfügbare arzneimittel (zum Beispiel mehr nebenwirkungen).

mehr informationenunter www.tk.de, Webcode: 641152

neben dem Innovationsreport stellt die TK niedergelassenen Me-dizinern weitere Informationsange-bote zur Verfügung. dazu gehört in erster linie der sogenannte TK-arzneimittelreport (TK-aMr). auf Wunsch erhalten niedergelas-sene Ärzte für jedes Quartal einen individuellen Verordnungsreport. dieser zeigt den Ärzten unter an-derem an, ob sie neue arzneimittel tatsächlich bei solchen Erkrankun-gen verordnet haben, bei denen das Präparat einen echten Zusatz-nutzen aufweist. Zudem erhalten die abonnenten des arzneimittel-reports praxisrelevante Zusam-menfassungen der Ergebnisse zur frühen nutzenbewertung – die sogenannten aMnOG-news. darü-ber hinaus etabliert die TK derzeit zusammen mit der Kassenärztli-chen Vereinigung Westfalen-lippe ein Projekt, um die zusatznutzen- orientierte Verordnung von neuen arzneimitteln zu fördern.

aber auch für ihre Versicherten bietet die TK einen Service an, der die Transparenz bei den arznei-mittelverordnungen erhöht: Wer wissen möchte, welche arznei-, Verband- und Hilfsmittel vom arzt in den vergangenen zwei Jahren verordnet wurden, dem bietet die TK die Versicherteninformation arzneimittel (TK-Via) an. diesen „Kontoauszug“ kann jeder TK-Ver-sicherte über die Website der TK bestellen.

iNFormatioN

der Verordnungsanteil der arzneimittelwirkstoffe ohne Zusatznutzen, die im Innovationsreport 2014 untersucht wurden, ist in den Bundesländern unterschiedlich. angaben in Promille für das Jahr 2012 für TK-Versicherte.

regionale Unterschiede bei arzneiverordnungen

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Schleswig-Holstein

Hamburg

Mecklenburg-Vorpommern

Niedersachsen

Bremen

Nordrhein-Westfalen

Rheinland-Pfalz

Hessen

Saarland

Baden-Württemberg

Brandenburg

BerlinSachsen-

Anhalt

ThüringenSachsen

Bayern

0,19 – 0,35

0,36 – 0,40

0,41– 0,48

mehr informationenunter www.tk.de, Webcode: 095542

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TK spezial Saarland · 2/2014 | 3

die Felix Burda Stiftung zeichnet seit 2003 im jährlichen darmkrebsmonat März herausragende Projekte auf dem Gebiet der darmkrebsvorsorge mit dem Felix Burda award aus. In diesem Jahr gab es 48 Bewerbungen, aus denen eine unabhängige Exper-tenjury 13 Projekte auswählte. In der Kategorie „Engagement des Jahres“ gehörte auch das darmkrebs-Info- Terminal aus dem Saarland zum Kreis der Erwählten bei der feierlichen Preisverleihungsgala am 6. april im Hotel adlon Kempinski Berlin.

Obwohl die arbeitsgruppe, die das Projekt entwickelt hat, in Berlin per-sönlich die daumen drückte – darunter Gesundheitsminister andreas Storm, Jörn Simon, leiter der TK-landesvertretung Saarland, dr. Thomas Stolz, Vorsitzender der Gemeinschaft endoskopisch tätiger

Saarländisches darmkrebs-info-terminal unter den Nominierten für den Felix Burda award 2014

Internisten im Saarland, und Prof. dr. Jürgen riemann von der Stiftung lebensblicke –, musste sich das Info-Terminal dem aktionsbündnis gegen darmkrebs geschlagen ge-ben. In der saarländischen delega-tion freute man sich trotzdem über die nominierung und darüber, damit „nah dran“ gewesen zu sein, und überlegt, sich mit der zurzeit geplan-ten Weiterentwicklung des Terminals erneut zu bewerben.das innovative darmkrebs-Info-Ter-minal wurde im letzten Jahr vorge-stellt. Es ermöglicht, interaktiv leicht und verständlich antworten auf die häufigsten Fragen zu geben, auf risiken der darmkrebserkrankung aufmerksam zu machen und auf die immer verlässlicher werdenden Möglichkeiten der Vorsorge hinzuwei-sen. Entwickelt wurde das Terminal durch eine arbeitsgruppe bestehend aus dr. Thomas Stolz, dem saarlän-dischen Gesundheitsministerium, der bundesweiten Stiftung lebens-blicke und der TK-landesvertretung Saarland.

Unter anderen Prof. dr. Jürgen riemann von der Stiftung lebensblicke (2. v. l.), Minister andreas Storm (3. v. l.), Christa Stegmeier vom saarländischen Krebsregister (4. v. l.), Jörn Simon, leiter der TK-landesvertretung Saarland (5. v. l.), und ganz rechts dr. Tho-mas Stolz, Vorsitzender der Gemeinschaft endoskopisch tätiger Internisten im Saarland. (Bild: Felix Burda Stiftung.)

Vorstellung des überarbeiteten Leitfadens „Gewalt gegen Kinder und Jugendliche“ am 9. Juli 2014

die Entwicklung der Frühen Hilfen, das Bundeskinderschutzgesetz und die im Saarland erfolgten strukturellen und organisatorischen Veränderungen in den letzten fünf Jahren haben eine aktualisierung des saarländischen leitfadens zur Prävention und Intervention bei Gewalt gegen Kinder und Jugend-liche erforderlich gemacht. Mitge-wirkt haben dabei das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, das Ministerium der Justiz, die Techniker Krankenkasse, die Ärztekammer und die Zahnärz-tekammer des Saarlandes, der Berufsverband der Kinder und Ju-gendärzte sowie der saarländische Ärzteverband.

der aktualisierte leitfaden wird im rahmen einer Fachtagung am 9. Juli von 15.00 bis 18.00 Uhr im Haus der Ärzte in Saarbrücken, Faktoreistraße 3, vorgestellt. als Experte für den Bereich medizi-nischer Kinderschutz wird dr. Bernd Herrmann vom Klinikum Kassel über neue Entwicklungen in diesem Bereich und medizinische aspekte referieren.

Verschiedene Formen von Kindes-misshandlung im Gesicht-, Mund- und Kieferbereich wird dr. annette Szliska, Jugendzahnärztin des Gesundheitsamtes des regional-verbandes Saarbrücken, vorstellen. die Umsetzung des Kinderschutzes und des Kinderschutzgesetzes in der Kooperation zwischen Gesund-heits- und Jugendhilfe in der Praxis erläutert Joachim Brill, leiter des Jugendamtes neunkirchen.

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TK spezial Saarland · 2/2014 | 4

In deutschland werden jedes Jahr etwa drei Millionen Implantate einge-setzt. Zu den bei Weitem häufigsten Operationen gehört der Einbau künst-licher Gelenke. Bei starkem Gelenk-verschleiß oder nach Brüchen gibt oft nur ein neues Knie- oder Hüftgelenk den Patienten Mobilität und lebens-qualität zurück. 2012 wurden allein im Saarland rund 1900 künstliche Hüftge-lenke und über 1700 Kniegelenke ope-riert. Hinzu kamen 1420 Operationen nach Hüftfrakturen und fast 500 Wech-seloperationen, das heißt Operationen, in denen ein Kunstgelenk oder Kom-ponenten des Gelenks erneuert wer-den mussten. Gerade der Wechsel von Endoprothesen in so hoher Zahl muss nicht sein. „Viele dieser Eingriffe sind auf Mängel bei der Erstoperation oder Qualitätsmängel des Implantats zurückzuführen und könnten vermie-den werden“, sagt Jörn Simon, leiter der TK-landesvertretung Saarland.

Deutlich sinkende Revisionsraten

Mit dem Endoprothesenregister deutschland (EPrd) wird sich die Behandlungsqualität beim Gelenker-satz verbessern. Fehler beim Einbau künstlicher Knie- und Hüftgelenke, Produktmängel oder gar Serienfehler bei Endoprothesen, die bei etlichen Patienten implantiert wurden, werden in Kliniken, die sich am EPrd betei-ligten, künftig nicht mehr unentdeckt bleiben. Ziel des registers ist es ins-besondere, mehr über die Standzeit künstlicher Gelenke zu erfahren, also über die Zeit, in der Implantate im Körper funktionstüchtig sind. Zudem kann ein Endoprothesenregister die Zahl der Wechseloperationen senken.

nach der Gründung der Endoprothe-senregister deutschland gGmbH im Jahr 2010 wurde zunächst in einer Machbarkeitsstudie geprüft, ob ein En-doprothesenregister in deutschland er-folgreich etabliert werden kann. Ende 2012 startete dann der Probebetrieb, seit 2014 können sich bundesweit alle Kliniken am register beteiligen. „Schon im Probebetrieb sind die sehr komplexen datenflüsse zwischen allen Partnern – den beteiligten Kliniken, Krankenkassen, Herstellern sowie der wissenschaftlichen Fachgesellschaft für Orthopädie – reibungslos gelau-fen“, sagt Prof. Joachim Hassenpflug,

Qualitätskontrolle für Kunstgelenk-operationenDas Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) hat den Betrieb aufgenommen

direktor der Klinik für Orthopädie am Uniklinikum Schleswig-Holstein in Kiel und ehrenamtlicher Geschäftsführer des EPrd.

nach den Erfahrungen anderer länder ist ein Endoprothesenregister nach fünf bis sieben Jahren voll funktionsfä-hig. Beispiele zeigen, dass die register revisionsraten erheblich verringern können. In Schweden, Finnland, Island und norwegen wurden bereits in den 70er- und 80er-Jahren Endoprothesen-register gegründet. In der Folge ist die Wahrscheinlichkeit für revisionen in diesen ländern um bis zu zehn Prozent gesunken, in Schweden fiel die rate sogar auf etwa die Hälfte des ausgangswerts. „Jede revision ist eine zu viel, denn eine Wechselope-ration bedeutet für den betroffenen Patienten zusätzliche vermeidbare Schmerzen“, so Prof. Hassenpflug. auch die Kosten können nach ansicht Hassenpflugs reduziert werden: „Wenn es uns gelingt, die Zahl der revisionen in deutschland lediglich um ein Prozent zu senken, kommen wir bereits auf Einsparungen in Höhe von 4,3 Millionen Euro. dieses niveau sollten wir relativ bald erreichen.“

Mehr als 35.000 Daten-bankeinträge

Im EPrd werden alle für den Eingriff relevanten daten dokumentiert. „die datenbank erfasst schon heute na-hezu 98 Prozent der Produkte, die in deutschland eingebaut werden, und ist in ihrer Granularität der Klassifika-tion weltweit einmalig“, so Prof. Has-senpflug. Für die Kunstgelenke sind in der datenbank mehr als 35.000 Einzelteile hinterlegt. Hinzu kommen Informationen zu Operationsverfahren und -anlässen sowie Merkmale der Patienten wie alter, Geschlecht und Vorerkrankungen.

die beteiligten Kliniken erhalten einmal jährlich eine auswertung des EPrd mit angaben, welche Prothe-sen in ihrem Haus wie häufig einge-baut wurden, wie sich die Zahl der Wechseloperationen entwickelt hat und warum es zu revisionen gekom-men ist. „Erstmals werden Kranken-häuser in deutschland informiert, wie sich Prothesen verhalten, nachdem der Patient das Krankenhaus verlas-sen hat. diese Berichte werden den

So funktioniert das Endoprothesenregister

Für das Endoprothesenregister muss eine ganze reihe von da-tenflüssen koordiniert werden. Bei der Operation erfasst die Klinik mit einem Barcode-Scanner alle details des künstlichen Gelenks, also Hersteller, Produktbezeichnung und sämtliche Implantatbestandteile. Von der Klinik fließen die Infor-mationen in pseudonymisierter Form zur registerstelle, die vom BQS-Institut im auftrag des EPrd betrieben wird. die Krankenkassen senden später auszüge aus ab-rechnungsdaten der Klinik ebenfalls pseudonymisiert an die register-stelle weiter. diese daten werden laufend ergänzt, um festzustellen, ob es eine Wechseloperation gegeben hat. die registerstelle verknüpft die daten mit der Pro-duktdatenbank der Hersteller, in der nahezu alle auf dem Markt be-findlichen Endoprothesen enthalten sind, und ist dadurch in der lage, die pseudonymisierten datenpake-te wieder zusammenzufügen.

der aufbau des EPrd, eines Gemeinschaftsprojekts von Ärzten, Krankenkassen und Industrie, geht auf eine Initiative der deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (dGOOC) zurück. die Techniker Krankenkasse ist mit dem Verband der Ersatz-kassen (vdek) einer von mehreren Kooperationspartnern, die den auf-bau und Betrieb der EPrd gGmbH finanziell unterstützen.

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impressum

Herausgeber | Techniker Krankenkasse, landesvertretung Saarland

Verantwortlich | Jörn Simon redaktion | Thomas Jochumtelefon | 06 81 - 948 87 0 telefax | 06 81 - 948 87 78E-mail | [email protected] twitter | www.twitter.com/TKinSl internet | www.tk.de/lv-saarland

Häusern helfen, fehlerhafte Verfahren und Produkte zu erkennen und zu verbessern“, sagt Hassenpfl ug. die Berichte informieren Kliniken auch, wenn Prothesen in einem anderen Kranken-haus ge-wechselt werden. Bei rück-rufaktionen können die be-troffenen Patienten deutlich leichter als heute identifi ziert und benachrichtigt wer-den. „Schon in zwei bis drei Jahren werden unsere Berichte den Kran-

kenhäusern erste aussagen liefern“, so Hassenpfl ug. auch hier zeigen Beispiele aus dem ausland, wie wert-voll die Berichte für die Kliniken sein

können. So hat sich bei-spiels-weise in norwe-gen vor einigen Jahren ein Kno-chen-zement als nicht

funktionsfähig erwiesen. In verschie-denen internationalen registern sind bei Kappenprothesen vergleichsweise kurze Standzeiten aufgefallen.

Wenn es uns gelingt, die Zahl der revisionen in deutschland lediglich um ein Prozent zu senken, kommen wir bereits auf Einsparungen in Höhe von 4,3 Millionen Euro.“

Wenn es uns gelingt, die Zahl der revisionen in deutschland

aktuell sind im Endoprothesenregis-ter deutschland rund 20.000 Operati-onen erfasst, 400 Krankenhäuser aus dem Bundesgebiet haben Interesse an einer Teilnahme angemeldet.ab sofort können sich alle Kliniken auf freiwilliger Basis am register betei-ligen. „Häuser, die nicht teilnehmen, werden sich langfristig irgendwann einmal rechtfertigen müssen, warum sie diese Chance der Qualitätsverbes-serung nicht wahrnehmen“, betont Jörn Simon, leiter der TK-landesver-tretung Saarland.