TXTW Kinder Und Internet

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Schon Dreijährige wissen, wie sie YouTube finden Eine Studie zeigt, unter welchen Umständen Kinder das Internet kennenlernen. Interessant ist, wie viele Achtjährige bereits Dienste wie Facebook und WhatsApp nutzen. von Eike Kühl - 23. Juni 2015 Das Internet gehört auch für viele kleine Kinder schon zum Alltag. Gut die Hälfte der Achtjährigen (55 Prozent) ist in Deutschland online, […] von den Sechsjährigen ist bereits fast ein Drittel (28 Prozent) regelmäßig im weltweiten Netz unterwegs, von den Dreijährigen immerhin jedes zehnte Kind. Das geht aus der am Dienstag in Berlin präsentierten Studie Kinder in der digitalen Welt hervor, die das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet […] erarbeitet hat. […] Beim genaueren Hinsehen wird allerdings deutlich, wieso die Studie allenfalls als grober Indikator für die veränderte Mediennutzung dient: Es ist unklar, wie die Forscher das Onlinesein eigentlich genau definieren. Nutzt ein Dreijähriger bereits aktiv das Internet, wenn er auf dem Bildschirm einen Trickfilm guckt oder auf der Konsole spielt? […] Und können kleine Kinder überhaupt kognitiv unterscheiden, ob sie nun fernsehen oder etwas aus dem Netz streamen? "Kinder bewegen sich intuitiv im Internet und wissen häufig gar nicht, dass sie gerade online sind", schreiben die Autoren. […] Anders gesagt: Die genaue Definition der Internetnutzung ist schwierig und nur weil ein Kind Dienste nutzt, muss es noch kein aktiver Internetnutzer sein. […] In der Studie geht es nicht bloß um eine quantitative Erhebung vermeintlicher Internetnutzer, sondern vor allem um soziodemografische Faktoren, die den Kontakt von Kindern mit dem Internet beeinflussen. Entscheidend dafür, ob Kinder überhaupt online gehen wollen oder im Netz unterwegs sein dürfen, sei die Nähe der Eltern zur "digitalen Lebenswelt", heißt es. Die Forscher haben während der Analyse […] sieben verschiedene "Internet-Milieus" für Kinder unter neun Jahren definiert. Auf der einen Seite des Spektrums stehen etwa die "Digital Souveränen", also Familien, die eine hohe Affinität zu digitalen Medien haben und das Internet alltäglich und weitreichend nutzen. Auf der anderen Seite stehen die "Internetfernen Verunsicherten": Die Eltern dieser Kinder nutzen das Internet nur selten, und wenn, dann nur sehr eingeschränkt. Nicht ganz überraschend ist dann auch die allgemeine Erkenntnis: Je öfter die Eltern selbst im Netz unterwegs sind und digitale Medien nutzen, desto eher sind auch ihre Kinder online. Einen Unterschied zwischen Jungen und Mädchen gibt es dabei nicht. Interessanter ist, dass die digitale Ausstattung von Kindern und ihr technischer Zugang zu Onlinediensten keine finanzielle Frage ist: Bei der Gerätenutzung gibt es kaum Unterschiede […] zwischen Familien mit geringem und hohem Einkommen. Lediglich Tablets (11 Prozent) und Laptops (41 Prozent) nutzen Kinder in Familien mit hohem Einkommen deutlich häufiger. Die Nutzung der unterschiedlichen Geräte ist dabei vom Alter abhängig. Vor allem die Spielkonsole ist bereits in der Altersgruppe der Drei- bis Fünfjährigen beliebt. Mit dem Schuleintritt steigt die Nutzung des Computers, der bis zum neunten Lebensjahr die Konsolen überholt. Die Nutzung von Smartphones steigt ebenfalls kontinuierlich mit dem Alter an.

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Page 1: TXTW Kinder Und Internet

Schon Dreijährige wissen, wie sie YouTube

finden

Eine Studie zeigt, unter welchen Umständen Kinder das Internet kennenlernen.

Interessant ist, wie viele Achtjährige bereits Dienste wie Facebook und WhatsApp

nutzen.

von Eike Kühl - 23. Juni 2015

Das Internet gehört auch für viele kleine Kinder schon zum Alltag. Gut die Hälfte der Achtjährigen

(55 Prozent) ist in Deutschland online, […] von den Sechsjährigen ist bereits fast ein Drittel (28

Prozent) regelmäßig im weltweiten Netz unterwegs, von den Dreijährigen immerhin jedes zehnte

Kind. Das geht aus der am Dienstag in Berlin präsentierten Studie Kinder in der digitalen Welt

hervor, die das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet […] erarbeitet hat. […]

Beim genaueren Hinsehen wird allerdings deutlich, wieso die Studie allenfalls als grober Indikator

für die veränderte Mediennutzung dient: Es ist unklar, wie die Forscher das Onlinesein eigentlich

genau definieren. Nutzt ein Dreijähriger bereits aktiv das Internet, wenn er auf dem Bildschirm

einen Trickfilm guckt oder auf der Konsole spielt? […] Und können kleine Kinder überhaupt kognitiv

unterscheiden, ob sie nun fernsehen oder etwas aus dem Netz streamen? "Kinder bewegen sich

intuitiv im Internet und wissen häufig gar nicht, dass sie gerade online sind", schreiben die Autoren.

[…] Anders gesagt: Die genaue Definition der Internetnutzung ist schwierig und nur weil ein Kind

Dienste nutzt, muss es noch kein aktiver Internetnutzer sein.

[…] In der Studie geht es nicht bloß um eine quantitative Erhebung vermeintlicher Internetnutzer,

sondern vor allem um soziodemografische Faktoren, die den Kontakt von Kindern mit dem Internet

beeinflussen. Entscheidend dafür, ob Kinder überhaupt online gehen wollen oder im Netz unterwegs

sein dürfen, sei die Nähe der Eltern zur "digitalen Lebenswelt", heißt es. Die Forscher haben

während der Analyse […] sieben verschiedene "Internet-Milieus" für Kinder unter neun Jahren

definiert. Auf der einen Seite des Spektrums stehen etwa die "Digital Souveränen", also Familien,

die eine hohe Affinität zu digitalen Medien haben und das Internet alltäglich und weitreichend

nutzen. Auf der anderen Seite stehen die "Internetfernen Verunsicherten": Die Eltern dieser Kinder

nutzen das Internet nur selten, und wenn, dann nur sehr eingeschränkt. Nicht ganz überraschend

ist dann auch die allgemeine Erkenntnis: Je öfter die Eltern selbst im Netz unterwegs sind und

digitale Medien nutzen, desto eher sind auch ihre Kinder online. Einen Unterschied zwischen

Jungen und Mädchen gibt es dabei nicht.

Interessanter ist, dass die digitale Ausstattung von Kindern und ihr technischer Zugang zu

Onlinediensten keine finanzielle Frage ist: Bei der Gerätenutzung gibt es kaum Unterschiede […]

zwischen Familien mit geringem und hohem Einkommen. Lediglich Tablets (11 Prozent) und

Laptops (41 Prozent) nutzen Kinder in Familien mit hohem Einkommen deutlich häufiger. Die

Nutzung der unterschiedlichen Geräte ist dabei vom Alter abhängig. Vor allem die Spielkonsole ist

bereits in der Altersgruppe der Drei- bis Fünfjährigen beliebt. Mit dem Schuleintritt steigt die

Nutzung des Computers, der bis zum neunten Lebensjahr die Konsolen überholt. Die Nutzung von

Smartphones steigt ebenfalls kontinuierlich mit dem Alter an.

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Für jüngere Kinder ist das Internet vor allem eine Spiele-Plattform, erst später kommen

Informationssuche oder Bildung hinzu. Generell seien Jungen bei ihrem Umgang mit digitalen

Medien spielorientierter, Mädchen recherchierten öfter Informationen, hieß es bei der Vorstellung

des Reports. Kleine Kinder von Eltern mit geringerer Bildung setzten eher auf Unterhaltung und

nutzten das Internet seltener für Informationssuche und Lernen als der Nachwuchs von Eltern mit

formal höherer Bildung.

Einer der interessantesten Aspekte der Studie ist, wie kleine Kinder das Internet wahrnehmen. […]

Bereits kleine Kinder sind sich den Möglichkeiten des Internets bewusst. Ein Beispiel zeigt, dass

Dreijährige in der Lage sind, einen Browser zu öffnen, die Adressleiste zu klicken und über das

YouTube-Symbol den Videodienst aufzurufen. Knapp die Halfte der Sechsjahrigen wisse zudem,

dass man im Internet Filme und Musik tauschen kann. 95 Prozent der Achtjährigen kennen Online-

Communitys wie Facebook und Messenger wie WhatsApp […]. Die Autoren schreiben: "Online-

Communitys kommt hier zum Teil schon die Funktion eines eigenen, von den Eltern unabhangigen

Kommunikationsraums zu, in welchem Kinder beginnen, sich im Knüpfen von Kontakten zu

anderen zu üben."

Viele Eltern sind dennoch kritisch, ihrer Ansicht nach überwiegen die Risiken die Chancen […].Über

alle Milieus hinweg verbieten zwei Drittel ihren drei- bis achtjährigen Kindern rigoros die

Internetnutzung. Als größte Gefahren gelten nicht kindgerechte Inhalte, der mögliche Kontakt zu

Unbekannten, Cyber-Mobbing oder ein Einbruch in die Privatsphäre. Erst mit steigendem Alter der

Kinder nehmen die Vorbehalte der Eltern ab. Nur 52 Prozent der Eltern aller Milieus gaben an, sich

mit dem Internet gut auszukennen, unter Familien mit einfacher formaler Bildung sind es sogar nur

27 Prozent. Was die Studie dann am Ende auch enthüllt, ist einmal mehr die Frage nach der

Medienkompetenz: Je früher Kinder mit dem Internet in Berührung kommen, desto mehr

Herausforderungen warten auf die Eltern. Und nicht alle sind ihnen gewachsen.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) erklärte bei der Vorstellung der Studie folglich:

"Wir müssen die Medienkompetenz der Familien fördern, damit Bildungs- und Teilhabechancen

allen Kindern und Jugendlichen gleichermaßen offen stehen."

Gekürzt und leicht verändert aus http://www.zeit.de/digital/internet/2015-06/internet-studie-kinder-

divsi-nutzung