V Leseprobe original - conrad-verlag.de · Journal Gesundheitsförderung 2 | 2018 11 Im Zuge des...
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JournalGesundheitsförderung
2 | 2018für Akteurinnen und Akteure aus Politik, Wissenschaft und Praxis
Politik
Methoden
Ausbildung
Forschung
conrad-verlag.de
Gesundheit für alle
Modelle
Studien und
Berichte
Schwerpunkt
Betriebliches
Gesundheitsmanagement
Journal Gesundheitsförderung 2 | 20182
ISSN 2195-9552 6. Jahrgang 2018/2
Herausgeber & Vertrieb
Verlag für GesundheitsförderungInternet: www.conrad-verlag.de
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Alle im Journal Gesundheitsförderung erscheinende Beiträge sind urheber-rechtlich geschützt. Reproduktionen gleich welcher Art, nur mit schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.
Thomas Altgeld
Geschäftsführer Landesvereinigung fürGesundheit und Akademiefür SozialmedizinNiedersachsen e.V., Hannoverwww.gesundheit-nds.de
Prof. Dr. Beate Blättner
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Prof. Dr. Eberhard Göpel
Hochschulen für Gesundheit e.V. Berlin www.hochges.de
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Prof. Dr. Josefi ne Heusinger
Hochschule Magdeburg- Stendal, Institut für Gerontologische Forschung e.V., Berlinwww.igfberlin.de
Prof. Dr. med. Klaus Hüllemann
Med. Fakult. Uni München,Vorstandsvorsitzender Dt.Netz GesundheitsfördernderKrankenhäuser u. Gesund-heitseinrichtungen e.V., www.dngfk.de
Prof. Lotte Kaba-Schönstein
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Prof. Dr. Peter Paulus
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Prof. Dr. Rolf Rosenbrock
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Prof. Dr. Annette C. Seibt
Hochschule für ange-wandte Wissenschaften Hamburg (HAW), Department Gesundheits-wissenschaftenwww.haw-hamburg.de
Dr. Ulla Simshäuser
Pädagogische Hochschule Schwäbisch GmündInstitut für HumanwissenschaftenAbt. Soziologiewww.ph-gmuend.de
Prof. Dr. Dr. Alf Trojan, M.Sc. (Lond.)
Ehem. Direktor des Instituts für Medizinsoziologie, Sozialmedizin u. Gesund-heitsökomomie, Uni-Klini-kum Hamburg-Eppendorf, Universität Hamburgwww.uke.de/institute/medizin-soziologie/
Prof. Felix Wettstein
FH Nordwestschweiz Hochschule für Soziale Arbeit, Olten/Schweizwww.fhnw.ch/sozialearbeit
Weitere Informationen über die Lehre,Forschung und Projekte der Mitherausgeber
und Mitherausgeberinnen sowie ihrer jeweiligen Einrichtungen, fi nden Sie unter
den angegebenen Internetseiten.
Priv. Doz. Dr. Wolfgang Dür
Ludwig BoltzmannInstitut, WienDirector, Health Promotion Researchwww.lbihpr.lbg.ac.at
Prof. Dr. Ralph Grossmann
IFF-Fakultät für interdis-ziplinäre Forschung und Fortbildung der Universi-tät Klagenfurtwww.iff.ac.at/oe
MitherausgeberInnen
Impressum
Journal Gesundheitsförderung 2 | 20184
Inhalt
JG Nachrichten
Sozialbericht und
Sozialbudget 2017
Eine Stadt startet durch −
Sicherheit und Gesundheit
durch Kulturwandel
Spielsucht als Krankheit? −
Die WHO sagt ja.
Betriebe sehen die
Computerspielsucht
zunehmend als Problem
6
8
9
Modelle, Studien und Berichte
10
14
18
22
26
30
36
40
Betriebliche Gesundheitsförderung: BGF, BGM, dBGM
und Arbeit 4.0
G. Conrad, JG Hrsg.
Zukunftsfähige Unternehmenskultur − Das Auditierungsprogramm
der „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ (INQA)
JG Redaktion
Das Bielefelder Unternehmensmodell
Bernhard Badura
Wie gemeinsame Werte die Gesundheit fördern
Martin Permantier
DGUV-Kampagne kommmitmensch und ihre Auswirkungen auf
die betrieblichen AkteurInnen
Supavadi Reich
Stressoren und Ressourcen bei Dienstleistungstätigkeiten
Isabel Sandel
Belastung und Beanspruchung am Arbeitsplatz
Lisa Sennefelder und Stefan Jonas
Auswirkungen einer störungsfreien Arbeitszeit auf die Gesundheit
Oliver Steidle, Anja Oldenburg, Ruth Hecker
Gesundheitsförderung ist heutzutage in den meisten Betrieben angekom-
men. Zur Diskussion steht allerdings weiterhin das wie ihrer praktischen und
zugleich nachhaltigen Umsetzung. Dazu stellt diese Journalausgabe im Rah-
men ihres Schwerpunktthemas „Betriebliches Gesundheitsmanagment“ eine
Reihe von Modellen (s. Abb. oben), Studien und Berichte vor, insbesondere
zu dem relativ neuen Thema einer gesunden Unternehmenskultur.
Prof. Dr. Raimund Geene
Seit 2018 Professur für Gesundheits-förderung und Prävention an der Alice Salomon-Hochschule, beschreibt die Ansätze der Diskussionen zur Weiter-entwicklung der Prävention und Ge-sundheitsförderung in Deutschland.
Schwerpunktthema „Betriebliches Gesundheitsmanagement“
Schwerpunkthema der
nächsten Journalausgabe:
Nationales Gesundheitsziel
Gesund aufwachsen
Beitragsanmeldung (Titel,
Abstrakt) gerne auch zu den
anderen Rubriken bis zum
12. Januar 2019 an:
60-63 14-17
Journal Gesundheitsförderung 2 | 2018 5
Auswirkungen einer störungfreienArbeitszeit auf die Gesundheit
Vorgestellt werden die Ergebnisse ei-ner diesbezüglichen Studie der Autor-Innen mit 25 MitarbeiterInnen aus demBereich des Qualitätsmanagements im Gesundheitswesens.
44
48
Landesvereinigung für Gesund-
heit & Akademie für Sozial-
medizin Niedersachsen e.V.
Thomas Altgeld
Bücher & DokusWeitere Rubriken
Impressum
Editorial: Bernhard Badura
Inhaltsverzeichnis
Anzeige:
Hogrefe Verlag GmbH
& Co. KG
Forschung & Entwicklung
Lebensphase Studium aktiv gesund gestalten
B. Steinke, S. König unter Mitwirkung von I. Niemeyer und M. Sprenger
BGM relevante Berichte und Studien
JG Redaktion
54
BGM relevante Berichteund Studien
Diese Zusammenstellung enthält u.a. die obige Abb.: Gesundheitsindikatoren inAbhängigkeit von der Bewertung der Un-ternehmenskultur. Quelle: Wissenschaft-liches Institut der AOK (WidO).
Gesundheitspolitik
Gesundheitsförderung an
deutschen Hochschulen –
Ergebnisse einer empirischen
ErhebungA. Bergmüller, U. Sonntag, E.
Hungerland, S. Schluck
2
3
4/5
76
Die Entwicklung des BGM wird sehr stark von den Veränderungen geprägt werden, die gegenwärtig unter dem Be-griff Arbeit 4.0 diskutiert werden: z. B. intelligente Maschinen, die Menschen in vielen Branchen ersetzen werden.
68
72
BGF, BGM, dBGM und Arbeit 4.0
Weiterentwicklung der
Prävention – welche
Expertisen sind gefragt?
Raimund Geene
Gemeinsam. Gerecht. Gesund.
Nicole Böhme für das Kongress-
team Armut und Gesundheit
60
64
Infrastrukturen
10-13
Kumulation von
Arbeitsunterbrechungen
40-43
Gesundheit
physisch
psychisch
AU-Tage
Arbeitgegen ärztl.
Rat
GesundheitsrisikoUnternehmenskultur
48-53
Bachelor & Masterarbeiten
74
75
Menschenrechte im
Unternehmen durchsetzen
Praxis-Guide Betriebliches
Gesundheitsmanagement
73 Arbeit und Gesundheit im
21. Jahrhundert
Fehlzeiten-Report 2018
Zusammenarbeit von betrieblichem
und studentischem Gesundheitsma-
nagement an Hochschulen ...
Kathrin Wenzel
Evaluation eines 16-wöchigen indi-
vidualisierten Trainingsprogramms
für Hochschulbeschäftigte mit
sitzender Tätigkeit
Sven Overs
Journal Gesundheitsförderung 2 | 201810
Betriebliche Gesundheitsförderung:
BGF, BGM, dBGM und Arbeit 4.0
Die betriebliche Gesundheitsförderung (BFG) hatte ihren Aufschwung Anfang der 90er Jahre und entwickelte
sich im Zuge der Umsetzung eines ganzheitlichen Ansatzes bzw. Setingansatzes („Gesunder Betrieb“)
sukzessive zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM). Jetzt gilt es den anstehenden Veränderungen
der Industrie bzw. Arbeit 4.0 Rechnung zu tragen. Wie die Beschäftigten diese Veränderungen gegenwärtig
schon wahrnehmen, zeigt der abschließende Teil dieses Beitrages zum „Monitor Digitalisierung am Arbeits-
platz“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS).
G. Conrad, JG Hrsg.
Abgrenzung BGF, BGM, dBGM?
In der Praxis werden die Begriffe betriebliche Gesundheitsförde-
rung (BGF) und betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)
mehr oder weniger synonym verwandt. In der Literatur gibt es
jedoch immer wieder Versuche einer Abgrenzung der BGF vom
BGM. Dabei gibt es hier eigentlich gar nichts abzugrenzen, denn
das BGM ist sukzessive aus den Erfahrungen und Weiterent-
wicklungen der BGF seit den 90er Jahren hervorgegangen.
So hat die BGF z. B. schon frühzeitig erkannt, dass eine wirkungs-
vollere Umsetzung gesundheitsfördernder Maßnahmen in den
Betriebliches Gesundheitsmanagement
Betrieben, nur mit der Unterstützung der Vorgesetzten und Füh-
rungspersonen erreichbar ist, oder dass bestimmte Maßnahmen
nur greifen, wenn auch die übergeordneten betrieblichen Rah-
menbedingungen mit verändert werden. D. h. man ist entlang
dem Settingansatz fortgeschritten von der „Gesundheitsförde-
rung im Betrieb“ zum „Gesundheitsfördernden Betrieb“ bzw.
dem „Gesunden Betrieb“ oder „Gesunden Unternehmen.“ So
etwas ist letztlich nur mit der Unternehmensleitung machbar.
Nachdem sich in diesem Kontext auch die ersten nachweislichen
Erfolge einstellten („Betriebliche Gesundheitsförderung lohnt
sich“), erhöhte sich auch die Akzeptanz der BGF in den Un-
ternehmen. Damit war der Weg frei in die Management-Etagen
der Unternehmen und damit zum betrieblichen Gesundheitsma-
nagement. In jüngster Zeit wurden diese Entwicklungsprozesse
noch verstärkt durch die Einbeziehung der Werte und Normen
eines Unternehmens (Stichwort: Sozialkapital). Diesen Aspekt
deckt sehr schön eine De" nition des BGM von Solveig Boy ab:
„Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) ist eine
moderne Unternehmensstrategie die darauf abzielt, Krank-
heiten am Arbeitsplatz vorzubeugen, Gesundheitspotentiale
zu stärken und die Motivation und das Wohlbefi nden am
Arbeitsplatz zu verbessern“ (www.bgm-beraterteam.de/)
Diese De" nition erscheint mir eleganter als die gängigeren
De" nitionen des BGM, wie z. B.:
„Die Entwicklung betrieblicher Rahmenbedingungen,
betrieblicher Strukturen und Prozesse, die die gesundheits-
förderliche Gestaltung von Arbeit und Organisation und
die Befähigung zum gesundheitsfördernden Verhalten der
Beschäftigten zum Ziel haben“ (Kiesche 2013, S. 174).
Systematisierung des dBGM (Folie aus dem Vortrag von Prof. Dr.
David Matusiewicz auf der BVPG-Statuskonferenz „Digitalisierung und
Gesundheitsförderung“ im Dezember 2016: www.bvpraevention.de
Journal Gesundheitsförderung 2 | 2018 11
Im Zuge des neuen noch weiteren Rahmens der „Industrie 4.0“
bzw. „Arbeit 4.0“ � ndet sich auch der Begriff des „dBGM“.
Diese Entwicklungsstufe spiegelt die Abb. auf S. 10 wider.
Das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) ist mittlerweile
eine feste Größe in den Betrieben und Unternehmensleitungen.
Gesundheitsförderung als Wettbewerbsfaktor in den Unterneh-
men – das haben viele Unternehmen erkannt und investieren
in die Gesundheit ihrer MitarbeiterInnen. Nicht mehr das „Ob“,
sondern das „Wie“ wird heute diskutiert, wie Prof. Badura in
seinem Vorwort zum BGM in dieser Journalausgabe feststellt
(s. Seite 3). D. h. verbesserungsfähig ist vor allem die Qualität
und Wirksamkeit des BGM im Zuge seiner praktischen Umset-
zung. Hier werden die neueren Ansätze des BGM, die sich auf
die Wertekommunikation, die Mitarbeiterbindung und Entwick-
lung einer Präventionskultur stützen sicher weitere Verbesserun-
gen bringen (s. hierzu die Beiträge auf den Seiten 14 bis 29 in
dieser Journalausgabe).
Zum Begriff Arbeit 4.0
In den kommenden Jahren wird die Weiterentwicklung des BGM
sehr stark von den Veränderungen geprägt, die gegenwärtig un-
ter den Begriffen Industrie bzw. Arbeit 4.0 diskutiert werden.
ExpertInnen sagen voraus, dass intelligente Maschinen in den
kommenden Jahrzehnten den Menschen in vielen Branchen er-
setzen werden – nicht nur in der Industrie. Zum Beispiel könn-
ten selbstfahrende Autos Taxi- und Lkw-Fahrer über! üssig ma-
chen und Sprachsysteme Menschen aus Callcentern verdrängen.
Dementsprechend wurde die Bundesforschungsministerin Jo-
hanna Wanka von dem humanoiden Pepper-Roboter „Emma“
im Ausstellungsfahrzeug InnoTruck beim Auftakt des Wissen-
schaftsjahres 2018 – „Arbeitswelten der Zukunft“ begrüßt (s.
Abb., rechts oben). Im Mittelpunkt des Wissenschaftsjahr 2019
wird dann die „Künstlicher Intelligenz“ stehen.
(www.wissenschaftsjahr.de/2018)
2013 prägte ein Beraterteam der Bundesregierung dafür den Be-
griff Industrie 4.0. Die Vier soll darauf verweisen, dass es sich
bei diesem Prozess um die vierte historische Umwälzung der Ar-
beitswelt seit der ersten industriellen Revolution vor ca. 200 Jah-
ren handelt. „Die Schreibweise 4.0 nimmt Bezug auf die Zähl-
weise von Software-Versionen und soll dem Schlagwort einen
coolen digitalen Glanz verleihen“ (TV-Today, Heft 20, S. 16).
„Industrie 4.0 bezeichnet die intelligente Vernetzung von Maschi-
nen und Abläufen in der Industrie mit Hilfe von Informations-
und Kommunikationstechnologie“ (www.plattform-i40.de/) und
ist damit die Bezeichnung für ein Zukunftsprojekt zur umfassen-
den Digitalisierung der industriellen Produktion, um sie für die
Zukunft besser zu rüsten (Wikipedia).
Im „Weißbuch Arbeiten 4.0“ des Bundesministeriums für Arbeit
(Stand November 16), werden die wichtigsten Treiber und
Trends, die Ein! uss auf die Arbeitswelt von morgen haben, kurz
beschrieben:
• „die Digitalisierung,
die neue technologische Möglichkeiten für die Zusammen-
arbeit, Produktion und Organisation von Unternehmen und
den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen schafft;
• die Globalisierung,
die – auch dank Internet – den Aktionsradius von Unterneh-
men und Beschäftigten in den vergangenen Jahrzehnten er-
heblich erweitert und grenzüberschreitenden Handel sowie
Kommunikation ermöglicht, aber auch Wanderungsbewe-
gungen auffällig verstärkt hat;
• der demografi sche Wandel,
der beein! usst, wer sich mit welcher Quali� kation zukünftig
an der gesellschaftlichen Wertschöpfung beteiligen kann; und
• der fortgesetzte kulturelle und gesellschaftliche Wandel,
der Konsumverhalten und Beziehungsgefüge verändert und
entscheidenden Ein! uss darauf hat, welche Neuerungen
Akzeptanz � nden und sich durchsetzen, und welche nicht“
(Weißbuch Arbeiten 4.0, BMA S. 18). Die untenstehende Abb.
verdeutlicht diese Treiber noch mal in anderer Form.
Pepper-Roboter „Emma“ begrüßt Bundesforschungsministerin
Johanna Wanka. © BMBF/Wissenschaftsjahr 2018
Vortragsfolie 6. Dezember 2016, Dr. Oliver Lauenstein, Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Technologie und Globalisierung
verändern Wirtschaft und Gesellschaft
Journal Gesundheitsförderung 2 | 201814
Ziele und Inhalte
Viele Betriebe stehen vor der Herausforderung, sich am Markt
als attraktive Arbeitgeber zu positionieren, um quali� zierte
Fachkräfte zu gewinnen und sie dauerhaft zu halten. Die Arbeits-
welt von heute - geprägt durch Digitalisierung, Globalisierung
und den demogra� schen Wandel (s. hierzu den Beitrag S. 10 bis
13) - schafft einen zunehmenden Qualitäts- und Innovations-
wettbewerb. Der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit ist die eigene
Unternehmenskultur. Genau hier setzt das Audit „Zukunftsfähige
Unternehmenskultur“ an.
Ziel des Audits ist es, unter Einbindung der Beschäftigten nach-
haltige Veränderungsprozesse in Unternehmen und Verwaltun-
gen anzustoßen und so die Arbeitsbedingungen langfristig zu
verbessern. Es soll Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Beschäf-
tigte sowie Betriebs- und Personalräte für die Herausforderun-
gen der Arbeitswelt von morgen sensibilisieren und sie dabei
unterstützen, diesen aktiv zu begegnen. Dies geschieht entlang
der Themenfelder
• Führung,
• Chancengleichheit & Diversity,
• Gesundheit
• Wissen & Kompetenz (s. Abb. S. 15).
Die Initiative Neue Qualität der Arbeit bietet damit ein Angebot,
das eine mitarbeiterorientierte Gestaltung der Arbeitsbedingun-
gen unterstützt. Mitarbeitende und die Geschäftsführung in den
teilnehmenden Unternehmen und Verwaltungen sitzen von Be-
ginn an gemeinsam an einem Tisch. Der Handlungsbedarf wird
gemeinsam identi� ziert und alle Verbesserungsvorschläge wer-
den zusammen entwickelt. So können sie nach ihrer Implemen-
tierung nachhaltig wirken, weil sie von allen Akteuren getragen
und akzeptiert sind.
Das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte
Auditierungsprogramm wird nach einer erfolgreichen Pilotphase
bundesweit durch die Demogra� eagentur GmbH umgesetzt. Es
wurde in enger Zusammenarbeit von einem Kuratorium aus Ber-
telsmann Stiftung, dem „Institut Great Place to Work®“ und dem
Demographie Netzwerk e.V. (ddn) entwickelt.
Teilnahme und Umsetzung
Das Audit Zukunftsfähige Unternehmenskultur richtet sich an
alle privaten und öffentlichen Betriebe bzw. Verwaltungen mit
mindestens 10 Beschäftigten. Zentral für eine erfolgreiche Teil-
nahme sind die Bereitschaft zu innerbetrieblicher Veränderung
sowie gelebte Partizipation und Innovation.
Aus diesem Grund ist der Status quo eines Betriebs nicht aus-
schlaggebend für den Erhalt der Auszeichnung Zukunftsfähige
Unternehmenskultur. Was zählt, ist die Tatsache, dass ein Betrieb
zusammen mit seinen Beschäftigten einen Veränderungsprozess
vorantreibt – natürlich auf Basis der zuvor ermittelten Bedürfnisse
und im Rahmen der individuellen Möglichkeiten des Betriebs.
Betriebliches Gesundheitsmanagement
Das Auditierungsprogramm der „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ (INQA):
ZukunftsfähigeUnternehmenskultur
Das 2016 initiierte Programm weist zwar Gesundheit als einen separaten Programmteil aus, verfolgt aber mit
den drei weiteren Programmteilen Führung, Chancengleichheit & Diversity sowie Wissen & Kompetenz einen
umfassenden, wenn auch kostenpfl ichtigen Ansatz betrieblichen Gesundheitsmanagements. Für kleine und
mittelgroße Betriebe (KMUs) gibt es allerdings mit dem „INQA Check „Gesundheit“ auch einen kostenfreien
Zugang zum Programm „Zukunftsfähige Unternehmenskultur“, der im zweiten Teil dieses Beitrages konkreter
vorgestellt wird.
JG Redaktion
Journal Gesundheitsförderung 2 | 2018 15
Das Audit Zukunftsfähige Unternehmenskultur läuft in zwei Pha-
sen ab: einem Einstiegs- und einem Entwicklungsprozess. Wäh-
rend des gesamten Audits steht eine Prozessbegleitung zur Seite,
um Impulse zu geben, den Ablauf zu strukturieren und zu mode-
rieren. Dies ist je nach Betriebsgröße mit entsprechenden Kosten
verbunden (z. B. bis 50 MitarbeiterInnen 3.800.- €).
Die Umsetzung erfolgt nach dem gängigen Schema: Einsetzung ei-
ner betriebsinternen Projektgruppe, Bestandsaufnahme, Aktions-
plan, praktische Umsetzung. Alle weiteren Informationen zum
Audit „Zukunftsfähige Unternehmenskultur“, zur Teilnahme,
Umsetzung und den Deutschland weit verteilten Prozessbegleiter-
Innen des Programms � nden Sie unter: www.inqa-audit.de
Auszeichnungen
Erfolgreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten eine Ur-
kunde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der
Bertelsmann Stiftung sowie eine Plakette, mit der sie ihren Ein-
satz für eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur auch
nach außen bewerben können. Gerade im zunehmenden Wett-
bewerb um quali� zierte Fachkräfte kann die Auszeichnung Zu-
kunftsfähige Unternehmenskultur ein sichtbares Zeichen sein,
sowohl um Fachpersonal zu binden als auch um neues zu ge-
winnen. Weitere Informationen zu den Auszeichnungen � nden
Sie unter der Abbildung auf der nächten Seite.
Quelle: Zukunftsfähige Unternehmenskultur. Das Audit der Initiative Neue Qualität der Arbeit http://www.inqa-audit.de/das-audit/was-ist-das-audit/
Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA)
Die INQA setzt sich seit mehr als zehn Jahren für eine neue
Qualität der Arbeit ein. 14 zentrale Institutionen sowie er-
fahrene ThemenbotschafterInnen engagieren sich für die
Ziele der Initiative und entscheiden in einem gemeinsamen
Steuerkreis über deren strategische Ausrichtung. Die über
60 regionalen Partnernetzwerke der Initiative bündeln mehr
als 3.500 Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.
Journal Gesundheitsförderung 2 | 201818
Sichtbarmachung bisher
unsichtbarer Qualitätsmerkmale
Zukünftig wird es immer wichtiger, wie
Unternehmen jenseits ihrer üblichen
Finanzkennzahlen dastehen. Werden
Menschenrechte gewahrt? Wird die Um-
welt geschont und Korruption verhin-
dert? Die EU-Kommission und die Bun-
desregierung sind der Auffassung, Unter-
nehmen müssen ihre Aktivitäten in
Sachen Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter, der Umwelt und der sie umge-
benden Gesellschaft besser sichtbar
machen (CSR-Richtlinie vom 11.04.2017).
Ziel ist die Verbesserung der „Transparenz
der Sozial- und Umweltberichterstattung
der Unternehmen aller Branchen in allen
Mitgliederstaaten“.
Im Anschluss insbesondere an Arbeiten
zum Sozialkapital von Organisationen,
wie sie die Nobelpreisträgerin für Öko-
nomie Elinor Ostrom vorgelegt hat, ver-
treten wir die Auffassung, dass sich die
„Soziale Verantwortung“ von Wirtschafts-
unternehmen nicht darin erschöpft „ihren
Profi t zu steigern“ (Friedman 1970). In
Übereinstimmung mit der angesproche-
nen Forderung von EU und Bundesregie-
rung ist das Ziel die Sichtbarmachung bis-
her unsichtbarer Qualitätsmerkmale von
Organisationen, insbesondere der Quali-
tät der Führung, der Kultur, der horizon-
talen wie vertikalen Beziehungen und ih-
rer Auswirkungen auf Arbeitsbereitschaft
und Gesundheit der Mitglieder.
Die „Bindungsthese“
Menschen sind soziale Wesen. Menschen
brauchen Menschen: zu ihrem physischen
Überleben ebenso wie für die Entfaltung
und den Einsatz ihrer emotionalen, motiva-
tionalen und kognitiven Potentiale. Diese
„Bindungsthese“ fi ndet Bestätigung in Er-
gebnissen der Neuro- und Evolutionsbio-
logie ebenso wie der Entwicklungspsycho-
logie, der Soziologie und der Ökonomie.
In der vertrauensvollen Kooperation mit
Ihresgleichen fi nden Menschen ihre Sinn-
bestimmung und zugleich ein wirkmäch-
tiges Instrument zur Daseinsbewältigung
– innerhalb und außerhalb der Arbeits-
welt (Badura 2017).
Findung und Bindung von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern wird – besonders in
Zeiten knapper werdender hochqualifi -
zierter Fach- und Führungskräfte – zu ei-
ner an Bedeutung gewinnenden Aufgabe.
Zur Stärkung von Attraktivität und Binde-
kraft reicht es nicht mehr aus, Schatten-
seiten von Organisationen zu identifi zie-
ren und zu beseitigen. Immer wichtiger
wird zudem die Identifi zierung und Stär-
kung ihrer Lichtseiten, insbesondere der
Verbundenheit ihrer Mitglieder unterein-
ander, mit ihren Aufgaben und ihrer Orga-
nisation, sowie die Förderung einer Kul-
tur vertrauensvoller Kooperation.
Transparenz und Beteiligung, sinnvoll
empfundene Aufgaben und Ziele erhöhen
die Attraktivität für Arbeitssuchende und
fördern Bindung, Gesundheit und Quali-
tätsbewusstsein, erleichtern m.a.W. die
Transformation bloßer Mitglieder in aktiv
mitgestaltende Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter. Sinnlos empfundene Aufgaben,
Unveränderbarkeit der Zustände, mangel-
hafte Führung und Transparenz sowie –
daraus resultierend – verbreitete Ängste
und Hilfl osigkeitsgefühle wirken dage-
gen eher abstoßend, sind Schattensei-
ten von Organisationen, denn sie führen
zu Dienst nach Vorschrift, innerer Kün-
digung, Burnout, hohen Fehlzeiten oder
freiwilliger Fluktuation.
Licht- und Schattenseiten von Organisationen sichtbar machen:
Das BielefelderUnternehmensmodell
Der Bielefelder Ansatz des Betrieblichen Gesundheitsmanagements wurde auf der Basis langjähriger wissen-
schaftlicher Arbeit und umfassender praktischer Erfahrungen entwickelt. Im Mitttelpunkt des Ansatzes stehen
die Kultur des Unternehmens, die Sinnhaftigkeit der Arbeit und die emotionale Bindung der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter als zentrale Faktoren der Gesundheit.
Bernhard Badura
Betriebliches Gesundheitsmanagement
Journal Gesundheitsförderung 2 | 201844
Das Setting Hochschule ist für 3,4 Mio.
Menschen in Deutschland Lern-, Arbeits-
und Lebenswelt. Größte Statusgruppe
sind mit 2,8 Mio. die Studierenden.
Die Studienzeit ist eine zeitlich begrenzte
Entwicklungsphase von besonderer Qua-
lität. Sie trägt maßgeblich zur Kompe-
tenzentwicklung zukünftiger Führungs-
kräfte und Entscheidungsträger*innen in
der Gesellschaft bei. Diese Lebensphase
ist mit vielfältigen neuen Herausforderun-
gen verbunden. Zum Beispiel sind viele
Studierende von ihren Freunden und der
Familie erstmals räumlich getrennt. Sie
gründen einen eigenen Haushalt, sind im
Studium aufgefordert, ihre Zeit eigenstän-
dig zu planen und zu organisieren. Kon-
kurrenzdruck, Prüfungsstress und hohe
eigene Ansprüche oder auch Erwartungen
der Eltern können zusätzlich belasten.
Wer heute ein Studium aufnimmt, ent-
scheidet sich bewusst auch für spezi� -
sche Rahmenbedingungen und Leistun-
gen, die eine Hochschule zusätzlich zur
klassischen Lehre und Wissenschaft an-
zubieten hat. Das sind beispielsweise der
Betreuungsschlüssel im Fachgebiet, die
Attraktivität der Region aber auch hoch-
schulische Angebote zur Gesundheit.
Hochschulen sind hier im Wettbewerb
und haben das Feld Gesundheitsförde-
rung längst für sich entdeckt.
Was wissen wir über
die Gesundheit Studierender
in Deutschland?
Es gibt gerade in den letzten Jahren zahl-
reiche Untersuchungen zu diesem The-
ma, oft direkt bezogen auf eine einzelne
Hochschule.
In einer landesweit übergreifenden Befra-
gung von Studierenden hat die TK 2007
zum ersten Mal gemeinsam mit der Uni-
versität Bielefeld die gesundheitliche Si-
tuation von Studierenden in NRW unter-
sucht und diese mit gleichaltrigen jungen
Erwerbspersonen verglichen. In dieser Be-
fragung gab es erste Hinweise auf ernst-
zunehmende Faktoren, die das Wohlbe-
� nden im Studium beein! ussen. Zum Bei-
spiel Zeitstress und Hektik, fehlende Rück-
zugsmöglichkeiten in der Hochschule und
fehlender Praxisbezug im Studium (Meier,
Milz, Krämer, 2007).
Die TK-Gesundheitsreporte 2011 und 2015
zeigten auf, dass Studierende im Vergleich
zu jungen Erwerbspersonen häu� ger eine
psychische Diagnose (insbesondere de-
pressive Erkrankungen oder bestimmte
Angststörungen) erhielten und häu� ger
Antidepressiva verordnet bekamen (Gro-
be & Steinmann, 2015).
Qualitative Informationen zu gesundheit-
lichen Beschwerden, Ernährungs- und Be-
wegungsverhalten sowie dem Stresslevel
der Studierenden sind das Ergebnis einer
repräsentativen Befragung von 1000 Stu-
dierenden im TK-CampusKompass (TK,
2015). Hier gibt über die Hälfte der weib-
lichen Studierenden und über ein Drittel
der männlichen Studierenden an, durch
Stress erschöpft zu sein. Schlaf- und Kon-
zentrationsprobleme sind häu� ge Begleit-
erscheinungen.
Studierende nehmen häu� ger Stress wahr
als die Gesamtbevölkerung Deutschlands.
Gründe hierfür sind vor allem die Prü-
fungen, umfangreicher Lernstoff, Mehr-
fachbelastungen durch Studium und Job,
Angst vor schlechten Noten und die Sorge,
keinen Job zu � nden.
Auch die zunehmende Digitalisierung be-
ein! usst die Gesundheit der Studierenden.
Studierende, die sich in Ihrer Freizeit be-
wusst für Of! ine-Phasen entscheiden, sind
laut Befragung von gesundheitlichen Be-
schwerden wie Rücken- oder Kopfschmer-
zen weniger häu� g betroffen (TK, 2015).
2017 hat die TK in Kooperation mit dem
Deutschen Zentrum für Hochschul- und
Wissenschaftsforschung und der Freien
Universität Berlin bundesweit ca. 6200
Studierende zu ihrer Gesundheit, ihrem
Gesundheitsverhalten sowie den Anforde-
rungen und Ressourcen des Studiums be-
fragt (Grützmacher et al., 2018).
Betriebliches Gesundheitsmanagement
Lebensphase Studiumaktiv gesund gestalten
Der Beitrag zeigt auf, was wir über die Gesundheit Studierender in Deutschland wissen und was Krankenkas-
sen und Hochschulen für eine gesunde Gestaltung des Studiums tun können. Das Präventionsgesetz fordert
hier auch speziell die Krankenkassen heraus. Anhand eines Praxisprojektes an der Technischen Universität
Kaiserslautern wird beschrieben, wie Studentisches Gesundheitsmanagement umgesetzt werden kann.
Brigitte Steinke, Sabine König unter Mitwirkung von Ines Niemeyer und Max Sprenger
Journal Gesundheitsförderung 2 | 201848
Betriebliches Gesundheitsmanagement
Vor gut einem Jahr erschien der Bericht der Bundesanstalt für
Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zur psychischen Ge-
sundheit in der Arbeitswelt. Er basiert auf den Projektergebnissen
durchgeführter Befragungen, qualitativer Studien der betriebli-
chen Praxis und umfassender Literaturrecherchen. Damit sollten
Erkenntnisse gewonnen werden, „wie psychische Belastungs-
faktoren bezogen auf den gesicherten Stand der Wissenschaft zu
bewerten sind, welche neuen Arbeitsanforderungen sich durch
den Wandel der Arbeit ergeben und welche Wissenslücken zu
Belastungskonstellationen sowie zu deren Entstehungszusam-
menhängen und Wirkungen auf den Menschen bestehen" (S. 10).
Mit den im Bericht vorgelegten Projektergebnissen stellt die
BAuA eine Aufbereitung des verfügbaren wissenschaftlichen
Erkenntnisstands und darauf aufbauende Handlungsoptionen
zur Weiterentwicklung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes
bzw. des Betrieblichen Gesundheitsmanagements zur Verfü-
gung. Insofern bietet der Bericht eine Vielfalt an wissenschaft-
lich fundierten Daten, Fakten und Zusammenhängen zwischen
Arbeitsbedingungen und psychischer Gesundheit, auf die sich
AkteurInnen der Gesundheitsförderung bei der Planung ihrer
Maßnahmen stützen können. Dazu ein Beispiel sowie ein Über-
blick zur Struktur der Inhalte des Berichts.
Kein Anstieg psychischer Störungen?
Grundsätzlich zeigt die Studienlage, dass sich die 12-Monats-
Prävalenz von psychischen Störungen in den letzten Jahren
kaum verändert hat (Robert Koch-Institut, 2015). So liegt die
12-Monats-Prävalenz von depressiven Störungen ca. bei 6 % für
Männer und bei etwa 13 % für Frauen (Jacobi et al., 2014).
„Insgesamt gibt es aktuell keine empirischen Hinweise auf Verän-
derungen in der Prävalenz psychischer Störungen. Diese Befunde
stehen allerdings in Widerspruch zum Anstieg der aufgrund
einer psychischen Störung zuerkannten Zahl von Erwerbsmin-
derungsrenten, aber auch zur Zunahme des Anteils der auf
eine depressive Episode zurückgehenden Arbeitsunfähigkeitstage
am Krankenstand in den zurückliegenden Jahren (Schütte &
Köper, 2013).
Als eine Ursache für die verstärkte Inanspruchnahme von Leis-
tungen des Gesundheits- und Sozialsystems wird die veränderte
Einstellung zu psychischen Störungen (z. B. Entstigmatisierung)
diskutiert (Angermeyer et al., 2013). Darüber hinaus repräsen-
tieren in diesem Rahmen auch die Erwartungen des Patienten
sowie des Behandelnden an die Konsequenzen einer Diagnose
(z. B. Erwerbsminderung durch eine depressive Störung) einen
weiteren möglichen Einfl ussfaktor. Auch kommt in Betracht,
dass die psychische Bedingtheit körperlicher Beschwerden bes-
ser erkannt wird. Eine Hypothese besteht darin, dass die durch
den Wandel der Arbeit entstehenden Arbeitsanforderungen eine
Leistungsfähigkeit verlangen, die nicht bei allen Beschäftigten
gegeben ist.
Aber auch dem Gesundheitssystem inhärente Bedingungen kön-
nen den Anstieg erklären, wie z. B. eine Veränderung der Diag-
nosemöglichkeiten in der ambulanten Versorgung, durch die
psychische Störungen eher als in der Vergangenheit erkannt
werden (Jacobi et al., 2002). Ebenfalls möglich sind gesund-
heitsökonomische Effekte (z. B. unterschiedliche Anreizsysteme
durch Fallgruppenpauschalen oder die regionale Angebotsdichte
von Therapien).
Nicht auszuschließen ist weiterhin, dass sich durch eine Ver-
schiebung der diagnostischen Kriterien – wie sie im DSM V deut-
lich wird – der Anteil psychisch Erkrankter unangemessen ver-
größert, sodass eine Pathologisierung der Gesellschaft und damit
auch der Belegschaften die Folge ist“ (S. 79/80).
BGM relevante Berichte und Studien
Sicherlich gibt es eine Fülle von Berichten und Studien zur Gesundheit in der Arbeitswelt, die für das Betrieb-
liche Gesundheitsmanagement (BGM) genutzt werden können. Einige davon hat die JG Redaktion zum
Abschluss des BGM-Schwerpunktthemas für Sie zusammengestellt und zwar zu den Themen psychische
Gesundheit, Vielfalt in der Arbeitswelt (Diversity), Chancengleichheit sowie zur Gesundheit im Büro.
JG Redaktion
Der BAuA Bericht „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“
Journal Gesundheitsförderung 2 | 201860
dies im Zukunftsforum Public Health diskutiert, einer breiten
Bewegung von Wissenschaft und Praxis, die die Themen öffent-
licher Gesundheit voranbringt.
Zentrale Fragen an die
Gesundheitsförderung in Deutschland
Beim Kongress Armut und Gesundheit wurden verschiede-
ne Varianten diskutiert darüber, wie Expertenkommissionen
sich des Themas annehmen können (s. hierzu auch den Be-
richt von Nicole Böhme auf S. 64 in dieser Journalausgabe
über den Kongress Armut und Gesundheit 2018 in Berlin).
Pragmatischer Ansatz:
Prüfung der Umsetzung des Präventionsgesetzes
Die erste Variante bezieht sich auf die unmittelbare Überprü-
fung der aktuellen Präventionspolitik, in dem die Neuregelun-
gen durch das Präventionsgesetz von 2015 auf den Prüfstand ge-
stellt werden. Dies wird vor allem von Oppositionsparteien mit
hohem Engagement verfolgt, während amtierende Regierungen
hier eher zu Langmut neigen. So formulierte die Bundestagsfrak-
tion von Bündnis 90/ Die Grünen in einer Kleinen Anfrage an
die Bundesregierung insgesamt 45 detaillierte Fragen zur Umset-
zung des Präventionsgesetzes (BT-Drucksache 18/13504). Die
Bundesregierung antwortete hier schon am 21. September (BT-
Drucksache 18/13612) eher lapidar und verwies überwiegend
darauf, dass angefragte Daten sowie Praxiserfahrungen und –
einschätzungen noch nicht vorliegen. Es $ ndet sich in dieser
Paradigmenwechsel in der Prävention
Das Präventionsgesetz (2015) bedeutet einen Paradigmenwech-
sel für Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland.
Während Prävention durch Krankenkassen bislang vor allem
Kursangebote hieß, soll seit 2016 der überwiegende Anteil der
erhöhten Finanzmittel (mindestens 4 der 7 Euro pro Versicher-
ten und Jahr) für Gesundheitsförderung und Prävention in Le-
benswelten (§§ 20a, 20b SGB V) verwendet werden. Hier sollten
verhältnispräventive Maßnahmen Vorrang haben. Es erfordert –
ganz im Sinne des neu formulierten § 20a SGB V – eine Be-
standsaufnahme und Analyse, wo Ansätze für die Veränderung
von Verhältnissen liegen und wie diesbezüglich notwendige
gesundheitsförderliche Strukturen und Netzwerke aufgebaut
werden können. Eine solche Gesundheitsförderung könnte den
Weg zu nachhaltigen und effektiven Veränderungen sozialer,
baulicher und kultureller Verhältnisse in Settings bahnen.
Erste Erfahrungen zeigen, dass dies ausgesprochen schwie-
rig ist. Die Kassen stehen im Wettbewerb zueinander, für ihre
Unternehmensstrategie bedeutet Prävention vor allem Versicher-
tenbindung und Marketing. Zudem können solche komplexen
Aufgaben nicht von den Kassen alleine bearbeitet werden, son-
dern bedürfen eines gesamtgesellschaftlichen Ansatzes, einer
„Health in All Policies“.
Beim Kongress Armut und Gesundheit im März 2018 in Ber-
lin wurde hier die Forderung erhoben, im Bundestag eine En-
quete-Kommission „Prävention in Deutschland“ einzurichten.
Schnell wurde deutlich, dass die aktuell abwartende Haltung der
Bundestagsparteien, die zunächst die Vorlage des Präventions-
berichts zum 1. Juli 2019 abwarten, dem entgegen steht. Doch
eine Expertenkommission kann auch von anderen Bündnissen,
Gremien oder Auftraggebern eingerichtet werden. Aktuell wird
Gesundheitspolitik
Weiterentwicklung der Prävention – welche Expertisen sind gefragt?
Im Zuge des Wandels von der Verhaltens- zur Verhältnisprävention fasst der Beitrag die Inhalte der Ansätze
zusammen, die im März 2018 auf dem Kongress Armut und Gesundheit zur Weiterentwicklung der Prävention
und Gesundheitsförderung in Deutschland durch eine Expertenkommission diskutiert wurden: den pragma-
tischen Ansatz der Prüfung der Umsetzung des Präventionsgesetzes (PrävG), den perspektivischen Ansatz
der Erweiterung des PrävG durch Public Health Ziele sowie den visionären Ansatz der „Health in All Policies.“
Raimund Geene