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Ilaria Meloni
Variation in der diastratischen Varietät (1/2)
WiSe 2013
Varietäten und Variation im Deutschen
§ Mit diastratischer Varietät ist die soziale Dimension der Sprache gemeint (Soziolekte).
§ Eine diastratische Variation ist eine Variation gemäß soziokultureller Zugehörigkeit der Sprecher.
Ein Soziolekt ist eine Sprachvarietät, die für eine sozial definierte Gruppe charakteristisch ist. Der Gebrauch eines Soziolekts verrät die soziale Herkunft des Sprechers.
Ilaria Meloni
Variation in der diastratischen Varietät (2/2)
WiSe 2013
Varietäten und Variation im Deutschen
Relevante Parameter der sozialen Gruppierung:
² Alter à Jugendsprache vs Gerontolekt
² Geschlecht àFrauen- und Männersprache
² Berufsgruppeà Berufs- (Flieger-, Kaufmanns- Seemanns-, Bergmanns- Jägersprache usw.) und Fachsprachen
² Andere Sondersprachenà Geheimsprachen: Gaunersprache bzw. Rotwelsch, Soldatensprache usw.
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Diastratische Variation: Terminologie und Begriffe
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Varietäten und Variation im Deutschen
q Gruppensprachen (Soziolekte): Gesamtheit der sprachlichen Besonderheiten einer sozialen Gruppe: Jugendsprache, Frauen- und Männersprache, Fußballfansprache usw.
q Sondersprachen (fach- und sozialgebundene Sprachformen). S. bezeichnet
im Gegensatz zur Umgangssprache usw. in einer Sprachgemeinschaft einen differenzierten Ausschnitt des Sprachpotenzials, den nicht alle Sprecher teilen (Glück 2005, s.v. Sondersprache):
a) Berufs-, Fachsprachen und gruppenspezifische Sprachen (auf einem Gebiet, das von der Gemeinsprache nicht abgedeckt wird); b) sozial gebundene Sprache oft mit verhüllender abgrenzender
Funktion: Gaunersprache, kanak-sprak (auch Jugendsprache) usw.
q Fachsprachen: entweder die sprachlichen Spezifika oder die Gesamtheit
der sprachlichen Mittel, die in einem Fachgebiet verwendet werden.
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Jugendsprache (1/6)
WiSe 2013
Varietäten und Variation im Deutschen
Typische Merkmale: wEinfluss des Englischen à(Schreibweise z.B. in Jugendzeitschriften) Groß- bzw. Kleinschreibung der englischen Substantive: Underground/underground; Kids/kids àenglische Wörter werden in spielerischer Verfremdung „phonetisch“ geschrieben: comics/Kommicks; action/Äktschn àGrammatik: Pluralbildung mit -s: die Teenagers umgekehrte Tendenz zur Angleichung an das dt. Muster (Wörter auf –er): von den Promotern; die Trendsetter àschwankende Genusbildung bei der Übernahme von englischen Wörtern: er brachte den vollen power/auf die Bühne hat er dieselbe power wie hinter den Kulissen.
àenglische Verben werden in das deutsche Flexionssystem eingepasst (jammen; comebacken, chillen – to chill=kühlen, abkühlen- ‘sich beruhigen, relaxen‘ à chill mall! statt reg dich ab!) und oft mit dt. Präfixen versehen (lospowern, abchecken) àDenglische Ausdrücke: „Jugendliche müssen am Flughafen einchecken, jetten durch die Welt, haben eine Sendung gefeatured oder eine Sache gemanaged, wollen ein Song promoten und müssen gelegentlich einen Termin canceln, damit sie ‘mal relaxen können.“(aus: Wahrig, Grammatik der deutschen Sprache, S. 602)
Ilaria Meloni
Jugendsprache (2/6)
WiSe 2013
Varietäten und Variation im Deutschen
àVerdeutschung von englischen Adjektiven und Attributen: tougher Typ, taffe Typen; dieses Album ist eins der livesten. Adjektive auf –ig können von der englischen Entsprechung auf -y abgebildet sein (speedig, jazzig) oder von Substantiven herstammen (spacig, popig, soulig, oldig à Ableitung aus Oldie); Ableitungen von Adjektiven mit dem Suffixoid –mäßig: schwepunktmäßig usw. Manchmal werden A. aus dem Englischen auch unverändert übernommen (das Piano spielt softly im background; die Musik ist teil rocking, teils dreamy),
à Einige beliebte Wortbildungsmuster: Verbindung zweier Substantive (Technikfreaks i.S.v. Technik-Verrückter); Kombination von Substantiv mit Adjektiv (Creativ-Rock), mit Verbstamm (Relax-Album), mit Partikeln (In-Kreise), mit Zahladjektiv (Erst-CD), mit festen Wendungen (eine It´s-a-beautiful-day-Stimmung). Beliebt sind auch fantasievolle Wortreihungen (die Malboro/Camel/Go West-Generation), Wortkürzungen (C&W statt Country and Western) und Phraseologismen: Das ist ein Hammer! usw.
àAuslassungen werden oft nicht mehr durch den Apostroph gekennzeichnet: Kampf ums Jugendhaus; son Undergroundschmarrn usw.
Annäherung an die gespr. Spr.
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Jugendsprache (3/6)
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Varietäten und Variation im Deutschen
Thün
e/E
lter/L
eona
rdi 2
005,
169
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Jugendsprache (4/6)
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Varietäten und Variation im Deutschen
àPragmatik: Grußformeln: moin moin (norddt.), tach, halli hallo, hi hi und Pseudo-Suffixe –owsky, -manky (tschüssikowsky, bis dannimansky), Wortkreuzungen (auf wiedertschüss) usw. Anrede: Langer, Meister, Alte/r, Kumpel, Mädels, Leute, Bruder/Mann/Chef, Schwester. Beschimpfende Anrede: du Schlampe. Gesprächs- u. Modalwörter (Indikatoren für ganze Sprechhandlungen) echt, ja voll, bist du malle (adversative Funktion: malle= doof, dumm ? ne?, was?, oder?, und so – Hey Fans, das war ne super Scheibe, was! Interjektionen, Onomatopöien und Inflektive: Wau! peng! Ächz! Verzögerungslaute: äh, hm usw.
Yolo:„you only live once“ (du lebst nur einmal) Carpe diem - Jugendwort des Jahres 2012 Yalla: (aus dem Arabischen) "Beeile dich!"
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Jugendsprache (5/6)
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Varietäten und Variation im Deutschen
Thüne/Elter/Leonardi 2005, 170
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Jugendsprache (6/6)
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Varietäten und Variation im Deutschen
Aus: Sonntagsblatt
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Jugendsprache (6/6)
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Varietäten und Variation im Deutschen
Aus dem Web
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kanak-sprak (1/2)
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Varietäten und Variation im Deutschen
Kanake, der Herkunft: polynesisch kanaka = Mensch derb abwertend Ausländer, Angehöriger einer anderen, fremden Ethnie, diskriminierendes Schimpfwort
aus: Duden Universalwörterbuch
Die kanak-sprak (auch „Türkenslang“ (Auer 2003), „Kiez-Deutsch“ (Wiese 2006), „Türkendeutsch“ (Simsek 2011) ist ein Jargon (multiethnolektale Jugendsprache - Wiese), der vorwiegend von zweisprachig aufgewachsenen, meist türkisch-stämmigen Jugendlichen der zweiten oder dritten Einwanderergeneration gesprochen wird. „Ethnolekt“ (N. Dittmar) mit „Elemente[n] von reduziertem Deutsch und anderen Formen deutsch-türkischer Sprachmischung.“ (W.Kallmeyer, IDS)
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kanak-sprak (2/2)
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Varietäten und Variation im Deutschen
Ein16jähriger Sproß zu seinem deutschen Kumpel, im Bus, die Klassenschönste steigt zu: "Tam tschuki, Lan!” (Ugs.) "geile Braut, Alder!”
Beispiele: Yalla (Los gehts) Machst du rote Ampel. (Du gehst bei Rot über die Straße.) Hast du U-Bahn? (Nimmst du die U-Bahn?) Ich hab Fahrrad. (Ich nehme das Fahrrad.) Was guckst du; bin ich Kino? (Provozier mich nicht.) Wir sind jetzt neues Thema. Wallah (Ich schwöre) Siktir (Hau ab. Verpiss dich.) Cüs (Krass, furchtbar) Ich mach dich Messer. (Ich greife dich mit einem Messer an.) Morgen ich geh Arbeitsamt. Ischwör (Ich schwöre. Wirklich) Lassma treffen. Hast du Handy bei? Ich such nicht so Ausbildungsplatz, ich such richtige Arbeit. Quellen: Heike Wiese, Linguistische Berichte 207/2006 © Buske Verlag, HamburgNorbert Dittmar, Freie Universität Berlin (vgl. Suddeutsche Zeitung: 10. Mai 2010)
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Frauen- und Männersprache (1/4) Varietäten und Variation im Deutschen
Frauensprache: Sprache oder Sprechweise von Frauen, insofern sie sich von derjenigen der Männer in der gleichen Gesellschaft unterscheidet. (vgl. Glück 2005, s.v. Frauensprache) à Sex(o)lekt
Beobachtungen zum Gesprächsverhalten bei Männern und Frauen Frauensprache Männersprache Feinere und höflichere Sprechweise In manchen Situationen werden
Vulgarismen gebraucht.
Mehr Zurückhaltung im Gesprächsverhalten: weniger Redeeröffnungen, -unterbrechungen und Themenwechsel. Seltenere und kürzere Äußerungen.
Redeeröffnungen, -unterbrechungen und Themenwechsel. Längere Äußerungen.
Frauen würden angeblich besser artikulieren, Prestigeformen der Aussprache lieber benutzen als Männer.
Männer sprechen langsam und monoton.
vgl. Glück 2005, s.v. “Frauensprache”; Wahrig, Grammatik der deutschen Sprache, S. 605ff.)
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Frauen- und Männersprache (2/4) Varietäten und Variation im Deutschen
Stereotype: soziales Geschlecht Ärzte (m) und Krankenschwestern (f) Der Chef und seine Sekretärin (f) Viele Söhne, viel Segen, viele Töchter, viel Regen. Typische Bezeichnungen, die für Frauen benutzt werden.
Typische Appellative für Männer
Heulsuse (piagnucolona) Hurenbock (puttaniere) Plaudertasche/Quasselstrippe (chiacchierona)
Schürzenjäger (donnaiolo, lett. cacciatore di grembiuli)
Klatschbase (pettegola) Lustmolch (uomo che conduce un´intensa attività sessuale, mandrillo)
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Frauen- und Männersprache (4/4) Varietäten und Variation im Deutschen
Generisches Maskulinum man frau (!) Aber was ist, wenn frau vor Ablauf der
empfohlenen Sechs-Monats-Stillzeit wieder arbeiten will?
Personen- und Berufsbezeichnungen (agentivi) à Movierung/Motion der Student die Studentin der Professor die Professorin der Präsident die Präsidentin der Steward die Stewardess der Souffleur die Souffleuse Differenzialgenus ein Angestellter/der Angestellte eine Angestellte/die Angestellte Geschlecht und Zusammensetzung der Feuerwehrmann die Feuerwehrfrau der Ratsherr die Ratsfrau der Putzmann die Putzfrau
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Frauen- und Männersprache (4/4) Varietäten und Variation im Deutschen
Tendenzen: Gleichberechtigung der Frauensprache gegenüber der Männersprache durch splitting, Geschlechtsneutralformen und Differenzialgenus Lehrer(innen)/die LehrerInnen à („das große I“) der/die Angestellte weibliche und männliche Studenten; der/die Studierende, Pl. die Studierende Einkäufer m/w Sehr geehrte Damen und Herren Liebe Kollegen und Kolleginnen Computerfachleute; Kaufleute (Kaufmann und Kauffrau) Pflegekraft Hilfskraft
Richtlinien zur Vermeidung des sexistischen Sprachgebrauchs (69/1980)
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Sondersprachen: Rotwelsch bzw. Gaunersprache
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Varietäten und Variation im Deutschen
Rotwelsch: à rotwalsch (1250) i.S.v. „betrügerische Rede“ rot (zigeun./Romani): falsch, betrügerisch; welsch (dt.): unverständlich
Rotwelsch war bereits im 13. Jahrhundert die Geheimsprache der Gauner und der Vagabunden.
u Einflüsse aus dem Jiddischen, aus der Zigeunersprache, aus dem Französischen, dem Italienischen u.a., aus anderen Sondersprachen usw.
R. hat andere Sondersprachen (z.B. Soldatensprache) beeinflusst und es hat auch viele Ausdrücke an die Ugs. weitergegeben.
: baldowern: „auskundschaften“ (von jidd. baal „Mann“, und jidd. dowor „Sache, Wort“); Bock: „Hunger, Gier“ (von romani bokh „Hunger“, daraus auch dt. umgangsspr. “Bock haben” „Lust haben“); Bulle: „Kriminalbeamter, Polizist“ (aus niederl. bol, „Kopf, kluger Mensch“); fechten: „betteln“ (Fechter, Fechtbruder: „Bettler“); Polypen: “Polizei”; Polente: „Polizei“ (von jidd. paltin „Burg, Palast“); kaspern: „reden“; Kohldampf: „Hunger“ (von romani kálo, „schwarz“; daraus rotw. kohlerisch „schwarz“, Kohler „Hunger“, vgl. rotw. schwarz „arm, ohne Geld“ ) usw.
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Fachsprachen (1/6)
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Varietäten und Variation im Deutschen
Fachsprachen: entweder die sprachlichen Spezifika oder die Gesamtheit der sprachlichen Mittel, die in einem Fachgebiet verwendet werden.
v Fachinterne Kommunikation (Arzt-Arzt; Lehrer-Lehrer; Physiker Physiker)
v Interfachliche Kommunikation (Arzt-Psychologe; Lehrer-Psychologe; Physiker-Biologe)
v Fachexterne Kommunikation (Arzt- Patient; Lehrer-Eltern, Physiker-Politiker usw.)
Schichten der Fachsprachen:
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Fachsprachen (2/6)
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Varietäten und Variation im Deutschen
Typische Merkmale der Fachsprachen (vgl. Möhn/Pelka 1984, 13-23):
① Fachwortschatz und spezielle Wortbildungsmuster;
② Besonderheiten des Satzbaus und des Stils;
③ schriftliche Textgliederung und Textform (Absätze, Zahlen und Fettdruck).
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Fachsprachen (3/6)
WiSe 2013
Varietäten und Variation im Deutschen
① Fachwortschatz (à Menge von fachsprachlichen Ausdrücken, die in der Gemeinsprache nicht vorkommen) und spezielle Wortbildungsmuster
§ Übernahme von standardsprachlichen Wörtern, die fachspezifisch gebraucht werden: Wurzel (Mathematik), Kraft, Masse (Physik), Lösung (Chemie)
§ Metaphern: vor allem in der “Werksattsprache” insbesondere durch Übertragung von Bezeichnungen für menschliche Körperteile auf Maschinenteile: Zahn (an der Kupplung), Nase (an der Lagerplatte), Kopf (an der Schraube)
§ Vorkommen von Internationalismen und Fremdwörtern meist griechisch-lateinischen oder angloamerikanischen Ursprungs (Prädikat, Semantik, Morphologie, langue, parole, Appendizitis, Topoi, Airbag, Bordcomputer, Check-Control usw.);
§ Abweichungen im Genus (das Filter statt der Filter) und Plural (Dorne statt Dornen; Sände statt Sande) usw.
§ fachsprachlich häufige Wortbildungsmuster: • Funktionsverbgefüge: in Ausgangsstellung bringen, Anwendung finden • Verbverbindungen: Verb+Verb (beizblasen, pressschweißen); Substantiv
+Verb (schutzgaslichtbogenschweißen); Adjektiv+Verb (schrägwalzen, dunkelglühen)
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Fachsprachen (4/6)
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Varietäten und Variation im Deutschen
① Fachwortschatz und spezielle Wortbildungsmuster: Morphologie
• Adjektive auf –bar; Suffixoide wie -los (salzlos), -reich (vitaminreich), -arm
(vitaminarm), -frei (rückstandsfrei), -sicher (funktionssicher) • Adjektive mit Präfixoid nicht- (nichtfest)
§ fachsprachlich häufige Wortbildungsmuster: • substantivierte Infinitive: Sprechen, Drehen; • Nomen auf –er: à Nomina agentis: Sprecher, Hörer, Übersetzer,
Öldruckmesser à Nomina instrumenti: Zähler, Rechner,
• vielgliedrige Zusammensetzungen: Rechtschreibreform, Sprachursprungshypothese, Lautverschiebung; Anhängerbremskraftregler
• Mehrwortbenennungen: nonverbale Kommunikation; kommunikative Kompetenz usw.
• Bildungen mit Eigennamen: Vernersches Gesetz, Grimm´s law; röntgen, Dieselmotor, Ampere
• Zusammensetzungen mit Buchstaben, Ziffern u.a.: 6-Zylinder, 60-Watt-Lampe; α-Wellen;
• Abkürzungen: PVC (Poly vinyl chlorid), DSN (Database Source Name), DIN (Deutsche Industrie- Norm(en)), Radar (radio detecting and ranging)
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Fachsprachen (5/6)
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Varietäten und Variation im Deutschen
② Besonderheiten des Satzbaus und des Stils: Syntax
§ Syntaktische Strukturen der Gemeinsprache. Einfache Satzstruktur (einerseits... andererseits), längere Satzglieder: • Satzglieder anstelle von Nebensätzen (beim Herausheben des Motors); • Nomina und nominale Ausdrücke (unter Bezugnahme auf); • Funktionsverbgefüge (zu Protokoll geben=protokollieren; Anklage
heben=anklagen); • erweiterte Attribute anstelle von Attributivsätzen (die zu verbindenden Flächen); • substantivierte Verben (Durchführungsverordnung); • Präpositionalgefüge statt Vollverben mit eigener Bedeutung (kommt zur
Durchführung); • Ist-Verben (ist, verhält sich, zeigt sich, scheint); • Infinitiv- und Passivkonstruktionen zur Angabe von Ursachen und Wirkungen,
Orts- und Zeitverhältnissen (ist zu erkennen, lässt sich zeigen, wird angesehen als);
• Depersonalisierungen (man definiert, das Institut beobachtet, der Sachverhalt erscheint...)
• Konditionalsätze (Wenn eine Spannung auftritt, dann müssen...); • Finalsätze (Um den Schwingungsbereich konstant zu halten, wird...)
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Fachsprachen (6/6)
WiSe 2013
Varietäten und Variation im Deutschen
③ schriftliche Textgliederung und Textform
§ Zahlreiche Signale für Textgliederung: Kapitel, Absätze, Zwischenüberschriften, Zwischenüberschriften, Ziffernfolgern, Listen, Tabellen, Spiegelstriche.
§ Kohärenzsignale: Einschränkung der Proformen (Vermeidung von Synonymen): Verweisformen (Demonstrativa, Pronominaladverbien); Verweiswendungen (es folgen, wie oben).
§ Typografische Mittel: Fettdruck, Sperrdruck, Unterstreichung u.a.
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Fußballsprache
WiSe 2013
Varietäten und Variation im Deutschen
die Pille das Ei
das Spielgerät die Kirsche die Kugel die Pocke
Spieler semmeln die Pille über den Kasten, begeistern durch Übersteiger oder als Abfangjäger.
Typische Merkmale:
² bildhafte Wörter und Ausdrücke à Metapher und Metonymien
Fußballsprache Fußballjargon Sprache der Fußballbericht-erstattung
² Umschreibungen (Ersetzung der Eigennamen à z.B. Name des Spielers)
Kriegsmetaphern: die Gegner werden attakiert; die Granate, die Bombe (harter Schuss); M. aus unterschiedlichen Bildfeldern: Fliegenfänger (Torwart), Mittelfeldmotor, Regisseur, Schwalbe, Fummelpapst Metonymie: Ecke (er tritt die Ecke)
² Tabelle- und Positionssprache: Oben/Unten- und Vorn/Hinten-Metaphorik: Gipfeltreffen, Kellerduellen, in der Tabelle klettern o. abstürzen, nach oben stürmen, Verfolger, Verfolgungsjagd//Mittelstürmer, Offensivabteilung, Flügelstürmer, Rechtsaußen
² Spielsprache: kreative Einfälle: dunkelgelb (fast schon rot); versenken; retten; Bude, Gehäuse, Kasten, Maschen (Tor) usw.
Ilaria Meloni
Chemische Fachsprache (1/2)
WiSe 2013
Varietäten und Variation im Deutschen
Mischterminologie (Physikalische Chemie, Bio- oder Geochemie)
Unterschiedliche Formen der Fachsprache:
1 Strenge Wissenschaftssprache (in den wissenschaftlichen Abhandlungen); 2 Lehrbücherstil; 3 Unterrichtsstil; 4 Laborslangà Anlehnung an die Umgangssprache
ê Metaphorische Bezeichnungen und Kurzformen: „Da stehen wieder 3 Kipps (Kippsche Apparate) im Stinkzimmer herum.“ Birne, Bombe, Schiffchen = Laborgeräte
1. Chemische Wissenschaftsspracheà Anteil an Symbole und Formeln; àNomenklatur: Internationalismen (Polarisation, Emulsion, Polymerisation)
à Elemente der klassischen Sprachen Griechisch und Latein: Chemische Elemente: lat. Plumbum (Blei), griech. Berilylium; latinisierte Eigennamen wie Fermium
Ilaria Meloni
Chemische Fachsprache (2/2)
WiSe 2013
Varietäten und Variation im Deutschen
à Abkürzungen: Ag (Argentum/Silber); B (Boror/ Borax-Element; Co (Cobaltum/Kobalt), PVC (Polyvinchlorid)
à Ableitungen: Präfixe: Hypo- (extrem niedriger Sauerstoffanteil), Per- (extrem hoher Sauerstoffanteil);
Suffixe: -ium für metallische Elemente (Aluminium); -um für Nichtmetalle; -on für Edelgase (Neon, Argon); -id für sauerstofffreie Salze (Natriumchlorid); -it für sauerstoffarmen Salze (Sulfit); -at für sauerstoffreiche Salze (Kaliumchlorat) usw.
Ilaria Meloni
Medizinische Fachsprache (1/3)
WiSe 2013
Varietäten und Variation im Deutschen
500.000 Termini
80.000 Namen für Medikamente
10.000 Namen zur Bezeichnung von Körperteilen, Organen und Organteilen
20.000 Namen zur Bezeichnung von Organfunktionen
60.000 Namen für Krankheitsbezeichnungen
170.000 engerer medizinischer Wortschatz
Ilaria Meloni
Medizinische Fachsprache (2/3)
WiSe 2013
Varietäten und Variation im Deutschen
Lateinisch-griechische Fachterminologie (im Bereich der Anatomie, Physiologie, Chirurgie)
[...] Die Oesophagustenosen sind deutlich oberhalb der eigentliche [sic] Kardia lokalisiert. Fast regelmäßig ist eine kleine axiale Hiatushernie nachweisbar.
Fachsprachliche Nomenklatur und synonyme Bezeichnung in der Gemeinsprache Appendizitis/appendicitis acuta vs akute Blinddarmreizung/Blinddarmentzündung
Vertikale Schichtung im Fach Medizin: • Reine Wissenschaftssprache/Lehrbuchstil: Diabetes mellitus • Sprache Arzt/Patient: Zuckerkrakheit/Zucker/Diabetes • Fachumgangssprache/medizinischer Slang: 12:00h Wurm (Fridolin) S.T.
Ilaria Meloni
Medizinische Fachsprache (3/3)
WiSe 2013
Varietäten und Variation im Deutschen
Wortbildungsmuster • einfache Begriffe: – Wortstamm (Substantiv, Adjektiv, Verb) und Endung (Suffix) z.B: Wortstamm: Gastr- Suffix: -itis àBegriff: Gastritis
• zusammengesetzte Begriffe: – Wortstamm + Bindevokal + Suffix Wortstamm: Gastr-, Enter-, Kardi-; Suffix: -logie; Bindevokal: -o-; Begriff: Gastr-o-enter-o-logie, Kardi-o-logie
• Präfix: – Vorsilbe vor dem Wortstammà Präfix: Dys-, Tachy-, A-; Wortstamm: -pnoe; Begriff: Dys-pnoe, Tachy-pnoe, A-pnoe
• Medizionische Fachgebiete: -logie/-login/-loge/-logisch: Haut (gr. = Derma/-atos); Nerven (gr. = Neuron); Herz (= Kardi- / Cor); Lunge (gr. = Pneumon, lat. = Pulmo/-onis); Magen (gr. = Gaster); Darm (gr. = Enteron); Niere (gr. = Nephros); Harn (gr. = Uron); Innen (gr. = endon) + ausscheiden (gr. = krinein) = Hormondrüsen; Erkrankung, Leiden (gr. = pathos) Zelle, Höhlung (gr. = kythos); Gewebe (gr. = histos); Seele, Gemüt (gr. = psyche); Gift (gr. = toxikon); Zahn (gr. = odus/-dontos), usw.
Seemanns- und Fischerssprache
Ilaria Meloni
Varietäten und Variation im Deutschen
Liste seemännischer Fachwörter: http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_seemännischer_Fachwörter
Berufs- und Gruppensprache
² Weitgehend mündlich
² Viele dialektale Wörter und Ausdrücke v.a. aus dem Plattdeutschen (Foftein: plattdeutsch: fünfzehnà 15-Minuten-Pause)
² Sprache der älteren Fischer fast ausschließlich von Dialekt bestimmt)à Fischerssprache: alemannisch: Waidli (Fischerkahn), bernle, bährle (mit dem Senkhamen fischen)
² zahlreiche Lehnwörter aus dem Niederländischen (Aak: Schiffstyp), dem Englischen (aye aye) und dem Spanischen (Armada). (v.a. in der Seemannssprache)
² Präzisierung und Differenzierung technischer Begriffe aus der Seefahrt: Seil à „Want“, „Fall“, „Dirk“ oder „Schot“ (oder noch genauer von „Besanwant“, „Fockschot“ usw.)
² Viele metaphorische Benennungen (in der Fischerssprache): Affenfaust (eine Art Knoten); Wurst (zusammengerolltes Netz); Ooch (´Auge´), Tungen (´Zungen´) = Nadel zum Knüpfen der Netze; aufbacken (=Tisch decken) usw.