Übung für Fortgeschrittene im Öffentlichen Recht Übungsfall 1 · Exkurs: Das baurechtliche...

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Übung für Fortgeschrittene im Öffentlichen Recht Übungsfall 5 Prof. Dr. Isabel Feichtner WS 2017/2018

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Übung für Fortgeschrittene im Öffentlichen Recht

Übungsfall 5Prof. Dr. Isabel Feichtner

WS 2017/2018

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Lösungsvorschlag

A. ZulässigkeitI. Verwaltungsrechtsweg, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO

• keine aufdrängende Sonderzuweisung (+)• ö-r Streitigkeit? streitentscheidende Norm: Art. 68 I 1 Hs. 1 BayBORegelt Voraussetzungen, unter denen Bauaufsichtsbehörde

Baugenehmigung erteilen mussberechtigt und verpflichtet Hoheitsträger zum Handelnöffentlichrechtlich (+)• nichtverfassungsrechtlicher Art (+)• abdrängende Sonderzuweisung, insbes. Nach § 217 I 4

BauGB (-)

# 2

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II. Statthafte Klageart, § 42 I Alt. 1 VwGO

• abhängig vom wohlverstandenen kläg. Begehren, § 88 VwGO• hier: N wendet sich gegen Erteilung der BaugenehmigungAnfechtungsklage? ist Baugenehmigung VA?Baugenehmigung nach Art. 68 I 1 Hs. 1 BayBO ist

Maßnahme einer Behördeauf dem Gebiet des öff Rechtsmit Einzelfallcharakterund Regelungscharakter, da sie feststellt, dass dem

Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind VA (+), wirksam, nicht nichtig # 3

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Hinweis: Gemäß § 212a Abs. 1 BauGB haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die baurechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Gleichwohl muss N Anfechtungsklage erheben, weil die Baugenehmigung andernfalls in Bestandskraft erwachsen würde.

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III. Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog

• Verletzung des N in eigenen Rechten?Möglichkeit der Verletzung des N in eigenen Rechten?Verletzung einer drittschützenden Norm? einer Norm,

die zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist (Schutznormtheorie)

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Exkurs: Klagebefugnis bei Drittanfechtung

Möglichkeit der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts: I. Recht 1. Keine Adressatentheorie, Art. 2 Abs. 1 GG 2. Einfachgesetzliche Normen Relevanz der Norm für Rechtmäßigkeit der überprüften Maßnahme 3. Öffentlich-rechtliche Sonderbeziehungen (z.B. Öffentlich-rechtlicher Vertrag) 4. Grundrechte II. Zuordnung zum Kläger (Schutznormtheorie) III. Möglichkeit der Rechtsverletzung (Möglichkeitstheorie)

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1. Möglicherweise verletzte drittschützende Normen• § 36 I BauGB?Gemeinde ist am bauaufsichtlichen Verfahren zu beteiligen,

hier (-); Verstoß gg § 36 I 1 BauGB; § 36 II 2 BauGB: gemeindliches Einvernehmen kann ersetzt werden; hier keine Anhaltspunkte

Aber: Vorschrift dient allein dem öffentlichen Interesse, i.e. der Sicherung der Planungshoheit der Gemeinde

Keine drittschützende Wirkung; keine schutzwürdige subjektive Rechtsposition des N aus § 36 I BauGB

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• Verunstaltungsverbot, Art. 8 BayBO Lit.: Drittschutz (-)Rspr: begrenzte drittschützende Wirkung, da Vorschrift

psychisches Wohlbefinden der Bürger und sozialen Frieden zu erhalten bezwecke

Drittschutz wohl nur in krassen Fällen, wenn zugleich Verstoß gg Gebot der Rücksichtnahme

Hier: keine Anhaltspunkte; zudem ist Art. 8 BayBO nicht vom Prüfungsumfang des Art. 59 BayBO umfasst

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• § 35 II, III BauGB? Ziel: Gewährleistung einer geordneten städtebaulichen

Entwicklung, nicht primär Schutz von Individualinteressen Nachbarschutz aus Rücksichtnahmegebot? In erster Linie

objektiv-rechtlicher Charakter; auch subjektive Komponente, da N selbst privilegiertes Vorhaben nach §35I BauGB betreibt, das bes Schutz unterliegen könnte?

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Meinungsstreit: subjektive Wirkung des § 35 I BauGB

• Denkbar: unmittelbare Ableitung von Nachbarrechten aus Eigentumsgarantie in Art. 14 GG; aber: Normen des Baurechts regeln Nutzungskonflikte zwischen benachbarten Grundstücken (Art. 14 I 2 GG) und versperren unm Durchgriff auf Art. 14 GG

• Tlw.: Herleitung der Klagebefugnis unter Anlehnung an Planersatzfunktion des § 35 I BauGB

• Klagebefugnis aus spezialgesetzlicher Konkretisierung des Gebots der Rücksichtnahme Subjektivierung; hat auch in § 35 III Nr. 3 BauGB Ausdruck gefunden

Voraussetzung: es muss in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen sein

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Erg.: unstrittig, dass sich Inhaber eines privilegierten Vorhabens

gegen die Zulassung anderer Bauvorhaben wehren kann, wenn deren Genehmigung die eigene Rechtsposition berührt

Str.: dogmatische Herleitung; meist Forderung einer subjektiv-rechtlichen Ausprägung des Rücksichtnahmegebots im einfachen Recht; mit § 35 III Nr. 3 BauGB (+)

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Exkurs: Das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme

Das Gebot der Rücksichtnahme findet seinen Ausdruck im einfachen Recht und überlagert dieses nicht allgemein. zu finden ist es in Normen des Baurechts und findet dadurch auch Anwendung und Geltung. Im Grundsatz ist es objektiv-rechtlich und entfaltet daher keinen Drittschutz. Subjektive Wirkung hat es nur ausnahmsweise. Im Einzelfall muss auf „qualifizierte und zugleich individualisierte Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen sein“ --> partieller Drittschutz der betroffene Dritte muss offensichtlich zum Schutzkreis gehören muss besondere rechtliche Schutzwürdigkeit aufweisen; zB (+),

wenn der Dritte nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert ist

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2. Nachbareigenschaft des N? keine Def des Nachbarbegriffs in den bauplanungsrechtlichen

Normen stets grundstücksbezogen betroffenes Grundstück des Klägers muss räumliche Nähe zu dem

Grundstück aufweisen, auf welchem das genehmigte Vorhaben realisiert werden soll

hM: Betroffener muss zudem Grundstückseigentümer sein o. Inhaber einer eigentumsähnlichen Position, da nur dann die nötige rechtliche Verbundenheit mit dem Grundstück bestehe; nicht ausr. Wenn Betr nur Mieter o. Pächter; s.a. Wortlaut des Art. 66 I BayBO

hier: Ns Grundstück grenzt an Bs; nötige Grundstücksbezogenheit (+)

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3. Verzicht des B?• an Möglichkeit einer Rechtsverletzung des N ändert auch der

Verzicht des B auf etwaige Störungsbeseitungsansprüche nichts zum einen muss Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung

ablehnen, wenn neben den Belangen der Nachbarn auch öffentliche Belange berührt sind hier: zu befürchten, dass das Vorhaben des B gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt sein wird, da ein Schweinemastbetrieb regelmäßig Emissionen hervorruft

zum anderen steht nicht die Rechtsposition des B zur Diskussion, sondern der Abwehranspruch des privilegierten N gegen die heranrückende Bebauung, die seine eigene Privilegierung beeinträchtigen würde

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N ist klagebefugt.

Hinweis: Im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB kann sich die Klagebefugnis aus dem Gebot des Einfügens ergeben. Dieses ist objektive Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und soll eine geordnete städtebauliche Entwicklung sichern. Ob diesem subjektiver Nachbarschutz zukommt, ist dann nach der Subjektivierungsformel zu prüfen. § 34 Abs. 2 BauGB kommt nach der Rechtsprechung dagegen per se Drittschutz zu. Dies liegt daran, dass die Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung die Nachbarn zu einer bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft vereint und jedem dieser daher ein Gebietserhaltungsanspruch zusteht.

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Exkurs: Klagebefugnis im Baurecht

Die Klagebefugnis im Baurecht kann sich aus unterschiedlichsten Gründen ergeben: aus einem Gebietserhaltungsanspruch des Klägers, wenn das

Bauvorhaben Vorschriften über die Art der baulichen Nutzung verletzt. Diese sind generell nachbarschützend.

Verstöße gegen das Maß der baulichen Nutzung begründen eine Klagebefugnis dagegen nur dann, wenn ein Nachbarschutz vom Plangeber gewollt war.

aus Gebot der Rücksichtnahme, wenn es ausnahmsweise subjektiv wirkt aus Vorschriften des Bauordnungsrechtes, wenn diese Drittschutz

gewähren; (+) vor allem bei Abstandsflächen und Brandschutz aus genehmigten Abweichungen, wenn diese Interessen des

Nachbarn nachteilig beeinträchtigen

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IV. Vorverfahren, §§ 68 ff VwGO

gemäß § 68 Abs. 1 S. 2 HS. 1 VwGO i.V.m. Art. 15 Abs. 2, 3 AGVwGO in Bayern unstatthaft

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V. Beteiligungs- und Prozessfähigkeit, §§ 61, 62 VwGO

1. Kläger N• Kläger N ist als natürliche Person nach § 63 Nr. 1 i. V. m. § 61 Nr. 1

Alt. 1 VwGO beteiligtenfähig. • Die Prozessfähigkeit des N ist gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m.

§§ 2, 104 ff. BGB gegeben

2. Beklagter• Der Freistaat Bayern ist nach § 63 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 61 Nr. 1 Alt.

2 VwGO beteiligtenfähig. • Die Prozessfähigkeit ergibt sich aus § 62 Abs. 3 VwGO. Gemäß § 36

Abs. 1 S. 2 VwGO, Art. 16 S. 1 AGVwGO, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 LABV wird der Freistaat Bayern dabei durch die Ausgangsbehörde vertreten.

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Lösungsvorschlag

VI. Zuständiges Gericht

Sachlich und örtlich zuständig ist gem. §§ 45, 52 Nr. 1 VwGO das Verwaltungsgericht, in dessen Bezirk das Baugrundstück belegen ist.

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VII. Klagefrist, § 74 I 2 VwGO

Mangels entgegenstehender Angaben im Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO noch gewahrt werden kann.

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VIII. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben.

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IX. Zwischenergebnis

Alle Sachentscheidungsvoraussetzungen liegen vor.

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B. Notwendige Beiladung, § 65 Abs. 2 VwGO

• B ist gem. § 65 Abs. 2 VwGO notwendig beizuladen, weil das Anfechtungsurteil auch ihm gegenüber unmittelbare Gestaltungswirkung hat

• Gemeinde G kann ebenfalls beigeladen werden, da sie ihr Einverständnis verweigert hat. Das Verwaltungsgericht wird hierbei sein Ermessen nach § 65 Abs. 1 VwGO ausüben

zu berücksichtigen, dass die Anfechtung auch im Interesse der Gemeinde sein dürfte, da diese durch Verweigerung des Einverständnisses gezeigt hat, dass sie an der Verwirklichung des Baus kein Interesse hat. Auch kann so die Rechtskraft auf sie erstreckt werden, da sie nach § 63 Nr. 3 VwGO zur Beteiligten wird.

Das Gericht wird daher die Gemeinde G auch beiladen.

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Exkurs: Beiladung, § 65 VwGO

Die Beiladung ist keine Sachentscheidungsvoraussetzung. Eine unterbliebene Beiladung hat nur Auswirkungen auf die Rechtswirkung des Urteils, nicht auf die Zulässigkeit der Klage. Da der Beigeladene Beteiligter nach § 63 Nr. 3 VwGO ist, soll durch die Rechtskrafterstreckung nach § 121 Nr. 1 VwGO ein weiterer Prozess verhindert werden; die Bindungswirkung des Urteils erstreckt sich damit auch auf ihn.

Voraussetzungen der Beiladung sollten erst nach Abschluss der Zulässigkeitsprüfung und vor der Begründetheit angesprochen werden.

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C. Begründetheit

Die Anfechtungsklage ist gem. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten richtet (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und soweit die Baugenehmigung rechtswidrig ist und N dadurch in seinen Rechten verletzt wird.

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I. Passivlegitimation

• § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO: Klage ist gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft zu richtet, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat (Rechtsträ-gerprinzip). Erlassbehörde war hier das als untere Bauaufsichtsbehörde

zuständige Landratsamt (vgl. Art. 53 Abs. 1 S. 1, 2 BayBO) als Kreisverwaltungsbehörde im Gebiet der kreisangehöriger

Gemeinden G wird das Landratsamt hier nach Art. 54 Abs. 1 BayBO, Art. 37 Abs. 1 S. 2 LKrO als Staatsbehörde tätig

Als deren Rechtsträger ist richtiger Klagegegner demnach der Freistaat Bayern.

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II. Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung

1. RechtsgrundlageRechtsgrundlage für die Erteilung einer Baugenehmigung ist Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BayBO eine Baugenehmigung dann zu erteilen, wenn keine im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfenden Vorschriften entgegenstehen.

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2. Formelle Rechtmäßigkeita) Zuständige Behörde, Art. 53 Abs. 1 S. 2, 54 Abs. 1 BayBO Landratsamt als untere Bauaufsichtsbehörde gem. Art. 53 Abs. 1 S. 2, 54 Abs. 1 BayBO i.V.m. Art. 37 Abs. 1 S. 2 LKrO

b) Verfahren und Form Verfahrensverstöße nach den Art. 64 ff. BayBO sind nicht ersichtlich. Die Form des Art. 68 Abs. 2 S. 1 BayBO wurde gewahrt.

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3. Materielle Rechtmäßigkeit

Das Vorhaben müsste materiell rechtmäßig sein. Es ist zu prüfen, ob es genehmigungsbedürftig und genehmigungsfähig ist.

a) Genehmigungsbedürftigkeit, Art. 55 Abs. 1 BayBO• Vorhaben: Loftausbau, ist Nutzungsänderung einer Anlage im

Sinne des Art. 2 Abs. 1 S. 4 BayBO Baugenehmigung ist gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO erforderlich, da weder Art. 56 bis 58 BayBO noch Art. 72 oder 73 BayBOvorrangig eingreifen

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b) Genehmigungsfähigkeit, Art. 59 S. 1 BayBOGenehmigungsfähigkeit richtet sich nach den im Genehmigungsverfahren zu prüfenden VorschriftenArt. 59 BayBO oder Art. 60 BayBO?entscheidend, ob das Vorhaben als Sonderbau zu qualifizieren

istHier: da es sich bei dem Vorhaben nicht um einen Sonderbau

i. S. v. Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt, ist hinsichtlich des Prüfungsumfangs das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO einschlägig

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(1) Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit Zunächst müsste das Vorhaben in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nach Art. 59 S. 1 Nr. 1 BayBO i.V.m. §§ 29 ff. BauGB zulässig sein. (a) Bauliche Anlage, § 29 Abs. 1 BauGB? Bundesrechtlicher Begriff fordert zusätzlich zum landesrechtlichen

boden- oder planungsrechtliche Relevanz (+), wenn Anlage auf Dauer angelegt ist und Aspekte berücksichtigt

wurden, die bei der Planaufstellung zu berücksichtigen waren (v. a. §§ 1 Abs. 3 S. 1, 5 und 6 BauGB)

Hier: (+) Vorhaben ist auf Dauer angelegt und es kann davon ausgegangen werden, dass planaufstellungsrelevante Aspekte Berücksichtigung fanden

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Exkurs: Definition der baulichen Anlage

Art. 2 Abs. 1 S. 1 BayBO und § 29 Abs. 1 BauGB sind nicht identisch und dürfen auch nicht gleichgesetzt werden. Dies ist schon aus kompetenzrechtlichen Erwägungen anzunehmen. Landesrecht darf Bundesrecht nicht bestimmen. Auslegungshilfen sind dagegen erlaubt. § 29 Abs. 1 BauGB setzt zusätzlich zur Definition aus Art. 2 Abs. 1 S. 1 BayBO eine boden- auch planungsrechtliche Relevanz voraus. Diese liegt vor, wenn das Vorhaben auf Dauer angelegt ist und Aspekte der Planaufstellung berücksichtigt werden. Definition: Eine Bauliche Anlage ist eine künstlich hergestellte Anlage aus Baumaterialien, die dauerhaft mit dem Erdboden verbunden ist und eine städtebauliche Relevanz aufweist.

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(b) Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB?• Vorhaben im Außenbereich Zulässigkeit bestimmt sich

nach § 35 BauGB• § 35 I BauGB nicht einschlägig, da Wohnbebauung im

Außenbereich nicht privilegiert

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(c) Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB? • Entgegenstehen öffentliche Belange nach § 35 Abs. 2 BauGB ? unzumutbare Beeinträchtigungen des in § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB zum

Ausdruck kommenden Gebots der Rücksichtnahme? schädliche Umwelteinwirkungen sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß

oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG); hier: (+)

VDI-Richtlinien sind keine Verwaltungsvorschriften, haben keine Rechtsverbindlichkeit, können jedoch als Auslegungshilfe herangezogen werden: Geruchs- und Ungezieferbelästigung nicht gewollt

Hier: schädliche Umwelteinwirkungen nach § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB (+) und öffentliche Belange beeinträchtigt

• sog. Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 BauGB kann dann nicht in Betracht kommen

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(2) Bauordnungsrechtliche Zulässigkeit

Verstöße gegen Art. 59 S. 1 Nrn. 2 u. 3 BayBO sind nicht ersichtlich.

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Prüfungsschema: Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung

1. Rechtsgrundlage ist Art. 68 Abs. 1 S 1 BayBO2. Formelle Rechtmäßigkeit a. Zuständigkeit gemäß Art. 53 Abs. 1 S. 2, 54 Abs. 1 BayBOb. Verfahren und Form nach Art. 64-66 BayBO (insbesondere Bauantrag, Abweichungen und Nachbarbeteiligung) 3. Materielle Rechtmäßigkeit a. Genehmigungsbedürftigkeit, Art. 55 Abs. 1 BayBOi. Anlage i.S.d. Art. 2 Abs. 1 S. 4 BayBOii. Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung iii. Ausnahmen (insb. Art. 57, 58 BayBO) b. Genehmigungsfähigkeit, Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BayBOi. Prüfprogramm Art. 59 oder 60 BayBOii. Vereinbarkeit mit Bauplanungsrecht (§§ 29 ff. BauGB) iii. Vereinbarkeit mit Bauordnungsrecht iv. Sonstiges „aufgedrängtes“ Recht v. Evtl. passiver Bestandsschutz (Art. 14 Abs. 1 GG)

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4. Subjektive Rechtsverletzung N ist allein hinsichtlich § 35 Abs. 2, 3 BauGB verletzt, da B das Gebot der Rücksichtnahme durch die Realisierung des Bauvorhabens verletzen würde.

III. ErgebnisDie Klage des N ist begründet.

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Teil 2: Abwandlung

• B kann am schnellsten im einstweiligen Rechtsschutz nach §80 Abs. 5 VwGO bzw. § 123 Abs. 1 VwGO gegen die Beseitigungsanordnung vorgehen. Welcher Antrag zu wählen ist, ist eine Frage der Statthaftigkeit.

• Dies hat Aussicht auf Erfolg, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen gegeben sind und soweit der Antrag und begründet ist.

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A. Sachentscheidungsvoraussetzungen

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, analog § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO

• keine aufdrängende Sonderzuweisung • ör Streitigkeit (+) streitentscheidende Norm Art. 76 S. 1 BayBO berechtigt und

verpflichtet vorwiegend Hoheitsträger, da sie der Bauaufsichtsbehörde erlaubt, Vorhaben, welche nicht im Einklang zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurden, zu beseitigen

• nichtverfrechtl. Art (+)• keine abdrängende Sonderzuweisung (+)

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II. Statthaftigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 S. 1, 2. Alt. VwGO

• maßgeblich sind Begehren des Antragstellers und Antragsgegenstand, §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO

• In Betracht kommen § 123 Abs. 1 VwGO sowie § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO Abgrenzung gem § 123 Abs. 5 VwGO: Subsidiarität von § 123 Abs. 1 VwGO, wenn es um die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung geht

• Hier: Anfechtungsklage hat nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO ausnahmsweise keine aufschiebende Wirkung, da Behörde die sofortige Vollziehbarkeit des VA nach § 80 Abs. 3 VwGO angeordnet hat

Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 S. 1, Alt. 2 VwGO ist statthaft

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III. Antragsbefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog

• Antragsbefugnis erforderlich, da vorläufiger Rechtsschutz nicht weiter gehen darf als der Rechtsschutz der Hauptsache

• Hier: Antragsbefugnis nach Adressatentheorie (+), da Beseitigungsanordnung hier belastender Verwaltungsakt; überdies möglicherweise Verletzung des B in seinem Eigentumsrecht aus Art. 14 I GG

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IV. Zuständiges Gericht, §§ 80 Abs. 5 S. 1, 45, 52 VwGO

• § 80 Abs. 5 S. 1: Zuständigkeit des Gerichts der Hauptsache §§ 45, 52 Nr. 1 VwGO: Verwaltungsgericht in dessen Bezirk das Gebäude liegt

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V. Beteiligten- und Prozessfähigkeit, §§ 61 ff. VwGO

• Antragsteller B ist als natürliche Person nach § 63 Nr. 1 i. V. m. § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO beteiligtenfähig

• Prozessfähigkeit des B ist gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. §§ 2, 104 ff. BGB gegeben

• Freistaat Bayern ist ebenfalls beteiligtenfähig nach § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO; im Prozess wird er durch die Ausgangsbehörde vertreten nach § 62 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 1 S. 2 VwGO, Art. 16 S. 1 AGVwGO, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 LABV

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VI. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

1. Vorheriger Antrag bei der Ausgangsbehörde, § 80 Abs. 6 VwGO?

Hier: kein Fall des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO § 80 Abs. 6 VwGO nicht einschlägig; § 80 Abs. 4 VwGO allein

enthält kein Antragserfordernis

Hinweis: Diese Frage ist bei Fällen des § 80a Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1, 1.Alt. VwGO problematischer. Dies liegt daran, dass streitig ist, ob der Verweis von § 80a Abs. 3 S. 2 VwGO auf § 80 Abs. 6 VwGO als Rechtsgrund- oder folgenverweis zu verstehen ist.

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2. Einlegung des Hauptsacherechtsbehelfs?

• Erhebung einer Anfechtungsklage zugleich mit Antragstellung erforderlich? [hier schon erfolgt]

Tlw: (+) Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung setzt Hauptsacherechtsbehelf voraus, für den aW wiederhergestellt werden kann; § 80 Abs. 5 S. 2 VwGO, auf den § 80a Abs. 3 S. 2 VwGO verweist, bringt nur zum Ausdruck, dass Betr, der erfolglos Widerspruch eingelegt hat, nicht auch noch AK erheben muss üA: (-) Arg: Wortlaut des § 80 Abs. 5 S. 2 VwGO; 68 Abs. 1 S. 2 VwGO sah schon vor Inkrafttreten des Art. 15 Abs. 2 AGVwGOAusnahmen vom Widerspruchsverfahren vor; sonst Verkürzung der Klagefrist, bedenklich unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG)

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3. Keine evidente Unzulässigkeit der Hauptsache

• keine Verfristung der Hauptsache hier ist davon auszugehen, dass die Frist nach § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO noch eingehalten werden kann

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B. Begründetheit

Der Antrag auf Wiederherstellung des Suspensiveffekts ist begründet, wenn er sich gegen den richtigen Antragsgegner richtet (§ 78 I Nr. 1 VwGO analog) und soweit die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtswidrig ist und/oder eine Interessensabwägung ergibt, dass das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragsstellers nicht überwiegt.

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I. Passivlegitimation, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog

Richtiger Antragsgegner nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog ist der Freistaat Bayern nach Art. 53 Abs. 1 S. 2, 54 Abs. 1 BayBO, Art. 37 Abs. 1 S. 2 LKrO.

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II. Formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit

1. Zuständigkeit des Landratsamts, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO

Als erlassende Behörde konnte das zuständige Landratsamt hier auch die sofortige Vollziehbarkeit anordnen gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO.

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2. Verfahren• Str., ob vor Erlass der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eine

Anhörung des Betroffenen durchgeführt werden muss wenn Anordnung VA, dann Art. 28 BayVwVfG direkt anwendbar hM kein eigenständiger VA, kein eigener Regelungsgehalt, nur

Vollstreckungsvoraussetzung nach Art. 19 I Nr. 3 VwZVGunselbständiger Annex zu Grund-VA

analoge Anwendung von Art. 28 BayVwVfG? (-), da keine vergleichbare Interessenlage; Eingriffsintensität nicht mit der eines VA vergleichbar

• Hier: Anhörung könnte nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG noch im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden

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3. Ordnungsgemäße Begründung, § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO• Ausr. Begründung? darf nicht bloß die Gründe des Grundverwaltungsakts wiedergeben AO der sofortigen Vollziehbarkeit darf nicht reiner Reflex der

Beseitigungsanordnung sein Es müssen triftige Gründe Sofortvollzug rechtfertigen Hier könnten dies eine exponierte Lage des Baus, eine große

Besucherzahl des Bereichs oder angekündigte Nachah-mungensein; ABER: Landratsamt nimmt dazu nicht Stellung

Angesichts drastischer Eingriffswirkung und Irreversibilität der Maß-nahme, kann Sofortvollzug nur bei solch schwerwiegenden Befürchtungen gerechtfertigt sein; liegen hier nicht vor

Sofortvollzug wurde nicht rechtmäßig angeordnet

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III. Interessenabwägung (Hilfsgutachten)

• Hauptindiz für das Überwiegen des Aussetzungsinteresses sind die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache. Nachdem der vorläufige Rechtsschutz die Hauptsache nicht vorwegnehmen soll, erfolgt hier nur eine summarische Prüfung.

• Das Aussetzungsinteresse überwiegt regelmäßig das Vollzugsinteresse, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Denn an der Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Verwaltungsaktes kann unter Berücksichtigung des Rechtsstaatsprinzips von vornherein keinerlei berechtigtes öffentliches Interesse bestehen.

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1. Sachentscheidungsvoraussetzungen der Hauptsache

a) Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 VwGO (+) s.o.b) Statthafte Klageart: Vorgehen gg Beseitigungsanordnung

belastender VA, wirksam und nicht erledigt Anfechtungsklage nach § 42 I Alt. 1 VwGO

c) Klagebefugnis (+) s.o.d) Partei- und Prozessfähigkeit (s-o.)e) Vorverfahren: unstatthaft, § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO, Art. 15 Abs.

2 AGVwGOf) nicht verfristet (s.o.)g) allg Rechtsschutzbedürfnis (+) Sachurteilsvoraussetzungen der Hauptsache sind erfüllt.

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2. Begründetheit der Hauptsache

Die Anfechtungsklage in der Hauptsache ist begründet, wenn sie gegen den richtigen Beklagten nach § 78 Abs. 1 S. 1 VwGO gerichtet ist, der angegriffene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und B hierdurch in seinen Rechten verletzt ist (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

a) Richtiger Beklagter, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO

Richtiger Beklagter ist auch hier der Freistaat Bayern (vgl. oben).

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b) Rechtmäßigkeit der Baubeseitigungsanordnung

(1) Rechtsgrundlage, Art. 76 S. 1 BayBO

• Da Baubeseitigung Teil der Eingriffsverwaltung ist, muss wegen des Vorbehalts des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3 GG eine gesetzliche Ermächtigung der Behörde zu einer solchen Maßnahme bestehen

Rechtsgrundlage für diese ist Maßnahme ist hier Art. 76 S. 1 BayBO

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(2) Formelle Rechtmäßigkeit (a) Zuständigkeit, Art. 53 Abs. 1 S. 1 BayBO örtlich zuständige Landratsamt als untere Bauaufsichtsbehörde gemäß Art.

53 Abs. 1 S. 1 u. 2, 54 Abs. 1 BayBO, Art. 37 Abs. 1 S. 2 LKrO(b) Verfahren und Form Verfahrensverstoß, da B vor Erlass der Baubeseitigungsanordnung nicht

nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört worden ist? Verfahrensverstoß führt zwar zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes,

kann jedoch noch bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG geheilt werden

nachdem der Verwaltungsakt hier zugestellt wurde, ist von Schriftform auszugehen; dass eine Begründung nach Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG vorliegt ist hier nicht anzuzweifeln.

(c) Zwischenergebnis Die Baubeseitigungsanordnung erging damit formell rechtmäßig.

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(3) Materielle Rechtmäßigkeit(a) Tatbestand des Art. 76 S. 1 BayBO erfüllt, wenn eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet worden ist und der Zustand nicht auf andere Weise zu beheben ist (i) Anlage i.S.d. Art. 2 Abs. 1 S. 4 BayBO • Begriff der Anlage, Art. 2 Abs. 1 S. 4 BayBO, umfasst bauliche

Anlagen sowie sonstige Anlagen und Einrichtungen i. S. d. Art. 2 Abs. 1 S. 2 BayBO

hier: Gebäude im Sinne des Art. 2 Abs. 2 BayBO; Gebäude sind immer bauliche Anlagen und damit Anlagen nach Art. 2 Abs. 1 S. 4 BayBO

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(ii) Formelle Illegalität

Das Vorhaben ist offensichtlich formell illegal, da es genehmigungspflichtig und ohne Baugenehmigung realisiert worden ist.

Hinweis: Formelle Illegalität liegt immer dann vor, wenn das Vorhaben genehmigungspflichtig ist und kein formelles Baugenehmigungsverfahren durchgeführt wurde. Zu prüfen ist daher zumeist Art. 55 Abs. 1 BayBO sowie die Art. 57, 58 BayBOals mögliche Aus-nahmen.

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(iii) Materielle Illegalität • Vorhaben genehmigungsfähig?• Da kein Sonderbau nach Art. 2 Abs. 4 BayBO vorliegt, ist

Verfahren nach Art. 59 BayBO einschlägig • Keine Verstöße gegen Art. 59 S. 1 Nrn. 2 u. 3 ersichtlich• Verstöße gegen Bauplanungsrecht nach Art. 59 S. 1 Nr. 1

BayBO i.V.m. §§ 29 ff. BauGB? bauliche Anlage nach § 29 Abs. 1 BauGB (+), da Gebäude

regelmäßig auch bodenrechtliche Relevanz RM nach § 35 II BauGB?: keine Beeinträchtigung öffentlicher

Belange und Erschließung gesichert? Wenn ja, dann gebundener Anspruch auf Genehmigung

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Hier:• Öffentliche Belange berührt, da Bau den Bestimmungen des

Flächennutzungsplans widerspricht (vgl. § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB) Flächennutzungsplan bestimmt Fläche als Fläche für die

Landwirtschaft gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 9 lit. a) BauGB Loft kein landwirtschaftlichen Gebäude im Sinne des § 201 BauGB • § 35 III Nr. 7 Splittersiedlung zu befürchten? Siedlungsansatz – mag er auch einen nur durch Baulücken

unterbrochenen Bebauungszusammenhang darstellen – dem es an dem für einen Ortsteil erforderlichen Gewicht fehlt

Einzelnes Gebäude in sonst unbebauter Gegend (+)

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Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 BauGB liegen nicht vor auf die Erschließung kommt es demnach gar nicht an• Aber: Vorhaben nach § 35 Abs. 4 BauGB teilprivilegiert? Bestandsschutz, so dass bestimmt öff Belange nicht

entgegengehalten werden können; zu ausnw nicht relevanten Belangen gehört auch Errichtung in Widerspruch zu Flächennutzungsplan

Hier: (-), es war kein zulässig errichtetes Vorhaben vorhanden; Neubau ohne dass Grundstück vorher baurechtlich relevant genutzt wurde

Keine Teilprivilegierung nach § 35 IV BauGB § 35 II BauGB (-)

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Der Bau ist daher nicht nach § 35 BauGB zulässig und widerspricht damit bauplanungsrechtlichen Vorschriften im Sinne des Art. 59 S. 1 Nr. 1 BayBO. Das Vorhaben ist damit nicht genehmigungsfähig und somit materiell illegal.

Zwischenergebnis:Nachdem das Vorhaben eine Anlage darstellt und durch die materielle Illegalität ausgeschlossen ist, dass auf anderem Wege rechtmäßige Zustände wiederhergestellt werden können, liegen die Voraussetzungen des Art. 76 S. 1 BayBO vor.

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Exkurs: Vorausgesetzte Illegalität bei der Nutzungsuntersagung gem.

Art. 76 S. 2 BayBO

e.A: materielle Illegalität gefordert systematischen Stellung des Art. 76 S. 2 BayBO bei

Beseitigungsanordnung, die nach h. M. nur bei materieller Illegalität gerechtfertigt ist

BayVGH: formelle Illegalität ausreichend funktionelle Nähe zur Baueinstellung; beide enthalten keine

abschließende Sachentscheidung, sondern regeln nur vorläufige Zustände, welche durch das Genehmigungsverfahren beseitigt werden können; Zweck beider Normen ist daher ein Zwingen ins Genehmigungsverfahren

Ausnahme nur, wenn schwerwiegende Folgen zu befürchten; zBwenn Betriebsnutzung untersagt wird und dadurch schwere wirtschaftliche Folgen zu befürchten sind; dann unverhältnismäßig rein auf formelle Aspekte abzustellen.

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(b) Ermessen, Art. 40 BayVwVfG

Art. 76 S. 1 BayBO gewährt der Behörde jedoch Ermessen. Dieses ist gemäß § 114 Abs. 1 VwGO auch gerichtlich überprüfbar. Hier ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Behörde gegen dieses Ermessen verstoßen haben könnte.

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(c) Bestandsschutz des Vorhabens• Gebäude bereits zwei Jahre im Außenbereich steht?• Differenzierung: passiver und aktiver Bestandsschutz passiv: wenn Nutzung einmal zulässig war; aus Art. 14 I GG

folgt, dass einmal zulässige Nutzung immer zulässig bleiben muss; hier (-)

aktiv: legale Nutzung legitimiert Modernisierung und Instandhaltung; zeitgemäße und funktionsgerechte Nutzung müsse gewährleistet werden, da zwischen Bestand und den ihn schützenden Maßnahmen untrennbarer funktioneller Zusammenhang bestehe; hier (-); und: BVerwG: aktiver Schutz darf nur in gesetzlich geregelten Fällen gewährt werden; zB §35 Abs. 4 BauGB

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(d) Verhältnismäßigkeit(i) Legitimer Zweck: Wiederherstellung rechtmäßigen Zustands;

Bauleitplanung obliegt den Gemeinden (§ 1 Abs. 1 u. 3 BauGB); um Planungshoheit zu gewährleisten, müssen die Vorgaben der Gemeinden durchgesetzt werden können

(ii) Geeignetheit der Maßnahme (+)(iii) Erforderlichkeit des Abrisses (+) kein milderes Mittel; andere bauaufsichtliche Maßnahmen können Rechtswidrigkeit der baulichen Zustände nicht beseitigen (iv) Angemessenheit der Maßnahme allein Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 14 GG kann

Angemessenheit nicht ausschließen; Verfestigung der Rechtsposition des B durch Bestand von 2 Jahren?

(-) sonst Begünstigung von Schwarzbauten; Ausnahme evtl in krassen Fällen, 40-50 Jahre

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(e) Zwischenergebnis Damit war die Baubeseitigungsanordnung insgesamt rechtmäßig.

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c) Subjektive RechtsverletzungDer B ist nicht in seinen Rechten verletzt, da dies bei rechtmäßigen Eingriffen ausgeschlossen ist.

d) ErgebnisDas Hauptsacheverfahren des B wäre daher unbegründet.

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3. Interessenabwägung im Einzelfall

• Zuletzt wird Gericht noch abwägen, ob das Vollzugsinteresse der Behörde überwiegt.

• Erfolgsaussichten der Hauptsache haben starke Indizienwirkung. Nachdem die Hauptsache unbegründet ist, überwiegt grundsätzlich das Vollzugsinteresse.

• Gericht darf dann aber nicht einfach dem Vollzugsinteresse den Vorzug geben muss im Einzelfall überprüfen, ob es sonstige Erwägungen gibt, die dafür sprechen, dem Aussetzungsinteresse den Vorzug zu geben; insbesondere wichtige und dringliche Interessen des Betroffenen

hier keine erkennbar; das Gericht wird daher dem Vollzugsinteresse den Vorzug geben

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C. Gesamtergebnis

Zwar überwiegt das Vollzugsinteresse der Verwaltung, da die Hauptsache unbegründet ist. Jedoch ist die Anordnung des Sofortvollzugs formell rechtswidrig. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1, 2. Alt. VwGO ist damit begründet. Umstritten ist, wie das Gericht in einem solchen Fall entscheidet.

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Meinungsstreit: Tenorierung bei formeller Rechtswidrigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit

• e A: es soll die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt wer-den.

• a A: es soll lediglich die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit aufgehoben werden.

isolierte Aufhebung ist in § 80 Abs. 5 VwGO nicht vorgesehen; Behörde ist auch nach Wiederherstellung der auf-schiebenden Wirkung nicht gehindert, eine neue Anordnung zu erlassen; es verkompliziert den Rechtsschutz, wenn der Antragsteller unterschiedliche Anträge stellen soll, je nachdem welchen Teil des Bescheids er angreifen will; dies ist prozessökonomisch nicht geboten.

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Gericht wird die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederherstellen

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