Üngewöhnlicher symptomenkomplex bei einer wahrscheinlich angeborenen muskelerkrankung

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(Aus der Psyehiatrisehen Klinik in Rostock.) UngewShnlicher Symptomenkomplex bei einer wahrscheinlich angeborenen Muskelerkrankung. Von Prof. Dr. Walter, Oberarzt. (Eingegangen am 4. O~ober 1916.) Am 15. April 1916 wurde der 35j~hrige Kaufmann H. als Artillerist eingestellt. Er ermiidete jedoch im Dienste, besonders bei Mi~rschen, derartig schnell, dal~ er ihn nur mit aul~erster Anstrengung einigerma~en machen konnte. Mehrere Male meldete sich H. deswegen krank, wurde jedoeh immer wieder nach einigen Tagen Schonung zur Truppe zuriiekgeschickt, da eine Erkrankung nicht festgeste]lt werden konnte. Nach einer Typhusimpfung mul~te er wegen eines ,,scharlachi~hnlichen" Aussehlages 3 Wochen ins'Lazarett aufgenommen werden, wo zeitweise starker auftretende Zuekungen und Zittern in einzelnen Gliedern beobachtet wurden. Nach Abheilung des Exanthems als dienstfi~hig zur Truppe zuriickgesehickt, mul~te H. sich bald wieder wegen der allgemeinen Schwi~che krank melden. Der Truppen- arzt schiekte H. daraufhin in unsere Poliklinik und iiberwies ihn dann auf dies- beziigliehen Antrag der hiesigen Klinik. Zur Anamnese gab H. an, dal~ seine Matter und seine Schwester an halbseitigen Kopfschmerzen mit I~belkeit und Erbrechen, ein Bruder an Veitstanz leiden und ein zweiter Bruder wegen allgemeiner Sehwi~chlichkeit dauernd milit~rdienstun- tauglich sei. Er selbst habe als Kind Typhus, Scharlach und Masern durchgemacht, sei sonst aber hie ernstlieh krank gewesen. Die Entwieklung sei in jeder Beziehung normal gewesen, und das Lernen ihm leicht gefallen, nur habe er, so lange er denken k6nne, unter einer auffallend schnellen Ermiidbarkeit bei allen k6rperliehen An- strengungen, besonders auch beim Gehen, gelitten, so dag er z. B. vom Turnen wegen Schwi~chliehkeit befreit worden sei. Aueh beim Sehreiben habe er immer Sehwierigkeit gehabt, da die Hand schon naeh kurzer Zeit angefangen habe zu zittern. Im Gegensatz zu allen fibrigen Unterriehtsfachern sei deshalb die Zensur hierin stets scMeeht gewesen. Spi~ter als Kaufmann sei er gut vorwgrts gekommen. H. ist jetzt Inhaber eines grSgeren, selbstandigen Geschi~ftes; seit 1904 ist er verheiratet und hat 2 gesunde Miidchen yon 8 und 5a/4 Jahren, yon denen das ~ltere aber ebenfalls leicht bei k6rperlichen Anstrengungen ermfiden sol]. Lues und Potus werden negiert. Die Untersuchung ergab: Schmi~chtig gebauter Mann mit etwas starrem, mienelosem Gesiehtsausdruck. Beide Fiil3e haben sehr stark entwickelte FuB. gewSlbe mit angedeuteter Spitzful~stellung. Sonstige Mi$bildungen fehlen. Auf- fallend sind sofort fascicul~re Zuckungen und Wogen in den verschiedensten Muskeln, besonders im Triceps, Pectoralis, Latissimus und Supinator longus. Teils sind diese Muskelkontraktionen langsam und wurmfSrmig, teils klonisch (Supinator), so dab die dadureh hervorgcrufenen Bewegungen z. B. der Hand

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(Aus der Psyehiatrisehen Klinik in Rostock.)

UngewShnlicher Symptomenkomplex bei einer wahrscheinlich angeborenen Muskelerkrankung.

Von

Prof. Dr. Walter, Oberarzt.

(Eingegangen am 4. O~ober 1916.)

Am 15. April 1916 wurde der 35j~hrige Kaufmann H. als Artillerist eingestellt. Er ermiidete jedoch im Dienste, besonders bei Mi~rschen, derartig schnell, dal~ er ihn nur mit aul~erster Anstrengung einigerma~en machen konnte. Mehrere Male meldete sich H. deswegen krank, wurde jedoeh immer wieder nach einigen Tagen Schonung zur Truppe zuriiekgeschickt, da eine Erkrankung nicht festgeste]lt werden konnte. Nach einer Typhusimpfung mul~te er wegen eines ,,scharlachi~hnlichen" Aussehlages 3 Wochen ins'Lazarett aufgenommen werden, wo zeitweise starker auftretende Zuekungen und Zittern in einzelnen Gliedern beobachtet wurden. Nach Abheilung des Exanthems als dienstfi~hig zur Truppe zuriickgesehickt, mul~te H. sich bald wieder wegen der allgemeinen Schwi~che krank melden. Der Truppen- arzt schiekte H. daraufhin in unsere Poliklinik und iiberwies ihn dann auf dies- beziigliehen Antrag der hiesigen Klinik.

Zur Anamnese gab H. an, dal~ seine Matter und seine Schwester an halbseitigen Kopfschmerzen mit I~belkeit und Erbrechen, ein Bruder an Veitstanz leiden und ein zweiter Bruder wegen allgemeiner Sehwi~chlichkeit dauernd milit~rdienstun- tauglich sei. Er selbst habe als Kind Typhus, Scharlach und Masern durchgemacht, sei sonst aber hie ernstlieh krank gewesen. Die Entwieklung sei in jeder Beziehung normal gewesen, und das Lernen ihm leicht gefallen, nur habe er, so lange er denken k6nne, unter einer auffallend schnellen Ermiidbarkeit bei allen k6rperliehen An- strengungen, besonders auch beim Gehen, gelitten, so dag er z. B. vom Turnen wegen Schwi~chliehkeit befreit worden sei. Aueh beim Sehreiben habe er immer Sehwierigkeit gehabt, da die Hand schon naeh kurzer Zeit angefangen habe zu zittern. Im Gegensatz zu allen fibrigen Unterriehtsfachern sei deshalb die Zensur hierin stets scMeeht gewesen. Spi~ter als Kaufmann sei er gut vorwgrts gekommen.

H. ist jetzt Inhaber eines grSgeren, selbstandigen Geschi~ftes; seit 1904 ist er verheiratet und hat 2 gesunde Miidchen yon 8 und 5a/4 Jahren, yon denen das ~ltere aber ebenfalls leicht bei k6rperlichen Anstrengungen ermfiden sol]. Lues und Potus werden negiert.

Die Untersuchung ergab: Schmi~chtig gebauter Mann mit etwas starrem, mienelosem Gesiehtsausdruck. Beide Fiil3e haben sehr stark entwickelte FuB. gewSlbe mit angedeuteter Spitzful~stellung. Sonstige Mi$bildungen fehlen. Auf- fallend sind sofort fascicul~re Zuckungen und Wogen in den verschiedensten Muskeln, besonders im Triceps, Pectoralis, Latissimus und Supinator longus. Teils sind diese Muskelkontraktionen langsam und wurmfSrmig, teils klonisch (Supinator), so dab die dadureh hervorgcrufenen Bewegungen z. B. der Hand

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an hysterischen Tremor erinnern. Diese -5,hnlichkeit wird noch dadurch verst~irkt, dab der Tremor sich bei psychischer Erregung oder darauf gewendeter Anfmerk- samkeit sichtlich verstarkt. Die Muskulatur ist durchweg wcmg entwickelt und schlaff, die robe Kraft gering; dcr H/~ndedruck mit Dynamometer gemessen bctr/~gt rcchts 24, links 20 ~.

Die innercn Organe sind ohne Besonderheiten, der Urin ohne pathologische Bestandteile~ der Hiimoglobingehalt und die Zusammensetzung des Blutes cnt- spreehen der Norm, insbesondere besteht keine Vermehrung der Leukocyten. Die Sehnenreflexe fehlen sgmtlich, nur einmal gelang es mit Jendrg~ssik minimale Zuckung im Quadriceps auszulSsen, dagegen sind die Hautreflexe grit zu erhalten.

gombcrg und Babinski sind nicht vorhanden. Die Zunge zeigt leichte fibrillate Zuckungen, sonst sind alle Gesichtsnerven intakt. Sensibilit~tt und Koordination sind ebenfalls o. B., Wassermann im Blur und Liquor negativ. Liquordruck (ira Sitzen) 400 ram H20, 7/s Lymphocyten (5 groBe, 2 kleine), Nonne-Apelt und Pandy negativ.

Den auffallendsten Befund bietet die elektrische Untersuchung. Schon bei der ersten, oberfl/~chlichen Priifung der Erregbarkeit dureh faradisehe und galva- nische StrSme zeigt sich eine ungewShnliehe Herabsetzung derselben, die in den verschiedenen Muskeln Mlerdings nicht gleichmiigig ist. Dim ausgiebigs~ Kon- traktion errcicht man noeh im Biceps und Sternocleidomastoideus, obwohl auch hier eine deutliche quantitative Herabsetzung besteht. Die Minimalzuckung beginnt bei faradiseher Reizung bei 6,0 Rollenabstand 1), eine Stromstarke, dutch die an Kontrollpersonen bereits kr~ftige Beug~ang des Armcs bewirkt wird. Erst bei 4,4 R.-A. kommt es bei H. zu geringer Beugebewegung. Bei allen iibrigen Mus- keln ist die Herabsetzung der elektrisehen Erregbarkeit noeh weir gr6Ber. Die starkste Abnormitat zeigen der Triceps und Deltoideus, in denen st~rkste fara- dische StrSme nur mbfimalste Zuckungen meist fascicul/irer Art hervornffen, w~hrend galvanisehe Reizung bci 11 M.-A. Minimalzuekung ergibt. Ganz i~hnlich verhglt sich der Latissimus dorsi mit Minimalzuckung bei 20 bzw. 18 M.-A. rechts und links. Fiir eine Reihe anderer Muskeln stelle ich kurz die Werte ffir direkte, galvanisehe geizun:,' tab(llarisch zusammen, wie sie sieh bei mehrmaliger Unt~r- suchung ergeben haben:

MuskelA~ Minimalzuckung bei M.-A. Flexor carp. ulnar. 6 Flexor digit, sublim. 10 Extens. digit, commun. 9 Biceps 4 Triceps 11 Pectoral. major 10 Trapezius (oberer Teil) 11 Trapezius (unterer Teil) 14--15 Latissimus dorsi 18 bzw. 20 Sternocleidomast. fi Mentalis 9 Quadrat. lab. sup. 8--9 Quadriceps fern. 12--13 Ga~trocnemius 9 fascicul~rc Zuckung

16 totale Zuckung. Anulog dieser Herabsetzung der direkten Erregbarkeit besteht auch eine vom

Nerven aus. So gelingt es z. B. vom Erbschen Punkt aus mit 6 M.-A. bzw. 69 mm

1) Alle faradisehen Werte sind ffir S t i n t z i n g s Normalelektrode berechnet.

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I~.-A. mlr MinimMzuekung im 13iceps zu erziclen, wahrend eine vollkr/iftige Arm- bewegung wie beim Normalen iiberhaupt nieht erfolgt. Vom Medianus, Ulnaris und Radialis werden die ersten Muskelkontraktionen bei 80, 84 und 51 mm R.-A. beobaehtet.

13ei den wiederholten Untersuehungen f~llt immer wieder die subjektive Un- empfindliehkeit gegen den elektrisehen Strom aufl). Neben dleser eigen- artigen verminderten geaktion auf elektrisehe Reize ergibt nun aber in einer Anzahl yon Muskeln die Priifm~g auf myasthenisehe Reaktion ein ausgesproehen positives Resultat. Dabei zeigte sieh wiederum die Tat- saehe, auf die besonders in den letzten Jahren yon versehiedenen Seiten hingewiesen ist, dag diese Reaktion nur bei frequenten Strbmen deutlieh ist, w~thrend sic bei einer geringen Zahl yon Unterbreehungen mehr oder weniger vSllig ausbleibt. 13ei hoher Frequenz ist es bei unserem Patient~n ziemlich gleiehgiiltig, ob die geizung dauernd oder mit kurzen Unterbreehungen stattfindet. Im ersteren Falle ersehlaffen z. 13. der 13ieeps und Sternoeleido naeh etwa 15 Sekunden, im zweiten naeh ungefahr 10 Reizungen yon je 2 Sekunden mit ganz kurzem Aus- setzen. Naeh dieser Zeit werden die Kontraktionen langsamer, fast wurmf6rmig, und eine st~rkere Verh~rtung des Muskels und 13ewegung des entspreehenden Gliedes treten nieht mehr ein. Im Triceps, wo ja iiberhaupt nur geri'ngste Zuekungen dureh faradisehen Strom zu erreiehen sind, bleiben diese naeh kurzer Zeit vSllig aus. Typisehe Ea.-l~. ist nirgends vorhanden, indessen zeigt z. ]3. der Triceps keine wesentliehe Differenz zwisehen K.-S.-Zuekung und A.-S.-Zuekung, und die aus- 16sbaren Kontraktionen erinnern entsehieden manehmM an eine ,,wurmfSrmige" Zuekung.

Es ist sehon oben betont, dag zwar allgemein die Muskulatur mgBig entwiekelt ist, abet eigentliehe 5Iuskelatrophien fehlen. Dementspreehend sind aueh nirgends Paresen naehweisbar. Alle 13ewegungen werden prompt und ohne Sehwierigkeit ausgefiihrt, nut dab ungewShnlieh friih Ermiidung eintritt.

Die klinisehe Beur te i lung des Fal les is t n ieh t ganz einfaeh, wenn man sieh an die Lehrbuehdar s t e l lu~g der in F rage k o m m e n d e n Krankhe i t s - b i lder hSlt. A m nahe l iegends ten is t zweifellos der Gedanke an eine Myasthenie , da die typ i sehe R e a k t i o n in so ausgesproehener F o r m an versehiedenen Muskeln naehweisbar war, zumal wir wissen, dab sic durehaus n ieh t in al len Muskelgebie ten des be t ref fenden P a t i e n t e n vor- handen zu sein b r a u e h t ; aueh faseieuli~re und klonisehe Zuekungen sind yon mehreren Au to ren ( L e w a n d o w s k y , O p p e n h e i m , E r b u. a.) beobaeh te t worden. Ungew6hnl ieher is t sehon die s t a rke H e ra bse t z ung der e lekt r i sehen Muskeler regbarkei t . DaB sic i i be rhaup t bei Myas then ie v o r k o m m t , ha t J e n d r ~ s s i k be ton t , und M o n t e t u. S k o p haben 1908 einen Fa l l yon Myas then ia gravis al lerdings mi t ausgesproehener Muskel- a t roph ic publ iz ier t , bei dem eine Herabse t zung der Muske le r regbarke i t fiir beide S t ro lna r t en aueh in den n ieh ta t roph i sehen Muskeln naehweis- ba r war. Was aber naeh den bisher igen Er fah rungen durehaus gegen diese Diagnose sprieht , is t das Feh len s i imtl ieher Sehnenref lexe! Wohl

1) Darauf aufmerksam gemaeht, gibt Patient an, dab er sehon als Kind, wenn er z. 13. auf dem Markte mit Kameraden sieh elektrisieren liel], stets den sts vorhandenen Strom erring und dadureh vor allen anderen Kindern auffiel.

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lieB sieh in manchen Beobaehtungen (Goldf lam) Ermtidung derselben und zeitweises Fehlen feststellen; einen Fall aber, wo konstant aueh naeh langer Ruhe (z. B. morgens im Bert) alle Sehnenreflexe vSllig fehlten, habe ieh in der mir zuggngliehen Literatur nieht gefunden. Ebenso ungewShnlieh ist der klinisehe Verlauf der Erkrankung unseres Patienten. Nie sind L~hmungserseheinungen von seiten irgendweleher Muskeln, besonders aueh nieht des Gesiehtes, aufgetreten, sondern der Zustand ist seit der frtihesten Kindheit v611ig stationer geblieben. Eine Versehleehterung trat nur in Form von versti~rktem Tremor und klo- nisehen Zuekungen naeh kSrperliehen Anstrengungen und psyehisehen Erregungen auf, wie wir das hier gelegentlich einer klinischen Vorstel- lung und naeh ]~ngeren Untersuehungen selbst beobaehten konnten. Man k6nnte einwenden, dab bei dem relativ jugendliehen Alter des Patienten die typisehen myasthenisehen Attaeken noeh kommen kSnnen. Aber das Augergew6hnliehe liegt ja weniger in dem Fehlen der ,,An- fMle" als vielmehr in dem Dauerzustand gewisser myastheniseher Sym- ptome seit Kindheit an.

Wtirde die Muskelatonie und Sehw~ehe eine noeh erheblichere ge- wesen und in den ersten Lebensjahren bei unserem Patienten fest- gestellt worden sein, so hi~t~e man sieherlieh seinerzeit an eine Myatonia congenita denken mtissen; denn Herabsetzung der Muskelerregbarkeit und der Sehnenreflexe, die typisehen Zeiehen dieser Erkrankung, stehen aueh hier mit im Vordergrunde. Indessen spreehen gegen diese Diagnose so viele andere Momente, dab sie unseres Eraehtens ernstlieh nieht in Fxage kommt.

Sonaeh ist es kaum m6glieh, unseren Fall zwanglos in ein bekanntes Krankheitsbild einzureihen. Wiire die myasthenische Reaktion ein absolut spezifisehes Symptom, wtirde man von einem atypisehen My- astheniefall spreehen kSmlen. Da wir aber wissen, dab dieses Zeiehen auch bei anderen nervSsen und muskul~ren Erkrankungen vorkommt, halten wir diesen Sehlug nieht ftir bereehtigt. In den letzten Jahren hat nun J e n d r a s s i k auf die Vielgestaltigkeit hereditS, rer Leiden besonders auch des Muskelsystems hingewiesen und in einer reichen Kasuistik aueh F~lle mit Fehlen der Sehnenreflexe und wenigstens teilweiser Herabsetzung der Muskelerregbarkeit besehrieben, allerdings ohne myasthenisehe Reaktion. Der Autor betont besonders, dab die here- dit~ren Krankheitsformen sieh ,,nicht in ganz typischen, seharf um- sehriebenen Krankheitsbildern" entwiekeln, sondern im Gegenteil ,,die heterogensten Krankheitssymptome in endlosen Kombinationen variieren". Ja er sagt direkt, dab ,,eigenttimliehe, ungewohnte Grup- pierung von sonst kaum zusammen vorkommenden Symptomen in ehronischer, lange progredienter Entwicklung mit gr6gter Wahrsehein- liehkeit einer heredit~ren Degeneration entsprieht". Leider war es nicht

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m6glieh, den Bruder unseres Patienten, der ebenfalls yon Kindheit an an ,,allgemeiner Schwachlichkeit" leidet, zur Untersuchung zu bekom- men. Nach den Angaben unseres Patienten liegt die Vermutung nahe, os mSchte hier eine ahnliche Erkrankung vorliegen. I~ahezu sicher ist aber, dab bei H. selbst das Leiden angeboren ist, da ein Zeitpunkt, an dem es begonnen, oder eine Krankheit , als deren Folge es aufgetreten ware, nicht zu eruieren war. Uberdies weist der kongenitale Pes equino- varus deutlich auf eine krankhafte Veranlagung hin, und in dem gleichen Sinne ist jedenfalls auch die starke familiare nerv6se Belastung (~ut - ter und 2 Gesehwister) zu deutenl).

Wir sind deshalb geneigt, den ungew.Shnlichen Symptomenkomplex, wie ihn H. bietet, in die Gruppe der hereditaren Erkrankungen einzu- reJhen, da ja isoliert auftretende Falle auch hier nicht selten vorkommen.

Literaturverze ichnis .

Goldflam, Weiteres iiber die asthcnische L~hmung. Ncurol. Ccntralbl. 1902. Jendrhss ik , E., ]3eitr~ge zur Kenntnis der hercdit~ren Krankhciten. Deutsche

Zeitschr. f. Nervenkrankh. ~2, 1902. - - D i e heredit~ren Krankheiten. Handbuch der Neurologic yon Lewan-

dowsky. Lewandowsky , Die Myasthenie. Handbuch der Neurologie. M o nt et und S k o p, Myasthenia gravis und Muskelatrophie. Monatsschr. f. Psych.

u. I%uro]. 24. 1908.

1) Nach dcr obenerwahnten Angabe, dab die /flteste Toohter des Patienten ebenfalls sehnell ermiide, wurde eine Untersuehung des Kindes vorgenommen, die aber beziiglich der elektrischen Muskelerregbarkeit und auch sonstiger Anomalien negativ ausfiel.