Über den Sprachablauf bei Aphasischen

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(Aus der Deutschen psychiatrischen Universit~,ts~inik Prag [Vorstand: Prof. Gamper].) Uber den Spraehablauf bei Aphasischen. Von Robert Klein. (Eingegangen am 7. Juni 1932.) Wenn wir als Hauptziel hirnpathologischer Forschung die Lokalisation ansehen, so kSnnte eine psychopathologisehe Analyse einzelner F£11e un- fruchtbar erseheinen. Eine solehe wgre auch yore 8tandpunkt der Lokali- sation wenig aussiehtsreieh, wenn es uns darum zu tun w~re, nur gewisse Besonderheiten im klinisehen Bride herauszuheben. Sie wird aber zur Vorbedingung einer Lokalisation, wenn wir dabei das Ziel im Auge haben, die Gesam~heit des k]inischen Bildes einheitlich zusammenzufassen. Je komplizierter die Funktion, desto komplizierter und versehiedenartiger wird ihre St6rung sein und um so sehwieriger wird es sein, zu Typen zu gelangen, in dezmn die Einzelbilder sieh einzuordnen verm(igen. In besonde- rein Mal3e gilt das fiir die Aphasie. Die bisherigen Versuche in dieser Richtung mfissen als unbefriedigend angesehen werden. Die relativ grol3e Ausdehnung des Sprachfeldes lgi3t yon vornherein die ~[Sglichkeit einer doch recht weitgehenden Differenzierung zu. Dem steht die gro~e Variationsbreite der klinisehen Bilder gegenfiber. Um beide einander zuzuordnen, mfissen unsere Bemfihungen dahin gehen, ohne in ein enges Schema zu geraten: die vielf~ltigen klinisehen Bilder zu Gruppen zusam- menzufassen. Es wird daher nicht unnfitz sein, yon neuem an die Analyse einzelner F£11e heranzugehen und auf alle in Betracht kommenden Faktoren Gewieh~ zu legen, die ffir die Struktur des Brides yon Bedeutung sein k6nnten. Wir kSnnen so hoffen, dal3 es uns vielleicht doch gelingt, indem wit erst ins Einzelne dringen, zusammenfassende Bilder her- zustellen, die die Erfahmmgen im Einzelfall in befriedigenderer Weise in sieh aufnehmen als es bisher geschehen ist. Von diesem Gesichts- punk~ wird eine rein klinisehe Analyse, wie wit sie auch an folgenden zwei F~llen durchzufii_hren versuehen, letzten Endes die Vorbedingung einer Lokalisation. Der erste Patient, A. S., ist ein 24j~hriger ~[ann, Kellner yon Beruf, der am 31.3.31 an die Klinik ]cam. Nach den Angaben der Angeh6rigen bekam er eine Woche vor Einlieferung pl6tzlich Fieber und eine Schwellung und Schmerzhaftigkeit in beiden Knien, auch soil er dabei eine Angina gehabt haben. 2 Tage nachher

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(Aus der Deutschen psychiatrischen Universit~,ts~inik Prag [Vorstand: Prof. Gamper].)

Uber den Spraehablauf bei Aphasischen. Von

Robert Klein.

(Eingegangen am 7. Juni 1932.)

Wenn wir als Hauptziel hirnpathologischer Forschung die Lokalisation ansehen, so kSnnte eine psychopathologisehe Analyse einzelner F£11e un- fruchtbar erseheinen. Eine solehe wgre auch yore 8tandpunkt der Lokali- sation wenig aussiehtsreieh, wenn es uns darum zu tun w~re, nur gewisse Besonderheiten im klinisehen Bride herauszuheben. Sie wird aber zur Vorbedingung einer Lokalisation, wenn wir dabei das Ziel im Auge haben, die Gesam~heit des k]inischen Bildes einheitlich zusammenzufassen. Je komplizierter die Funktion, desto komplizierter und versehiedenartiger wird ihre St6rung sein und um so sehwieriger wird es sein, zu Typen zu gelangen, in dezmn die Einzelbilder sieh einzuordnen verm(igen. In besonde- rein Mal3e gilt das fiir die Aphasie. Die bisherigen Versuche in dieser Richtung mfissen als unbefriedigend angesehen werden. Die relativ grol3e Ausdehnung des Sprachfeldes lgi3t yon vornherein die ~[Sglichkeit einer doch recht weitgehenden Differenzierung zu. Dem steht die gro~e Variationsbreite der klinisehen Bilder gegenfiber. Um beide einander zuzuordnen, mfissen unsere Bemfihungen dahin gehen, ohne in ein enges Schema zu geraten: die vielf~ltigen klinisehen Bilder zu Gruppen zusam- menzufassen. Es wird daher nicht unnfitz sein, yon neuem an die Analyse einzelner F£11e heranzugehen und auf alle in Betracht kommenden Faktoren Gewieh~ zu legen, die ffir die Struktur des Brides yon Bedeutung sein k6nnten. Wir kSnnen so hoffen, dal3 es uns vielleicht doch gelingt, indem wit erst ins Einzelne dringen, zusammenfassende Bilder her- zustellen, die die Erfahmmgen im Einzelfall in befriedigenderer Weise in sieh aufnehmen als es bisher geschehen ist. Von diesem Gesichts- punk~ wird eine rein klinisehe Analyse, wie wit sie auch an folgenden zwei F~llen durchzufii_hren versuehen, letzten Endes die Vorbedingung einer Lokalisation.

Der erste Patient, A. S., ist ein 24j~hriger ~[ann, Kellner yon Beruf, der am 31.3.31 an die Klinik ]cam. Nach den Angaben der Angeh6rigen bekam er eine Woche vor Einlieferung pl6tzlich Fieber und eine Schwellung und Schmerzhaftigkeit in beiden Knien, auch soil er dabei eine Angina gehabt haben. 2 Tage nachher

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fiet der Umgebung auf, da l ]e r beim Spreehen schtechte Worte verwendete und daft er nicht immer verstand, was man mit ihm sprach. L~hmungserscheinungen waren nicht aufgetreten; er klagte in den ersten Tagen nur immer wieder fiber Kopfschmerzen sonst keine Allgemeinbeschwerden. Die neurologische Untersuchung an der Klinik ergab, abgesehen yon der Sprachst6rung, keine Ausfallserseheinungen. Es waren weder irgendwelehe Paresen festzustellen, noeh konnte irgendeine Sensi- bil i t~tsst0rung gefunden werden. Aueh d~s Gesiehtsfeld und der Augenhintergrund waren vol lkommen normal. Die serologische Untersuchung des Blutes und des Liquors waren ebenfalis negativ. V%s die Spr~chst6rung anbelangt, so war das Auffhlligste das mangelhafte Sprachversthndnis. Sehon bei einfaehen Auftr~gen versagte der Pa t ien t vielfach; so zeigte er, beim Auftrag auf das linke Auge zu grei- fen, auf das reehte Ot~r, beim Auftrag die Nase, den Hats, die Stirn zu zeigen, sehaut er hilflos vor sich hin. Beim Zeigen yon Gegenst~nden sind die Reaktionen etwas besser, doch kommt es auch hier vielfach schon bei sehr gebr~uchlichen Gegen- st~nden zum Vers~gen des Pat ienten. Noeh gr6ber kommt der Defekt zum Aus- druck, wenn man yon ihm best immte H~ndlungen verlangt. So m~cht er beim Auftrag, die Feder in die reehte I4and zu nehmen, F~mstschluS und FaustOffnen. d~nn legt er wieder die Hand ~uf d~s Knie. In der Konvers~tionssprache m~cht sich die St6rung im Spraehverh~ltnis ebenfalls s tark bemerkbar. Viele Fragen, die ihm vorgelegt werden, werden yon dem P~tienten entweder fiberhaupt nicht oder nur teilweise verstanden. ~N'eben dieser St6rung fhllt noch auf, dab der Pa t ien t sehr wenig spricht, daft man hgufig mehrmals die Frage wiederholen muB, um eine spraehliche l%eaktion des Pat ienten zu erzielen. Abgesehen yon parapll~sisehen Ents te l lungen einzelner WSrter, die aber verh~ltnism~13ig gerade in der Kon- versation sehr gering ist, werden die W6r*er oft in groften Pausen produziert, wobei die Ent~,u8emng des Einzelwortes h~ufig mit einer gewissen Anstrengung verbunden zu sein scheint; es kommt vielfaeh schon d~s Einzelwort gedehnt und manehmal auch etwas abgehackt her~us. W£hrend, wie hervorgehoben, in der Konversat ion die Entgleisungen gering sind, t re ten sie beim Bezeichnen viel sthrker hervor. Auch die erw~hnte Unlust zum Sprechen kommt bier viet starker zum Ausdruek, so da[~ es immer wieder einer besonderen Stimulation bedarf, um den Pat ien ten zum Bezeichnen zu bringen.

]Die s ta rk verl~nge~en Reaktionszeiten, das zSgernde ,4.nsetzen beim Bezeichnen kommt vet allem dana besonders zum Ausdruck, wenn der Pat ient im Endeffekt seh]ieft]ich versagt ; das Bezeichnen gelingt aber aueh wieder ohne merkbare Er- schwerung, und zwar dann, wenn das Wort sofort richtig herausgebracht wird. fixhnlich verhielt es sieh beim N~ehsprechen; die Einzelheiten beim Nachsprechen werden spgter besehrieben werden. Das l~eihenspreehen ist nicht ganz fehlerlos, ab und zu kommt er bei einer Reihe in irgendeine andere Reihe oder auch Bezeich- nung; bei dem Aufzghlen der }ionate z .B . entgleist er in die Woehentgge, die er vorher aufzuz~hlen hatte, kommt aber dann sehliel~lich wieder in die Mon~te hinein. Das Vuterunser gibt er vollkommen richtig wieder. Das Lesen yon Buch- s t~ben gelingt vSllig fehlerlos, beim Lesen yon WSrtern entgleist e r a b und zu, ebenso beim Lesen yon S~tzen, doeh sind die Paraphasien hier jedenfalls viel geringer ~ls bei den sonstigen Spr~ch&ufterungen. Dagegen ist d~s Leseversthndnis nieht besser ~ls das des akustiseh Aufgenommenen. D~s Zerlegen yon W6rtern in die einzelnen Buchstaben gelingt i iberhaupt nieht. Im Gegensatz dazu werden W6rter, in denen einzetne Buehstaben fehlen, sofort r ichtig erg~nzt. Aus einem gegebenen .4zlfangsbuchstaben WSrter zu bilden ist in st~rkstem 3[afte erschwert. Es werden nach langen Zeiten bis zu einer Viertelstunde nur 2--3 WSrter gebildet, unter ihnen sind aueh einzelne p~raphasiseh Entstel l te .

Das Rechnen ohne Vorlage ist sehr mangelhaf t ; selbst die einfachsten l%eehen- aufgaben kSnnen yon ihm nicht gel6st werden. Das schriftliche Reehnen geht um vieles besser, doch kommt es h~tufig vor, dal~ er bei Multiplikationen oder Divisionen

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grSBerer Zahlen yon vornherein an die Aufgabe gar nicht herangeht. Bei kleineren Zahlen bringt er meist richtige Resultate zustande. Das Zahlenschreiben ist mangel- haft, w~hrend das Lesen yon Zahlen gut ist. Seine Zeichnungen sind primitiv, doch lassen sie keine grbberen Stbrungen erkennen. Die Orientierung im Raume und am eigenen Kbrper ist ohne irgendwetehe Stbrung. Die Prtifungen im moto- rischen Verhalten, wie sie yon Griinbaum angegeben wurden, ergeben keine positiven Resultate. Die Beobachtung des Patienten erstreckte sieh auf einen Zeitraum, yon ungefi~hr 4 Monaten. In den ersten Wochen der Beobachtung konnte man eine langsam zunehmende Besserung der Spraehst6rungen feststellen; wie man es sehr h~ufig bei Aphasikern sieht, schwankten zu verschiedenen Zeiten die Leistungen des Patienten erheblich. In den letzten Wochen der Beobachtung waren die St6- rungen schon recht stabil und es zeigte sieh in dieser Zeit keine merkbare Tendenz zur weiteren Riickbildung. Ftir die bier durchgefiihrte vergleiehende .Analyse wurde vor allem die letztere Periode herangezogen. Was die Qualit/tt der St6- rungen und das gesamte aphasische Bild anbelangt, hatte sieh gegeniiber dem friiheren Befunde niehts ge/~ndert. Es hatte nur die Intensit~t der StSrung ab- genommen. W£hrend in der ersten Zeit das Sprachverst/tndnis doeh nicht un- erheblich gestSrt war, kam in dieser Zeit die St6rung nur gelegentlieh zum Vor- sehein. Dasselbe gilt ftir die anderen Teilfunktionen der Sprache. Es kann ganz allgemein gesagt werden, da~ in ihrem gegenseitigen Verh~iltnis keine wesentliche -~nderung aufgetreten war. Uber die Einzelheiten wird im folgenden n~her beriehtet werden. Was das augerspraehliehe Verhalten anbelangt, so konnte in dieser Zeit kaum irgendein Defekt festgestellt werden° In seinem Gesamtverhalten bo tde r Patient eine vollkommen geordnete Pers6rdiehkeit, wie ja aueh sehon zu J~eginn der StSrung in dieser Riehtung kaum irgend etwas Auffallendes beobaehtet werden konnte. Es soll nun im folgenden das Verhalten in den Einzelleistungen der Sprache genauer besproehen werden.

I n der Phase der Riiekbildung, die wit hier vor allem bespreehen wollen, ist das Spraehverh/~lgnis im allgemeinen in der gew6hnliehen Konversa t ion reeh~ weitgehend e rha l ten ; so kann mit dem Pa~ienten eine lange Zeit h indureh die Konversa t ion ansgandslos gefiihrt werden; aber ganz pl6tzlieh k o m m t es bei einer Frage, die nieht komplizierter sein muB als eine ge ihe vorhergehender, zu einer vSlligen Ratlosigkeit des Pa t ien ten , er sehaut den Examina to r verst~ndnislos an, und vermag keine Antwor t zu geben. Ahnliches finder man, wenn man isoliert das Wort- verstS, ndnis priift. So faBt er eine ganze Reihe yon WSrtern p rompt und riehtig auf und versagt dann ganz pl6tzlieh bei einem anderen Worte . Bei dem Versuche festzustellen, ob versehiedene Ar ten yon W6r te rn bei der Anffassung versehieden groBe Sehwierigkeiten maehen, k a n n erhoben werden, dab wohl im al lgemehmn sehr gebr£uehliehe WSrter besser vers tanden werden als weniger gebrauehliehe, dab KonM-eta yon dem Pa t i en ten besser vers tanden werden als Abstrakta , - - so werden z. B. die Bezeiehnungen bekannte r Zimmergegenst~nde yon dem Pa t i en t en fast stets riehtig vers tanden, w£hrend das Wor t Wendung, Lnstgef-iihI usw. entweder nieht sofort oder f iberhaupt nieht a~ffgefal3t werden kann . Es l~13t sieh weiter feststellen, dab insbesondere bei zusammengesetz ten WSrtern wie z .B . Ziegelstein, S t immzet te l usw. verh/~ltnism/~Big viel Versager vorkommen. W e n n aueh dieses Verhal ten im allgemeinen zu- trifft, so siehg m a n wiederum h/~ufig genag, dab aueh ffir sehr gebrg,nch-

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liche und knrze W6rter manchmal das Verstandnis v611ig abgeht. Ver- suchen wit nun den Innenvorg/tngen bei den P~eakgionen nachzugehen, in denen er das Wor t nicht erfaBt, so ist die v611ige l~atlosigkeit des Pa t ien ten vor allem auff/~llig. Er sieht den Prii_fer ratlos fragend an, und ver langt gew6hnlich, dab man das Wor t noch einmal wiederhole. Wird er nun aufgefordert, das, was er geh6rt hat, wiederzugeben, so bleib~ er vielfach bei einem Sprachansatze stehen und nut unter siehg- lieh s tarkem Widerstreben ist er dazu zu bringen, der Aufforderung zum Naehloroduzieren des Geh6rten naehzukommen. Zumeist gelingt es aueh trotz energisehen Stimutierens nicht, ihn zu einer Naehprodukt ion zu bewegen. Es ist ihm ganz offenbar peinlieh, es kostet ihn siehtlieh eine grol3e Uberwindung, an eine derartige Aufgabe, die er naeh seinem Gesamtverhal ten zu schlieBen, yon vornherein zum Scheitern best immt glaubt, aueh nur heranzugehen. So bekommt man also in einem Grol3- tell der Versuche fiberhaupt keine Reaktion. Fragt man ihn unter diesen Umst/inden, ob und was er eigentlieh geh6rt habe, so pflegt er anzugeben, dab ibm das Wor t v611ig i remd vorgekommen sei. Wenn man nun das Wort , das er sichtlich nicht aufzufassen imstande war, in ver- sehiedenen Interval len wiederholt, so kommt es sehlieftlich nieht selten dazu, dab er das betreffende Wor t auffal]t und gleiehzeitig damit aueh riehtig wiederholt. Andererseits fiihren aber wiederum aueh vielfaehe Wiederholungen desselben Wortes nieht zum Verst'~ndnis, eben so wenig zum Versuche einer Wiedergabe. Aus Versuehen, die unter diesen Um- standen doch zur Naehproduk~ion f~hrten, sollen einige Beispiete angefiihrt werden, da sie geeignet sind, die Innenvorgange noeh welter zu beleuehten. Beim Worte ,,Lustgefiihl" neigt er beim ersten Vorspreehen den Kopf, wie um besser zu h6ren, aufgefordert das Vorgesproehene zu wiederholen, bringt er erst niehts heraus; beim zweiten Vorsprechen setzt er mit , ,T" an, naeh einer Pause bringt er Sticker heraus, naeh einer Weile Lustigkeit. Beim dri t ten Vorsagen kommt Lust heraus. Es wird ihm das Wort Stimm- zettel vorgesproehen, Pat ient ist erst nieht zum Naehspreehen zu bewegen, auf wiederhotte Aufforderung anzugeben, wie es ibm vorgekommen sei, meint er schliel31ich, es sei so ~hnlich wie , ,Kortner" gewesen, zeigt dabei auf den Korkzieher eines 5Iessers. Beim zweiten Vorsagen sprieht er leieht vor sieh bin , ,St imm", er ist aber nicht dazu zu bringen, das vorgesagte Wor t laut naehzuspreehen. Es wird ihm das Wor t ,,Kellerei" vorge- sloroehen. Der Pat ient sehaut erst verst~ndnislos vor sieh bin, setzt naeh einer Weile mit ,,S" an, stoekt sofort und kommt nichg weiter; hierauf verlangt er spontan vom Examinator , er m6ge das Wor t noeh ehlmal vor- spreehen. Bei Wiederhohmg dutch den Examina to r fiigt er gleieh hinzu, er wisse idcht, was das ist, es sei so wie Ziegelei oder ~olkerei. ,,Es schaue so aus" ; er setzt mit Ziegel an, verlangt, dab das Wort. noeh einmal langsam vorgesproehen werde. Es wn'd Miene vorgesproehen, Pat ient sehaut vor sieh bin, gefragt, meint er, er h~tte es noeh nichg riehtig

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aufgenommen. (Wie haben Sie es denn aufgenommen ?) Z6gernd: Wildnis. (Habe ich dieses Wort gesagt ?) So ~ihnlich. Es wird das Wort noch einmal vorgesproehen. Wiederum keine Reaktion~ nur hilfloses Vorsiehhin- schauen. (Wie war das Wort ungef~hr ?) ,,Noch einmal bitte !" Es wird noch einmal wiederholt. Der Patient sagt etwas Unverstiindliches in leisem, z6gernden Tone, schiittelt aber sofort den Kopf. (Wie haben Sie es verstanden ?) Unsicher: ,,Ein Meil3el." Es ~Srd nochmMs vorgesproehen, Patient bringt nichts heraus, auf die Frage, wieviel Silben das vorgespro- chene Wort habe, meint er, noch nichts. Als es nun nochmals vor- gesagt wh'd, sagt el" z6gernd und undeutlich 3fienen. Auf die Frage, ob er wisse, was es bedeutet, schfittelt er den Kopf. Es wird ihm das Wort unter mehreren anderen schriftlich exponiert, er zeigi sofort darauf und gibt sofort itber Aufforderung die Sinnerkl~irung. Es wird Erbse vorgesprochen, will erst nicht zum Nachsprechen ansetzen, bringt dann auf Stimulierung z6gernd ,,Er" heraus und halt sofort ein. Auf noeh- maliges Vorspreehen meint er, ,,das geht noch nicht gut", auch auf Auf- forderung es nm" so ungef/ihr zu wiederholen, ist er nieht zn einem Nach- sprechversuch zu bewegen; atLf die Frage, ob er den Sinn des Wortes erfal3t habe, verneint er. Wie es ihm denn vorgekommen sei, meint er, so geschwollen, der Khmg sei nieht richtig gewesen, es sei so wie ein ganz fl-emdes Wort gewesen. Auf nochmaliges Vorsprechen gibt er Erb . . . E r b s . . . Erb . . . und schliel31ich Erbsen wieder. Als er nun ge- fragt wird, ob er es jetzt auch schon verstehe, bejaht er und gibt aueh die entspreehende Erkl£rung. Setzt auf Befragen hinzu, dab er es jetzt erst aufgefal3t h~tte. Die Priifung des Lesens zeigt, wie sehon hervor- behoben win'de, im allgemeinen eine recht g-roBe Gelgufigkeit; aber aueh da ist zu beobachten, dall einzelne W6rter nur unter gr613eren Schwierigkeiten gelesen werden k6nnen. Die Schwierigkeiten treten sicht- lich dann besonders hervor, wenn das schriftlich Exponierte nicht auf- gefal~t werden kann. Es konnte weiter festgestellt werden, dab jene W6rter, die beim Vorspreehen weder nachgesprochen noeh aufgefal3t werden konnten, bei der schriftlichen Exposition zwar richtig gelesen, aber im allgemeinen a ueh nieht verstanden werden.

Wenn wir die Reaktionen des Patienten in den F~illen n~her be- trachten, in denen er dazn gebracht werden kann, Nachsprechversuehe zn machen, so sehen wir, dab das Naehgesprochene seiner artikula- torischen Gestalt nach meist v611ig versehieden ist yon dem vorgespro- chenen Worte. Wir wollen ~ron jenen Versuchen absehen, bei denen das Wort anstandslos und richtig nachproduziert werden kann, und nar festzuhalten, dab dies in der iiberwiegenden Mehrzahl der yer- suche der Fall ist, dab also der Patient m~r relativ selten versagt. An den Fehh'eaktionen lassen sich zwei Typen voneinander unterseheiden. In dem einen sehen wh', dab ein dem vorgesprochenen Worte ganz un£hn- liches nachproduziert wird, im anderen lassen sich gewisse Beziehungen

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zwisehen exponiertem und naehgesprochenem Worte erkennen. Als Beispiel des letzteren mSge der Versueh mit dem Worte Kellerei herangezogen werden; unter sichtlieher Unsieherheit und nur auf Dr~ngen gibt der Patient an, es sei ibm so vorgekommen wie Ziegelei oder ~Iolkerei, , ,er wisse nieht was es ist, es sehaue so aus". Er hat also offenbar die 3/[elodie, die phonetisehe Gestalt des Wortes erfagt, er konnte abet zur Differenzierung des Wortes nicht vordringen. Er kam his zur rhyth- mischen Gesgalt des Wortes, es entsprieht die Silbenzahl des vor- sehwebenden Wortes genau der des vorgesproehenen, er hat die bei diesem Worte besonders betonte Endsilbe aufgenommen und sie ist ihm gegen- wartig, abet das v611ige Erfassen und tIaben der Wortgestalt in seinen einzelnen Elementen fehlt ihm. Der Ablauf ist etwas anders, wenn er ver- sucht, das Wort Erbse wiederzugeben ; hier ist nut die betonte erste Silbe vorhanden, er setzt mit ,,Er" an und kommt nicht welter und erst nach mehrmaligem Vorspreehen entwiekelt sieh die vollstandige Wortgestalt. Beim zweiten Typus wird ein dem Vorgespr0ehenen der Gestalt nach v611ig unghnHches Wort wiedergegeben; es lassen sieh kaum irgendwelehe Be- ziehungen herstellen, wenn er bei dem vorgesproehenen Worte ~[iene ,,Wildnis" oder bei dem WorSe Lustgeffi_hl ,,Sticker", beim Worte Stimm- zettel , ,Kortner" (Korkzieher) wiedergibt. In beiden Fallen war er nicht imstande, die Wortgestalt zu erfassen; wahrend im ersten Falle nut die Dffferenzierung ins einzelne ansgeblieben ist, hat es im zweiten Falle den Ansehein, als ob der Patient iiberhanpt nieht aus dem Vorgesproehenen sehSpfen konnte.

Ziehen wit mm zur weiteren Beurteilung der gesehilderten Reaktionen sein iibriges spraehliehes Verhalten heran, so muB vor allem hervorgehoben werden, dab der Patient in allen seinen Sprachaugerungen stark gehemmt erscheint, er spricht spontan sehr wenig und dtirftig und siehtlich unter groBem innerliehen Widerstreben und immer nut das Notwendigste, ver- wendet ganz kurze S~tze, ohne dab er einen Tele~ammstil gebrauehen wfirde. Aueh beimBezeiehnen hat man das Gefiihl, dab es ihm eine gewisse ~berwindung kostet, wenn er zum Spreehen ansetzt, was um so starker zum Ausdruek kommt, je weniger und unsicherer er das Wort parat zu haben seheint. ~ a n kann also yon einer ausgesproehenen Redeunlust spreehen, die bei allen seinen spraehliehen Funktionen, ganz gleiehgtiltig, ob es sieh um produktive oder reproduktive Leistungen handelt, in Er- seheinung tritt. Diese Sprachunlust steigert sieh in auffallender Weise dan_n, wenn er das zu Entaul3ernde nieht sicher zu haben seheint, wobei noch eine motorisch anmutende Komponente hinzukommt; man hat den Eindruek, als ob aueh die Gelaufigkeit, das Artikulatorisehe nicht reeht gelingen wollte, es kommt zum hesitierenden angestrengten Spreehen, das manehmal einen explosiven Charakter annimmt. Im Dialog der ein- faehen Konversation gehen seine Spraeh~ugerungen am fliel3endsten, es ist yon der als Hemmung wirkenden Spraehunlust am wenigsten zu merken.

Z. f. d. g. Neu t . u. Psych . 141. 11

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Schon mehr kommt sie zum Ausdruck, wenn der Patient etwas darstellen beschreiben oder schildern soll. Die Sprechpausen, die sich dabei ein- schalten, sind mehr zwischen den einzelnen Sgtzen, so dab man den Eindruck gewinnt, dab der Patient immer eine Zeit verbringt, um einen Gedankengang zu formulieren and nach AbschluB dieser Vorbereitung recht gut, in einer zwar kurzen, doch relativ prggnanten Form, den Satz zur Entgul~ergng bringt. Am auffglligsten kommt die Sprachunlust und das ZSgernde, Schweff£llige beim Bezeichnen hervor. Das ist zugleich unter seinen Spontanproduktionen die Funktion, bei der am hgufigsten sprachliche Entgleisungen aufzutreten pflegen. Diese Verhaltungsweise ist abet nicht nur eharakteristisch for die letzte Zeit der Beobachtung, die hier ganz besonders herangezogen wurde, sondern auch for den Beginn und weiteren Verlauf der Erkrankung. Es zeig~e sich yon allen Anfang an das hier hervorgehobene Grundverhalten.

Wenn wir uns erst fragen, was dem mangelhaften Spreehen, der mangelhaften Sinnerfassung zugrundeliegt, so scheint es naheliegend, anzunehmen, daB er das , ,Wortklangbild" nicht erfaBt und dab es an der sinnlichen Vorstellung mangeln kSnnte, wenn er bei einzelnen WSrtern in seinen exekutiven spraehlichen Leistungen versagt. Dafor wiirde ins- besondere spreehen, daB wir an dem Patienten verschiedene Grade des Wortklangerfassens veffolgen kSnnen, die die yon A. Pick aufgestellte Stufenfolge teflweise wiedergeben. Man wgre vielleieht versueht, darin das Wesen der StSrung zu sehen. Wir k5nnen daraus aber doch nur so viel schlieBen, dal3 es verschiedene Abstufungen in der Differenzierungs- fghigkeit des gehSrten Wortes gibt, ebenso wie das gesprochene Wort in mehr oder geringerem Grade differenziert vorhanden ist. Es ergibt sich daraus aber noeh nieht, dab eine kausale Verkniipfung zwisehen mangelhafter Klangauffassung und mangelhafter Sinnerfassung bestehen muG. FOr eine derartige Auffassung kSnnten vielleicht die Angaben des Patienten sprechen, so, wenn er sich ausdriickt, daB der Klang des Wortes nieht riehtig gewesen sei, dab ihm das Wort wie gesehwollen vork~me. Was nun diese Selbstsehilderungen des Patienten betrifft, so scheint es mlr allerdings notwendig, ihnen mit mehr Mi~trauen zu begegnen, als es vielfaeh getan wird. Wir haben ja psychologiseh sehr komplizierte Vor- g~nge vor uns, deren Feinheiten zu unterscheiden und auszudriicken selbs~ vollkommen spraehtiichtigenPersonen sehr schwer fallen dorfte. J a selbst fOr psyehologisch geschulte Personen dorfte es nieht leicht sein, die dabei stattfindenden Innenerlebnisse in prggnanterer Form wiederzugeben. Daxauf l~Bt es sich wohl aueh zuriickffihren, dab die Angaben unseres Patienten vielfaeh fOr eine psychologisehe Verwertung keineswegs ein: deutig sind; denn andere J~uBerungen des Patienten scheinen wieder eine vSllig andersartige Erklgrung zu geben, so, wenn er sagt, das Wort kgme ibm wie fremd vor, oder, dab er den Klang hSre, aber nieht richtig wisse, was es sei. (Ira Sinne des Bedeutens.) Es ist also gewil3 sehwer, aus

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den Setbstschilderungen des Patienten ein richtiges Bfld fiber die Innen- vorg£nge zu gewinnen. Gegen eine StSrung, die primar in der aknstischen Vorstellung des Wortes gelegen ist, spricht sein Verhalten beim Lesen. Wenn auch der Leseakt im allgemeinen ungestSrt ablauft, so ist das Verstandnis des Gelesenen nicht immer vorhanden; es zeigen sieh dabei ungefahr dieselben Mangel wie beim akustisch aufgenommenen Worte. Charakteristiseherweise konnte nun bei einzelnen jener WSrter, die weder verstanden noeh aueh nachgesprochen werden konnten, an gleiehzeitigen Versuehen nachgewiesen werden, da~ zwar das Lesen korrekt ablalfft, dal3 aber das Verst~ndnis fiir das Gelesene ausbleibt. Aus dem in Be- tonung korrekt gelesenen Worte m i i ~ e man doch sehHet3en, dat~, wenn das fehlende ,,Klangbild" die Ursache fiir die mangelhafte Sinnerfassung ware, sich in diesem Falle die Bedeu~ung einstellen mii~te. Wenn dies nun nieht zutrifft, so kommt man yon der Ansehauung nicht los, dal~ eine StSrung zugrunde liegt, bei der der sinnliche Faktor nicht die wesent- liche Rolle spielt, die tiefer eingreiit als blo8 in das Niveau einer sinnliehen Reprasentation.

Wie immer man sieh auch die mangelhafte Alfffassung des Ge- sprochenen vorstellen mag, fiir die produktiven wie auch ffir die repro- duktiven spraehlichen Leistungen kann man wohl ganz allgemein an- nehmen, dal3 das Nich~parathaben der einzelnen Wortgestalten mi~ ihrem Bedeutungsinhal~, die mangelhafte bzw. die fehlende Determinie- rung der einzlenen Elemente, die in dem einen Falle ein mangelhaftes inneres Haben, in dem anderen Falle eine mangelhafte ~achentwieklung nach sich zieht, unseren Patienten in seinen Entau~erungen behindert. Zudem tr i t t nun n0eh hinzu, dal3 er offenbar Unentwickeltes, Undiffe- renziertes zuriiekdr~ngt und nut das zur Entaul3erung bringt, was er tatsachlich sieher hat. So kSnnte man sieh vielleicht sein Gesamtverhalten damit erk]aren, dal3 ihn seine Einsicht fib- den Defekt, die zweifellos in hohem MaBe besteht, zur Ablehnung und zum Zurfickdrangen fiir das spraehlieh fehlerhaf~ Auf~auehende veranlaB~. Es wfirde damit ein mehr oder weniger bewuBter Vorgang bestimmend sein. Eine Reihe yon Reak: tionen weisen jedoch auf einen viel elementareren Vorgang hin; so laBt es sich z. ]3. mit der Einsieht allein nieht hinreichend erklaren, dal3 er aueh dann mit der Spraehe nieht herauskomrnt, wenn ibm der spezielle Auf- trag ohne weiteres gestatten wiirde, aueh das Fehlerhafte zu entaul3ern.

Wenn wir uns noch einmal die Frage vorlegen, warum das Naehsprechen bei einze]nen Versuehen nieht gelingen will, bzw. warum das starke Widerstreben sehon gegen den Naehspreehversueh besteht, so seheint ein wichtiger Faktor in der fehlenden Sinnerfassung zu liegen. Sehen wit doeh, dab der Patient immer dann erst zur Reproduktion des Wortes anse~zt, wenn ibm aueh die :Bedeutung des Wor~es klar ist. Es besteh~ als zumindest ein strenger Parallelismus zwisehen Sinnerfassung und Naehspreehen. In einer l%eihe yon Versuehen hat es den Ansehein,

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wie wenn er die Wortgestelt schon recht weitgehend h£tte und dab gerade die fehlende siehere Bedeutungszuordnung die weitere Differen- zierung des Wortes behindern wiirde. So k6nnten wir mit einer gewissen Berechtigung yon einem Naehspreehen fiber den Sinn sprechen, oder wie Goldstein hervorhebt, annehmen, dal~ das Naehspreehen dutch die Ein- stellung auf den Sinn behindert sein kSnnte. Es mag ein derartiger Erkliirungsversuch fth" das Naehsprechen plausibel erscheinen. Wir dtirfen abet nieht alfl~er acht lassen, dab wit es bei der St6rung des Nachsprechens nur mit einer TeilstSrung zu tun haben; es wird daher erst der Versueh gemacht werden miissen, sie dem Gesamtablauf einzuordnen, lViir diesen w~re nun folgendes hervorzuheben: w~ihrend im Normalen eine weit- gehende Erg~nzlmgsbereitschaft zum sinnvollen Wo1~e besteht derart , daf~ jedes undeutlich Geh6rte sinnvoll gedeutet zu werden pflegt (es sei auch auf das bekannte Ubersehen yon Druekfehlern und an ghnliehe experimentelle Versuehe beim Lesen erinnert), ist bei unserem :Patienten die Verarbeitung der klanglichen Gestalt zum sinnvollen Worte in dem Sinne abge/indert, dai~ erst eine ganz pr~zise Aufnahme des ,,Klang- brides" die ]3edeutungsverleihung zu erm6glichen scheint. Bezeichnend dafiir ist, wenn der Patient bei einem vorgesprochenen Wort erkl£rt, ,,es sei noch nichts", ,,es sei nicht richtig" und die Wiederholung verlangt. Der Pat ient erlebt sozusagen das Wort ers~ dann, wenn Wortgestalt und Bedeutung in vollkommener Weise vorhanden sind und erst unter diesen Bedingungen tri t t der Impuls zur Ent~uBerung auf. So wie sieh diese allgemeine Verh~dtungsweise in der Verarbeitung des geh6rten Wortes dokumentiert , so l~if3t sieh seine Auswirkung aueh an allen exekutiven sprachlichen Leistungen nachweisen. Sowohl in seiner Spontansprache wie am Nachsprechen kommt es in gleicher Weise zum Ausdruek. Es braucht nut a~tf die immer wieder hervorgehobene Eigenart seines Sprech- ablaufes hingewiesen zu werden, um dies deutlich zu machen. Beim Nachspreehen ist der Vorgang insofern leichter ablesbar, als die Flfissig- keit und die Gel£ufigkeit in der "Wiedergabe des vollkommen erfaf~ten Wortes im besonderen Kontraste steht zu seinem Verhalten, wenn ihm Wort und Bedeutung fremd bleiben, es wurde darauf bereits ausfiihr- lieh eingegangen. Ganz ~hnlich wie das Nachsprechen verhalt sieh das Bezeiehnen; auch bier sehen wir neben der gro~en Reihe der richtigen :Bezeichnungen, die artikulatorisch ganz gel~ufig ablaufen, den Patienten immer wieder dann ins Stoeken geraten, wenn er das Wort nieht voll- kommen zur Verfiigung hat ; zu Beginn der Beobachtung, also auf dem HShepunkt seiner aphasischen StSrung, kommt es dabei relativ h£ufig zu paraphasischen Entgleisungen; sie charakterisieren sich dureh wieder- hotte Versuche, korrigierend das richtige Wort zu finden. I m weiteren Verlaufe ni~bern sieh die l~eaktionen immer mehr den beschriebenen beim Naehspreehen. In der spontanen Spraehentwicklung, in der Dar- stellung und in der Konversation zeigt sieh der Gegensatz darin, daf~

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ainerseits das Spreahan ohna Erschwerung gel~ufig und fast ohne h'gend- welahe Wortentgleisungen oder sonstige ~I£ngal abl/iuft, andarerseits wiederum ganz plStzlich eine Sperrung aintritt und wenn dar Patient schliel~liah doch in einer darartigen Situation zum Spreehen gebraaht wird, so kommt eine Entgleisung hervor. Besonders beachtenswert ist, dab aueh in der Zeit der sahwersten StSrung, sowohl in der Darstellung wie in der Xonversation nur relativ selten und nur geringffigige Para- phasien auftreten. Das Zuriickgehen der Erseheinungen/~ui3ert sieh bei der Spontanspraehe hauptsaehlich in einer Verringerung der Sprech- pausen und ~Naehlassen der Sperrungen. Nur das Lesen verhalt sieh inso- fern anders, als zwar so wie beim gesproehenen Worte das Verst~ndnis ab und zu ausbleibt, aber der Spreahakt des Lesens selbst fast stets ungestSrt abl£uft. Allerdings kSnnen wit annehmen, dab bairn Lesan dem Patienten Ums~ande zu l-Iilfe kornmen, die nut beim Leseakt zur Geltung kommen; wir kSnnen deshalb bei der Allgemeinbetraehtung yore Lesen absehen. So l~iSt sich wohl sagen, dal] sowohl die Aufnahme des GehSrten wie auch insbesondare dar Sprechablanf unseres Patienten in einer bestimmten Art abgegndert ist; man kSnnte yon einem Alles ader l~iehts-Gesetz spreehen; es besteht die Tendenz, nur das zur Ver- arbeitung bzw. zur Ent~iuBerung zu bringan, was in spraehlich einwand- freier Weise vorhanden ist. Im sehlieSliehen Endaffekt, beurteilt nach der Auswirkung des ver~nderten Ablaufes, wiirden wit etwas ahnliches vor uns haben, wie dan naeh Isserlin aus der Sprachno~ harvorgegangenen Telegrammstil der motorisah Aphasisehen. An Stelle des Telegramms~ils k~me in unserem Falle fiber eine allzu griindliche Sprachvorbereitung, die nut das liiakenlos vorhandene bereitstellt, eine karge, dnrch kurze S~tze und Iange Pausen charakterisierte Slorache zustande. I)iese eigen- artige Verhaltungsweise unseres Patienten wiirde als eine Einstel]nngs- ~nderung zu dem Defekt in den spraehliahen F~higkeiten hinzutreten. DaB wir einen solchen noah zugrunde legen miissen, geht wohl ohne weiteres aus den Ausfiihrungen hervor; fiber die Art desselben haben wit uns bereits auseinandergesetzt.

Zur weiteren Beurteilung der innersprachliahen Vorg~nge wandtan wit die schon friihar beschriebene IY[ethode an, dab wir dem Patianten sehrift- lich oder miindlich einen Anfangsbuchstaben oder eine Silbe botch, aus denen ar m6glichst viele W5rter zu bilden hatte. Dem stellten wir gleieh- zaitig die Aufgabe gegenfiber, best immtan 0berbegriffen wie Haustieren, Bgumen, Getrgnken usw. die einzelnen Unterar ten zuzuordnen. Wghrend er nun die arste Aufgaba nnr /~uBerst mange]haft 15ste, er brachte meist in einer Zeit bis zu einer halban 8tunde nur 3- -4 WSrter zustande, die Zwischanzeiten zwischen den einzelnen Wortbildungen betrugen oft mehr als 5 Min., zeigte er bei der zweiten Aufgabe sehr gute Resultate, die normalen Leistungan nieht viel naehstanden. Reeht prompt und in relativ groBer Zahl stelltan sich die zugeh6rigen Wortbildungen ein. Diese

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Ergebnisse zeigen miteinander verglichen jedenfalls soviel, dab es dann, wenn eine gedanMiche bzw. begriffliche Ffihrung da ist, um vieles leichter zur Bildung yon sinnvollen WSrtern kommt, als wenn jede begriffliche Bestimmung, jede Richtung fehlt, wenn der Patient vollst£ndig aus sich heraus zu entwickeln hat. Aber nicht nur yore Gesichtspunkte des ~/iBverh~ltnisses dieser beiden LSsungen sind diese Ergebnisse yon Inter- esse, sondern vor allem sehon durch das hoehgradige Versagen bei der ersten Aufgabestellung. Dem Normalen gelingg eine derartige Aufgabe ohne Schwierigkeiten, es setzt, wie wit uns an Vergleichsversuchen fiber- zeugen konnten, keine grSgere Intelligenz voraus. Wie wit schon in einer ff'fi_heren Arbeit ausftihrten, gesehieht die Wortbildung unter diesen Be- diagamgen vorerst so, dab yon einer Wortgestalt aus innerlich dutch Verschiebung einzelner Elemente probierend ~hnliche abgewandelt werden, his man auf ein sirmvolles, dem Sprachsehatz angehSrendes Wort stSBt; seltener diiffte wohl die Wortbildung yore Begriffe ausgehen. Man k6nnte nun in erster Linie daran denken, dab die Schwierigkeiten ftir unseren Patienten dadureh entstehen, dab die lautliche Verschiebung gelitten hat. Dies w~'de um so eher in Betraeht kommen, als wit immer wieder darauf hinwiesen, dab auch sonst in seiner Sprache Schwierigkeiten zu beobaehten waren, die artikulatorischen StSrungen sehr nahe standen. So k51mte man das Verhalten unseres Patienten bei dieser Prtifung als ein Zeiehen dafiir ansehen, dab die M~ngel des Motorischen, St6rungen in der ,,Bewegungsvorstellung", die Unf~higkeit innerlich abzuwandeln, die Sprachentwickhmg ungfinstig beeinflul3t hat. Es k6nnte aber aueh die Abwandlung selbst stattfinden, aber der sehlieflliche Erfolg dadureh aus- bleiben, dab der Patient an den dabei auftauehenden W6rtern des Sprach- gebrauehes voriibergeht, dab sie ftir Jim ,,stumm" bleiben, ahnlieh wie auch einzelne akustisch gebotene W6rter nichts entsprechendes in ihm auszul6sen verm6gen. Fragen wit nach der Ursache dieses ,,Stumm- bleibens", so diirfte sie wohl darin zu suchen sein, dab das Wort nieht mit dem n6tigen Klarheitsgrad, mit der entspreehenden Bestimmtheit hervorkommt, die es einerseits als ein bestimmtes Wort des Sprach- schatzes erkennen laBt, andererseits ein bestimm~es Bedeutungs- erlebnis bei dem Patienten ausl6sen wiirde. In diesem letzteren Falle ist es besonders naheliegend, anzunehmen, dab die erwahnte Tendenz des ,,vollkommenen Erlebens" die Prodmktivitat des Patienten herab- gemindert hat.

Diese Ergebnisse lassen sich, da diese Aufgabe mtr an ganz bestimm~e Vorbedingungen gekniipft ist, auf die Sprache als Verstandigungs- und Ausdrueksmittel nieht ohne weiteres fibertragen. Irgendwelche StS- rungen im sonstigen motorischen Verhalten, so, wie es yon Griinbaum besehrieben wurde, kormten wir bei unserem Patienten nieht nachweisen. Wit haben also keinen gentigenden Grund anzunehmen, dab die St6rung der Sprache auf eine allgemeine St6rung im ,,motorischen Verhalten"

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zuri ickzufilhren wgre. Es w~re n u n noch die Frage aufzuweffen, ob n icht die StSrung ira Kinas thet i schen tier Sprache, in den , ,Wortbewegungs- vors te l lungen" das gesamte sprachliche Verhalten erklaren kSnnte. W e n n wit yon prinzipiellen E inwanden absehen, die m a n gegen eine derartige Vorstel lnng erheben k a n n - - ich verweise auch diesbeziiglich auf frfihere Arbei ten yon mir - - , so kSrmte eine solche Annahme zwar zur Erkl~trung des Defektes ira Sprachmaterial herangezogen werden, sie w/ire aber schon unzure ichend fiir das Verst/~ndnis des gegebenen Verhaltnisses in der StSrung tier einzelnen Teilleis~ungen zueinander. Noch weniger k a n n aber das Gesamtverhal ten unseres Pa t i en ten dami t allein gen~igend er- kl~rt werden. Zudem unterscheidet sich die GesamtstSrung unseres Pa t i en t en doch zu sehr yon dem gew6hnlichen Bilde einer motorischen Aphasie, die ja als die typische Vertreter in einer St6rung der , ,motorischen Vors te l lungen" angesehen wird.

Die Achsehen Zuordnungsversuche wurden zu einer Zeit durchgefiihrt, in der die SprachstSrung noch erheblich starker war. Es wurden 4 Tage auf die Ein- iibung verwendet, weitere 5 Sitzungen auf die Priifung. Zu einer vollkommen einwandfreien Zuordnung yon Figuren und Bedeutung kam es auch his zum Ende der Prfifungen nicht. Im allgemeinen last sich sagen, dab zwar die grobe Diffe- renzierung yon Wort nnd zugehSrigem Begriff stattfand, dab aber die einzelnen Beziehungen ab und zu miteinander verweehselt warden und der Bedeutungsinhalt nicht erschSpfend gegeben werden konnte. Da die Priifungen in eine Zeit fallen, die einige Monate vor den bier in Betracht gezogenen Untersuehungen liegt, so k6nnen die Ergebnisse fiir diese nicht verwertet werden. Es eriibrigt sieh deshalb, im gahmen der bier angestellten Analyse darauf naher einzugehen.

J. 3I., 53 Jahre, verheiratet, Homeopath, wurde Ende Oktober t931 an die Klinik eingeliefert. Nach den Angaben tier Angeh6rigen begann er knapp vor der Einbringung verwirrt zu sprechen, gab mlzutreffende Ant~vorten und da er seine Umgebung bedrohte, wurde vom Polizeiarzt seine Einlieferung an die Klinik beantragt. Im neurologischen Befunde ist aul3er einer Anisokorie reflektorischer Pupillentragheit, auffallend blasse temporale Papillenh~lfte rechts und fehlenden AehiUessehnenreflexen nichts sieher Pathologisches festzustellen. Die Seroreaktionen ergeben einen positiven Blut-Wa.R., im Liquor 80/3 Zellen im Kubikmillimeter stark positiv Pandy, Wa.R. yon 1--05 positiv. Paralysezacke im Goldsol und schwach positive Hamolisinreaktion bei Komplementzusatz.

Im Vordergrund des Bildes steht bei dem Patienten die Aphasie. Wir wollen vorerst die aphasisehe StSrung zu Beginn der Beobaehtung eharakterisieren. Die hauptsachlichste Teilst6rung ist die des Sprachverstdindnisses. Bei der Kon- versation kommt es tiberhaupt kaum vor, da$ man auf irgendwelche Yragen eine adi~quate Antwort yon dem Patienten bek&me. Die Sprache ist dabei yon schweren Paraphasien durchsetzt, es kommen hochgradige Wortentstellungen wie aueh Wortverwechslungen vor. Ein Sinn kaml aus seinen AntworCen nicht heraus- gedeutet werdem Neben den schweren Paraphasien macht sich eine erhebliehe Perseveration bemerkbar. Schon bei der Konversation falltes auf, dab der Patient auf jede Frage, die an ihn gerichtet v~ird, eine nicht endenwoilende Reihe yon sprachlichen Produkten hervorbringt. Es ist dabei weniger charakteristisch, dab er, wie man es zumeist bei den LogorrhOen zu sehen pflegt, in etwas iiber- stiirzter Weise ohne Pause W6rter und S&tze aneinanderreiht, sondern er pflegt ein Wort oder einen Satz zu beenden und jeweilig, als ob er noch etwas hinzu- zufiigen hatte, neue WOrter oder S&tze anzufiigen. Wenn so auch zwischen seinen einzetnen -4.ullerungen oft kteinere oder gr68ere Pausen eingeschaltet sind, so

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finder er doch kein Ende, bevor ihm nicht eine neue Frage Einhalt gebietet. Au/- forderungen, die an ihn gerichtet werden, vermag er in dieser Zeit nicht nachzu- kommen, dabei ist es ganz gleichgtiltig, ob man sich yon ihm aus einer Reihe yon exponierten Gegenst~nden einen zeigen l~l]t oder ob er irgendeinen K6rperteil zu zeigen hat oder ob ihm Auftr~ge in Satzform erteilt werden. ])as Bezeichnen yon Gegenst~nden bringt bei dem Patienten hoehgradige Paraphasien hervor, die mit der Bezeichnung des exponierten Gegenstandes in ta r keine spraehliche Beziehungen gebracht werden k6nnen. Bei diesen Leistungen kommt die vorher angefiihrte logorrh6ische Komponente fast ebenso zum Ausdruck wie bei der Konversation, sie ~ul3ert sich darin, dal3 der Patient jeweilig bei der Benennung eines Gegenstandes aueh wieder eine ganze Reihe yon W6rtern hervorbringt, in genau der gleichen Art, wie es frfiher beschrieben ~ r d e . Es scheint auch hier immer wieder, als ob der Patient zu Ende w~re, aber sehliel31ich fiigt sich immer wieder noeh ein Wort an, und das solange bis eine Unterbrechung dutch den Examinator erfolg~. Das Nachsprechen yon Vorgesprochenem ist vSllig unm6glich, ganz gleich- gliitig, ob Buehstaben, WSrter oder 8~tze vorgesprochen werden, auch hier wieder die Tendenz des Nichtbeendenk6nnens in ganz ~hnlicher Weise wie beim Bezeichnen. Versucht man durch mehffaches aufeinanderfolgendes Vorspreehen desselben Wortes eine Besserung des Nachsprechens zu erzielen, so kommt es manchmal vor, dat] das vorgesproehene Wort in der Masse des yon ihm reaktiv Gesproehenen in mehr oder weniger entstellter Form erseheint. ])as gleiche gilt fOr das Lesen. Es treten ganz dieselben Reaktionen auf, wie beim Nachsprechen und Bezeichnen, so dal3 wir nur das frtihere wiederholen mtil3ten. Irgendein Anhaltspunkt fiir ein Verstanduis yon vorgelegten Buchstaben und W6rtern besteht nicht. Da- gegen seheint es, als ob Ziffern ab und zu verstanden wOrden. Beim Diktat- schrsiben kommt es zum Sehreiben yon den Sehreibakt begleitenden Paraphasien. Auch das Kopieren yon sehriftlich Vorgele~em ftihrt meist zu gesehriebenen Paraphasien und nur ab und zu wird ein Buchstabe, meist der Anfangsbuchstabe, riehtig geschrieben, wobei er nach der Vorlage genau kopiert. Das Reihensprechen ist nur ftir die Zahlenreihe mSglieh, doch gelingt es auch da nicht immer, sehr h~ufig kommt er in Paraphasien, andere Reihen k6nnen yon ihm nicht hervorgebracht werden.

Soweit seine iibrigen F~higkeiten prtifbar sind, l~13t sieh folgendes erheben: Das iNachmachen von Bewegungen geht anstandslos, auch soleher, die eine kom- plizierte Motorik verlangen. Das Abzeichnen yon einfacheren Fig-uren gelingt prompt und ohne irgendwelche St6rung. Aus den dabei gebotenen Vorlagen in- einander gezeichneter Figuren l~13t sich ersehen, dal3 auch das Zerlegen dieser Figuren dem Patienten keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Dasselbe ergibt sieh bei der Aufgabe einzelne Tells einer Fig~ar zu einem Ganzen zusammenzusetzen, aueh hier kann keine St51~ng bei dem Patienten beobaehtet werden. Bei der Vorlage der Binnet.Bobertagschen Bilder kann man aus seinen Gesten sehliel~en, dab das Verstandnis fOr die dargestellte Situation vorhanden ist. Die Orien- tierung im Raume ist, soweit man aus seinem Verhalten an der Klinik schliefien kann, vollkommen intakt. Auch das Naehmaehen yon Bowegungen am eigenen K6rper zeigt jedenfalls keinerlei St6rung in der K6rperorientierung. In seinem Gesamtverhalten ist Patient an der Klinik bis auf eine etwas weinerliehe Stimmung, die vor allem dann hervorkommt, wenn er mit seiner Sprache nicht zurecht kommt, nichts Auffallendes. Was die Stellung zu seinem Spr.achdefekt anbelangt, so ist er in der Gesamtbeurteiinng einsiehtig. Die einzelnen Aul]erungen, die tier Patient fehlerhaft yon sieh gibt, werden abet nut gelegentlich als Fehler und Mgngel emp- funden. Im Gegensatz zu seinem spraehlichen Verhalten bei der Konversation und bei den Priifungen, die vom Arzt mit ihm vorgenommen werden, ze i~ der Patient keinen Drang zum Sprechen. Er ist mehr fiir sieh und sueht keinerlei AnschluB. W~hrend der dreimonatliehen Behaa~dlung des Patienten an der Klinik konnte

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eine Besserung im sprachlichen Verhalten nur in der ersten Zeit festgestellt werden, yon da ab blieb sein Zustand stabil, die wesentlichste Besserung machte sich im Sprachverst£ndnis bemerkbar, diese ging soweit, dab er aus einer kleinen Reihe yon exponierten Gegenstiinden die einzelnen beim Benennen fast durchwegs richtig zeigen konnte. Das Wortverst~,ndnis war aber schon reeht mangelhaft, wenn diese Auswahl yon Gegenst~nden nicht vorgenommen wurde, wenn der Patient z. ]3. beliebige Zimmergegenst~nde zeigen sollte. Auch in der Konversation machte sich die Bessemmg im Sprachverst~ndoAs insofern bemerkbar, als man bei einer Reihe yon Fragen, die an iha gerichtet wurden, meist durch seine begleitenden Gesten den Eindruck gewann, da~ er sie verstanden hatte. Doeh war das Verst~ndnis bei einer fortlaufenden Unterhaltung noch recht mangelhaft, so da]3 man sagen kann, dal3 er nut einzelnes verstand, dal3 aber tier Grol3teil an ihm ohne Versti~ndnis voriiberging. Ungefi~hr dasselbe Ergebnis zeigte die Priifung auf das Satzverst~ndmis, nur einzelne Auftrgge k6nnen yon dem Patienten richtig ausgefiihrt werden; ist der Auftrag l~nger und detaillierter, so werden die Details weggelassen. Eine weitere Besserung, die an dem Patienten zu beobachten war, bestand darin, dal3 die Ant- worten oder iiberhaupt seine sprachlichen J~ui3erungen auf ~ul]eren Reiz nicht mehr so sehr ins Endlose gerieten. Dies maehte sich bei allen seinen spraehlichen Aul3e- rungen bemerkbar. Vor allem wurde es beim Bezeiehnen und. beim Naehsprechen deutlich; hatte er frg_her eine fast unaufh6rliche Reihe yon Sprachliehem pro- duziert, so beschr~nken sich jetzt seine Au]erungen meist auf ein einziges Wort, nur seltener kommen mehrere W6rter hervor. Eine Besserung ist auch im Nach- sprechen selbst zu beobachten. Einzelne Buchstaben und Vokale werden schon richtig nachgesprochen und es gelingt ihm auch ab und zu ein Wort fehlerlos zu produzieren. Im iibrigen ist abet keine timderung gegen frfiher eingetreten.

Wenn ~ r die bestehenden St6rtmgen der Sprache zusammenfassen, so l~l]t sich folgendes sagen: es besteht ein sehr mangelhaftes Sprachverstandnis, hoch- gradige Paraphasien, Worten~stellungen sowie Wortverweehslungen, die sieh bei allen Arten yon sprachlichen Leistungen fast in der gleichen Weise zeigen. Es wird die Konversationssprache dadureh vollkommen unverst~ndlich, das Benemlen eines Gegenstandes erinnert meist auch nicht in entfemter Weise an die riehtige Bezeichnung, das Nachsprechen ist hochgradig gest6rt und nur ganz selten gelingt es, ein vorgesprochenes Wort richtig nachzusprechen, das Diktatsehreiben bringt paragraphisehe Entgleisungen, die denen der Spontansprache und des Nachspreehens gleiehen, ebenso das Schreiben nach Vorlage; eine Ausnahme machen nur die Zahlen, (lie, wenn es sich um einzelne Ziffern handelt, vielfaeh gut geschrieben werden. Das Lesen entsprieht ebenfalls ganz seinen iibrigen sprachlichen Leistungen, ebenso ist das Leseverst~ndnis fast vollkommen aufgehoben.

~¥as die Art des Prozesses anbelangt, so diirfte es sich wohl um eine Lues cerebri handeln. Wenn im serologischen Befunde die Goldsolkurve der einer Para- lyse entspricht, so kann wiederum die negative Wa.R. bei niedriger Auswertung fiir die Diagnose einer Lues eerebri herangezogen werden. Der klinische Verlauf und das klinische Bild weisen ebenfalls mehr auf eine umschriebene Erkran- kung hin. Im selben Sinne spricht vor aUem aueh die geringe Tendenz der Riiek- bildung der lokalen Ausfallserseheinungen und das klinisehe Gesamtbild des Patienten, das keine Zeichen einer diffusen Erkrankung erkennen l~13t.

Wir haben es hier, so wie im fri iheren Falle, mit einer Aphasie zu tun, die i m al lgemeinen als sensorische bezeichnet wird. U n d doch 1£13t sich im Gesamtbi ld kaum irgend etwas gemeinsames zwischen beiden Fii l len erkennen. Sowohl der Beginn der Erkrankung, wie auch der Verlauf der Ri ickbi ldung haben in beiden F/~llen ein ganz verschiedenes A]lgemeinge- pr~ge. W~hrend der eine :F~ll in seinem ganzen Verlaufe eine logorrh6ische

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F~rbung zeigt, sehr viel spricht, dort, wo nur ein einziges Wort als Antwort am Platze ist, in rascher Aufeinanderfolge einen ganzen Schwall yon WSrtern oder S£tzen produziert, ist der andere Patient im Kont ras te dazu sehr wortkarg, besehr~nkt seine AuBerungen auf das Notwendigste, er hat eine ausgesprochene gedeunlust , seine Sprache ist stark gehemmt. Und doch linden wir, wenn wir veto Gesamteindruck absehen und die einzelnen Teilerscheinungen prtifen, eine weitgehende ~'bereinstimmung. Es besteht in beiden F~llen als auff~lligstes Symptom "eine St6rung des Wort- und Satzverst/~ndnisses, in beiden F/~llen ist das Bezeichnen und das Nachsprechen recht auffallend gestSrt, werm auch die Intensi tgt der StSrung eine verschieden grebe ist. Man wird schon bei dieser sum- marischen Gegenfiberstelhng sagen kSnnen, dal~ man Bedenken erheben mug. gegen eine Anschauung, die das wesentliche Unterscheidungs: merkmal der einzelnen Aphasiebflder darin sieht, welche der sprachlichen Teilleistungen gestSrt sind oder nieht. Aber auch die Feststellung einer gehemmten Sprache in dem einen Falle, einer enthemmten im anderen bei sonst gleichartiger StSrung wird nicht beffiedigen kSnnen. So werden wir versuchen, nun auch in den Ylechanismus des zweiten Falles tiefer einzudringen.

Wenn wir vorerst die SP0ntan~uBerungen des Patienten zu charakteri- sieren versuehen, so f£11t eine Reihe verschieden zu wertender Produkte auf. Es setzt sich die Spontansprache aus ganz verstiimmelten, dem Spraehschatze nicht angeh6renden WSrtern zusammen, aus Entstel- hmgen, die noch die Wurzel eines sinnvollen Worges erkermen lassen, dann aus W6rtern, die sowohl den beiden angeffihrten Arten yon Wort- bildungen angeh6ren wie auch sinnvoll sein kSnnen und die entweder kurz naeheinander als Perseveration oder auch in zeitlieh weir aus- einanderliegenden Abschnitten immer wiederkehren und schlieBheh aus sinnvoUen WSrte rn oder auch kurzen S£tzen und Redensarten, die, was meist der Fall ist, in keinem sirmvollen Zusammenhang stehen oder aueh gelegentlieh Sinnvolles zum Ausdruck bringen. Was die ent- stellten Wortbildungen anbelangt, so ist es wohl das Niichstliegende an- zunehmen, dab wir es der Hauptsache nach, mit dem Ausdrueke des ge- sch£digten Sprachmaterials zu tun haben. Sie zeigen die versehiedenen Grade der mangelhaften Differenzierung der Wortgestalt, wie man es bei allen Formen yon Aphasie zu sehen bekommt. Bei den beiden letzten Gruppen, den perseveratorischen Erscheinungen und dem Auftreten sprachhch richtig formulierter Redeteile, wie sie auch immer wieder neben der Jargonsprache atfftreten, bedarf es zum Verstgndnis noch einer be- sonderen Beriicksichtigung des Sprachablaufes. Da wir mit dem Sprach- ablauf auf das wesentliehe Allgemeinmerkmal unseres Falles, auf die Logorrh6e stoBen, so werden ~i r uns erst einige Klarheit verschaffen mfissen fiber das Wesen der gesteigerten Sprachimpulse, zumal durch diese der zu besprechende Fall in besonderem Gegensatze zu dem ersten

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Falle tritt. Allgemein bekannt und vie[faeh akzeptiert ist die Ansicht Picks, der sich die Logorrh6e so zu erkl~ren versucht, dab es mit der Seh~- digung des sensorisehen Slorachzentrums zu einer Enthemmung des moto- rischen, zu einem Wegfall normalerweise bestehender Hemmungen, und so zu gesteigerten Sprachimpulsen kommt. Herrschmann stellt sich im Sinne P6tzls die LogorrhSe als eine innervatorische StSrung vor, wobei er annimmt, dab in der Riickbildungsphase der Sprachtaubheit die ge- samte Energie zur Restitution des sensorischen Sprachfeldes verwendet wird und die sonst bestehende Queffunktion auf das motorische Sprach- zentrum nicht zur Auswirkung kommen kann. Das eine kSnnen wir aus beiden Anschauungen entnehmen, dab der Sprachverlauf, der Spreehakt ein anderer ist als im Normalen. 1V[an mii~te j~ fiir den SpraehgestSrten yon vornherein annehmen, dab infolge des mangelhaften Sprachmaterials die sprachliche Vorbereitung viel mehr Schwierigkeiten zu iiberwinden hat ~ls im Normalen; w~re der Ablauf der sprach]iehen Entwieldung der gleiehe wie im Normalen, so miiBten sic h die AuBerungen der Patienten um vie]es ]angsamer bilden, die Reaktionszeiten sich bedeutend ver- l~ngern, man miiBte also das Gegentei! yon dem erwarten, was in diesen F/illen tatsaehlich besteht. Wenden wir uns nun wieder unserem Falle zu, so sehen wir, dab bei jedem Reizwort, bei jeder Frage seine Ant- worten sofort einsehieBen, ganz gleichgiiltig, ob mehr oder weniger Kom- pliziertes zugrunde liegt; die Reaktionszeiten sind allenthalben auf ein Minimum herabgesetzt, l~an gewinnt ferner den Eindruck, dab es nicht yon ]3elang ist, was als Frage oder ]~eizwort gew/~hlt wird; es kommt stets zu einer fast unaufh6rlichen Sprechfolge, die kaum in irgendwelchem Zusammenhang mit dem/~uBeren AnlaB steht, sich immer nut aus sieh selbst fortlaufend entwickelt. Daraus k6nnen wir ffir unserenPatienten folgendes entnehmen: Es ist unwahrseheinlich, sehon aus rein zeitlichen Gr/inden, dab das Geh6rte yon dem Patienten aufgenommen und verarbeitet wird; es miiBt~ denn sein, dab hier die innere Sprachentwicklung in besonderem iKaBe erleichtert ist, was man nicht annehmen kann. Es ist weiter wahr- seheinlieh, daB, wenn iiberhaupt, nur in ganz geringem l~¢[aBe eine Ein- stellung bzw. Aufmerksamkeitszuwendung auf das yon auBen Gebotene m6glieh ist, da beinahe ganz reflexm/~/]ig schon bei jeder Anspraehe sofort Sprachliches an die Schwelle tritt, daraul dr/~ngt eingesetzt zu werden und abznlaufen; dadureh dab also jede ~uBere Spracheinwirkung nur als Reiz und nur ausl6send fiir das eigene Spreehen wirkt, hat sie fox unseren Patienten ihre sonstige Rolle als Vermittlerin der gegenseitigen Verst~ndigung verloren. DaB dies f/it unseren Patienten tats&chlieh zutrifft, dafiir lassen sieh Beweise erbringen. Unter den versehieden- artigsten Bedingungen, in der Konversation, bei einzelnen Fragen and Auftr~gen, beim Nachsprechen, ohne Unterschied, ob er Vokale, Buch- staben oder Worte nachsprechen soll, beim Lesen unter denselben Varia- tionen wie beim Nachsprechen, auch dann, wenn es ganz deutlieh ist,

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dab er sich bemiiht, die Vorlage zu beriicksichtigen, kommen ahnliche sprachliche Gebilde, die, soweit sie kontrollierbar sind, eine geringe Varia- tion gebrauchlicher Phasen darsteilen, in derselben nicht endenwollenden Sprechfolge herans. In dieser Phase, in der alles yon den hochgradig gesteigerten Sprachantrieben beherrseht und fiberdeckt wird, k6nnen wir uns nur schwer ein Bild machen yon seinen tatsachlichen Sprachf~hig- keiten bzw. yon dem Umfange der vorliegenden StSmmg. Das eine geht jedenfalls aus den sprachlichen Au_3erungen des Patienten hervor, daft aneh das Sprachmaterial nicht entsprechend zur Vefftignng steht; wie welt hier Einschr~nkungen zu machen sind, darauf soll sparer noch znriiek- gekommen werden. In einer sp~tterea Periode mildert sich dieses Ubermag an Spraehantrieben wesentlich, wenn aueh noeh deu~lich die Tendenz zum Vielspreehen besteht, noeh immer ein yon ibm hervorgebrachtes Wort- oder Satzghnliches sieh anderen anreiht, das iiberflfissig und zuviel erscheint, ein Verhalten, wie es auch noch weiter besteht und das sich zu behaupten scheint. Immerhin gelingt es dem Patienten jetzt, werm die Aufgabe es erfordert, wie z. B. beim Nachsprechen, bei einem Worte Einhalt zu tun. Zugleich damit hat sich auch das Sprachverstgndnis gebessert. Nun kann man ffir unseren Fall keineswegs yon einer Resti- tution des sensorischen Sprachfeldes sprechen als Folge des Zuriiek- tretens der vermehrten Sprachimpulse (Herrschmann). Die fast isolierte, doeh aueh nicht sehr weitgehende Besserung im Sprachverstandnis, die eingetreten ist, laBt sich ohne weiteres daraus verstehen, dab der Patient nunmehr besser imstande ist, sich auf Gesprochenes einzustellen, dal~ die F~higkeiten der inneren Vorbereitung iiir die Verarbeitung nun- mehr dienstbar gemaeht werden kSnnen, was vordem nicht m6glich war.. W~hrend nun die Sprachauffassung des Pa~ienten zweifellos eine bessere geworden ist, ist die :Besserung der fibrigen Sprachleistungen nut eine sehr geringe; in der Konversation kommt sie noeh am ehesten zum Aus- druck, es gelingt dem Patien~en, etwas h£ufiger Sinnvolles zum Aus- druck zu bringen, die Paraphasien treten etwas zurfick; ein richtiges ]~e- zeiehnen, Nachsprechen und Lesen ist aber auch jetzt noeh fast v611ig unmSglich. Das beweist wohl, dab Zuriickgehen der Logorrh6e und Wiederherstellung der Funktion des yon Anfang an gestSrten Spraeh- gebietes nicht absolut parallel gehen.

Eine wichtige Tatsache scheint jedenfalls ans dem Verlaufe hervor- zugehen, dab fiir die jeweilige Strnktur des aphasisehen Brides zwei Faktoren "con wesentlicher Bedeutung shad, der eine, der mit dem Ablauf des Spreehens zu tun hat und in der ersten Phase zur Logorrhoe ffihrte, der andere, der die Sprachf~higkeiten ausmacht und der vor allem ftir die Art der EinzelfehlMstungen verantwortlich zu machen ist. ~Vir m6chten uns nun fiir unseren Fall die Frage vorlegen, wie wei~ eine Wechselwirknng dieser beiden Faktoren, die iiber das bisher Besproehene hinausgeh~, anznnehmen ist, und ob aus dem Aufeinanderwirken yon

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Sprachablauf und Sprachf~higkeit das aphasische Bild erk]~rt werden kann.

Zun~chst wollen wir yon einem bekannten Eindruek ausgehen, der sehon seit jeher yon den Beobachtern hervorgehoben wird, dab n~mlieh der logorrh6ische Aphasiker bei einer fliiehtigen Betraehtung ganz das ]3ild eines psychotisehen Reded_ranges bietet. ]3esonders seit den Arbeiten Kleists wurde immer wieder versueht, StSrungen der Spraehe, wie sie bei den verschiedenen psyehotischen Erkrankungen zur Beob- aehtung kommen, in Beziehung zu bringen zu den dureh Herderkrankurlg auftretenden aphasischen StSrungen. Wenn wit uns mi~ der Logorrhoe des Patienten besch~ftigen, so schein~ es aueh uns, dab es mehr als eine bloBe auBerliehe Ahnliehkeit ist, worin sieh die psychotische Sprach- stSrung der Herdaphasie n£hert; so diirfte es auch nieht unangebraeht sein, die beiden vergleiehend zu betraehten, l(onnten wit feststellen, dab bei unserem Patienten die Spraehe gar nicht mehr dem Zweeke der Verst£ndigang dient, so deckt sich das mit dem, was Heilbronner fiir alle Formen des prim~ren psychotischen Rededranges als gemeinsames ]Yierk- real herausgehoben hat; wenn wit bei unserem Patienten immer wieder ein nich~ endenwollendes Spreehen beobachten konnten, das sich dureh immer neu hinzutretende spraehliche Gebilde ausbreitet, so liegt bier nichts anderes vor, als die beim psyehotisehen Rededrang bekannten Anhangsel, die eberLfalls den Eindruek des IhlichtaufhSrenkSnnens er- wecken. Ganz analog dem psyehotischen Bride scheint aueh bei unserem Patienten der Satzbau selbs~ erhalten zu sein. So gibt sich also fiir beide Arten yon StSrungen fiir das hier hervorgehobene Teilbild der Sprache eine reeht weitgehende fJ-bereinstimmung, was um so begreifIicher er- scheint, als man nieht selten, besonders wenn man die Spraehe des Pa~ienten nieht sehr gut beherrscht, im ersten Augenblick reeht oft in Zweifel ger/~t, ob es sich um die Spraehverwirrtheit einer Psyehose oder um das ]ogor- rhSische Bild einer Aphasie handelt. Was mm den Inhalt des Ge- sproehenen anbelangt, so scheint es uns besonders hervorhebenswert, dab lleilbronner als einen t~Xoisehen Bes~andteil beim prhn~ren Rededrang reihenmaBige iProduktionen in ~Ibereinstimmung m[~ anderen Autoren gehmden hat, und dab er diese entsloreehend der klassisehen Auffassung als Eigenleistungen des motorisehen und sensorischen Sprachapparates kennzeichnet. Ebenso wird yon Beringer hervorgehoben, dab es einen Typus yon psychischen SprachstSrungen gibt, in dem ein fast nut im Sprachlichen ablaufendes Geschehen besteht, wobei der Reflex des Denkens objektiv fehlt und aueh im subjektiven Erleben fehlen kann, h/~ufig begleitet yon einem Spreehdrang. Es ergibt .sich also die Tat- saehe, dab bei einer Reihe psychischer St6rungen der Spreehablattf abge~ndert sein kann und die Ab/inderung den Spraehvollzug in einer Weise beeinflussen kann, wie wires bei der Aphasie im engeren Sinne zu sehen bekommen. Wenn die sprachliehen Produktionen beim psyehotisehen

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Rededrang als Eigenleis~ungen des Sprachapparates charakterisiert werden, so handelt es sich dem Wesen nach um nichts anderes als was wir fiir unseren Fall als den Mangel innersprachlicher Vorbereitung und Verarbeitung herausgehoben haben; gerade die Feststellung des reihenm~i[3igen Inhaltes des Gesprochenen beim psychotischen Rededrang erg~nzt die Erhebungen, die wir an unserem Patienten machen konnten und erschein~ um so wertvoller, als eine lfickenlose Fixierung des Inhaltes dureh die mit tier aphasischen LogorrhSe einhergehenden hochgradigen Wortentstellungen im allgemeinen sehr erschwert ist. Wit haben damit nut eine Teilerscheinung im aphasischen Bride unseres Patienten zu den SprachstSrungen der Psychosen in Beziehung gesetzt ; gegenfiber den Versuchen, die darauf abzielen, die aphasischen StSrungen und die Sprach- s~Srungen bei Psychosen unter einen einheitlichen Gesiehtspunkt zu bringen (Kleist, A. Schneider, Stoc]cert, Fleischhacker), m5chten wh" ffir unsere Gegenfiberstellung daran festhalten, dab wir nur den Sprachablauf aus der GesamtstSrung herausgegriffen haben.

Wir haben schon auf die beiden Faktoren hingewiesen, die uns das Bild des vorliegenden Falles zu best, immen schienen. Der eine Faktor, die Sf~Srung im Sprachmaierial, macht die S~Srung als eine aphasische kenntlich and l~I~ sie yon den vergleichsweise herangezogenen psycho- tischen Krankheitsbildern prinzipiell unterscheiden; der geanderte Sprach- ab]auf dagegen ist, wie wir gesehen haben, nicht nur der Aphasie eigen- tfimlich, er scheint mehr eine StSrung zu sein, die sich sozusagen yon aul]en dem Spraehdefekt im engeren Sinne hinzugesellt, mehr die allgemeine Reaktionsweise eines umschriebenen Funktionsgebietes. Noch eines kSnnen wit jetzt schon feststellen, d~l~ mit der blol]en Annahme einer Enthemmung oder einer innervatorischen StSrung als Erkl~rungsgrund- lage fiir die LogorrhSe die weitere Erkenntnis kaum eine F6rderung erfahren dfirfte, da damit gerade fiber die feineren Vorgange im Spraeh- ablauf, die uns zu einer tieferen Einsicht ffihren kSnnen, hinweggegangen wird. Die Annahme einer Enthemmung oder innervatorischen StSrung ist aber insofern auch irrefiihrend, als sie vor allem nur das ver/inderte Tempo, das Siehaufdr~ngen gegen den Willen, eben das Ungehemmte hervorhebt. Damit wird aber der tats~chliche Sachverhalt nur verschteiert. Denn es scheint uns gerade yon wesentlicher Bedeutung fiir die Bewertung der Logorrh~ie, dab die Leistung selbs~ eine Umgestaltung erf~hrt, dal] sie in einem ganz anderen sprachlichen Niveau abl~uft als unter normalen Bedingungen. Mit dem ver~nderten Ablauf hat sich zugleieh das Spraeh- liche sowohl in seinen Einzelelementen wie auch im Inhalte mitveri~ndert, das INiveau ist gesunken; sprachlich Undifferenziertes und Reihenmal]iges kommt besonders zum Vorschein. Man kommt also nicht mit der An- schauung aus, dab mit der Isolierung des ,,motorischen Sprachzentrums" dieses nun , ,enthemmt" arbeitet, man mul3 vielmehr annehmen, dal] sich die ~ gesamte Sprachleistung umgestaltet hat. Zudem ist noch

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folgendes zu erw~gen: t taben wit den Wegfall innersprachlicher Vor- bereitung und Verarbeitung als charakteristisch fiir die logorrhSischen Produkte unseres Patienten angesehen, so ffihrt eine weitere Uberlegung dahin, ob nicht dieser lV[angel allein schon zum Teile als die Ursache des vermehrten Rededi'anges anzusehen Jst. Wir haben sehon auf den Widerspruch hingewiesen, der zwischen den tats£chlichen innerspraeh- lichen Sehwierigkeiten unseres Patienten und der miihelosen Entauge- rung besteht. Mit der Umgehung der innerspraeh]iehen Vorbereitung hilft sich unser Patient nicht nur fiber die bestehenden Schwierigkeiten hinweg, sondern vereinfacht aueh zugleieh in hohem ±~¢lage seinen sprach- lichen Betrieb. Mit dieser Vereinfachung und l~eduk/ion der vorbereiteten Akte mug naturgem£g eine Erleichterung des Sprechvorganges erfolgen. Selbst wenn man eine prim&re Steigerung der Spreehimpu]se zugrunde legt, kann man jedenfalls soviel annehmen, dab diese durch den so ver- '~nderten Sprachablauf eine weitere F6rderung erf~hrt, iVIan kann abet auch nicht ausschliegen, dab beide l~aktoren als Parallelvorg~nge zu betrachten sind, die unabh~ngig voneinander in der gleiehen l%ichtung wirksam sind und sich in ihrem Endeffekt summieren.

Wenn wir nun die Einzelreaktionen unseres Patienten betrachten, so kSnnen die hochgradigen Wortentstellungen z.T. au~ das mangelhafte Sprachmaterial zurfickgeffihrt werden, z. T. werden sie aber dadurch be- dingt sein, dag infolge mangelhafter innerer Durcharbeitung und fiber- stfirzten Einsetzens eine Entwicklung, eine KontroUe und Korrektur nicht mSglich ist. So sind die Fehler gewig bedeutender als sie dutch den tat- s~chlichen Defekt im Sprachmaterial allein zustande kamen. Auch die Perseverationen des Patienten sind wohl ahnlich aufzufassen; der be- stehende Sprechtrieb wird das Bereitliegendste einsetzen, dag dann das eben Produzierte, noch kaum Abgeklungene sein wird, wenn nichts neues vorbereitet ist (Heilbronnerj. Wenn nun in der Sprache des Patienten immer wieder sinnvolle und sprachlich korrekte Redewendungen er- scheinen, so ist dami~ noch nieht gesagt, dag sic auf eine vorangegangene irmersprachliche Leistung, auf eine Formulierung zuriickgehen; wit kSnnen annehmen, dag ~hnlich, wie es ffir die Sprachreste gilt, auch einzelne gebr/iuchliche Phrasen gelegentlich, ohne sich wie die Sprachreste zu wiederholen, als starre Formeln produziert werden, auch ohne dag eine Beziehung der einzelnen Elemente, der einzelnen WSrter formulierend gesetzt wfirde.

Wenn wit auch immer wieder bei unserem Patienten tier Anderung im Sprechablauf eine wesentliche Rolle fiir das Zustandekommen des aphasischen Brides zugeschrieben haben, und versuchten, dies deutlich zu machen, so kSrmte vielieicht doch noch das bisher Gebrachte der vSlligen Klarheit und Pr~zision ermangeln. U m etwa fehlendes zu erg~inzen, scheint es uns vet allem fSrderlich, die Ergebnisse A. Picks heran- zuziehen, zu denen er bei seinem Studinm fiber den Weg veto Denken

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zum Sprechen gekommen ist. A. Pick war es darum zu tun, den innerspraehliehen Vorgang, der dem Sprechen vorausgeht, in seine ein- zelnen Teflphasen zu zerlegen und diese in ihrer zeitlichen Aufeinander- folge zu fixieren. Er kam so zu einem zeitlich geordneten, etappen- f6rmigen Aufbau, wobei jede Etappe einem bestimmten aphasischen StSrungstypus entsprechen sollte. Er ging dabei yore Satze als der der Spraehe zugrundeliegenden Einheit aus. Nun muB man wohl die 3[Sg- liehkeit zugeben, daI~ die aus der psychologischen Analyse gewonnenen Phasen im sprachlichen Aufbau in der Pathologie der Sprache wieder zl~m Vorsehein kommen kSrmten, wiewohl man gegen die summarisehe ~-bertragung normalpsychologischer Ergebnisse aaf pathologisehe Ver- haltnisse Bedenken nicht unterdriieken kann. l~[an wird vielleicht auch kaum annehmen k5nnen, was ja auch gewiB nieht den Anschauungen Picks entsprach, dab sich in der Pathologie StSrungen bestimmier Stufen der Spraehentwicldung in scharf umschriebener Form werden herausheben lassen. Die eine fiir uns prinzipiell wich~ige Tatsaehe ergibt sich aber aus den Forschungen A. Picks, dal3 es StSrungen in der sprachliehen Entwicklang, in der innerspraehliehen Verarbeitung gibe. Ist das tier Fall, so kann man sieh der Uberzeugung nicht versehlieBen, da~ es auch StSrungen geben muI3, in denen im Prinzip jede innersprachliche Entwicklung fortfi~llt, in denen Wort- und Satzhaftes auftaucht und eingesetzt wird, ohne dab es aus einer innersprachlichen Vorbereitung hervorginge oder zur innersprachlichen "vVeiterentwieklung fiihrte. Dies lal]t sieh vielleicht am besten an der Perseveration deutlich machen. Von diesem Gesiehtspunkt aus betrachtet wfirde sich das Haften als ein Vorgang kennzeiehnen, der in keiner Beziehung steht mit innerspraeh- lichem Gesehehen, wie es etwa unter normalen Bedingungen dutch die Woriwahl zum Ausdruek komm~; es schliellt das Sprachliche an Vor- gange an, die einem anderen Niveau, einem anderen Ablauf angehSren, vielleicht in tier Art, dal3, wie h4iher angeffihrt warde, gerade das Bereits- liegendste sich aufdrgn~. Aber auch die sprachliche Weiteren~wicklung ist yore perseverierten Worte aus gesperrt, so dab unter diesen Um- standen der gesamte sprachliehe Vorgang einem Automatismus sehr nahe kommt. So gelangen wit auch won da aus dorthin, wohin uns die Be- sprechung unseres Falles gefiihrt hat.

Nut ganz weniges ware noch fiber das Verhaltnis der spraehliehen EinzeUeistungen zueinander zu sagen. Wahrend im Beginn der Erkran- kung alle sprachlichen Funktionen in gleich hohem lVial~e gest6rt sind, so hat im spateren Verlaufe die Besserung des Sprachverstgndnisses die der exekutiven Leistungen deutlieh fiberholt. Wir werden das darauf zurfick- ffihren k6nnen, dab in diesem Stadium die angeffihrten Faktoren nicht mehr in diesem extremen Mal~e wtrksam sind; es geht ohne weiteres aus dem frfiher Besprochenen hervor, da~ dadurch das Sprachverstandnis in besonderem ~:V[ai~e gfinstig beeiniluBt werden muB. Wir hatten friiher

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der M e i n u n g A u s d r u c k gegeben , dab tier zu le t z t geseh i lde r te Z u s t a n d ein r e e h t s t ab i l e r zu sein sche in t ; es w~re aber auch m6gl ich , dab die Riiekbfldung hn Spraehverstiindnis noeh weiter for%schreitet und dab sieh damit die Gesamtst6run~ dem Typus einer sogenannten Leitungs- aphasic n~hert. Wenn wir darauf bei der Bespreehung des Falles kein Gewieht legten, so m6ehten wit damit zum Ausdruek bringen, dab es uns bei der Analyse aphasischer St6rungen nicht darauf ankommt, in erster Linie eine Idee zu verifizieren, die aus einem subst~mmierten Verh~Itnis der sprachlichen Einzelleistungen untereinander hervor- gegangen ist I

Es verdient noch besonders hervorgehoben zu werden, dab die yon der Spraehe unabh~ngigen Leistungen vollkommen frei yon den hier be- sproehenen St6rungen sind, ein Verhalten, wie es wohl fib" die i~[ehrzahl der logorrh6ischen Aphasiker zutrifft. So f~llt in den A_ktionen des Patienten, im Zeichnen, im Konstruktiven u. a. kein UbermaB an An- trieben auf. Auch in seinem sonstigen Gehaben erinnert nichts an seine sprachlichen ]~esonderheiten. Er ist in seinem ganzen Wesen eher zuriiekhaltend, ist an der Xlinik fast stets fiir sich, greift nie spontan

i Das gibt mir zugleich Anlal3, einiges aus einem inzwischen erschienenen Referat (Zbl. Neur. B2, O. Sittig) meiner Arbei~ fiber Leitungsaphasie (IM_schr. Psychiatr. 80) richtigzustellen, da es geeignet sein k6nnte, den im Aphasieproblem weniger :Bewanderten irrezufiihren. I)er Referent glaubte in einem Schlul3satze darauf hinweisen zu miissen, dai3 man in dem yon mir besehriebenen Falle das Vor- liegen einer riiekgebildeten sensorischen :klohasie wird nicht ~ l t in Abrede stellen k6nnen, zumal ich ja selbst eine St6rung im Spraehverstgndnis nachgewiesen babe. Da es mir in meiner Abhandlung nicht darum zu tun war, dem nachzugehen, yon weleher Aphasieform etwa die Leitungsaphasie abzuleiten w~re, so will tier Referent offensiehtlich damit ausdriieken, dal] man in meinem Fal]e yon einer Leitungsaphasie nieht gut spreehen k6nne. Dem aufmerksamen Leser meiner Arbeit wird es auch ohne genauere Kenntnis der einschli~gigen Literatur nicht haben entgehen k6nnen, dab in der Mehrzahl der mitgeteilten Fi~lle yon Leifungsaphasie St6rungen im Sprachverst~ndnis vermerkt sind. Insbesondere hob ich den Fall Liepmann- Pavpenheims diesbeziig!.ich hervor, der aueh sonst mit dem yon mir gesehilderten Falle eine weitgehende Ahnlichkeit aufwies. Die Tatsache, da8 der Fall J~iepmann- Pappenheims St6rungen des Spraehverst~ndnisses zeigte, veranlai]te die beiden Autoren dazu, ihn nicht etwa nich~ als eine Leifungsaphasie anzuerkennen - - er gilt auch iiberall in der Literatur als typischer Vertreter einer Leitungsaphasie - - . sondern die Leitungsaphasie als eine riiekgebildete sensorische Aphasie aufzufassen. Zu einem ~hnlichen Schlusse kommt .Kleist. Alles dies wurde in meiner Arbeit angefiihr~. Es scheuten sieh also die beiden der klassisehen Lehre so nahestehenden Forscher nicht, gegen das Schema zu verstol3en und als klinisches Bild einer Lei- tungsaphasie anzusprechen, was ihrer Ansieht naeh aus einer sensorischen Aphasie hervorging. So scheint es wohl doch bereehtigt und f6rderlieh, in derartigen F£11en yon einer Leitungsaphasie zu spreehen. Es konnte ja doch sowohl Liep- man~ wie Kle~st nieht entgehen, da~ bei einem fiber~riebenen Festhalten am Schema die Idee der klassischen Lehre zur v611igen Unfruchtbarkeit verurteilt wiirde. Auf einem Versehen diirfte es wohl beruhen, daI3 der Referent start ,,psychologische Ein- heir yon Wortgestalt und Bedeutung", wie es in der Arbeit heiBt, physiologische Einheit zitiert.

Z. f. d. g . N e a r . u . P s y c h . 141. 12

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in irgendwelche Geschehnisse ein, ist schweigsam und nimmt kaum jemals die Initiative zum Sprechen auf. Es l£Bt sieh also sagen, dab sich die StSrung nur auf die Spraehe beschr~nkt und nur beim begonnenen Sprachakte auswirkt bzw. nut dann, wen~ der Patient in eine reaktive spraehliche Situation ger~t. In diesem Falle allerdings kommt die logor- rhceische Reaktionsweise fiberm£chtig fiber ihn.

Wenn wir nun die Gesamtergebnisse an beiden F~llen einander gegen- fiberstellen, yon denen der eine das Beispiel einer sog gehemmten Spraehe oder pseudomotorischen Aphasie, der andere das einer sog. enthemmten Sprache oder logorrhSischen SprachstSrung darstellt, so ist ihnen die Mangelhaftigkeit des Sprachmaterials gemeinsam, sie bildet die Matrix, den Boden, aus dem der StSrungskomplex herausw~chst. Die Intensitiit dieses Defektes ist versehieden groB, in dem ersten Falle yon vornherein eine geringere als im zweiten Falle, z .Z. der vergleichenden Untersuchung ist der Intensit~tsun~erschied gewiB ein recht bedeutender. In der Symptomatologie derEinzelleistungen der Sprache ergibt sieh nach einer Richtung weitgehende ~bereinstimmung; in beiden F~llen ist die StSrung fin Sprachverst£ndnis am auff~lligsten, es ist das freie Sprechen ebenso wie das Nachsprechen paraphasisch entstellt. Demgegeniiber ist die Ver- wertung, die Art des in Betriebsetzens, die Verarbeitung des Sprach- materials in beiden F£11en vSllig verschieden, vielfach ganz entgegen- gesetzt ; in dem einen Falle dringt das yon auBen oder spontan sprachlich Auftauchende kaum irgendwie in innerspraehliche Vorg~nge ein, es dr~ngt das Unverarbeitete zur fiberstfirzten Entgul~erung, so dab die spraehliche LeistungsmSglichkeit, soweit sie tats~chlich vorhanden ist, iiberhaupt nicht zur Geltung kommt, es kann eine Angleic]~ung, eine Identifikation des a~fftauehenden und yon auBen gebotenen Sprachlichen mit dem vor- handenen Spraehmaterial nieht stattfinden, ein sprachlicher Aufbau wird damit unmSglich, das GehSrte wird nicht erfaBt. Dagegen besteht bei dem anderen Patienten die Tendenz, alles Spraehliehe einer grfindlichen innersprachlichen Vorbereitung zu unterziehen ; soweit es das vorhandene Sprachmaterial erlaubt, geschieht dies bis zur Vollendung. Diese Ten- denz zur Grfindlichkeit, zur lfickenlosen Gestaltung und vollkommenen Identifikation mit innersprachlich Vorhandenem behindert ihn bei allen seinen Sprach~u~enmgen, da das Sprachmaterial nicht immer zureicht, um zu diesem Ziel zu gelangen. Besteht im Normalen im Vertrauen auf die Vollkommenheit des innersprachlichen Besitzes eine Erg~nzungs- bereitschaft, so f~ll~ bier gerade dv_rch die ~berwertung des innersprach- lichen Defektes dieser unterstfitzende Faktor weg. Es resultiert die zSgernde, karge Spontansprache, das verhaltene l~achsprechen, wie es in Erscheinung trit t , so oft ein gebotenes Wort nicht vollkommen zu eigen gemacht werden kann.

Wir haben schon in frfiheren Arbeiten auf die Notwendigkeit hin- gewiesen, verschiedene Faktoren zum Verstgndnis des aphasisehen

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Gesamtbildes heranzuziehen. Mehr oder weniger in derselben Richtung, jedenfalls abet unter der Bemiihung, an Stelle oder neben dem schematisch Starren noch etwas anderes zu setzen, um der Kompliziert- heir der aphasischen Bilder gerecht zu werden, bewegen sich Arbeiten einer Reihe yon Forschern, die sich mit dem Aphasieproblem in letzter Zeit besch~iftigt haben (Goldstein, Griinbaum, Isserlin, P6tzl, Woerlcom). Es soll hier weder auf die Einzelheiten dieser Anschauungen eingegangen werden, noch aueh darauf, worin sie sieh yon unseren Ergebnissen unterscheiden 1

Wir haben in den beiden hier geschilderten Fallen zwei ~mndlegende Faktoren herauszuheben versucht, die ffir die Gestaltung des Gesamt- bildes wirksam sind, die sowohl an und fiir sich wie in ihrer wechsel- seitigen :Beziehung zueinander das schliel31iehe Zustandsbild schaffen. Den einen m6chten wir den statischen, den anderen als den dynamischen Faktor bezeichnen. Unter dem statischen Faktor wiirden wit das tat- s/~chlich vorhandene Sprachmaterial, die ruhenden innersprachlichen Fahigkeiten verstehen; es scheint uns, dab man, so wie es Isserlin in seiner letzten groBen kritischen Arbeit hervorhob, nicht dariiber hinweg- kommt, dafiir etwas dem Mnestischen Analoges in Anspruch zu nehmen. Unter dem dynamischen Faktor wiirden wit alle jene Komponenten zu- sammenfassen, die das erstere in Bewegung setzen, die Art des Betriebes bestimmen; in ihm ware der Sprechvollzug, die Ablaufsform, die zur inneren und aul]eren Entwicklnng der Sprache fiihrt und alle jene Ein- fliisse enthalten, die sich yore allgemeinen Hirngeschehen aus auf de Sprachentwicklung auswirken k6nnen. Bei der Analyse des Einzelfalles bestiinde eine der }Iauptaufgaben darin, die einzelnen Faktoren, die fiir das Zustandsbild bestimmend sind, herauszuarbeiten und nach diesem Gesichtspunkte zu werten und zu sondern. Wir glauben, dab gerade die Differenzierung des dynamischen Vorganges uns in der Lokalisations- frage weiterffihren kann.

1 Ein Aufsatz Isserlins (~ber Sprache und Sprechen, Nervenarzt 5), der nach Fertigstellung dieser Arbeit erschienen ist, hat einen ~hnlichen Gesichtspunkt im Auge, wie den hier hervorgehobenen.

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