Urlaub ist die schönste Zeit des Jahres. · 2012. 9. 7. · Rennsteiglauf 2012 Seite 1 von 20...

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Rennsteiglauf 2012 Seite 1 von 20 Urlaub ist die schönste Zeit des Jahres. Ostern 2011 stand ein Kurzurlaub auf dem Plan. Unsere zweite Tochter war gerade 2 Monate alt und wir verbrachten diesen in einem Familienhotel im Thüringer Wald. Die Gegend war eher zufällig gewählt, bei der Auswahl des Hotels standen hauptsächlich die Kriterien "Schwimmen", "Wandern" und "Erholung" auf dem Plan. Bei der Anfahrt zum Hotel bemerkten wir immer wieder die Wegweiser mit dem großen weißen R. Na klar, hier verläuft doch der Rennsteig. Der Höhenwanderweg des Thüringer Waldes. Wo jedes Jahr der Rennsteiglauf stattfand. „Irgendsoein“ Ultra-Lauf mit langer Tradition. In der aktuellen Runners World Ausgabe, die ich als Reiselektüre eingepackt habe, gab es sogar einen Vorbericht zum diesjährigen Lauf. Es gibt einen Halbmarathon, einen Marathon und einen Ultralauf über 72 und irgendwas Kilometern. Verrückt, ich habe im Moment genug vom Marathon, seit ich bei meinem letzten Versuch "Unter 4" mal wieder gescheitert bin. Es kam mir, vor als wenn an jedem Baum des Thüringer Waldes ein Plakat des Rennsteiglaufes angebracht war. Ich grinste und meinte - aus lauter Übermut und Spaß - zu meiner Frau: "Was hältst Du davon, wenn ich nächstes Jahr da mitlaufe?". Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht mit dieser Antwort: "Mach doch, wenn Du willst!". Bitte, was hat sie gerade gesagt - Mach doch??? Das war ein Spaß - Aber gut, ich spielte das Spielchen mit und witzelte den ganzen Urlaub rum, dass ich dann nächstes Jahr dabei sein werde. Irgendwann wird meine Frau ja wohl nochmal zur Vernunft kommen und es mir verbieten. Tat sie leider nicht. Nach dem Urlaub ging mir der Lauf nicht mehr aus dem Kopf - wie schafft man 72kommairgendwas an Kilometern. Dann noch fast 1600 Höhenmeter dabei. So was geht nicht, so was kann ich nicht laufen, so was will ich auch gar nicht laufen - oder??? Ich besuchte die Homepage und bemerkte die erste Range für die Frühanmelder läuft am 31. Mai ab - noch 7 Tage. OK, da hilft nur eins, kein taktieren mehr, kein rumwitzeln und meine Frau fragen ob es wirklich ernst gemeint war, dass ich mitlaufen darf. Sie grinste und sagte "aber nur wenn wir dort ein verlängertes Wochenende verbringen". Wow, nun hatte ich keine Ausrede mehr und ich meldete mich tatsächlich an. OK, wie geht man so einen Lauf an - als erstes wurden Bücher bestellt - "Extrem von Norman Bücher" und "Runners World Ultramarathon Training". Dann musste ein Plan her. Es wird abgenommen - mindestens 20 Kilo bis Ende des Jahres und das Training beginnt ab August. Innerhalb von 3 Monaten auf eine Marathonform von unter „Unter 4“ (Ziel war der

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Page 1: Urlaub ist die schönste Zeit des Jahres. · 2012. 9. 7. · Rennsteiglauf 2012 Seite 1 von 20 Urlaub ist die schönste Zeit des Jahres. Ostern 2011 stand ein Kurzurlaub auf dem Plan.

Rennsteiglauf 2012 Seite 1 von 20

Urlaub ist die schönste Zeit des Jahres.

Ostern 2011 stand ein Kurzurlaub auf dem Plan. Unsere zweite Tochter war gerade 2 Monate

alt und wir verbrachten diesen in einem Familienhotel im Thüringer Wald.

Die Gegend war eher zufällig gewählt, bei der Auswahl des Hotels standen hauptsächlich die

Kriterien "Schwimmen", "Wandern" und "Erholung" auf dem Plan.

Bei der Anfahrt zum Hotel bemerkten wir immer wieder die Wegweiser mit dem großen weißen R.

Na klar, hier verläuft doch der Rennsteig. Der Höhenwanderweg des Thüringer Waldes. Wo

jedes Jahr der Rennsteiglauf stattfand. „Irgendsoein“ Ultra-Lauf mit langer Tradition. In der aktuellen Runners World Ausgabe, die ich als Reiselektüre eingepackt habe, gab es sogar einen

Vorbericht zum diesjährigen Lauf.

Es gibt einen Halbmarathon, einen Marathon und einen Ultralauf über 72 und irgendwas Kilometern. Verrückt, ich habe im Moment genug vom Marathon, seit ich bei meinem letzten

Versuch "Unter 4" mal wieder gescheitert bin.

Es kam mir, vor als wenn an jedem Baum des Thüringer Waldes ein Plakat des Rennsteiglaufes

angebracht war. Ich grinste und meinte - aus lauter Übermut und Spaß - zu meiner Frau: "Was hältst Du davon, wenn ich nächstes Jahr da mitlaufe?".

Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht mit dieser Antwort: "Mach doch, wenn Du willst!".

Bitte, was hat sie gerade gesagt - Mach doch??? Das war ein Spaß - Aber gut, ich spielte das

Spielchen mit und witzelte den ganzen Urlaub rum, dass ich dann nächstes Jahr dabei sein werde. Irgendwann wird meine Frau ja wohl nochmal zur Vernunft kommen und es mir

verbieten. Tat sie leider nicht.

Nach dem Urlaub ging mir der Lauf nicht mehr aus dem Kopf - wie schafft man

72kommairgendwas an Kilometern. Dann noch fast 1600 Höhenmeter dabei. So was geht nicht, so was kann ich nicht laufen, so was will ich auch gar nicht laufen - oder???

Ich besuchte die Homepage und bemerkte die erste Range für die Frühanmelder läuft am 31.

Mai ab - noch 7 Tage. OK, da hilft nur eins, kein taktieren mehr, kein rumwitzeln und meine Frau fragen ob es wirklich ernst gemeint war, dass ich mitlaufen darf. Sie grinste und sagte

"aber nur wenn wir dort ein verlängertes Wochenende verbringen". Wow, nun hatte ich keine

Ausrede mehr und ich meldete mich tatsächlich an.

OK, wie geht man so einen Lauf an - als erstes wurden Bücher bestellt - "Extrem von Norman Bücher" und "Runners World Ultramarathon Training". Dann musste ein Plan her.

Es wird abgenommen - mindestens 20 Kilo bis Ende des Jahres und das Training beginnt ab

August. Innerhalb von 3 Monaten auf eine Marathonform von unter „Unter 4“ (Ziel war der

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Marathon in Bertlich Ende November) um eine Grundlage zu schaffen, danach beginnt

Berglauftraining.

Nun ist es so, dass gerade zur Sommerzeit es nicht ganz so einfach ist abzunehmen. Es wird

gegrillt - Fleisch, kein Gemüse und kaltes Weizen schmeckt noch besser als im Herbst oder Winter oder Frühling, so dass ich den Abnehmplan etwas nach hinten verlegte. Im Herbst wenn

die Tage kürzer werden trinke ich gerne Rotwein, ebenso wird dort "traditionell" Schweinshaxe oder Flammkuchen gegessen. Danach ist auch schon die Adventszeit, da kann man weiß Gott

nicht abnehmen.

Ergo, das Abnehmen wurde auf das Jahr 2012 verlegt, das Ziel mit den 20 Kilo blieb

selbstverständlich bestehen, wenn ich mir etwas vornehme, dann ziehe ich das auch durch!

Daniela - Es war Mitte Oktober und ich war gerade auf dem Heimweg von einem Kundentermin und fuhr auf der A7, da klingelte mein Handy. Es meldete sich Daniela vom Lauftreff Marienloh

– die ich von diversen Läufen im Hochstift-Cup kannte. Sie hatte gehört, dass ich beim Rennsteig teilnehmen werde und meine Nummer von Gabi (wichtig mit i) erhalten. In ihrem Verein ist es

schon zur Tradition geworden zum Rennsteig zu fahren und den Halbmarathon zu laufen.

Daniela war noch unentschlossen, ob sie am Supermarathon teilnehmen soll und wirkte ganz nervös. Wo ich denn Übernachten werde, ob ich direkt zurückfahre oder noch eine Nacht da

blieb. Sie wolle wenn noch gerne dableiben und wenn solle ich es doch auch tun, dann können

wir gemeinsam fahren. Wir quatschten und beschlossen einige Trainingsläufe gemeinsam zu bestreiten, vor allem die Langen. Die Adresse meiner Unterkunft ließ ich Ihr zukommen und wir

telefonierten wieder miteinander.

Noch eine Nacht dableiben? Da der Lauf nicht in den Ferien stattfand, musste ich entgegen des Versprechens an meine Frau alleine fahren, denn unsere Älteste ist Schulpflichtig. Ich wollte

nicht noch eine Nacht dableiben sondern direkt wieder zurück.

Daniela meldete sich und sagte sie finde keinen Platz mehr in Eisenach, aber ich könne doch

auch in Oberhof mit übernachten. In Oberhof und dann morgens noch eher aufstehen und schon eine Stunde mit den Bus fahren – ach nee – lieber nicht. So quartierte Daniela sich mit Ihren

Vereinskollegen in Oberhof ein und ich blieb in Eisenach.

Das Lauftraining klappte ganz gut, aber aufgrund meines Gewichtes war an ein „Unter 4“ nicht zu denken und ich peilte in Bertlich eine Zeit um die 4:30 an. Denn beim Rennsteig werde ich

auch nicht Tempo machen, sondern mir den Lauf gut einteilen. Ich kann nicht früh genug damit

beginnen, auch langsames Laufen zu trainieren! 1 Woche vor dem Marathon erwischte mich eine schwere Erkältung mit anschließender Nasennebenhöhlenentzündung, so dass ich Bertlich

leider knicken musste. OK, das ist nicht schön, aber das Training bis hierhin nimmt dir keiner. Der Dezember wurde zur ausreichender Regeneration genutzt, so dass ich am 01.01.2012 102kg auf

die Waage brachte. Das waren 5kg sogar mehr als vor der Anmeldung. Muss ich jetzt 25 Kilo

abnehmen? Nein, 20 Kilo, bzw 22,1 Kilo sollten bis zum Rennsteiglauf genügen. Das Training wurde wieder aufgenommen und Bergläufe in Neuenbeken und im Haxtergrund wurden

eingebaut.

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Das Abnehmen funktionierte - wie erwartet - sehr gut, jede Woche brachte ich 1,5 Kilo weniger

auf die Waage. Ende Februar stand der Bad Salzuflen Baukasten Marathon auf dem Plan, den

ich locker mit Daniela (zumindest bis km 37) absolvierte. Beim Sälzerlauf wog ich nur noch 91,7 Kilo (Trainingstagebücher sind was tolles) verpasste aber meine 5km Bestzeit um 2 läppische

Sekunden :-( Anschließend bin ich noch den 10er gelaufen und am Sonntag morgen direkt

wieder 25km. Das war ein hartes Wochenende aber ich brauche "Härte" für den Rennsteig, vor allem Mentale! Körperlich hat es mich dann zerissen, ich bekam eine heftige

Zahnfleischentzündung, die bei jedem Schritt so schmerzte, dass an laufen nicht zu denken war und ich mich nach langer - sehr langer - Zeit mal wieder zum Zahnarzt begab. Nach einer

Woche bekam ich einen Termin bei dem mir ein Zahn gezogen wurde und ich erhielt eine

weitere Woche Sportverbot, was das Aus für den Warburger Diemellauf bedeutete.

Egal, zu Leiberg bin ich wieder fit und kann den 5er und den 20er laufen, welches gutes Berg-Training für den Rennsteig ist. Aber wie es halt kommen musste, erwischte mich einen Tag vor

Leiberg, eine schwere Erkältung - ich lag Freitag abends mit Kopf-, Gliederschmerzen und Schüttelfrost im Bett und verbrauchte eine Monatspackung "Tempo Plus". Aber Leiberg canceln,

das geht nicht. Wie soll ich die Hochstift-Cup Wertung erfüllen wenn ich schon wieder

aussetze? Am nächsten Morgen war die Erkältung gar nicht mehr soooo schlimm, so dass ich entschied den 5er und den 10er zu laufen, aber beides langsam. Es klappte sehr gut und mein

Körper bedankte sich mit einer anschließenden kurzen aber knackigen Magen-Darm-Grippe und das 7 Tage vor den Osterläufen, wo ich zum 5er, 10er und HM gemeldet hatte.

Da hilft nur eins, Ruhe, Ruhe und nochmals Ruhe, sowie Frustessen, was ich, seitdem mein Zahn

gezogen wurde, schon richtig perfektioniert hatte.

Ostern kam und meine Erkältung war „fast“ weg. Ich plante eine 5er Zeit beim 5er, eine 5:20er

beim 10er und eine 5:40er für den HM. Der 5er und 10er liefen gut, genau im Zeitplan, nur die Pausen zwischen den Läufen waren recht lang, auch wenn Rainer Göke diese mit seinen

Erlebnissen vom Rennsteiglauf verkürzte. Der Halbmarathon wurde eine Katastrophe, ich ging schon mit „dicken“ Beinen zum Start und musste nach 6km erstmals den 5:40er Schnitt

verlassen. Was danach kam, hakte ich als gute Erfahrung für den Rennsteig ab, denn nun

wusste ich was Schmerzen sind. Es wurde mein langsamster jemals „gelaufener“ Halbmarathon.

Als Dankeschön entwickelte sich die „fast“ ausgeheilte Erkältung schnell über die Osterfeiertage in eine Nebenhöhlenentzündung, was Antibiotikum und eine weitere Woche Laufpause

bedeutete.

Dafür war der Süßigkeitenschrank über Ostern bestens wieder gefüllt und ich näherte mich langsam aber sicher wieder dem dreistelligen Bereich. Jetzt kamen auch die ersten Zweifel auf,

4 Wochen lang kein Training nach Plan, immer nur sporadische Läufe und auch nicht lang und

langsam genug – wird das Training davor ausreichen?

Und was ist mit den Erkältungen und der Zahnfleischentzündung – du hast dennoch versucht weiter Sport zu machen. Hoffentlich hast du nichts verschleppt. Ich entschied mich an der Uni

beim Sportmedizinischen Institut anzurufen um mich durchchecken zu lassen.

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Leider gab es den Termin erst in zwei Wochen, zwar noch vor dem Hermann, aber ich wollte

doch noch einen 50km Test machen. Wenn ich den bestehe, dann fahre ich zum Rennsteig.

OK, ganz ruhig, du läufst die 50 km mit einem Puls unter 150, so kann nichts passieren.

Der 50km Lauf klappte gut, ich hatte eine Runde gewählt wo ich samstags an Bäckern und

Supermärkten vorbeikam. Unterwegs stärkte ich mich mit Red Bull, Rosinenbrötchen, Cola, Wasser und aß bei strömenden Regen ein Eis.

Am Dienstag war der Check-Up. Ich wurde wirklich sehr gründlich untersucht und für gesund

erklärt, nur bei meinem Gewicht empfiehlt der Arzt doch aufs Radfahren umzusteigen und nicht mehr zu laufen. Hallo!!! Soll ich den Hermann und den Rennsteig mit dem Klapprad fahren. Ich

laufe seit über 10 Jahren mit so einem Gewicht und habe noch nie Probleme mit meinen

Gelenken gehabt. Der Arzt blickte vom Bericht zu mir auf und fragte: Was wollen Sie laufen? Dann schüttelte er nur mit dem Kopf.

Die Blutergebnisse waren auch alle in Ordnung bis auf der CK-Wert – meine Muskulatur war

nach dem 50km Lauf wohl ein klein wenig Matsche. Mist, am Sonntag ist Hermann und insgeheim hatte ich mit einer Bestzeit geliebäugelt – also auch hier Luft raus und einfach nur

nach Gefühl es in Ruhe laufen lassen.

Nach dem Hermann entscheide ich mich dann ob ich beim Rennsteig Supermarathon starte

oder ob ich mich noch ummelde auf den „kleinen“ Marathon. Was angesichts meines Trainingszustandes wohl die vernünftige Entscheidung ist.

Zu siebt machten wir uns auf den Weg von Salzkotten zum Hermann, mein Auto war rappelvoll,

zum ersten Mal wurden beide Zusatzsitze im Kofferraum eingebaut. Der Hermann ist schon ein tolle Atmosphäre, alleine die Busfahrt von Bielefeld, ein Erlebnis. Überall hört man von

schlechten Trainingszuständen, dass nichts in der Vorbereitung geklappt hat und es „duftet“

(stinkt) nach den „schönsten“ ätherischen Ölen.

7000 Leute warten auf den Startschuss – überall sieht man angespannte Gesichter, nur ich bin heute sehr relaxed. Zum ersten Mal in meiner „Läuferkarriere“ starte ich ohne Uhr. Heute wird

nur nach Gefühl gelaufen, nichts übertreiben, der Rennsteig ist DEIN Lauf – dieses Jahr zählt nicht der Hermann. Ich laufe mit Astrid Klute zusammen los, muss Sie aber schon am Ehberg

ziehen lassen. Heute nur ruhig sage ich mir immer wieder. Und wahrlich, so genossen habe ich

diesen Lauf noch nie, völlig entspannt laufe ich durchs Ziel und mit einem Grinsen sage ich zu Astrid - die ich 2km vor dem Ziel wiedertraf – in zwei Wochen noch ein Marathon obendrauf.

Eigentlich wollte ich bis kurz vor dem Rennsteig warten und mich dann entscheiden ob 72,7km

oder „nur“ 43,5km gelaufen werden. Der Hermann aber machte so einen Spaß, dass es nur eine Wahl geben konnte.

Ich bestellte mir direkt noch einen Laufrucksack – den Salomon Rucksack XT Advanced Skin 5

SLAB – über den Preis dachte ich besser nicht nach, aber es war eine sehr gute Entscheidung,

noch nie hatte ich einen so perfekten Trinkrucksack dabei. Selbst komplett befüllt ist er kaum zu

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spüren und sitzt wie eine zweite Haut. Kein Wackeln oder Rütteln. DANKE SALOMON. (Nein,

ich werde nicht gesponsort).

Die kommenden 1,5 Wochen waren eine Qual, denn die Nervosität steigerte sich immer mehr –

nur dass ich es schaffen würde, daran zweifelte ich nicht. Endlich kam der 11. Mai – ich hatte mir frei genommen, um den Vormittag noch mit meiner Familie zu verbringen und gemeinsam

mittags beim Italiener in Salzkotten die Energiespeicher aufzufüllen – auch wenn diese bei mir noch nie leer waren.

Auf der Fahrt nach Eisennach gab es ein Gewitter und im Hotel angekommen die erste böse

Überraschung – bei meinem Zimmer gibt es ein Problem mit den sanitären Einrichtungen, für

mich wurde ein anderes Hotel gebucht, dass aber noch einen Kilometer mehr entfernt vom Marktplatz in Eisennach lag, wo am anderen Morgen der Startschuss fiel. Da ich mein

Hotelzimmer letztes Jahr sehr früh zu einem verdammt günstigen Preis gebucht hatte und kurz darauf das Angebot aus HRS verschwand, denke ich eher, dass eine Überbuchung

stattgefunden hat und die Gäste mit den günstigsten Zimmern ausquartiert wurden.

Sch…ade, d.h. morgen früh mit dem Auto so nah wie möglich ranfahren, denn 2,5km vorab

spazieren und nachher wieder zurück wollte ich nicht. Das neue Hotel war i.O. – beim einchecken fragte ich, ob ich den Zimmerschlüssel morgen früh gegen 5 Uhr einfach auf die

Rezeption legen solle und ob ich mit dem Schlüssel auch das Hotel aufschließen kann. Fragende

Blicke? Sie möchten um 5 Uhr schon los? Unser Hotel ist die ganze Nacht abgeschlossen und ihr Schlüssel passt nicht in die Haupteingangstür. Auf meine Frage ob ich dann durchs Fenster raus

gehen soll, wurde die Chefin geholt und entschieden, dass das Hotel die ganze Nacht auf bleibt. Auch ok.

Kurz auf Zimmer, Taschen verstauen und ab in die Stadt, die Startunterlagen holen. Zusätzlich

zu den Startunterlagen konnte man ein Busfahrticket kaufen, für die Rückfahrt „Schmiedefeld

nach Eisenach“. Ich wurde allen Ernstes gefragt: „Ach, Sie wollen auch nicht zurücklaufen? Also wenn man gut trainiert ist, dann schafft man das schon!“ Meine Nervosität war grenzenlos und

auf solche Witze war mir gar nicht zumute, daher quälte ich mir ein „HaHa“ heraus.

Auf dem Marktplatz stand das Festzelt, es gab Musik, Bier, Bratwurst und anstelle der Nudel- eine Kloßparty. Klöße mit Rotkohl und Gulasch. Mein Magen wollte so ein fettiges Essen nicht,

schrieb ich schon, dass ich nervös war? Da hilft nur eins – Köstritzer Schwarzbier und noch eins

und ne Thüringer Bratwurst fand dann doch noch den Platz in meinem Magen. Die ganze Woche über habe ich schon Aufmunterungs-SMS erhalten und abends rief dann noch Astrid

Blanke an, um mir mitzuteilen, ich bin dort zum Laufen und nicht zum Saufen. OK – stimmt da war noch was. Also ab ins Hotel und um 20.30 Uhr Licht aus. Es war eine unruhige Nacht,

andauernd kamen negative Gedanken auf bis mich endlich um 4.15 Uhr der Wecker erlöste.

Schnell meine Schmelzflocken mit einer überreifen Banane zubereitet und die extra mitgebrachte Kaffeemaschine gestartet – heute morgen extra stark.

Ui – ist die Maschine laut, das halbe Hotel ist bestimmt wach, egal – ich bin Koffeinabhängig,

ohne Kaffee kann ich nicht laufen und die sehen mich in dem Hotel eh nie wieder.

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Es war 5.15 Uhr und ich näherte mich langsam dem Marktplatz, immer mehr Läufer begaben

sich auf den Weg und es war Party pur. Schon vor Erreichen des Marktes wurde das Lied mit

den vielen Frauennamen gespielt – Jessica, Tina, Marina … ach wie das heißt das nochmal – Lou Bega – hmmm, ah ja Mambo No. 5. Spitze, es ist mitten in der Nacht und hier geht die Lutzi

ab. Ach ne, der „Anton aus Tirol“ – na wer jetzt noch nicht wach ist und ich Dummerchen trinke

vorher noch Kaffee. Zum Cool Down wird das Rennsteiglied gespielt „Ich wand're ja so gerne, am Rennsteig durch das Land. Den Beutel auf dem Rücken, die Klampfe in der Hand.“ –

Uaaarrrhhh – wann ist endlich der Start, ich will hier weg.

So Zeit genug für ein paar Fotos – bei meinem angestrebten Lauftempo wird es wohl kein Problem sein einen Fotoapparat mitzunehmen. Hier ein Foto vom Marktplatz,

da ein Foto von der Ausgabe der Startunterlagen.

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Hey – wer ist denn da mit auf dem Bild. Daniela!

Ich wollte mich mit ihr vor dem Eingang der Kirche treffen, aber nun sehen wir uns schon eher. Schön, endlich jemanden den ich vollquatschen kann vor lauter Nervosität. Keine Ahnung ob es

sie stört, zumindest grinst sie immer freundlich. Noch ein paar gemeinsame Fotos

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und dann wird es endlich 6 Uhr.

Das Rennsteiglied ertönt und „PENG“. Wie „PENG“ – war das schon der Startschuss? Kein Countdown, keine vorherige Ansage – hmmm bei dem Tumult hier herum hatte ich mehr

erwartet.

ES GEHT LOS!

Ich starte meine Uhr – Mist – wir sind doch noch gar nicht über die Matte, egal – dann nehme

ich die Brutto-Zeit, bei der Streckenlänge macht es eh prozentual nichts aus, am anderen Tag kann ich dann meine genaue Zeit bei Mika-Timing nachlesen.

Wir laufen durch die Straßen von Eisenach, an den Straßenrändern stehen überall Menschen

und feuern uns an. Klar – schlafen kann man bei dem Lärm eh nicht, da kann man auch aufstehen und anfeuern – die freuen sich bestimmt so sehr, weil sie gleich wieder in Ruhe ins Bett

können.

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Puh ist das voll, Daniela und ich haben uns vorgenommen, sehr behutsam zu starten, aber bei der Menschenmasse ist auf den ersten 3km eh nicht an ein geregeltes Laufen zu denken. Heute

wurde der Teilnehmerrekord aufgestellt. 2590 Menschen machen sich auf den Supermarathon.

Der vorherige Rekord stammt aus dem Jahr 1978 mit 2510. Kein Wunder, dass es hier so voll ist.

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Tut das gut, laufen, endlich laufen – die letzten Wochen waren Anspannung pur und nun geht es

endlich los – Es fühlt sich an als wenn eine tonnenschwere Last abgefallen ist. Klasse.

Es ist eine angenehme locker Atmosphäre im Läuferfeld, hier und da werden Witze gemacht

und es wird viel geredet. Vor mir läuft eine Frau aus dem „Gebüsch“ auf einen Bekannten zu,

den sie wohl von früher her kennt. Beide unterhalten sich recht laut und als die Worte fielen „Leider wohne ich nun in NRW“ – „Hallo!!! „as heißt denn hier leider!“ rufe ich nur empört –

Ringsherum Gelächter. So im Nachgang wurde es mir klar – sie wohnt bestimmt zwischen Gütersloh und Herford, Nähe der Sparrenburg.

Wir passieren die erste Wasserstation – Wasser? Nein, Wasser ist alle – etwas Tee und Cola ist

noch da! Wer benötigt denn bei km6 schon Cola? Anscheinend wurde die Logistik trotz hoher

Teilnehmerzahl nicht abgeändert. Na das geht ja gut los – da ich aber meinen Trinkrucksack dabei habe bin ich sehr entspannt – Daniela ärgert sich aber, denn auf die Verpflegungsstände

hat sie sich verlassen.

Vor uns unterhält sich ein Läuferpärchen – beiden werde ich bis kurz vorm Ziel immer wieder begegnen. „Ey – kein Öl mehr, ne ... Hatte mal nen BMW … 3er, ne … Ey“ – Auch ohne auf das

Shirt zu sehen wurde klar aus welcher Region Westfalens er herkam. Die Stadt hat herzensgute

Menschen und stellt den Deutschen Fußball Meister, aber es gibt bei einigen Menschen auch

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noch ein Sprachdefizit. Wir überholten die beiden – ich sah Daniela an und bekam einen

Lachanfall. Ah – herrlich.

Aber der Spruch des Tages kam noch: „Die letzte Steigung versaut mir immer meinen Schnitt!“ –

sagte die Läuferin vor mir. Ja, ne is klar. Die 50 Steigungen davor sind egal aber die Letzte ist blöd ;-)

Dann kam km14 – urplötzlich fing ich an zu grinsen und mich zu freuen und sage zu Daniela:

„Egal was jetzt kommt, ich bin so froh hier zu sein und zu laufen – selbst wenn ich von nun an Gehen müsste – ich würde es tun“. Klasse – so ein Gefühl hat man ganz selten.

Die Verpflegungsstände waren spitze. Brote mit Butter und/oder Schmalz, Haferschleim in

unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen, Heißwürstchen, Äpfel, Bananen und Zitronen (ihhh,

schmecken die sauer – ok war auch zu erwarten), Wasser, Tee, Cola, Limonade und … später mehr.

Daniela lief klasse, locker, entspannt, auch bergauf ohne Probleme – sie wartete dennoch immer auf mich, bergauf wurde gegangen und auf gerader Strecke nahm sie das Tempo für

mich raus. Bergab ging es bei mir etwas besser und ich wartete dann auf sie. Aber ich merkte schnell, dass Daniela in einer ganz anderen Form war als ich und sagte ihr immer wieder (was

sie als doof empfand) sie dürfe jederzeit weiterlaufen und keine Rücksicht auf mich nehmen,

denn sie war einfach fitter. Sie wollte aber nicht und ich war froh über meinen persönlichen Pacemaker.

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Mein Güte, was sind denn das hier für Anstiege – mit so einem Profil habe ich nicht gerechnet.

Es geht den „Oberen Beerberg“ hoch und anschließend wird weiter zum „Inselberg“ gegangen.

Mein Puls ist im Gehen schon bei 160. Upps – das ist mein Marathonpuls – für die Strecke ist das zu viel. Als wären die Anstiege nicht schlimm genug, geht es direkt nach dem Inselberg steil

bergab. Ich liebe bergab laufen, aber das hier zermatscht die Oberschenkel.

So kam es, dass ab km26 es nicht mehr so locker lief und ich merkte dass es anstrengend wurde und ich von nun an auch meinen Kopf zum Laufen benötigte. Zwar war das Ziel nicht gefährdet

aber ich musste noch behutsamer sein und das Tempo (kann man überhaupt von Tempo

sprechen) noch öfters rausnehmen und etwas eher in die Steigungen hinein gehen.

Für die nächsten Kilometer konzentrierte ich mich nur noch auf die 10 Meter vor mir und blendete alles um mich herum aus. Selbst Daniela Aufmunterungsversuche – „Herrliche Landschaft“ –

ignorierte ich mit einer westfälisch gebrummten Zustimmung. Auch schloss ich immer wieder die Augen und versuchte etwas zu „schlafen“ um Kräfte zu sparen.

Bei km31 bemerkt Daniela, dass wir nun den Hermann hinter uns gebracht haben. Da fielen mir

wieder die Worte ein, die ich zu Astrid im Hermannslaufziel sagte – „Jetzt nur noch einen

Marathon.“ Hey – Thorsten – Marathon bist du doch schon öfters gelaufen – das kannst Du und heute darfst Du zum ersten Mal ohne Tempovorgabe einen laufen. Klasse – das wird klappen!!!

An der Ebertswiese beim KM37,5 – die traditionell die Hälfte der Strecke darstellt - 37,5 mal 2

sind … ach lassen wir den freundlichen Helfern die Freude, dass an der Ebertswiese die Hälfte geschafft ist – wurde noch mal ausgiebig gegessen und relaxed. Ich wiederholte nochmal, dass

Daniela ohne schlechtes Gewissen in Ihrem Rhythmus und Tempo weiterlaufen kann und ich

meine Zielzeit von zuvor angestrebten 10 Stunden nun auf 11 Stunden korrigieren muss.

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Mein Rückstand auf Daniela wurde bei jedem Anstieg immer größer, zwar wartete Sie noch an der nächsten Getränkestelle „Neue Ausspanne“ auf mich, danach trennten sich aber unsere

Wege und jeder war auf sich gestellt. Um es vorweg zu nehmen, für Daniela war es genau das

Richtige, sie erreichte nach 9h 39min weit vor mir das Ziel. Herzlichen Glückwunsch.

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Die Pausen an den Verpflegungsstellen wurden immer kürzer, ich hatte meinen Rucksack noch

sehr voll und auch hatte ich genug Riegel und Gels dabei,

aber das Beste war „Red Bull“. Durch das Buch „I´m here to win“ von dem Triathleten Chris

McCormack bin ich auf das Getränk für den Ausdauersport gestoßen. Zuletzt hatte ich vor 20

Jahren ein Red Bull getrunken, den ekeligen Gummibärchen Geschmack, hatte das Zeug immer noch, aber Macca beschreibt in seinem Buch wie er sich tierisch aufregt, dass er keine Cola

beim Ironman erhält und man ihm dafür ein Red Bull anbietet. Seitdem ist er ein wahrer Fan von diesem Getränk geworden. Es ist eigentlich auch nichts anderes außer viel Zucker, Wasser und

Koffein. Genau das, was in den isotonischen Getränken von Powerbar, Isostar usw. auch drin

ist. Zwar nicht in optimaler Konzentration, aber wer es verträgt und ich vertrage es. Das Koffein hält meinen Kopf wach und konzentriert. Seitdem habe ich nie wieder diese „Leere“ verspürt,

die ich nach langen Läufen öfters im Kopf habe. An Red Bull hatte ich zwei 0,33ltr mit, was die

optimale Menge für die Strecke für mich war.

Die Gehpausen wurden immer länger und es wurde eine reine Kopfsache. Die Beine hätten schon lange Ihren Dienst eingestellt, wenn der Kopf sie nicht immer wieder überzeugt hätte

einen Schritt nach dem Nächsten zu machen.

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Da! Was war das? Läuft der Barfuß?

Das kann nicht sein. Doch, der hat seine beiden Schuhe in der Hand. Das gibt es doch nicht. Irgendein Problem mit seinen Schuhen hat den Läufer vor mir dazu gezwungen diese

auszuziehen. Ich befinde mich kurz vor dem Grenzadler in Oberhof und die Strecke lädt nun

wirklich nicht zum Barfußlaufen ein, überall kleine Steine, Splitt, Wurzeln – selbst mit Schuhen ist es teilweise unangenehm. Aber er läuft und läuft und läuft und nachher sogar einige Minuten vor

mir ins Ziel.

In Oberhof, beim Grenzadler km 54,2 , bestand die Möglichkeit des Ausstiegs mit Zeitnahme. Ein Ausstieg kam aber zu keiner Sekunde in Frage. „Du wirst das Ziel erreichen, du wirst dir das

Finisher Shirt holen.“, sagte ich mir immer wieder. Das Finisher Shirt erhalten nur die Finisher des

Supermarathons und es war daher für mich was Besonderes. Immer wieder stellte ich mir vor wie ich gleich durch das Ziel laufe und das Shirt erhalte. Das Shirt wurde für mich zum Fixpunkt

für die letzten Kilometer, immer wenn es nicht mehr so lief, stellte ich mir vor, wie ich mir gleich

das Shirt als Belohnung für das Erreichen des Ziels überzog.

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KM62, nix geht mehr – beide Oberschenkel brennen, die Waden tun weh, sie sind hart. Ich komme nicht mehr vorwärts. OK, ganz ruhig – Gehen ist die Lösung, wenn du jetzt weiter gehst

kommst du immer noch locker vor Zielschluss – 18:00 Uhr – an – denke an das Shirt. Sch… sind

das Schmerzen – hast du nicht mal gelesen, dass der Körper nur einen begrenzten Vorrat an „Schmerzmeldern“ besitzt und die müssen doch gleich aufgebraucht sein, dann geht es weiter.

Vielleicht habe ich das mal in einen Witzebuch gelesen, aber egal, jeder positive Gedanke

bringt mich weiter. Ich fange wieder an zu Tippeln, langsam geht es wieder vorwärts und nach 4km sind tatsächlich die Schmerzen weg. Tja sind wohl nun alle „Schmerzmelder“ aufgebraucht

:-)

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Herrlich, gleich ist der höchste Punkt des Laufes erreicht, der „Große Beerberg“, es ist zwar nicht

mehr steil aber es geht stetig bergauf.

Vor mir erblickte ich zwei Läuferinnen, auf Ihren Shirts steht „Lauftreff Kal…. – Lauf-Omas“. Lauf-

Omas! Euch krieg ich. Ich setze zum Spurt an, gleich werdet Ihr meinen Staub schmecken. Ich

werde immer schneller, meine Uhr zeigt schon wahnwitzige 7:20 min/km, gleich habe ich Euch, noch ein Schritt und dann … beide fangen wieder an zu laufen, sie hatten nur auf eine jüngere

Lauftreffkollegin gewartet und sind weg. Ja, ja, rennt ihr doch nur, das Tempo tötet, nicht die Strecke, ich bin da klüger und überhaupt „Die Zeit spielt für mich!“

Die sind doch verrückt – die Thüringer. Seit der Verpflegungsstation „Rondell“ wird uns nun auch

Köstritzer Schwarzbier angeboten. In dem Jahr der Vorbereitung habe ich tatsächlich auch

immer wieder Köstritzer getrunken – man bereitet sich halt so gut vor wie es nur geht – aber doch nicht während des Laufs. Die Krönung ist dann aber die Verpflegungsstelle „Schmücke“

als zusätzlich auch noch Rotkäppchen Sekt ausgeschenkt wird. Zwar sind es „nur“ noch 8km bis

zum Ziel aber das würde mich aus den Latschen hauen. Ich fange an zu lachen. „Was lachst du Junge?“ fragt ein „Einheimischer“ – „Ihr könnt doch kein Bier und Sekt ausschenken!“ war meine

ziemlich ernstgemeinte Antwort. „Klar – das machen wir jedes Jahr!“ – Grinsend verließ ich die Verpflegungsstation - wanken tat ich auch ohne Alkohol.

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Es sind noch gut 5km, puh – ein Bambinilauf wie Michael sagt. Kurze Pause und ein Foto von der

wunderschönen Kulisse machen. „Endlich mal einer der sich für die Schönheit des Thüringer

Waldes interessiert und nicht nur stoisch seine Kilometer läuft“, ruft mir eine Mitläuferin zu. Recht hat sie – aber eigentlich brauchte ich eine kurze Pause und wollte nicht nur dumm rumstehen –

sieht ja blöd aus.

70km, wo ist das 70km Schild. Jedes Schild von 30, 40, 50, 60 passte mit den GPS Daten

meiner Uhr bis auf 100m überein, nur das 70km Schild will nicht kommen. Es sind laut meiner Uhr schon 70,7km gelaufen. „Habe ich das Schild übersehen?“, frage ich einen Mitläufer.

„Nein, das war noch nicht – aber da vorne kommt es!“. Es sind nicht 70km – es sind 70,8 km

liebe Thüringer!!! Aus lauter Wut, wird dieses Schild nicht fotografiert, denn es lügt!!!

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Wut setzt Reserven frei, die letzten 2km lege ich in 5:40min/km zurück. So schnell war ich den

ganzen Lauf über noch nicht unterwegs, aber mit dem Ziel und natürlich das Finisher Shirt vor

Augen läuft es einfach nur. Alle Schmerzen, alle Anstrengungen sind vergessen – gleich bist du im Ziel.

In Schmiedefeld „Dem schönsten Ziel der Welt“, dröhnen die Toten Hosen mit „An Tagen wie diesen, wünscht man sich unendlich Zeit“ aus den Boxen. Ja, wie recht diese Jungs aus

Düsseldorf doch haben. Aber unendlich ist auch relativ, unendlich hätte ich heute nicht mehr laufen wollen, aber unendlich diesen Moment genießen. Kurz vor dem Einlauf ins Stadion

stoppe ich ab und suche mir „Vangelis – Chariots of fire“ auf meinem Handy und zücke den

Fotoapparat. Die Hymne erklingt auf dem Handy und ich laufe dem Ziel entgegen, aufgrund der Lautstärke im Stadion muss das Handy aber direkt ans Ohr gehalten werden, so dass die

Stadionsprecherin ruft, „Der telefoniert so kurz vor dem Ziel“. Dabei wollte ich nur mit mir und

der Musik alleine sein. Ich glaube irgendetwas ist mir in die Augen geflogen, denn das Ziel verwässert auf einmal – ich fotografiere, bleibe direkt vor der Matte stehen und setze bewusst

den letzten Schritt und halten diesen mit dem Fotoapparat fest. Geil, einfach geil. Meine Güte, ist wohl ein Elefant bei mir in beiden Augen gelandet – mit Tränen nehme ich die Medaille

entgegen.

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ICH HABE ES GESCICH HABE ES GESCICH HABE ES GESCICH HABE ES GESCHAFFT!HAFFT!HAFFT!HAFFT!

Finisher-Shirt! Wo ist das Shirt? Wo ist das Finisher-Shirt? Nirgendswo wird es verteilt. Hallo, ich bin im Ziel – ich will das Shirt, ich frage bei der Gepäckausgabe, da sagte man mir nur, das

wird direkt im Ziel verteilt. Ich war im Ziel, es gab da kein Shirt. Endlich erblicke ich jemanden

mit Finisher-Shirt. Wo ist das her? Wo ist das Shirt her? Er schaut mich verdutzt an und erklärt mir auf Englisch wo er es bekommen hat. Uff, es gibt Shirts, die werden nur separat ausgeteilt. Das

Shirt wurde erst am Dienstagmorgen - als ich wieder zur Arbeit musste - ausgezogen.

Die Busfahrt nach Eisenach war eine Qual, 1,5 Stunden ohne die Beine zu bewegen, aber die Stimmung im Bus war gelöst und entspannt, es wurden viele Witze gemacht. Mein Sitznachbar

war ein sympathischer Holländer, der sich über die Farbe des Shirts besonders freute. Ich klärte

ihn auf, dass er nach der Vorrunde bei der EM es dann aber wieder ausziehen kann. In Eisennach bin ich dann eben noch „schnell“ zum Wagen gehumpelt und entspannt zurück nach

Salzkotten in die Heimat gefahren. Das Shirt, die Medaille und ich strahlten um die Wette.

Sonntagabend haben meine Frau und ich den Erfolg noch mit einer Flasche Sekt gefeiert und ich fragte sie: „Hast Du schon einmal Urlaub in der Schweiz gemacht? In der Nähe von Biel soll es

sehr schön sein!“