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Weiße Biotechnologie Juni 2012

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„Bio-Technologien“ ebnen den Weg zur Bioökonomie +++ Vertriebsmodelle in der industriellen Biotechnologie +++ Chemische Industrie: Wechsel der Rohstoffe steht bevor

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Weiße Biotechnologie

J u n i 20 12

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Itranskript I Nr. 7 I 18. Jahrgang 2012

Intro Wirtschaft Wissenschaft Politik Strukturen Spezial Verbände Service Extro

Industrielle Biotechnologie

TrendanalyseL L L

„Bio-Technologien“ ebnen den Weg zur BioökonomieWie sich ganze Industrien durch biotechnologische Methoden verändern werden.

Angesichts der Negativtrends, die mit der Bevölkerungsexplosion einhergehen, ist das Konzept der Bioökonomie zur notwendigen Vision geworden.[1-3] Gemeint ist der Wan-del zur nachhaltig ressourceneffizienten Her-stellung von Nahrungsmitteln, biobasierten Industrieprodukten und Energieträgern aus Biomasse.

Ohne große wissenschaftlich-technische Durchbrüche wird diese Umstellung nicht gelingen, und der Erfolg hängt ganz ent-scheidend von den Innovationen der Bio-technologie ab.

Die Schlüsselrolle der Biotechnologie

Entlang der Wertschöpfungsketten der Bio-ökonomie müssen Pflanzenbiotechnologie, industrielle Biotechnologie, Lebensmittel-biotechnologie und Bioverfahrenstechnik die dringend benötigten Lösungen liefern. Das kombinierte Know-how aus Biologie, chemischer Verfahrenstechnik und Materi-alwissenschaften verspricht neue, effiziente Herstellungsprozesse bis hin zu Bioraffine-rien, die Biomasse in ein Spektrum verschie-dener Produkte konvertieren.[4] Viele Pro-duktstammbäume der Chemieindustrie werden von biobasierten Plattformchemika-lien ausgehen; Biotransformationen und Bio-katalyse werden immer mehr chemische Syn-theseschritte ersetzen.

Optimierte Nutzpflanzen und Algen als Rohstofflieferanten bilden das Fundament der Bioökonomie. Sie sollten hinsichtlich Bo-denqualität und Wasserbedarf genügsam sein, gleichzeitig aber möglichst große Men-gen Biomasse oder interessanter Substan-zen produzieren[5-9] – nicht zuletzt, um Ziel-konflikte mit der Nahrungsmittelproduktion zu vermeiden.[10] Für ihre Entwicklung setzt man auf moderne biotechnologische Züch-tungsverfahren.[11, 12]

Sowohl in der Pflanzenbiotechnologie als auch in der industriellen Biotechnologie zeichnen sich die größten Fortschritte durch das metabolic engineering und die „Synthe-

tische Biologie“ ab. Diese Ansätze sollen nachfolgend kurz beleuchtet werden.

Der rationale Entwurf, die gezielte Kon-struktion ist zum Wesensmerkmal der mo-dernen Biotechnologie geworden. In dem Maße, wie systembiologische Modelle und die Strukturaufklärung von Biomolekülen zu neuen Einsichten verhelfen, entwickelt sie sich zu einer quantitativen Disziplin. Die Konvergenz von Molekularbiolologie und In-genieurwissenschaften eröffnet ganz neue Möglichkeiten für die Entwicklung biologi-scher Produktionssysteme.

Diese Arbeiten werden oftmals unter me-tabolic engineering und „Synthetische Bio-logie“ zusammengefasst.[13-19] Treibende Kraft dahinter sind die immensen technolo-gischen Fortschritte bei der Entschlüsselung von Genomen und bei der Synthese maßge-schneiderter Erbmoleküle.

Revolutionäre Technologien

Der Wettbewerb der verschiedenen Tech-nologien hat den Zeitaufwand für DNA-Se-quenzierungen stark verkürzt.[20] Die neu-esten Verfahren basieren auf Nanoporen,

durch die lange DNA-Stränge gezogen und Nukleotid für Nukleotid abgelesen werden.[21-24] Damit ist die Sequenzierung mikrobiel-ler Genome nur noch eine Frage von Stun-den und selbst humane Genome sind in we-nigen Tagen sequenzierbar. Eine wichtige Anwendung ist die Analyse von Metageno-men zur Identifikation bislang unbekannter Biosynthesegene oder zur Charakterisierung von Konsortien mikrobieller Organismen, die in biotechnischen Verfahren zusammen-wirken.[25] Die Verfügbarkeit der leistungs-fähigen, robusten und kostengünstigen Se-quenzierungstechnologien kann in ihren Folgen kaum abgeschätzt werden. Fest steht, dass sie die Biomedizin und Biotech-nologie enorm beschleunigen.[26] Eben-so beeindruckende Fortschritte gibt es bei der Synthese von langen Polynukleotiden. DNA-Stränge mit Millionen Basenpaaren sind bereits synthetisch zugänglich. Das be-deutet eine Revolution für die Biotechnolo-gie. Nicht nur Gene und Gencluster, sondern auch Chromosomen, komplette Viren- und Bakteriengenome lassen sich herstellen.[27-32] Molekulare Werkzeuge für den zielgerichte-ten Umbau ganzer Genome, das sogenannte genome engineering, sind ebenfalls verfüg-bar.[33-35] So hat man Recombinase-Systeme entwickelt, um fremde DNA-Abschnitte ge-nau plaziert in die Chromosomen von Bakte-rien und höheren Zellen zu integrieren.[36-40]

Neue Stoffwechselwege in Produktionsorganismen

Die Möglichkeiten dieser Technologien er-scheinen grenzenlos: Mühevolle Prozeduren der traditionellen Gentechnik entfallen, das Programmieren von Zellen und der rationa-le Aufbau von Biosynthesesystemen werden wesentlich erleichtert.[41,42] Die Konstruktion neuartiger Produktionsorganismen, „Mini-malorganismen“ und „Chassis-Organismen“ wird damit ebenfalls möglich.[43-45]

Ein Meilenstein war die Synthese des kompletten Mycoplasma genitalium-Ge-noms und der Transfer des synthetisch her-

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Itranskript I Nr. 7 I 18. Jahrgang 2012

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Industrielle Biotechnologie

Die AutorenProf. Dr. Thomas Scheper lehrt Technische Chemie an der Uni-versität Hannover, wo er zwischen 1976 und 1981 auch Chemie studierte. Nach der Promotion und Habilitation in der nieder-sächsischen Landeshauptstadt wurde er 1992 hier auch zum Pro-fessor berufen. Scheper ist Vorsitzender der Fachgemeinschaft Biotechnologie in der Dechema. Prof. Dr. Kurt Wagemann ist Geschäftsführer der Dechema. Er wurde 1959 geboren. Wagemann stu-dierte Chemie an der LMU München, fertigte seine Doktorarbeit im Arbeits-

kreis von Prof. Gerhard Ertl an und promovierte anschließend am Max-Planck-Institut für Quantenoptik. 1989 trat er in die Dechema ein, wo er verschiedene Positionen in den Bereichen Forschungsplanung und Forschungsförderung bekleidete. Anfang 2011 wurde Wagemann zum Honorarprofessor der Uni-versität Stuttgart berufen.

gestellten Genoms in Empfänger-Bakterien-zellen.[30,31] Auf große Resonanz stießen auch die Arbeiten zur Gewinnung einer Vorstufe des Antimalaria-Wirkstoffs Artemisinin mit Hilfe eines rational konstruierten Biosynthe-se-Genclusters.[46] Es ist übrigens auch ein gutes Beispiel für das Zusammenspiel von moderner Biotechnologie und chemischer Verfahrenstechnik, denn der letzte Synthe-seschritt zum Artemisinin ist nur dank eines photochemischen Verfahrens in guten Aus-beuten möglich.[47] Eine andere absehbare Anwendung sind saisonal variable Impfstof-fe, die durch entsprechend programmierte bakterielle Produzenten termingerecht her-gestellt werden können.[48]

Die Herstellung von hochwertigen Sub-stanzen, Synthesebausteinen und Ener-gieträgern unter Einsatz von metabolic engineering und den Methoden der Synthe-tischen Biologie ist zu einem sehr dynami-schen Feld geworden.[14, 15, 45, 49-53] Neben Ar-temisinin sind auf diesem Weg wertvolle Naturstoffe wie Taxol und Omega-Fettsäu-ren biotechnisch herstellbar.[52] In Arbeit sind maßgeschneiderte Produktionsorganismen zur Gewinnung von Terpenen, Alkaloiden und Steroiden für die Pharmaindustrie.[54, 55] Mit Hilfe zusätzlich integrierter Biosynthese-schritte lassen sie sich sogar in vivo chemisch modifizieren, so dass man zu ganz neuarti-gen Verbindungen kommt.[56] Neuartig müs-sen auch die Antibiotika sein, die man durch das „Engineering“ von Biosynthese-Gen-clustern im Erbgut von geeigneten Produ-zenten erhalten will. Die Synthetische Biolo-gie verspricht hier den schnellsten Zugang zu einer großen Zahl hochkomplexer Verbin-dungen.[57, 58]

Zahlreiche Synthesebausteine der Che-mieindustrie lassen sich mit „Designer-Or-ganismen“ herstellen. Zu den Produkten

zählen Aminosäuren, Bernsteinsäure, Milch-säure, Adipin-, Glucar- und Itaconsäure, Ter-pene wie das Isopren zur Gummiherstel-lung, 1,3-Propandiol oder die biogenen Amine 1,4-Diaminobutan und 1,5-Diamino-pentan.[49,50] Hinzu kommen mikrobiell pro-duzierte Polyester und Polyamide, darunter Polymilchsäureester (PLA) und Polyhydroxy-buttersäureester (PHB).[50,59] Metabolic engi-neering nutzt man auch zur Entwicklung von Mikroorganismen, die in der Lage sind, Um-weltgifte abzubauen, indem katabolische Stoffwechselwege unterschiedlicher Orga-nismen kombiniert werden.[60] Erhebliche Forschungsmittel der Industrie fließen in die Entwicklung von Biokraftstoffen mittels Syn-thetischer Biologie.[61,62] Die produzierten Energieträger sind Wasserstoff, Ethanol, Bu-tanol und verzweigte Alkohole, aber auch Methan und höhere Alkane.[63-66]

Als mikrobielle Produzenten dienen zahl-reiche Bakterien, ebenso wie Hefen und andere Pilzarten, z. B. Aspergillus-Stäm-me. Von Interesse sind auch Verwerter un-gewöhnlicher Substrate wie Xylose.[67,68] Bei der Gewinnung von Energieträgern konzen-triert sich die Forschung auf Cyanobakteri-en und Mikroalgen, die neben Nährsalzen nur die Energie des Sonnenlichts, Wasser und Kohlendioxid [69] zum Wachstum benö-tigen.[70, 71] Darüber hinaus werden Pflanzen als grüne Bioreaktoren zur Produktion von Proteinen, z.B. Impfstoffen und Pharmazeu-tika, und hochwertigen Feinchemikalien ent-wickelt.[72-76] Andere Ansätze verfolgen den Aufbau von Gemeinschaften von „Designer-Organismen“[77,78], die sich z. B. zur Verwer-tung von Lignocellulose-haltiger Biomasse einsetzen lassen.[79]

Die modernen Technologien der DNA-Syn-these und des genome engineering erlauben auch die Integration sogenannter orthogona-

ler Biosynthesen in Produktionsorganismen. Darunter versteht man den Aufbau eines zu-sätzlichen unabhängigen Proteinsyntheseap-parats, der den Einbau nicht-natürlicher Ami-nosäuren in Proteine ermöglicht, z. B. indem alternative geneti-sche Codes genutzt wer-den.[80,81] Auch gelang es bereits, Erbmoleküle aus nicht-natürlichen Nukleotidanaloga aufzu-bauen, die wie natürliche DNA von Polymera-sen vermehrt werden.[82,83]

Molekulare Spezialwerkzeuge

Die moderne molekulare Biotechnologie kon-struiert viele ihrer Werkzeuge selbst. Ein Bei-spiel sind die bereits erwähnten Recombina-sen. Zahlreiche technisch genutzte Enzyme sind das Ergebnis molekular-evolutiver Opti-mierung einer Methode, die sich in den ver-gangenen 15 Jahren breit durchgesetzt hat und sich u. a. zur Umfunktionalisierung na-türlicher Enzyme eignet.[84-88] Das Computer-basierte rationale Design neuartiger Enzyme auf Grundlage von Strukturdaten natürlicher Proteine bleibt hingegen noch eine große Herausforderung.[89-92] Dank leistungsfähiger Informatik und stetig wachsender Protein-strukturdatenbanken gibt es erste Erfolge.[93-

97] So konnte kürzlich über weltweit verteil-te Computerberechnung die Struktur einer Diels-Alderase ermittelt werden, die im Ver-gleich zum Ausgangsenzym deutlich akti-ver war und zusätzliche, neuartige Struktu-relemente enthielt.[98] Selbst wenn man die Möglichkeiten der Kombination mit organo-metallischen Katalysatoren oder den Einbau nicht-kanonischer Aminosäuren ausklammert, ist das Potential des Protein designs endlos. Maßgeschneiderte Enzyme für jede beliebi-ge biokatalytische Stoffumwandlung würden damit konstruierbar werden und die Prozess-industrien umwälzen.

Fazit

Die moderne Biotechnologie durchläuft ge-rade eine Phase stürmischer technologie-ge-triebener Innovation, die sie zu einer konst-ruktiven Ingenieurdisziplin wandelt. Sie hat damit das Potential, die dringend benötig-ten Lösungen hervorzubringen, um die Visi-on einer künftigen Bioökonomie Realität wer-den zu lassen. Die einzige Grenze auf diesem Weg ist unsere Vorstellungskraft.

Quellen

Ein PDF des Artikels inklusive Literaturliste steht unter www.transkript.de/spezial als auch unter http://biotech.dechema.de/Publikatio-nen.html zum Download bereit.

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Itranskript I Nr. 7 I 18. Jahrgang 2012

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Industrielle Biotechnologie

VERTRIEBSMODELLE

Vertriebsmodelle in der industriellen Biotechnologie Strategisches Vorgehen ist erforderlich, wenn mittelständische Unternehmen in der industriellen

Biotechnologie im Konzert der Großen wahrgenommen werden wollen. Nur so lassen sich die

eigenen Produkte zu einem kommerziellen Erfolg machen.

Die industrielle oder auch Weiße Biotechno-logie ist auf einem Erfolgskurs. Auf Basis ei-nes rasanten technologischen Fortschritts im Bereich der molekularen Biotechnologie finden zahlreiche neue Produkte ihren Weg in den Markt und spielen in vielen Branchen wie der chemischen Industrie oder der Le-bensmittelindustrie eine zunehmend wichti-ge Rolle. Der Endkonsument, der tagtäglich von den Errungenschaften der industriellen Biotechnologie umgeben ist und von die-sen profitiert, bemerkt diese stattfindende technologische Revolution kaum. Ein we-sentlicher Treiber für die Entwicklung neuer Produkte der Weißen Biotechnologie sind kleine technologiefokussierte Unternehmen. Diese werden häufig auf der Basis einer po-tentiell bahnbrechenden neuen Technolo-gie gegründet und haben somit ihren Kom-petenz-Schwerpunkt primär im Bereich der Forschung & Entwicklung. Die Finanzierung des Aufbaus dieser Technologie-Start-ups in der Weißen Biotechnologie erfolgt oft über Venture Capital. Für die Umsetzung einer nachhaltigen und erfolgreichen Wachstums-strategie für die KMUs besteht die wesentli-che Herausforderung darin, eigene Entwick-lungsprojekte für Produkte zu identifizieren, die mit der proprietären Technologie er-folgreich entwickelt werden können. Doch zu einer erfolgreichen Markteinführung ei-nes neuen Produkts gehört nicht nur eine erfolgreich abgeschlossene technische Pro-duktentwicklung. Es bedarf ebenfalls einer durchdachten und umsetzbaren Vertriebs-strategie.

Ausmaß der Integration

Eine wichtige Frage ist, welcher Teil der Wertschöpfungskette durch das KMU selbst abgedeckt werden soll. Sehr häufig werden neue Produktentwicklungen von Anfang an in Partnerschaften von den klei-

nen Technologie-Firmen mit Industrieun-ternehmen durchgeführt. In diesem Fall hat in der Regel der Industriepartner die Füh-rung inne und gibt Takt und Richtung vor. Die Kleinen fungieren als Problemlöser und werden häufig eher als Dienstleister denn als strategischer Partner eingebunden. Eine signifikante, langfristige Beteiligung am Er-folg eines neuen Produkts im Falle einer er-folgreichen Entwicklung ist hier in der Regel schwierig durchzusetzen. Für die c-LEcta GmbH als Technologie-KMU in der Weißen Biotechnologie ist es daher von entschei-dender Bedeutung, eine Marktbearbeitung zu realisieren, neue, interessante Applika-tionen in der Industrie zu identifizieren und aus Eigeninitiative heraus Produktentwick-lungen mit hohem Potential voranzutreiben. Das bedeutet nicht, die gesamten Heraus-forderungen von der Entwicklung, über ei-ne etwaige Zulassung bis zur Vermarktung der Produkte alleine zu bewältigen. Für die meisten Projekte wird es sogar richtig und

notwendig sein, Partnerschaften mit Indus-trie-Unternehmen einzugehen. Die wichtige Frage ist jedoch, wann und mit welcher Auf-gabenteilung?

Basis des Erfolgs: die Patentposition

Der Kompetenz-Schwerpunkt der Technolo-gie-KMUs der Weißen Biotechnologie liegt naturgemäß hauptsächlich im Bereich der Forschung & Entwicklung. Eine wichtige Vo-raussetzung für eine erfolgreiche Kommerz-ialisierung einer eigenen Produktentwick-lung liegt in der Schaffung einer sattelfesten patentrechtlichen Position zum Schutz des Produkts. Attraktive Märkte sind immer auch umkämpfte Märkte mit hohem Wettbe-werb. Als KMU ohne Marktanteile und Ver-triebs-Präsenz kann man hier nur dann eine erfolgreiche Rolle spielen, wenn eine sichere Patentposition aufgebaut wurde. Ist eine sol-che vorhanden, kann ein Entwicklungspro-

Die AutorenDr. Marc Struhalla ist Geschäftsführer und Mitgründer der c-LEcta GmbH in Leipzig, einem Spezialisten für industriel-le Biotechnologie, der maßgeschneiderte Enzyme und mikro-bielle Produktionsstämme für nachhaltige und wirtschaftliche industrielle Prozesse entwickelt. Struhalla studierte Bio chemie an der Universität Leipzig und promovierte an der Universität Hamburg. Nach dem Abschluss seiner Promotion kehrte er an die Universität Leipzig zurück, bevor er die c-LEcta zu-sammen mit Dr. Thomas Greiner-Stöf-

fele gründete. Carsten Fietz arbeitet seit dem Jahr 2004 als Kaufmännischer Leiter bei der c-LEcta GmbH. Er studierte Be-triebswirtschaftslehre an der Friedrich-Schiller-Universität in Je-na. Vor seiner Tätigkeit bei c-LEcta arbeitete er als Consultant in der Life Sciences-Industrie und beriet Biotechnologie-Firmen bei ihrer Gründung.

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Industrielle Biotechnologie

jekt durchaus bereits zu einem recht frühen Zeitpunkt mit einem Industrieunternehmen verpartnert werden, ohne dass die eigene Position dadurch zu sehr geschwächt wird. Wichtig ist allerdings, dass man den Mehr-wert, den das neue Produkt oder das neue Verfahren dem Anwender, also dem Kun-den bringt, mit ausreichender Genauig-keit kennt. Welcher wirtschaftliche Vorteil entsteht dem Kunden? Wie hoch sind die Kosten in der Anwendung für den Kunden? Wie groß ist der Markt? Mit welchen Vor-laufkosten sind im Projekt zu rechnen bis positive Cashflows zu erwarten sind? Ohne detaillierte Kenntnisse zu diesen Aspekten wird es sehr schwierig sein, eine Allianz mit einem Industrieunternehmen einzugehen, die eine signifikante Beteiligung am Pro-jekterfolg ermöglicht. Wer die Größe des Kuchens nicht kennt, der kann auch nicht sagen wie groß sein eigenes Stück vom Ku-chen sein soll.

Ein Beispiel aus dem Projekt-Portfolio der c-LEcta

Kürzlich wurde die Vertriebspartnerschaft von c-LEcta mit der Firma Sartorius zur Vermarktung der von c-LEcta entwickel-ten rekombinanten Serratia-Nuklease be-kanntgegeben, welche derzeit unter dem Markennamen DeNArase in den Markt ein-geführt wird. Dieses Enzym wird eingesetzt, um in Herstellverfahren von Biopharmazeu-tika und Vakzinen Nukleinsäuren abzubau-en und zu entfernen. Bei c-LEcta wurde ein stark verbesserter mikrobieller Produkti-onsstamm für das Enzym entwickelt und zum Patent angemeldet. Zur Abschätzung

des Marktpotentials hat das Team eine vorbereitende Marktstudie durchgeführt, Kontakte zu potentiellen Kunden für das Produkt aufgebaut und mit diesen Anwen-dungsversuche unternommen. So konnten die regulatorischen Voraussetzungen für einen Einsatz des Enzyms an Produktions-bedingungen und Produktqualität erhoben sowie der Nutzen für den Kunden und das Marktpotential abgeschätzt werden.

Zugriff auf Logistik

Zudem wurde das Herstellverfahren für das Produkt entwickelt, skaliert und mit geeig-neten Auftrags-Produzenten die Kosten der Implementierung und Durchführung der Produktion des Enzyms unter GMP-Bedin-gungen ermittelt. Erst als sich auf all diesen Ebenen ein klares Bild ergab, hat c-LEcta die Kontakte zu möglichen Vertriebspart-nern für das Produkt intensiviert und sich am Ende für Sartorius als den am besten geeigneten Partner entschieden. Für die-ses Entwicklungsprojekt mussten also recht umfangreiche, über die eigentliche Ent-wicklungsleistung hinausgehende Vorar-beiten geleistet werden, um den Mehrwert der eigenen Entwicklung abzuschätzen und um daraus adäquate Konditionen einer Ver-triebspartnerschaft abzuleiten. Im Falle der Partnerschaft mit Sartorius wird die c-LEc-ta für die Entwicklung des Patentportfolios, die Produktion sowie für die Versandlogis-tik zuständig sein, während Sartorius den weltweiten Vertrieb des Produkts in der biopharmazeutischen Industrie übernimmt.

Neben einer Vertriebspartnerschaft, bei der das Technologie-KMU für die Her-

stellung des Produkts verantwortlich ist und einer oder mehrere Industriepart-ner mit möglichst guter Marktpräsenz den Produktvertrieb realisieren, sind na-türlich noch weitere Vermarktungsmodel-le denkbar. Eine weitere Möglichkeit be-steht in der Auslizenzierung oder sogar im Verkauf des gesamten Projekts. Hier übernimmt dann der Industriepartner die Führung und eine Beteiligung des Tech-nologie-KMUs erfolgt in der Regel über Umsatzbeteiligungen. Eine engere Koope-ration kann über Profit-Sharing-Modelle abgebildet werden, die sehr viel Flexibi-lität bieten aber dadurch auch einen ho-hen Grad an Komplexität mit sich bringen. Schließlich gibt es als vierte Möglichkeit auch noch den Eigenvertrieb der Produkte ohne Einbindung eines Industriepartners. Aufgrund der geringen Marktpräsenz der Technologie-KMUs und des Fehlens einer klassischen Vertriebsorganisation kann ei-ne Eigenvermarktung nur im Falle von sehr überschaubaren, transparenten Märkten funktionieren. Ansonsten ist es aus unse-rer Sicht sinnvoll, einen Teil des Kuchens mit Vertriebspartnern zu teilen und dafür deren etablierte Vertriebsstruktur zu nut-zen, um mit viel höherer Geschwindigkeit und größerem Marktanteil die Produktver-marktung anzugehen.

Bei c-LEcta wurden alle genannten Ver-marktungsmodelle (Lizenzierung, Profit-Sharing-Modelle, Vertriebskooperationen und Eigenvertrieb) erprobt. Sie alle haben sich mit den jeweils genannten Einschrän-kungen als umsetzbar erwiesen. Welches für das jeweilige Produkt oder Projekt das Mittel der Wahl ist, hängt von vielen Fak-toren wie der Marktstruktur, dem eigentli-chen Wettbewerbsvorteil der Entwicklung und letztendlich sicher auch den eigenen Ressourcen ab.

Die industrielle Biotechnologie zeich-net sich durch eine enorme Vielfalt an Pro-dukten und Anwendungen aus. Um in die-sem Feld erfolgreich zu sein, sollte man ein breites und flexibles Portfolio an Vermark-tungsmodellen für seine Produktpipeline und für seine Industriekooperationen be-reithalten. Unabhängig von dem gewählten Modell für das Verpartnern einer eigenen Produktentwicklung bleibt die Grundvor-aussetzung für eine faire und nachhaltige Beteiligung des Technologie-KMUs, den Mehrwert des entwickelten Produkts oder des entwickelten Verfahrens präzise be-stimmen zu können. Hierfür sind eigene In-vestitionen nicht nur in interne Forschung & Entwicklung, sondern auch in Marktana-lysen, regulatorische Bewertungen, Ap-plikationsversuche und in die Entwicklung und Skalierung von Produktionsverfahren notwendig. Serratia-Nuklease zum Abbau von Nukleinsäuren

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Industrielle Biotechnologie

BioökonomieL L L

Chemische Industrie: Wechsel der Rohstoffe steht bevornoch setzt die chemische industrie auf petrochemische Rohstoffe. Das wird sich in Zukunft ändern.

Biobasierte kunststoffe, Schmierstoffe, Lösungsmittel oder Tenside haben aufgeholt. Die Frage ist

nicht mehr ob, sondern nur noch wann die Rohstoffwende kommt.

Angesichts zunehmender Rohstoffverknap-pung und -verteuerung sowie den immer deutlicher hervortretenden Folgen der Kli-maerwärmung entwickeln Wissenschaft, In-dustrie, Politik und Gesellschaft gemeinsam Strategien für den Strukturwandel von einer fossil- zu einer biobasierten Wirtschaft (Bio-ökonomie). Dies gilt auch für die Chemiepro-duktion. Darin gehen zwar nur etwa 8% der gesamten Erdölproduktion ein, jedoch wer-den auch hier Vorteile in einem höheren An-teil nachwachsender Rohstoffe gesehen.

Zu diesen Vorteilen zählen neben der Ver-ringerung des CO2-Ausstoßes aus fossilen Quellen und der Bereitstellung komplexer Strukturen, wie sie die Syntheseleistung der Natur hervorbringt, auch die höhere Ver-braucherakzeptanz biobasierter Produk-te. Voraussetzung sind konkurrenzfähige Preise und ein mindestens analoges Eigen-schaftsprofil, was eine hohe Rohstoff- und Prozesseffizienz bedingt. Beispiele hierfür sind Kunststoffe, ebenso biobasierte Lö-sungsmittel, Tenside und Schmierstoffe, bei denen zusätzlich die Vermeidung schädli-cher Emissionen und die biologische Abbau-barkeit im Vordergrund stehen. Auch die REACH-Regularien können zu einem stär-keren Einsatz biobasierter Komponenten in der chemischen Industrie führen.

Biobasierte Polymere

2010 wurden nach Angaben des Verbands Plastics Europe weltweit rund 265 Mio. Ton-nen Kunststoffe produziert, das entspricht rund 6% des Gesamtrohölverbrauchs von knapp 4 Mrd. Tonnen (BP Statistical Re-view of World Energy 2011). Auf der ande-ren Seite wurden im selben Jahr nur 0,7 Mio. Tonnen Biokunststoffe erzeugt. Allerdings sind die prognostizierten Wachstumsraten enorm: Bis 2015, so aktuelle Schätzungen, die Hans-Josef Endres (FH Hannover) in ei-

nem Vortrag im November 2011 präsentier-te, steigt dieser Anteil auf 1,7 Mio. Tonnen, was einem jährlichen Zuwachs von knapp 20% entspricht.

Biokunststoffe stellen dabei allerdings ei-ne heterogene Gruppe dar, zu der sowohl biobasierte als auch fossil-basierte Kunst-stoffe zählen, sofern diese biologisch ab-baubar sind. Die klassischen biologisch ab-baubaren Kunststoffe werden auf Basis der natürlichen Polymere Cellulose und Stärke erzeugt. In den 1990er Jahren kam dann das von Bakterien als Speicherstoff genutzte thermoplastische Polymer Polyhydroxybut-tersäure unter dem Handelsnamen BIOPOL auf den Markt. Dies war das erste Bio-Poly-mer, das als kompostierbare Alternative zu PE im Verpackungsbereich verwendet wur-de. In den vergangenen Jahren hat sich al-lerdings der Trend durchgesetzt, nicht mehr die biologisch erzeugten Polymere direkt zu nutzen, sondern biotechnologisch oder chemisch Monomere aus nachwachsenden Rohstoffen zu gewinnen, die entweder als Basis neuartiger (funktionsanaloger) oder

herkömmlicher (strukturanaloger) Polymere dienen. Der zurzeit populärste Vertreter der funktionsanalogen biobasierten Kunststof-fe ist Polylactid (PLA). PLA hat ähnliche Ei-genschaften wie konventionelle thermoplas-tische Massenkunststoffe und kann deshalb auch in vorhandenen Anlagen verarbeitet werden. Dank seiner Kompostierbarkeit hat der Rohstoff vor allem für kurzlebige Ver-packungen wie Getränkebecher oder Nah-rungsmittelschalen großes Potential.

Öko-Potential nicht ausgeschöpft

Ein Nachteil von PLA ist aber sein niedri-ger Schmelzpunkt, so dass es nicht für Wa-ren geeignet ist, die Hitze ausgesetzt wer-den.Der Lactid-Polyester wird durch die Kombination biotechnologischer und che-mischer Schritte erzeugt. Durch Fermenta-tion von Zucker oder Stärke entsteht Milch-säure, die durch chemische Prozesse erst zu Lactid dimerisiert wird. Anschließend wird Lactid unter Ringöffnung des Monomers

Biokunststoffe: eine heterogene Gruppe

Bild: istockphoto

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Industrielle Biotechnologie

polymerisiert. PLA wird seit 1994 industri-ell hergestellt und hat 2010 eine weltweite Produktionskapazität von mehr als 110.000 Jahrestonnen erreicht. Anlagen stehen in den USA, den Niederlanden und in China. Weitere Anlagen sind zum Beispiel in Thai-land geplant. Bis 2015 wird sich die Produk-tionskapazität nach Angaben von Endres verdoppeln. Obwohl PLA durch seine biolo-gische Grundlage eine gute Umweltverträg-lichkeit aufweist, lässt sich diese durch die Schaffung einer Infrastruktur zum Recycling oder Kompostieren des Biokunststoffs noch enorm verbessern. Daran wird intensiv ge-forscht. Derzeit bleibt aus logistischen Grün-den aber nur die Verbrennung.

Biobasiertes Polyethylen

Ein ganz anderer Weg wird mit der Erzeu-gung biobasierten Polyethlens (PE) gegan-gen. Polyethylen ist nicht biologisch abbau-bar. Dafür existieren – zumindest in Europa

– bereits etablierte Recyclingmöglichkeiten. Durch die Produktion der Plattformchemika-lie Ethylen aus nachwachsenden Rohstoffen können die bestehenden Wertschöpfungs-ketten von der Produktion verschiedener Kunststoffe bis zum jeweiligen End-of-Life-Scenario genutzt werden.

Seit Ende 2010 produziert Braskem in Brasilien 200.000 Tonnen des biobasierten strukturanalogen Kunststoffs auf Basis von Bioethanol. Zwei weitere PE-Anlagen sowie Anlagen zur Produktion von Polypropylen und PVC sind für 2015 angekündigt. Die PE-Produktionskapazität wird sich damit auch verdoppeln. Laut der Studie „World Bioplas-tics“, die von der Freedonia Group 2011 ver-öffentlicht wurde, wird Ende dieser Dekade

in Brasilien auch die industrielle Produktion von vollständig biobasiertem PET erwartet.

Der höhere Funktionalisierungsgrad (Alko-hol- bzw. Säuregruppen) biobasierter Mono-mere gegenüber fossilen Ausgangsstoffen kann gezielt in unterschiedlichen Kunststoff-anwendungen genutzt werden. Einige Bei-spiele: Biologisch erzeugte Dicarbonsäu-ren (Bernsteinsäure) und Polyole (Rizinusöl, 1,3-Propandiol) werden in biobasierten Poly-estern, letztere auch in Polyurethanen einge-setzt. Aus Milchsäure lässt sich durch Dehyd-rierung Acrylsäure darstellen, das Monomer der Polyacrylsäure. Weitere Polyacrylate lassen sich aus der Veresterung der Acryl-säure mit Rizinusöl oder epoxidierten Pflan-zenölen erzeugen. Butadien, das als Grund-baustein von Kautschuk dienen kann, lässt sich aus Ethanol darstellen. Derivate des Ri-zinusöls werden in Polyamiden eingesetzt.

Viele der hier genannten Beispiele be-wegen sich als Feinchemikalien noch in Ni-schenmärkten, die einen höheren Produkt-preis aus nachwachsenden Rohstoffen über spezielle Funktionalitäten als Alleinstel-lungsmerkmal rechtfertigen. Das können neben der biologischen Abbaubarkeit auch oberflächenspezifische Merkmale sein (z. B. verminderte Schaumbildung in Getränke-bechern, wie im Falle von PLA). Eine weitere Marktdurchdringung hängt nicht allein von Herstellpreisen und Verfügbarkeit ab, son-dern auch von der Schließung der Stoffkreis-läufe für eine ressourceneffiziente Bereitstel-lung (und Nutzung …).

Biobasierte Schmierstoffe

Nach Angaben, die die Freedonia Group in der Studie „World Lubricants“ aus dem

Jahr 2011 machte, lag der weltweite Be-darf an Schmierstoffen 2010 bei 36,7 Mio. Tonnen. Bis 2015 wird der Bedarf auf ca. 42 Mio. Tonnen ansteigen. In Deutschland werden laut der Fachagentur Nachwach-sende Rohstoffe (FNR) jährlich etwas über 1 Mio. Tonnen Schmierstoffe eingesetzt, davon ca. 3 % (35.000 Tonnen) Bioschmier-stoffe.

Bioschmierstoffe sind aber nicht mit bio-basierten Schmierstoffen gleichzusetzen. Begrifflich werden darunter alle Schmier-stoffe subsummiert, die biologisch schnell abbaubar sind, unabhängig davon, ob sie aus Mineralöl, Recycling-Öl, synthetisch formuliert oder biobasiert hergestellt sind. Aufgrund dieser Begrifflichkeit sind Ein-satz und Mengen biobasierter Schmier-stoffe nicht getrennt erfasst. Einer weiten Verbreitung von Bioschmierstoffen steht (noch) der Preis entgegen, der laut einer Marktanalyse von Global Industry Analysts um den Faktor zwei bis drei über den je-weiligen konventionellen Schmierstoffen liegt.

Haltbarkeit, Toxizität, Abbaubarkeit

Biobasierte Schmierstoffe werden im Ge-gensatz zu petrobasierten Schmierstoffen generell aus Pflanzenölen hergestellt. Je nach Anforderung werden diese teilwei-se in nativer Form verwendet (natürliche Ester), teilweise erfolgt eine chemische Modifizierung (synthetische Ester). Das Anwendungsspektrum der biobasierten Schmierstoffe deckt bereits die gesamte Palette konventioneller Schmierstoffe ab und reicht damit von Hydraulikölen, Mul-tifunktionsölen, Motoren- oder Getriebe-ölen, Schmierölen und Fetten bis zu Spe-zialölen, wobei der biogene Gehalt nach Empfehlung des Europäischen Komitees für Normung (CEN) mehr als 25% betra-gen sollte (CEN Technical Report 16227). Aufgrund ihrer guten Haltbarkeit, ihrer ge-ringen Toxizität und ihrer schnellen bio-logischen Abbaubarkeit sind biobasierte Schmierstoffe gerade für den Einsatz in umweltsensiblen Bereichen interessant. Eine spezielle Herausforderung stellt der Offshore-Bereich zur Erzeugung von Wind-energie dar.

Obwohl noch Gegenstand von For-schung und Entwicklung, gibt es bereits vielversprechende Ergebnisse, die für den Einsatz von biobasierten Schmierstoffen in Windenergieanlagen sprechen: Bio-basierte Schmierstoffe besitzen von Na-tur aus ein höheres Schmiervermögen als vergleichbare mineralölbasierte Produk-te. Sie beeinflussen den Anlagenbetrieb

Schmiermittel-Herstellung

Bild: istockphoto

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Itranskript I Nr. 7 I 18. Jahrgang 2012

Industrielle Biotechnologie

in vielerlei Hinsicht positiv und zeichnen sich durch eine gute Handhabbarkeit und eine bessere Filtrierbarkeit aus. In einem neuen Forschungsprojekt (Win Lub II) wer-den Eignungs- und Verträglichkeitsunter-suchungen von biobasierten Schmierfet-ten und Hydraulikölen bei den führenden Herstellern von Anlagenkomponenten un-ter der Leitung der Fuchs Europe Schmier-stoffe GmbH durchgeführt.

Biobasierte Lösungsmittel: Spektrum verändert sich

Der globale Lösungsmittelmarkt wird vom Fraunhofer Institut für System- und Inno-vationsforschung (ISI) in einer Analyse für das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) auf rund 19,7 Mio. Tonnen pro Jahr geschätzt. Mindestens 12,5% des gesamten Lösungsmittelmark-tes könnten aus pflanzlichen Rohstoffen hergestellt werden, doch bisher sind weni-ger als 1,5% erreicht worden.

Lösungsmittel sind Flüssigkeiten, die andere Substanzen auflösen, verdünnen oder extrahieren können, ohne dass sich die chemische Zusammensetzung der Substanzen oder des Lösungsmittels sel-ber ändern. Lösungsmittel zählen zu den Gruppen aromatische und aliphatische Kohlenwasserstoffe, Alkohole, Ketone, Es-ter, Ether, Glykolether und halogenierte Kohlenwasserstoffe.

Die Produktion der meisten Lösungs-mittel erfolgt hauptsächlich ausgehend von fossilen Rohstoffen. Aus Gründen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes erwartet man, dass sich das Spektrum hin zu den biobasierten Lösungsmitteln verän-

dern wird. Neue biobasierte Lösungsmit-tel sind zum Beispiel Fettsäuremethylester, die auch als Biodiesel Verwendung finden, sowie Ester der Milchsäure mit Methanol (Methyllactat) oder Ethanol (Ethyllactat), aber auch Naturstoffe wie D-Limonen, das aus Schalen von Citrusfrüchten extrahiert wird. Ein anderer Trend ist es, konventio-nelle organische Lösungsmittel durch bio-gene zu ersetzen. Ein Beispiel hierfür ist die Umwandlung von biobasierter Bern-steinsäure oder Furfural (als Nebenpro-dukt der Zellstoffindustrie) in Tetrahydro-furan (THF).

Biobasierte Tenside: Spezifische Anwendungen

Biobasierte Tenside sind eine Gruppe von oberflächenaktiven Molekülen, die entwe-der durch mikrobielle Fermentation oder durch enzymkatalysierte Reaktionen her-gestellt werden. Ihr weltweites Produkti-onsvolumen beträgt nach Angaben des Fraunhofer ISI rund 17 Mio. Tonnen.

Tenside bestehen in der Regel aus einem hydrophoben und einem hydrophilen Teil. Im Fall von biobasierten Tensiden stammt mindestens einer dieser beiden Teile aus nachwachsenden Rohstoffen.

Der biobasierte hydrophobe Teil der Tenside wird gewöhnlich aus Kokosnuss-öl oder Palmkernöl hergestellt, ein bioba-sierter hydrophiler Teil aus Kohlenhydra-ten wie Sorbitol, Saccharose oder Glucose. Der Einsatz tierischer Fette ist stark rück-läufig.

Der Markt für biobasierte Tenside hin-gegen wächst. Spezifische Anwendungen für Biotenside ergeben sich wegen ihrer

biologischen Abbaubarkeit und ihrer ge-ringen oder nicht vorhandenen Toxizität in der Farben-, Kosmetik-, Textil-, Agro-, Le-bensmittel- und pharmazeutischen Indus-trie.

Als Emulgiermittel werden sie im Berg-bau und in der Erzaufbereitung, zur ver-besserten Erdölgewinnung und biologi-schen Sanierung kontaminierter Standorte eingesetzt.

Ausblick: Rohstoffwandel ist nur eine Frage der Zeit

Der Trend geht vor dem eingangs geschil-derten Hintergrund ganz klar zum verstärk-ten Einsatz biobasierter Produkte. Es ist nicht die Frage, ob der Rohstoffwandel in der chemischen Industrie Einzug hält, son-dern wann dieser vollzogen sein wird.

Da Tenside schon sehr lange aus biologi-schen Rohstoffen hergestellt werden, wird hier der Wandel verhältnismäßig leicht fal-len – sofern adäquate biobasierte Alterna-tiven verfügbar sind.

Im Kunststoffbereich ist abzusehen, dass vorerst nicht die Umweltschutzkrite-rien Haupttreiber für biobasierte Alterna-tiven sein werden, sondern die einfache Substitution der Rohstoffbasis, wie im Fal-le von PE und anderen vom Ethylen abge-leiteten Kunststoffen. Allerdings wird die Verfügbarkeit von Ethylen aus Ethanol limi-tierend sein.

Alleine für die Substitution der in Deutschland jährlich verbrauchten 5 Mio. Tonnen Ethylen werden 8,5 Mio. Tonnen Bioethanol benötigt, was dem zehnfachen der deutschen Produktionskapazität für Bioethanol entspricht. L

Raps-Anbau: Pflanzenöl als Quelle biobasierter Schmier- und Lösungsmittel

Bild: Fotolia

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