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Generative Phonologie Phonetik k Phonologie (Hall, Kapitel 3.3) Christian Ebert [email protected] Universität Bielefeld Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft

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Generative Phonologie

Phonetik k Phonologie

(Hall, Kapitel 3.3)

Christian Ebert

[email protected]

Universität Bielefeld

Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft

Phonetik & Phonologie WS 2005/2006 Christian Ebert

Aufgabe 5

(1) Transkribieren Sie folgenden Text:

Wenn die weißen Riesenhasenabends übern Rasen rasenund die goldnen Flügelkrötenstill in ihren Beeten beten,tief in ihrem Graben grabenund die feisten Felsenquallenkichernd in die Fallen fallen,dann schreibt man wie jedes Jahrden hundertzwölften Januar.Was, ihr kennt ihn nicht, den Tag?Schaut mal im Kalender nach!

vEn di: vaþIsn= ³i:zn=ha:zn=abn=ts y:b6n ³a:zn= ³a:zn=Unt di: gOldn@n fly:gl=k³2:tn=StIl In i:³@n be:tn= be:tn=,ti:f In i:³@m g³a:bn= g³a:bn=Unt di: faþIstn= fElzn=kvaln=kIC6nt In di: faln= faln=,dan S³a þIbt man vi: je:d@s ja:de:n hUnd6t þsv9lftn= janUa:.vas, i:6 kEnt i:n nICt de:n ta:x?SaþUt ma:l Im kalEnd6 na:x!

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Aufgabe 5

(2) Übersetzen Sie folgenden Text zurück ins Deutsche:

vi: kan man y:b6s vas6 la þUfn=o:n@ zofo³t aptþsUzaUfn= ? zo: :nIm p³i:ml=fEt Unt pUdINkraþUt,t þsvaþI ki:lo: faþInst@ fli:gNhaþUtd³aþI li:t6 gOlt Unt hImbe:6t³a:n,aþIn va:lfiSha: Unt aþIn@n t þsa:nfOn aþIn6 huml= Unt tu: da:st þsUzam=: In aþIn zIlb6gla:s.das gant þs@ las nu:n fYmf, zEks vOxNaþUf kla þIng@StElt6 flam@ kOxN,vobaþI man StEndiC S³a þI@n mUs.

Wie kann man übers Wasser laufenohne sofort abzusaufen? So:Nimm Primelfett und Puddingkraut,zwei Kilo feinste Fliegenhautdrei Liter Gold und Himbeertran,ein Walfischhaar und einen Zahnvon einer Hummel und tu daszusammen in ein Silberglas.Das Ganze lass nun fünf, sechs Wochenauf kleingestellter Flamme kochenwobei man ständig schreien muss.

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Aufgabe 5

zodan gi:s al@s In de:n flUs,de:n baX, de:n tYmpl= o:d6 ta þIC,aþUf de:m du: ge:n vIlst, Unt zogla þICtrE:gt dIC das vas6 vi: aþIn brEt.zo: vaþIt, zo: gu:t. aX ja, IC hEtfast gant þs f6gEsn= t þsU beto:n=:das al di: my:@n zIC kaþUm lo:n=:vEn man tþsUm baþISpi:l SvIm=: kan.du: kanst niCt SvIm=: ? dan ma:l ³an!

Sodann gieß alles in den Fluss,den Bach, den Tümpel oder Teich,auf dem du gehn willst, und sogleichträgt dich das Wasser wie ein Brett.So weit, so gut. Ach ja, ich hätt'fast ganz vergessen zu betonen,dass all die Mühen sich kaum lohnen,wenn man zum Beispiel schwimmen kann.Du kannst nicht schwimmen? Dann mal ran!

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Aufgabe 5

(3) Nehmen Sie bzgl. der ich/ach-Alternation an, /x/ würde zugrundeliegen. Wie sieht dann die entsprechende Regel aus, die die Alternation von [C] und [x] korrekt beschreibt?

/x/ > [C] / [i: I E: E y: Y 2: 9 aI OI l r n] __

Berücksichtigt man zusätzlich, dass [C] auch am Wortanfang stehen kann (z.B. in Chemie und China), so braucht man folgende disjunktive Regel:

/x/ > [C] / { }[i: I E: E y: Y 2: 9 aI OI l r n] __# __

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Phonologische Prozesse

Phonologische Regeln lassen sich nach der Art der beschriebenen phonetischen Änderung klassifizieren.

Oft sind die Regeln phonetisch motiviert, z.B. um die Aussprache zu erleichtern.

Folgende phonologische Prozesse sollen im Folgenden betrachtet werden:

● Assimilationen & Dissimilationen

● Epenthesen & Tilgungen

● Neutralisierungen

● Metathesen6

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Phonologische Prozesse

Assimilationen sind Angleichungsprozesse.

Dabei gleicht sich ein Segment einem benachbarten Segment in mindestens einer Eigenschaft an.

Durch diese Angleichung erleichtert sich die Aussprache für einen Sprecher, da die beiden Segmente phonetisch ähnlicher werden.

Assimilationen gehören zu den am häufigsten vorkommenden phonologischen Prozessen in den Sprachen der Welt.

Assimilationen

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Phonologische Prozesse

Folgende vier Parameter charakterisieren eine Assimilation:

(1) Betroffene LauteWelche Laute unterliegen der Assimilation?

(2) Auslösende LauteWelche Laute lösen die Assimilation aus?

(3) EigenschaftWelche phonetische Eigenschaft wird angeglichen?

Assimilationen

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Phonologische Prozesse

(4) Richtung

regressive Assimilationdie Angleichung wirkt rückwärts, d.h. von rechts nach links

ein Segment wird an ein nachfolgendes angeglichen.

progressive Assimilation die Angleichung wirkt vorwärts, d.h. von links nach rechts

ein Segment wird an ein vorhergehendes angeglichen.

Assimilationen

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Phonologische Prozesse

Beispiel: Assimilation im Plains Cree (s. letzte Sitzung, Folien Nr. 12ff)

/p t k/ > [b d g] / V __ V

Stimmlose Plosive werden zwischen Vokalen stimmhaft.

(1) Betroffene Laute: stimmlose Plosive

(2) Auslösende Laute: Vokale

(3) Eigenschaft: Stimmhaftigkeit

(4) Richtung: nicht entscheidbar

Assimilationen - Beispiele

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Phonologische ProzesseAssimilationen - Beispiele

In der Bantusprache Luganda gibt es ein Präfix mit der Bedeutung „ich“ mit den vier (nasalen) Allomorphen [m], [n], [J] und [N].

[mbala] „ich zähle“ [J�agala] „ich mag“[mpa] „ich gebe“ [JJumja] „ich unterhalte mich“[ndaga] „ich zeige“ [Jcoppa] „ich werde mittellos“[ntema] „ich schneide“ [Nkola] „ich arbeite“[nsika] „ich schneide“ [Ngula] „ich kaufe“[nneJa] „ich tadle“

Bei zugrundliegendem Nasal /n/ erkennt man folgende Assimilation:

vor labiablen Lauten ([b p]) > [m]

vor patalen Lauten ([� J c]) > [J]

vor velaren Lauten ([k g]) > [N]11

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Phonologische ProzesseAssimilationen - Beispiele

Damit sind die vier Parameter wie folgt:

(1) Betroffener Laut: /n/

(2) Auslösende Laute: Konsonanten

(3) Eigenschaft: Artikulationsort (ð Ortsassimilation)

(4) Richtung: regressiv

â â

[mpa] „ich gebe“ [JJumja] „ich unterhalte mich“

/n+pa/ /n+Jumja/Artikulationsort Artikulationsort

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Phonologische ProzesseAssimilationen - Beispiele

Im Ungarischen hat das Suffix mit der Bedeutung „über“ zwei Allomorphe [r2:l] und [ro:l]:

[te:rke:pr2:l] „Landkarte“ [lA:Jro:l] „Mädchen“[f2:ldr2:l] „Land“ [u:rro:l] „Herr“[y�r2:l] „Geschäft“ [fogro:l] „Zahn“[si:nr2:l] „Farbe“

[r2:l] enthält den vorderen Vokal [2:] und kommt nur nach Stämmen mit vorderem Vokal (linke Spalte: [e: 2: y i:]) vor.

[ro:l] enthält den hinteren Vokal [o:] und kommt nur nach Stämmen mit hinterem Vokal (rechte Spalte: [A: u: o]) vor.

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Phonologische ProzesseAssimilationen - Beispiele

Es handelt sich hierbei wieder um einen Assimilationsprozess.

Der Vokal des Suffix wird bzgl. der Zungenlage (vorne vs. hinten) an die Stammvokale angeglichen, also

(1) Betroffener Laut: Vokal des Suffixes

(2) Auslösende Laute: Vokale des Stammes

(3) Eigenschaft: Zungenlage

(4) Richtung: progressiv

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Phonologische ProzesseAssimilationen - Beispiele

In diesem Beispiel sind die betroffenen und auslösenden Laute nicht adjazent; man spricht von einer Fernassimilation.

Diese Assimilation des Ungarischen ist ein Beispiel für Vokalharmonie.

Bei der Vokalharmonie werden alle Vokale innerhalb einer Domäne (z.B. dem Wort) bzgl. mindestens einer phonetischen Eigenschaft angeglichen.

Weitere Sprachen mit Vokalharmonie sind z.B. Finnisch und Türkisch.

Beispiel: Allomorphe [lar] und [ler] des Pluralsuffix im Türkischen:

[dal] [dallar] „Zweig(e)“ [jel] [jeller] „Wind(e)“[kol] [kollar] „Arm(e)“ [g2l] [g2ller] „See(n)“

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Phonologische ProzesseAssimilationen - Beispiele

Die Sprache Toba Batak liefert ein Beispiel für totale Assimilation:

/maJan##baoa##an/ [maJabbaoaan] „jeder Mann isst“/lean##lali/ [leallali] „gib einem Hund“/boao##an##peddek/ [boaoappeddek] „jeder Mann ist klein“

Wortfinales /n/ unterliegt totaler Assimilation, d.h. gleicht sich dem nachfolgenden Laut vollständig an.

(1) Betroffener Laut: wortfinales /n/

(2) Auslösende Laute: alle

(3) Eigenschaft: alle

(4) Richtung: regressiv16

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Phonologische ProzesseDissimilationen

Eine Dissimilation ist in gewissem Sinne das Gegenteil einer Assimilation.

Bei einer Dissimilation verschwinden phonetische Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Lauten werden hervorgehoben.

Dieser Prozess kann also dazu dienen, die relevanten Laute für den Hörer besser wahrnehmbar zu machen.

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Phonologische ProzesseDissimilationen - Beispiel

In der Bantusprache Kirundi treten die Allomorphe [tu] und [du] mit der Bedeutung 1. Person Singular Präsens wie folgt auf:

Imperativ 1. pers. Sing. Präs.

[mwa] [tumwa] „rasieren“[va] [tuva] „stammen aus“[bona] [tubona] „sehen“

[soma] [dusoma] „lesen“[te:ka] [dute:ka] „kochen“[seka] [duseka] „lachen“[kubita] [dukubita] „schlagen“

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Phonologische ProzesseDissimilationen - Beispiel

Man sieht:

das Präfix [tu] mit dem stimmlosen Konsonanten [t] kommt nur vor Stämmen mit stimmhaften Konsonanten ([m v b]) vor.

das Präfix [du] mit dem stimmhaften Konsonanten [du] kommt nur vor Stämmen mit stimmlosen Konsonanten ([s t k]) vor.

Präfixkonsonant und Stammkonsonant müssen sich also hinsichtlich ihrer Stimmhaftigkeit unterscheiden.

Die Dissimilation zweier Obstruenten bzgl. Stimmhaftigkeit in den Bantusprachen ist auch als Dahls Gesetz bekannt.

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Phonologische ProzesseEpenthesen

Epenthesen sind phonologische Prozesse bei denen in bestimmten Kontexten Segmente eingefügt werden.

Beispiele von Epenthesen aus dem Deutschen sind z.B. Einfügungen von

[p] Amt [ampt] Hemd [hempt]

[t] Gans [gants] rennst [rEntst]

[k] singst [ziNkst] fängst [fENkst]

Schwa-Epenthese (z.B. im Rheinischen):[@] fünf [fYn@f] Senf [zEn@f]

Epenthesen dienen dazu, die Aussprache zu erleichtern bzw. überhaupt erst zu ermöglichen, da sonst Wohlgeformtheitsbedingungen verletzt würden. 20

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Phonologische ProzesseEpenthesen - Beispiel

Die Pluralbildung im Englischen ist ein etwas komplexeres Beispiel des Zusammenspiels von Assimilation und Epenthese.

Das Englische verfügt über drei produktive Pluralmuster: [Iz] [s] [z]faces [feIsIz] hats [h{ts] seeds [si:dz]phases [feIzIz] lips [lIps] labs [l{bz]dishes [dISIz] snakes [sneIks] bags [b{gz]beaches [bi:tþSIz] giraffes [dþZI£{fs] waves [weIvz]bridges [b£IdþZIz] myths [mITs] lathes [leIDz]

aims [eImz]fans [f{nz]rings [£INz]hills [hI5z]bees [bI:z] 21

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Phonologische ProzesseEpenthesen - Beispiel

Folgende Beobachtungen lassen sich machen:

● [Iz] kommt nach [s z S tþS dþZ]

● [s] kommt nach [p t k f T]

● [z] kommt nach [d b g v D m n N l]

Damit lassen sich folgende vorläufige Generalisierungen aufstellen:

● Nach Sibilanten erscheint [Iz]

● Nach stimmlosen Lauten erscheint [s]

● Nach stimmhaften Lauten erscheint [z]

Von den drei Allomorphen nehmen wir wieder das mit der weitesten Verteilung als zugrundeliegend an, also [z]. 22

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Phonologische ProzesseEpenthesen - Beispiel

Mit zugrundeliegendem [z] muss man also Regeln finden, die folgende Ableitungen möglich machen:

faces /feIs+z/ > [feIsIz]

hats /h{t+z/ > [h{ts]

bags /b{g+z/ > [b{gz]

Um [h{ts] abzuleiten genügt es, eine Assimilationsregel bzgl. der Stimmhaftigkeit anzugeben:

/z/ > [s] / stimmloser Konsonant __ #

/z/ wird am Wortende nach stimmlosem Konsonanten stimmlos. 23

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Phonologische ProzesseEpenthesen - Beispiel

Somit ergibt sich folgende gewünschte Ableitung:

/h{t+z/ zugrundliegende Repräsentation

â Regelanwendung: Assimilation

[h{ts] Oberflächenrepräsentation

Aber leider auch folgende unerwünschte:

/feIs+z/ zugrundliegende Repräsentation

â Regelanwendung: Assimilation

*[feIss] Oberflächenrepräsentation

Es ist noch eine weitere Regel notwendig, die faces korrekt ableitet.

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Phonologische ProzesseEpenthesen - Beispiel

Die noch fehlende Regel muss ein [I] zwischen einem Sibilanten und [z] einfügen.

Die entsprechende Epenthesenregel sieht wie folgt aus:

Ø > [I] / Sibilant __ [z]

Das Symbol Ø steht hier für „Nichts“.

Damit besagt die Regel, dass zwischen einem Sibilanten und [z] das Segment [I] eingefügt wird.

Epenthesenregeln haben also immer die Form

Ø > B / X __ Y

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Phonologische ProzesseEpenthesen - Beispiel

Damit lässt sich nun auch faces korrekt ableiten:

/feIs+z/ zugrundliegende Repräsentation

â Regelanwendung: Epenthese

feIsIz

- Regelanwendung: Assimilation

[feIsIz] Oberflächenrepräsentation

Diese zusätzliche Regel hat keinen Einfluss auf die Ableitung von [h{ts] da die Assimilatonsregel die Anwendung der Epenthese blockiert.

Man sieht, dass es auf die Reihenfolge der Regelanwendung ankommt (siehe Aufgaben, übernächste Sitzung).

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Phonologische ProzesseTilgungen (Elisionen)

Tilgungen (Elisionen) sind das Gegenteil von Epenthesen, da bei diesem Prozess Segmente wegfallen/getilgt werden.

Wie Epenthesen dienen auch sie dazu, die Erfüllung von Wohlgeformtheitsbedingungen sicherzustellen.

In der australischen Sprache Lardil gibt es zwei Suffixe für die Akkusativmarkierung: eines für Nicht-Futur [in] und eines für Futur [ur]:

Nichtflektiert Nicht-Futur Futur

[kentapal] [kentapal-in] [kentapal-ur] „Dugong“[kethar] [kethar-in] [kethar-ur] „Fluss“

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Phonologische ProzesseTilgungen (Elisionen)

Endet der Stamm in einem Vokal, so entfällt der initiale Suffixvokal um eine Abfolge Vokal-Vokal zu vermeiden:

Nichtflektiert Nicht-Futur Futur

[mela] [mela-n] [mela-r] „Meer“[kuNka] [kuNka-n] [kuNka-r] „Leiste“

Folgende Tilgungsregel leistet das gewünschte, indem sie bei zwei aufeinanderfolgenden Vokalen den letzten löscht:

V > Ø / V __

Wie bei der Epenthesenregel steht auch hier Ø wieder für „Nichts“.

Tilgungen haben also immer die Form A > Ø / X __ Y 28

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Phonologische ProzesseTilgungen (Elisionen)

Weitere Daten aus dem Lardil deuten auf eine weitere Tilgung hin:

Nichtflektiert Nicht-Futur Futur

[yalul] [yalulu-n] [yalulu-r] „Flamme“[wiwal] [wiwala-n] [wiwala-r] „Buschmango“

Man sieht, dass die nichtflektierte Stammform im Vergleich zur zugrundeliegenden flektierten Stammform den wortfinalen Vokal verliert.

Der erste Versuch wäre also folgende Tilgungsregel, die wortfinale Vokale tilgt, auch Apokope genannt:

V > Ø / __ #29

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Phonologische ProzesseTilgungen (Elisionen)

Diese Apokope führt leider in anderen Fällen zu falschen Ergebnissen:

/#mela#/ zugrundliegende Repräsentation

â Regelanwendung: Apokope*[mel]

Der Kontext der Apokope muss entsprechend verfeinert, sodass sie nur noch auf trisyllabische (oder längere) Worte anwendbar ist:

V > Ø / VC1VC1 __ #nmDas Symbol C steht hierbei für m bis n Konsonanten, C1 also für

mindestens einen Konsonanten.

Die Tilgung eines wortinternen Vokals nennt man Synkope.30

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Phonologische ProzesseNeutralisierungen

Eine Neutralisierung hebt den Kontrast zwischen zwei oder mehreren Lauten auf.

Ein Beispiel für eine Neutralisierung ist die Auslautverhärtung im Deutschen.

Hier wird der Kontrast z.B. zwischen [g] und [k] zugunsten der stimmlosen Variante aufgehoben (z.B. Tag [ta:k]).

Neutralisierungen kommen auch bei Vokalen vor.

Im Russischen werden beispielsweise /o/ und /a/ in unbetonter Stellung als [a] realisiert, obwohl sie in betonter Stellung kontrastieren.

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Phonologische ProzesseMetathesen

Eine Metathese ist ein Prozess, bei dem Segmente innerhalb einer Domäne verstauscht werden.

Auch dieser Prozess dient dazu, die Wohlgeformtheit sicherzustellen.

Ein Beispiel für eine reguläre Metathese liefert die Sprache Zoque, in der das Possessivpronomen „sein“ als Präfix /j / realisiert wird:

/j+pata/ [pjata] „seine Matte“/j+gaju/ [gjaju] „sein Hahn“/j+faha/ [fjaha] „sein Gürtel“/j+atsi/ [jatsi] „sein älterer Bruder“

Um die Aussprache der flektierten Form zu ermöglichen, tauschen [j] und der initiale Stammkonsonant die Plätze.

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Aufgabe 6

(1) Geben Sie die vier charakteristischen Parameter der Assimilationsregel der englischen Pluralalternation auf S. 23 an.

(2) Wenden Sie die beiden Regeln der englischen Pluralalternation in der Reihenfolge Assimilation > Epenthese auf die zugrundeliegenden Repräsentationen für dishes, snakes und aims an.

Wenden Sie anschliessend die Regeln in der umgekehrten Reihenfolge an. Welche Regelordnung liefert die richtigen Ergebnisse?

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Aufgabe 6

(3) Betrachten Sie folgende Daten des Deutschen:

Bank [baNk] eng [EN]denken [dENk@n] Ding [dIN]Stunk [StUNk] jung [jUN]

Manche Phonologen gehen davon aus, dass obigen Realisierungen Formen mit /nk/ bzw. /ng/ zugrundeliegen, also z.B. /bank/ und/Eng/.

Geben Sie Regeln an (Sie benötigen zwei!), die die Oberflächenrepräsentationen aus diesen zugrundeliegenden Formen ableiten. Um welche Prozesse handelt es sich hierbei?

Tipp: Überlegen Sie zunächst wie das [N] zustande kommt und kümmern sie sich dann um den wortfinalen Konsonanten. 34