Über Die Anwendung Des Schamrotkonjunktivs

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Über die Anwendung des Schamkonjunktivs jwr47 Zur Feier des „barbarischen“ Relikts das man früher mal als Weltspartag in Ehren gehalten hat, weil damals ältere Generationen ihre Ersparnisse zu Ersparnisse verpulvert haben, zur traditionellen Folklore also, spendiert heute die Backnanger Kreiszeitung auf der Vorderseite sogar einen Ehrenplatz an „Experten raten Sparern zu Immobilien und Aktion. Der Untertitel lautet: Telefonaktion – Anleger verunsichert durch Euro-Krise und Flüchtlingsströme“. Selbstverständlich dürfen Experten heute keine Titelgeschichten mehr veröffentlichen wie „Entfernen Sie alle Ersparnisse aus den Banken“, und schon gar nicht unter Ergänzung der Warnung „sofort“ (heute noch), oder „rasch“ (morgen früh). Der Untertitel deutet schon an dass der Bericht zusammenhängt mit der Telefonaktion in dem Spezialisten und Experten (Bankmitarbeiter, Lebensversicherer, usw.) Fragen beantworten und raten „nicht alles auf dem Tagesgeldkonto zu lassen“. Sonderbar, aber sehr illustrativ und für den Wissenden aussagekräftig, aber für die Unwissenden verschleiernd wirkt die (gelb markierte) doppelte Anwendung des Konjunktivs, die ich in diesem Bericht gerne analysiere und kategorisiere. Das Zitat aus dem Bericht auf der Vorderseite lautet: “Deshalb in Gold zu flüchten, davor raten die Fachleute ab: 'Gold ist kein sicherer Hafen.' Gold sei keine klassische Geldanlage, da es keine Zinsen bringe. Zudem schwankt der Goldpreis stark. Die Experten empfehlen Sachwerte wie Immobilien oder Aktien.” Der Konjunktiv II (Irrealis ) Der Konjunktiv deutet an, dass nicht die eigene Meinung oder Wahrnehmung, eine eigene Frage oder ein eigener Wunsch berichtet, sondern die Äußerung eines Dritten wiedergegeben wird. Der Konjunktiv II wird verwendet, um unmögliche und unwahrscheinliche Bedingungen oder Bedingungsfolgen zu benennen oder um auszudrücken, dass eine bestimmte Folge ausscheiden werde. Selten habe ich eine so schwachsinnige Behauptung gelesen wie in diesen Kurzmärchen. Nicht nur gibt es für Obligationen momentan negative Zinsen, und für Gold wenigstens noch 0%, aber zudem wird Fiatgeld durch Inflation und ständig drohender Bankrotterklärung in Frage gestellt. Außerdem bildet Gold ein tastbares, sicheres und universell wertvolles materielles Tauschobjekt, was im krassen Gegensatz steht zu Immobilien und Aktien. Zum Vergleich kann man mal die Immobilienmarktentwicklung der USA und die völlig überbewertete Aktienblase anschauen. Am meisten sollte man jedoch mal den Konjunktiv im gelb markierten Satz beachten, weil der Zeitungsredakteur damit etwas aussagen möchte. Es handelt sich wohl um einer „Äußerung eines Dritten“, den er „leider“, vielleicht sogar auch widerwillig machen muss: Gold sei keine klassische Geldanlage, da es keine Zinsen bringe.

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Am 28.10.2015 spendiert die Backnanger Kreiszeitung auf der Vorderseite sogar einen Ehrenplatz an „Experten raten Sparern zu Immobilien und Aktion." Im Hauptsatz dieses Berichts verwendet der Redakteur einen doppelten Konjunkti (Irrealis):"Gold sei keine klassische Geldanlage, da es keine Zinsen bringe.”„Der Irrealis stellt eine Bedingung auf, die irreal ist, welche der Redakteur noch eine Weile als real veröffentlichen muss und deren Irrealität aber (vorläufig oder für alle Zeiten) geheimgehalten werden soll.“Weil jedoch ein Experte in den öffentlichen Medien von der Hauptredaktion und Verlagsführung zur Veröffentlichung der Unwahrheit verpflichtet werden kann, verwendet er oder sie verschämt oft den “Erubescens”-Konjunktiv (“Erubescens”-Irrealis), und zwar aus Scham für die weniger ehrenvollen Berufswahl, die Redakteure zur Unwahrheit zwingt. Es ist daher der “Erubescens”-Konjunktiv, oder „der Konjunktiv des Errötend“, beziehungsweise „der Schamrotkonjunktiv“.

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Über die Anwendung des Schamkonjunktivsjwr47

Zur Feier des „barbarischen“ Relikts das man früher mal als Weltspartag in Ehren gehalten hat, weildamals ältere Generationen ihre Ersparnisse zu Ersparnisse verpulvert haben, zur traditionellenFolklore also, spendiert heute die Backnanger Kreiszeitung auf der Vorderseite sogar einenEhrenplatz an „Experten raten Sparern zu Immobilien und Aktion. Der Untertitel lautet:Telefonaktion – Anleger verunsichert durch Euro-Krise und Flüchtlingsströme“.

Selbstverständlich dürfen Experten heute keine Titelgeschichten mehr veröffentlichen wie„Entfernen Sie alle Ersparnisse aus den Banken“, und schon gar nicht unter Ergänzung der Warnung„sofort“ (heute noch), oder „rasch“ (morgen früh).

Der Untertitel deutet schon an dass der Bericht zusammenhängt mit der Telefonaktion in demSpezialisten und Experten (Bankmitarbeiter, Lebensversicherer, usw.) Fragen beantworten und raten„nicht alles auf dem Tagesgeldkonto zu lassen“.

Sonderbar, aber sehr illustrativ und für den Wissenden aussagekräftig, aber für die Unwissendenverschleiernd wirkt die (gelb markierte) doppelte Anwendung des Konjunktivs, die ich in diesemBericht gerne analysiere und kategorisiere. Das Zitat aus dem Bericht auf der Vorderseite lautet:

“Deshalb in Gold zu flüchten, davor raten die Fachleute ab: 'Gold ist kein sichererHafen.' Gold sei keine klassische Geldanlage, da es keine Zinsen bringe. Zudemschwankt der Goldpreis stark. Die Experten empfehlen Sachwerte wie Immobilien oderAktien.”

Der Konjunktiv II (Irrealis)

Der Konjunktiv deutet an, dass nicht die eigene Meinung oder Wahrnehmung, eine eigeneFrage oder ein eigener Wunsch berichtet, sondern die Äußerung eines Drittenwiedergegeben wird.

Der Konjunktiv II wird verwendet, um unmögliche und unwahrscheinliche Bedingungenoder Bedingungsfolgen zu benennen oder um auszudrücken, dass eine bestimmte Folgeausscheiden werde.

Selten habe ich eine so schwachsinnige Behauptung gelesen wie in diesen Kurzmärchen. Nicht nurgibt es für Obligationen momentan negative Zinsen, und für Gold wenigstens noch 0%, aber zudemwird Fiatgeld durch Inflation und ständig drohender Bankrotterklärung in Frage gestellt.

Außerdem bildet Gold ein tastbares, sicheres und universell wertvolles materielles Tauschobjekt,was im krassen Gegensatz steht zu Immobilien und Aktien. Zum Vergleich kann man mal dieImmobilienmarktentwicklung der USA und die völlig überbewertete Aktienblase anschauen.

Am meisten sollte man jedoch mal den Konjunktiv im gelb markierten Satz beachten, weil derZeitungsredakteur damit etwas aussagen möchte. Es handelt sich wohl um einer „Äußerung einesDritten“, den er „leider“, vielleicht sogar auch widerwillig machen muss:

Gold sei keine klassische Geldanlage, da es keine Zinsen bringe.

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Satzanalyse: “Gold sei keine klassische Geldanlage, da es keine Zinsen bringe”.

Der Satzaufbau entspricht einer irrealen Aussage wie zum Beispiel:

Wenn ich ein Vöglein wär’ und zwei Flüglein hätt’, flög’ ich zu Dir.

Der Nebensatz stellt eine Bedingung auf, deren (unmöglicher oder unwahrscheinlicher)Eintritt etwas folgen lässt, das im Hauptsatz bezeichnet wird. Es wird sowohl im Hauptsatzwie im Nebensatz Konjunktiv II verwandt.

Der Konjunktiv II findet auch Anwendung, wenn der spezifische Bedingungs-Folgen-Zusammenhang unwahrscheinlich bzw. unmöglich ist. Dem möchte ich noch hinzufügen:

„Der Irrealis stellt eine Bedingung auf, die irreal ist, welche der Redakteur noch eineWeile als real veröffentlichen muss und deren Irrealität aber (vorläufig oder für alleZeiten) geheimgehalten werden soll.“

Weil es eine Aussage eines Experten betrifft müssen wir annehmen dass er oder sie genau weiß:

• dass Gold eine klassische Geldanlage ist, die sogar durch Leasinggebühr verzinst werden kann. (Das ist aber nicht empfehlenswert, weil der Goldbesitzer dabei sein Besitz riskiert).

• dass Gold im Gegensatz zu Fiatgeld eine klassische Geldanlage ist die momentan beide keine Zinsen erwirtschaften.

• dass eine klassische Geldanlage wenigstens eine positive1 Verzinsung erwirtschaften sollte,die momentan aus unerwähnten und undokumentierten Gründen verloren gegangen ist.

• Oder eine Kombination dieser drei Einsichten und eventuell weiterer Details, die derExperte kennt aber verschweigen muss....

Die Anwendung des “Erubescens”-Konjunktivs

Weil jedoch ein Experte in den öffentlichen Medien von der Hauptredaktion und Verlagsführung zurVeröffentlichung der Unwahrheit verpflichtet werden kann, verwendet er oder sie verschämt oft den“Erubescens”-Konjunktiv (“Erubescens”-Irrealis), und zwar aus Scham für die weniger ehrenvollenBerufswahl, die Redakteure zur Unwahrheit zwingt. Es ist daher der “Erubescens”-Konjunktiv,oder „der Konjunktiv des Errötend“, beziehungsweise „der Schamkonjunktiv“

Der Schamkonjunktiv als psychologisches Hilfsmittel

Sicherlich befinden sich Redakteure und Journalisten in einer verzweifelten Lage, die ihnen zwingtdie Wahrheit zu verschweigen und Lügen zu verbreiten. Sicherlich haben viele ein Magengeschwürentwickelt und / oder bei einer Flasche eine Zuflucht gesucht.

Nur der Schamkonjunktiv, der “Erubescens”-Konjunktiv, ist in der Lage das moderneJournallistenleben erträglich zu halten. Beneiden tue ich ihnen diese Täuschungsmethode nicht.

Andererseits bietet der Schamkonjunktiv vielen Sprachwissenschaftler die Chance vielerlei Studienzu starten in dem die Irrealität, Verführung und Manipulation der Bevölkerung nachgewiesenwerden kann in einer Ära, in dem nahezu jeder Satz ein oder mehr Konjunktive der Kategorie“erubescens” haben sollte....

1 Das wird hier implizit angenommen, weil negative Verzinsung noch weniger als 0% Verzinsung erwirtschaftet

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Satzdeutung: “Gold sei keine klassische Geldanlage, da es keine Zinsen bringe”.

Es ist daher scheinbar ein Konjunktiv der Irrealis-Kategorie, die angewandt wird, wenn derspezifische Bedingungs-Folgen-Zusammenhang unwahrscheinlich bzw. unmöglich ist.

Wichtig ist, dass die der Bedingungsfolge zugrunde liegende Bedingung real ist2. Das ist aber nichteinmal der Fall, da ausgeliehenes Gold durch Leasinggebühren verzinst werden kann. Auch derHauptsatz ist natürlich irreal, sowohl in verzinsten als in unverzinsten Fall.

Aber nun mal angenommen die Bedingung wäre tatsächlich real, da Gold „keine Zinsen abwirft“.

Das tut aber momentan keine einzige Anlageform. Die Folgerung daraus wäre, dass auch Fiatgeldheute keine klassische Geldanlage wäre, denn auch diese Kategorie bringt keine Zinsen, höchstensBauchschmerzen.

Fiatgeld ist zwar klassisch, aber keine Geldanlage. Fiatgeld ist ein klassischer Ponzi-Betrug.

Nicht einmal Immobilien oder Aktien bringen Zinsen, nur Magengeschwüre, Kopfweh, vielleichtsogar Depressionen, dumpfes Klopfen und Ohrensausen. Dazu Herzinfarkte, Ärger undBauchgrimmen...

Der Redakteur hat nichts verstanden oder hüllt sich lieber in Schweigen (weil jemand, der nun malvor langer Zeit Schreiben gelernt hat, noch länger Redakteur bleiben möchte)....

2 Unwahrscheinliche oder unmögliche Bedingungsfolgen