Über Form und Festigkeit der Fornices calicis im Hinblick auf das physikalische Verhalten bei...

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(Aus dem Physiologischen Institut der Universit~t in Wien.) Uber Form und Festigkeit der Fornices calieis im ttinblick auf das physikalische Verhalten bei Steigerung des Druckes im Nierenbeeken. Von Felix und Georg l~uchs. Mit 3 Textabbildungen. (Eingegangen am 28. Januar 1932.) Die Tatsache, dab bei Steigerung des im Nierenbecken herrschenden Druckes das Bersten der Beckenwand stets an der Spitze eines Fornix cMJcis erfolgt, erscheint in physiologischer und pathologiseher Hinsicht als bedeutungsvoll. Die besondere Rupturdisposition der !~orniees ealieis wurde yon dem einen yon uns ~ls ein Umstand aufgezeigt, welcher das kr~nkh~fte Geschehen bei Stauungszusts in den oberen Harnwegen in hohem M~Be beeinfluBt. Der unter Druck stehende Inhalt des Nieren- beekens verls dieses an den Fornixspitzen und dringt yon bier aus in das Spaltr~umsystem und weiterhin in die Lymphgefs und in die Venen der Niere ein (pyeloven6ser Reflux). Bez~glieh der Bedeutung dieser Tatsaehen sei auf die monographisehe Darstelhmg ,,Die Hydro- meehanik der Niere" (F. Fuchs) verwiesen. In der vorliegenden Unter- suehung haben wir uns zum Ziel gesetzt zu preen, auf welehe ~[omente es z~r~ckzuffihren ist, d~l~ ausnahmslos die Fornixspitze das Puncture minoris resistenti~e des Nierenbeekens bei Beanspruehung dureh Innen- druck d~rstellt. Die oberfls Betraehtung kSnnte zu der Annahme verleiten, dab die Rupturdisposition der Fornixspitze ausschlieBlich in Unter- schieden der histotogischen Struktur begr~ndet sei, in einer besonderen Sehws der Fornixwandung. ])iese Ansieht wird yon Myiabayashi vertreten. Aueh einige ~Iodellversuehe zeigten, dab bei Drucksteigerung in einem dem Nierenkeleh naehgebildeten Hohlraum die l%uptur nur dann an der Fornixspitze erfolgt, wenn die Verbindung zwischen Keleh und Papille eine nieht allzlffeste ist. Es sind aber wiehtige Momente, welehe dafiir sloreehen, daft nieht nur der histologisehen Besehaffenheit der Wand bei der Entstehung der l%upturdisposition eine l%olIe zukommt, sondern dab physikalisehe Faktoren, begriindet in den geometrisehen

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(Aus dem Physiologischen Institut der Universit~t in Wien.)

Uber Form und Festigkeit der Fornices calieis im ttinblick auf das physikalische Verhalten bei

Steigerung des Druckes im Nierenbeeken. Von

Fel ix und Georg l~uchs.

Mit 3 Textabbildungen.

(Eingegangen am 28. Januar 1932.)

Die Tatsache, dab bei Steigerung des im Nierenbecken herrschenden Druckes das Bersten der Beckenwand stets an der Spitze eines Fornix cMJcis erfolgt, erscheint in physiologischer und pathologiseher Hinsicht als bedeutungsvoll. Die besondere Rupturdisposition der !~orniees ealieis wurde yon dem einen yon uns ~ls ein Umstand aufgezeigt, welcher das kr~nkh~fte Geschehen bei Stauungszusts in den oberen Harnwegen in hohem M~Be beeinfluBt. Der unter Druck stehende Inhal t des Nieren- beekens verls dieses an den Fornixspitzen und dringt yon bier aus in das Spaltr~umsystem und weiterhin in die Lymphgefs und in die Venen der Niere ein (pyeloven6ser Reflux). Bez~glieh der Bedeutung dieser Tatsaehen sei auf die monographisehe Darstelhmg ,,Die Hydro- meehanik der Niere" (F. Fuchs) verwiesen. In der vorliegenden Unter- suehung haben wir uns zum Ziel gesetzt zu p r e e n , auf welehe ~[omente es z~r~ckzuffihren ist, d~l~ ausnahmslos die Fornixspitze das Puncture minoris resistenti~e des Nierenbeekens bei Beanspruehung dureh Innen- druck d~rstellt.

Die oberfls Betraehtung kSnnte zu der Annahme verleiten, dab die Rupturdisposition der Fornixspitze ausschlieBlich in Unter- schieden der histotogischen Struktur begr~ndet sei, in einer besonderen Sehws der Fornixwandung. ])iese Ansieht wird yon Myiabayashi vertreten. Aueh einige ~Iodellversuehe zeigten, dab bei Drucksteigerung in einem dem Nierenkeleh naehgebildeten Hohlraum die l%uptur nur dann an der Fornixspitze erfolgt, wenn die Verbindung zwischen Keleh und Papille eine nieht allzlffeste ist. Es sind aber wiehtige Momente, welehe dafiir sloreehen, daft nieht nur der histologisehen Besehaffenheit der Wand bei der Entstehung der l%upturdisposition eine l%olIe zukommt, sondern dab physikalisehe Faktoren, begriindet in den geometrisehen

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Verh~ltnissen des Kelchhohlraumes hierin mal]gebende Bedeutung zuzu- messen ist. Lee Brown und Laidley hat ten gezeigt, dal] die Fornixruptur an Nieren mit spitzem Fornixwinkel bei geringerem Beckendruck eintri t t als an Nieren mit s tumpfem Fornix. ])as gleiehe geht auch aus den Untersuehungen yon Wittels hervor, der eine ErhShung der Ruptur- disposition an kompensatorisch-hypertrophisehen Nieren feststellte: bei solchen wird aber die Papille h5her und breiter, dementsprechend der Fornix tiefer und spitzer als an normalen Nieren. Endlich weist auch die phylogenetische Betrachtung in diese Richtung. Der eine yon uns hat - - die Fornices als Sicherungseinrichtungen gegen Drucksteigerungen im Nierenbecken auffassend - - dargelegt, da~ die physiologisehe Not- wendigkeit soleher Einriehtungen erst an der Ss gegeben erscheint. Das Nierenparenehym der Sauropsiden ist dureh mannig- faltige Einriehtungen gegen die Rfickstauung des Harns geschiitzt. Als deren bedeutsamste seien die Resorptionskraft der Ureterschleimhaut und die in der Kloake gegebene Kommunikat ion zwischen Harnwegen und Enddarm ange~hr t . Diese gegen ~berdruck sch~tzenden Bedingungen fehlen aber tier Ss und an ihrer Stelle wird das Innenrelief des Nierenbeckens derart umgestaltet, dal3 Teile des Nierenparenchyms (die Papillen) beekenw~rts vorwachsen, wodurch der Beckenhohlraum mit einem System spitzwinkeliger Ausbuehtungen - - den Fornices - - ver- sehen wird. An diesen erfolgt die Druckentlastung des Beekens der S~tugerniere. Bei Steigerung des Beckendruckes t r i t t an den Fornix- spitzen Beckeninhalt in die :Bindegewebsspalten der :Niere fiber, aus welchen er auf dem Blur- und Lymphweg abtransportiert wird. Die geometrische Umgestaltung des Nierenbeckens in der Phylogenese er- scheint somit mit dem physiologischen Problem der Sicherung des Parenchyms gegen passageren ~J~berdruck im Nierenbecken auf das engste verkniipft.

Alle diese ~r haben uns den Anlal~ gegeben, den physikalischen Bedingungen des Fornix calicis neuerliche Aufmerksamkeit zu schenken und zu prfifen, ob nicht in der geometrischen Konfiguration des Becken- kelehhohlraumes selbst ein Faktor zu erblieken ist, der die Ruptur= disposition der Forniees mitbedingt.

Gehen wir nun zur mechanischen Betrachtung unseres Problems fiber, dann miissen wir zuns feststellen, dal] es sich hier um eine sog. ,,statisch unbest immte" Aufgabe handelt, d. h. ura eine Aufgabe, zu deren LSsung die Mechanik starrer KSrper nicht hir~reiGht. Vielmehr miissen wir die Festigkeitslehre heranziehen, denn die Wand des ~ieren- kelches ist sicherlich night als starr, aber auch nicht als vollkommen elastisch zu bezeichnen. I m weiteren Verlaufe wird es sigh nun darum handeln, die in den einzelnen Teilen des Kelches herrschenden Beam spruchungen auf Zug und Druck zu berechnen. ])as Verfahren, das hierzu in der Festigkeitslehre allgemein Eingang gefunden hat, grfindet sieh

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786 Felix und Georg Fuchs:

auf das folgende Axiom: ,,Jeder Tell eines K6rpers, wie er auch in Gedanken aus diesem abgegrenzt werden m6ge, ist selbst wieder als ein K6rper anzusehen, auf den sich die allgemeinen S~Ltze der ~echanik anwenden lassen" (_4. Fi21~pl ) .

Zuns ist es ersichtlich, daI3 im Inneren des Kelches ein hydro- statischer Druck herrscht, welchen wir als P bezeichnen. Derselbe unterliegt den hydrostatischen Grundgleichungen:

~p Op _ O ~oZ - - 0 " ,

worin o die Dichte der Fliissigkeit, X, Y, Z, die 3 Komponenten der Schwerkraft bedeuten. Bedenkt man nun, daft die zur Fornixruptur erforderlichen Drucksteigerungen um ein Vielfaches gr6ger als die Wirkungen der Schwerkraft sind, so k6nnen wir dieselbe ohne einen

nennenswerten Fehler zu begehen, vernachls ~ ~ ~ Wir setzen also: X • Y = Z = O, woraus sich er-

~-A" gibt, dab der im Nierenkelch herrschende Druek Y tiberall der gleiche ist. Es ist ferner selbstversts lich, dab dieser Druek das Bestreben haben muB,

~ ~o~ die Ws des Kelches zu erweitern; da dem aber die Festigkeit der Wand entgegenzuwirken trachtet, so wird hierbei die Wand auch auf Zug beansprucht. Da nun dieser Zug als aUeinige Ursache flit eine

:~kbb. 1 zeigt einen Langs- etwaige Ruptur anzusprechen ist, mfissen wir ihm s ch n i t t 4u rch don ]Kelch, wobei dio Richtung der unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Wir betrachten K o m p o n o n t o n o~ un(1 a~

ersich?;lioh ist. den Kelch als einen abgestumpften Kegel, dessen Boden yon einem niedrigeren Kegel (der Papille)

gebildet wird. Zerlegen wir nun den in jedem Punkte der Kelchwand herrschenden Zug in 3 Komponenten: ol sei die Tangentialkomponente, oe in Richtung der 8eitengeraden des Kegels (Abb. 1), endlich sei o3 die an der :Basis der Papille angreifende senkrecht zur Seitengeraden der- selben wirkende Komponente, die ja fiir die Fornixruptur wohl am meisten verantwortlich gemacht werden muB. Es wird also unsere Auf- gabe sein, die 3 Komponenten des Zuges Iiir jeden Punkt des Kegel- mantels zu bereehnen. I-l_ierbei werden wir nach Belieben unendlich kleine Stiioke aus dem Kegel herausschneiden ; dort, wo dieselben an den Hohl- raum des Kelches grenzen, sind sie dem hydrostatischen Druok P aus- gesetzt, dort wo die Schnittebene die Kelehwand schneider, t reten Zug- spannungen auf. Diese beiden Gruppen yon KrS, ften miissen einander das Gleichgewieht halten, worauf die folgenden Berechnungen beruhen; bemerkt sei nut noch, dab ol, o2 und o~ ,,bezogene Spannungen" im F @ p l s e h e n Sinne bedeuten.

* Jiiger : Theor. Phys. Bd. 1, S. 112.

f3ber Form und Festigkeit der Fornices ealieis usw. 787

Wie Abb. 1 zeigt, muB die Beziehung gel ten: 2Qzd

- - ( 7 2 , P o z ,'z cos a

worin d die Wanddicke, ~ den Radius des Sehnit tkreises bedeuten. t t ie raus iolgt :

P e P cos a (r - - h tg a). G2 = ~-d- c o s a ---- ~ -

Fragen wit nun , wie v2 sieh mit der HShe ~nder t : 5a 2 __ Ps ina ~ h 2 d '

o 2 wird daher u m so grSBer, je mehr wir uns der Basis des Kegels nghern. Bezfiglich der Spannung 01 gilt die Beziehung

2~o x d P - - 2dxdal COS ~

worin d x ein Differential derHShe bedeatet . Mi th in :

0"1-- @ P dC~ a __ P COSd a (r - - htg a)

a 1 _ _ P s i n a

~h d Auch diese Komponen te ws je mehr

wir uns dem Forn ix calicis nghern. Die 3. und fiir uns wichtigste Kompo- ~--~

nente ist aber 03, denn dieses ist anschei- I n A b b . 2 b e d e u t e t der grSBere

nend die unmi t te lbare Ursache dafiir, dab Keget den Xeleh, der kleinere die Ke lchwand an der Inser t ionsl inie yon Kegel die Papille, welche sich in

e r s t e r e n v o r s t i i l p t . D~s schraf - der Papille abgerissen wird. Sehneiden wir fierte Dreieck ist ein unend- n u n (Abb. 2) aus Gem inneren und aus lichschmatesFHichenelcmentder

Kelchwand. dem &uBeren Kegelmante l je ein unendl ieh schmales Dreieek heraus, deren gemeinsame Basis d u heiBen mSge und deren Spitzen durch die Spitzen der beiden Kegel gebildet werden, so m~issen diese beiden Dreieeke dutch den hydros ta t i sehen Druck aus- e inandergedr/ ingt werden * ; dem wirkt aber die Fest igkeit der Inser t ions- linie entgegen, deren 1Y[aflzahl jenes o 3 ist, bei welchem die l~uptur erfolgt :

d u o 3 = P s ~- S--2 eosq) oder

�9 03 = )- @ S cos ~0 ; mi th in

~_ P Ssing) ~T 2

~ h 2sin~ "

�9 Dies~ Betrachtungsweise setzt keineswegs voraus, dal] der ~Nierenke]ch die Gestalt eines Kreiskegels besitzt, da m~n sie aueh ohne weiteres auf den kompli- zierter gebauten Fornix des blattf6rmigen lqierenbecken~ (Kaninchen, I-Iund usw.) iibertragea kann. Derm man kann sich aueh diesea als aus z~hlreichen kreisf51-migen Sektoren yon verschiedenem l~adius zusammengesetzt denken.

738 Felix und Georg Fuehs:

Das bedeutet: der Zug, welehem die Beckenwand an der Spitze des Fornix calicis ausgesetzt ist, ist um so gr6ger 1. je enger der Fornixwinkel ist, 2. je gr61~er h ist, je tiefer also der Fornix oder je h6her die Papille ist. Es wird also eine bestimmte Steigerung des Beckendruekes bei spitzem oder tiefem Fornix bereits rupturerzeugend wirken kSnnen, w~hrend sie in einem stumpfen oder seichten Fornix die Ruptur er- zeugenden Zugspannungen noeh nicht ausl6st.

Bei unseren Darlegungen haben wir ausschliel31ich die Auswirkung des hydraulischen Nierenbeckendruckes ins Auge gefaBt. Der eine yon uns hat (in ,,Die Hydromechanik der Niere") wohl dargelegt, dal] dureh vesico-ureteralen Reflux oder Antiperistaltik des Ureters auch hydro- dynamische Stogwirkungen an den Forniees zur Geltung kommen k6nnen. Immerhin dfirften nach den obea zitierten Ausfiihrungen solehe bei den Schwankungen des Nierenbeckendruekes doch nur eine geringere Rolle splelen. Sowohl bei experimenteller, langsamer Injektion des Nieren- beckens als auch bei den durch die Nierenbeckenmuskulatur in vivo bedingten Drueksehwankungen scheint uns der Stol3wirkung einer be- wegten Fliissigkeitsss doch nur gelegentlich eine Bedeutung zuzu- kommen.

Bei bestehender Harnstauung findet man bisweilen Kontinuits trennung an den Fornices yon verschiedener Gr613e: yon Liicken, dureh welehe eine Ka~rsonde knapp passieren kann, bis zu Rupturen yon mehreren Millimetern Ausdehnung. Solehe Gewebsverletzungen der makroskopisehen Gr6genanordnung sind die Folgen briisker und hoeh- gradiger Steigerungen des Beekendruekes. Andererseits dringen aber bei Ureterversehlug L6sungen und Suspensionen aus dem Nierenbeeken in das SpMtraumsystem der Niere vor, ohne dab grSbere Kontinuit/~ts- trennungen an den l~orniees bemerkbar w/tren. Aueh in solehem Falle ist aber der l~bertritt aus dem Beeken in die Gewebsspalten als stets yon der Spitze der Forniees ausgehend siehergestellt worden (Vitale, Morison). Die Nierenbeekeninfektion bei bestehender aseendierender Pyelonephritis dringt yon den Fornixspitzen aus auf dem }Vege der Gewebsspalten in das Parenehym vor (Miiller, Runeberg). Mac Kenzie und Hawthorne haben gezeigt, dag bei UreterversehluB Tusehepartikel aus dem Nierenbecken teilweise in die Epithelzellen des :Fornix auf- genommen werden. Sie fanden aber in betrs 3[a13e ein Vor- dringen der Tusehesuspension aus dem Beeken zwisehen den Fornix- epithelien in das ~Bindegewebe des Sinus renalis. In dem letzteren beobaehteten sie iibereinstimmend mit Hinman und Redewill lebhafte Phagoeytose der korpuskul~ren Elemente. Die geschilderten Beob- achtungen weisen darauf bin, dab bei Drueksteigerung im Nierenbecken ein Substanzdurehtri t t zwischen den Epithelzellen der Fornixspitze statthat, wodurch Beckeninhalt aueh ohne Auftreten makroSkopiseher Fornixrupturen in die Bindegewebsspalten der Niere gelangt. ])ieser

~ber Form und Festigkeit der Fornices c~licis usw. 789

interceltul~re Substanzdurehtritt ist auf die Fornixspitzen beschrs Es mug also woht angenommen werden, dab die Steigerung des Becken- druckes dutch die Dehnung der Fornixwandungen die intereelluli~re Durehl~ssigkeit des Nierenbeckenepithels an den Fornixspitzen in eiek- tiver Weise erh6ht. Diese Auffassung wird dureh die jiingst ver- 6ffentlichten Untersuchungen Frsys gestiitzt: Dieser Autor land in experimentellen und ldinischen Untersuchungen, da2 auch die Resorp- tionskraft der Blasensehleimhaut wesentlich vom Dehnungszustand der Blasenwand abh~ngig ist und bei zunehmender Dehnung derselben ansteigt. Die Ursache fiir das besondere Verhalten der Fornixspitze ist der physikalischen Erfassung zugs eine Dehnung der Harn- wegeschleimhaut ffihrt zuni~chst zu der bekannten Abflaehung des ,,~ber- gangsepithels". Weitergehende Schleimhautdehnung muB wohl das ALff- treten sines Spannungszustandes in und zwisehen den Epithelzellen herbei- ffihren und bei Erreiehung sines gewissen 8 DehnungsmaBes sin Auseinanderriicken der Epithelzellen, sine Lockerung des Epithelverbandes mit sich bringen. Die L~ngsspannung in der Epithelschicht und damit die Lockerung des Zellverbandes ist yon der dutch die Dehnung der epithel- bekleideten Fli~ehe bewirkten Ober- fl~ehenvergr613erung abh~ngig.

Bereits aus den bisher dargelegten Ableitungen aus der Festigkeitslehre

P~p//le ,,~bb. 3. L~i, ngsschni t t durch Kelch u n d Papi l le ; die einzelnen Winkel

u n d St recken sind ~ingetragen.

geht hervor, dab die Zugkrgfte im Bereiehe der Fornixspitze gr6Ber sein mfissen als in den fibrigen Anteilen der Kelehwand. Da nun die Dehnung eines elastischen KSrpers stets proportional der hierzu auf- gewendeten Kraft ist (Hookesehes Gesetz), ist auch die Oberfli~ehen- zunahme der Fornixspitzenschleimhaut gr6•er als die anderer Schleim- hautpartien der Kelehwand. Aber aueh ein yon rein geometrischen Ableitungen ausgehender Gedankengang fithrt zu den gleiehen Ergeb- nissen: hierbei werden wir yon den in der Beckenwand herrsehenden Zug- und Druckkrs nicht zu sprechen haben, aber wir werden aueh bier dem EinfluB des Fornixwinkels begegnen. Wenngleich die rein geometrische Betraehtung keinerlei Beweiskraft besitzt, so gew~hrt sie doch dem in der teehnischen Meehanik weniger bewanderten einen guten Einbliek in die hier herrsehenden Verhgltnisse. Grob sehematiseh k6nnen wir auch bier den Calix minor als einen abgestumpften Kegel auffassen, dessen Boden nicht yon einer ebenen Kreisfl~che, sondern yon einem Kegel geringerer It6he gebildet wird: ns yon der Papille. Kommt es nun zu einer Drueksteigerung im Nierenbeeken, so finder eine Er- weiterung des Kelches unter gleichzeitiger m~Biger Abflaehung der Papille start, wobei naturgemi~fi der Durehmesser des gemeinsamen

790 Felix und Georg Fuchs:

Grundkreises zunimmt. Die Seitengraden der beiden Kegel k6nnen hingegen innerhalb gewisser Grenzen als konstant angesehen werden. Die hier in Frage kommenden Gr6gen sind in Abb. 3 eingezeiehnet, wobei S und s die Seitengeraden, t t und h die H6hen, r den Grundkreis- radius und endlieh fp den Fornixwinkel bedeuten. Unter O und V ver- stehen wir im nachfolgenden Oberfls bzw. Volumen. Daher k6nnen wir setzen :

r ~ ( H - - h ) O = r ~ r ( s + S); V = ~ -

Die F1/iehe des Dreieekes ABC ergibt sieh zu:

i (H -- h) r, 2 andererseits

1 S" s" sin 9), 2

wegen der Identits dieser beiden Werte: r~ ~ .s

V = ~- S" s" sin cp = O 3~S-~)- sin ~o.

Also wird : O = V 3 ( s + s ! . ]

s �9 s sin T" Da hierin 0 als Funktion yon V und cp erscheint, k6nnen wit O

partiell nach V differenzieren. ~0 3 ( 8 + s) _ ~ v - - s . s . s i n ~ F(~)

dF(~) __ 3(S +s ) cos~ d~ S . s ' s inT 1--cos*

Dies bedeutet aber, daft bei einer bestimmten Volumzunahme die Oberfl/ichenvergr61ierung eine um so bedeutendere ist, je kleiner der Fornixwinkel q~ ist. Bedenkt man nun, dab bei der Oberfl/ichenzunahme naturgem/iB Spannungen im Fornixepithel auftreten miissen, so sieht man leieht ein, dab diese Spannungen, welehe ja letzten Endes als Ursache der Loekerung des Epithelverbandes der Fornixspitze anzusehen sind, um so gr613er werden, je enger - - ceteris paribus - - der Fornixwinkel ist. Also nieht nur die makroskopische guptur , sondern auch die dieser vorangehende Wanddehnung ist yon der Enge des Fornixwinkels ab- h~ingig. Die auf S. 788 angefiihrten Ergebnisse weisen aber darauf bin, dab aueh diese Wanddehnung einen Stofftransport aus dem :Becken in das Spaltraumsystem begiinstigt. Der Fornixwinkel erseheint mithin aueh hier als ein wiehtiger :Faktor bei der Erkl/~rung des eigentiimliehen Umstandes, dab unter Druek stehender Nierenbeckeninhalt den Beeken- hohlraum stets an der Spitze eines Fornix ealicis verl/iBt.

Wir sind uns wohl bewuBt, dab die yon uns abgeleiteten Formeln nut N/~herungswerte sind. Denn 1. muBte die Form des Nierenkelehes in hohem MaBe idealisiert werden um zu einfachen geometrisehen

~ber Form und Festigkeit der Forniees ealicis usw. 791

Beziehungen zu gelangen u n d 2. br ingt es die Festigkeitslehre mit sich, dal~ die yon uns in Gedanken mathemat i seh behandel ten Gebilde yon den tatss Verh~ltnissen in zahlreichen Einzelhei ten abweiehen. Jedoch scheint dies eine eonditio sine qua non fiir derartige Erws zu sein: , W e n n wir Tatsachen in Ged~nken nachbilden, so bi lden wir niemals die Tatsachen i iberhaupt naeh, sondern nur nach jener Seite, die fiir uns wiehtig ist. . unsere Nachbi ldungen sind immer Abst rak- t ionen" (E. Mach) .

Zusammenfassung. Fiir das Zus tandekommen der Rupturd ispos i t ion der Forniees calieis

lassen sioh auBer den b e k a n n t e n histologisch-strukture]]en ~ o m e n t e n auch physikalisehe Fak to ren aufzeigen. Bei Steigerung des Nierenbeeken- druckes liegt das N[aximum der auf t re tenden Zugspannungen an der Fornixspitze. Die Zugspannungen sind u m so gr6~er, je tiefer der Forn ix und je enger der Forn ixwinke l ist, was mi t den Ergebnissen der experimentet len Unte r suchungen f ibereinst immt. Je enger der Forn ix - winkel ist, um so grSl]er ist die W a n d d e h n u n g an der Fornixspi tze. Dies k6nnte zttr Erkl/~rung der Tatsaehe beitragen, dal~ an dieser Stelle bei Steigerung des Nierenbeekendruekes eine Durehl/~ssigkeit des Epi the ls fiir LSsungen und Suspensionen in Ersche inung t r i t t . Die Tatsaehe, dal~ bei s teigendem Nierenbeekendruek der Beckenirdlalt um so eher an den Forniees aus dem Beekenhohlraum aust r i t t , je enger und je tiefer die Forniees sind, daft als physikaliseh mi tbed ing t aufgefa~t werden.

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