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Unterrichtskonzepte zum Schriftspracherwerb für Schülerinnen und Schüler des Förderschwerpunktes Geistige Entwicklung – Eine empirische Untersuchung an ausgewählten Förderschulen im Regierungsbezirk Düsseldorf Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung, dem Landesprüfungsamt für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen vorgelegt von: Julia Ippendorf und Nora Schaffner Köln, den 22. November 2009 Gutachter: Prof. Dr. Norbert Heinen Seminar für die Pädagogik und Rehabilitation bei Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung an der Universität zu Köln 1

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Unterrichtskonzepte zum Schriftspracherwerb

für Schülerinnen und Schüler

des Förderschwerpunktes

Geistige Entwicklung – Eine empirische Untersuchung

an ausgewählten Förderschulen

im Regierungsbezirk Düsseldorf

Schriftliche Hausarbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung, dem Landesprüfungsamt für Erste Staatsprüfungen für Lehrämter an Schulen vorgelegt von:

Julia Ippendorf und Nora SchaffnerKöln, den 22. November 2009Gutachter: Prof. Dr. Norbert HeinenSeminar für die Pädagogik und Rehabilitation bei Menschen mit geistiger und schwerer Behinderung an der Universität zu Köln

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung.........................................................................................................................................4

2. Schriftspracherwerb..........................................................................................................................6

2.1. Schrifttypen...............................................................................................................................6

2.1.1. Die Nicht- alphabetische Schrift........................................................................................6

2.1.2. Die alphabetische Schrift....................................................................................................7

2.2 Lese- und Schreibprozesse.........................................................................................................8

2.2.1 Lesen....................................................................................................................................9

2.2.2 Schreiben...........................................................................................................................13

2.3 Schriftspracherwerbsforschung -Stufenmodelle-.....................................................................14

Stufenmodell von K.B. Günther.................................................................................................15

Zusammenfassung und Reflexion des Modells..............................................................................20

2.4 Unterricht..................................................................................................................................20

2.4.1 Vorläuferfähigkeiten..........................................................................................................20

2.4.2 Leselehrmethoden..............................................................................................................22

2.4.2.1 Diskussion um analytische und synthetische Methoden .........................................22

Vor- und Nachteile der ganzheitlichen Verfahren.......................................................................25

Vergleich beider Methoden.........................................................................................................25

4.2.2.2. Aktuelle Konzepte des Schriftspracherwerbs..........................................................27

3. Schriftspracherwerb an der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung..............30

3.1 Kulturtechniken an der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung ..............30

3.2 Der erweiterte Lese- und Schreibbegriff..................................................................................32

3.3 Schriftspracherwerbskonzepte für die Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige

Entwicklung....................................................................................................................................35

3.3.1 Alle Schüler umfassende Konzeptionen............................................................................35

3.3.1.1 Werner Günthner: Lesen und Schreiben an der Schule für Geistigbehinderte.........35

3.3.1.2 Programm von Ch. Haug und B. Keuchel................................................................40

3.3.2 Programme auf der Ebene von Ganzwort- und Bildlesen.................................................47

3.3.2.1. Susanne Dank: Geistigbehinderte lernen ihren Namen lesen und schreiben..........47

3.3.3 Lese- und Schreiblehrgänge..............................................................................................50

3.3.3.1. Leselehrgang: „Lesen mit Lo“.................................................................................50

3.3.3.2. Iris Mann: Lesen können ja alle Leute ...................................................................52

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3.3.3.3 Niederkrüger, Schmitz: Geistigbehinderte lernen lesen und schreiben ...................55

3.3.3.4. Leselehrgang: „Momel lernt lesen“.........................................................................59

3.3.3.5 Leselehrgang: „Lesen lernen mit Hand und Fuß“....................................................61

3.3.4 Zusätzliche Materialien.....................................................................................................64

3.3.4.1. Budenberg Deutsch I...............................................................................................64

4.Untersuchung...................................................................................................................................70

4.1. Fragestellung...........................................................................................................................70

4.2 Forschungsstand.......................................................................................................................70

4.3. Untersuchungsdesign...............................................................................................................75

4.3.1 Methodik............................................................................................................................75

4.3.2 Instrumentalisierung..........................................................................................................76

4.3.2 Durchführung....................................................................................................................77

4.3.3 Stichprobe..........................................................................................................................78

4.3.4 Auswertung........................................................................................................................78

4.4 Ergebnisdiskussion...................................................................................................................80

4.4.1 Schulebene.........................................................................................................................80

4.4.2 Klassenebene.....................................................................................................................83

4.4.2.1 Bedingungsfeld.........................................................................................................83

4.4.2.2 Klassenkonzept.........................................................................................................85

4.4.2.2.1 Erstes Schulbesuchsjahr...................................................................................85

4.4.2.2.2 Zweites bis viertes Schulbesuchsjahr...............................................................89

4.4.2.2.3 Mittelstufe (ab fünftem Schulbesuchsjahr).....................................................103

4.4.2.3 Unterrichtsziele.......................................................................................................114

5. Fazit.............................................................................................................................................117

6.Literaturverzeichnis.......................................................................................................................121

7. Anhang..........................................................................................................................................129

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1. Einleitung

In dieser Arbeit beschäftigen wir uns theoretisch und empirisch mit dem Schriftspracherwerb an

Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Obwohl es sich dabei durchaus nicht

um eine neue Thematik handelt ist dies insgesamt ein Thema, das unserer Meinung nach in den

Diskursen der Geistigbehindertenpädagogik nicht genügend Aufmerksamkeit erhält. Wir betrachten

die Beherrschung der Kulturtechniken Lesen und Schreiben als eine wesentliche Form der

kulturellen Teilhabe in unserer Gesellschaft, da symbolische und schriftliche Informationen

besonders wichtige Elemente unserer Kultur bilden. Um Schüler zu Kulturträgern zu bilden ist eine

Hinführung zur Schriftkultur ein wesentliches Ziel der schulischen Bildung. Schurad beschreibt in

seinem Werk sehr treffend den Auftrag der Schule: „(…) durch Abstraktionsprozesse in Sprache

und Denken Welt abzubilden und Welt als zukünftige Aufgabenstellung anzubilden (Lesbarkeit der

Welt)“ (Schurad, 2004, 38). Neben ihrer Funktion als Kulturträger sind Lesen und Schreiben

unabdingbare Fähigkeiten für eine selbständige Bewältigung fast jeder Alltagssituation. Sich im

Alltag, ohne auf Hilfe angewiesen zu sein, orientieren zu können ermöglicht Selbstbestimmung und

die Teilhabe am gesellschaftlichen Geschehen. Deshalb möchten wir in dieser Arbeit bewusst die

Vermittlung der Kulturtechniken Lesen und Schreiben an der Schule für geistig Behinderte in den

Mittelpunkt stellen.

Thematisch daran anschließend stellen wir im empirischen Teil der Arbeit einer von uns selbst

konzipierte und durchgeführte Untersuchung über Unterrichtskonzepte im Schriftspracherwerb an

Schulen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung vor.

In diesem Rahmen möchten wir den Teilnehmenden Schulen, namentlich der Mosaikschule in

Grevenbroich-Hemmerden, der Sebastianusschule in Kaarst, der Schule am Nordpark in Neuss, der

Mosaikschule in Düsseldorf sowie der Theodor-Andresen-Schule in Düsseldorf vielmals für die

freundliche Zusammenarbeit und die Unterstützung unserer Forschungsarbeit danken.

Um den Lesefluss nicht zu stören verwenden wir in dieser Arbeit bei der Benennung von

Personengruppen nur eine, nämlich die maskuline Bezeichnung. Selbstverständlich schließt diese

für uns immer die feminine Entsprechung mit ein. Schreiben wir Beispielsweise über Schüler, so

bezeichnen wir damit sowohl (männliche) Schüler als auch Schülerinnen.

Im ersten Teil der Arbeit führen wir theoretisch in die Thematik ein. Das erste Kapitel beschäftigt

sich mit dem Thema Schriftspracherwerb, ohne dabei explizit auf den Unterricht an Schulen mit

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dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung einzugehen. Ziel ist es, den Prozess des

Schriftspracherwerbs aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten um für die darauf

folgenden Kapitel eine theoretische Grundlage zu schaffen. Um Unterrichtskonzepte in diesem

Bereich untersuchen zu können, sollten die verschiedenen Aspekte ausreichend beleuchtet worden

sein. Deshalb betrachten wir im ersten Unterkapitel unsere alphabetische Schrift in Abgrenzung zu

anderen Schriftsystemen Darauf folgt eine Vorstellung der grundlegenden Prozesse, die das Lesen

und Schreiben ausmachen und des Forschungsstandes zum Thema des

Schriftspracherwerbsprozesses. In Anschluss daran stellen wir die fachdidaktischen Grundlagen

zum Thema Unterricht des Schriftspracherwerbs vor. Das zweite Kapitel befasst sich mit dem

Schriftspracherwerb an der Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung und widmet

sich sowohl den theoretischen Modellen als auch der Vorstellung konkreter

Unterrichtskonzeptionen.

Im zweiten Teil der Arbeit stellen wir unsere empirische Untersuchung vor, die sich mit der

Fragestellung befasst, wie Unterrichtskonzepte zum Schriftspracherwerb an ausgesuchten Schulen

mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung in der Praxis aussehen. Er beinhaltet ein Kapitel

über den Forschungsstand, das Untersuchungsdesign mit der Methodik, Durchführung und

Auswertung der Studie sowie die Vorstellung und Diskussion der Ergebnisse.

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2. Schriftspracherwerb

2.1. SchrifttypenDie Unterscheidung von nichtalphabetischen Schriften und alphabetischen Schriften ist bezogen auf

den Schriftspracherwerb von besonderem Interesse.

2.1.1. Die Nicht- alphabetische SchriftZu den Nicht- alphabetischen Schriften gehören Ideen- bzw. Bilderschriften (Piktogramme).

Aufgrund des direkten Bezugs zwischen dem Bild und der Realität erschließt sich die Bedeutung

von Bildzeichen dem Betrachter in der Regel unmittelbar, außerdem sind sie nicht an eine

bestimmte Sprache gebunden und lassen daher unterschiedliche sprachliche Umsetzungen zu. Die

Bezugnahme auf Bilder, Bildzeichen oder Piktogramme stößt jedoch aufgrund ihrer uneindeutigen

Aussagekraft schnell an ihre Grenzen. Deshalb entstanden Wortschriften, die auch abstrakte Inhalte

auszudrücken in der Lage sind. Gegenüber den Bilderschriften setzen Wortschriften wie

beispielsweise die chinesische Schrift ein höheres Maß an Konventionen voraus, um gelesen

werden zu können. Nach Topsch besteht die chinesische Schrift aus rund 50000 verschiedenen

Schriftzeichen, von denen - für die normale Zeitungslektüre – normalerweise 2000 bis 3000

Zeichen benötigt werden (vgl. Topsch 2005, 17). Jeder Begriff der Sprache benötigt ein eigenes

Schriftzeichen, damit er sicher und eindeutig identifiziert werden kann. Didaktisch betrachtet

besteht die Problematik darin, dass hier eine Vielzahl von Zeichen erlernt werden müssen, denn für

jedes neue Wort in der Sprache muss ein neues Schriftzeichen vereinbart, erlernt und gemerkt

werden. Der Vorteil dieser Schriften liegt darin, dass sie vom Leser direkt in Bedeutung

umgewandelt werden können und zwar unabhängig davon, in welchem Dialekt sich das Lesen

vollzieht. Das ist für ein so riesiges Land wie China mit einer Vielzahl von unabhängigen Dialekten

von einer nicht zu unterschätzender Bedeutung.

2.1.2. Die alphabetische SchriftIn der westlichen Welt hingegen herrscht nach Sassenroth die alphabetische Schrift vor. (vgl.

Sassenroth 2003, 20). Unsere Schrift hat sich innerhalb von mehreren Jahrtausenden allmählich

und unter den verschiedensten kulturellen Einflüssen von einfachen, realitätsnahen Bildern und

Bildzeichen zu einer höchst abstrakten Buchstabenschrift entwickelt. Nachdem die Römer das

lateinische Alphabet, welches wir fast unverändert auch heute noch benutzen entwickelten, haben

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gewaltige Veränderungen des Schriftbildes stattgefunden. Neuere schriftliche Texte sind nach

Günther anders organisiert als mündliche Äußerungen. In der geschriebenen Sprache werden mit

Leerzeichen, Großschreibungen und Interpunktionen, mit Initialen, Abkürzungen und Überschriften

etc., schriftsprachliche Verfahrensweisen geschaffen, die der mündlichen Sprache fremd sind. So

wurde die Schrift beispielsweise entphonetisiert, denn spätestens seit Ende des 15. Jahrhunderts

setzt sich die Morphemkonstanz durch (vgl. Günther 2000, 103).

Die alphabetische Schrift ist demnach keine Bilderschrift, deren Einzelzeichen man ganzheitlich

wahrnimmt und speichert. Ihr Funktionsprinzip liegt darin, dass Laute bzw. Lautsequenzen durch

Buchstaben und Buchstabensequenzen repräsentiert werden. Im Folgenden erscheint es notwendig

auf die komplexen Beziehungen zwischen der Laut- und der Schriftsprache einzugehen. Hier sind

die beiden linguistischen Begriffe Phonem und Graphem von Bedeutung, welche die komplexe

Verknüpfung von Lautstruktur und Schriftstruktur deutlich machen. Unter Phonemen verstehen wir

die kleinsten bedeutungsunterscheidenden sprachlichen Einheiten der Lautsprache wie

beispielsweise das /r/ und /f/ in „rein“ und „fein“. Wechselt man ein Phonem aus, so ändert sich die

Wortbedeutung. Dabei tragen das /r/ und das /f/ keine eigene Bedeutung (vgl. Marx 2007, 23). Die

auf der schriftlichen Ebene umgesetzten Phoneme werden Grapheme genannt. Zur

Niederschreibung der Grapheme brauchen wir Buchstaben. Jedoch sind Grapheme nicht mit

Buchstaben gleichzusetzen, denn ein Graphem kann auch mehrere Buchstaben enthalten (Bsp.:

„ch“, „sch“) vgl. Marx 2007,23.

Nach Ulrich stehen in unserer Sprache für 40 Phoneme nur 30 Grapheme zur Verfügung (vgl.

Ulrich 2001, 68). Es besteht also keine Eins zu Eins- Beziehung zwischen Phonemen und

Graphemen, sondern eine komplizierte, aber doch geregelte und mit einiger Mühe auch

durchschaubare Phonem- Graphem Korrespondenz. Dabei gibt es eine Vielzahl von

Zuordnungsmöglichkeiten. Ein Einzelgraphem kann einem Einzelphonem (<l> zu /l/) oder einer

Phonemverbindung (<z> zu /ts/) zugeordnet werden. Eine Graphemverbindung kann außerdem

einem Einzelphonem zugeordnet werden (<ch> zu /x/) (Scholz 1989,7 in Sassenroth 27). Zusätzlich

werden einzelne Phoneme durch unterschiedliche Zeichen bzw. Zeichengruppen ausgedrückt, so

wird beispielsweise das Phonem /a:/ als „a“, „aa“ oder aber „ah“ geschrieben. Diese Vieldeutigkeit

der Phonem- Graphemzuordnung bereitet vielen Kindern beim Erlernen der Schriftsprache große

Schwierigkeiten (vgl. Sassenroth 2003, 27). Denn sie müssen mehrere mentale Prozesse

durchführen, um bei der Übersetzung der gesprochenen Sprache zu dem richtigen Ergebnis in der

geschriebenen Sprache zu gelangen. Die Phonem- Graphem Korrespondenz stellt das Hauptprinzip

unserer Orthographie dar und wird auch phonematisches Prinzip bezeichnet.

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Neben dem Phonematischen Prinzip haben jedoch noch weitere teilweise konkurrierende Prinzipien

Einfluss auf die deutsche Sprache (vgl. Deneke 2007, 15). Ein weiteres wesentliches Prinzip der

deutschen Orthographie ist das morphematische Prinzip. Es besagt, dass ein Morphem als kleinste

bedeutungstragende Einheit immer gleich geschrieben wird, auch wenn sich die lautliche

Gestaltung der Umwelt ändert (Morphemkonstanz). So bleibt bei Wortableitungen die Schreibung

eines Wortstammes gleich (z.B. Bäcker als Ableitung von backen). Neben den beiden

Hauptprinzipien der der deutschen Orthographie gibt es weitere Prinzipien: das grammatische-,

semantische, historische- und das graphisch-formale Prinzip.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass ein Kind beim Schriftspracherwerb verschiedene

Prinzipien bei der Verschriftung berücksichtigen lernen muss, die der schriftkundige Erwachsene

bereits verinnerlicht hat. Da die deutsche Orthographie phonemisch (aber nicht phonetisch)

orientiert ist, wird von dem Kind insofern eine erhebliche Abstraktionsleistung gefordert, dass es

die einzelnen Phoneme als abstrakte Einheiten erkennen und differenzieren muss. Außerdem sind

diese Graphem- Phonem Korrespondenzen immer an der Hochsprache orientiert. Diese

unterscheidet sich von den jeweiligen individuellen bzw. dialektalen Färbungen, die den

mündlichen Sprechakt prägen (Sassenroth 2003, 28) und das Erlernen der Schriftsprache bei

alphabetischen Schriften zusätzlich erschweren. Im anschließenden Kapitel wird näher auf die

Prozesse, die beim Lesen und Schreiben ablaufen eingegangen.

2.2 Lese- und Schreibprozesse

2.2.1 LesenDas Lesen unserer alphabetischen Schrift ist ein von Psychologen seit den 70er Jahren untersuchter

Prozess. Einer der wichtigsten Leseforscher, Kenneth Goodman definiert Lesen wie folgt:

„Lesen ist ein psychologisch-kognitives Probierverhalten. Es schließt ein Zusammenspiel von

Sprache und Denken ein. Effizientes Lesen ist nicht das Ergebnis einer präzisen Perzeption und

Identifikation aller Elemente, sondern Ergebnis einer Fertigkeit im Auswählen der wenigsten,

produktivsten Hinweise, die erforderlich sind, um Denkansätze hervorzubringen, die gleich das

erste Mal richtig sind.“

(Goodman, 1974, Zitat bei Eberle/ Reiß, 1978, 20)

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Damit betont K. Goodman den Aspekt der Informationsgewinnung beim Lesen. Demgegenüber

steht der Prozess des Erlesens von (alphabetischer) Schrift, der nun näher beleuchtet werden soll.

Der Leseprozess läuft bei geübten Lesern weitgehend automatisch ab und wird üblicherweise in die

zwei Prozesse „Erschließen der Wortbedeutung“ und „Satzintegration“ unterschieden. Diese beiden

Prozesse werden in diesem Kapitel nacheinander vorgestellt.

Erschließen der Wortbedeutung

Damit ist der Prozess gemeint, bei dem ein Wort erlesen und identifiziert wird. Hierfür beschreibt

Coltheart (1978) in seinem Zwei-Wege-Modell (siehe Abb. 1) zwei Methoden. Bei der vor allem

von Leseanfängern genutzten Methode des Dekodierens spielt die bereits angesprochene Graphem-

Phonem-Zuordnung eine zentrale Rolle. Voraussetzung ist eine als „Phonologische Bewusstheit im

engeren Sinne“ betitelte Kompetenz, die das Hören und Erkennen von einzelnen Phonemen

(Lauten) bezeichnet. Zudem müssen alle Grapheme mit Ihrer Zuordnung zu den Phonemen bekannt

sein, also die „Übersetzung“ der geschriebenen Symbole in Klänge. Beim Lesen eines Wortes findet

eben diese Dekodierung statt: Die den Buchstaben bzw. Buchstabencluster (wie z.B. /ch/)

zugeordneten Phoneme werden zusammengezogen und in den verschiedenen Varianten

ausgesprochen. Der Klang wird mit allen bekannten Wörtern verglichen, um sich die

Wortbedeutung zu erschließen. Die Bedeutung ist also erst aus dem Klang und noch nicht aus dem

Schriftbild zu entnehmen. Um den Prozess des Dekodierens genauer zu beschreiben, ist er ist in

mehrere Teilprozesse zerlegbar:

1. Segmentierung: Zuerst wird ein Wort in erkennbare Segmente also Silben oder

Buchstabenfolgen oder Buchstaben segmentiert. Das geschieht anhand von visuellen

Merkmalslisten („Chunks“), die im Langzeitgedächtnis gespeichert sind. Geübte Leser

segmentieren unbekannte Wörter aufgrund ihrer Effektivität in ihnen bereits bekannte

„Chunks“ (Nasendorf/ Walter 1985).

2. Phonologische Kodierung: Diese visuellen „Chunks“ sind im Langzeitgedächtnis zu

phonetischen Codes, also einer Artikulation zugeordnet. Bei bekannten Segmenten wird das

ganze Segment („Chunk“) abgerufen, ansonsten werden die Buchstaben schrittweise

phonologisch dekodiert. Dieser Prozess wird als phonetisch- artikulatorische Dekodierung

bezeichnet. Die Ergebnisse werden im auditiv- verbalen Kurzzeitgedächtnis gespeichert.

Dabei ist eine Zwischenspeicherung von 5- 8 Einheiten im Kurzzeitgedächtnis möglich.

Besonders lange Wörter, die nicht in bekannte „Chunks“ segmentiert werden können, stellen

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damit eine spezielle Hürde dar, weil nur eine begrenzte Anzahl an Artikulationen

gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis speicherbar ist.

3. Resynthetisierung: Dabei werden die phonetisch- artikulatorisch- dekodierten Segmente

oder Grapheme zu einem Wort zusammengefügt. Ist ein Wort sehr lang und wird kaum oder

nur unzureichend segmentiert, dann können die ersten phonologisch- artikulatorischen

Codes schon wieder vergessen sein, so dass es zu Schwierigkeiten bei der Resynthetisierung

kommen kann. Dies ist für geübte Leser nur bei Fremdwörtern der Fall. Nehmen wir z.B.

„exaggerieren“. Die Segmente ex/ und /ieren sind vermutlich als „Chunks“ abrufbar. Um

aber die Wortbedeutung (Exaggerieren ist die Übertreibung von Krankheitssymptomen)

erschließen zu können, werden verschiedene Artikulations- Möglichkeiten ausprobiert. Erst

wenn die „richtigen“ Segmente hergestellt sind: ex/ag/ge/rie/ren kann das Wort artikuliert

und damit wiedererkannt werden.

4. Semantische Kodierung: Erst durch die Artikulation des resynthetisierten Wortes wird der

Abruf der Wortbedeutung aus einem „mentalen Lexikon“ ähnlich wie bei der

Sprachverarbeitung ermöglicht. Beim „mentalen Lexikon“ handelt es sich um eine

Konstruktion aus der Psychologie und der Sprachwissenschaft. Hier wird der Klang jedes

Wortes mit seiner (persönlichen) Bedeutung und weiteren, z. B. syntaktischen Informationen

verknüpft.

Im Unterschied zu Leseanfängern, benutzen geübte Leser die soeben beschriebene alphabetische

Methode des Dekodierens nur für das Erlesen von fremden Wörtern, ungewöhnlichen

Schriftzeichen bzw. Schriftgrößen oder Schreibweisen, Fachwörtern, etc. Bei geübten Lesern wird

die Existenz eines mit dem „mentalen Lexikon“ verknüpften „orthographisches Lexikon“ vermutet,

in dem alle bekannten Wortbilder mit ihrer Schreibweise „eingetragen“ sind. Von jedem Wortbild

existiert demnach eine Verbindung zur jeweiligen Wort-Bedeutung. Beim Lesen findet also ein

visueller Abruf des gesamten geschriebenen Wortes statt, der dann mit dem mentalen Lexikon

verglichen und somit einem Wortklang und einer Wortbedeutung zugeordnet wird. Dieser visuelle

Abruf kann nur für Wortbilder funktionieren, die mit dem im „mentalen Lexikon“ befindlichen

Eintrag verglichen werden können, die also bekannt sind und deren Wortbild auf einen Blick

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erfassbar ist. Steht beispielsweise jemand zu dicht vor einem großen Plakat, dann muss er erst die

richtigen Buchstaben bzw. Segmente in den riesigen Flächen erkennen und diese dann

zusammenziehen. Ein direkter Abgleich mit dem Wortbild ist hier nur schwer möglich. In solchen

Situationen, genauso wie beim Lesen unbekannter Wörter, wird auf die alphabetische Methode

zurückgegriffen, um sich die Wortbedeutung erschließen zu können. Dieses in den 70er Jahren

entstandene Zwei-Wege-Modell von Coltheart (vgl. Abb. 1), stellt die beiden Prozesse der

Erschließung der Wortbedeutung zusammenfassend dar:

Abbildung 1: Zwei-Wege-Modell

Satzintegration

Bis hierhin wurde so getan, als ob der Prozess des Lesens Kontextunabhängig stattfinden würde.

Das Gegenteil ist der Fall. Der Kontext, beispielsweise die Gestaltung des eben betrachteten

Plakates oder eben der Satz oder Text, in dem sich ein Wort befindet, vereinfacht und beschleunigt

den Leseprozess erheblich, denn dieser ermöglicht eine Erwartungshaltung, welches Wort in

welcher Form (z. B. Verbflexion) als nächstes im Satz zu erwarten ist. Dieser Prozess ist den

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Geschriebenes Wort

Visueller Abruf Dekodierung

Aussprache des Wortes

Erkennen der Wortbedeutung

Lesen desGesamtenWortes

Wiedererkennender Buchstaben

PhonologischeRekodierung

Coltheart 1978

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Vorgängen beim Zuhören von gesprochener Sprache sehr ähnlich. So kann das nächste Wort im

Satz schneller verarbeitet werden, da bereits ein Wort dieser grammatischen Form oder Bedeutung

erwartet wurde. Eine solche Analyse vom Satz ausgehend wird als Top- Down- Prozess bezeichnet,

weil über das isolierte Wort hinausgehende Informationen miteinbezogen werden.

Auf der Syntax (der Satzbau-) Ebene wird die Vervollständigung des angefangenen Satzes durch die

Kenntnis der regelhaften Satzstruktur möglich. Es handelt sich jedoch in der Regel nicht um einen

bewussten Vorgang, denn dieser wird von der Intuition gelenkt. Sprachwissenschaftler stellen die

syntaktische Struktur von Sätzen in sog. „Phrasenstrukturbäumen“ dar (siehe Abb.2).

Abbildung 2: Beispiel für einen Phrasenstrukturbaum

Zimbardo/Gerrig 2004, 35

Auf der semantischen (der Bedeutungs-) Ebene muss die bisherige Aussage erfasst und sinnvoll

weitergeführt werden. Je besser die Thematik bekannt und damit verständlich ist, desto schneller

kann die Aussage mit ihrer möglichen Fortsetzung erkannt werden.

Im Gegensatz zu den Top- Down- Prozessen, gibt es hier Bottom- Up- Prozesse, bei denen das Wort

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Satz

NominalphraseHilfsverb Verbalphrase

Artikel Nomen Präpositional-Phrase

Die / Schwestern / von Angelika und Carmen / werden / eintreffen

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erlesen wird. Diese beiden Prozesse, die generierte Erwartung des nächsten Wortes aufgrund

syntaktischer und semantischer Informationen auf der einen Seiten und das Erlesen des Wortes auf

der anderen, laufen parallel ab und ermöglichen uns das schnelle, sinnentnehmende Lesen von

Texten.

2.2.2 SchreibenIm Gegensatz zum Leseprozess ist der Schreibprozess noch weitestgehend unerforscht. Schreiben

ist definierbar als die „Produktion von Text mit Schreibwerkzeugen“ (Eberle/ Reiß, 1978). Auch

hier findet ein Zugriff auf das das mentale Lexikon im Langzeitgedächtnis statt. Der lexikalische

Abruf eines Wortes hat dabei vermutlich Vorrang vor der Synthetisierung. Insofern muss der

Rechtschreiber ein großes, intaktes Wissen um die spezifische Schreibweise von Wörtern haben.

Ein geübter Schreiber hat Wissen um die Schreibweise von Ableitungsformen, beispielsweise bei

zusammengesetzten von Wörtern und Flexionen, sowie Kenntnis der Rechtschreibregeln.

Zusätzlich werden semantische Informationen beim schreiben mit einbezogen (z.B. dass oder das).

Scheerer Neumann unterscheidet verschiedene Typen des Rechtschreibwissens:

1. Implizite Kenntnis von Regeln – orthographische Regelmäßigkeiten, Wortbildungsregeln,

Wahrscheinlichkeit von Phonem-Graphem Korrespondenzen.

2. inneres orthographisches Lexikon. (vgl. Scheerer- Neumann 1987 In: Eberle/Reis)

Das Schreiben durch das zusammenziehen von Lauten wird als Synthetisieren bezeichnet. Über die

Kenntnis der Graphem- Phonem- Verbindung hinaus ist es hier von Bedeutung, ein Wort so

auszusprechen, dass einzelne Laute diskriminiert werden können. Diese werden dann einzeln in

Grapheme übersetzt und hintereinander aufgeschrieben.

2.3 Schriftspracherwerbsforschung -Stufenmodelle-

Im Gegensatz zur traditionellen Leseforschung der 60er Jahre, die den Schriftspracherwerb als

ungegliederten, in sich geschlossenen und zeitlich begrenzten Vorgang versteht, hat sich seit Beginn

der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ein Perspektivenwandel innerhalb der Fachdidaktik

des Schriftspracherwerbs durchgesetzt. Die neuere Schriftspracherwerbsforschung arbeitet

entwicklungsorientiert, d.h. sie beschäftigt sich mit der Dynamik von Entwicklungsprozessen und

versucht kindliches Lesen nicht nur an den Leistungen von Erwachsenen zu messen. Außerdem

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befasst sie sich nach Scheerer- Neumann unmittelbar mit den kognitiven, motivationalen und

emotionalen Entwicklungen beim Schriftspracherwerb (vgl. Scheerer- Neumann 1996, 1154).

Der Schriftspracherwerb kann als aktiver Umgang mit dem Lerngegenstand verstanden werden, der

im Vorschulalter beginnt und sich in den folgenden Jahren qualitativ verändert. Die qualitativen

Veränderungen sind so einschneidend, dass hier unterschiedliche Phasen bzw. Stufen angeführt

werden können, die jeweils durch unterschiedliche Strategien des Lesens und Schreibens definiert

sind. Die Annahme qualitativer Veränderungen während des Schriftspracherwerbs lässt Fehler zu,

betrachtet diese nach Scheerer- Neumann sogar als entwicklungsbedingte Notwendigkeit (vgl. ebd.,

1154). Von der Pädagogik wird gefordert, dass sie nicht die erreichte Leistung und das Ziel der

Fehlerlosigkeit, sondern den Lernprozess selbst und das vom Kind schon Erreichte in den

Mittelpunkt stellt. So lassen die meisten Modelle Raum für individuelle Entwicklungen und

aufgabenspezifische Abweichungen.

Den theoretischen Hintergrund dieser Stufenmodelle des Schriftspracherwerbs bildet einerseits

Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung (vgl. Piaget 1969), aber auch Einflüsse der kognitiven

Psychologie sind unverkennbar. Besonders Einflussreich war auch das, bereits im letzten Kapitel

vorgestellte, aus der psychologischen Leseforschung stammende „Zwei- Wege- Modell der

Wortidentifikation“ („Dual- route model“ vgl. Coltheart 1978). Dieses Modell wird - wenn auch

teilweise in etwas veränderten Konzeptionen - von allen Stufenmodellen aufgegriffen.

Die meisten Stufenmodelle des Schriftspracherwerbs orientieren sich an dem 1984 entwickelten

Modell der englischen Autorin U. Frith. Frith hat ein dreistufiges Modell, bestehend aus einer

logographischen- einer alphabetischen- und einer orthographischen Entwicklungsstufe vorgestellt.

Auch das Stufenmodell von K. B. Günther, das 1986 als eines der Ersten im deutschen Sprachraum

die Schriftspracherwerbsforschung grundlegend geprägt hat und das den Ausgangspunkt der nun

folgenden Diskussion bilden soll, orientiert sich an dem Entwicklungsmodell von U. Frith, wurde

von K. B. Günther jedoch um die Präliteral- Symbolische Phase 0 und Integrativ- Automatisierende

Phase 4 erweitert. K. B. Günther sieht den Schriftspracherwerb bereits in der frühen allgemeinen

kognitiven Entwicklung verwurzelt und deswegen sind in diesem Modell gerade die Stadien des

frühen Schriftspracherwerbs besonders umfassend (vgl. Sassenroth 2003, 45). Dies ist deshalb zu

begrüßen, da oftmals gerade die frühen Phasen des Schriftspracherwerbs entscheidend für das

weitere Gelingen der Aneignung des Lesens und Schreibens sind. Die Bedeutung der Präliteral-

Symbolischen Phase ist nach Hauck- von den Driesch von besonderer Relevanz für die Pädagogik

bei Menschen mit geistiger Behinderung, da sie in den wesentlichen Punkten mit den Stufen des

erweiterten Lesebegriffs übereinstimmt (vgl. Hauck- von den Driesch 2003, 78).

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Stufenmodell von K.B. Günther

„Stufenmodell des Schriftspracherwerbs“ (vgl. Günther 1986, 34)

In seinem Modell werden von K.B. Günther fünf zweistufige Phasen vorgestellt, welche jeweils

durch zwei sich gegenseitig beeinflussende Prozesse, dem Lesen (der Rezeption) auf der einen Seite

und dem Schreiben (der Produktion) auf der anderen gekennzeichnet sind. Die Übergänge von einer

Phase in die Nächste sind fließend und entsprechen einem Strategiewechsel. Dieser wird vom

Lerner dadurch hervorgerufen, dass er mit seinen bisherigen Lösungsstrategien an seine Grenzen

stößt. Günther weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die vorgängig dominante Strategie nicht

gänzlich aufgegeben wird. „Sie geht vielmehr im Entwicklungsverlauf in der neuen Strategie als

Tätigkeit höherer Ordnung auf“ (Günther 1986, 40).

Diese qualitativen Sprünge von einer Phase zur nächsten sind gerade deshalb so schwierig, da sie

den Erwerbsprozess auf ein höheres Niveau führen. Sie bilden oft die Grundlage für Probleme im

Schriftspracherwerb und sind nach Günther „die kritischen Phasen im schriftsprachlichen

Aneignungsprozess“ (Günther 1989, 22). Demnach sind im gesamten Entwicklungsverlauf auch

Rückschritte auf vorherige Strategien, beispielsweise beim Auftreten von Schwierigkeiten möglich

(vgl. Deneke 2007, 30).

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Präliteral- Symbolische Strategie

Gestützt auf Arbeiten von Vygotsky (1964) und Lurija (1982) geht Günther davon aus, dass der

Schriftspracherwerb nicht erst mit dem Lesen und Schreiben von sprachlichem Zeichenmaterial im

engern Sinne beginnt, sondern auf vorher entwickelten präliteral- symbolischen Vorbedingungen

beruht. Als markantestes Merkmal der rezeptiven Vorstufe sieht Günther die Bildanschauung. Diese

beinhaltet im Gegensatz zu vorherigen sensomotorischen Leistungen ein höheres Maß an

Abstraktionsfähigkeit, da ein Bild lediglich den gemeinten Gegenstand repräsentiert. Gleichzeitig

bleibt das Bild jedoch durch seine Abbildfunktion anschaulich und damit präliteral (vgl. Sassenroth

2003, 47). Diese rezeptiven Erfahrungen der Phase 0 erfordern auf der anderen Seite jedoch

produktive Realisierungsweisen, indem das Kind beginnt das Wahrgenommene umzusetzen. Das

äußert sich beispielsweise in mimischen Gesten, konstruktivem Bauen und graphischem Gestalten.

Das graphische Gestalten, welches eher als symbolisch, denn als realistisch zu bezeichnen ist,

bereitet nach Günther am direktesten auf das spätere Schreiben vor (vgl. Günther 1986, 34). Den

Kindern kommt es hier weniger auf eine naturgetreue oder detailreiche Abbildung, als auf die

Darstellung von einigen bedeutsamen Merkmalen an. Deswegen muss der Betrachter oft den Inhalt

der kindlichen Zeichnung erraten. Als ein weiteres Beispiel für diese Stufe sieht Günther außerdem

Nachahmungen des Schreibens Erwachsener. Charakteristisch für diese spontanen Nachahmungen

sind ihre Orientierung an der Oberflächenstruktur und die Nichtbeachtung der kommunikativen

Funktion. Trotzdem sieht Günther diese präliteral- symbolischen Aktivitäten als notwendige

Vorbedingungen für den Beginn des Lesens im engeren Sinne an (vgl. K. B. Günther 1986, 35).

Damit sich jedoch der Übergang zur eigentlichen Schriftsprachaneignung vollzieht, ist ein

qualitativer Sprung nötig, in dem schriftsprachliches Material als solches erkannt werden muss.

Logographemische Strategie

Laut Günther beginnt diese Phase mit der rezeptiven Modalität, dem Lesen. Hier erkennen die

Kinder einige ihnen bekannte und emotional bedeutsame Wörter (wie z.B. Firmenlogos oder den

eigenen Namen) aber auch Sätze anhand optisch auffälliger visueller Schlüsselreize (vgl. Schründer

Lenzen 2007, 30). Das logographemische Lesen entspricht dem „ganzheitlichen“ Worterkennen. Es

ist ein „direkter“ Weg zur Bedeutung ohne phonologisches umkodieren. So werden beispielsweise

Schriftzüge wie MC Donalds oder Esso als Wortgebilde erkannt, aber ohne Buchstabenkenntnis

wird nur das Logo entschlüsselt. Man kann das Wort also nur deshalb lesen, da man den Schriftzug

kennt. Die Buchstaben selbst haben als sogenannte „Cues“ nur Signalcharakter für die

Worterkennung, sie werden nicht in ihrem Lautcharakter entschlüsselt (vgl. ebd., 30f.). Es ist jedoch

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zu berücksichtigen, dass für jedes Individuum andere Buchstaben des Wortes auffällig sein können.

Auch für H. Günther ist es unklar, woran die Kinder in dieser Strategie ein Wort erkennen, seiner

Meinung nach sind es irgendwelche zufällig eingeprägten Merkmale. Entscheidend ist für ihn, dass

das Kind nicht zwischen Name und Sache bzw. zwischen Zeichen (-träger) und Bedeutung

unterscheiden kann. So ist bekannt, dass Kinder auf die Frage nach dem längeren Wort, die „Kuh“

vor dem „Schmetterling“ nennen, weil ersteres das größere Tier ist (vgl. H. Günter 2000, 113).

Unbekannte Wörter kann man nach dieser Strategie nicht lesen, allenfalls erraten. Nach einiger Zeit

führt diese Lesestrategie jedoch an seine Grenzen. Denn dann ist die Kapazität des visuellen

Gedächtnisses erschöpft, so dass diese Strategie letztlich ins Leere führt. (Vgl. Schründer Lenzen,

31).

Es ist natürlich, dass die Kinder nach einer Anfangsphase des Lesens versuchen, das erworbene

Lesematerial auch selbst zu produzieren. Auch der Beginn des Schreibens von Wörtern ist in der

Regel direkt. Die Kinder beginnen zumeist mit dem Aufschreiben von Namen geliebter Personen

und für sie wichtiger Objekte, wobei dem Schreiben des eigenen Namens eine herausragende

Stellung zukommt (vgl. K. B. Günther 1986, 37). Die Buchstaben der Wörter werden ohne

strukturelle Hilfe, ähnlich wie Telefonnummern auswendig gelernt und dann aufgeschrieben. Nach

der Meinung verschiedener Autoren ist es durchaus möglich auf naiv- ganzheitliche Weise zu lesen

- auch Schüler mit einer geistigen Behinderung wenden diese Strategie häufig an- es ist aber nicht

möglich auf naiv- ganzheitliche Weise Schreiben zu lernen. Denn nach Schmalohr ist „Abmalen

noch kein Schreiben und Schreiben nach einer ganzheitlichen Bewegungsformel gibt es erst, wenn

die Schriftgestalt beim reifen Lesen als gegliederte Ganzheit erkannt ist“ (Schmalohr 1971, In:

Haug Keuchel 1984, 50)

Die Gedächtnisbelastung in dieser Phase ist enorm groß, denn da die Kinder sich offensichtlich aus

dem Gedächtnis an Buchstaben erinnern und sie dann notieren, können leicht Fehler wie

Buchstabenauslassungen, -vertauschungen und -verwechslungen entstehen. Versuche, Wörter

selbstständig zu konstruieren resultieren also meistens in zufälligen Buchstabenfolgen die für

andere nicht lesbar sind (vgl. Scheerer- Neumann 1996, S.1163).

Alphabetische Strategie

Durch die Grenzen, die die logographemische Strategie aufweist wird beim Kind nach K.B.

Günther die neue alphabetische Strategie hervorgerufen. Die verschiedenen Autoren sind sich

darüber einig, das der Kern dieser Strategie die Erfassung der Graphem- Phonem Korrespondenz ist

(vgl. Scheerer- Neumann 1996, 1158; K.B. Günther 1986, 40; Schründer- Lenzen 2007, 31; H.

Günther 2000, 106).

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Auf der Seite der Produktion (Schreiben) vollzieht sich ein qualitativ neuer Entwicklungsschritt. Es

wird Einsicht in das phonetisch- phonologische Prinzip der Verschriftung unserer Sprache

gewonnen (vgl. Schründer- Lenzen, 31). Das Kind lernt nun Schriftbilder in ihrer besonderen

Struktur als Aneinanderreihung einzelner Buchstaben wahrzunehmen, denen jeweils verschiedene

lautliche Repräsentationen zugeordnet werden. Die Kinder beginnen also in der alphabetischen

Phase ihre eigene Artikulation daraufhin abzuhören, welche Laute sie hören und schreiben

dementsprechend Lautorientiert. So hat das Kind das erste Mal die Möglichkeit, ihm in der

schreibweise unbekannte Wörter zu konstruieren.

Zu Beginn des phonographischen Schreibens werden nicht alle gehörten Laute aufgeschrieben,

sondern nur die, die den Kindern besonders auffallen. Hierbei fällt auf, dass Konsonanten

gegenüber Vokalen bevorzugt werden (z.B. „HT“ für Hund) man spricht hier von konsonantischer

Skelettschreibung (vgl. Scheerer Neumann, 1996 1169, Schründer- Lenzen, 2007, 31). Der Grund

für die zunächst so rudimentäre Verschriftung liegt nach Scheerer- Neumann, in der bei den meisten

Kindern zu diesem Zeitpunkt noch unvollständige Kenntnis der Phonem- Graphem- Korrespondenz

und vor allem in den zu hohen Ansprüchen, die die vollständige Phonemanalyse an die Kinder

stellt. Studien zeigen, dass sich die Schreibungen in Hinblick auf den Phonembestand in der Regel

während des 1. Schuljahres vervollständigen (vgl. Brügelmann 1987). Jedoch wird das Schreiben

auch weiterhin von der eigenen Artikulation begleitet und so sprechen sich die Kinder vor allem

längere Worte mehrfach oder in Wortteilen vor, weil es ihnen nicht gelingt, beim einmaligen

Sprechen ihre Aufmerksamkeit auf alle Phoneme zu richten. So werden die Laute, die im

„Windschatten“ (Eichler 1976) stehen häufig ausgelassen. Hierzu gehören Übergangskonsonanten,

wie beispielsweise in dem Wort: „Krokodil“ aber auch Grapheme in längeren Wörtern können

leicht vergessen werden (vgl. Scheerer- Neumann 1996, 1169). Da die Kinder in dieser Phase

versuchen, ihre eigene Aussprache sehr genau zu analysieren, sind in den Schreibungen häufig

dialektbedingte Schreibvarianten zu finden.

Auch das Lesen ist in der frühen Phase noch sehr mühsam. Das Kind muss Buchstabe für

Buchstabe, Laut für Laut ein Wort erlesen und versucht diese dann nacheinander zu resynthetisieren

bzw. zusammenzuschleifen. So können auch - anders als in der logographemischen Phase - neue

unbekannte Wörter gelesen werden, jedoch nur sehr langsam und in dem phasentypischen

Probierverhalten, indem die Einzellaute immer wieder vorgesprochen werden. Dies macht es dem

Leseanfänger schwer, den Wortsinn zu finden (vgl. Schründer- Lenzen 2007, 32).

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Orthographische Strategie

Mit dieser Strategie werden die Probleme der alphabetischen Strategie überwunden (vgl. K. B.

Günther 1986 41). Sie stützt sich auf linguistische Wortbildungsregeln. Der entscheidende Schritt

liegt darin, dass sich das Kind von der Lautsprache löst; die Grundeinheiten sind nun Morpheme,

häufige Buchstabenkombinationen oder Silben (vgl. Günther 1986, 41). Diese Einheiten können

vom Lernenden direkt, ohne lautliches Umkodieren aus dem Lexikon abgerufen werden. Auch

wenn die orthographische Strategie zunächst auf der Ebene des Lesens angewendet wird, ist sie

ebenso für das Schreiben gültig.

Das Lautbezogene Schreiben wird zwar als wichtiges Stadium innerhalb des

Schriftspracherwerbsprozesses angesehen, es muss aber so bald wie möglich überwunden werden.

Nun wird vom Lernenden die Erkenntnis gefordert, dass die orthographisch korrekte Schreibweise

unserer Sprache in weiten Teilen durch morphologische, syntaktische und semantische Beziehungen

bestimmt ist (vgl. Sassenroth 2003, 52). Den Einblick in orthographische Strukturen gewinnen die

Lernenden durch direkte Instruktion im Unterricht und/ oder durch die eigenaktive

Auseinandersetzung mit Lernwörtern.

Integrativ- Automatisierte Strategie

Dieser Phase liegt keine neue Vorgehensweise zugrunde, sondern sie verdeutlicht den langen

Prozess, bis die orthographische Strategie mit ihren vielen linguistischen Regeln soweit gefestigt

ist, dass der Umgang mit der Schrift weitgehend automatisiert abläuft. „Sie stellt eigentlich keine

neue Strategie mehr dar, sondern bezeichnet den schriftlichen Sprachgebrauch des kompetenten

Lesers und Schreibers in einem autonomen und funktionsspezifischen Repräsentationssystem der

Sprache“ (Günther 1986, 43).

Zusammenfassung und Reflexion des ModellsDas dargestellte Entwicklungsmodell hat gezeigt, dass im Prozess des Schriftspracherwerbs Lesen

und Schreiben miteinander verwoben sind. Der Lernende durchläuft qualitativ verschiedene Phasen,

in denen er sich nach und nach die verschiedenen Prinzipien der deutschen Schriftsprache

vorwiegend eigenaktiv aneignet. Für das Erlernen unserer Schriftsprache ist eine genaue Analyse

der Laut- und Morphemstruktur erforderlich, was erhebliche Anforderungen an das sprachlich-

kognitive Bewusstsein des Kindes stellt. So kann es aufgrund von fehlendem Symbolverständnis,

eingeschränkter auditiver Wahrnehmungsfähigkeit, geringen metasprachlichen Kompetenzen, etc.

zu Erschwernissen für einige Schülergruppen (wie z. B. Schüler mit einer (geistigen-) Behinderung,

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oder sozio- kulturell benachteiligte Schüler) kommen.

Betrachtet man die Schreibleistung des Kindes, kann das Stufenmodell Aufschluss über den

jeweiligen Entwicklungsstand geben und es können Rückschlüsse auf die individuelle Strategie

eines Kindes gezogen werden. So können gezielt Fördermaßnahmen geplant werden, die dem Kind

helfen die nächst höhere Phase zu erreichen (vgl. Sassenroth 2003, 67). Im schulischen Unterricht

sollte die emotionale Seite, die ebenso über den Lernprozess mitbestimmt jedoch nicht übersehen

werden sollte sowie der Zugang zu kreativen und Inhaltsbezogenen Problemlösungen ermöglicht

werden. Auch die individuellen Erfahrungen mit Schriftsprache sollten hierbei berücksichtigt

werden. Denn letztlich ist die Frage, ob ein Kind mit Freude zu schreiben oder lesen beginnt,

ausschlaggebend für den Verlauf des Schriftspracherwerbs.

Insgesamt geben die Schriftspracherwerbsmodelle den idealtypischen Prozess der Annäherung des

Kindes an die Schriftsprache wider. Jedoch sind individuelle Abweichungen im Lernprozess immer

möglich und sollten auch berücksichtigt werden (vgl. Scheerer- Neumann 1996 1155). Dieser

Aspekt spielt gerade in der Pädagogik für Menschen mit geistigen Behinderungen eine besondere

Rolle. Sie verweilen unterschiedlich lange auf der grundlegenden präliteral- symbolischen Phase, da

der Wechsel von einem Erfahrungsbezogenen Umgang mit Sprache hin zu metasprachlichen

Kompetenzen für sie eine besondere Anforderung darstellt. Dies macht vielfältige Lernanregungen

notwendig, damit sich ein Symbolverständnis entwickeln kann und so der Weg hin zur

Schriftsprache geebnet ist (vgl. Hauck- von den Driesch, 2004 84).

2.4 Unterricht

2.4.1 Vorläuferfähigkeiten

Im Grundschulbereich werden „Vorschulische Lernvoraussetzungen“ (Marx 2007, 38) für den

Schriftspracherwerb diskutiert. Diese umfassen spezifische, also für den

Schriftspracherwerbsprozess direkt verknüpfte Fähigkeiten und unspezifische Fähigkeiten, wie

Motivation, Konzentration etc. Der Erwerb dieser Fähigkeiten sollte vor dem Schuleintritt

abgeschlossen sein. In der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung geht man

hingegen nicht davon aus, an bereits vorhandene Vorläuferfähigkeiten in vollem Maße anknüpfen

zu können. Das Training der Vorläuferfähigkeiten wird hier in den Unterricht integriert.

Die unspezifischen Vorläuferfähigkeiten werden in drei Gruppen zusammengefasst: In

motivationale Faktoren, wie beispielsweise das Selbstkonzept, die Leistungsmotivation und die

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Aufgabenorientierung, in affektive Faktoren, wie z.B. Lernfreude, aber auch in kognitive Faktoren.

Zu diesen werden Intelligenz, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit gezählt (Marx 2007,

38).

Die spezifischen Vorläuferfähigkeiten hingegen werden vom Schriftspracherwerbs-Prozess

abgeleitet und umfassen die visuelle Informationsverarbeitung, die allgemeine sprachliche

Informationsverarbeitung und die Phonologische Informationsverarbeitung. In den letzten Jahren

wurde von der Forschung immer stärker der Bereich der phonologischen Informationsverarbeitung

als wesentliche Vorläuferfähigkeit identifiziert. Diese kann in drei Teilbereiche unterteilt werden:

Im „phonologischen Arbeitsgedächtnis“ werden phonologische Informationen, also Lautfolgen über

einen kurzen Zeitraum gespeichert und können daraufhin artikuliert werden. Das spielt besonders

für das Erlesen unbekannter Wörtern, oder für Leseanfänger eine zentrale Rolle.

Der „Zugriff auf das Langzeitgedächtnis“ ermöglicht sowohl die Verknüpfung von Phonemen und

Graphemen, als auch von Wortbildern mit deren Bedeutung. Er ist von zentraler Bedeutung für das

erlesen von Wörtern mit der alphabetischen Strategie, aber auch für die Lesegeschwindigkeit.

Als der wichtigste Faktor für den Schriftspracherwerb wird in zahlreichen Studien (z.B. Wiener

Längsschnittstudie von Klicpera und Gasteiger- Klicpera, vgl. Marx 2007, 42) die phonologische

Bewusstheit hervorgehoben. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit zur analytischen Betrachtung

der eigenen Sprache mit der Erkenntnis ihrer Reimbarkeit, Rhythmisierbarkeit und Darstellbarkeit.

Im Allgemeinen wird in die phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne, die sich auf Erkennung

der größeren Spracheinheiten (Wörter, Silbe, Reime) bezieht und in die phonologische Bewusstheit

im engeren Sinne, die Fähigkeit zur Manipulation von Phonemen als kleinste sprachliche Einheit

unterschieden. Klicpera (2007) unterscheidet hier die folgenden drei Entwicklungsstufen:

1. Sensibilität für Reime und Alliterationen. Die Kinder beginnen, abseits der

Bedeutung von Wörtern auf die Lautfolge zu achten.

2. Kinder achten auf Ähnlichkeiten in der Lautfolge verschiedener Wörter.

3. Kinder systematisieren die Unterscheidung von Phonemfolgen und differenzieren nur

noch Merkmale, die für die Unterscheidung der Wörter mit unterschiedlicher

Bedeutung wesentlich sind.

Ob die Phonologische Bewusstheit tatsächlich eine Voraussetzung und nicht eine Folge des

Schriftspracherwerbs ist, steht noch zur Diskussion. In mehreren Studien konnte gezeigt werden,

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dass sich die phonologische Bewusstheit erst während des Schriftspracherwerbsprozesses

entwickelt, demnach spielt der Erstleseunterricht für die Entwicklung der phonologischen

Bewusstheit eine nicht unwesentliche Rolle. Untersuchungen mit Aufgaben zur phonologischen

Bewusstheit im Vorschulalter lassen aber auf der anderen Seite eine gute Voraussage der

zukünftigen Lese- und Rechtschreibfertigkeiten zu.

2.4.2 Leselehrmethoden

2.4.2.1 Diskussion um analytische und synthetische Methoden

Da es bis heute keine einheitliche Theorie zum Schriftspracherwerb gibt, existieren vielfältige

Methoden, Konzepte, Materialien, Fibeln und Hilfsmittel zu diesem Bereich. Um Lehrgänge zum

Schriftspracherwerb von ihrem Ursprung her verstehen zu können, ist es notwenig sich die

unterschiedlichen Strategien innerhalb der einzelnen Methoden bewusst zu machen.

In Deutschland setzte nach dem Krieg eine Auseinandersetzung um verschiedene Leselehrmethoden

ein und wurde bis in die 60er Jahre hinein fortgeführt (vgl. Ferdinand 1972, Müller 1964, in:

Schründer- Lenzen 2007, 136).

Da dem Schriftspracherwerb eine entscheidende Rolle in der intellektuellen Entwicklung zukam

und auch heute noch zugesprochen wird, ist es nicht verwunderlich, dass es in der

Entwicklungsgeschichte des Erstunterrichts viele Versuche gab, den methodischen Weg des Lesen-

und Schreibenlernens theoretisch und praktisch zu verbessern. So stand die „Ganzheitliche“

Methode des Lesenlernens der „Synthetischen“ Methode gegenüber. Insgesamt war diese

Diskussion jedoch mehr durch emotionale als durch wissenschaftliche Überzeugungen geprägt. So

kommt Schwander bei einem Vergleich der „Leselehrverfahren in empirischer Sicht“ zu dem

Schluss: „Das beste Leselehrverfahren gibt es nicht. Jeder ist aufgerufen, abzuwägen, was er für

seine Klasse für Zumutbar und in Hinblick auf den zu erwartenden Erfolg für Wünschenswert hält“

(vgl. Schwander 1989, 51).

Dabei ist es besonders wichtig, Prozesse zu beobachten und zu beschreiben, die ein erfolgreiches

Lernen auch unter erschwerten Bedingungen, zum Beispiel bei Kinder mit einer einer geistigen

Behinderung ermöglichen.

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Lautsynthetische Verfahren

Das Lautsynthetische Verfahren geht von Einzellauten/ Einzelbuchstaben aus. Erst wenn diese in

ausreichender Zahl eingeführt worden sind, werden Silben erarbeitet, die schließlich zu Wörtern

bzw. Texten zusammengefügt werden.

Im Allgemeinen lassen sich hier drei aufeinander Aufbauende Verfahrensschritte unterscheiden (vgl.

Hauck- von den Driesch 2003, 69).

I. Stufe der Lautgewinnung

In dieser Stufe lernt der Schüler zunächst den isolierten, von Inhalt und Bedeutung entbundenen

Laut kennen. Im Laufe der Geschichte des Erstleseunterrichts wurden verschiedene Verfahren zur

Lautgewinnung entwickelt. Besondere Bedeutung hat bis zu dem heutigen Tag die Orientierung an

den Anlauten (z.B. /m/- „Maus“). Sie begegnen uns in vielen Fibeln ebenso wie in

fibelunabhängigen Verfahren. Dagegen sind die Empfindungslaute, wie z.B. /a:/ als Ausruf des

Erstaunens und die Naturlaute, wie z. B. /f/ als Blasen des Windes heute kaum noch vertreten. Seit

den 60er/ 70 er Jahren des letzten Jahrhunderts trat die unmittelbare Lautvorgabe an die Stelle der

Lautgewinnung mit Naturlauten (vgl. Topsch 2005, 53).

II. Stufe der Lautverschmelzung

Die zweite Stufe, die „Stufe der Lautverschmelzung“ beinhaltet das „Zusammenschleifen“ oder

„Verschmelzen“ von Buchstaben/Lauten zu Silben und auch zu Wörtern. Doch diese Stufe stellt

nach Topsch bei synthetischen Verfahren oftmals ein Problem dar und deswegen sind gerade in

dieser Stufe methodische Hilfen besonders notwendig. Im Wesentlichen realisiert sich die

Lautverschmelzung methodisch in der Aufforderung zum schnellen Hintereinandersprechen der

einzelnen Laute. Im Fibeldruck wird/wurde dies häufig durch die Schrittweise Verringerung einer

Lücke zwischen zwei Buchstaben oder durch andere graphische Mittel zum Ausdruck gebracht (vgl.

ebd., 55).

III. Stufe des Zusammenlesens

In dieser Stufe kommt es darauf an, die erlernten Silben zu Wörtern und später auch ganze Sätze

zusammen zu lesen. Diese Stufe zielt auf das Lesen von größeren Einheiten ab, welches über das

additive Erlesen von Buchstaben zu Silben hinausgehen sollte. Neben Übungen zur

Gesamtauffassung häufig vorkommender Wörter, werden häufige Buchstabenverbindungen, wie

„st“, „sp“ und „en“ herausgearbeitet. Außerdem steht die Beachtung von Regelwissen im

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Vordergrund dieser Stufe.

Vor- und Nachteile der lautsynthetischen Methode

Da zunächst die einzelnen Laute/ Buchstaben isoliert voneinander geübt werden, fehlt der

Handlungs- und Erfahrungsbezug, so dass das inhaltlich erschließende Lesen nicht möglich ist.

Insgesamt steht bei dieser Methode die Lesetechnik im Vordergrund. Dies ist zum einen der Vor-

aber auch ein Nachteil dieser Methode. Einerseits erfolgt die Zuordnung von Laut und Buchstabe

sofort und außerdem ist das Zusammenschleifen, was oftmals eine Schwierigkeit im

Leselernprozess darstellt, wesentlicher Bestandteil dieser Methode. Auf der anderen Seite bedeutet

dies jedoch auch, dass über Monate und Jahre hinweg „sinnlose“ Silben geübt werden (vgl. Hauck

von den Driesch 2003, 74). Es wird das Phänomen der lauttreuen Schriftsprache vorgetäuscht. Dass

unsere Schriftsprache jedoch nicht lauttreu ist, zeigt sich in der nicht eindeutigen

Zuordnungsmöglichkeit von Graphemen zu Phonemen. Aufgrund dessen kann es zu

Schwierigkeiten in der Synthese und im Leseverständnis kommen.

Ganzheitliche Verfahren

Die theoretische Fundierung dieser Methode geht auf die Gestaltpsychologie zurück, die davon

ausging, dass Kinder zunächst nur diffus- ganzheitlich wahrnehmen (vgl. Stöckli 1998, 62). In

Deutschland brachten die Brüder Kern das ganzheitliche Verfahren zum Durchbruch. Sie sahen im

Lesevorgang kein summatives Aneinanderreihen einzelner Laute zu Silben und Wörter, sondern

vielmehr einen einmaligen, ganzheitlichen Wahrnehmungsschluss der Wortgestalt (vgl. Schründer-

Lenzen 2007, 135).

Ganzheitliche Verfahren gehen also nicht von isolierten Elementen (Buchstaben/ Lauten) sondern

von Sprachganzen aus, die erst nach einer längeren Phase des „ganzheitlichen Lesens“ analysiert

werden. Für das ganzheitliche Lesen lassen sich drei große Phasen, die sich gegenseitig überlagern

unterscheiden.

I. Phase des naivganzheitlichen Lesens

In der ersten Phase geht es darum, einen Grundwortschatz „ganzheitlich“ zu bearbeiten, da es den

Schülern zu Beginn nicht möglich ist, auf die lautliche und graphische Binnenstruktur von Wörtern

zurückzugreifen. In dieser Phase muss dem Schüler gesagt werden wofür ein bestimmtes Wortbild

steht, damit er sich dieses merken kann. Zur besseren Einprägung der Wörter werden diese teilweise

farbig hervorgehoben. Es gibt neben dem Text Illustrationen, die Hinweise auf die Inhalte des

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Textes geben. Dafür werden möglichst merkmalsreiche Wortgestalten ausgewählt (vgl. Topsch

2005, 58).

II. Phase der Durchgliederung

Diese Phase dient dem Erfassen des Buchstabens und ihrer lautlichen Entsprechung. Durch eine

bewusste Lenkung der Wahrnehmung auf die graphische und lautliche Struktur geschriebener und

gesprochener Wörter kommt der Schüler allmählich dazu, einzelne Strukturen innerhalb von

Wörtern zu erkennen. Beispielsweise durch Wort auf bzw. -abbau, durch „Verzaubern“ von

Wörtern, durch Buchstabentausch (z.B. „Hund“ zu „Hand“), durch Aufsagen von Unterganzen, z.B.

„und“ in „Hund“, Einkreisen von Einzelbuchstaben.

III. Phase des selbstständigen Erlesens

Diese Phase ist erreicht, wenn das Lesen nicht mehr auf dem ganzheitlichen Erfassen des ganzen

Wortes basiert, sondern auf der Anwendung der erworbenen Laut-/ Buchstabenkenntnisse beruht.

Hier geht es also darum, die in der „Phase der Durchgliederung“ erworbenen Kenntnisse operativ

zu nutzen und unmittelbar wirksam werden zu lassen (vgl. ebd., 59).

Vor- und Nachteile der ganzheitlichen VerfahrenEin Vorteil dieser Methode ist, dass die Schriftzeichen von Beginn an Bedeutungsgehalt haben, so

können die Schüler sofort den Sinn des Gelesenen entnehmen und werden zum Lesen so besonders

motiviert. Allerdings besteht die Gefahr des ratenden Lesens, denn die Speicherfähigkeit von

Wörtern kann aufgrund der jeweiligen Gedächtnisleistung sehr anstrengend und begrenzt sein.

Vergleich beider MethodenAus heutiger Sicht kann man sich generell die Frage stellen, ob die verschiedenen

Leselehrmethoden überhaupt zu längerfristigen Leistungsunterschieden führen. Denn man darf

nicht übersehen, dass sich die beiden methodischen Ansätze zu Beginn des Leselernprozesses zwar

voneinander unterscheiden, auf den gesamten Lernprozess hin gesehen, beinhalten jedoch beide

Methoden sowohl analytische als auch synthetische Prozesse. Letztendlich können die Schwächen

eines bestimmten methodischen Verfahrens nach Schründer- Lenzen durch eine kompetente

Lehrkraft ausgeglichen werden (vgl. Schründer- Lenzen 2007, 137).

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Methodenintegrierte Verfahren

Anfang der 70er Jahre kam es zu einem Wandel im Methodenverständnis innerhalb des

Erstleseunterrichts. (vgl. Schwander 1989, 52). „Methodenintegrierende Verfahren“ (auch

analytisch- synthetische Verfahren genannt), wie sie u. a. von Menzel vertreten wurden gelantgen

zunehmend an Bedeutung. Hier werden ganz bewusst die spezifischen Vorteile des ganzheitlichen

und des synthetischen Verfahrens aufgenommen, um die Nachteile einseitiger methodischer

Orientierung zu vermeiden. Diese Methode bildet einen Kompromiss zwischen Ganzheitlichen und

synthetischen Verfahren, denn sowohl Analyse als auch Synthese finden von Beginn an in enger

Verknüpfung statt (vgl. Hauck von den Driesch 2003, 75).

Analytisch- synthetische Verfahren gehen von ganzen Wörtern aus, analysieren diese jedoch

unmittelbar in ihre einzelnen Elemente von Sprache und Schrift und fügen diese in der Synthese

schließlich wieder zusammen (vgl. Topsch 2005, 49). In einer Vorstufe wird zunächst eine

Redeeinheit in seine Wörter zergliedert. Hierbei ist es wichtig, dass die gesprochene Sprache in

einen für den Lernenden sinnvollen situativen Kontext bezogen ist. In der folgenden Stufe, der

Analyse wird das gesprochene Wort in seine Laute zerlegt, welchen dann Buchstaben zugeordnet

werden. In der letzten Stufe wird versucht das Wort Buchstabe für Buchstabe zu schreiben (vgl.

Hauck- von den Driesch 2003, 75).

„Methodenintegrierende Leselernverfahren“ (Schenk 2001, 96) wollen den Zugang zur

Schriftsprache in einer anspruchsvolleren und variationsreicheren Weise eröffnen. Sie wollen das

Kind zu einem frühzeitigen, selbstständigen, flexiblen und möglichst kreativen Umgang mit

geschriebener Sprache führen. So haben sich diese „Methodenintegrierenden Leselernverfahren“ in

den Fibeln der letzten Jahre durchgesetzt. Lehrgänge nach streng analytisch- synthetischen

Verfahren sind nach dem Schlüsselwortverfahren aufgebaut, das heißt, es werden nur Wörter

ganzheitlich angeboten, deren Buchstaben und Laute bereits bekannt sind, so dass sie visuell,

auditiv und sprechmotorisch analysiert und synthetisiert werden (vgl. Hauck- von den Driesch

2003, 76 und „Lesen mit Lo“, Kapitel 3.3.3.1)

4.2.2.2. Aktuelle Konzepte des Schriftspracherwerbs

In den letzten Jahrzehnten haben sich in der Schriftspracherwerbsdidaktik wichtige Veränderungen

vollzogen, wie beispielsweise eine stärkere Orientierung an der gesprochenen Sprache und eine

stärkere Verbindung des Lesen- und Schreibenlernens zu einem integrierten

Schriftspracherwerbsprozess. So setzte sich ab Mitte der Achtzigerjahre eine Integration der

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Lehrgänge zum Lesen- und Schreibenlernen durch, die wesentlich mitbestimmt wurde durch die

Tatsache, dass die Druckschrift als Anfangsschrift für das Lesen- und Schreibenlernen akzeptiert

und später sowohl gefördert, als auch gefordert wurde (vgl. Topsch 2005, 64). Auch wird versucht,

die Sichtweisen und Strategien des lernenden Kindes mehr in den Blickpunkt zu stellen und diese

zu verstehen (Hauck- von den Driesch 2004, 77). Doch weiterhin gibt es verschiedene Ansätze für

den Anfangsunterricht. In den letzten Jahren hat nach Schründer- Lenzen eine Annäherung

zwischen eher lehrgangs- und den eher lernwegsbezogenen Unterrichtskonzepten stattgefunden. So

sehen auf der einen Seite die Vertreter fibelorientierter Lehrgänge heute die Notwendigkeit einer

Öffnung des Unterrichts. Sie bieten Material an, dass explizit für Phasen differenzierenden

Unterrichts vorgesehen ist. Auch der Aufbau der Fibeln ist heute nicht mehr vollständig linear, da

nach der Einführung der Buchstaben heute Lesetexte unterschiedlicher Schwierigkeitsstufen

angeboten werden. Insofern ist es hier angebracht von „halboffenen“ Lehrgängen (vgl. Schründer-

Lenzen 2007, 106) zu sprechen.

Auf der anderen Seite gibt es die Verfechter „offener“ Unterrichtsmethoden wie Brügelmann,

Brinkmann, Ballhorn (vgl. ebd., 105). Sie kritisieren, dass der Einsatz eines systematischen

Lehrgangs oder einer Fibel den Lehrstoff in einzelnen Schritten aufbereitet und zu wenig auf die

individuellen Bedürfnisse des Schülers eingeht (vgl. Sassenroth 2003, 107).

Halboffene Lehrgänge

Lesen und Schreiben lernen mit einer Fibel

Als „Fibel“ wird auch heute noch das erste (Lese-) Buch der Schulkinder bezeichnet, obwohl sich

die heutigen Leselehrgänge von der ursprünglichen Fibel weit entfernt haben. Dabei spiegelt die

über 400 jährige Geschichte der Fibel die unterschiedlichen Leselehrverfahren und die wechselnden

Erziehungsstile wieder (vgl. Ulrich 2005, 100). Die heutigen Fibeln basieren auf

methodenintegrierten Leselehrverfahren, indem Laute und Buchstaben immer in einem sinnvollen

Ganzen eingeführt werden.

Heutige Fibellehrgänge verfügen neben dem Leitmedium, der Fibel über weitere Materialien, wie

Lesematerialien, Schreiübungshefte und Informations- und Demonstrationsmaterial für Lehrer. Die

in den verschiedenen Begleitmaterialien angebotenen Übungen fördern sowohl eine optische, eine

akustische als auch eine schreibmotorische Erarbeitung der Schriftsprache. Hierdurch wird aber

nach Schründer- Lenzen noch keine „Öffnung“ von Unterricht vollzogen. Vielmehr wird in

Fibellehrgängen besonders in der ersten Phase des Unterrichts eine gezielte Hilfestellung für die

Erfassung des alphabetischen Prinzips der Schriftsprache als notwendige Voraussetzung gesehen.

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Damit soll für alle Schüler ein gemeinsames Fundament geschaffen werden, auf dem sowohl

differenzierende, als auch offenere Phasen aufbauen können (vgl. Schründer- Lenzen 2007, 107).

Charakteristisch für die Fibellehrgänge ist dabei ihr weitgehend linearer Aufbau. Alle Materialien

laufen in ihrer optischen und inhaltlichen Gestaltung synchron. Die in der Fibel vorgegebene

Reihenfolge der Buchstabenanordnung bzw. der Wortbestand ist in dieser Anordnung auch in den

Begleitmaterialien zu finden. Durch das Prinzip die Schriftsprache Buchstabe für Buchstabe

einzuführen, ist ein Aufbau vom Leichten zum Schweren gegeben. Fibellehrgänge verbinden dabei

von Anfang an sowohl den Lese-, als auch Schreiblernprozess miteinander, denn das, was in der

Fibel gelesen wird ist immer auch Schreibaufgabe in den Schreiblehrgängen.

Offene Unterrichtsmethoden

Spracherfahrungsansatz

Der Spracherfahrungsansatz bezieht sich auf die von Downing Mitte der 80er Jahre entwickelte

Theorie der kognitiven Klarheit. Demnach gewinnen Kinder die Einsicht in die alphabetische

Struktur unserer Schrift nur dann, wenn sie den Lerngegenstand Schrift aktiv konstruieren. Nur so

kann es zu der notwendigen gedanklichen Klarheit in Bezug auf Funktion und Aufbau der Schrift

gelangen (vgl. Schründer- Lenzen 2007, 145). Wie der Begriff andeutet, basiert der

Spracherfahrungsansatz auf den unterschiedlichen Vorerfahrungen der Schüler mit und über

Sprache und Schrift. Aufgrund dieser häufig sehr unterschiedlichen Vorraussetzungen und

Vorkenntnisse einzelner Schüler, ergibt sich zwangsläufig die Forderung nach einem differenzierten

Unterricht. Die vielfältigen, motivierenden Lernmaterialien und Lernanlässe, die den Schülern

bereitgestellt werden, sollen ihnen individuelle Zugänge zur Schriftsprache eröffnen. Es soll jedoch

gewährleistet sein, dass sie ihrem Leistungsstand entsprechend neue Erfahrungen gewinnen können,

die ihnen neuen Lernzuwachs und neue Lernfortschritte ermöglichen. Nach Scheerer- Neumann ist

die lexikalische und damit inhaltliche Freiheit das wichtigste Element des

Spracherfahrungsansatzes, denn die Schüler sollen das Lesen und Schreiben anhand möglichst

eigener Wörter und Texte erlernen (vgl. Sassenroth 2003, 118).

Die unterschiedlichen Beispiele, Anregungen und Einzelmaßnahmen des Spracherfahrungsansatzes,

lassen sich zwar in ihrer Mehrzahl dem analytisch- synthetischen Verfahren zuordnen, da sie sich

aber nicht darauf beschränken, kann dieser Ansatz als „methodenübergreifender Ansatz“ verstanden

werden (vgl. Topsch 2005, 65). Befürworter des Spracherfahrungsansatzes sehen den

Schriftspracherwerb als eigenaktiven Entdeckungsprozess der nicht linear verläuft, sondern in

Sprüngen und mit Plateaus. Deswegen kritisieren sie den Einsatz eines systematischen Lehrgangs

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oder einer Fibel, denn dieser setzt gleiche Ausgangsbedingungen der Schüler voraus und bereitet

den Lernstoff in einzelnen Lernschritten auf, die von den Schülern im „Gleichschritt“ durchlaufen

werden, dabei geht der Fibelorientierte Lehrgang zu wenig auf die individuellen Lernwege der

Schüler ein (vgl. Sassenroth 2003, 107). Brügelmann - als ein Vorreiter des

Spracherfahrungsansatzes - bezeichnet die Lehrgänge deshalb auch als „Krücken“ (Brügelmann

1989, 9) und appelliert an Lehrer sich von diesen zu befreien.

Da die Begründer des Spracherfahrungsansatzes davon ausgehen, dass das Schreiben eine

konkretere Form der Auseinandersetzug mit der Schriftsprache darstellt als das Lesen, sind im

Unterricht die Lehr- und Lernformen vorzuziehen, in denen das Kind handelnd - also produktiv -

tätig werden kann (vgl. Sassenroth 2003, 118). Ein verantwortungsvoller Unterricht soll die

jeweilige schriftsprachliche Handlungs-Fähigkeit von Schülern akzeptieren und ihre Entwicklung

fördern (vgl. Schurad 2004, 52). Das Prinzip des handelnden Unterrichts äußert sich dadurch, dass

auch schriftsprachliche Tätigkeiten immer in einen konkreten Handlungszusammenhang eingebettet

werden, z.B. beim Erstellen von Briefen, Einladungen, Rezepten, Gebrauchsanweisungen, etc.

Diese Handlungsbezogenheit ist auch bzw. gerade zur Stärkung der Lese- und Schreibmotivation

von (geistig-) behinderten Schülern wichtig. So taucht der Begriff „Spracherfahrungsansatz“

zunehmend auch im sonderpädagogischen Bereich und auch im Bereich der Erwachsenenbildung

auf (vgl. Topsch 2005, 68).

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3. Schriftspracherwerb an der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung

3.1 Kulturtechniken an der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung

Schrift begegnet uns in unterschiedlicher Form ständig. Das gesprochene und geschriebene Wort

bildet die Grundlage für Kultur und Denken einer Gesellschaft. Ohne die Kompetenzen des Lesens

und des Schreibens ist man nach Hauck- von den Driesch in seiner persönlichen und

gesellschaftlichen Entfaltung eingeschränkt (vgl. Hauck- von den Driesch 2003, 166). Durch die

Vermittlung der sog. „Kulturtechniken“ wie Lesen, Schreiben und Rechnen wird für jeden

Menschen grundlegend das Recht auf Teilhabe an menschlicher und mitmenschlicher Kultur erfüllt.

Um sich ihre Umwelt zu erschließen, ist es für Schüler deshalb von großer Bedeutung im Bereich

von Sprache möglichst hohe Kompetenzen zu erwerben (vgl. Lehrplan Deutsch der Schule mit dem

Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung 2003, 147). Gerade dem Schriftspracherwerb im

Anfangsunterricht weist Hauck- von den Driesch eine wichtige Rolle zu, da dieser eine materiale

und formale Bildungsgrundlage schafft und der Lernende ein Medium für seine individuelle

Weiterentwicklung erlangt. Der Schriftspracherwerb ist demnach ein Teil der Grundlage, auf dem

sich das Kind formt und gestaltet (vgl. Hauck- von den Driesch 2003, 167). Die Möglichkeit am

Bildungsgut der Schriftsprache teilzuhaben, unterstützt bei Menschen mit geistiger Behinderung die

Selbstbestimmung und Autonomie und kann nach Hauck- von den Driesch einen Beitrag zu einer

selbstständigen Lebensführung und zu gesellschaftlicher Partizipation leisten (vgl. Hauck- von den

Driesch 2003, 166). Jeder Mensch hat das Bedürfnis teil zu haben an Kultur und an sozialen Rollen,

um sich auf seine Art sozial und kulturell einbinden zu können. Aber auch das Erreichen der

sozialen Integration ist zu einem wesentlichen Teil abhängig von der Fähigkeit mit Schriftsprache

umzugehen.

Kaum ein Thema in der Geistigbehindertenpädagogik wurde und wird so kontrovers diskutiert, wie

die Thematik „Lesen bei Geistigbehinderten“. Dabei wird die Bedeutung des Schriftspracherwerbs

für Menschen mit einer geistigen Behinderung kontrovers diskutiert.

Hierzu gibt es auf Seiten der Pädagogen und auch der Eltern unterschiedliche Standpunkte. Die

Eltern geistig behinderter Kinder sehen das Erlernen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und

Rechnen als wichtig an. Ihrer Meinung nach soll es zum Bildungsangebot für die Schule ihrer

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Kinder gehören, da sich das geistig behinderte Kind, wie auch seine Geschwister mit Lesen und

Schreiben beschäftigen möchte und Freude daran hat.

Einige Pädagogen, wie beispielsweise Bach lehnen das Lesen und Schreiben für Schüler mit einer

geistigen Behinderung hingegen ab (vgl. Rittmeyer 93, 9). Sie legen ihr Hauptaugenmerk auf die

Vermittlung lebenspraktischer Fähigkeiten, denn sie sehen im Lesenlernen meist eine

Überforderung der Schüler, weil er die viel Zeit koste und letztlich nur Ergebnisse zeige, die keine

erkennbare Lebenshilfe bedeute. Hublow hingegen sieht die Vermittlung von Kulturtechniken als

wesentlich an. Er hält Lesen bei geistig Behinderten für möglich, sinnvoll, berechtigt und

notwendig (vgl. ebd., 9).

Nach Zielniok gibt es in dieser Diskussion verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Für ihn ist die

Antwort davon abhängig, welche Schüler aus der Schule mit dem Fördeschwerpunkt Geistige

Entwicklung gemeint sind (vgl. Zielniok 1984, 1). Er legt dar, dass die Lernvoraussetzungen

darüber entscheiden, ob, wann und wie der Schüler mit einer geistigen Behinderung die

Schriftsprache erlernt, welche Lernvoraussetzungen bzw. Lernmöglichkeiten bei ihm gegeben sind.

So muss bei geistig behinderten Schülern bereits die Zielsetzung auf Lesen und Schreiben

individuell angepasst werden (vgl. ebd., 1).

Aber auch für andere Autoren ist Lesen ein wichtiger Bestandteil an Schulen mit dem

Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Für Rittmeyer ist Lesen ein Teil des „normalen“ Alltags.

Und diese „Normalität“ sollte Geistigbehinderten nicht vorenthalten werden, weil sie ein Stück

reale Interaktion, Lebenshilfe und Lebensbereicherung sein kann (vgl. Rittmeyer 1993, 9).

Auch kann der Verzicht auf Lesen- Schreibenlernen die Leistungsmotivation, das Anspruchsniveau

und die Anstrengungsbereitschaft des geistig behinderten Schülers beeinträchtigen, da er weiß, dass

alle Schüler diese Fertigkeiten in der Schule lernen. Durch den Verzicht auf Leseunterricht wird

ihrer Meinung nach die Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung aus der

Gesamtheit aller Schulen herausgenommen. So wird eine mögliche Integration erschwert (vgl.

Rittmeyer 1993, 11). Aus diesem Grund werden die Begriffe „Lesen“ und „Schreiben“ heute anders

definiert. Es wird ein Lesen im engeren Sinne von einem Lesen im weiteren Sinne unterschieden.

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3.2 Der erweiterte Lese- und Schreibbegriff

Lesen im engeren Sinne

Das Lesen im engeren Sinne wird verstanden als „verstehendes Aufnehmen von schriftlich fixierten

Sprachfügungen“ (Kainz 1956). Hier ist die Buchstabenschrift mit ihrer Struktur der

Lerngegenstand (vgl. Zielniok 1984, 1). Lesen im engeren Sinne ist die Art von Lesen, die Bach so

entschieden für geistig Behinderte ablehnt. Er betont, dass zunächst eine basale Erziehung zur

Selbstständigkeit, Anstelligkeit und Handgeschicklichkeit Vorrang hat. Den formalen Wert der

Kulturtechniken für die Erziehung des geistig behinderten Schülers hält er für gering und zum Teil

sogar fragwürdig (vgl. Rittmeyer 1993, 11). Für den Pädagogen Speck hingegen kann das Lesen im

engeren Sinne zwar nicht Hauptziel des Unterrichts sein, da das Lernen anderer Fähigkeiten für die

spätere Lebensbewältigung wichtiger ist. Das Einüben der Kulturtechniken hat jedoch bildende

Wirkung, wenn die Lernvorgänge im Leseunterricht der Lesefähigkeit des einzelnen Schülers

entsprechen. Der Dortmunder Sonderpädagoge Pohl hat zusammen mit U. Pohl und K. Schulte

zahlreiche Argumente aufgestellt, die aus seiner Sicht für das Lesen im engeren Sinne bei geistig

behinderten Schülern sprechen. Für ihn ist der Schreib- Leseunterricht für Schüler, die die

Voraussetzungen zum Lesen erfüllen, eine notwendige und nützliche Fortsetzung des bisherigen

Unterrichts und Schüler die die Voraussetzungen zum Lesen noch nicht erfüllen, können durch

Lese- und Schreibübungen gefördert werden. So stellt das Lesen im engeren Sinne keine

Überforderung für geistig Behinderte Schüler, sondern eine erwünschte Abwechslung dar. In den

letzten Jahren wird dem Lesenlernen eine größere Bedeutung zugemessen. Während in den 80ger

Jahren Studien zufolge ein Viertel der Schulabgänger über Textkompetenzen verfügten ist diese

Tendenz in den letzten Jahren deutlich steigend (Marx, 2007, 170).

Lesen im erweiterten Sinne

Ein erweitertes Begriffsverständnis haben Hublow/ Wohlgehagen, Oberacker (vgl. Rittmeyer 1993,

9) eingeführt. Oberacker definiert Lesen ganz allgemein als „Sinnentnahme aus optischen Zeichen“.

Für ihn zählt deshalb auch die Sinnentnahme aus Situationen, Bildern und Symbolen zum Lesen.

Zielniok unterscheidet in der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung drei

Gruppen von Schülern hinsichtlich ihrer Lesefähigkeit. Zum einen gibt es eine geringe Zahl von

Schülern, die keinerlei Schriftbild und keinen Buchstaben als Laut erkennen können. Eine größere

Zahl, die bestimmte Namen, Aufschriften, Schilder wieder erkennen können. Und einen nicht zu

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vernachlässigen Teil von Schülern ist das Erlernen der alphabetischen Strategie möglich, so dass sie

auch (neue Schriftbilder) und fremde Texte erlesen und einfache Texte auch verstehen können (vgl.

Zielniok 1984, 1).

Auch der bayerische Lehrplan für die Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung

plädiert für einen erweiterten Lese- und Schreibbegriff. Besonders das Lesen schließt auch das

Verstehen von Körpersprache, Handlungen, Bildern, Symbolen und Signalen ein. So werden

entnommene Informationen mit der persönlichen Erlebniswelt in Beziehung gesetzt und wieder

erkannt. Schreiben im erweiterten Sinne heißt, sich auf den unterschiedlichen Ebenen in

kommunikativer Absicht auszudrücken. Der Einsatz von Körpersprache, Handlungen, Bildern,

Symbolen und Signalen ermöglicht es, sich mitzuteilen und Aussagen über sich selbst zu machen

(vgl. Lehrplan Bayern, Deutsch an der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung

2003, 102).

Der erweiterte Lesebegriff versteht Lesen demnach als Wahrnehmen, Deuten und Verstehen von

konkreten, bildhaften, symbolhaften und abstrakten Zeichen und Signalen (Günthner, 2000, 14).

Hublow entwirft hierfür ein sechs-stufiges Entwicklungsmodell der Lesefähigkeiten, das vom

Situationslesen zum Schriftlesen die natürliche Entwicklung beschreibt. Er plädiert dafür, die

Schüler auf ihrer jeweiligen Stufe zu fördern, um eine Weiterentwicklung zu ermöglichen (Hublow,

1977, 202ff:

Situationslesen

Hierunter fällt die Deutung der Mimik, Gestik und Sprache als Ausdruck von handelnden Personen

sowie die Erfassung der Bedeutung von Gegenständen und Geräuschen. Beispielsweise die Deutung

von Gesichtsausdrücken.

Bilderlesen

Hier soll die Bedeutung aus bildlichen, zweidimensionalen, unbeweglichen und geräuschlosen

Abbildungen entnommen werden. Beispielsweise durch das Erkennen von Personen auf Fotos und

Abläufen anhand von Bilderreihen.

Bildzeichenlesen

Schematische Abbildungen, die nicht mehr der wahrgenommenen Realität entsprechen aber auch

die Bedeutung von Symbolen werden erschlossen. Hierunter fällt die Interpretation von Ampeln,

Richtungspfeilen, etc.

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Signalwortlesen

Häufig auftretende Hinweis- und Warnschilder sowie immer wiederkehrende geschriebene Worte,

wie beispielsweise Stoppschilder, Namensschilder und Logos von Markennamen wie „Coca-Cola“

werden korrekt gedeutet.

Ganzwortlesen

Beim Ganzwortlesen können oft auftretende oder häufig geübte Wörter, wie beispielsweise

Wochentage oder Namen anderer Personen, an der gesamten Wortgestalt wieder erkannt werden. So

kann ihnen Bedeutung zugeschrieben werden.

Schriftlesen

Hier kann die alphabetische Schrift durch Analyse und Synthese der Buchstaben gelesen und

verstanden werden. Einzelne oder fremde Worte, Sätze und Texte können so sinnerfassend gelesen

werden.

Insgesamt sollte allen Schülern der Förderschulen Geistige Entwicklung durch eine individuell

passende Leselehrmethode das Lesen und Schreiben ermöglicht werden. Die Entscheidung darüber,

ob wann und wie einem geistig behinderten Schüler ein sinnvoller Zugang zum Lesen eröffnet

werden kann, ist nach Hublow immer von seinen individuellen Möglichkeiten abhängig (vgl. Haug,

Keuchel, 1984, 40). Wesentlich ist die Einbeziehung zusätzlicher Lernhilfen und

Anschauungsmittel, wie beispielsweise von Lautgebärden oder Mundbildern, aber auch eine klare

Strukturierung des Inhalts ist für die meisten Schüler hilfreich. Denn aufgrund der großen

Heterogenität der Schüler der Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung ist es

wichtig, auf eine große Vielfalt an Methoden zurückgreifen zu können (vgl. Marx 2007, 171). Nach

dieser Auffassung vom Lesen geistig behinderter Schüler ergeben sich neue, sinnvolle Ansätze zum

Lesenlernen (vgl. Zielniok 1984, 1).

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3.3 Schriftspracherwerbskonzepte für die Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung

3.3.1 Alle Schüler umfassende Konzeptionen

3.3.1.1 Werner Günthner: Lesen und Schreiben an der Schule für GeistigbehinderteIn diesem 1999 erschienenen Konzept von Werner Günthner ist kein Lehrgang enthalten. Es handelt

sich vielmehr um eine Konzeption des Schriftspracherwerbs für alle Schüler der Schulen mit dem

Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Grundlage ist der von Hublow u. a. vorgestellte

„erweiterte Lesebegriff“ sowie der „erweiterte Schreibbegriff“. Eine Alphabetisierung zieht

Günthner nur für Schüler in Betracht, die „voraussichtlich zur Analyse, Synthese und Sinnentnahme

aus Sätzen und Texten befähigt sind“ (Günthner 1999, 18).

Günthner schlägt vor, die Klasse für den Deutschunterricht in leistungshomogene Gruppen

einzuteilen, in die „Signal- und Ganzwortleser“ auf der einen Seite und die „Schriftleser“ auf der

anderen. Diese beiden Gruppen bilden die Elemente seiner Konzeption, denn es wird sowohl der

integrative Leseunterricht mit den vom erweiterten Lesebegriff abgeleiteten Abstufungen, als auch

der fachorientierte Lese- und Schreibunterricht für die Gruppe der Schriftleser dargestellt.

Integrativer Leseunterricht

Dieser ist am Alltag der Schule orientiert und soll in den Tagesablauf und das Unterrichtsgeschehen

eingebettet werden. Der Klassenraum soll zum Lesen und Schreiben anregend gestaltet sein und

sowohl Bücher, Zeitschriften, als auch Schreibmaterialien enthalten. Jede Tätigkeit im Unterricht,

wie beispielsweise die Kommunikation zwischen Schule und Elternhaus sollen als Lese- und

Schreibanlass genutzt werden, um den Schülern die Bedeutung von Lesen und Schreiben sichtbar

zu machen. In den Tagesablauf ist aber auch das Vorlesen und die Freiarbeit integriert Günthner

differenziert seine Übungsvorschläge, um alle Kinder mit einzubeziehen. Er orientiert sich dabei an

den Leseformen, die Hublow im Rahmen des erweiterten Lesebegriffs beschrieben hat.

Situationen lesen

Wird durch Gebärden, Gestik und Mimik angeregt und durch Übungen, wie Rollenspiele, Videos

von Alltagssituationen und Puppenspiele oder auch Ratespiele trainiert. Außerdem sollen Räume,

Gegenstände und Orte erkundet werden, akustische Signale für bestimmte Aktivitäten dargestellt,

oder Gegenständen nach Oberbegriffen sortiert werden.

Bilder lesen

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Der Stundenplan sowie Handlungsabläufe (Tagesablauf, Tätigkeiten, Einkaufsliste), werden mit

Fotos dargestellt und somit für alle Lesbar gemacht. Es können Familienbücher, Fotobücher von

Gegenständen, Personen, Orten oder Tätigkeiten mit Hilfe von Fotos hergestellt werden. Das

Bilderlesen soll durch das Lesen von Bauanleitungen und Comics, aber auch durch den Einsatz von

Bilderspielen, wie beispielsweise Memory oder Kofferpacken gefestigt werden.

Bildzeichen (Piktogramme) und Signalwörter lesen

Hier wird ein aus vier Schritten bestehendes methodisches Vorgehen vorgeschlagen:

• Schüler suchen innerhalb und außerhalb der Schule nach bestehenden Piktogrammen.

• Schüler versuchen die Bedeutung der Piktogramme zu entdecken und zu versprachlichen.

• Übungen im Klassenzimmer. Die bereits erlernten Piktogramme sollten immer im

Klassenraum zur Verfügung stehen.

• Lernerfolgskontrolle.

Übungen zu Piktogrammen: Zuordnen, Suchen, Erfinden und Sortieren von Piktogrammen, das

Erstellen eines Lesebuches, Stundenplans und Wetterplans.

Übungen zu Signalwörtern: Wort- Wort und Wort- Bild Zuordnungen, Oberbegriffe finden,

Versprachlichung der Signalwörter.

Ganzwort lesen

Die Schüler sollen sowohl den eigenen Namen, als auch die Namen der Mitschüler lesen, aber auch

Wochentage und Monate als Ganzwörter im Stundenplan erarbeiten und Sätze aus Ganzwörtern

lesen und schreiben (z.B. Willi → = Willi geht nach Hause).

Günthner schlägt vor, dass den Schülern, die sich auf der Ebene der Bildzeichen und der

Ganzwörter befinden, neben dem Lesen auch das Schreiben ermöglicht werden soll. Hierfür sollen

Bild- und Wortkarten angefertigt werden, mit denen die Schüler Sätze legen können. Alle Wörter,

die nicht bildlich dargestellt werden können, können durch Pfeile ersetzt werden, durchgestrichene

Pfeile ermöglichen die Verneinung. In diesem Zusammenhang stellt Günthner vier Funktionen des

Schreibens vor:

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1. Schreiben (auch Kritzeln) ist Teil eines Spiels

Günthner betont den Rollenspielcharakter des Schreibens und empfiehlt dieses durch die

Bereitstellung von Materialien wie Lottozettel, Briefumschläge, Einkaufszettel etc. zu unterstützen.

2. Lebenspraktischer Aspekt der Verständigung oder der Mitteilung

Eine wichtige Funktion des Schreibens ist der Mitteilungsaspekt. Dieser kann im Schulalltag durch

das Aufschreiben und Aufmalen von Informationen z.B. an die Eltern, berücksichtigt und geübt

werden.

3. Informationen zum eigenen Nutzen fixieren

Damit ist das Aufschreiben von Notizen, z.B. in den Kalender und in das Merkheft gemeint. Auch

hier ist wieder der Einsatz von Piktogrammen oder Bildern möglich.

3. Texte verfassen

Günthner hebt hervor, dass das Schreiben auch einen gestalterischen Aspekt hat. Schüler können

durch Schreibanlässe dazu angeregt werden, von ihren Erlebnissen zu berichten oder ihre Phantasie

zu Papier zu bringen. Um Schreibhemmungen zu verhindern, sollte hier allerdings nicht zu früh auf

die richtige Schreibweise geachtet werden.

Fachorientierter Lese- und Schreibunterricht

Günthner stellt die Vorgehensweise Analytisch- Synthetischer- Verfahren untergliedert vor und

beschreibt für jeden Schritt angemessenes Material und Übungen zur Ergänzung des Lehrgangs.

Analyse

Ausgangspunkt sind die abgespeicherten Ganzwörter, aus denen in einer optischen und akustischen

Analyse Buchstaben ausgegliedert, anschließend als Groß- und Kleinbuchstaben geübt und

geschrieben/ gedruckt werden. Als sinnvolle erste Buchstaben sieht Günthner die Vokale „a“, „e“,

„i“, „o“, „u“ und die leicht artikulierbaren Konsonanten „m“, „p“, „l“, „t“. Er schlägt folgende

Übungen für die optische Analyse vor:

Übungen mit Buchstabenkarten:

Wörter sollen zunächst vor den Schülern auf Karton geschrieben werden. Die einzelnen Buchstaben

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werden ausgeschnitten, um anschließend von den Schülern wieder zu einem Wort zusammenlegt zu

werden. Mit den entstandenen Buchstabenkarten können verschiedene Übungen, wie beispielsweise

das Heraussuchen verschiedener Buchstaben, oder das Zusammenlegen verschiedener Buchstaben

durchgeführt werden.

weitere Übungen:

Buchstabenposter: Einzelne Buchstaben werden aus Zeitschriften ausgeschnitten und auf Plakate

gelegt/geklebt. Außerdem soll ein Buchstabenpuzzle (Zusammenlegen von Groß- und

Kleinbuchstaben) durchgeführt werden, Styroporbuchstaben sollen geangelt und/ oder gestempelt

werden, ein Buchstabenklappbuch - mit drei Buchstaben zum Vergleich - soll hergestellt werden,

etc.

Zur Unterstützung der akustischen Analyse soll mit Hilfe von Buchstabenkarten die Laut-

Buchstaben- Zuordnung trainiert werden. Hierzu eignet sich die Übung: „Gummisprache“:

gemeinsam werden bekannte Wörter stark gedehnt ausgesprochen, so dass die verschiedenen Laute

eines langsam vorgesprochenen Wortes bestimmt werden können. Günthner empfiehlt die

einzelnen Laute im Wort zusätzlich durch die Verwendung von Lautgebärden sichtbar zu machen.

Außerdem schlägt Günthner drei Übungen speziell für das Training der Anlaute vor:

• Das Spiel: „Ich sehe was, was du nicht siehst, das fängt mit /m/ an“.

• Einen Buchstabentisch, auf dem Gegenstände gesammelt werden, die z.B. mit /m/

anfangen.

• Ein Anlautposter auf dem Bilder von Gegenständen geklebt werden, die mit dem

gleichen Anlaut beginnen.

Synthese

Synthese meint das Zusammenschleifen der einzelnen Laute zu einem Wort. Damit sollte nach dem

Erlernen der ersten Buchstaben begonnen werden. Günthner schlägt vor, die Schüler beim Erlernen

der Synthese zu unterstützen, in dem die Lehrkraft zunächst laut mitliest. Begonnen werden sollte

mit kurzen, einfachen Silben, aus denen sich einfache lauttreue Wörter bilden lassen. Zweisilbige

Wörter, wie z.B. „ma“/ „ma“ können mit den passenden Silbenkarten als Puzzle zusammengelegt

und auseinander genommen werden. Günthner schlägt vor, möglichst früh mit dem Schreiben zu

beginnen, da es die Synthese optimal unterstützen kann. Denn da die Schüler beim Schreiben

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parallel mitsprechen, üben sie so das Zusammenschleifen der Laute. Um eventuelle feinmotorische

Schwierigkeiten zu umgehen, können sowohl Schreibmaschinen (heute wohl eher Computer), als

auch Stempel verwendet werden. Unterstützend können Lautgebärden, sowie eine Reihe weiterer

Übungen auf Silbenebene eingesetzt werden. Dazu gehören beispielsweise: Buchstaben sortieren,

verbinden, zu Wörtern zusammenpuzzeln, Wortteile miteinander verbinden, aber auch die

„Synthesemaschine“ und „Wortschieber“ bei denen ein Wort Buchstabe für Buchstabe aufgedeckt

und verdeckt werden kann.

Sinnentnahme

Günthner betont die besondere Schwierigkeit der Sinnentnahme beim Lesen. Er schreibt, dass mit

bereits bekannten Wörtern gearbeitet und auf das laute, deutliche Lesen der Schüler geachtet

werden soll, da sich die Sinnentnahme seiner Meinung nach bei Leseanfängern über das gehörte

oder ausgesprochene Wort entwickelt. Er schlägt einige Übungsvorschläge speziell für das

sinnentnehmende Lesen vor. Dazu gehört die Zuordnung von Wort zu Wort (z. B. nach

Oberbegriffen oder Reimen), von Wort zu Bild und von Sätzen zu ihrer richtigen Ergänzung bzw.

Antwort.

Schreiben

Als Voraussetzungen für das Schreibenlernen ist es für Günthner wichtig, dass die Schüler über eine

verfeinerte Graphomotorik verfügen, die Form des Buchstabens abspeichern können und

Kenntnisse über die Buchstabe- Laut- Zuordnung sowie Analyse- und Synthesefähigkeiten besitzen.

Um diese zu trainieren, führt er eine Reihe Übungen vor allem zur Graphomotorik, zur

Wahrnehmung im taktilen Bereich und zur Wahrnehmung im visuellen Bereich auf. Bezogen auf

das Schreiben selbst macht er keine eigenen Übungsvorschläge, sondern empfiehlt, die Schüler so

viel wie möglich selbstständig schreiben zu lassen, ohne auf Rechtschreibung zu achten. So steht

der Mitteilungscharakter des Schreibens im Vordergrund.

Fazit

In dieser Konzeption für den Schriftsprachunterricht an Schulen mit dem Förderschwerpunkt

Geistige Entwicklung fällt auf, dass sie keine Schülergruppe ausschließt. Zudem werden je nach

Leistungsstand der Schüler eine Reihe interessanter und teilweise auch neuer Übungen vorgestellt,

die den Unterricht gut ergänzen können. Auffällig ist, dass moderne Medien, wie beispielsweise

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Talker in der Konzeption nicht auftauchen, obwohl sie gerade bei der Förderung von Schülern mit

einer schwererern Behinderung im heutigen Schulalltag allgegenwärtig sind. Auch der Einsatz von

Computern beim Verfassen von Texten wird nicht vorgeschlagen. Möglicherweise hängt das damit

zusammen, dass Günthner wesentlich mehr Übungsvorschläge zum Lesen lernen herausgearbeitet

hat, während er dem Schreiben ein deutlich kürzeres Kapitel ohne explizite Übungsvorschläge

widmet.

3.3.1.2 Programm von Ch. Haug und B. Keuchel

Christine Haug und Brigitte Keuchel stellten 1984 mit ihrem Buch „Lesen, Schreiben und Rechnen

mit geistig Behinderten“ ein Handbuch zur Didaktik der Kulturtechniken zur Verfügung.

In diesem Buch werden drei Aufbauprogramme vorgestellt. Ein Programm zum „Naiv-

Ganzheitlichen Lesen“, ein Programm, das Vorübungen zum Schreiben und Zeichnen darstellt und

ein weiteres Konzept für das „Schreiblesen“. Die in diesem Buch beschriebenen Aufbauprogramme

orientieren sich jeweils an unterschiedlichen Lehrgängen.

1. Methodisches Aufbauprogramm: Naiv- Ganzheitliches Lesen

Die Zielsetzung dieses Programms ist - wie in dem Schulbuch „Auch ich kann Lesen“ (Band 1,2

und 3) - das Einprägen ganzer Wörter und einfacher Sätze auf naiv- ganzheitliche Weise. Dieses

Lesen wird sowohl als Teilbereich der Auseinandersetzung mit der Umwelt und der

Begriffsbildung, als auch des Sprachaufbaus gesehen (Haug, Keuchel 1984 54).

Übungen

Einführung der Lesewörter

Als erste Lesewörter eignen sich der eigene Name des Kindes, die Namen der Klassenkameraden,

evtl. auch „Mama“ und „Papa“ sowie die Namen der Geschwister. Auch Spielsachen aus der

unmittelbaren Umgebung, wie „Ball“, „Auto“, „Kasperl“ „Teddy“ usw. bieten sich an. Die

Schriftbilder der Wörter zu den jeweiligen Bildern sollten optisch möglichst verschieden sein, denn

so erleichtern sie das erste Unterscheiden. Da es für die meisten Schüler der Schule mit dem

Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung wichtig ist ein eigenes Buch zu besitzen, wurde dem

gebundenen Buch anstelle eines flexibleren Kartensystems der Vorzug gegeben. Die Reihenfolge

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der Lesewörter im Buch ist dadurch zwar fixiert, die dazugehörigen Übungen ermöglichen jedoch

eine individuelle Reihenfolge.

Einführung der Zeitwörter

Kann ein erster Grundwortschatz an Lesebildern unterschieden werden, wird das erste Zeitwort als

Lesewort eingeführt, wie z.B. das Wort „fährt“. Bei der Bearbeitung des Zeitwortes gilt wieder die

gleiche Reihenfolge wie zur Erarbeitung der übrigen Lernwörter. Als zweites Zeitwort eignet sich

z.B. „malt“. Denn auch diese Tätigkeit lässt sich leicht darstellen. Ausgehend von diesem Zeitwort

können viele neue Sätze gebildet werden, in denen auch alle schon bekannten Wörter angewendet

werden können. Die angebotenen Wörter stellen jedoch nur eine Ausgangsbasis dar. Schon bald ist

es günstig ein Klassenlesebuch (eine Gruppenzeitung) mit eigenen Texten herzustellen, welches

durch Zeichnungen und Fotos ergänzt werden kann.

Erlesen eines Satzes

Ausgehend von den vorher gelernten Lese- und Zeitwörtern können zunächst einfache Sätze

gelesen werden. Beim Lesen eines Satzes muss der unbestimmte Artikel jedoch nicht unbedingt

gelesen werden, denn der Sinn des Satzes ist auch ohne Artikel gegeben z.B. in dem Satz: „Der

Kasperl malt ein Haus“.

Übungen

Lesewörter

Zur Erarbeitung der Lesewörter eignen sich folgende Übungen:

Begriffsbildung:

Beim Spielen lernen die Schüler den betreffenden Gegenstand kennen, er wird verbal benannt, z.B.

das Spiel mit einem Ball.

Bild- Gegenstand Zuordnung:

Ein Bild des Gegenstandes wird mit dem realen Gegenstand verglichen.

Wortbild zu Bild und Gegenstand:

Zum Bild und zum Gegenstand wird das entsprechende Wortbild angeboten, mit der Erklärung:

„Das heißt Ball“.

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Unterscheiden der Wortbilder:

Ab dem zweiten angebotenen Wortbild soll die eindeutige Zuordnung der Wörter zu den Bildern

bzw. Gegenständen erlernt werden. Zusätzlich bietet ein Bilder- und Leselotto weitere

Übungsmöglichkeiten.

Parallel zu allen Spiel- und Übungsmöglichkeiten wird durch das Zuordnen gleicher Formen die

visuelle Wahrnehmung geschult. Es werden gleich geformter Holzplättchen gestapelt, erste einfache

Rahmenpuzzles durchgeführt, etc.

Schon nach einigen Lesewörtern kann zusätzlich zum Gruppenbuch auch eine Lesewortkartei

angelegt werden. Auf der Vorderseite der Karte steht das Wort, auf der Rückseite ist das

entsprechende Bild dargestellt. Was im Rahmen des gedruckten Lesebuches angeboten wird, ist

natürlich nur ein Teil des Klassenlesestoffes. Es bleibt der Eigeninitiative des Lehrers überlassen

wie er diesen ergänzt, z.B. durch den Einsatz anderer Bilderbücher mit kurzen Texten.

Zeitwörter

Bei der Erarbeitung der Zeitwörter eignen sich die gleichen Übungen wie zur Erarbeitung der

Lesewörter (siehe Übungen 1- 4 zur Erarbeitung der Lesewörter).

2. Methodisches Aufbauprogramm: Entwicklung graphischer Grund-

formen

Ziel dieses Programms ist es, die graphischen Voraussetzungen zu schaffen, die für das Erlernen des

Schreibvorgangs notwendig sind und die beim behinderten Schüler nicht immer spontan entwickelt

werden. Die Autorinnen wollen erreichen, dass die Schüler eine bewusst intendierte

Formdarstellung erlangen, dazu gehört sowohl das Wahrnehmen der Form, als auch die Fähigkeit

diese darzustellen. Erst danach kann sinnvoller Weise mit dem Schreibunterricht begonnen werden

(vgl. Haug, Keuchel 1984, 95).

Die Autorinnen versuchen mit dem Aufbauprogramm dort einzusetzen, wo dem Schüler der

Bewegungsablauf bewusst wird. So wird zum Bewegungsablauf immer dieselbe verbale

Bezeichnung eingesetzt, um eine Begriffsbildung sowohl auf der Handelnden, als auch auf der

symbolischen (sprachlichen) Repräsentationsebene zu erreichen.

Die Konzeption dieses Programms entspricht dem Aufbau in: „Schau was ich kann“ Band 1: Es

werden der Reihe nach verschiedene Grundformen erarbeitet: der Kreis, der Bogen, die

waagerechte Linie, die senkrechte Linie, etc.

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Übungen

Die methodische Abfolge der Übungen sollte für die Erarbeitung aller Grundformen gleich

aussehen.

Das Erleben des Bewegungsablaufes im dreidimensionalen Raum:

Zur Erarbeitung des Kreises wird hier beispielsweise mit Spielzeugfahrzeugen im Kreis gefahren,

zusätzlich sollte die Bewegung immer mit demselben Wort begleitet werden.

Erkennen, dass der Bewegungsablauf im zweidimensionalen Raum eine Spur hinterlässt

Zur Erarbeitung des Kreises eignet sich hier beispielsweise eine Holzeisenbahn.

Eigenes graphisches Darstellen:

Auch das Zeichnen des Kindes wird jedes Mal mit einer sprachlichen Bezeichnung verbunden.

Anwenden und Üben der schwungvollen Darstellung:

Beispielsweise werden bei der Erarbeitung des Kreises für den Schüler interessante Gegenstände

auf dem Blatt eingekreist.

Erarbeiten der isolierten Form:

Ziel dieses methodischen Schrittes ist die bewusst durchgeführte geschlossene Kreisbewegung.

Anwenden und Üben der isolierten Form:

Durch das Ausmalen von Arbeitsblättern, z.B. aus dem Buch: „Schau was ich kann“ Band 1 wird

das Zeichnen der jeweiligen Form geübt.

3. Methodisches Aufbauprogramm: Schreiblesen

Mit diesem Aufbauprogramm wird ein einzelheitlich- synthetischer Weg zum Schreiben aber auch

zum Lesen angeboten. Das Aufbauprogramm ist für geistig Behinderte Kinder gedacht, die gewisse

Voraussetzungen erfüllen (vgl. Haug, Keuchel 1984, 114). Die Konzeption dieses Programms

entspricht dem Aufbau in „Schau, was ich kann“ Band 2

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Reihenfolge

In diesem Lehrgang werden nur Großbuchstaben verwendet, da die Unterscheidung zwischen Groß-

und Kleinbuchstaben nach Meinung der Autorinnen für Schüler mit einer geistigen Behinderung als

Anfangsschrift zum Schreiben zu schwierig ist.

Sobald die Schüler die ersten drei Buchstaben lesen und schreiben können, werden die ersten

Wörter gebildet. Die Buchstaben und Wörter werden in folgender Reihenfolge angeboten: „I“, „A“,

„M“, „MIA“, „IM“, „MAMA“, „MIMI“, „P“, „PAPA“, „O“, „OMA“, „OPA“, „T“, „OTTO“,

„MIT“, „TOM“, „TIM“, „E“, „PEPI“, „S“, „IST“, “U“, „SUSI“, „F“, „FIFI“. Mit Hilfe der

verschiedenen Wörter können auch schnell einfache Sätze gebildet werden. z.B. „MAMA IM …“.

Die Autorinnen sind außerdem der Meinung, dass es für alle Schüler wichtig ist, mit dem Schreiben

möglichst schnell kommunizieren zu können. Den eigenen Namen schreiben zu lernen, selber kurze

Mitteilungen in Briefform schreiben zu können, etc.

Übungen

Einführung der Buchstaben

Jeder neue Buchstabe wird den Schülern zunächst einmal groß und in roter Farbe angeboten, wobei

die Form der Buchstaben mit der Zeit immer kleiner wird. Zu dem jeweiligen Buchstaben wird dem

Schüler der entsprechende Laut deutlich vorgesprochen. Im Buch steht der einzelne Buchstabe und

die Hör- Seite - indem der Anlaut aus verschiedenen Wörtern herausgesucht werden muss -

nebeneinander.

Einführung der Wörter

Jedes neue Wort wird mit einem Bild eingeführt. Das Bild stellt das neu eingeführte Wort dar, neben

dem Bild ist das neue Lese- und Schreibwort zu finden. Das eigene Wort schreibt der Schüler

zunächst einzeln unter das „Musterwort“.

Sobald das Wort „IM“ eingeführt ist, werden die gelernten Hauptwörter in Kombination mit „IM“

zur Beschreibung von Situationen verwendet und dabei weiter geübt und gefestigt (z.B. „MAMA

IM …“). In Anschluss an die verschiedenen Übungsmöglichkeiten soll versucht werden, die

gelernten Wörter auch auswendig zu schreiben. Um den jeweils passenden Text schreiben zu

können, muss der Schüler die Bilder „lesen“ und anschließend entweder die Wörter auswendig

schreiben oder beim entsprechenden Bild nachschauen, wie die Wörter geschrieben werden.

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Fazit

Durch die drei in diesem Buch vorgestellten Aufbauprogramme, sollen die Schüler jeweils

unterschiedliche Fähigkeiten erlernen.

Das erste hier dargestellte Aufbauprogramm zum naiv- ganzheitlichen Lesen bezieht sich auf den

Lehrgang: „Auch ich kann Lesen“ Band 1, 2, 3. Das Programm soll die Schüler dazu bringen,

Wörter in ihrer Gestalt zu erfassen und sie so zu erkennen. Dazu wird vom ganzen Wort

ausgegangen, ohne die einzelnen Phoneme/Grapheme vorher zu erarbeiten. Auf diesem Weg

können sich die Schüler einige ihnen bekannte Wörter und auch Sätze einprägen, zum Erlesen ihnen

unbekannter Wörter kommen sie durch diesen Weg jedoch nicht. Nach Aussage der Autorinnen ist

es durchaus möglich naiv- ganzheitlich zu lesen, es ist aber nicht möglich naiv- ganzheitlich

schreiben zu lernen. Denn Schreiben ist ein Aneinanderreihen einzelner Buchstaben, was ein

synthetisches Vorgehen erfordert (vgl. Haug, Keuchel 1984 50).

Für die Autorinnen gehört das naiv- ganzheitliche Lesen von Wörtern (Texten) jedoch zum

Leseunterricht für geistig Behinderte, da diese Art zu lesen vielen Schülern mit einer geistigen

Behinderung möglich ist. Ihrer Meinung nach kann hier vom Lesen im erweiterten Sinn

gesprochen werden. Sie sind davon überzeugt, dass auch mit einem naiv- ganzheitlich erworbenen

Lesewortschatz und der Hilfe von gut illustrierten Büchern auch Menschen mit einer geistigen

Behinderung Freude am Umgang mit guten Büchern und Texten haben können.

Das zweite hier dargestellte Aufbauprogramm bezieht sich auf das Konzept: „Schau was ich kann“

Band 1. Es sollen graphische Grundformen erarbeitet werden, die als Voraussetzung für den darauf

aufbauenden Lese- Schreiblehrgang angesehen werden. Die Schüler lernen die Formen zunächst

einmal im dreidimensionalen Raum kennen, danach werden diese zur Festigung jedoch auch im

zweidimensionalen Raum erarbeitet.

Nach Meinung der Autorinnen ist das Erarbeiten dieser Grundformen wichtig, da sich viele geistig

Behinderte Schüler im Kritzelstadium befinden und ihrer Meinung nach die meisten Schüler mit

einer geistigen Behinderung nur zu Vorformen und Vorstufen des Lesens und Schreibens gelangen

(vgl. Haug, Keuchel 1984, 51).

Das dritte hier dargestellte Aufbauprogramm, bezieht sich auf das Konzept: „Schau was ich kann“

Band 2. In diesem einzelheitlich- synthetischen Lese- und Schreiblehrgang lernen die Schüler

zunächst einmal einige Buchstaben kennen. Nachdem diese einzelnen Buchstaben durch

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unterschiedliche Übungen geübt wurden, erlernen sie jedoch relativ bald erste kurze Wörter und

können damit erste Situationen bzw. Situationsbilder erlesen (wie beispielsweise den Satz: „OPA

MIT MIA“). Weil die Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinbuchstaben nach Meinung der

Autorinnen als Anfangsschrift zum Schreiben für Schüler mit einer geistigen Behinderung zu

schwierig ist, werden in diesem Lehrgang zunächst nur Großbuchstaben verwendet. Hierin zeigt

sich ein Unterschied zu den anderen, in der von uns angefertigten Arbeit vorgestellten Lese- und

Schreiblehrgänge. Denn sie alle haben gemeinsam, dass sie von Anfang an gleichzeitig sowohl

große- als auch kleine Druckbuchstaben einführen. In diesem Programm wird mehr Bedeutung auf

die optische Auseinandersetzung mit einem Buchstaben gelegt, als auf die akustische Analyse der

einzelnen Laute. Aber auch diese Tatsache wird von den Autorinnen rechtfertigt. Denn es ist ihrer

Meinung nach für geistig behinderte Schüler überaus schwierig, Laute aus gesprochenen Wörtern

zu identifizieren. Ein optischer Vergleich der geschriebenen Buchstaben ist viel leichter zu

erreichen.

Letztlich ziehen die Autorinnen das Einzelheitliche- Synthetische Lesen dem ganzheitlichen Lesen

vor, da die einzelnen Elemente (Buchstaben) ihrer Meinung nach leichter zu identifizieren sind als

ganze Wortgestalten. So ist beim einzelheitlichen Vorgehen eine weniger differenzierte visuelle

Wahrnehmung nötig. Und auch für Schüler mit einer geistigen Behinderung ist es ihrer Meinung

nach letztlich leichter mit dem Erkennen der Buchstaben zu beginnen und nicht mit dem Einprägen

von ganzen Wortbildern (vgl. Haug, Keuchel 1984, 35).

Betrachtet man den Lese- und Schreiblehrgang insgesamt und vergleicht ihn mit anderen

Leselehrgängen, so fällt auf, dass die Autorinnen viele Inhalte, die sie als zu schwer für Schüler mit

einer geistigen Behinderung ansehen, gar nicht erst aufnehmen. Stattdessen belassen sie die Schüler

in einem „Schonraum“ und möchten diese nicht überfordern. Allerdings muss man berücksichtigen,

dass dieses Buch vor 25 Jahren veröffentlicht wurde. Seitdem hat sich im Bereich der

Schriftsprachdidaktik einiges verändert und auch die heutigen Leselehrgänge für geistig behinderte

Schüler haben sowohl andere Inhalte, als auch eine andere Sichtweise gegenüber Schülern mit einer

geistigen Behinderung.

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3.3.2 Programme auf der Ebene von Ganzwort- und Bildlesen

3.3.2.1. Susanne Dank: Geistigbehinderte lernen ihren Namen lesen und schreiben

In der Reihe: „Übungsreihen für Geistigbehinderte – Konzepte und Materialien – Lehrgang B:

Sprache“ hat Susanne Dank zwei Konzepte veröffentlicht, die für den Anfangsunterricht im

Schriftspracherwerb an der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung konzipiert

sind. Es handelt sich dabei einerseits um das Konzept: „Geistigbehinderte lesen ihren Stundenplan“

und um das 1988 erschienene Werk: „Geistigbehinderte lernen ihren Namen lesen und schreiben“,

welches hier exemplarisch für beide vorgestellt werden soll. Dieser ist ein Lehrgang, der nach einer

kurzen theoretischen Einleitung für die Lehrkräfte, kurzfristige Lernziele vorgibt und für jedes

dieser Lernziele sowohl festigende als auch vertiefende Übungen und „Vorhaben“ für die ganze

Klasse vorschlägt. Zusätzlich werden Buchstabenkarten als Kopiervorlage angeboten. Insgesamt

besteht das Programm aus sieben, teilweise in zwei Feinziele aufgeteilte Lernziele mit jeweils

sieben bis achtzehn passenden Übungen, Spielen und Vorhaben. Während in diesem Konzept die

Übungen im Vordergrund stehen, handelt es sich bei dem Konzept „Geistigbehinderte lesen ihren

Stundenplan“ um Bild- und Wortkarten rund um den Stundenplan und die Schule.

1. Den Namen der Mitschüler kennen

Für das Ziel die Namen der Mitschüler zu beherrschen, werden insgesamt achtzehn Namenspiele,

die viele Bewegungselemente enthalten, angeboten. Darunter befinden sich zwei Singspiele, elf

Kreisspiele (z.B. für den Morgenkreis geeignet) sowie sechs Bewegungsspiele.

2. Personen auf Fotos erkennen

Es werden vier Vorübungen angeboten, die die Selbst- und Fremdwahrnehmung mithilfe von

Spiegeln und Personenbeschreibungen unterstützen. Im Anschluss daran finden sich mehrere Spiele

und Übungen, bei denen Schüler den entsprechenden Fotos richtig zugeordnet werden sollen.

Später soll ein Foto-Puzzle erarbeitet werden. Als Abschluss der Einheit soll ein gemeinsames Foto-

Haus für die Klasse oder mehrere Foto- Häuser für einzelne Gruppen gebaut werden, aus deren

Fenstern alle Schüler „herausschauen“.

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3a. Die Verknüpfung von Lautgestalt und Wortbild herstellen

3b. Namensstempel und Wortschablone benutzen

Mithilfe von Namensstempeln und selbst hergestellten Wortschablonen können die Schüler ihren

eigenen Namen „schreiben“ und somit ihren Platz, ihr Fach, etc. beschriften. In dieser Phase werden

zwei Vorhaben mit allen verwirklicht: Ein beschriftetes Fotobuch von der ganzen Klasse und ein

Geburtstagskalender.

4a. Das Wortbild im Vergleich zur Vorlage erkennen

4b. Den Namen nach Vorlage aus Buchstabenstempeln und -schablonen oder „Letraset“-

Buchstaben zusammensetzen:

Hier wird der Name nach Vorlage zusammengesetzt, also mit Einzelbuchstaben „abgeschrieben“.

Dazu werden die bereits hergestellten Schablonen, Buchstabenstempel sowie „Letraset“-

Buchstaben (selbstklebende Buchstaben) verwandt. Außerdem gibt es einige Übungen zum wieder

erkennen der Namen als Ganzwort. Zusätzlich werden Ämterpläne bzw. Gesellschaftsspiele (mit

Namen) gebastelt, ein „Namen- Mobile“ angefertigt und ein Namensdomino hergestellt.

5a. Den Namen anhand des Anfangsbuchstabens erkennen

5b. Namensinitiale auswendig schreiben

In dieser Phase soll das Erkennen des eigenen Namens durch die Betrachtung wesentlicher

Merkmale erleichtert werden. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf dem Anfangsbuchstaben.

Bei mehreren gleichen Anfangsbuchstaben in der Klasse sollte das Augenmerk stärker auf

zusätzliche Elemente, wie die Wortlänge oder auffällige Wortgestalten gelenkt werden. In den

Übungen werden Fotos und Anfangsbuchstaben, sowie Anfangsbuchstaben und Ganzwörter

spielerisch zugeordnet. Zusätzlich werden Buchstaben- Riesen (auf Plakaten), Tastbretter aus

Sandpapier und Anhänger mit dem eigenen Anfangsbuchstaben hergestellt.

6a. Den Namen Anhand der Wortgestalt erkennen

6b. Den Namen Nachfahren und nach Vorlage abschreiben

Hier werden in mehreren Übungen die Namen der Mitschüler dem richtigen Foto zugeordnet und

der eigene Name wird nach Vorlage abgeschrieben. Es werden Buchstabenkärtchen, Schablonen

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und andere Schreibhilfen zur Verfügung gestellt. Dazu wird aus den Schülernamen ein Spiel

gebastelt, Namenskärtchen werden hergestellt und individuell gestaltet. Außerdem werden

Anhänger mit dem eigenen Namen hergestellt.

7a. Den Namen von ähnlichen Wörtern durch Orientierung an der Buchstabenfolge

unterscheiden

7b. Den Namen auswendig schreiben

In dieser Phase soll der eigene Name zum ersten Mal auswendig geschrieben werden. Dabei können

wie gewohnt Schreibhilfen, wie Stempel und Schablonen zum Einsatz kommen. Der eigene Name

soll in mehreren Übungen ergänzt (Lückenwort), zusammengesetzt und von ähnlich aussehenden

Wortbildern unterschieden werden.

Fazit:

Das Heft ist sehr übersichtlich gegliedert und mit interessanten Hinweisen über den Lernstoff

angereichert. Die Übungen orientieren sich an den Lernzielen und werden in einer sinnvollen

Reihenfolge dargeboten, so dass ein gut aufeinander aufbauender Lehrgang mit vermutlich hohen

Erfolgschancen entsteht. Zudem entsprechen die Übungen den Anforderungen der Altersgruppe,

enthalten viele Bewegungselemente und sind sehr motivierend gestaltet. Es fehlt allerdings eine

Differenzierung sowohl für leistungsstärkere Schüler als auch für solche, für die ein langsameres

Lerntempo erforderlich wäre. Für diese Schülergruppe sind eventuell auch die vielen Regeln der

immer neuen Spiele und Übungen verwirrend. Möglicherweise sollten für Schüler, die große

Schwierigkeiten haben neue Regeln zu erlernen, mehr Wiederholungen und weniger Wechsel

stattfinden. Grundsätzlich sind aber alle Übungen und Spiele sehr einfach und für viele Schüler

verständlich gestaltet. Wird die oben genannte Differenzierung von der Lehrkraft durchgeführt,

dann handelt es sich um einen guten Einstieg in den Schriftspracherwerb und eine sichere

Möglichkeit, den eigenen Namen als Ganzwort erkennen zu lernen. Der darauf folgende Schritt

wäre, den eigenen Namen schreiben zu lernen, dieser wird hier jedoch noch nicht ausreichend

thematisiert.

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3.3.3 Lese- und Schreiblehrgänge

3.3.3.1. Leselehrgang: „Lesen mit Lo“Der synthetisch- analytische Leselehrgang: „Lesen mit Lo“ von Ingrid Schultze und Wolfgang Hipp

aus dem Jahre 1988 besteht insgesamt aus vier Bänden, die speziell für Schüler aus Förderschulen

entwickelt wurden.

Im ersten Band, in dem die Schriftsprache eingeführt wird, setzen sich die Schüler mit

unterschiedlichen Figuren auseinander. Die zentrale Figur des Affen „Lo“ sollte zu Beginn des

Leselehrgangs als Handpuppe im Unterricht vorhanden sein und so die Motivation der Schüler

wecken. Auch die nach „Lo“ eingeführten Figuren „Lilo“, „Ali“, „Mama“ und „Oma“ können als

Handpuppen in den Unterricht eingebracht werden, müssen es aber nicht. Begleitend zu dem

Leselehrgang werden grobmotorische Lautgebärden eingeführt, welche dem Werk Bleidick/ Kraft:

„Lesen und Lesenlernen unter erschwerten Bedingungen“ entnommen sind.

Die vier Bände des Leselehrgangs erstrecken sich insgesamt auf vier Jahre. Es wird davon

ausgegangen, dass die Schüler zweimal pro Woche eine Stunde unterricht erhalten.

Reihenfolge

Alle vier Bände des Leselehrgangs basieren auf dem Schlüsselwortverfahren. Ziel des ersten

Bandes - mit dem wir uns in der vorliegenden Arbeit beschäftigen - ist die Gewinnung der

Buchstaben: „L“, „l“; „O“, „o“; „I“, „i“; „A“, „a“; „M“, „m“; „T“, „t“; „F“, „f“; „U“, „u“; „R“, „r“;

„S“, „s“, mit Hilfe der Schlüsselwörter „Lo“, „Lilo“, „Ali“, „Mama“, „malt“, „Foto“, „Uli“, „ruft“,

„Susi“. Neben den Schlüsselwörtern gibt es 40 weitere Arbeitswörter, in denen die bereits

eingeführten Buchstaben geübt werden. Die einzelnen Buchstaben werden von Anfang an

gleichzeitig als Groß- und als Kleinbuchstaben eingeführt. Auch die weiteren Bände haben das Ziel,

verschiedene Buchstaben mit Hilfe von Schlüsselwörtern einzuführen.

Übungen

Schlüsselwörter

Zunächst werden im ersten Band die Schlüsselwörter eingeführt. Während der Affe „Lo“ auf jeden

Fall mit einer Handpuppe eingeführt werden sollte, ist es bei den nach „Lo“ eingeführten Figuren

zwar nicht unbedingt notwendig, sie als Handpuppen in den Unterricht einzubringen, zur

Motivationssteigerung wäre dies jedoch sinnvoll. Zur Einprägung des Schlüsselwortes benutzen sie

die Schüler zunächst einmal in ganzen Sätzen, anschließend prägen sie sich diese akustisch und

optisch ein. Es folgen weitere Übungen zu den Schlüsselwörtern (nachgestalten, ausmalen,

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schreiben, etc.) Auch werden die Grapheme/ Phoneme innerhalb eines Schlüsselwortes mit

Lautgebärden dargestellt.

In einem weiteren Schritt werden die Schlüsselwörter in Buchstaben und Laute zergliedert, bevor

sie dann wieder zu dem Schlüsselwort zusammengefügt werden. Auch finden weitere Auf- und

Abbauübungen zu dem Schlüsselwort statt. Zur Vertiefung werden die Schlüsselwörter im Lehrgang

wiederholt durchgenommen. So werden sie beispielsweise einander Gegenübergestellt,

nachgeschrieben, gelesen, etc.

Arbeitswörter

Nachdem die ersten Schlüsselwörter „Lo“, „Lilo“, „Ali“ und „Mama“ eingeführt wurden, werden

jedoch auch verschiedene Arbeitswörter erarbeitet, die aus den bereits bekannten Buchstaben

bestehen. Auch die Arbeitswörter werden zunächst in ganzen Sätzen verwendet. Zur Vertiefung der

Buchstaben, die in den Arbeitswörtern vorkommen, werden Auf- und Abbauübungen durchgeführt,

durch Lautgebärden wird die Synthese geübt und durch Buchstabenaustausch werden neue Wörter

gewonnen.

Buchstaben

Ausgehend von den verschiedenen Schlüsselwörtern, sollen die in den Schlüsselwörtern

vorkommenden Buchstaben, sowohl als Graphem als auch als Phonem gelernt werden. Dazu

werden die Laute zunächst einmal aus dem Wort herausgehört. Nach dieser auditiven Identifikation

des Phonems folgt nun die visuelle Erarbeitung des Graphems. Es werden verschiedene Übungen

zu den jeweiligen Buchstaben - die sowohl als Groß- und auch als Kleinbuchstaben eingeführt

werden - angeboten. Sie werden ertastet, ausgeschnitten, etc. Außerdem werden Kartenspiele, wie

Memory- Spiele zum Erlernen der Buchstaben angeboten. Nach der Bearbeitung der einzelnen

Buchstaben, werden diese wieder zu dem Schlüsselwort zusammengefügt. Es finden Auf- und

Abbauübungen zu dem Schlüsselwort statt, neue Wörter werden durch Buchstabenaustausch

gewonnen und die Buchstaben werden zu neuen Wörtern zusammengelegt.

Übungen zur Synthese

Um die Synthese zu üben, werden zweisilbige Wörter zusammengefügt und gelesen. Als Übung

werden die in dem Lehrgang dargestellten Silben gelesen, ausgeschnitten und zusammen geklebt.

Zusätzlich wird die Synthese mit Hilfe von Lautgebärden geübt.

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FazitDer Leselehrgang: „Lesen mit Lo“ basiert auf verschiedenen Schlüsselwörtern. Nach Hauck- von

den Driesch ist dies ein Kennzeichen für Lehrgänge, die streng analytisch- synthetisch vorgehen

(vgl. Hauck- von den Driesch 2003, 76). Ausgehend von diesen Wörtern werden anschließend die

darin enthaltenen Buchstaben erlernt. Das hat den Vorteil, dass die Buchstaben von Beginn an nicht

isoliert voneinander, sondern sofort in einem sinnvollen Ganzen eingeführt werden.

Die einzelnen Buchstaben, aber auch die Schlüsselwörter prägen sich durch die vielfältigen und sich

wiederholenden Übungen gut ein. Die zusätzlich zum Leselehrgang angebotenen Materialien

reduzieren bei den Schülern die Schwierigkeiten, die beim Erlernen des Lesens und Schreibens

entstehen. Einerseits erleichtern die Lautgebärden das Zusammenschleifen der Buchstaben und

andererseits wird durch die Handpuppe die Motivation der Schüler angeregt.

3.3.3.2. Iris Mann: Lesen können ja alle Leute

In ihrem Buch. „Lesen können ja alle Leute“ erschienen 1990, beschreibt die Psychologin und

Sonderschullehrehrin Iris Mann, die auch Bücher unter dem Pseudonym Chr. Manske veröffentlicht

hat, eine entwicklungsorientierte Lese- und Schreibdidaktik und stellt ein Konzept zum Lesen- und

Schreibenlernen dar. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Lern- und Lebenserfahrungen setzt sie sich

mit ihrer Rolle als Lehrerin und den Möglichkeiten von Bildung und Entwicklung unter

erschwerten (sozialen und neurologischen) Bedingungen auseinander.

Ausgehend von verschiedenen Theorien über das (schulische-) Lernen entwickelte die Autorin

einen entwicklungsorientierten Leselehrgang. Durchgeführt hat sie diesen Lehrgang mit

ArbeiterInnen einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfBM) in dem Zeitraum zwischen 1986

und 1988. Bei der Vorstellung ihres Programms bezieht sie immer wieder ihre eigenen Erfahrungen

mit ein.

Die Autorin geht davon aus, dass Lernen kein linearer Prozess ist, sondern in qualitativen Sprüngen

von einer Lernstufe auf die nächst höhere von sich geht (den konzeptionellen Rahmen dieser

Vorgehensweise liefert die Theorie der „Etappenweisen Bildung geistiger Handlungen“ nach P. J.

Galperin). Desweiteren orientiert sich die Autorin an der Theorie des „Systematischen Stufenweisen

Aufbaus“ nach Vygotski, diese ermöglicht dem Lehrenden den Unterricht so zu organisieren, dass

die nächste Stufe der Entwicklung bei den Schülern angebahnt werden kann. Eine weitere Theorie

auf die sich die Autorin stützt, ist die „Tätigkeitstheorie“ (nach Vygotski), welche das Scheitern und

die Lernerfolge der Schüler erklärt. So geht die Autorin davon aus, dass jeder Schüler lernen und

sich entwickeln kann, wenn er mit einem Lehrer lernt, der ihn erreicht (vgl. Mann 1992, 7).

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Zusätzlich zu dem Leselehrgang werden Lautgebärden eingeführt außerdem gibt es ein Lied zum

Leselehrgangs: „Lesenlernen ohne Angst.“

Reihenfolge

Laute

Die Laute/ Buchstaben werden in der Reihenfolge: „A“, „a“; „B“, „b“; „D“, „d“; „E“, „e“; „F“, „f“;

„G“, „g“; „H“, „h“; „I“, „i“; „K“, „k“; „L“, „l“; „M“, „m“; „N“, „n“; „O“, „o“; „P“, „p“; „R“, „r“;

„S“, „s“; „T“, „t“; „U“, „u“; „W“, „w“; „Z“, „z“; „AU“, „au“; „EI“, „ei“; „EU“, „eu“; „ÄU“, „äu“;

„CH“, „ch“, sowohl in großen- als auch in kleinen Druckbuchstaben eingeführt. Den Buchstaben:

„J“, „Q“, „V“, „X“, „Y“, „Ä“, „Ö“, „Ü“ werden keine sinnngebenden Laute zugeordnet. Sie werden

lediglich als Anlaute gelernt. Zunächst werden die Laute in einen Sinnzusammenhang gestellt,

erhalten eine Bedeutung und werden entsprechend den sechs Stufen: der Motivation, der

Orientierung, der Handlung, der bildhaften Darstellung der Handlung, der lautsprachlichen

Darstellung der Handlung und der gedanklichen Erarbeitung der Handlung vermittelt.

Auf jeder Etappe des Lernwegs sollte der Lehrer darauf achten, dass er bei keinem Schüler eine

Stufe überspringt, die dieser noch nicht durchlaufen hat. Denn diese Stufen des Lernwegs, von der

Motivation zum Gedanken sind nach Mann immer als Einheit zu sehen und nur in dieser Einheit

findet eine Entwicklung statt. Die Tätigkeiten, die Sprache und das Denken verändern sich, so dass

der Ausgangspunkt für das Lernen sprunghaft eine immer höhere Qualität erreicht (vgl. Mann 1992,

71).

Silben

Es wird von den sinnhaften Silben ausgegangen. Danach werden in allen möglichen Variationen

Konsonant- Vokal Verbindungen geübt (u. a. aus dem Lied begleitend zum Leselehrgang): „Ha“,

„Hi“, „Hu“, „Ho“, „He“. Schließlich werden auch andere Verbindungen wie „DU“, „DA“, „SO“,

„SE“, „WO“, „RO“ etc. gelernt.

Wörter

Nach dem Erlernen von Silben können Wörter erarbeitet werden

Das Lesen und Schreiben von Geschichten

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Übungen

Laute

Nachdem die Laute in einen Sinnzusammenhang gestellt und entsprechend den sechs Stufen

(Motivation, Orientierung, Handlung, bildhafte Darstellung der Handlung, lautsprachliche

Darstellung der Handlung und gedankliche Erarbeitung der Handlung) vermittelt wurden, wird das

Zuordnen der Buchstaben zu den bedeutungstragenden Lauten geübt. Die Übungen werden auf

verschiedene Weise durchgeführt, so werden z.B. die Holz- Plastikbuchstaben den Bildkarten oder

Gebärden zugeordnet. Um dieses auch spielerisch zu gestalten werden verschiedene Spiele wie

Domino, Lotto, Memory und Quartettspiele durchgeführt. Zu jedem zu erlernenden Laut werden

sowohl Gebärden als auch Erlebnisse angeboten. Das „Erlebnis“ für den Laut: „A“, „a“ ist

beispielsweise ein Besuch beim Zahnarzt, welcher als Rollenspiel durchgeführt wird.

Silben

Beim Erlernen der Silben wird zunächst von den sinnhaften Silben ausgegangen. So werden zur

Steigerung der Motivation Silben aus dem Lied zum Lehrgang genommen und schließlich auch

andere geübt. Immer wenn die Silbe einen Sinn ergibt, werden die Assoziationen dazu geäußert z.B.

„Te“: ich trinke Tee. Die sinnhaften Silben werden in einen Erfahrungszusammenhang gestellt und

es werden Bilder dazu gemalt.

Die Lernenden können auf unterschiedliche Weise die Konsonant-Vokal-Verbindungen in einem

von der Autorin angefertigten Silbenbuch üben und machen dabei die Erfahrung dass sie Seite für

Seite lesen können und nicht raten müssen.

Auch Silbendiktate werden durchgeführt. Hier wird jeweils ein Konsonant mit den fünf

verschiedenen Vokalen verbunden, wie z.B.: „KU“, „KA“, „KI“, „KE“, „KO“.

Da das Zusammenziehen der Laute zu einer Silbe ein so komplizierter Prozess ist, wird dieser durch

sprechmotorische Übungen (Bildung der einzelnen Laute) unterstützt. Die Sprechmotorik kann

durch die bewusste Handmotorik unterstützt und aufgebaut werden (vgl. Mann 1992, 84).

Wörter

Aus unterschiedlichen Früchten, wie z.B. der „Ananas“, der „Melone“ oder der „Banane“, die die

Schüler schmecken, schälen und bezeichnen machen sie Obstsalat. Danach malen sie ihre

Erfahrungen auf und verbalisieren sie. Aus den Zeichnungen und dem entsprechenden Text entsteht

dann eine Textseite, wie beispielsweise über Klaus Erfahrungen mit der Kiwi.

Aus dem Erzählen von bedeutsamen Erlebnissen werden dann die bedeutungsvollen Wörter

ausgewählt. Zunächst werden diese gemalt, bevor sie mithilfe von Holzbuchstaben gelesen und

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geschrieben werden. Außerdem werden die Wörter immer wieder spielend geübt anhand von

Memory, Domino, Lotto und Quartett.

Lesen und Schreiben von Geschichten

Es werden kleine Lesebücher erarbeitet. Hier werden Erlebnisse und Begebenheiten aus der Freizeit

aufgeschrieben. Es kann auch ein Bild dazu gemalt werden

Fazit

In diesem synthetisch- analytischen Leselehrgang werden die Laute von Anfang an in einen

Sinnzusammenhang gestellt und erhalten so eine Bedeutung. Wichtig ist der Autorin dabei, dass die

Tätigkeit der Lernenden immer im Vordergrund steht und sie so den Sinn im Lerngegenstand sehen.

Denn für sie bedeutet Lernen, die Menschen mit den Gegenständen zu verbinden und die

Gegenstände mit den Menschen (vgl. Mann 1992, 201).

Da dieser Lehrgang auf verschiedenen wissenschaftlichen Theorien basiert (Theorie von Vygotsky,

Galperin) und gleichzeitig mit einigen Arbeitern der Werkstatt für Menschen mit einer Behinderung

als Modellversuch durchgeführt wurde, zeigt sich hier eine enge Nähe von Praxis und

wissenschaftlich- theoretischer Reflexion. Dies zeigt, dass es in den Werkstätten viele Menschen

gibt, die gerne lernen wollen und lernen können, die jedoch bisher daran gehindert wurden. Nach

Meinung der Autorin kann derjenige, der mehr gelernt hat auch besser und qualifizierter arbeiten

(vgl. Mann 1992, 201).

3.3.3.3 Niederkrüger, Schmitz: Geistigbehinderte lernen lesen und schreiben Der Leselehrgang: „Geistigbehinderte lernen lesen und schreiben“ von Gudrun Schmitz, Rosemarie

Niederkrüger und Gisela Wrighton aus dem Jahr 1993 wurde speziell für Schulen mit dem

Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung entwickelt. Der hier vorgestellte Weg ist keine

Verkleinerung oder Verlangsamung eines üblichen Lese- Schreiblehrgangs, es wird ein eigener Weg

aufgezeigt.

Da die Autorinnen davon ausgehen, dass der Leselehrgang an die jeweilige Schule, ihrem Standort,

der jeweiligen Klasse und den Schülern angepasst werden muss, ist hier kein einheitliches

Lesewerk, keine Fibel oder Lehrbuch für die Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige

Entwicklung entstanden. Dieses muss sich jeder Lehrer anhand eigener Beispiele selbst

zusammenstellen. Zusätzlich zu diesem Lehrgang empfehlen die Autorinnen außerdem als

Lautgebärden die Kochsche Fingerlesemethode.

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Die Autorinnen gehen davon aus, dass der Schriftspracherwerb bei Kindern mit unterschiedlichen

Behinderungen über den visuellen Kanal angebahnt wird. Die gesprochene Sprache tritt ihrer

Meinung nach beim Erlernen des Lesens und Schreibens in den Hintergrund. Diese Theorie basiert

auf der Annahme, dass sich die Schüler der Vor- und Unterstufe an der Schule mit dem

Förderschwerpunkt geistige Entwicklung in der Phase des „Voroperatorischen Denkens“ befinden,

in der die Entwicklung der auditiven Wahrnehmung hinter der Entwicklung der visuellen

Wahrnehmung her hinkt (vgl. Schmitz, Niederkrüger, Wrighton 1993, 19). Die Ansätze der

Entwicklung der Wahrnehmung müssen ihrer Meinung nach aufgegriffen und gefördert werden,

damit auch Schüler mit einer geistigen Behinderung eine Möglichkeit haben, die Schriftsprache zu

erlernen.

Da die Schüler mit einer geistigen Behinderung von den Autorinnen als „entwicklungsbehinderte“

Schüler angesehen werden, muss ihnen ein Unterricht angeboten werden, der ihrem

Entwicklungsstand entspricht (vgl. Schmitz, Niederkrüger, Wrighton 1993, 6).

Voraussetzungen für das Lesenlernen

Nach Meinung der Autorinnen sollen alle Schüler in ihrer Wahrnehmung gefördert werden, bevor

sie mit dem eigentlichen Leselehrgang beginnen. Dieses Training soll als Vorraussetzung zum

späteren Lesenlernen, als Voraussetzung zum besseren Verstehen von sich selbst und der Umwelt

und als Voraussetzung zur Förderung der kommunikativen Fähigkeiten dienen (vgl. Schmitz,

Niederkrüger, Wrighton 1993, 38).

Hier können die von M. Frostig empfohlenen Vorübungen zum visuellen Wahrnehmungstraining

angewendet werden. Insbesondere die Übungen zur Visumotorik, nach M. Frostig die Fähigkeit,

„das Sehen mit den Bewegungen der Hände, des Körpers oder der Füße zu verbinden“ (M. Frostig

1979 in: Schmitz, Niederkrüger, Wrighton 1992, 33) werden hier als eine wesentliche

Voraussetzung zum Schreiben- und Lesen lernen gesehen.

Ebenso und aufbauend auf die visumotorischen Übungen sehen es die Autorinnen als wichtig an,

auch die anderen Bereiche der Wahrnehmung: die Figur- Grund Wahrnehmung, die

Wahrnehmungskonstanz, die Wahrnehmung der Raumlage und die räumlichen Beziehungen zu

erarbeiten. Empfohlen werden auch hierzu Arbeitsblätter von M. Frostig. Ansätze aus all diesen

Wahrnehmungsbereichen stellen für die Autorinnen notwendige Voraussetzungen für das Lesen-

und Schreibenlernen dar. Die auf diesen Vorübungen aufbauenden „Leselehrgänge“ können sehr

unterschiedliche Schwierigkeitsgrade und unterschiedliche Qualitäten aufweisen (vgl. Schmitz,

Niederkrüger, Wrighton 1993, 38).

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Der Lese Schreib Lehrgang

Reihenfolge:

Zunächst einmal werden in diesem Leselehrgang die kleinen Vokale nach der Reihenfolge: „a“, „e“,

„i“, „o“, „u“ durchgenommen. Diese werden durch verschiedene Übungen zum Ertasten, Ausmalen,

Abmalen, Ausschneiden und Nachmalen vertieft. Besteht ausreichende Sicherheit der Schüler im

Umgang mit den Vokalen, wird zum ersten Wort „Mama“ übergegangen. Dazu wird zunächst der

kleine Buchstabe „m“ erlernt. Hier soll in der gleichen Reihenfolge vorgegangen werden, wie es bei

der Erarbeitung der Vokale der Fall war. Anschließend wird der bekannte Konsonant mit den bereits

erlernten Vokalen zusammen geschliffen, so dass verschiedene Buchstabenverbindungen entstehen,

wie z.B. „ma“. Um zu dem sinnvollen Wort „Mama“ zu gelangen, wird nun das große „M“

eingeführt. Nachdem das Wort „Mama“ gelesen und geschrieben wurde, wird mit der Erstellung des

ersten Buches „Die Familie“ begonnen. Neben einem beschrifteten Foto der Mutter, wird ein Foto

des Vaters geklebt. Dazu wird das Wort „Papa“ gelernt. Aber auch anderen Familienangehörigen,

wie beispielsweise der Oma oder dem Opa wird eine Seite des Buches gewidmet. Nun werden

weitere Buchstaben des Alphabets eingeführt. Die Reihenfolge der Buchstaben orientiert sich an

den Buchstaben, die in den Namen der Schüler in der Klasse vorkommen. Denn nach Meinung der

Autoren müssen in allen Texten, die die Schüler schreiben und lesen der eigene Name und der

Name von Freunden vorkommen. Erst dann kann der Lehrgang erfolgreich sein (vgl. Schmitz,

Niederkrüger, Wrighton 1993, 72).

Übungen

Einführung der Buchstaben

Zur Einführung der Vokale wird ihre Form zunächst einmal ertastet. Der Lehrer führt dabei die

Aussprache der Vokale ein und macht gleichzeitig das Handzeichen. Hier empfehlen die Autoren

die Kochsche Fingerlesemethode. Auf diese Weise werden spielerisch „abstrakte“ Zeichen mit

benannten Vokalen verbunden. Zur weiteren Vertiefung von Form, Farbe und Laut werden die

Vokale ausgeschnitten, ausgemalt und nachgemalt. Um diese Übungen einzuführen wird auch hier

auf Arbeitsblätter von M. Frostig zurückgegriffen. Zur Einprägung der Vokale werden diese immer

wieder ausgesprochen und die dazu gehörigen Handzeichen verwendet (vgl. Schmitz, Niederkrüger,

Wrighton 1993, 61). Auch die kleinen und großen Konsonanten (wie z.B. das „m“ des Wortes

„Mama“) werden auf dem gleichen Weg eingeführt, wie dies bei den Vokalen der Fall ist. Auch hier

werden bei Bedarf die Frostig Arbeitsblätter verwendet.

Die Autorinnen heben jedoch hervor, dass es gerade in der Anfangsphase wichtig ist, die

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Unterrichtsinhalte spielerisch zu vermitteln. Dazu sollen sich Sequenzen von Arbeiten am Tisch,

Bewegungsspielen im Stuhlkreis und Partnerspiele abwechseln.

Syntheseübungen

Als Hilfestellung zum Zusammenschleifen der Konsonanten und Vokale wird das Singen von

Buchstaben empfohlen. Das Singen hat den Vorteil, dass die Schüler zwischendurch keine Luft

holen können. Als weitere Übung schlagen die Autorinnen das Nachsprechen der Formel: aus „m“

und „a“ wird „ma“, etc. vor. Aber auch Spiele zum Üben des Zusammenschleifens, wie

beispielsweise Spiele mit Silbenkarten werden hier genannt.

Zur weiteren Vertiefung werden die Konsonanten- Vokal- Verbindungen abgemalt, ausgemalt und

nachgefahren. Damit die Schüler schließlich zum sinnentnehmenden Lesen gelangen, muss das

Zusammenschleifen lange geübt werden.

Fazit

Die Autorinnen dieses Buches legen sehr viel Wert auf das Training der Wahrnehmung, das eine

wesentliche Voraussetzung für das Lesen und Schreiben darstellt. Aber auch während des

eigentlichen Lese- und Schreiblehrganges werden hier immer wieder motorische Übungen, wie

beispielsweise Arbeitsblätter als Hilfe zum Ausmalen eingeführt.

In dem synthetischen Leselehrgang werden zunächst einmal einzelne Buchstaben (Vokale)

eingeführt. Nachdem diese mit ausreichender Sicherheit eingeübt wurden, wird das erste sinnvolle

Wort „Mama“ erlernt. Ausgehend von diesem und zwei weiteren Wörtern, gestalten die Schüler ihr

erstes Buch. Erst danach erlernen die Schüler weitere Buchstaben des Alphabets. Das Vorgehen

dieses Lehrgangs hat sowohl Vor- als auch Nachteile: Da die Schüler ohne vorher alle Buchstaben

gelernt zu haben, erste Wörter schreiben können, soll auf der einen Seite ihre Motivation geweckt

werden, da sie schon nach kurzer Zeit selbstständig Wörter schreiben können, auf der anderen Seite

können sie jedoch nur die Wörter schreiben, die sie bereits gelernt haben. Sie sind zu diesem

Zeitpunkt noch nicht in der Lage, eigenständig neue Wörter zu konstruieren. Auf andere

motivierende Elemente, wie beispielsweise die Einführung einer Handpuppe die zu den Schülern

spricht, wird in diesem Lehrgang verzichtet. Allerdings werden hier zur Besseren Einprägung der

Buchstaben, aber auch als Hilfe zum Zusammenschleifen der Silben Handzeichen eingeführt.

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3.3.3.4. Leselehrgang: „Momel lernt lesen“Der synthetisch- analytische Leselehrgang: „Momel“ Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft

schwäbischer Sonderschullehrer unter der Leitung von Josef Dreher und Reiner Pfaffendorf aus

dem Jahre 2001 (mit fortlaufender Überarbeitung) ist ein Lesewerk, dass speziell für die

Förderschulen entwickelt wurde. Der Lehrgang besteht insgesamt aus drei Fibelbänden. Ziel des

ersten Fibel- Bandes ist das Gewinnen der Lesefähigkeit. Der zweite Band setzt seinen

Schwerpunkt auf die Verbesserung der Lesetechnik und im dritten Band wird eine verbesserte

Sinnerfassung des Gelesenen angestrebt (vgl. Pfaffendorf, Dreher 2001, 5). Zu jeder Fibel gehört

ein Druckschriftlehrgang, in dem die Buchstaben in unterschiedlichen Größen geübt und später zu

Wörtern zusammengezogen werden, Arbeitsblätter zu den einzelnen Buchstaben befinden sich im

Lehrerhandbuch. Diese können zur Einführung, Wiederholung und Vertiefung eingesetzt werden

und bieten Möglichkeit zur Differenzierung und zur Individualisierung. Da Kindern mit

unzureichenden Vorkenntnissen ein Vorkurs angeboten wird, werden die unterschiedlichen

Vorerfahrungen, die die einzelnen Kinder mit der Schriftsprache gemacht haben aufgegriffen

Die zusätzlich zu dem Leselehrgang einzuführende Identifikationsfigur „Momel“, die

„Momelgeschichten“, „Momeltexte“ und „Momellieder“ sorgen für eine lebendige und auch

motivierende Unterrichtssituation. Durch zusätzliche Stützstrategien wie Mundbilder, Handzeichen

- die dem Schwäbischen- Mund- Hand- System entnommen wurden - und Spiegel soll die auditive

Differenzierungsfähigkeit der Sprachlaute bei den Schülern verbessert werden.

Reihenfolge

Buchstaben

In allen zum Lehrwerk gehörenden Materialien steht „Momel“ aus dem fiktiven „Momelland“, der

zu den Menschen (Familie Maler) zu besuch kommt, als Identifikationsfigur im Vordergrund.

Ausgangspunkt ist der Laut und die damit verbundenen phonetisch- phonologischen Prozesse. Die

Einführung der zu dem Laut gehörenden Schriftzeichen erfolgt kleinschrittig. Die Reihenfolge der

im Leselehrgang zu erlernenden Buchstaben orientiert sich sowohl an der der Artikulation, als auch

an der Form des einzelnen Lautes. So werden schwierige Laute im Lehrgang erst später

durchgenommen. In der ersten Fibel werden nacheinander neun verschiedene Buchstaben, in der

Reihenfolge: „M“, “m”; “A”, “a”; “I”; “i”; “O”, “o”; “L”, “l”; “U”, “u”; “F”, “f”; “E”, “e”; “N”, “n”

eingeführt. Jeder Buchstabe wird also sowohl als großer- aber auch als kleiner Druckbuchstabe

eingeführt. Diese werden durch verschiedene Übungen auf Arbeitsblättern etc. geübt und vertieft.

So werden beispielsweise die zu den jeweiligen Buchstaben gehörenden Handzeichen visuell

dargestellt und unter dem „Momel“ –Buchstabenzug, an einer Schnur im Klassenzimmer in

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Leserichtung aufgehängt. So sind die verschiedenen Lautgebärden den Schülern immer präsent.

Die in der Fibel dargebotenen Ganzwörter werden mit einem Rahmen gekennzeichnet. Der

Schriftgrad der Texte wurde Anfangs möglichst groß gewählt und wird mit zunehmender

Lesefähigkeit kleiner. Auch der Umfang der Texte wurde auf die Leistungsfähigkeit der Schüler

abgestimmt und nimmt bis zum Ende des Lehrgangs stetig zu.

Übungen

Einführung der Buchstaben

Um die Motivation der Schüler zu wecken, wird ihnen zunächst einmal ein Sprachganzes als

Rahmenhandlung vorgegeben. Sie begegnen der Schriftsprache, indem ihnen zur Einführung von

jedem Laut die „Momelgeschichte“ mit Hilfe der „Momelpuppe“ dramatisierend vorgelesen wird.

Zunächst setzen sich die Schüler mit dem Laut auseinander. Er wird auditiv, taktil-kinästhetisch und

visuell analysiert und außerdem wird das Handzeichen zu diesem Laut eingeführt.

Anschließend bearbeiten die Schüler das Schriftzeichen, wobei das Konzept die gleichzeitige

Einführung von Groß- und Kleinbuchstaben vorsieht. Hier wird zunächst die Form des

Schriftzeichens analysiert, danach wird das Graphem aus den Ganzwörtern analysiert. Schließlich

wird das Lautbild mit dem Schriftbild und dem Handzeichen miteinander verknüpft.

Phonemanalyse

Als Übung zur Phonemanalyse soll zunächst einmal die Lautkonstanz von verschieden

dargebotenen Lauten festgestellt werden. Daraufhin soll der jeweilige Laut - durch Hören und

Vergleichen des Handzeichens - von anderen Lauten unterschieden werden. In einer weiteren

Übung sollen die Laute in Silben und Wörtern erkannt werden, beispielsweise als Anlaut, später

auch als Aus- oder Inlaut

Graphemanalyse

Es gibt verschiedene Übungen zur Graphemanalyse. Zunächst einmal soll die Formkonstanz der

Buchstaben durch die Darstellung in verschiedenen Farben, Dicken, Größen oder der Benutzung

anderer Materialien festgestellt und gefestigt werden. Außerdem soll das Schriftzeichen von

anderen Buchstaben und Zeichen, aber auch von ähnlichen Buchstaben unterschieden werden.

Schließlich soll der Buchstabe in Wörtern und Texten erkannt werden.

Syntheseübungen

Zunächst einmal werden Logatome (Vokal- Konsonanten- Verbindungen ohne semantischen Gehalt)

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gelesen. Das Verschleifen der Laute wird hier einerseits mit Hilfe fließender grobmotorischer

Bewegungen, wie beispielsweise dem Rollen von Bällen, dem Verschleifen von Handzeichen etc.

unterstützt, auf der anderen Seite werden die Syntheseprozesse visualisiert, indem beispielsweise

Buchstaben am Boden, in der Luft, auf der Buchstabenleiste, mit Bewegungsgeräten, etc.

aufeinander zu bewegt werden.

In einer weiteren Übung sollen die Schüler diese Logatome mit dem ganzen Wort in Verbindung

setzen. Hierfür müssen sie zunächst einmal die einzelnen Logatome als Wortbausteine Bildern

zuordnen, z.B. „Ma“ zu einem Bild von „Mama“, oder Logatome zu Wortganzen verbinden, z.B.

„Ma“-„mi“, „Ma“-„ma“. Außerdem sollen sowohl ein- als auch mehrsilbige Wörter erlesen werden

und schließlich sollen Wörter durch Silbenklatschen, Auf- und Abbauübungen strukturiert werden

(vgl. Dreher, Pfaffendorf Lehrerhandbuch1 2001, 7).

Fazit

Bei dem synthetisch- analytischen Lehrgang: „Momel“ handelt es sich um einen relativ aktuellen

Leselehrgang, der auf einer Fibel basiert. Der Leselehrgang geht von dem einzelnen Laut und

seinen Eigenschaften aus, jedoch werden die Laute nicht nur isoliert voneinander eingeführt - so

wie in synthetischen Leselehrgängen - sondern in einem sinnvollen Ganzen. Die Schüler lernen so

schon von Beginn an den einzelnen Laut in seinem Zusammenhang kennen, was zusätzlich auch die

Motivation der Schüler steigert. Aber auch die graphische Gestaltung des Lehrgangs, die

Identifikationsfigur „Momel“ und andere Begleitmaterialien, wie beispielsweise „Momellieder“

regen die Motivation der Schüler an. Da der Lehrgang speziell für Förderschüler entwickelt wurde,

geht er außerdem auf die Bedürfnisse des einzelnen Schülers ein.

Durch seine Gestaltung ermöglicht der Lehrgang auch fächerübergreifende Bezüge, z.B. zum

Sachunterricht. Das zusätzlich zum Leselehrgang eingeführte Handzeichensystem erleichtert das

Zusammenschleifen der einzelnen Buchstaben und fördert das ganzheitliche Lernen.

3.3.3.5 Leselehrgang: „Lesen lernen mit Hand und Fuß“

Der Leselehrgang „Lesen lernen mit Hand und Fuß“ von Ulrike Marx und Gabriele Steffen erschien

erstmals 1990 und wurde ursprünglich für die Sprachheilpädagogik entwickelt. Die

Unterrichtseinheiten werden den Schülern in Form von Stationen, beispielsweise zu dem Graphem

und Phonem /E/ angeboten. Jede Station wird mit einer kleinen Geschichte eingeführt und

ermöglicht den Schülern einen ganzheitlichen, handlungsorientierten Zugang zu dem

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Unterrichtsgegenstand. Der Leselehrgang: „Lesen lernen mit Hand und Fuß“ basiert auf dem

Konzept des mehrdimensionalen Lernens, welches sich auf Piagets These „Handeln ist der

Ausgangspunkt der Intelligenz“ stützt (Marx, U, Steffen, G, 1994, S.18). Demnach steht bei dem

Ansatz des mehrdimensionalen Lesenlernens der Handlungsaspekt im Mittelpunkt. Dem Schüler

sollen unterschiedliche Erfahrungen mit dem Unterrichtsgegenstand ermöglicht werden, - so

entsteht beispielsweise ein Verknüpfung z.B. des Graphems/ Phonems mit verschiedenen

Eindrücken und Erfahrungen -, was zu einer verbesserten Speicherung des Gegenstandes beitragen

kann. Durch das Stationenlernen soll jeder Schüler einen individuellen Lernweg gehen können, der

seinen Vorerfahrungen, seinen Interessen und seinem Lerntempo angemessen ist. Der immer

wiederkehrende Ablauf des Unterrichts als Stationenlernen soll den Schülern Sicherheit geben, ohne

sie einzuschränken und der Lehrkraft Zeit für die individuelle Förderung einzelner Schüler

verschaffen.

Reihenfolge

Die Grapheme/Phoneme werden in der folgenden Reihenfolge angeboten: „U“, „u“, „L“, „l“, „A“,

„a“, „I“ , „i“, „M“, „m“, „E“, „e“, „P“, „p“, „T“, „t“, „Ei“, „ei“, „D“, „d“, „H“, „h“, „W“, „w“,

„Sch“, „sch“, „G“, „g“, „S“, „s“, „B“, „b“, „K“, „k“, „Ä“, „ä“, „Ö“, „ö“, „Ü“, „ü“, „Pf“, „pf“, „ch“,

„Z“, „z“, „ß“, „tz“, „V“, „v“, „J“, „j“, „Sp“, „sp“, „St“, „st“, „Eu“, „eu“, „Qu“, „qu“, „X“, „x“, „Y“,

„y“, wobei Groß- und Kleinbuchstabe immer parallel eingeführt werden. Die Reihenfolge wurde so

festgelegt, dass Phoneme, die bei der Artikulation besondere Schwierigkeiten bereiten, wie z.B. /g/

und /b/ nicht gleich zu Beginn des Lehrgangs eingeführt werden. Bei der Reihenfolge der

Konsonanten wurden zusätzlich die Sprachbildungsprozesse berücksichtigt. Alle Phoneme werden

in Zusammenhang mit eigens für das Programm entwickelten Lautgebärden eingeführt. Zusätzlich

wird eine kleine Anzahl Ganzwörter angeboten, bei denen Ebenfalls auf eine leichte Artikulation

geachtet wurde. Der jeweils zu erlernende Laut kann so die Sprachausbildung parallel unterstützen.

Übungen

Zu jedem Buchstaben werden neun Stationen angeboten, die jeweils ein Arbeitsblatt und ein bis

zwei zusätzliche Übungen enthalten. Jeder Schüler besitzt einen „Plan“, auf dem er sich mit einem

bildlich passenden Aufkleber, die erfolgreiche Bewältigung der jeweiligen Station bestätigen kann.

Dieser „Plan“ ist gleichzeitig das erste Arbeitsblatt und stellt eine Verknüpfung zum aktuellen

Phonem und Graphem dar. Beispielsweise ist auf dem „Plan“ für das Graphem/Phonem /U/ ein

„Uhu“ als Bild und Ganzwort zu finden. Auch die weiteren Stationen beschäftigen sich thematisch

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mit dem „Uhu“ und halten Übungen rund um das /U/ bereit:

Taktil-Kinästhetische Station

Hier werden Buchstaben durch das Ertasten des Graphems kennengelernt und mit ertastbaren

Materialien wie z.B., Federn gestaltet.

Auditive Station

Mit Hilfe von speziell angefertigten Aufnahmen auf Hörspielkassetten, bzw. - CDs wird das

Phonem auditiv präsentiert. Bei den Übungen soll das richtige Phonem herausgehört und auf dafür

angefertigten Arbeitsblättern bestätigt (es ist ein /U/) oder verneint (es ist kein /U/) werden.

Visuelle Station

Hier soll das Graphem erkannt und durch einkreisen von anderen Graphemen unterschieden

werden.

Station für schriftsprachliches Handeln – Stempeln

Beim Stempeln des Graphems soll dieser artikuliert werden. Die Stempel können auch zur

Produktion von eigenem Text genutzt werden.

Synthesestation - Spielen

Für die Spiele- Stationen wurden Spiele hergestellt, bei denen die Artikulation des jeweiligen

Phonems in Verbindung mit dem richtigen Graphem im Mittelpunkt steht.

Lesestation

Bei der Lesestation werden Wort- Bild- Verknüpfungen zwischen einem Ganzwort und dessen Bild

hergestellt, wobei der Anlaut des Ganzwortes dem besprochenen Graphem/ Phonem entspricht.

Vestibuläre Station – Gleichgewicht

Der jeweilige Buchstabe wird auf dem Boden markiert und abgelaufen. Dabei ist auf seine laute

Artikulation zu achten.

Sozialintegrative Station – Gemeinschaft

Hier wird der Buchstabe gemeinsam durch verschiedene Techniken wie Drucken, Stempeln, Malen,

Basteln etc. auf einem Plakat gestaltet.

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Die Sensumotorische Station – Bauen

Hier soll der Buchstabe mit von der Lehrkraft zur Verfügung gestellten Materialien individuell

gestaltet werden.

Schreibstation

Die Schreibstation kann als zusätzliche zehnte Station eingerichtet werden, wenn es in der Klasse

eine entsprechende Lerngruppe gibt. Hierfür kann das Arbeitsblatt der taktil-kinästhetischen Station

auf dem das Graphem abgebildet ist, zum Gestalten angeboten werden.

FazitDie Schwerpunktsetzung auf das mehrdimensionale Lernen macht „Lesen lernen mit Hand und

Fuß“ zu einem außergewöhnlichen Leselehrgang, der im Vergleich zu anderen Lehrgängen den

Schülern sehr viel Raum für eine individuelle Herangehensweise ermöglicht. Durch den engen

Zusammenhang zu der Sprachheilpädagogik rücken die Phoneme nicht hinter den Graphemen

zurück, sondern werden explizit in den Mittelpunkt gestellt, was besonders für Kinder mit

Entwicklungsrückständen im sprachlichen Bereich einen großen Vorteil darstellt. Neben dem

vorgestellten stationenbasierten Lehrgang besteht eine Reihe sehr interessanter zusätzlicher

Materialien. Trotz der anfänglichen Unübersichtlichkeit durch die vielen verschiedenen Stationen

stellt sich durch die kontinuierliche Wiederholung der Aufgabentypen vermutlich schnell eine große

Vertrautheit mit dem Unterrichtsschema ein. Möglicherweise birgt aber der starke

Wiederholungscharakter der einzelnen Übungen das Risiko, dass die Motivation der Schüler schwer

aufrechtzuerhalten ist.

3.3.4 Zusätzliche Materialien

3.3.4.1. Budenberg Deutsch IDas Computer- Lernprogramm „Budenberg“ wurde 1992 vom Leiter der Schule am Budenberg in

Haiger (Schule für Lernhilfe mit Abteilung für Körperbehinderte) veröffentlicht. Das Programm-

Paket umfasst 56 Einzelprogramme für die Bereiche Mathematik, Deutsch, Sachkunde und

Geographie. Zusätzlich werden jährliche Abos für Updates angeboten, verschiedene

Programmzusammenstellungen, wie z.B. für die Grundschule sind möglich.

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Die Programmserie eignet sich für Grundschüler, für Schüler von Förderschulen (der Schule mit

dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung, der Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen und

der Schule mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und Motorische Entwicklung) und bei Bedarf

auch für Nachhilfeschüler. Einige Teile des Lernprogramms eignen sich zur Anwendung bei

Hauptschülern bis Klasse 6. Es werden keinerlei technische Kenntnisse der Schüler/ Lehrer

vorausgesetzt.

Programme

Das Lernprogramm „Budenberg“ beinhaltet neben den Bereichen: Mathe 1, 2, 3/4 und

Deutsch 1, 2, 3/4 auch eine Ergänzung mit verschiedenen Übungsprogrammen, wie den Aufgaben:

„Verkehrszeichen“, „Tutor“, „Deutschland“, „Europa“, „Bruchrechnen“ und „Englisch“.

Wir setzen uns im Rahmen dieser Arbeit jedoch nur mit dem Programm „Deutsch 1“ auseinander,

da sich dieses mit dem „Schriftspracherwerb“ als solchen beschäftigt. Das Programm „Deutsch 1“

beinhaltet insgesamt neun verschiedene Aufgaben bzw. Übungsfelder. Die unterschiedlichen

Übungsfelder bestehen jeweils aus einer bis zwölf Unteraufgaben, in denen fünf Übungen mit

steigendem Schwierigkeitsgrad zu finden sind. Aufgabentypen sind immer Zuordnungs- oder

Vergleichsaufgaben.

Die Adressaten variieren pro Aufgabentyp. Neben Aufgaben für Schüler der Vor- oder Unterstufe

von Förderschulen gibt es Aufgaben, die für alle Schüler der Förderschule geeignet sind. Einige

Aufgaben richten sich auch an Grundschüler.

Insgesamt ist die Bedienung einfach. Der Schüler kann vor Beginn des Programms die Buchstaben

festlegen, mit welchen er arbeiten möchte: mit Groß- und Kleinbuchstaben oder nur mit

Großbuchstaben oder ob ein begleitender Sound oder eine Sprachausgabe ein- oder ausgeschaltet

sein soll. Die Steuerung erfolgt je nach individuellen Bedürfnissen des Schülers mit Tastatur, mit

Cursortasten und Enter oder aber mit der Maus.

Auch die Lehrperson kann über die F- Tasten einfach Voreinstellungen treffen. Er kann die

Normzeit der Programme im Vorhinein erweitern (z.B. für motorisch schwache Schüler), bei

gewissen Übungen kann er die Buchstabenreihenfolge verschiedenen Leselehrgängen zuordnen.

Hier stehen einige Leselehrgänge, wie „Lesen lernen mit Hand und Fuß“, die „Fu“- Fibel, die

„Umi“- Fibel, die „Tobi“- Fibel, „Leseschule“, „Kieler Leseaufbau“ und das Programm „Momel

lernt lesen“ zur Verfügung.

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Übungen

„Form und Farbe“

In dem ersten Übungsfeld „Form und Farbe“ wird die optische Wahrnehmung/ Diskrimination

trainiert. Gegenständliche Bilder und geometrische Formen sollen nach Form, Farbe, Größe und

Raumlage unterschieden werden.

Das Übungsfeld besteht aus zwei verschiedenen Unteraufgaben, welche spielerisch gestaltet sind:

Ein Auto lädt ein Bild auf und fährt es zum passenden Lösungsbild, dabei soll der Schüler unter vier

ähnlichen Bildern das Aufgabenbild wieder finden.

„Bild und Anlaut“

Die zweite Aufgabe „Bild und Anlaut“ trainiert die Beziehung von Buchstabe und Laut. Ziel ist die

Unterstützung des Leselehrgangs. Neben den zwölf verschiedenen Unteraufgaben wird in dieser

Aufgabe außerdem die Übungseinheit „Anlaut Auswahl“ angeboten. Hier können Lehrer oder

Schüler unter vierzig verschiedenen Lauten vier Anlaute auswählen, mit denen die Übung

stattfindet.

Die zwölf verschiedenen Unteraufgaben zu dieser Aufgabe, arbeiten mit einer Lautfolge, wie sie in

den meisten Fibeln verwendet wird, sie beginnen mit den Selbst- und Dauerlauten. Innerhalb dieser

Unteraufgaben gibt es fünf verschiedenen Übungen, die sich mit dem jeweiligen Laut auseinander

setzten. Es gibt Übungen, die sich mit der Zuordnung von Bild und Anlaut, oder Bild zu Wort zu

Anlaut befassen und Übungen zur optischen Diskriminierung des Anlautes. Zusätzlich wird ein

Bild- Anlaut- Memory angeboten.

„Erstlesen“

In der Aufgabe „Erstlesen“ steht das Wort als solches im Mittelpunkt. Durch optische und

akustische Differenzierung und Lautsynthese sollen die gesicherten Laute geübt werden. Ziel ist die

Ergänzung des Leselehrgangs. Die Schüler können zwischen Groß- und Klein- oder nur

Großbuchstaben auswählen. Auch eine Sprachausgabe ist möglich.

Die Aufgabe besteht wiederum aus zwölf verschiedenen Unteraufgaben. Zu den verschiedenen

Unteraufgaben werden fünf verschiedene Übungsgruppen angeboten. Hier müssen Wörter aus

Buchstaben zusammengesetzt werden, Wörter zu Bildern zugeordnet werden, es gibt ein Memory-

Spiel, in dem Wörter Bildern zugeordnet werden etc. Das Programm bearbeitet in den fünf

Übungsgruppen eine Wortliste mit je zehn Übungswörtern.

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„Silbenlesen“

Eine weitere Übung ist das „Silbenlesen“. Diese trainiert die Lesefertigkeit aller bisher geübten

Laute und Lautverbindungen auf der Basis von zweisilbigen Wörtern. Es ist eine Sprachausgabe zu

Bildern, Wörtern und Silben möglich.

Es gibt drei verschiedene Unteraufgaben zu dieser Übung, die sich jeweils auf fünf verschiedene

Arten mit der Silbenthematik auseinandersetzen. Insgesamt wird eine Wortliste mit 24 leicht

lesbaren Silben verwendet. Zunächst wird sich mit der Ansilbe auseinandergesetzt. Zu dieser muss

ein passendes Bild gefunden werden. Aber es gibt auch Aufgaben, die sich mit der Endsilbe

beschäftigen. Hier muss z.B. zum Bild die passende An- und Endsilbe gesucht werden. Zusätzlich

gibt es ein Memory- Spiel, in welchem zu dem Bild die passende An- und Endsilbe gesucht werden

muss.

„Zweitlesen“

Die Aufgabe „Zweitlesen“ setzt sich auf verschiedene Ebenen mit der Analyse eines Wortes

auseinander. Es werden seltene Laute und schwierige Lautverbindungen, wie z.B. Mitlauthäufungen

trainiert. Eine Sprachausgabe ist möglich.

Zu den verschiedenen Lautverbindungen, wie beispielsweise: „Bl“, „Fr“ „Sp“, „Tr“, „Ck“, „Ch“,

„Pf“, werden sechs verschiedene Unteraufgaben angeboten. Diese werden mit Hilfe von fünf

verschiedenen Übungsgruppen trainiert. Da Bilder und zugehörige Wörter die optische und

akustische Differenzierung sowie die Lautsynthese ermöglichen, wird hier als Übung die

Zuordnung von Wort zu Bild trainiert. Buchstaben müssen in Wortlücken gesetzt werden, Wörter

müssen aus wenigen Teilen geübt werden, etc.

„Ähnliche Wörter“

Die Aufgabe „Ähnliche Wörter“ trainiert die Lesefertigkeit auf der Basis von meist zweisilbigen

bebilderten Wörtern. Es gibt eine Sprachausgabe zu den verschiedenen Bildern.

Zu der Aufgabe „Ähnliche Wörter“ gibt es drei Unteraufgaben mit aufsteigender Schwierigkeit. Die

interne Wortliste kann nicht verändert werden. Zu den drei Unteraufgaben gibt es jeweils fünf

verschiedene Übungen zu den unterschiedlichen Silben. Beispielsweise soll zu einem Bild das

zugehörige Wort mit entsprechender An- bzw. Endsilbe gesucht werden, zu verschiedenen Silben

soll das passende Bild gesucht werden oder aus wenigen Wortteilen soll das entsprechende Wort

erraten werden.

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„Reimwörter“

Diese Aufgabe trainiert das sinnentnehmende Lesen auf der Wortebene. Zum gezeigten Reimwort

muss das passende Bild gewählt werden.

Diese Übung hat sieben Unteraufgaben. Pro Aufgabe muss zu einem Wort das Reimwort als Bild

gesucht werden.

„Satzmuster“

In dieser Aufgabe wird das sinnentnehmende Lesen auf der Stufe des ganzen Satzes geübt.

Es gibt insgesamt acht Unteraufgaben. Zum gezeigten Satz muss das passende Bild gewählt

werden. Das Lesen wird durch Serien sich wiederholender Satzmuster erleichtert. So müssen in der

Regel pro Aufgabe nur ein bis zwei Wörter neu erlesen werden.

„Minitext“

„Minitext“ ist ein Reizreduziertes Programm zur Produktion von eigenen Wörtern, Sätzen oder

Texten. Diese Aufgabe wird in keine weiteren Unteraufgaben aufgeteilt. Hier befindet sich ein

einfacher Texteditor für Kinder mit wenigen Befehlen. Der Text kann auf den eigenen Namen

gespeichert, geladen und in fünf verschiedenen Schriftgrößen auf Bildschirm und Drucker

ausgegeben werden. Die Verzögerung des Tastenrepeat ermöglicht es auch körperbehinderten

Schülern, den Computer als Schreibhilfe zu nutzen. Es können bis zu 6 Bildschirmseiten

geschrieben werden. Mit diesem Programm können auch Rechenaufgaben geschrieben und gelöst

werden.

Auswertung

Nach der Durchführung jeder Übungseinheit, bekommt der Schüler eine Übersicht über Fehler und

Menge der geschafften Aufgaben. Bei Fehlern erhält der Schüler direkt eine Rückmeldung, in dem

der Bildschirmrand blinkt. Bei positiver Bearbeitung einer Aufgabe kann der Schüler direkt zur

nächsten Aufgabe weiter schreiten (zusätzlich erhält er eine positive Rückmeldung durch

Soundeffekt).

Durch das Anklicken eines Ergebnis- Menüs haben Schüler und Lehrer die Möglichkeit

Ergebnisprotokolle zu drucken, um so eine Übersicht über den Lernstand des Schülers zu erhalten.

Auch gibt es die Möglichkeit für alle Übungsfelder vorgefertigte Arbeitsblätter und Bilder

auszudrucken.

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Fazit

Dieses Computerlernprogramm ist dazu geeignet, um es als eine Übung neben der Durchführung

eines Leselehrgangs einzusetzen. Hier wird sowohl das Lesen als auch das Schreiben gefördert. Es

verfügt über neun verschiedene Aufgaben, die sich mit dem Schriftspracherwerb auf verschiedenen

Ebenen auseinandersetzt. Neben Aufgaben zu Buchstaben/Lauten gibt es Aufgaben zu Silben bzw.

Wörtern, oder aber zu kleinen Sätzen. Auch Texte können hier geschrieben werden. Die einzelnen

Aufgaben sind durch Voreinstellungen des Lehrers aber auch des Schülers variierbar und können so

an die Bedürfnisse der jeweiligen Schüler angepasst werden. Da dieses Programm von der

optischen Gestaltung eher schlicht und reizarm gehalten ist, über wenig Animation verfügt, etc.

entspricht es oftmals den Bedürfnissen von Förderschülern.

Sowohl die Lehrperson, als auch der Schüler erhalten hier eine Rückmeldung über den Lernstand

des Schülers. Die Rückmeldung für den Schüler ist in diesem Programm jedoch eingeschränkt.

Wenn er einen Fehler gemacht hat dann blinkt zwar der Bildschirmrand, der Schüler erhält jedoch

keine Begründung darüber, was er falsch gemacht hat. Außerdem wird er daraufhin nicht

automatisch zu einer leichteren Aufgabe - die seinen Fähigkeiten entspricht - weitergeleitet. So ist

es durchaus möglich, dass der Schüler, nachdem er in einer Aufgabe einen Fehler mehrmals

wiederholt hat, frustriert aufgibt. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, wenn eine Lehrperson mit ihm

zunächst eine Aufgabe durchführt und ihm erklärt, wie er dabei vorzugehen hat.

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4.Untersuchung

4.1. Fragestellung

Im Laufe unseres Studiums haben wir uns in verschiedenen Zusammenhängen, wie z.B. in

Seminaren im Unterrichtsfach Deutsch, im Förderschwerpunkt Lernen und im Studienschwerpunkt

Psychologie mehrfach mit dem Thema Schriftspracherwerb auseinandergesetzt. Die Inhalte der

verschiedenen Veranstaltungen orientierten sich jedoch am Unterricht allgemein bildender Schulen

oder Schulen mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Mit dem Schriftspracherwerb an Schulen mit

dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung haben wir uns im Rahmen des Studiums nicht

ausreichend beschäftigt, so dass für uns viele Fragen offen geblieben sind. Durch die Beobachtung

des Deutschunterrichtes während unserer Praktika wurde unser Interesse geweckt uns mit diesem

auseinander zu setzen. Als besondere Herausforderung sehen wir die Heterogenität der Schüler an

der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung an. Uns stellt sich die Frage, wie

stark im Unterrichtsalltag auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Schüler eingegangen

werden kann und welche Aspekte im Unterricht berücksichtigt werden müssen, um diese

Herausforderung zu bewältigen. Hier interessieren uns einerseits die verschiedenen

Leistungsgruppen innerhalb der Klasse, die sowohl in der Zielsetzung als auch im Unterrichtsalltag

berücksichtigt werden müssen. Andererseits auch das Material wie beispielsweise Leselehrgänge,

das unserer Erfahrung nach erweitert und individuell angepasst werden muss. Über diese Aspekte

kamen wir zu der Frage, wie Unterrichtskonzepte für den Schriftspracherwerb in der Praxis

aussehen.

4.2 Forschungsstand

Als konkrete Studie über den Schriftspracherwerb bei Schülern der Schule mit dem

Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung lässt sich einzig die Doktorarbeit von M. Hauck von den

Driesch: „Wege entstehen im gehen“ (Hauck- von den Driesch, 2003) aufführen, in der die

Kompetenzen der Lehrkräfte in Bezug auf den Schriftspracherwerb untersucht werden. Hauck- von

den Driesch beschäftigt sich dabei auch mit dem Unterricht an Schulen mit dem Förderschwerpunkt

Geistige Entwicklung. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass dem Schriftspracherwerb und damit der

Fachdidaktik Deutsch an dieser Schulform zukünftig ein stärkeres Gewicht zufallen muss (ebd.,

275) und bekräftigt die Notwendigkeit von Lehrerfortbildungen zu diesem Thema, um die

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Kompetenzen der Lehrkräfte in diesem Bereich aufzubauen und zu erweitern. Sie betont, es sei

erforderlich „ein handlungsbezogenes und lebensbezogenes Lernen im Kontext des Lernbereiches

zu ermöglichen“ (ebd., 276), dieses Prinzip sollte ihrer Meinung nach auch in der Lehreraus- und –

weiterbildung verankert werden. Da jedoch M. Hauck- von den Driesch keine konkrete Studie über

die Unterrichtskonzepte für den Schriftspracherwerb an Schulen mit dem Förderschwerpunkt

Geistige Entwicklung veröffentlicht hat, müssen wir davon ausgehen, dass es sich hier mehr oder

weniger um „wissenschaftliches Neuland“ handelt, wir also mit dieser vorliegenden Arbeit die erste

(uns bekannte) Studie vorlegen.

Selbstverständlich gilt das nicht für Unterrichtskonzepte für den Schriftspracherwerb an dieser

Schulform als solche, die neben den täglich praktizierten Konzepten jeder einzelner Lehrkraft auch

in schriftlicher Form vorliegen. Hier gibt es sowohl theoretische Werke wie das Curriculum Lesen

und Schreiben von H. Schurad u.a. oder den erweiterten Lese- und Schreibbegriff von Ch. Hublow

und E. Wohlgehagen als auch Lese- und Schreiblehrgänge und - konzeptionen wie „Lesen lernen

mit Hand und Fuß“ von U. Marx und G. Steffen oder „Geistig Behinderte lernen ihren Namen lesen

und schreiben“ von S. Dank. In vielen Werken zu diesem Thema wird diskutiert, in wie weit und für

welchen Teil der Schüler Lesen und Schreiben Zielsetzung dieser Schulform sein soll.

Beispielsweise schreibt P. Marx: „Bei Kindern mit einer geistigen Behinderung muss dagegen

bereits die prinzipielle Zielsetzung im Hinblick auf Lesen und Schreiben individuell angepasst

werden“ (Marx 2007, 169). Eine zentrale Rolle in dieser Diskussion spielt der in Kapitel 3 bereits

näher erläuterte „erweiterte Lese- und Schreibbegriff“, der ein theoretisch fundiertes Modell

vorstellt, um keine Schülergruppen vom Lesen und Schreiben lernen auszuklammern. Für die

konkrete Gliederung und Gestaltung des Unterrichts lassen sich die bereits in Kapitel 3

vorgestellten Lese- und Schreiblehrgänge und Konzepte finden. Darunter finden sich sowohl

klassische Fibellehrgänge als auch Werke, die Unterrichtsmaterialien und Vorschläge zur

Konzeption des Unterrichts anbieten. Als theoretische Grundlage der Konzeptionen finden sich

verschiedene Ansätze. Wie auch im Grundschulbereich ist eine zeitliche Entwicklung verschiedener

Methoden zu erkennen: Besonders ältere Werke wie z.B. das von Haug/ Keuchel arbeiten

überwiegend mit einer ganzheitlichen Herangehensweise und beschäftigen sich stark mit der

Förderung der Wahrnehmung. Neuere Werke, wie beispielsweise der Leselehrgang: „Momel“ gehen

synthetisch- analytisch vor und konzentrieren sich stärker auf das Erlernen der Graphem- Phonem-

Korrespondenzen, während der Bereich der Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle spielt. In fast

allen Werken findet sich eine stärkere Fokussierung auf begleitende Bilder und Ganzwörter, als dies

im Grundschulbereich üblich ist. Inwiefern diese gerade besprochenen Lehrgänge in der Praxis zum

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Einsatz kommen und welche dabei besonders relevant sind, wird für unsere Stichprobe, aus der

anschließenden Diskussion unserer Ergebnisse hervorgehen.

Wie bereits erwähnt, lassen sich in der aktuellen Diskussion der Grundschuldidaktik im Fach

Deutsch neue Tendenzen bei den Unterrichtskonzeptionen für den Schriftspracherwerb erkennen.

Auch wenn diese nicht unbedingt direkt auf den Unterricht an der Schule mit dem

Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung übertragbar sind, ist es dennoch interessant die neueren

Entwicklungen in diesem Bereich im Blick zu behalten. Wie schon in Kapitel 2.4.2 besprochen

haben sich in den letzten Jahren sogenannte methodenintegrierte Verfahren durchgesetzt, die

analytisch-synthetisch arbeiten und die Grapheme und Phoneme, eingebettet in einem sinnvollen

Ganzen einführen (Schenk, 2001, 96).

Einen weiteren interessanten Bereich bilden aktuelle Arbeiten über Unterrichtsqualität im

Allgemeinen, die uns gesicherte Hinweise darüber liefern können, welche Kriterien einen guten

Unterricht ausmachen. Auch hier ist die Frage nach der Übertragbarkeit auf die Schule mit dem

Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung zu stellen. Gelten die gleichen Prinzipien? Unserer

Kenntnis nach gibt es darüber keine aktuellen, gesicherten Studien, so dass wir davon ausgehen

müssen, dass die Ergebnisse der allgemeinen Unterrichtsforschung generell übertragbar sind. 2004

stellte H. Meyer ein vielbeachtetes Werk mit dem Titel: „Was ist guter Unterricht?“ vor, indem er

zehn empirisch gesicherte Merkmale guten Unterrichts beschreibt. Zu einer ähnlichen Aufstellung

kommt auch Helmke in seinem Standartwerk über „Unterrichtsqualität“. Er hebt folgende

Merkmale gelingenden Unterrichts hervor (Helmke, 2009, 168ff):

1. Klassenführung

Damit ist ein erfolgreiches Management des Unterrichts durch die Lehrkraft gemeint, das

bei gutem Gelingen Störfaktoren vorbeugen kann (Borich, 2007, Zitat von Helmke, 2009,

173). Alle Forschungsarbeiten zu diesem Thema stimmen dabei überein, dass eine gute

Strukturierung Schlüsselmerkmal der Unterrichtsqualität darstellt.

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Page 73: Unterrichtskonzepte zum Schriftspracherwerb für ... Schaffner,Ippendorf.pdf · Unterrichtskonzepte zum Schriftspracherwerb für Schülerinnen und Schüler des Förderschwerpunktes

2. Klarheit und Strukturiertheit

Helmke beruft sich hier auf das QuAIT-Modell nach Slavin von 1994, das die Merkmale

Klarheit (akustisch, sprachliche Prägnanz, inhaltlich und fachlich), Strukturiertheit und

Verständlichkeit als wichtige Merkmale für die Qualität von Unterricht herausstellt

(Helmke, 2009, 191)

3. Konsolidierung, Sicherung

Zahlreiche Studien belegen die hohen Effekte, die Übung und Wiederholung auf das Lernen

haben (Beispielsweise Heymann 2005, Zitat von Helmke, 2009, 201).

4. Aktivierung

Die Förderung selbstgesteuerten Lernens ist ein besonders von biologisch fundierten

Lerntheorien der neueren neurowissenschaftlichen Forschung in den letzten Jahren

herausgestelltes Prinzip. Helmke beruft sich hier auf Klauer & Leutner, 2007, 108f und

Schrader & Helmke, 2006.

5. Motivierung

Der Einfluss der Motivation auf das Lernen ist hinreichend bekannt. Die derzeitige

Fachdiskussion dreht sich laut Helmke um den Einfluss von Selbstkonzepten. So beschäftigt

sich Beispielsweise Rheinberg, 2008 mit den Auswirkungen des Fähigkeitsselbstkonzeptes

auf das Lernen.

6. Lernförderliches Klima

Es gibt sehr unterschiedliche empirische Ergebnisse über die Auswirkungen des Lernklimas

auf den Unterricht. Dennoch sollte dieses Thema schon aus bildungspolitischen Gründen

nicht unbeachtet belassen werden. Auch die Auswirkungen auf die Lernmotivation werden

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Page 74: Unterrichtskonzepte zum Schriftspracherwerb für ... Schaffner,Ippendorf.pdf · Unterrichtskonzepte zum Schriftspracherwerb für Schülerinnen und Schüler des Förderschwerpunktes

diskutiert (Helmke, 2009, 221).

7. Schülerorientierung

Die Schülerorientierung ist ein Teilbereich des lernförderlichen Klimas. Generell stellt die

Beziehung zwischen Schülern und Lehrern einen wesentlichen Aspekt eines guten

Unterrichts dar. Empirisch ist dieser Aspekt aber nicht ausreichend nachweisbar.

8. Kompetenzorientierung

Lersch (2007) untersuchte die Orientierung der Unterrichtsplanung an

„Kompetenzerwerbsschemas“, also die explizite Ausrichtung an den zu erwerbenden

Kompetenzen der Schüler, was auch die Leistungsmessung nach dem Kompetenzschema

(wie in Vergleichsstudien praktiziert) mit einschließt (Helmke 2009, 234ff).

9. Umgang mit Heterogenität

Um sowohl eine Unterforderung als auch eine Unterforderung der Schüler zu vermeiden ist

die Anpassung des Unterrichtsstoffes an die individuellen Lernstände eine notwendige und

insgesamt zu wenig diskutierte Notwendigkeit. „Empirische Studien zeigen, dass

Differenzierung und Individualisierung im regulären Schulalltag wenig verbreitet sind“

(Wischer, 2007, 425, Zitat bei Helmke, 2009, 255).

10. Angebotsvielfalt

Die Angebotsvielfalt bezieht sich auf die Variation der im Unterricht genutzten Lehr- und

Lernmethoden. Sowohl eine zu große als auch eine zu geringe Methodenvielfalt wirken sich

negativ auf die Unterrichtsqualität aus, wie z.B. das Projekt MARKUS zeigen konnte

(Helmke, 2009, 266).

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4.3. Untersuchungsdesign

4.3.1 Methodik

Um unser Forschungsvorhaben, die Unterrichtskonzeptionen für den Schriftspracherwerb an

Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung zu untersuchen, entschieden wir uns

dafür, die entsprechenden Lehrkräfte über ihre jeweilige Konzeption zu befragen, um diese dann

untereinander vergleichen und gegenüberstellen zu können. Dafür bieten sich uns als

Forschungsmethodik unterschiedliche Verfahren an. Quantitative, geschlossene Verfahren wie z.B.

Fragebögen können zwar mit einer großen Stichprobe durchgeführt werden und würden die

Vergleichbarkeit der Ergebnisse untereinander erhöhen, ein Konstrukt wie das Unterrichtskonzept

zum Schriftspracherwerb in einem Fragebogen herauszuarbeiten, trauten wir uns aber nicht zu.

Dazu fehlten uns zu viele wesentliche Informationen, an die wir bei den Fragen hätten anknüpfen

müssen. Zudem haben geschlossene Verfahren den Nachteil, dass die Antwort durch die Frageform

sehr stark eingeschränkt werden kann. Die Ergebnisse sind zwar sehr gut untereinander

vergleichbar, die inhaltliche Aussage bleibt jedoch begrenzt. Zudem ist es unser Ziel, die

individuellen Konzeptionen der Lehrkräfte kennen zu lernen.

Deshalb haben wir uns entschieden eine qualitative, offene Forschungsmethode zu wählen: Das

Leitfrageninterview. Damit haben wir, im Gegensatz zu noch offeneren Formen wie beispielsweise

einem Erzähltextinterview die Möglichkeit, thematische Schwerpunkte zu setzten und dennoch die

Fragen so offen zu lassen, dass wir als Ergebnis einen Einblick in die jeweilige individuelle

Konzeption bekommen. Zudem können die Fragen das Gespräch auf Punkte lenken, die die

Lehrkräfte eventuell nicht unmittelbar mit ihrer Konzeption in Verbindung bringen, uns aber

wichtig sind. Ein Beispiel könnte das zusätzliche Material zur Differenzierung neben dem

Leselehrgang sein, das für die Lehrkraft eventuell nicht im Mittelpunkt des Konzeptes steht, unserer

Meinung nach aber von Interesse ist. Ein weiteres Argument, das Interview mit mehreren Leitfragen

zu gestalten, anstatt „einfach nur“ nach dem Unterrichtskonzept zu fragen, stellt sich für uns in der

Komplexität der Thematik. Bei einer direkten Frage nach ihrer Konzeption könnten die Lehrkräfte

eventuell Schwierigkeiten haben, diese ad hoc zu Beschreiben. Vermutlich wäre es für viele

Lehrkräfte notwendig, ein solches Gespräch vorzubereiten, was zu einem erheblich höheren

Zeitaufwand für die Lehrkräfte führen würde und deshalb für uns nicht in Frage kommt. Wir sind

uns auch nicht sicher, in wie weit jede Lehrkraft sich selbst bereits mit ihrer Konzeption

auseinandergesetzt hat und ob diese nicht bei vielen eher unbewusst ist. Dabei ist ebenfalls zu

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bedenken, dass nicht alle Lehrer die Deutsch unterrichten, auch Deutsch als Fach studiert haben

oder darin ausgebildet sind. Besonders für eine fachfremde Person ist es möglicherweise schwierig,

die eigene Konzeption zu reflektieren.

Eine andere oder auch zusätzliche Untersuchungsform wie z.B. die Beobachtung der

Unterrichtssituation wäre sehr interessant gewesen, sprengt aber bei gewissenhafter Durchführung

den Rahmen dieser Arbeit. Aus diesen Gründen haben wir uns dafür entschieden, ein

Leitfrageninterview zum Thema: Unterrichtskonzepte zum Schriftspracherwerb an der Schule mit

dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung zu erstellen. Ein Leitfrageninterview wird mit

wenigen möglichst offen gestellten Leitfragen konzipiert, an denen sich das Gespräch entlang

hangelt. Inhaltliche Abweichungen, sowohl von der Seite des Interviewten als auch zusätzliche

Fragen des Interviewers sind ausdrücklich erwünscht, da so auf individuelle Vorstellungen und

Besonderheiten eingegangen werden kann.

4.3.2 Instrumentalisierung

Um aus unserer Zielsetzung Fragen zu formulieren, haben wir folgende Instrumentalisierung des

Gegenstandes „Unterrichtskonzept“ vorgenommen, aus der wir im Anschluss Leitfragen für die

Interviews entwickeln können:

Auf der Schulebene sollte nach einem gemeinsamen, verbindlichen Schulkonzept gefragt werden.

Außerdem sind weitere schulinterne Einrichtungen zum Thema Schriftspracherwerb wie

Förderkurse, AGs und Klassenübergreifende Kooperationen in die Überlegung einzubeziehen, weil

sie den Schriftspracherwerb mit beeinflussen können.

Auf der Ebene der Klasse haben wir eine Trennung nach den allgemeinen Bedingungen für den

Unterricht, mit Fragen nach der Klassenstufe, den Schülern sowie den personellen, räumlichen und

zeitlichen Möglichkeiten und der von der Lehrkraft konzipierten Unterrichtskonzeption

vorgenommen. In Bezug auf das Unterrichtskonzept möchten wir folgende Items näher

Untersuchen: Die Zielsetzung für die einzelnen Schüler bzw. Lerngruppen, die Methodik, also den

verwendeten Lehrgang sowie die methodische Anlehnung an eine theoretische Grundlage.

Außerdem interessieren uns die Differenzierung innerhalb der Klasse und das zusätzlich zum

Lehrwerk verwendete Material. Unser Ziel ist es, aus jedem dieser Bereiche eine ausreichende

Anzahl an sinnvollen und möglichst offen formulierten Fragen herauszuarbeiten, um so das

Gespräch zu lenken und die genannten inhaltlichen Themenbereiche in der Auswertung miteinander

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vergleichen zu können.

Damit unsere Fragen auch für fachfremde Lehrkräfte gut verständlich sind, benutzen wir keine

Fachwörter und knüpfen mit unseren Fragen möglichst nah am unterrichtlichen Alltag an. Unser

Leitfrageninterview (siehe Anhang 1.1) wird durch Eingangsfragen eingeleitet, die auf der einen

Seite das Gespräch eröffnen und auf der anderen Seite die oben genannten allgemeinen

Bedingungen auf Klassenebene erfragen. Die Eingangsfragen thematisieren die Bedingungen für

den Deutschunterricht. Sie sind die einzigen Fragen im Interview, die geschlossen gestellt wurden

und so erfordern sie lediglich eine kurze konkrete Antwort. Sie geben dem Interviewten die

Sicherheit, die ersten Fragen ohne zu zögern beantworten zu können und bilden somit eine gute

Eröffnung des Interviews. Insgesamt besteht das Interview aus fünf Eingangsfragen und vierzehn

offenen Fragen. Nach den Eingangsfragen stellen wir zwei Fragen zum Schulkonzept. Die

restlichen zwölf Fragen beschäftigen sich mit der Unterrichtskonzeption und unterteilen sich

inhaltlich in die Methodik, das Material, die Differenzierung und die Zielsetzung des Unterrichts.

Um die Antworten zu protokollieren haben wir einen eigenen Antwortbogen (siehe Anhang 1.2)

entwickelt, so dass wir die Aufgaben unter uns verteilen konnten. Während eine von uns beiden das

Interview führte, protokollierte die andere die Aussagen der Lehrkräfte auf dem vorgefertigten

Bogen.

4.3.2 Durchführung

Um unser Forschungsvorhaben umzusetzen, haben wir insgesamt sechs Schulen im

Regierungsbezirk Düsseldorf kontaktiert und um ihre Unterstützung gebeten. Der erste Kontakt

verlief über E-Mail (siehe Anhang 2.1). Auf die sechs E- Mails bekamen wir von drei der Schulen

eine Antwort. Eine musste uns aus organisatorischen Gründen leider absagen, zwei weitere

sicherten uns eine Zusammenarbeit zu und baten uns bei Gelegenheit den persönlichen Kontakt

herzustellen, um das weitere Vorgehen besprechen zu können. Während wir eine weitere Schule

bereits über persönliche Kontakte kannten und deshalb von einer Zusammenarbeit ausgehen

konnten, setzten wir uns mit den übrigen nach Ablauf von zwei Wochen telefonisch in Verbindung.

Das gestaltete sich als sehr schwierig, da die von uns kontaktierten SchuldirektorInnen nur schwer

telefonisch zu erreichen waren. Insgesamt konnten wir die Interviews an fünf der sechs

ausgewählten Schulen durchführen. Um einen persönlichen ersten Kontakt mit der Schulleitung

herzustellen und uns und das Interview vorzustellen boten wir allen Schulen an, zu einem

Vorgespräch in die jeweilige Schule zu kommen. Dieses Angebot nahmen aber nur zwei der fünf

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Page 78: Unterrichtskonzepte zum Schriftspracherwerb für ... Schaffner,Ippendorf.pdf · Unterrichtskonzepte zum Schriftspracherwerb für Schülerinnen und Schüler des Förderschwerpunktes

teilnehmenden Schulen an. Unsere Zeitplanung sah vor, vor Beginn der Sommerferien in NRW den

Kontakt zu allen Schulen hergestellt zu haben und evtl. Vorgespräche zu führen. Mit den Interviews

begannen wir drei Wochen nach den Sommerferien, wobei wir die genaue Zeitplanung für die

einzelnen Interviews in der Regel mit den Schulkoordinatoren festlegten.

Für jedes Interview hatten wir eine halbe Zeitstunde eingeplant. Das stellte sich in den ersten

Interviews als zu kurz heraus. Die ersten vier Interviews nahmen alle ca. 45 bis 50 Min. in

Anspruch. Danach kannten wir die Interviewfragen besser, so dass sich die Interviewzeit auf die

vorher angepeilten 30 Min. verkürzte. Allerdings kam es immer wieder vor, dass einzelne

Lehrkräfte deutlich mehr erzählten und uns zusätzliches Material (siehe Anhang 3 und Anhang 4)

zur Veranschaulichung zeigten, wodurch sich der Zeitrahmen nicht einhalten ließ. Vermutlich wäre

es sinnvoll gewesen, weniger Fragen zu stellen oder den Zeitrahmen für die Interviews von vorne

herein auf 45 Min. zu schätzen, um mehr Luft für unvorhergesehene Gesprächsverläufe zu haben.

Die Interviews lagen größtenteils in den Pausenzeiten der Lehrkräfte und fanden teilweise im

Klassenraum, teilweise in Nebenräumen und teilweise im Lehrerzimmer statt. Von allen geplanten

Interviews konnten wir zwei nicht durchführen, da eine Lehrerin krank geworden ist und eine

weitere nicht zu dem vereinbarten Zeitpunkt erschien und auch nicht auffindbar war. Wir vermuten,

dass sie das Interview vergessen hatte.

4.3.3 Stichprobe

Unsere Stichprobe besteht aus insgesamt achtzehn Interviews, die in fünf verschiedenen Schulen

durchgeführt wurden. Sie ist nicht zufällig zu Stande gekommen, da alle Lehrkräfte vorher gefragt

wurden, ob sie mit einem Interview über ihr Unterrichtskonzept für den Schriftspracherwerb

einverstanden seien. So könnte es durchaus sein, dass einige Lehrkräfte, die sich über ihr

Unterrichtskonzept selbst unsicher waren nicht an der Studie teilgenommen haben.

4.3.4 Auswertung

Für die Auswertung teilen wir die Interviews in folgende Gruppen ein: In die Schüler des ersten

Schulbesuchsjahres, des zweiten bis vierten Schulbesuchsjahres (Unterstufe) und in die Mittelstufe.

Alle Interviews mit den Lehrkräften der jeweiligen Schulstufen werden inhaltlich miteinander

verglichen und in den Ergebnissen zusammen präsentiert. Der Grund für die Trennung des ersten

Schulbesuchsjahres von den übrigen Vor- und Unterstufenklassen ist, das in der Regel im zweiten

Schulbesuchsjahr mit der Alphabetisierung begonnen wird, so dass eine unterschiedliche

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Unterrichtskonzeption zwischen dem ersten und zweiten Schulbesuchsjahr besteht. Da die

Unterschiede zwischen dem zweiten Schulbesuchsjahr und der Unterstufe deutlich geringer sind,

haben wir diese zusammengefasst. Die Trennung von der Mittelstufe bot sich in diesem

Zusammenhang ebenfalls an, weil hier die Alphabetisierung mit einem Leselehrgang meist

weitestgehend abgeschlossen ist, so dass wir hier ebenfalls eine Unterrichtskonzeption erwarten

können, die sich von der Konzeption der Unterstufe unterscheidet.

Ziel der Auswertung ist es, auf der einen Seite die Bedingungen für den Deutschunterricht in den

von uns untersuchten Schulen darzustellen und auf der anderen Seite für jede der Gruppen (erstes

Schulbesuchsjahr, zweites bis viertes Schulbesuchsjahr und Mittelstufe) die Unterschiede und

Gemeinsamkeiten der Unterrichtskonzeptionen herauszuarbeiten und darzustellen. Dabei gehen wir

nicht näher auf einzelne Schüler ein, sondern teilen sie in Gruppen ein, die wir einander

gegenüberstellen, um die Konzeptionen vergleichen zu können. Um die verschiedenen

Schülergruppen nicht immer ausführlich beschreiben zu müssen, benutzen wir die Begriffe: „Leser

und Schreiber“ und „Bilder-Ganzwort-Leser“. Der Begriff „Leser und Schreiber“ umfasst die

Schüler, die von den Lehrkräften im Lesen und Schreiben im engeren Sinne, also in der Synthese

und Analyse unterrichtet werden. Zur Gruppe der „Bilder-Ganzwort-Leser“ zählen die Schüler,

deren Deutschunterricht hauptsächlich auf der Grundlage des erweiterten Lese- und Schreibbegriffs

(u. a. nach Hublow) durchgeführt wird.

In Anlehnung an die Auswertung qualitativer Interviews von Rosenberg interpretieren wir die

Aussagen der Lehrer und teilen die verschiedenen Leistungs- und Materialgruppen, entweder den

„Bilder-Ganzwort-Lesern“ oder den „Lesern- und Schreibern“ zu. Generell kann es sein, dass

Lehrpersonen nicht immer alle Fragen exakt beantworten oder alle Aspekte berücksichtigen - da

während mancher Interviews Zeit für detaillierte Beschreibungen fehlte oder eine Frage eventuell

missverständlich formuliert war -. Das können wir rechnerisch nicht in jeder Frage berücksichtigen.

Um unsere Fragen in Bezug auf die Unterrichtskonzeptionen der einzelnen Klassen zu beantworten,

nehmen wir, wie auch schon im Interview eine Unterteilung in Schul- und Klassenebene vor.

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4.4 Ergebnisdiskussion

4.4.1 Schulebene

Schulkonzept

Im Ersten Schulbesuchsjahr besitzt von den drei untersuchten Klassen in drei verschiedenen

Schulen eine Schule ein Schulkonzept für den Schriftspracherwerb (siehe Tabelle a1 im Anhang 5).

In dieser wurde als einzige Eingangsklasse mit dem Leselehrgang „Momel lernt lesen“ begonnen.

Die anderen beiden Klassen führen Ganzwörter, Symbole und Piktogramme ein, mit dem

Leselehrgang zum Erlernen des Lesens und Schreibens von Buchstaben beginnen sie erst zu einem

späteren Zeitpunkt.

Aufgrund unserer kleinen Stichprobe können wir jedoch keine Aussage darüber treffen, ob ein

Zusammenhang zwischen dem Schulkonzept und dem frühen Beginn der Alphabetisierung besteht.

Bezogen auf den Schriftspracherwerb im zweiten bis vierten Schulbesuchsjahr ändert sich dieses

Bild jedoch. An allen fünf untersuchten Schulen existiert ein Schulkonzept. Hier bestehen jedoch

zwei Einschränkungen: in einer Schule ist ein Konzept in Planung, es wird aber bereits damit

gearbeitet und in einer anderen Schule besteht nur eine ungenaue Vorgabe seitens der Schulleitung

(siehe Tabelle a2 in Anhang 5).Von den fünf Schulen arbeiten zehn Klassen nach dem Konzept bzw.

der Vorgabe, eine Klasse benutzt jedoch einen anderen Leselehrgang als Basis (siehe Tabelle a4 in

Anhang 5). Der eigentlich vorgegebene Leselehrgang wird als Zusatzmaterial genutzt.

In der Mittelstufe (ab dem fünften Schulbesuchsjahr) können wir von den zwei untersuchten

Schulen nur eine einbeziehen, da wir zu einer Schule keine genauen Angaben haben. In der

befragten Klasse wird lediglich das Konzept der Unterstufe fortgeführt. Die zweite Schule hat kein

Konzept. Hier gehen zwei Klassen individuell vor und eine Klasse benutzt den Leselehrgang aus

der Unterstufe weiter (siehe die Tabellen a3 und a5 im Anhang 5).

An unseren Ergebnissen fällt auf, dass alle Schulen für die Unterstufe (Zweites bis viertes

Schulbesuchsjahr) ein Konzept für den Schriftspracherwerb haben. Wir gehen davon aus, dass es

einfacher ist, ein Schulkonzept für die Unterstufe zu entwickeln. Denn hier kann sich eher an einem

Leselehrgang orientiert werden, der den Fachzielen der Stufe gerecht wird, die Reihenfolge der

Buchstaben festlegt, einheitliche Lautgebärden einführt, etc. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass

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die Schüler, wenn sie in eine andere Klasse wechseln, dem Unterricht der anderen Klasse leichter

folgen können. Das erste Schulbesuchsjahr und die Mittelstufe (ab dem fünften Schulbesuchsjahr)

hingegen haben meistens kein eigenes Konzept für die Stufe. Hier wird entweder bereits mit dem

Konzept der Unterstufe begonnen oder aber der in der Unterstufe eingeführte Leselehrgang wird

fortgeführt. Wir können uns vorstellen, dass es schwieriger ist, ein Schulkonzept für den

Schriftspracherwerb in diesen Stufen zu entwickeln, da es verschiedene Zielsetzungen gibt, über die

sich im Vorfeld geeinigt werden muss. Im ersten Schulbesuchsjahr gibt es verschiedene

Schwerpunktsetzungen, wie z.B. Arbeitsverhalten, Wahrnehmung, Graphomotorik, Ganzwörter, etc.

In der Mittelstufe (ab dem fünften Schulbesuchsjahr) hingegen variieren die Schwerpunktsetzungen

zwischen dem Neubeginn mit einem Leselehrgang für schwächere Schüler, einem Ganzwortkatalog

für andere Schüler, der verstärkten Übung des Schreibens, oder dem Training des Lesens, etc.

Gebärden

Für alle Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in Düsseldorf wurde von einem

Arbeitskreis ein einheitliches (laut begleitendes) Gebärdensystem entwickelt und den Lehrkräften

zur Verfügung gestellt. Zusätzlich wurde sich auf das Lautsystem aus dem Leselehrgang „Momel“

verständigt. Im Rhein- Kreis Neuss gibt es eine Schule mit einem Schulinternen Gebärdensystem,

in den beiden anderen Schulen werden in einigen Klassen z. T. schulintern unterschiedliche

Gebärdenkataloge eingesetzt. Lautgebärden werden aus den unterschiedlichen Leselehrgängen

übernommen.

Schulinterne Arbeitsgemeinschaften zum Thema Schriftspracherwerb

Von den fünf untersuchten Schulen bieten drei Schulen Arbeitsgemeinschaften (im Folgenden: AG

s) und Förderkurse an, die sich mit der Schriftsprache auseinandersetzen. Hier findet sich eine

Zeitungs-, eine Theater-, eine Bilderbuch- AG und zwei Förderkurse, einer zur Kommunikation,

einer zur „Unterstützten Kommunikation“. An dieser Stelle sollte angemerkt werden, dass einige

der AGs, wie beispielsweise die Theater- AG nicht jährlich, sondern nur jedes zweite Schuljahr

angeboten werden. An zwei Schulen gibt es gar keine AGs bzw. Förderkurse zu dieser Thematik.

(siehe Tabellen a7 und a8 im Anhang 5). Insgesamt kann man sagen, dass das Angebot an

Möglichkeiten für die Schüler, sich mit der Schriftsprache außerhalb des regulären Unterrichts

auseinandersetzen durchaus verbesserungsfähig ist. Für die Schüler ist dies wichtig, denn es kann

für sie ein guter Anreiz sein, sich dem Schriftspracherwerb aus einer anderen Perspektive zu nähern.

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Klassenübergreifende Kooperationen

Innerhalb unserer Stichprobe haben die Unterstufen (zweites bis viertes Schulbesuchsjahr) in zwei

verschiedenen Schulen den Deutschunterricht in Klassenübergreifenden Kooperationen organisiert

(siehe Tabelle a10 in Anhang 5). In einer Schule wurden leistungshomogene klassenübergreifende

Lerngruppen im Schulkonzept vorgeschrieben. In der anderen basiert die Kooperation auf

persönlicher Initiative der Lehrkräfte beider Klassen.

In den übrigen Stufen wird der Deutschunterricht nur im Klassenverband durchgeführt (siehe

Tabellen a9, a10 und a11 in Anhang 5). Viele Lehrkräfte wären einer Kooperation im

Deutschunterricht jedoch nicht abgeneigt.

Die Gründe, warum diese nicht ermöglicht wird, werden von den befragten Lehrkräften

folgendermaßen angegeben: Es sei organisatorisch schwer umzusetzen, es scheitere am

Desinteresse einzelner Kollegen, etc.

Wir können uns vorstellen, dass die Schüler in starkem Maße von solchen Fördergruppen, die

vermutlich leistungshomogener sind, profitieren würden. Denn hier könnte spezifischer auf die

Bedürfnisse der einzelnen Schüler eingegangen werden. Organisatorisch wäre das vermutlich besser

auf Schulebene, als auf Klassenebene zu erreichen.

Schulbücherei

Von den fünf untersuchten Schulen gibt es in zwei Schulen eine eigene Schulbücherei für die

Schüler (siehe Tabelle a12 in Anhang 5). In einer davon ist die Organisation an eine

Oberstufenklasse gebunden und befindet sich in der Ecke eines Computerraumes. In den Schulen,

die nicht über eine Schulbücherei verfügen, gibt es in den einzelnen Klassenräumen ein

Bücherangebot für die Schüler der jeweiligen Klasse. Eine Ausleihe ist nicht vorgesehen.

Wir finden es schade, dass es nur so wenige Schulen gibt, die eine Schulbücherei besitzen. Eine

solche könnte sicherlich zu einer stärkeren Bücherkultur innerhalb der Schule beitragen und so das

Interesse der Schüler an Büchern fördern. Auch die organisatorischen Aspekte, wie z.B. das

Ausleihen, Signieren und das Einsortieren der Bücher, können bei ihnen die Auseinandersetzung

mit der geschriebenen Sprache verbessern. Eine Idee wäre es beispielsweise, eine entsprechende

AG einzurichten, die die Pflegschaft übernimmt und in der sich alle interessierten Schüler beteiligen

können.

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4.4.2 Klassenebene

4.4.2.1 Bedingungsfeld

Betreuungsschlüssel

Der Betreuungsschlüssel im ersten Schulbesuchsjahr liegt bei Durchschnittlich 3,5 Schülern pro

Lehrkraft. Die Werte erstrecken sich zwischen 3:1 und 4:1. Es gibt in allen Klassen ausreichend

Pflegepersonal für die Betreuung der schwer behinderten Schüler, so dass die Lehrkräfte vermutlich

keine Unterrichtszeit für die Pflege zur Verfügung stellen müssen (siehe Tabelle b1 im Anhang 5).

Im zweiten bis vierten Schulbesuchsjahr liegt der durchschnittliche Betreuungsschlüssel bei 3,8

Schülern pro Lehrkraft. Die Spanne umfasst Werte zwischen 3:1 und 5,5:1. Hier ist ein großer

Unterschied zwischen den einzelnen Klassen festzustellen. Von den insgesamt elf Klassen gibt es

nur in sechs eine ausreichende Abdeckung des Pflegebedarfs der schwer behinderten Schüler durch

Fachpersonal, während in fünf Klassen vermutlich Lehrer an der Pflege beteiligt sind und so

eventuell Unterrichtszeit verloren geht (siehe Tabelle b2 in Anhang 5).

In der Mittelstufe gibt es Durchschnittlich 3,6 Schüler pro Lehrkraft. Die Spanne ist sehr gering und

liegt zwischen 3,5:1 und 3,6:1. Die Pflege der schwer behinderten Schüler wird in allen befragten

Klassen von Pflegekräften abgedeckt (siehe Tabelle b3 in Anhang 5).

Auffällig ist, dass sich der durchschnittliche Betreuungsschlüssel von Lehrkräften in allen drei

Stufen nicht besonders unterscheidet. Allerdings ist dieser im zweiten bis vierten Schulbesuchsjahr

am geringsten. Wir hätten vermutet, dass der Betreuungsschlüssel eher bei den älteren Schülern

geringer ist.

Anzahl der Blöcke

Im ersten Schulbesuchsjahr findet der Deutschunterricht durchschnittlich in vier Blöcken pro

Woche, in einer der Schulen sogar täglich statt. Hier ist allerdings das Training der

Vorläuferfähigkeiten, wie der Wahrnehmung und Graphomotorik mit eingeschlossen (siehe Tabelle

b4 in Anhang 5).

Im Zweiten bis vierten Schulbesuchsjahr werden durchschnittlich drei Blöcke Deutschunterricht pro

Woche durchgeführt. Die Spanne erstreckt sich von einem bis vier Blöcken, wobei nur in einer

Klasse ein einziger Block Deutschunterricht pro Woche stattfindet (siehe Tabelle b5 im Anhang 5).

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Ab dem fünften Schulbesuchsjahr (Mittelstufe) werden durchschnittlich drei Blöcke Deutsch pro

Woche unterrichtet. Die Anzahl in den einzelnen Klassen variiert zwischen zwei und vier Blöcken

pro Woche (siehe Tabelle b6 im Anhang 5).

Insgesamt unterscheidet sich die Anzahl der Blöcke Deutschunterricht pro Woche in den

verschiedenen Stufen nicht stark voneinander. Im ersten Schulbesuchsjahr wird zwar

durchschnittlich vier Mal pro Woche Deutsch unterrichtet, allerdings wird hier das Training der

Vorläuferfähigkeiten mit einbezogen, welches besonders im ersten Schulbesuchsjahr einen hohen

Stellenwert einnimmt. Die Lehrkräfte der Unter- und Mittelstufe nannten mehrere Bereiche, die sie

neben dem Leselehrgang dem Deutschunterricht zurechnen, wie beispielsweise die Deutsch

-Übungsaufgaben in Wochenplänen, Deutsch- Freiarbeitsmaterialien, der Morgenkreis, die

Besprechung des Stundenplans oder Vorleseeinheiten.

Es fällt auf, dass im Gegensatz zu dem Deutschunterricht an einer allgemeinbildenden Grundschule

wo dieser in der Regel jeden Tag stattfindet, der investierte Zeitaufwand mit durchschnittlich nur

drei Blöcken in der Woche deutlich geringer. Auch empirisch ist nachweisbar, das der

Zusammenhang zwischen der Lernzeit und dem Leistungszuwachs linear ist (Helmke, 2009, 81).

Den zeitlichen Rahmen für den Deutschunterricht zu erweitern wäre also eine sinnvolle Maßnahme

um den Lernzuwachs der Schüler zu verbessern.

Räumliche Möglichkeiten

Von den drei untersuchten Klassen des ersten Schulbesuchsjahres hat eine Klasse gar keinen

Nebenraum zum differenzierten Arbeiten, ein Klasse einen Nebenraum und eine weitere Klasse

besitzt mehrere Arbeitsräume. Im zweiten bis vierten Schulbesuchsjahr stellt sich die Situation

anders dar. Hier gibt es sieben Klassen mit einem und sogar vier mit mehreren Nebenräumen. In

den untersuchten Mittelstufenklassen hat die Hälfte einen Nebenraum und die andere Hälfte keinen

(siehe die Tabellen b7, b8, b9 im Anhang 5).

Insgesamt fällt auf, dass fast zwanzig Prozent der von uns untersuchten Klassen keine Möglichkeit

zur räumlichen Differenzierung haben. Alle Unterstufenklassen (zweites bis viertes

Schulbesuchsjahr) unserer Untersuchung haben mehrere Klassenräume zur Verfügung, doch da

unsere Stichprobe zu klein ist, können wir das Ergebnis nicht verallgemeinern.

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4.4.2.2 Klassenkonzept

4.4.2.2.1 Erstes Schulbesuchsjahr

Raumgestaltung

Wir haben die Lehrkräfte gefragt, ob der Raum anregend gestaltet sei, so dass die Schüler sich mit

der Schriftsprache auseinandersetzen können. Hieraus ergaben sich folgende Antworten:

Material Anzahl der Klassen

Bilderbücher 3

Symbole im Raum 3

Materialschrank zum Lesen und Schreiben 3

Ganzwort (Name) + Bild 1

Lautgebärden 1

Momelhandzeichen 1

Erster Buchstabe 1

Da die Frage offen gestellt war und wir keine Kategorien vorgeschlagen haben, sind in den

Klassenräumen vermutlich mehr Materialien zu finden, wie z.B. Fotos der Schüler mit den

dazugehörigen Namen. Daraus folgern wir, dass nicht allen Lehrkräften bewusst ist, welche

Raumelemente den Schriftspracherwerb anregen und fördern. Stattdessen betrachten sie diese

überwiegend als Dekoration. Als Elemente, die den Schriftspracherwerb anregen, werden jedoch

von allen befragten Lehrkräften Bilderbücher, Symbole und der Materialschrank zum Lesen und

Schreiben genannt.

Lerngruppen

Die Lehrer unterteilen ihre Klasse in verschiedene Lerngruppen für den Schriftspracherwerb. In

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allen Klassen wird eine Gruppe aus Schülern mit schweren Behinderungen gebildet, die in diesem

Bereich mit eigener Zielsetzung und anderem Material unterrichtet wird. Eine Ausnahme bildet hier

der Morgenkreis, in dem sie in der Regel teilnehmen.

In einer Klasse werden zusätzlich alle anderen Schüler zu einer Ganzwortgruppe zusammengefügt,

in einer weiteren Klasse werden die übrigen Schüler in eine Ganzwortgruppe und eine „Bilder-

Symbolwörter“ Gruppe eingeteilt. In der Klasse, die bereits mit dem Leselehrgang beginnt, werden

die anderen Schülergruppen in zwei Gruppen unterteilt, die das Konzept „Momel“ in

unterschiedlicher Schnelligkeit durchnehmen (siehe Tabelle c2 und c3 im Anhang 5).

Vorläuferfähigkeiten

Übungen zur Grob- und Feinmotorik werden in allen Klassen durchgeführt, die anderen

Vorläuferfähigkeiten, wie Singspiele, Arbeitsverhalten, Figur- Grundwahrnehmung und Bilderlesen

werden jeweils von einer Klasse geübt (siehe Tabelle c4 im Anhang 5). Bei der Betrachtung der

Tabelle ist zu berücksichtigen, dass die einzelnen Lehrer lediglich die Vorläuferfähigkeiten

angegeben haben, die sie als zentrale Voraussetzung für den Erwerb der Schriftsprache ansehen.

Übungen wie beispielsweise Singspiele werden vermutlich von allen Klassen durchgeführt, sie

werden von den Lehrkräften jedoch nicht in Verbindung zum Schriftspracherwerb gesehen.

Ganzwörter

Wir haben erfahren, dass in allen Klassen jeden Tag ein Morgenkreis stattfindet, in dem der

Stundenplan anhand von Piktogrammen besprochen und das Datum erarbeitet wird. Hier werden

die ersten Ganzwörter, wie z. B. Wochentage täglich geübt. Dazu werden in einer Schule

Materialien aus dem Lehrgang „Geistigbehinderte lesen ihren Stundenplan“ genutzt. Um weitere

Ganzwörter, wie beispielsweise Schülernamen zu erlernen, wird der Lehrgang „Geistigbehinderte

lernen ihren Namen lesen und schreiben“ benutzt. Zusätzlich werden Wörter aus den Lehrgängen:

„Momel“, „Jetzt schaukelt der kleine Bär“ und „Elmar“ als Ganzwörter eingeführt (siehe Tabelle c5

und c6 im Anhang 5).

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Unterrichtskonzeptionen

In den verschiedenen Klassen sind unterschiedliche Konzeptionen erkennbar, die wir in der

folgenden Tabelle gegenüberstellen:

Anzahl der Klassen

Unterrichtskonzeption

1 Basis: Training der Vorläuferfähigkeiten (Figur- Grund

Wahrnehmung, feinmotorische Übungen, Arbeitsverhalten)

3. Programm: „Geistigbehinderte lesen ihren Stundenplan“; vor

Programmbeginn wird der Name gelernt (mit Fotos, Memorykärtchen,

etc.)

4. ab zweitem Schulbesuchsjahr soll der Leselehrgang („Momel“)

begonnen werden

1 Basis: Training der Grob- und Feinmotorik (mit dem Programm:

„Jetzt schaukelt der kleine Bär“ abgewandelt mit Teddybär) und

Programm „Geistigbehinderte lernen ihren Namen lesen und

schreiben“

• Zusätzliches Material: Bilder auf Magnettafel heften, Geschichte:

„Elmar der kleine Elefant“

• danach soll der Leselehrgang („Lesenlernen mit Hand und Fuß“)

begonnen werden

1 Basis: Training der Vorläuferfähigkeiten ( Figur- Grund

Wahrnehmung, Psychomotorik, Arbeitsverhalten, Feinmotorik) und

der Leselehrgang „Momel“

• Zusätzlich werden Namen und Wochentage eingeführt und

Buchstaben werden gesichert (Plakat auf dem Boden,

Buchstabenkarten, etc.)

In allen Klassen nimmt das Training der verschiedenen Vorläuferfähigkeiten eine zentrale Rolle ein

und stellt zusammen mit einem Lehrgang die Basis der Unterrichtskonzeption dar. Das Lesen und

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Schreiben des eigenen Namens ist ein wichtiger Aspekt des Schriftsprachunterrichts und wird daher

in allen Klassen angebahnt.

Beim Vergleich der verschiedenen Unterrichtskonzeptionen fällt auf, dass in einer Klasse bereits

nach einigen Wochen des ersten Schulbesuchsjahres mit dem Leselehrgang begonnen wird. Die

anderen Klassen beginnen erst deutlich später mit der Alphabetisierung (am Ende des ersten

Schulbesuchsjahres oder Anfang des zweiten Schulbesuchsjahres). Wir können vermuten, dass es

sich um eine Klasse mit besonders vielen leistungsstarken Schülern oder um eine Schulinterne

Absprache handelt

Zusatzmaterial

Zusätzlich zu den durchgeführten Lehrgängen, wurden jedoch auch Angaben über weitere

Materialien gemacht. Diese fassen wir in der nachfolgenden Tabelle in Materialgruppen zusammen.

Es fällt auf, dass in allen befragten Klassen das zusätzliche Material einen großen Raum einnimmt:

Anzahl der Klassen

Materialgruppen Material

2 (Ganz-) Wortgebärden

2 Lautgebärden

2 Buchstabenmaterial Teppichfliesen, Plakate auf dem Boden, Buchstabenkarten, Formbuchstaben

3 Fotos Schülerfotos

3 Fotos+ Ganzwort Fotos mit Namen- Kärtchen, Steckleiste, Magnettafel mit Bildern

3 Symbole/ Piktogramme/ Bilder Stundenplan, Memory, Boardmaker- Symbole, Symbole aus dem Lehrgang von Susanne Dank

3 Symbole, Bilder + Ganzwort Steckleiste, Magnettafel mit Bild

1 Talker Bigmac

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4.4.2.2.2 Zweites bis viertes Schulbesuchsjahr

Gesamte Klasse

Raumgestaltung

In den Unterstufenklassen (zweites bis viertes Schulbesuchsjahr) gingen wir im Vorfeld der

Untersuchung von einer durch den Schriftspracherwerb geprägten Raumgestaltung aus, da hier das

Lesen- und Schreibenlernen auf Ebene von Buchstaben, Silben und Wörtern im Vordergrund des

Lernprozesses steht:

Raumgestaltung Anzahl der Klassen

Bücher, Bilderbücher 8

Organisation( Stundenplan, Essensplan, Kalender…)

4

Buchstaben 6

Ganzwörter 2

Bilder, Symbole, Piktogramme 7

Fotos Keine Angabe

Wortgebärden 1 (in Düsseldorf alle Schulen)

Lautgebärden 4 (werden von den verschiedenen Lehrgängen angeboten)

Anlauttabelle 2

Materialzugang 5

Vorlesen 2

Schreibanlass wird gegeben kleine Tafel) 1

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Würde man die Ergebnisse dieser Frage in unserer Untersuchung interpretieren, ohne ihr

Zustandekommen zu beachten, wäre die Schlussfolgerung, dass in der Regel keine besonders

förderliche Raumgestaltung vorzufinden ist. So hängen beispielsweise nicht in jeder Klasse

Abbilder der eingeführten Buchstaben, Ganzwörter werden den Schülern lediglich in zwei von elf

Klassen dargeboten, etc. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist allerdings zu beachten, dass wir

eine offene Frage gestellt und keine Kategorien vorgegeben haben. Deshalb können wir nur

Aussagen darüber treffen, welche Raumgestaltungselemente die Lehrkräfte als Teil ihres

Unterrichtskonzeptes zum Schriftspracherwerb betrachten. Die Frage nach den Raumelementen

erschien uns jedoch trotzdem wichtig, da verschiedene Konzepte, wie beispielsweise der

Spracherfahrungsansatz, der die Erfahrungen der Schüler in den Mittelpunkt stellt, eine

schriftsprachlich gestaltete Lernumgebung erfordert.

Aus unseren Ergebnissen lässt sich erkennen, dass zwei drittel der Befragten den Klassenraum

sowohl mit (Bilder-) Büchern als auch mit Bildern, Symbolen und Piktogrammen ausstatten, um

den Schriftspracherwerb zu fördern. Ca. die Hälfte der Lehrer sieht Organisationselemente, wie

beispielsweise den Stundenplan, die Abbildung von Buchstaben und Materialzugang, als für den

Schriftspracherwerb wichtiges Anschauungsmaterial an. Elemente wie Ganzwörter oder Vorlesen

wird von den Lehrern allerdings weniger als Teil ihrer Konzeption angesehen. Anlauttabellen

gehören in den meisten Unterstufenklassen (zweites bis viertes Schulbesuchsjahr) nicht zur

Unterrichtskonzeption. Daher vermuten wir, dass tatsächlich nur wenige Anlauttabellen in der

Klasse hängen.

Auch Wortgebärden werden in diesem Zusammenhang nur einmal genannt, obwohl sie in allen

Düsseldorfer Schulen sowohl auf Schulebene vorgeschrieben, als auch häufig genutzt und trainiert

werden. Auch können wir davon ausgehen, dass nicht nur vier, sondern alle Klassen über

Lautgebärden verfügen - diese jedoch nicht angeben -, da mit dem jeweiligen Leselehrgang auch

Lautgebärden eingeführt werden. Als positiv kann man herausheben, dass in einer Klasse den

Schülern eine kleine Tafel als Schreibanlass zur Verfügung gestellt wird.

In unseren Interviews haben die Befragten die Raumgestaltung als unterschiedlich wichtig

eingestuft. So hat ein Lehrer gesagt, dass die Schüler die Angebote nur nach Aufforderung der

Lehrkraft nutzen. Unserer Meinung nach ist es jedoch wichtig, dass die Lehrperson die Schüler zur

Auseinandersetzung mit den Materialien anregt.

Arbeitsform

In allen von uns befragten Klassen werden im Deutschunterricht unterschiedliche Gruppen gebildet.

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Zu Beginn wird mit allen Schülern der Gruppe gemeinsam ein Thema eingeführt, anschließend

arbeiten die Schüler in Einzelarbeit an ihren Materialien. Innerhalb dieser Gruppen wird in drei

Klassen die Gruppenarbeit und in drei weiteren Klassen die Partnerarbeit als weitere Lern/

Arbeitsform herangezogen. In zwei Klassen findet Wochenplanarbeit statt, in dem die Schüler

individuelle Aufgaben zu verschiedenen Fächern bearbeiten (siehe Tabelle d2 in Anhang5).

Wir können feststellen, dass in allen Klassen Einzelarbeit stattfindet, vermutlich ist dies durch das

Alter der Schüler bedingt. Wie uns einige Lehrer berichteten, sind die Schüler leicht ablenkbar und

lernen am Besten, wenn sie selbst beteiligt sind.

Vorläuferfähigkeiten

Acht von insgesamt elf Klassen trainieren die Graphomotorik als Vorläuferfähigkeit des

Schriftspracherwerbs. Dies ist anscheinend die Vorläuferfähigkeit, die am Wichtigsten angesehen

wird. Außerdem werden von jeweils ein bis zwei Klassen noch Grobmotorik, Phonetik, die Figur-

Grund Wahrnehmung, die Wahrnehmung und der Wortschatz trainiert (siehe Tabelle d4 in

Anhang5).

Durch das Training der Graphomotorik, das auch von verschiedenen Leselehrgängen als

Zusatzübung angeboten wird und das hier einen so großen Stellenwert einnimmt, soll vermutlich

das Schreiben gefördert werden. Übungen zur Grobmotorik, Figur- Grund Wahrnehmung und das

Wahrnehmungstraining werden seltener durchgeführt. Wir gehen davon aus, dass das Training

dieser Vorläuferfähigkeiten in vielen Klassen bereits abgeschlossen ist. Bei phonetischen Übungen

handelt es sich um ein neueres Konzept, dass in der Grundschule unterstützend zum

Schriftspracherwerb angeboten wird. Da dieses Training neu und in den Förderschulen eher

unbekannt ist, wird es integriert zum Leselehrgang angeboten aber von den Lehrkräften nicht als

eigenes Konzept angesehen.

„Bilder- Ganzwort- Gruppe“

Gruppen

Von den elf befragten Klassen, werden die „Bilder- Ganzwortleser“ in sieben Klassen zu einer

Gruppe und in drei Klassen zu zwei Gruppen zusammengefasst. In einer Klasse gibt es keine

„Bilder- Ganzwort Leser“ (siehe Tabelle d5 in Anhang 5).

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Aus den Antworten der Lehrkräfte haben wir folgende Gruppen an „Bilder- Ganzwortlesern“

zusammengefasst:

Kategorien Anzahl der Gruppen

Gruppe (Ist- Stand)

Ziel am Ende des Schuljahres

Ziel am Schulen

Kommunikation

1 Kommunikation per Stepper

Rückschritte vermeiden

nicht genannt (wegen rückläufiger Entwicklung)

2 Situationslesen: Ursache- Wirkungsprinzip kennen-

mit Bildern umgehen, Weiteren Entwicklung der Fähigkeiten

Kommunikationshilfen beherrschen (Go- Talk 20), „Mitteilen können“, Kommunikation, Verständigung

1 Fotos erkennen

Training der unterstützten Kommunikation

Kein Ziel genannt

Symbole, einige Ganzwörter

3 Symbole Lesen (Unterscheidung, Bedeutung), Talker- Training

Symbol/ Situationsverständnis erweitern, Buchstaben nachfahren, eigenen Namen erkennen, Konzentrationspanne erweitern

„sich mitteilen“, Abbildungen verstehen, („lebenspraktisch fit werden“), Ziel wird nicht genannt

5 Fotos/ einfache Abbildungen erkennen

einige Ganzwörter erkennen, einige Buchstaben erkennen, Name- Foto Zuordnung, Handführung zulassen, Symbole für UK

„sich sinnerfassend im Alltag zurecht finden“, 3 mal kein Ziel für Schulende genannt

Ganzwortleser

1 Ganzworte lesen, Namen schreiben, Bild- Wort-

Sätze legen mit Bildern

Bücher für sich nutzen, Beschreibungen und Bilderlesen, Piktogramme erkennen

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Zuordnung

Wie aus der Tabelle hervorgeht, werden die Schüler in sechs verschiedene Leistungsebenen

unterteilt. Es gibt eine leistungsstarke Gruppe, die wir einer Ebene zuteilen und die als einzige

Gruppe Ganzwörter lesen kann. Bezogen auf das Schulende werden für diese Gruppe relativ klare

Ziele formuliert (s. o.).

Die restlichen Leistungsebenen kann man wiederum in zwei grobe Kategorien unterteilen. Zwei

Leistungsebenen (insgesamt acht Gruppen) beschäftigen sich mit ersten Ganzwörtern und

Buchstaben, außerdem mit Symbolen und Bildern, während auf drei weiteren Ebenen (vier

Gruppen) das Training mit Kommunikationshilfen im Vordergrund steht.

Die Ziele zum Ende der Schulzeit von den Schülern, die wir diesen beiden Kategorien zugeordnet

haben, unterscheiden sich nicht sehr stark und werden oftmals nicht angegeben. Sie haben

gemeinsam, dass sich die Schüler ihren Möglichkeiten entsprechend im Alltag zu Recht finden und

ihre kommunikativen Fähigkeiten erweitern sollen.

Insgesamt wurde von den Lehrkräften für sechs der dreizehn Gruppen kein Ziel für das Schulende

angegeben. Für sechs Gruppen wurden die Ziele ungenau formuliert, wie beispielsweise die

Aussage, das Ziel für das Schulende sei: „sich mitteilen“. Lediglich bezogen auf die

leistungsstärkste Gruppe wurden die Ziele differenziert angegeben. Unserer Meinung nach ist es

wichtig, dass die Ziele bezogen auf das Schulende angegeben werden, auch wenn das Schulende

noch weit entfernt ist. Denn um die Schüler gezielt fördern zu können, sollten sich die Lehrkräfte

über die Ziele für ihre Schüler im Klaren sein. Es ist auffällig, dass gerade die Zielsetzung für die

leistungsstärkste Gruppe differenzierter angegeben wird. So stellt sich für uns die Frage, ob dieses

Ergebnis verallgemeinerbar ist, also ob es generell eine ungenauere Formulierung der Ziele von

Schülern gibt, die Situationen, Abbildungen und Fotos sowie einiger Ganzwörter lesen können, oder

ob dies nur hier der Fall ist. Dieser Frage möchten wir Anhand der noch folgenden Ergebnisse zu

einem späteren Zeitpunkt der Diskussion nachgehen.

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Material

Aufgrund der Aussagen der Lehrkräfte über das Material für die „Bilder-Ganzwort-Leser“, haben

wir eine Tabelle, bestehend aus sieben Materialgruppen entwickelt:

Anzahl der Klassen

Materialgruppen Material Übungen

7 Fotos Fotos der Schüler

1 Foto + Ganzwort Fotos mit Namen

4 Bilder, Piktogramme,

Bingo, Memory, Talker

9 Bilder, Piktogramme, Symbole + Ganzwort

Setzkästen, Bildkarten, Boardmaker- Symbole, Bilder aus Prospekten

5 Ganzwörter Namen, Stundenplan, Organisatorisches, Kalender

Wortschatz-training

2 (Wort-) Gebärden

1 Anlaute Zuordnung: Bild-Anlaut

Hervorzuheben ist, dass in fast allen der zehn Klassen mit „Bilder-Ganzwort-Lesern“ (neun von

zehn Klassen) den Schülern Bilder, Piktogramme und Symbole mit Ganzwörtern angeboten werden.

Beispielsweise in Form von Setzkästen oder Bildkarten - überwiegend selbst hergestelltes Material.

Das zweit-häufigste Material sind Fotos der Schüler, die in fast jeder Klasse vorhanden sind. In ca.

der Hälfte der Klassen sind Bilder und Piktogramme („Metacom“- Bilder, Bilder aus dem

„Susanne- Dank“- Bilderkatalog, „Carlsson“- Bildkarten und „Boardmaker“- Symbole) zu finden.

Außerdem werden in fünf von zehn Klassen isolierte Ganzwörter angeboten. Dazu gehören

Zahlwörter, Eigennamen und Namen der Mitschüler, Wochentage, Monate und Ganzwörter aus

Programmen. Als Übung wird ein Wortschatztraining angeboten. Zusätzlich werden in einer der

Klassen Anlaute eingeführt (eventuell zur Unterstützung der Ganzworteinführung).

Es fällt auf, dass die Anzahl der angegebenen Materialien für Schüler, die sich im weiteren Sinne

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mit Schriftspracherwerb auseinandersetzen sowie die Anzahl an Materialien für schwer behinderte

Schüler eher gering ist. Das kommt unserer Meinung nach deswegen zustande, weil die Lehrer in

ihren Antworten eher Materialien für den Schriftspracherwerb im engeren Sinne angeben.

„Lese-Schreib-Gruppe“

Gruppen

Die elf Klassen werden in unterschiedlich viele Leistungsgruppen eingeteilt. Die meisten Lehrkräfte

bilden aus ihren „Lesern- und Schreibern“ zwei verschiedene Gruppen. Auffällig ist, dass es in einer

Klasse vier Gruppen, in einer jedoch nur eine gibt (siehe Tabelle d8 in Anhang5).

Die Gruppen haben wir in der folgenden Tabelle in sechs verschiedene Leistungsebenen unterteilt.

Die einzelnen Leistungsebenen haben wir nur grob zusammengefasst, so können wir uns nicht ganz

sicher darüber sein, dass alle Schüler der verschiedenen Gruppen sich genau auf dem gleichen

Leistungsstand befinden:

Kategorien

Anzahl der Gruppen

Gruppe (Ist-Stand)

Ziele Ende des Schuljahres

Ziele Ende der Schulzeit

Texte 1 Sinnent-nehmendes Lesen von Fremden Texten, Sätze und Texte frei schreiben

Textproduktion, verbesserte Graphomotorik, Inhalte wiedergeben, Zusammenfassen

Lesen

2 Nach Gehör schreiben. Lesen, sinnentneh-mend Lesen, nach Diktat schreiben

Fähigkeiten weiterentwickeln,

Texte mit Fragen selbständig bearbeiten, Feinmotorik üben

Keine Angaben, Buch oder Zeitung sinnentneh-mend lesen

Sätze 3 18 Buchstaben, einfache Sätze lesen (Lautgetreu)

7-8 Buchstaben dazu. Lesen üben mit vorhandenen Buchstaben.

2x Lesen, keine Angabe

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Schreibfähigkeit trainieren, in kleiner Lineatur schreiben, sinnentnehmend kleine Sätze lesen, komplexere Sätze erlesen, lautgetreues Aufschreiben

Worte 5 Einfache Wörter lesen, Texte abschreiben, Zusammenschleifen, Wortdiktate (z.B. Name), viele Ganzwörter, alle Buchstaben

Selbständig lesen, flüssiges Zusammenschleifen, 4 neue Buchstaben, Feinmotorik üben, Wörter lautgetreu aufschreiben, kleine Sätze lesen

Buch oder Zeitung sinnentneh-mend lesen, „richtig lesen“, einfache Sätze lesen, keine Angabe, sinnentnehmendes lesen

Silben und Buch-staben

8 einige Buchstaben, Silben zusammen-schleifen, Ganzwortlesen, eigenen Namen schreiben

Einige neue Buchstaben, Silbenzusammenschleifen vertiefen. Lautsynthese, neue Ganzwörter (Lernwörter) lesen, Fähigkeiten weiterentwickeln, kurze einfache Wörter erlesen, sinnentnehmendes Lesen einzelner Wörter, loslösen von Ganzwörtern, eigenen Namen schreiben, eigenständig Worte verschriften

Lesen lernen, sinnerfassen-des Lesen, Schrift erkennen, Wörter lesen und kennen, 4x Keine Angabe, kleine Sätze lesen können

7 Anlaute und einige Buchstaben, Buchstabe-Anlautbildverknüpfung, ca. 10 Buchstaben, graphomotoris

Des Lebens freuen,Anlaute hören, Signalwörter lesen, 2 weitere Buchstaben, die anderen Buchstaben festigen, gelernte Anlautbegriffe zuordnen,

6x keine Angabe, Zurechtfinden mit Piktogrammen, einfache, wichtige Wörter lesen

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che Übungen, Piktogramme und Bilder lesen

Zusammenschleifen erlernen (3-4 Buchstaben), erste Wörter und Silben zusammenschleifen, Buchstaben ohne Hohlform schreiben, vorhandenes sichern

Die Schüler der beiden unteren Leistungsebenen (15 der insgesamt 26 Gruppen) sind noch nicht auf

der Wortebene. Sieben Gruppen davon kennen einige Buchstaben. Sie beschäftigen sich im

laufenden Schuljahr mit der Einführung neuer Buchstaben und dem Zusammenschleifen erster

Silben/Wörter. Die anderen acht Gruppen können bereits erste Silben zusammenschleifen und ihren

Namen schreiben. Ihre Zielsetzung für das Schuljahr ist die Weiterentwicklung des

Zusammenschleifens und das Lesen und Schreiben erster Wörter. Die Ziele beider Ebenen bezogen

auf das Schulende werden selten angegeben: 10 von 15 Aussagen sind ohne Angaben. Die

Aussagen, die wir bekommen haben, sind jedoch konkret formuliert. Auffällig hierbei ist, dass es

einen großen Unterschied in der Zielsetzung der „Silbenleser“ gibt. Eine Gruppe hat das Ziel

sinnentnehmend lesen zu können (auf Textebene), während eine andere einzelne Wörter erlesen

soll. Dieser Unterschied kann einerseits dadurch zustande kommen, dass wir die Einteilung der

Ebenen zu grob vorgenommen haben, auf der anderen Seite kann es sein, dass die verschiedenen

Lehrkräfte in Bezug auf die langfristigen Zielsetzungen unterschiedliche Ansichten haben. Während

einige Lehrkräfte hohe Ziele haben und die Förderung der Schüler darauf ausrichten, haben andere

Lehrkräfte nach eigener Aussage: „realistische“ Ziele, die sich sehr stark am Ist- Stand der Schüler

orientieren.

Die Schüler der fünf Gruppen auf der nächst höheren Ebene, befinden sich bereits auf der

Wortebene und haben das Ziel ihre Lesekompetenz durch das Erlernen neuer Buchstaben zu

verbessern. Auf einer weiteren Ebene gibt es drei Gruppen mit Schülern, die bereits einfache Sätze

lesen können. Ihr Ziel ist es komplexere Sätze zu lesen und das Schreiben zu üben. Es ist

erstaunlich, dass die Schüler der drei Gruppen der beiden stärksten Ebenen bereits Texte

sinnerfassend lesen können. Die Schüler aus zwei dieser Gruppen schreiben außerdem kleine

Diktate und haben für Schuljahresende das Ziel, Fragen zu Texten selbstständig zu beantworten,

wohingegen eine für die Unterstufe ungewöhnlich starke Gruppe eigenständig Texte produzieren

kann.

Von den restlichen vier Ebenen über der Wortebene wird für fast die Hälfte der Gruppen keine

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Angabe bezogen auf das langfristige Ziel gemacht (vier von elf Gruppen). Bei allen anderen

Gruppen ist die Zielsetzung das Lesen von Büchern und Zeitungen. Die Wortlese- Gruppe, die sich

auf das Lesen von Sätzen beschränkt bildet hier eine Ausnahme.

Auffällig ist, dass auch bei den „Lesern und Schreibern“ viele Lehrkräfte keine Angaben zu den

langfristigen Zielen ihrer Schüler getroffen haben. In den beiden unteren Ebenen, in denen sich die

Schüler noch nicht mit Wörtern auseinandersetzen, werden zu zwei dritteln keine Angaben darüber

gemacht. Die Tendenz ändert sich jedoch ab der Wort- Ebene. Hier werden öfter Angaben gegeben.

Dies deckt sich mit den Ergebnissen der „Bilder- Ganzwort Leser“, wo von den Lehrkräften

ebenfalls weniger Angaben über die schwächeren Gruppen gemacht wurden. Wir schließen daraus,

dass es sich um eine generelle Tendenz der Lehrkräfte handelt, sich über die Ziele für die

schwächeren Schüler nicht so bewusst zu sein, wie bei stärkeren Schülern und sie so im Interview

ungenauer bzw. gar nicht zu formulieren. Dadurch besteht die Möglichkeit einer Benachteiligung

der schwächeren Schüler durch unfachgerechte Förderung.

Konzeptionen

Aus den angegebenen Lehrgängen und den zusätzlichen Materialien haben wir drei verschiedene

Unterrichtskonzeptionen für den Deutsch- Unterricht erstellt. Zwei Konzeptionen arbeiten mit dem

Leselehrgang: „Momel lernt lesen“, eine weitere basiert auf dem Leselehrgang: „Lesenlernen mit

Hand und Fuß“:

Anzahl der Klassen

Konzeption

4 Hauptsächlich „Momel lernt lesen“

• Vorläuferfähigkeiten: graphomotorische Übungen des „Momel“-

Vorläuferbandes, visumotorische Übungen, Rhythmik,

Koordination

• Computer (Budenberg und Gebärdenprogramm), Buchstaben üben

mit eigenem Material

5 „Momel lernt lesen“ als Basis oder als Einstieg

• Buchstaben üben und festigen mit eigenem Material, mit Spielen

für Buchstaben

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• Programme (zum Buchstaben üben): 2x Lesen lernen mit Hand

und Fuß, Persen- Verlag, Nordschrift, „Tinto“- Anlauttabelle,

Computer („Budenberg“, „Konfetti“), Lautgebärden von Hand und

Fuß

• Vorläuferfähigkeiten: Phonologische Übungen, Physiologische

Übungen, graphomotorische Übungen, Wahrnehmungsübungen,

Übungen zum Arbeitsverhalten

• Andere Programme (nicht Buchstaben üben): „Bitte lesen“

2 „Lesenlernen mit Hand und Fuß“ als Basis

• graphomotorische Übungen

• Buchstaben üben mit eigenem Material

• Programme: Lesen und Verstehen, Computer: (Budenberg, Gebärdenprogramm)

Neun von den elf untersuchten Klassen arbeiten mit dem Leselehrgang: „Momel lernt lesen“. In

einer Klasse gibt das Schulkonzept den Leselehrgang: „Lesenlernen mit Hand und Fuß“ vor, dort

werden die Buchstaben jedoch nach dem Lehrgang „Momel lernt lesen“ eingeführt. Die Konzeption

der beiden anderen Klassen basiert auf dem Lehrgang: „Lesenlernen mit Hand und Fuß“.

Es sieht so aus, als ob der Leselehrgang: „Momel lernt lesen“ im Deutschunterricht der Schulen mit

dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung eine entscheidende Rolle spielt. Dies geht auch aus

den Aussagen der Lehrkräfte über diesen Lehrgang hervor. Generell wird dieser als besonders

angemessen für die Altersklasse beschrieben. Als Positiv wird zum einen die Vorgehensweise (klare

Strukturierung, die Kleinschrittigkeit des Lehrgangs, Gebärden für Grapheme), das Material,

welches für die Altersgruppe geeignet ist und sich gut modifizieren lässt, aber auch die Motivation

des Lehrgangs (Anschaulichkeit, Handpuppe, Geschichten) hervorgehoben. Einzelne Lehrkräfte

kritisieren an diesem Leselehrgang jedoch den Fibel- Text, der ihrer Meinung nach nicht gut ist,

bemängelt wird auch, dass „Momel“ als einziger Lehrgang nicht ausreicht. Eine Lehrerin kritisiert

außerdem, dass bei der Durchführung des Lehrgangs nicht alle Schüler gleichzeitig beschäftigt sind.

Besonders hervorzuheben ist die Aussage: „Es gibt kein anderes [Programm]“ (siehe Tabelle d12 in

Anhang5).

Zusätzlich gibt es in allen Klassen Material zum Üben der Buchstaben und Vorläuferfähigkeiten. Es

werden andere Programme (entweder am Computer oder Arbeitsblätter aus anderen

Leselehrprogrammen) oder eigen erstelltes Material genutzt. Von allen Klassen wird das

99

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Computerprogramm „Budenberg“ als zusätzliches, unterstützendes Material genutzt. Von den

Lehrkräften wird dieses Programm aufgrund seiner „Schlichtheit“ und „Minimalistischen

Ausführung“ als geeignet für den Einsatz an Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige

Entwicklung angesehen. Im folgenden Unterpunkt werden wir uns genauer mit den Materialien

auseinandersetzen.

Material

Für die Darstellung des verwendeten Zusatzmaterials haben wir die gleiche Tabellenform gewählt

wie schon bei dem Material für die „Bilder-Ganzwort-Leser“. Beim direkten Vergleich wird gut

sichtbar, wie groß die Materialspanne innerhalb der Klassen ist:

Anzahl der Klassen

Material-gruppen

Material Übungen

4 Wahrneh-mung

Kim-Spiele Konzentration, Physiomotorische Übungen, Vorübungen im Wahrnehmungsbereich, Figur-Grund-Wahrnehmung, Visu-motorische-Übungen

11 Ganzwörter Gebärdenkarten, Wort-Bild-Zuordnung, Gebärdenprogramm am Computer, Lautsprachbegleitende Gebärden, Tage, Zahlen, Monate, Namen, eigene Lernwörter, Bingo

Wortschatztraining, Sätze legen mit Ganzwörtern und Bildern, Namen nachspuren, eigenen Namen schreiben, Ganzwort-Bild/Symbol-Zuordnung, Symbolschriftkärtchen

6 Anlaute Anlauttabelle, Lautgebärden, Computer, Anlautbuchstaben+ Bilder an der Tür/ auf Poster

Anlaute finden, Anlaute hören, Phonetische Übungen als Einstieg, Wörter finden, die mit neuen Buchstaben anfangen, Anlaute zu Bildern sortieren

9 Feinmotorik „Momel“- Vorläuferlehrgang, Arbeitsblätter

Buchstaben nachspuren, Prickeln, Kneten, In Sand schreiben,

100

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11 Grapheme und Phoneme

Arbeitsblätter, Wochenplan, Klammerkärtchen, „Budenberg“, Spiele für Buchstaben, „Bergedorfer Kopiervorlagen“, Lautgebärden + Stationen aus dem Leselehrgang: „Lesen lernen mit Hand und Fuß“, Magnetbuchstaben, Holzbuchstaben, „Konfetti“, Konfetti- CD, Buchstaben mit Bild, Von A bis Z (Computer), Druckschriftlehrgang von „Momel“, Fühlbuchstaben, Große Papierrollen mit Buchstaben, Freiarbeitsmaterialien von „Hand und Fuß“, Buchstabenhefte, Stempel, Selbstkontrollmaterial, Norddruck

Prickeln, Kneten, In Sand schreiben, Backen, Phonetische Übungen als Einstieg, Buchstaben nachschleifen, Phonemtraining, Buchstaben schreiben, Buchstaben heraushören und schreiben, Inlautbestimmen mit Kärtchen

5 Silben LRS- Programm zum Silbenlesen

Syntheseübungen, Zusammenschleifen üben, Buchstabieren lassen, lesen, Silben bilden, Wörter legen

7 Worte, Orthogra-phie

Budenberg, Schreibübungen mit Gegenständen, Konfetti, eigene Lernwörter, Karteikästchen, Arbeitsblätter, „Liesmal“

Wortschatztraining, Bewegungsspiele, Wortdiktat, Buchstabieren lassen, Lesen, Wörter abschreiben, Wörter legen

5 Sätze eigenes Schreibheft, Mappen zu den Vorlesebüchern, „Liesmal“, Arbeitsblätter

Sätze schreiben, Leseaufträge, Schreiblabor, Fragen beantworten, Vorlesen, Sätze abschreiben, Sätze lesen

2 Texte Lesebücher z.B. Olchis, Textkärtchen-Zuordnung

Vorlesen, Rollenspiele zur Geschichte, Bilder malen zur Geschichte, Texte lesen bevor

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von Lehrer vorgelesen

Nachdem wir uns mit den Konzeptionen der verschiedenen Klassen auseinandergesetzt haben und

feststellen konnten, dass in allen Klassen neben den Leselehrgängen: „Momel lernt lesen“ und

„Lesenlernen mit Hand und Fuß“ weiteres Material genutzt wird, zeigt diese Tabelle, welches

Ausmaß diese Zusatzmaterialien einnehmen. Es wird deutlich, dass das zusätzliche Material einen

hohen Stellenwert einnimmt. So gibt es in jeder Klasse verschiedenes Material und zahlreiche

Übungen zu Graphemen und Phonemen und zu Ganzwörtern. Zu den Phonemen und Graphemen

werden zusätzlich feinmotorische Übungen angeboten, wie Buchstaben nachspuren, Prickeln, in

Sand schreiben etc.

Wir unterscheiden hier zwischen Anlauten und Graphemen/Phonemen da sie für den Unterricht mit

verschiedenen Schülergruppen relevant sind. Da in ca. der Hälfte aller Klassen Materialien zu

Anlauten zu finden sind, wird sichtbar, dass in den restlichen Klassen der Unterricht im

Schriftspracherwerb schon weiter fortgeschritten ist und sich mit Graphem-Phonem-

Korrespondenzen anstatt mit Anlauten beschäftigt wird. Die Wahrnehmung wird ebenfalls in vielen

Klassen nicht mehr trainiert. Bei ca. der Hälfte der Klassen werden als Zusatzmaterial Silben

angegeben, um u. a. das Zusammenschleifen zu üben. Worte (Orthographie) und Sätze, die

ebenfalls in ca. der Hälfte der Klassen angeboten werden, lassen andererseits vermuten, dass sich

noch nicht die Schüler aller Klassen auf dieser Leistungsebene befinden, da dazu das

Zusammenschleifen beherrscht werden muss. Auffällig ist, dass nur in zwei der Klassen Texte

angeboten werden, die von Schülern selbst gelesen und bearbeitet werden. Hier zeigt sich, dass die

Mehrzahl der Schüler noch nicht in der Lage ist sich selbstständig mit Texten auseinander zu setzen.

Die offen gestellte Frage könnte allerdings auch in dieser Tabelle dazu geführt haben, dass einzelne

Materialien von den Lehrkräften nicht erwähnt wurden, obwohl sie im Unterricht vorhanden sind.

Wir können uns das z.B. bei Materialien zum Silben-Zusammenschleifen vorstellen, da die Lehrer

diese als Übungen zu den Worten eingeordnet haben könnten.

Die im letzten Abschnitt vorgestellten Unterrichtskonzeptionen können demnach nicht ohne das von

den Lehrern selbst hergestellte bzw. zusammengesuchte Zusatzmaterial gesehen werden, weil dieses

einen großen Teil des Unterrichts ausmacht, der auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler

eingeht.

102

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4.4.2.2.3 Mittelstufe (ab fünftem Schulbesuchsjahr)

Raumgestaltung

Die Stichprobe besteht aus vier Klassen in zwei verschiedenen Schulen. Um die

Raumgestaltungselemente darzustellen, haben wir die Antworten der Lehrkräfte über die

Materialen, die in den Klassenräumen zu finden sind, in Kategorien zusammengefasst:

Gestaltungselemente Anzahl der

Klassen

Bücher 2

Materialzugang 1

Ganzwort + Bild, Foto, Piktogramm 2

Organisation (Stundenplan, Essensplan, Kalender) 2

Buchstaben, Anlaute 2

Lautgebärden 1

Wortgebärden 3

Schreibanlass 1

Plakate, kleine Texte 1

Es fällt auf, dass viele Lehrer der Mittelstufen, im Gegensatz zu Vor- und Unterstufen Wortgebärden

als Gestaltungselemente erwähnen. Schreibanlass, Plakate (kleine Texte) und Materialzugang

werden nur in jeweils einer Klasse angegeben, Bücher in der Hälfte. Da diese Materialien das

weiterführende Lesen und Schreiben unterstützen, hätten wir erwartet, dass sie in allen Klassen der

Mittelstufe zu finden sind. In sofern überrascht uns dieses Ergebnis, allerdings müssen wir an dieser

Stelle erklären, dass die Lehrkräfte - wie schon in den Klassen der Vor- und Unterstufe - die

Raumgestaltungselemente nicht unbedingt in ihre Unterrichtskonzeptionen einbeziehen und deshalb

nicht erwähnen.

Dass in der Hälfte der Klassen Buchstaben und Anlaute angeboten werden, aber nur in einer Klasse

Lautgebärden, hängt unserer Meinung nach damit zusammen, dass das Erlernen der Buchstaben,

möglicherweise schon abgeschlossen ist. Denn insbesondere die Lautgebärden stellen eine Hilfe für

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die Einführung und Synthese der ersten Buchstaben dar.

Arbeitsform

Auch in der Mittelstufe werden die Klassen in verschiedenen Leistungsgruppen unterrichtet. In drei

von vier Klassen ist die Gruppenzusammensetzung leistungshomogen, in einer ist sie heterogen

(siehe Tabelle e3 in Anhang5). Unserer Meinung nach, ist die Zusammensetzung der Gruppen

heterogener zu gestalten, um den sozialen Aspekt beim Lernen mehr in den Vordergrund zu rücken.

Außerdem können leistungsschwächere Schüler von den Erklärungen der anderen profitieren,

leistungsstärkere Schüler hingegen erhalten durch die von ihnen erbrachten Hilfestellungen

zusätzliche Übungsmöglichkeiten.

Auch fällt uns die geringe Variationsbreite der Arbeitsformen im Deutschunterricht auf, die wir

gerade in der Mittelstufe als größer eingeschätzt hätten: Innerhalb der Gruppen wird in allen

Klassen Einzelarbeit durchgeführt. Partner- und Gruppenarbeit spielen dahingegen eine

untergeordnete Rolle und werden jeweils nur in einer Klasse angewandt. In zwei Klassen werden

die Übungsphasen zum Teil in Wochenplan und Hausaufgaben verlegt (siehe Tabelle e2 in

Anhang5).

Hierbei ist jedoch anzumerken, dass evtl. einige der Lehrkräfte nicht jede Arbeitsform im

Deutschunterricht einzeln angegeben haben. Es ist vorstellbar, dass verschiedene Arbeitsformen wie

beispielsweise die Arbeit an Stationen von einigen Lehrern unter Einzelarbeit eingeordnet wurden.

„Bilder-Ganzwort-Leser“

Gruppen

Von den vier befragten Mittelstufenklassen, werden die „Bilder-Ganzwort-Leser“ in zwei Klassen

zu einer Gruppe zusammengefasst und in den anderen beiden Klassen in zwei verschiedene

Gruppen unterteilt (siehe Tabelle e5 in Anhang 5).

Aus den Angaben der Lehrkräfte bezogen auf die „Bilder-Ganzwort-Leser“, haben wir fünf

verschiedene Leistungsebenen entwickelt:

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Anzahl der Gruppen

Gruppe (Ist- Stand)

Ziel am Ende des Schuljahres Ziel am Schulende

1 Situationsleser, Ursache- Wirkungs-Prinzip erkennen

Weiter fördern Evtl. Bilder/ Fotos erkennen

1 Einige Symbole erkennen, Gebärdenkenntnis

Intensive Nutzung des Symbolvokabulars, Gebärdenwortschatz erweitern, mit Bildkarten umgehen

Umgang mit dem Supertalker, Bilder- Piktogramme lesen, sich in der Umwelt orientieren

2 Bilder/ Symbole lesen, einige Ganzwörter

Kommunikation fördern (durch Talker- Training, Step-by- Step),bessere Zusammenarbeit mit Sprachtherapeuten

In der Gesellschaft existieren, Kommunikation fördern

1 Mehrere Ganzwörter lesen

Zusätzliche Ganzwörter erlesen Auch Sätze auf Ganzwortebene lesen

1 Ganzwort-lesen, Kenntnis von Gebärden, Drei- Wort Sätze erlesen, Informationen aus Piktogrammen entnehmen

Weiter fördern Gebärden festigen, Schwerpunkt liegt auf Kommunikation

Die Spanne der Gruppen reicht von Situationslesern bis zu Ganzwortlesern, die Drei- Wort- Sätze

lesen können und Kenntnis der Gebärdensprache haben. Auffällig ist, dass es bei den

Mittelstufenklassen unserer Stichprobe zwei Gruppen gibt, die der stärksten Ganzwortleser-Gruppe

der Unterstufen weit voraus sind. Der Unterricht stellt das Training der Ganzwörter in den

Mittelpunkt und legt weniger bzw. kaum Wert auf die Einführung von Buchstaben. In der

Unterstufe liegt im Gegensatz dazu auch bei den „Bilder- Ganzwort-Lesern“ ein Schwerpunkt auf

der Einführung von Anlauten und Buchstaben. Dadurch bleibt das Ziel der Alphabetisierung zu

einem späteren Zeitpunkt noch offen, während dies in der Mittelstufe nicht mehr relevant zu sein

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scheint. Somit könnte man meinen, dass auch die Ziele für das Schulende hier stärker auf

Ganzwörter ausgerichtet sind. Für fünf der sechs Gruppen, sind die Ziele aber ungenau formuliert

oder gehen in andere Richtungen wie z.B. „Gebärden festigen“. Lediglich in einer Gruppe wurde

als Ziel: „Sätze auf Ganzwortebene lesen“ angegeben.

Im Gegensatz zu den Vor- und Unterstufen, wo die Ziele oftmals gar nicht angegeben wurden,

wurde hier jedoch für jede Gruppe ein Ziel für das Schulende formuliert. Unsere These, die

Zielsetzung von leistungsschwächeren Schülern sei generell ungenauer formuliert, lässt sich also

nicht bestätigen: Es gibt zwar auch in der Mittelstufe unpräzise Zielsetzungen zum Schulende, eine

steigende Tendenz bei schwächeren Gruppen ist aber nicht feststellbar. Allerdings ist unsere

Stichprobe hier wesentlich kleiner und deshalb nicht so aussagekräftig wie in der Unterstufe.

Material

Aus den Angaben der Lehrkräfte zum Material haben wir acht Materialgruppen gebildet. Wir haben

auch eine Gruppe „Anlaute/Buchstaben“ aufgenommen, wir sind uns aber nicht sicher, ob es sich

tatsächlich um Material der „Bilder-Ganzwort-Leser“ handelt:

Anzahl der Klassen

Materialgruppen Material

1 Kommunikationshilfen Step -by- Step

3 Fotos Große Fotokarten, Fotos mit Personen, Essen, Spielzeug

1 Foto + Ganzwort Fotos + Namen

4 Bilder, Piktogramme, Symbole

Boardmaker- Symbole, Bildkärtchen, Small- Talker/ Super- Talker mit Piktogrammen

3 Bilder, Piktogramme, Symbole+ Ganzwort

Wetterbericht, Stundenplan

3 Ganzwörter Stundenplan, Datum, Satzanfänge, Vokabelheft für Ganzwörter

2 Wortgebärden

3 Anlaute/Buchstaben Stempel, Anlaut + Gebärdenbild, Holzbuchstaben, Magnetspiel, Knete

Jede der vier Klassen besitzt Material mit Bildern, Piktogrammen und Symbolen. Das stellt einen

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Unterschied zur Unterstufe dar, wo weniger als die Hälfte der Klassen mit Bildern und

Piktogrammen arbeiten. Auch die Ganzwörter stellen einen deutlichen Unterschied zum

Materialfundus der Unterstufenklassen dar. Ganzwörter, die geübt werden sind wie auch schon in

der Unterstufe: Namen, Wörter aus dem Stundenplan, einige wichtige Themen-bezogene Wörter

und Ganzwörter aus den Leselehrgängen. Zusätzlich bieten die Lehrkräfte hier jedoch auch

Sachthemen- bezogene Wörter, z.B. aus den Bereichen Wetter, Feste, Jahreskreis, Städtenamen etc.

an. Außerdem gibt es Wörter aus speziellen Interessensgebieten wie der Bundesliga, Wörter aus der

Ganzwortsammlung „Leseschwänke- Brüggemann“ und es werden Satzanfänge geübt. Angesichts

dieses vielfältigen Materials sehen wir uns in unserer Schlussfolgerung aus dem letzten Unterpunkt

bestätigt, dass hier der Schwerpunkt auf der Festigung und Ausweitung des Ganzwortvokabulars

liegt.

Wie schon erwähnt, haben wir das Material für Anlaute und Buchstaben in die Materialdarstellung

der „Bilder- Ganzwortleser“ aufgenommen, wir wissen jedoch nicht genau, ob dieses Material auch

von dieser Gruppe genutzt wird. Dafür spricht, dass das Material, wie beispielsweise

Holzbuchstaben unserer Meinung nach vor allem für das Erlernen der ersten Buchstaben geeignet

ist. Dagegen spricht jedoch, dass für keine der Gruppen das Schreiben von Buchstaben von den

Lehrkräften explizit als Ziel für den Unterricht angegeben wurde (siehe Tabelle e6 in Anhang 5).

Daher vermuten wir, dass das Training der Buchstaben/Anlaute eine zusätzliche Hilfe für das Lesen

von Ganzwörtern oder für das Schreiben des eigenen Namens darstellt.

„Leser und Schreiber“

Gruppen

Die „Leser und Schreiber“ werden in drei von uns untersuchten Klassen in drei verschiedene

leistungshomogene Gruppen unterteilt, in der vierten Klasse gibt es nur ein Gruppe (siehe Tabelle

e8 in Anhang 5).

In der folgenden Tabelle teilen wir diese Gruppen in fünf verschiedene Leistungsebenen ein. Einen

Schüler, der eine eigene Leistungsgruppe bildet, haben wir bewusst nicht aufgenommen, da er aus

Migrationsgründen über mangelnde Deutschkenntnisse verfügt. Grundsätzlich wird dieser jedoch

von der Lehrkraft den „Lesern und Schreibern“ zugeordnet.

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Anzahl der Gruppen

Gruppe (Ist- Stand) Ziel am Ende des Schuljahres

Ziel am Schulende

2 Textlesen+ Fragen dazu beantworten, selbstständiges Textschreiben, vereinfachte Ausgangsschrift, überwiegend lautgetreues Schreiben, aber Kenntnis einiger orthographischer Regeln

Satzanfänge großschreiben, Punkt am Ende des Satzes schreiben, Lernwörter richtig schreiben, Unterscheidung zwischen Verben und Nomen (Groß- und Kleinschreibung), freies Briefe schreiben

Zeitung lesen können,

Briefe verfassen und Mitteilungen schreiben (z.B. SMS, Einkaufszettel) Orientierung im Alltag durch Lesen

Kleine Lektüren lesen

1 Selbstformuliertes Schreiben von Sätzen, sinnentnehmendes lesen von kurzen einfachen Texten+ Fragen beantworten

Verbesserte Grammatik (Präpositionen und Pronomen), Verbesserung der Fähigkeit sich schriftlich auszudrücken

Schriftliche Informationen einholen

3 Zusammenschleifen kurzer Wörter, kurze Sätze mit bekannten Wörtern lesen, abschreiben, Bildergeschichten

Abbau von Hilfestellungen, weitere Förderung,

Verständnis für Geschichten erweitern, routinierteres Zusammenschleifen, Standartsätze lesen

Einfache Wörter aus dem Kopf aufschreiben, Lesen im Alltag zur Orientierung, 1 x keine Angabe

2 Silben zusammenschleifen, Buchstabenkenntnis

Kenntnis neuer Silben, akustische Analyse trainieren

Zeitung lesen können, Briefe verfassen und Mitteilungen schreiben, alltägliche Informationen Beschaffen (z.B. TV- Programm), SMS schreiben

1 Kommunikation durch Gebärdensprache, Kenntnis aller Buchstaben von

Festigung der Buchstaben, einige neue Buchstaben erlernen, Gebärden unterstütztes

Kurze klare Texte sinnentnehmend lesen

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„Momel 1“, Laute verbalisieren, Kenntnis von Ganzwörtern, Sätze aus Ganzwörtern lesen

Lesen, Silben –zusammenschleifen

Insgesamt zeigen sich große Unterschiede in den Leistungsständen der Schüler. Während sich die

Schüler der stärksten drei Gruppen sinnentnehmend mit Texten auseinandersetzen und eigene

Texte /Sätze schreiben können, beschäftigen sich die Schüler der anderen fünf Gruppen mit dem

Zusammenschleifen von kurzen Wörtern/Silben. Eine Gruppe von Schülern, die sich auf der Wort-

oder Satzebene befinden, zeigt sich hier also nicht.

Insgesamt ist hervorzuheben, dass es in zwei der vier Klassen Gruppen gibt, die Schreibschrift

schreiben, Texte sowohl eigenständig lesen als auch produzieren und über einige orthographische

Kenntnisse verfügen. Besonders interessant finden wir eine offensichtlich nicht- lautsprachliche

Gruppe, die vorher Ganzwörter trainierte und darin weit fortgeschritten ist. Diese hat

augenscheinlich erst später mit der Alphabetisierung begonnen und übt nun das

Zusammenschleifen. Aus diesem Beispiel wird deutlich, dass sich einige Schüler nicht von Beginn

der Schulzeit an mit Buchstaben auseinandersetzen, sondern erst an Ganzwörter herangeführt

werden.

Die Ziele zum Ende der Schulzeit sind nicht direkt am derzeitigen Lernstand orientiert, sondern

sehr hochgesteckt und detailliert formuliert. Eine einzige Gruppe bildet eine Ausnahme, da für sie

gar kein Ziel für das Schulende angegeben wurde. Hier ist ein deutlicher Unterschied zu den

Aussagen der Lehrkräfte in den Unterstufenklassen erkennbar, wo die Ziele bezogen auf das

Schulende sehr oft nicht oder nur ungenau angegeben wurden. Wir vermuten, dass die Lehrkräfte

die von ihren Schülern erreichbaren Ziele nun besser einschätzen können, da das Ende der Schulzeit

nicht mehr so weit weg ist wie in der Unterstufe.

Unterrichtskonzeption

Auch hier haben wir aus den Aussagen der Lehrkräfte Konzeptionen herausgearbeitet. Da es sich

um vier sehr verschiedene Vorgehensweisen handelt, konnten wir jedoch keine Gruppierung

vornehmen:

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Anzahl der Klassen

Konzeption

1 „Momel“ [-Folgeband] als Basis

• Zusätzlich: Oldenburger Programm: „Leseschule“, Arbeitsblätter

für Buchstaben/ Wörter aus anderen Programmen

• Eine Anlauttabelle für einen Schüler

• Computerprogramme: Lernwerkstatt, Budenberg, Cesear- lesen

1+2

• Lernwortkartei für Orthographie

• Textformen: Liedtexte, Gedichte, Kinderbücher, Lektüren mit

Fragen dazu

1 „Lesenlernen mit Hand und Fuß“ [-Folgeband] als Basis (ohne

Stationen) , Lautgebärden vom Programm „Lesen lernen mit Hand

und Fuß“ zum Zusammenschleifen von Lautverbindungen

• Zwei weitere Lehrgänge: „Mit kleinen Texten durchs Jahr“

„Grammatikalische Grundübungen“ (Schrödel- Verlag),

Computerprogramm: „Budenberg“ und zusätzlich Arbeitsblätter

• Schreibanlässe schaffen, Texte, Lückentexte

• Übung der Graphomotorik (für einige Schüler)

• Anlauttabelle für einige Schüler

1 Kein standardisiertes Programm als Grundlage

• Vorläuferfähigkeiten: Wahrnehmungsübungen und Graphomotorik

• geübt werden: einfache Wörter, Zusammenschleifen und Sätze

lesen mit: Bergedorfer Kopiervorlagen, Computerprogramm:

„Lernwerkstatt“

110

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1 Kein standardisiertes Programm als Grundlage

• Vorläuferfähigkeiten: graphomotorische Übungen

• Schreibanlass /Projekt: persönliches Tagebuch anfertigen über das

ganze Schuljahr (Wetterbericht, Anwesenheitspflicht,

Verschönerung, freie Erweiterung) individuelle Bearbeitung

möglich (Ganze Sätze, handschriftlich, am PC, Ganzwort- Bild

basiert), Lernworte (Orthographie und Gebärden)

• Zusätzliches Material aus den Programmen (individuell für

Schüler, die vorher damit gearbeitet haben): „Lesenlernen mit

Hand und Fuß“, „Lesen mit Lo“+ Lautgebärden, „Momel“

• Selbst hergestelltes Programm für einen Schüler (basiert auf

Interesse): Fußball, Städtenamen, etc.,

• Zusätzliche Programme: „Lernkiste Lesen und Schreiben“,

Computerprogramm: „Budenberg“

• Für fortgeschrittene Leser/Schreiber: „Gelesen- Verstanden“,

„Lesetraining- interaktiv“

In allen Mittelstufenklassen finden sich unterschiedliche Unterrichtskonzeptionen. Zwei Klassen

haben wie auch in den Unterstufenklassen jeweils einen Leselehrgang als Basis. Zwei weitere

Klassen gehen nicht nach einem Leselehrgang vor, sondern stellen ihr Material selbst zusammen,

wobei eine Klasse ihren Deutschunterricht auf einem (Tagebuch-) Projekt aufbaut. Hier zeigt sich

ein Unterschied zur Unterstufe, in der sich alle Klassen an Leselehrgängen orientieren. Der Einsatz

eines Leselehrgangs hat jedoch sowohl Vor- als auch Nachteile. Einerseits bietet er den zu

lernenden Stoff strukturiert und mit geeigneten Übungen an. Dies erleichtert es dem Lehrer den

Unterricht zu planen und auch die Schüler profitieren von der starken Strukturierung des

Unterrichts. Der Nachteil bei der Orientierung an einem einzigen Lehrgang ist allerdings, dass nicht

auf das Lerntempo und den Zugang jedes einzelnen Schülers eingegangen werden kann, so wie dies

bei dem Einsatz verschiedener Materialien der Fall ist.

Unserer Meinung nach orientiert sich der Unterricht in den Unterstufen aus mehreren Gründen

stärker an Lehrgängen:

• Weil die meisten Schüler der Unterstufe zunächst die ersten Buchstaben erlernen sollen und

der Unterricht damit eine ähnliche Zielsetzung verfolgt.

• Weil das Arbeitsverhalten und die Konzentrationsspanne der Schüler eine stärkere Präsenz

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der Lehrkraft im Unterricht erfordert, so dass eine individuelle Unterrichtsgestaltung für

jeden Schüler schwer umzusetzen ist. Vorstrukturiertes Material ist deshalb hilfreich.

Im Gegensatz dazu sind in der Mittelstufe die Ziele der Schüler unterschiedlicher. Sie arbeiten

selbständiger, so dass die Lehrkraft mehr Zeit für einzelne Schüler zu Verfügung hat. Dadurch bietet

sich eine Vorgehensweise an, die sich nicht nur an einem Lehrgang orientiert. Es kann stärker auf

die Bedürfnisse einzelner Schüler eingegangen werden, wie es beispielsweise in einer von uns

untersuchten Klasse der Fall ist. Hier wird im Deutschunterricht der Mittelstufe ein Projekt

durchgeführt, zusätzlich werden in Übungseinheiten unterschiedliche Materialien für jeden Schüler

angeboten.

Material

In dieser Tabelle haben wir aus den angegebenen Materialien und Übungen der verschiedenen

Klassen zehn Materialgruppen gebildet. Unter Lektüre fassen wir die Bücher zusammen, die von

den Schülern gelesen und im Unterricht bearbeitet werden:

Anzahl der Klassen

Material-gruppen

Material Übungen

1 Wahrnehmung Wahrnehmungs-übungen

3 Anlaute Anlauttabelle, „Budenberg“

4 Feinmotorische Übungen

Vorübungen von „Momel“ Schreiben in der Lineatur

3 Ganzwörter Organisatorisches (Stundenplan, etc.), Bild- Wort-Zuordnung, Vokabelheft mit Ganzwörtern+ Gebärden

4 Übungen zu Graphemen/ Phonemen

„Momel“, „Lesenlernen mit Hand und Fuß“, „Budenberg“, Buchstaben- gebärden Verbindung, „Bergedorfer Kopiervorlagen“

Knete, Stempel, Magnetspiel, Diphthonge üben

3 Silben Material aus„Budenberg“

4 Worte (Orthographie)

Oldenburger Programm: „Leseschule“, „Budenberg“, Gebärden „Lernwerkstatt“,

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Lernwortkartei, Arbeitsblätter, Lückentexte, „Bergedorfer Kopiervorlagen“

4 Sätze Arbeitsblätter, „Budenberg“, Lernwerkstatt, „Cesaer- Lesen“ Fragen (umformulieren), „grammatikalische Grundübungen“ Projekt: „Tagebuch“

4 Texte „Cesear- Lesen“, Gedichte, Liedtexte, Schreibanlässe, Lückentexte, „Mit kleinen Texten durchs Jahr“, Projekt: „Tagebuch“ „Gelesen- Verstanden“, „Lesetraining interaktiv“

Themenplakate erstellen

2 Lektüre Bücher, Kinderbücher

Im Gegensatz zur Unterstufe stellen die Materialien in der Mittelstufe teilweise die Basis der

Unterrichtskonzeption dar und nehmen deswegen einen hohen Stellenwert ein. Bezogen auf die

oben dargestellten Leistungsgruppen innerhalb der „Leser und Schreiber“ zeigt sich, dass sich die

zwei stärksten Gruppen mit Lektüren auseinandersetzen. Für diese und die weitere fortgeschrittene

Gruppe wird Material auf der Satz-, Text- und Wortebene angeboten. Alle weiteren Gruppen

befinden sich noch nicht auf Wortebene. Wir vermuten, dass für diese das Material zum Üben von

Worten, Buchstaben, Ganzwörtern und Silben verwendet wird, wobei wir Materialien zur

Feinmotorik, zu Anlauten und zu Graphemen/Phonemen als Buchstaben-Material zusammenfassen.

Es ist auffällig, dass in allen Klassen Material auf Text- und Satzebene angegeben wurde, obwohl

sich nur in drei der Klassen Gruppen auf diesem Leistungsstand befinden. Eventuell ist uns ein

Fehler bei der Zuteilung der Materialien unterlaufen, oder die Texte bzw. Sätze werden von den

Lehrkräften anders genutzt, wie z. B. zum Training des Hörverständnisses.

Nur in einer der Klassen werden Wahrnehmungsübungen durchgeführt. Möglicherweise wird in den

anderen Klassen das Training der Wahrnehmung, falls es stattfindet, nicht mehr dem

Schriftspracherwerb zugeordnet.

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4.4.2.3 Unterrichtsziele

Lesen versus Schreiben

Die Aussagen der Lehrkräfte bezogen auf ihre Zielsetzung beim Lesen und Schreiben haben wir in

vier Kategorien eingeteilt. Für einige Lehrkräfte ist Lesen wichtiger als Schreiben, während für

andere beides gleich wichtig ist. In einigen Klassen wird mit dem Lesen bzw. dem Schreiben

begonnen und anschließend beides gleichwertig unterrichtet.

Die Lehrkräfte haben sich, mit einer Ausnahme, bei dieser Frage auf alle Schüler ihrer Klasse

bezogen. Eine Lehrkraft unterscheidet in Bezug auf die Zielsetzung zwischen den leistungsstärkeren

und -schwächeren Schülern, so dass diese Klasse in zwei Kategorien auftaucht und wir insgesamt

19 Aussagen haben.

Anzahl der Aussagen

Gruppen Begründungen

1 x Unterstufe

2x Mittelstufe (1x nur stärkere Gruppe)

Beides gleich wichtig

Schreiben: Briefe verfassen,

Lesen: sinnentnehmendes Lesen, durch Lesen wird Schreiben gefördert

Für leistungsstärkere Schüler der Mittelstufe

1x Vorstufe

7x Unterstufe

Erst mal Lesen, dann sowohl Lesen als auch Schreiben

Lesen geht erstmal besser/ hat Vorrang wegen Orientierung im Alltag, aber Zusammenschleifen ist schwierig

Schreiben ist schwieriger wegen der motorischen Leistung, erfordert sehr viel Übung, Schüler erlernen schneller Lesen, bevor sie selbst schreiben können, Schreiben kommt zeit verzögert: Schwerpunkt liegt deshalb auf Kommunikation und Freude daran, 2x Schreiben trainiert das Lesen,

2x Wichtig: eigenen Namen schreiben, Adresse schreiben

durch Lesen kommt Interesse für das Schreiben,

Ziel: Selbstständigkeit

2x Vorstufe

1x Unterstufe

Erst mal Schreiben, dann sowohl Schreiben als

Schreiben muss mehr geübt werden,

Lesen ist schwierig wegen dem Zusammenschleifen

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auch Lesen

2x Unterstufe

3x Mittelstufe (1x nur schwächere Gruppe)

Lesen ist wichtiger

Lesen: 2 x ist Lebensnäher, wichtig zur Orientierung/ Kommunikation,

Schreiben: wird nie nutzbar, freies Schreiben ist fast unmöglich, motorisch schwierig (möglicherweise mit PC) Schreiben wird trotzdem gefördert, 2x ist nicht lebensnah/ alltagsrelevant, das Anspruchslevel ist zu hoch,

Wichtig: Eigenen Namen schreiben

„Nicht- schreiben zu können ist nicht so stigmatisiert wie nicht- Lesen zu können“

Für leistungsschwächere Schüler der Mittelstufe

Wir haben uns mit dieser Frage auseinandergesetzt, da die Zielsetzung des einzelnen Lehrers

Auswirkungen auf den Unterricht bzw. die jeweilige Unterrichtskonzeption hat. Betrachtet man alle

Stufen im Vergleich, dann wird sichtbar, dass sie unterschiedliche Schwerpunkte bezogen auf das

Lesen und Schreiben setzen.

In zwei der drei Vorstufen legen die Lehrkräfte zunächst mehr Wert auf das Schreiben, wobei sie

später beide Kulturtechniken als gleichwertig ansehen. Das Zusammenschleifen beim Lesen sehen

sie als schwierig an, aber sie legen sehr viel Wert auf das Schreiben des eigenen Namens. Da diese

Kategorie überwiegend von Vorstufenlehrern genannt wird, scheint es sich hierbei um ein

Kennzeichen der Konzeption der Schuleingangsstufe zu handeln.

Betrachtet man die Aussagen der Lehrkräfte der Unterstufe, so fällt auf, dass über die Hälfte

momentan das Lesen als wichtiger einschätzen, später das Lesen und Schreiben als gleich wichtig

ansehen. Im Gegensatz zur Vorstufe wird hier das Schreiben als schwieriger beschrieben. Auf

Grund seiner motorischen Anforderung braucht es mehr Übung als das Lesen und dadurch mehr

Zeit. In zwei weiteren Unterstufenklassen legen die Lehrkräfte mehr Wert auf das Lesen, da dieses

für die Orientierung im Alltag notwendig ist. Insgesamt sehen sie das Schreiben als weniger

Bedeutsam an, eine Ausnahme bildet das Schreiben des eigenen Namens.

Auch in der Mittelstufe gibt es drei Aussagen von Lehrkräften, die das Lesen als wichtiger ansehen.

Wir möchten eine Aussage dazu hervorheben: „Nicht- Schreiben zu können ist nicht so stigmatisiert

wie nicht- Lesen zu können“. Im Gegensatz dazu sehen zwei Lehrkräfte der Mittelstufe Lesen und

Schreiben als gleich bedeutsam an. Ihrer Meinung nach wird das Lesen durch das Schreiben

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gefördert und bezogen auf das Schreiben wurde, anders als in den anderen Kategorien eine konkrete

Zielsetzung: „Briefe schreiben“ angegeben.

Grundsätzlich wird das Lesen als wichtiges Ziel betrachtet, da es zur besseren Orientierung in der

Umwelt dient und so die Selbstständigkeit der Schüler fördert. Das Schreiben ist nicht für alle

Lehrkräfte gleich wichtig. Was stärker gefördert wird, hängt von der jeweiligen Schulstufe ab.

Die unterschiedliche Gewichtung des Lesens und Schreibens wird also sowohl von der aktuellen

Zielsetzung der verschiedenen Schulstufen, als auch von der Einstellung der Lehrkräfte zum

Schreiben beeinflusst.

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5. Fazit

Insgesamt sind wir mit dem Verlauf unserer Untersuchung und den daraus entnehmbaren

Ergebnissen sehr zufrieden. Besonders der persönliche Kontakt zu den Lehrkräften und die oft sehr

netten Interviews haben uns viel Freude bereitet. Die Ergebnisse unserer Untersuchung ermöglichen

uns zunächst eine Darstellung der Bedingungen des Schriftspracherwerbsunterrichts auf

verschiedenen Ebenen. Insgesamt mussten wir feststellen, dass in den von uns untersuchten Schulen

die Schrift- bzw. Bücherkultur nicht sehr ausgeprägt ist. Es gibt oft kaum oder keine außer-

unterrichtlichen Angebote zur Schriftsprache, kaum Schulbüchereien und ein geringes Angebot an

AGs. Diese Tatsache bemängeln wir, da wir es als Teil des Schriftspracherwerbs ansehen, dass sich

die Schüler auch außerhalb des Unterrichts mit der Schriftsprache auseinandersetzen.

Weiter zeigte sich, dass es in den meisten Schulen – außer in den Unterstufen - kein einheitliches

Schulkonzept gibt. Dies macht die Planung des Unterrichts sehr stark von der Kompetenz der

Lehrkraft abhängig. Da viele Kollegen fachfremd unterrichten steigt ihre Belastung durch das

Fehlen eines einheitlichen Konzeptes noch zusätzlich.

Die Effektivität des Unterrichts wird aber auch durch weitere Faktoren beeinflusst, wie

beispielsweise durch die Anzahl der Blöcke Deutschunterricht pro Woche. In den von uns

untersuchten Klassen variiert diese jedoch stark. In einigen der untersuchten Klassen mussten wir

leider feststellen, dass die für den Deutschunterricht eingeplante Zeit als zu gering zu betrachten ist.

Im Durchschnitt der untersuchten Klassen werden drei Blöcke pro Woche unterrichtet, was unserer

Vermutung nach hinter dem zeitlichen Raum den der Deutschunterricht an Grundschulen einnimmt

zurückbleibt.

Positive Auswirkung auf den Unterricht konnten wir bei der räumlichen Situation in den Klassen

feststellen, weil durch diese in der Regel ein weiterer Raum zur Differenzierung zur Verfügung

steht. Auch der durchschnittlich gute Betreuungsschlüssel und die gute Versorgung mit

Pflegekräften tragen dazu bei, dass die Lehrkräfte offenbar genügend Zeit für den Unterricht haben

auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler eingehen können.

Da wir davon ausgehen, dass die von der Lehrkraft formulierten Ziele, einerseits ihre Kompetenz

widerspiegeln und andererseits die Förderung des Schülers festlegen, interessierten uns die in den

Interviews angegebenen Zielsetzungen besonders. Diese wurden jedoch von den Lehrkräften

oftmals gar nicht angegeben oder nur ungenau formuliert. Besonders auffällig war in diesem

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Zusammenhang, dass die Ziele für schwächere Unterstufenschüler deutlich ungenauer formuliert

wurden, als für die übrigen Schülergruppen. Das könnte damit erklärt werden, dass die Lehrkräfte

in der Förderung der leistungsstärkeren Schüler kompetenter sind und deshalb die Zielsetzung und

Förderung der Schüler besser im Blick behalten können. Ist also ein Ergebnis dieser Arbeit die

Kompetenzdiskrepanz der Lehrkräfte zwischen dem Schriftspracherwerb leistungsstarker und

leistungsschwacher Schülergruppen? Obwohl die auffälligen Unterschiede in den

Zielformulierungen dafür sprechen ist dies hier und mit unserem Material nicht abschließend

festzustellen und bedürfte einer eingehenden, weiteren Untersuchung.

Des weiteren stellt sich uns allerdings die Frage, wie genau die Ziele formuliert werden sollen.

Kann man bei einzelnen Schülern schon in der Unterstufe das Erlernen der alphabetischen Schrift

ausschließen, oder sollte man die Förderung mit möglichst vielen Angeboten auf allen Ebenen

durchführen? Hier macht u. a. der erweiterte Lese- und Schreibbegriff Sinn, welcher dazu beiträgt,

auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Schülers einzugehen.

Insgesamt ist vielen Lehrkräften das Lesen aufgrund seiner Alltagsrelevanz wichtiger als das

Schreiben. Doch sollte die Zielsetzung im Deutschunterricht an Schulen mit dem

Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung nicht sowohl das Lesen, als auch das Schreiben

umfassen, anstatt diese auf den lebenspraktischen Gebrauch zu reduzieren? Lesen und auch

Schreiben hat dem lebenspraktischen Aspekt auch kulturell eine große Bedeutung. Hier besteht

unserer Meinung nach die Gefahr, dass die Schüler nicht ihren Möglichkeiten entsprechend

gefördert werden, sondern dass von der Behinderung ausgegangen wird, diese in den Mittelpunkt

gestellt und sie so aufrecht gehalten wird. Allen Schülern sollten im Deutschunterricht möglichst

viele Lernangebote gemacht werden und die Ziele sollten so formuliert werden, dass sie das

Potenzial der Schüler ausbauen und nicht von vorne herein in Frage stellen.

Ein weiterer wichtiger Teil der Unterrichtsgestaltung ist der Umgang mit der Heterogenität der

Schüler. In allen Klassen werden die Schüler zunächst in möglichst leistungshomogene

Lerngruppen unterteilt. Innerhalb dieser variiert die Arbeitsform nur wenig, es wird bevorzugt

Einzelarbeit durchgeführt. Bei einer solchen homogenen Lernsituation steht die Leistung der

Schüler im Vordergrund, der soziale Aspekt des Lernens wird jedoch benachteiligt. Es sollte unserer

Meinung nach ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Arbeitsformen hergestellt werden, so

dass die Zusammenarbeit der Schüler untereinander gefördert wird.

Die Unterrichtskonzeptionen fast aller Klassen des ersten Schulbesuchsjahres haben gemeinsam,

dass noch nicht mit dem eigentlichen Leselehrgang begonnen wird. Sie unterscheiden sich jedoch in

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den trainierten Vorläuferfähigkeiten zum Schriftspracherwerb und somit in den angebotenen

Materialien. Hier zeigt sich ein großer Unterschied zum Deutschunterricht an der

allgemeinbildenden Grundschule, wo bereits ab der ersten Klasse der Schriftspracherwerb auf Basis

von Graphem- Phonem- Verbindungen stattfindet.

Ab dem zweiten Schulbesuchsjahr werden die Schüler in verschiedene Leistungsgruppen unterteilt,

die nach unterschiedlichen Konzeptionen unterrichtet werden. Auf der einen Seite gibt es

Schülergruppen, die sich mit Bildern und Ganzwörtern auseinandersetzen, andere Schülergruppen

beschäftigen sich hingegen mit Buchstaben. Für die Gruppe der „Bilder-Ganzwort-Leser“ finden

sich verschiedene Materialien. Diese erstrecken sich über die Bereiche: Wahrnehmungsförderung,

Feinmotorik, Bilder, Symbole, Ganzwörter und Talker. Da in den Interviews der Schwerpunkt der

Lehrkräfte auf den Schülergruppen liegt, die sich mit Buchstaben auseinandersetzen, können wir für

die Schüler, die sich mit Bildern und Ganzwörtern beschäftigen, keine eigene Unterrichtskonzeption

herausarbeiten. Es stellt sich die Frage, warum dies so ist. Haben die Lehrer überhaupt eine

Konzeption für die Schüler auf Bilder- und Ganzwortebene? Offensichtlich liegt das

Hauptaugenmerk auch bei Lehrkräften, die in Förderschulen unterrichten, auf dem „wirklichen“

Lesen und Schreiben im engeren Sinne.

Im Folgenden setzen uns mit den Konzeptionen für den Lese- und Rechtschreiberwerb auseinander.

Ein wesentliches Merkmal für die Unterrichtskonzeptionen sind die Leselehrgänge. Hier gibt es

spezifische Lehrgänge für die Förderschule. Wie wir in der Untersuchung festgestellt haben, wird in

der Unterrichtspraxis überwiegend der Lehrgang „Momel“ benutzt. Dieser arbeitet - wie andere

aktuelle Fibeln der Grundschule auch - methodenintegriert, d. h. er verbindet sowohl synthetische

als auch analytische Verfahren und führt die einzelnen Buchstaben in einem sinnvollen Ganzen ein.

Zusätzlich beinhaltet „Momel“ aber auch Lautgebärden und motivierende Elemente. Andere

Lehrgänge, wie „Lesenlernen mit Hand und Fuß“ und „Lesen mit Lo“ sind schon älter und werden

in vielen Klassen lediglich als Zusatzmaterial verwendet. In der Mittelstufe werden seltener

einheitliche Lehrgänge angeboten, hier finden sich eher individuelle Konzeptionen der Lehrkräfte.

Zusätzlich zu den Lehrgängen werden in jeder Klasse jedoch vielfältige Materialien angeboten. Der

Leselehrgang selbst bildet in der Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung - im

Gegensatz zur Grundschule - nur eine Grundlage, der den Unterricht strukturiert. Zum Festigen und

Üben der Unterrichtsinhalte werden viele Zusatzmaterialien angewendet. Hier finden sich

Materialien zu allen Bereichen des Schriftspracherwerbs wie beispielsweise Laute/Buchstaben,

Silben oder Wörter. Man sieht, dass das Material in der Unterrichtskonzeption einen hohen

Stellenwert einnimmt. Daraus ist abzuleiten, dass der Unterricht an Schulen mit dem

Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung sich im Gegensatz zur Grundschule nicht so stark am

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Tempo des Leselehrgangs, sondern stärker an den individuellen Bedürfnissen der Schüler orientiert.

Insgesamt konnten wir ein sehr vielseitiges und in vielen Bereichen durchaus positives Bild des

Schriftspracherwerbs an Schulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung gewinnen.

Allerdings ist uns auch bewusst geworden, dass für viele Lehrkräfte beim Schriftspracherwerb die

lebenspraktischen Ziele im Mittelpunkt stehen.

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7. AnhangDer Anhang befindet sich vollständig auf der beigefügten CD-Rom

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