Veränderung Psychischer Funktionen bei Transcorticaler Sensorischer Aphasie

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870 linken Hand kann kein Aktionsstrom abgeleitet werden, rechts dagegen sind nach Auslfsung des Trousseau voin Daumenballen Aktionsstr6ine ableitbar. Par&sthesien links sehr viel sts als rechts. 6 Uhr 25 Min. : rechts deutlicher, aber nicht sehr intensiver spontaner Spasmus in typischer Pfftehenstellung. Trousseau sehr stark nach I Mill. 6 Uhr 40 Min.: SehluB der Atmung. 6 Uhr 44 Min. : links noch deutlieher leichter Spasmus in der Krallenhand, rechts vollkominen norinale I-Ialtung ohne jed e Tonusverinehrung. Diese Versuche zeigen, dab die mechanische Ubererreg- barkeit (Radialis- und Peron~usph~inomen) auf einer rein peripheren Erregbarkeitssteigerung beruht, und dab die genanllten Ph~inomene bei ihrer Auslfsung nicht den Weg fiber nerv6se Zentrell nehmen, denn sie k6nnen bet der An~sthe- sierung h6her gelegener Strecken der eferenten Bahn, deren Wirksamkeit sich aus dem Verschwinden der Reflexe und aus der motorischen L~ihmung ergab, noch erhalten werden. Man dart vermuten, dab das gleiche fiir das Facialisph~inomen gilt. Bet der Plexusan~isthesie war noch ein fypischer Trousseau, ulld zwar leichter ulld intensiver als am nicht- paretischen Arm, nachzuweisen. Also ist auch die Ausl6sung dieses Ph~nomens nicht an den Weg fiber das Riickenmark gebunden, wie man bisher glaubte (ScHAEFF~R). Im gleichen Sinn spricht Versuch 2 und 4, wenll auch hier nieht die klas- sische Handhaltung, sondern ein Beugekrampf aller 5 Finger yon besonderer Intensit~t auftrat. Es scheint also, als ob die Leitungsunterbrechnng ffir die Auslfsbarkeit des Trousseau- krampies bzw. die Entstehung yon Tetaniespasmen sogar besonders giinstige Bedingungen schafft. Eines ist jedoch zu bemerken: Spontan trat die Pfftchenstellung in Versuch I nieht auf. Dieser Versuch war leider nicht so lange fort- gesetzt worden, bis spontane Spasmen iiberhaupt auftraten. Prinzipiell mfissen wir aber den Trousseau und die spontanen Carpalspasmen fiir gleichartige Vorg~Lnge halten, was sich aus ihrer vollst~ndigen formalen Ubereinstimmung und der Identit~it der Entstehungsbedingungen ergibt. Mit diesen Versuchen ist gezeigt, dab die Tetaniespasmen ohne Mit- wirkung des Riickenmarks und Gehirns zustande kommeI1 k6nnen. Hierin weichen unsere Versuche yon den Ergebnissen der Nervendurchschneidung am parathyreopriven Hund und der Katze ab. Auf der Verschiedenartigkeit der Tetanieformen nach Parathya-eoektomie und dutch verst~irkte Atmung kann der Unterschied nicht beruhen. Es set auch dahingestellt, wieweit der Umstand eine Rolle spielt, dab die Tetanie der Katze und des Hundes vielfach wesentlich yon der mensch- lichen Tetanie im Minischen Bilde abweicht und einige Zfige darbietet, die dieser vollkommen fehlen (Zuckungen der Extremitgten, GleiehgewichtsstSrungen, Pfotentrommetn, Opisthotonus, choreiforme Bewegungen). Diese Unter- schiede beruhen wahrscheinlich auf den Differenzen im Bau des Zentralnervensystems und der grundsiitzlich verschie- denen Motorik. Eine Herabsetzung der Empfindlichkeit derjenigen peri- pherell Apparate, die ant den Ca-Ionenmangel ansprechen, dutch die Durchschneidung der Nerven darf zur Aufkliirung des genannten Unterschiedes nicht angenommen werden, denn vor dem Einsetzen der Degeneration bleibt der distale Teil eines durchschnittenen Nerven fibererregbar, auch haben PATON, FINDLAY und WATSON diesen Einwand in besonderen Versuchen ausgeschlossen. Wir werden wetter unten darauf eingehen, dab man die anatomische Nervendurchtrennung anders bewertell muB, als die LeitungsanXsthesie durch Novo- cain. DaB unsere Versuche fiir das allgemeine Tonusproblem yon Bedeutung sind, ist offensichtlich. (SchluB folgt.) VERXNDERUNG PSYCHISCHER FUNKTIONEN BEI TRANSCORTICALER SENSORISCHER APHASIE. Won Dr. SIEGFRIED FISCHER, Assistenzarzt der. Psychiatrischen und NervenMinik der Universit~tt Breslau (Dixektor: Geheimer Mediztnalrat Prof. Dr. WOLLENBERG). Die Trenllung der aphatischen Krankheitsbilder yon denen der Demenz bedeutet einen der wichtigsten Fortschritte der Psychiatrie. Eine scharfe Seheidung zwischen Stfrungen der KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 2. JAHRGANG. Nr. 19 7. MAII923 Sprache und solchen des Intellekts w~re aber nur dann mfg- lich, wenn die Sprache keinen EinfluB auf das Denken hat, das Denken also vfllig unabh~ingig yon sprachlichen Ele- menten vor sich geht. Der Nachweis, dab es ein Denken ohne Sprechen gibt, und dab das Denkell meist ohne Wortvor- stellungen abl~uft, ist das Verdienst KOLPES, BUHLERS und ihrer Schiller. Andererseits ist abet auch voll dieser Seite nicht bestritten worden, dab unter Umst~nden der Sprache eine Bedeutung ffir das Denken zukommen kann. Ist dies aber der Tall, so wird man auch bet aphatischen Kranken in gewissen Denkabliinfen St6rungen e rwarten dtirfen. LOTMAR ~) hat bereits auf die Bedeutung der Wortfindungsstfrungen ffir das Denken hingewiesen and festgestellt, dab das Fehlen yon Ausdrficken, insbesondere solcher, die ein Abstraktum be- zeiehnen, die Denkleistung ersehwert, and PICK 2) hat wieder- holt die Beeinflussung des Denkens durch das Sprechen be- tont. Ira folgenden solt auf einige psychische Funktionen hingewiesen werden, die bet einer Anzahl yon uns beobach- teter Aphasien regelm~iBig eine Stfrnng zeigtell nnd zum Teil eine Stfrung im Denkablauf zur Folge hatten. Die vollst~ndigen Untersuchungsprotokolle kfnnen -- so wfinschenswert ihre liickenlose Ver6ffentlichung auch ist -- an diesem Ort nicht ill extenso wiedergegeben werden; es diirfte dies aber nicht allzu schwer ins Gewicht fallen, da es hier nicht so sehr auf die Kl~irung der einzelnen Spraeh- ausf~lle und ihre psychologisehe Deutung ankommt, wie darauf, bestimmte, diesen Krankheitsbildern eigentiimliehe Symptome herauszuheben. i. Bet der einen unserer Kranken, der 44j~hr. Friiulein Ger- trud B., trat infolge einer Apoplexie neben einer rechtsseitigen Hemiparese der Extreinit~ten (keine ausgesprochenen Pyramiden- symptoine) und leichteren Schgdigungen der Hirnnerven (r. Pup. ~ I., Fac. r. etwas schw. als 1.) eine Sprachst6rung folge~der Art ant: Spontansprache: Uber Dinge, die ihr gel~iufig sind, kann sie eine Zeit lang erzShlen, ohne dab eine St6rung beinerkbar wird; nur die etwas verlangsainte Sprechweise f~llt auf. Hfrt man der Kran- ken l~inger zu, so bemerkt hlan, dab sie sich ill allerlei allgemeinen Redewendungen bewegt and vielerlei nichtssagende W6rter ge- brauctlt. Mitten in der Rede stellt sich dann eine verbale Para- phasie ein. Durch den Sinn dieses Wortes wird sie von ihrem Theina abgelenkt und erz~hlt nun ganz andere Dinge, die sich an die richtige Bedeutung des sich Ialsch einstellenden Wortes anschliegen. Zuweilen perseveriert die Kranke und bringt dieselben ~rorte tin Verlauf ether Erz~ihlung iminer wieder. Manchmal linden sich auch unversts Wortneubildungen. Gel~u/ige Reihen werden ohne Fehler hergesagt. Die Wort/indung bet der Aufgabe, Gegenstiinde zu benennen, zeigt nur selten Ausf~ille, zuweilen Perseverationen, ws Abstrakta schwerer gefunden werden. Das Nachspreehen etwa 2osilbiger S~itze geht ohne Stfrung vonstatten, ebenso das Nachsprechen von 4 sinnlosen Silben. Erz~ihlt man der Kranken eine etwa 5zeilige Gesehichte mit der Aufforderung, sie nachzu- erz~hlen, so gelingt ihr dies selbst nach wiederholtem Vorlesen hSchstens ftir den ersten Satz. Auch hier Inachen sich sprachliche Perseverationen geltend. Dabei machen sich die bet der Spontan- sprache erwiihnten StSrungen in erhShtem MaBe bemerkbar. Bet der Priifung des Spraehverstgndnisses zeigen sich Fehtleistungen, z. B. bet der Aufgabe KSrperteile zu zeigen oder 2-- 3 einfache Handlungen nacheinander auszufiihren; auch grammatikalische Unrichtigkeiten werden hs nicht erkannt. ]:)as I, esen geht ohne St6rung, z. T. Init Versts vonstatten. Das Spontansehreiben weist prinzipiell dieselben Eigentfimlichkeiten auf wie die Spontan- s.prache. DSktat- nnd Abschreiben ohne Stfrung. Vierstellige Ziffern werden prompt wiederholt, nach zwei kurzen Zwischenfragen nicht mehr. Gibt man der Kranken ein Bild zur Betrachtung (z. ]3. eine ~Viese, wo auf der linken Seite Kinder stehen, die einein rechts oben befindlichen Flugzeuge zuschauen), so wird nieinals das Bild als Ganzes betrachtet, sondern die Kranke wendet ihre Aufmerksainkeit den Kindern zu, dann erst richtet sie nach mehrfacher Aufforderung ihre Aufmerksainkeit auf einen anderen Tell des Bildes. Eine Beziehung zwischen den beiden Teilstficken herzustellen oder die Aufinerksamkeit dem ganzen dargebotenen Bilde bzw. dem dargestellten Vorgange zu schenken und dainit eine Bezeichnnlag ifir das gauze Bild zn linden, gelingt nur selten nnd dann nur mit vielen Hilfen. In ihrem Wesen ist die Kranke ruhig. [in Gesprgch zeigt sie eine gewisse sanfte Ergebenheit, die durch eine liebenswfirdige Hffliehkeit und den hiiufigen Gebrauch yon ttSflichkeitsworten eine besondere FXrbung erh~It. -- Die Symptoine bHdeten sieh tin Laufe yon 4 Monaten fast vollkommen zurfick.

Transcript of Veränderung Psychischer Funktionen bei Transcorticaler Sensorischer Aphasie

870 linken Hand kann kein Aktionsstrom abgeleitet werden, rechts dagegen sind nach Auslfsung des Trousseau voin Daumenballen Aktionsstr6ine ableitbar. Par&sthesien links sehr viel sts als rechts. 6 Uhr 25 Min. : rechts deutlicher, aber nicht sehr intensiver spontaner Spasmus in typischer Pfftehenstellung. Trousseau sehr stark nach I Mill. 6 Uhr 40 Min.: SehluB der Atmung. 6 Uhr 44 Min. : links noch deutlieher leichter Spasmus in der Krallenhand, rechts vollkominen norinale I-Ialtung ohne jed e Tonusverinehrung.

Diese Versuche zeigen, dab die mechanische Ubererreg- ba rke i t (Radial is- und Peron~usph~inomen) auf einer rein per ipheren Er regbarke i t s s t e ige rung beruht , und dab die genan l l t en Ph~inomene bei ihrer Aus l f sung n ich t den Weg fiber nerv6se Zentrel l nehmen, denn sie k6nnen bet der An~sthe- s ierung h6her gelegener St recken der eferenten Bahn, deren W i r k s a m k e i t sich aus d e m Verschwinden der Ref lexe und aus der motor i schen L~ihmung ergab, noch e rha l ten werden. Man dar t ve rmuten , dab das gleiche fiir das Facial isph~inomen gilt. Bet der Plexusan~isthesie war noch ein fyp ischer Trousseau, ulld zwar le ichter ulld in tens iver als a m nicht- pare t i schen Arm, nachzuweisen. Also ist auch die Ausl6sung dieses Ph~nomens n ich t an den Weg fiber das R i i ckenmark gebunden, wie man bisher g laub te (ScHAEFF~R). I m gleichen Sinn spr icht Versuch 2 und 4, wenll auch hier n ieh t die klas- sische Handha l tung , sondern ein Beugekrampf aller 5 F inger yon besonderer In t ens i t~ t auf t ra t . Es scheint also, als ob die Le i tungsun te rb rechnng ffir die Aus l f sba rke i t des Trousseau- k rampies bzw. die E n t s t e h u n g yon Te tan iespasmen sogar besonders giinstige Bedingungen schaff t . Eines ist jedoch zu bemerken : Spon tan t r a t die P f f t chens te l lung in Versuch I n ieht auf. D i e s e r Versuch war leider n ich t so lange fort- gesetz t worden, bis spontane Spasmen i iberhaupt auf t ra ten . Pr inzipie l l mfissen wir aber den Trousseau und die spon tanen Carpa lspasmen fiir gleichart ige Vorg~Lnge hal ten, was sich aus ihrer vol ls t~ndigen formalen Ubere ins t immung und der Identi t~it der En t s t ehungsbed ingungen ergibt . Mit diesen Versuchen ist gezeigt, dab die Te tan iespasmen ohne Mit- wi rkung des R i i ckenmarks und Gehirns zus tande kommeI1 k6nnen. Hie r in weichen unsere Versuche yon den Ergebnissen der Nervendurchschne idung a m pa ra thy reop r iven H u n d und der Ka tze ab. Auf der Verschiedenar t igke i t der Te tan ie fo rmen nach Parathya-eoektomie und du tch verst~irkte A t m u n g kann der Untersch ied n ich t beruhen. Es set auch dahingestel l t , wieweit der U m s t a n d eine Rolle spielt, dab die Te tan ie der Ka tze und des Hundes vielfach wesent l ich yon der mensch- lichen Te tan ie im Minischen Bilde a b w e i c h t und einige Zfige darb ie te t , die dieser vo l l kommen fehlen (Zuckungen der E x t r e m i t g t e n , Gleiehgewichtss tSrungen, P fo ten t rommetn , Opis thotonus , chorei forme Bewegungen) . Diese Un te r - schiede beruhen wahrscheinl ich auf den Differenzen im Bau des Zen t ra lne rvensys tems und der grundsi i tz l ich verschie- denen Motor ik .

E ine Herabse t zung der Empf ind l i chke i t der jenigen peri- pherell Appara te , die ant den Ca- Ionenmange l ansprechen, du tch die Durchschne idung der N e r v e n darf zur Aufkl i i rung des genann ten Unterschiedes n icht angenommen werden, denn vor d e m Einse tzen der Degenera t ion b le ib t der distale Tei l eines durchschn i t t enen Nerven f ibererregbar, auch haben PATON, FINDLAY und WATSON diesen E inwand in besonderen Versuchen ausgeschlossen. Wir werden wet ter un ten darauf eingehen, dab m a n die ana tomische N e r v e n d u r c h t r e n n u n g anders bewerte l l muB, als die LeitungsanXsthesie durch Novo- cain. DaB unsere Versuche fiir das a l lgemeine Tonusp rob lem yon Bedeu tung sind, is t offensichtl ich. (SchluB folgt.)

VERXNDERUNG PSYCHISCHER FUNKTIONEN BEI TRANSCORTICALER SENSORISCHER APHASIE.

Won Dr. SIEGFRIED FISCHER,

Assistenzarzt der. Psychiatrischen und NervenMinik der Universit~tt Breslau (Dixektor: Geheimer Mediztnalrat Prof. Dr. WOLLENBERG).

Die Trenl lung der apha t i schen Krankhe i t sb i lder yon denen der D e m e n z bedeu te t e inen der wicht igs ten For t schr i t t e der Psychia t r ie . Eine scharfe Seheidung zwischen S t f r u n g e n der

K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 2. J A H R G A N G . Nr . 19 7. MAII923

Sprache und solchen des In te l lekts w~re aber nur dann m f g - lich, wenn die Sprache keinen EinfluB auf das Denken hat , das Denken also vf l l ig unabh~ingig yon sprachl ichen Ele- men ten vor sich geht. Der Nachweis, dab es ein Denken ohne Sprechen gibt, und dab das Denkel l meis t ohne W o r t v o r - s te l lungen abl~uft , ist das Verdienst KOLPES, BUHLERS und ihrer Schiller. Anderersei ts is t abe t auch voll dieser Seite n icht bes t r i t t en worden, dab unter Ums t~nden der Sprache eine Bedeu tung ffir das Denken z u k o m m e n kann. Is t dies aber der Tall, so wird man auch bet apha t i schen Kranken in gewissen Denkabl i infen St6rungen e rwar ten dtirfen. LOTMAR ~) h a t berei ts auf die Bedeu tung der W o r t f i n d u n g s s t f r u n g e n ffir das Denken hingewiesen and festgestell t , dab das Fehlen yon Ausdrficken, insbesondere solcher, die ein A b s t r a k t u m be- zeiehnen, die Denkle i s tung ersehwert , and PICK 2) h a t wieder- h o l t die Beeinflussung des Denkens durch das Sprechen be- ton t . I ra folgenden solt auf einige psychische Funk t i onen hingewiesen werden, die bet einer Anzahl yon uns beobach- t e t e r Aphasien regelm~iBig eine S t f r n n g zeigtell nnd z u m Teil eine S t f r u n g im Denkab lauf zur Folge ha t t en .

Die vol ls t~ndigen Unte rsuchungspro toko l le k f n n e n -- so wfinschenswert ihre li ickenlose Ver6ffent l ichung auch ist -- an diesem Or t n icht ill extenso wiedergegeben werden ; es diirf te dies aber n ich t allzu schwer ins Gewicht fallen, da es hier n ich t so sehr auf die Kl~irung der e inzelnen Spraeh- ausf~lle und ihre psychologisehe Deu tung ankommt , wie darauf, bes t immte , diesen Krankhe i t sb i lde rn eigent i imliehe S y m p t o m e herauszuheben.

i. Bet der einen unserer Kranken, der 44j~hr. Friiulein Ger- trud B., trat infolge einer Apoplexie neben einer rechtsseitigen Hemiparese der Extreinit~ten (keine ausgesprochenen Pyramiden- symptoine) und leichteren Schgdigungen der Hirnnerven (r. Pup. ~ I., Fac. r. etwas schw. als 1.) eine Sprachst6rung folge~der Art ant: Spontansprache: Uber Dinge, die ihr gel~iufig sind, kann sie eine Zeit lang erzShlen, ohne dab eine St6rung beinerkbar wird; nur die etwas verlangsainte Sprechweise f~llt auf. Hf r t man der Kran- ken l~inger zu, so bemerkt hlan, dab sie sich ill allerlei allgemeinen Redewendungen bewegt and vielerlei nichtssagende W6rter ge- brauctlt. Mitten in der Rede stellt sich dann eine verbale Para- phasie ein. Durch den Sinn dieses Wortes wird sie von ihrem Theina abgelenkt und erz~hlt nun ganz andere Dinge, die sich an die richtige Bedeutung des sich Ialsch einstellenden Wortes anschliegen. Zuweilen perseveriert die Kranke und bringt dieselben ~rorte tin Verlauf ether Erz~ihlung iminer wieder. Manchmal linden sich auch unversts Wortneubildungen. Gel~u/ige Reihen werden ohne Fehler hergesagt. Die Wort/indung bet der Aufgabe, Gegenstiinde zu benennen, zeigt nur selten Ausf~ille, zuweilen Perseverationen, ws Abstrakta schwerer gefunden werden. Das Nachspreehen etwa 2osilbiger S~itze geht ohne Stfrung vonstatten, ebenso das Nachsprechen von 4 sinnlosen Silben. Erz~ihlt man der Kranken eine etwa 5zeilige Gesehichte mit der Aufforderung, sie nachzu- erz~hlen, so gelingt ihr dies selbst nach wiederholtem Vorlesen hSchstens ftir den ersten Satz. Auch hier Inachen sich sprachliche Perseverationen geltend. Dabei machen sich die bet der Spontan- sprache erwiihnten StSrungen in erhShtem MaBe bemerkbar. Bet der Priifung des Spraehverstgndnisses zeigen sich Fehtleistungen, z. B. bet der Aufgabe KSrperteile zu zeigen oder 2 - - 3 einfache Handlungen nacheinander auszufiihren; auch grammatikalische Unrichtigkeiten werden hs nicht erkannt. ]:)as I, esen geht ohne St6rung, z. T. Init Versts vonstatten. Das Spontansehreiben weist prinzipiell dieselben Eigentfimlichkeiten auf wie die Spontan- s.prache. DSktat- nnd Abschreiben ohne Stfrung.

Vierstellige Ziffern werden prompt wiederholt, nach zwei kurzen Zwischenfragen nicht mehr. Gibt man der Kranken ein Bild zur Betrachtung (z. ]3. eine ~Viese, wo auf der linken Seite Kinder stehen, die einein rechts oben befindlichen Flugzeuge zuschauen), so wird nieinals das Bild als Ganzes betrachtet, sondern die Kranke wendet ihre Aufmerksainkeit den Kindern zu, dann erst richtet sie nach mehrfacher Aufforderung ihre Aufmerksainkeit auf einen anderen Tell des Bildes. Eine Beziehung zwischen den beiden Teilstficken herzustellen oder die Aufinerksamkeit dem ganzen dargebotenen Bilde bzw. dem dargestellten Vorgange zu schenken und dainit eine Bezeichnnlag ifir das gauze Bild zn linden, gelingt nur selten nnd dann nur mit vielen Hilfen. In ihrem Wesen ist die Kranke ruhig. [ i n Gesprgch zeigt sie eine gewisse sanfte Ergebenheit, die durch eine liebenswfirdige Hffliehkeit und den hiiufigen Gebrauch yon ttSflichkeitsworten eine besondere FXrbung erh~It. - - Die Symptoine bHdeten sieh tin Laufe yon 4 Monaten fast vollkommen zurfick.

7. MAI ~ 9 2 a K L I N I S C H E W O C H E N S C H

Das geschi lder te K r a n k h e i t s b i l d wird m a n m i t seineli S y m p t o m e n (e rha l t ene S p o n t a n s p r a c h e m i t ve rba l e r Pa ra - phasie , e rha l t enes N a c h s p r e c h e n u n d Lau t lesen , ges tSr tes Sprach- u n d Sch r i f t ve r s tgndn i s , e rha l t enes willkfir l iches Schre iben m i t P a r a g r a p h i e , e rha l te l ies Kop ie r en u n d D i k t a t - s ch re iben z u m Teil ohne Verst /~ndnis) als t r anscor t i ca l e* ) sensor i sche Aphas ie auffassen .

Mi t dieser B e z e i c h n u n g i s t die S p r a c h s t 6 r u n g he raus - gehoben . AuBer dieser ha t t e l i wir abe r noch das S y m p t o m des Pe r seve r i e rens fes tgeste l l t , fe rner das Abgle i t en in a n d e r e Gedal ikengSmge d u r c h ve r ba l e P a r a p h a s i e n . Z u d e m zeigte s ich eine S t 6 r u n g der Merkf/~higkeit, die wie z. ]3. bei d e m Merkei1 yon Zif fern s icher l ich n i c h t au f eine Auffassl ings- s tS rung zur f ickzuf f ihren ist, u n d in sbesonde re eine e igenar t ige F o r m der A i i fmer ks am ke i t s ve r / i nde r ung , wie sie bei der ]3ild- b e t r a c h t u n g b e o b a c h t e t w e r d e n konn te . Die K r a n k e h a t t e n l i r die F/ ih igkei t , i h r e A u f m e r k s a m k e i t e inem kle inen Aus- s c h n i t t eines ]3ildes z u z u w e n d e n u n d k o n n t e das ]3ild als Ganzes n i c h t erfassen. I n i h r e m W e s e n zeigte die K r a n k e eine m i t HSf l i chke i t g e p a a r t e sal i f te E r g e b e n h e i t .

2. Unsere zweite Kranke, die 68j/ihr. Frau Anna H., bekam nach einem apoplektischen Insul t eine Sprachst6rung ohne irgend- welche nachweisbaren neurologischen Symptome. In der Spontan- sprache zeigte sich hier - - wenn auch seltener als bei der ersten Kranken - - eine Anzahl yon Fflllw6rtern, hgufig auch verbale Paraphasien und Neubildungen. Auch diese Kranke wurde durch die Paraphasien in ihrem Gedankengang abgelenkt. Perseverationen machten sich ebenfalls geltend, mehr aber in der Schrift als in der Sprache. Beim Hersagen geliiu/iger l~eihen zeigten sich keinerlei St6rungen. Wort/indungsstdrungen warden bei Gegenst/inden, mit denen sie nicht allt/iglich zu tun hatte, und beim Suchen yon Abstrakten festgestellt. Beim Naehspreehen keine Fehlleistungen. Das Nacherziihlen yon Geschichten selbst nach wiederholtem Vor- erzghlen gelang sehr schlecht. Dabei t ra ten vielerlei Sinnentstel- lungen auf; Paraphasien wurden hierbei nu t selten beobachtet . Selten zeigten sich auch St6rungen des Sprachverstiindnisses, konn- ten aber ddch nachgewiesen werden. Lesen, Diktatschreiben, Ab- schregbenohne StSrung, jedoch nicht mit vollkommenem Verstgndnis. Spontanschreiben mit vielen Paragraphien und Perseverationen. AuBer diesen rein aphatischen St6rungen bestand eine Herab- setzung der Merkfs und eine Ver/inderung der Aufmerksam- keit in genau derselben Weise wie bei Gertrud E. Im Wesen war auch diese Kranke besonders hSflich. So sagte sie etwa bei der Auf- Iorderung, das linke Auge zu zeigen: ,,Bitte, tlier ist das Auge." Dabei lag in ihrem Tonfall ebenso wie in ihrem sonstigen Gebahren dieselbe Art der ergebenen Sanf tmut wie bei der ersten Kranken. Als die Kranke unsere Pol ikl inik aufsuchte mit der Bemerkung des Ehemannes, sie sei seit einiger Zeit verwirrt, "wurden wir schon, ehe etwas yon aphat ischen St6rungen bemerkt wurde, durch diese ihr eigentfimliche Art des Wesens auf die Vermutung gebracht, es k6nnte hier eine Aphasie vorliegen.

W e n n a u c h dieses K r a n k h e i t s b i l d eine r e l a t i v ger inge S t6 rung des Sprachve r s tg l idn i s ses aufweis t , so wird m a n doch n i c h t fehlgehen, h ie r eine t r ansco r t i c a l e sensor ische Aphas i c a n z u n e h m e n .

3. Frau Ernest ine R., 5.~ Jahre alt, zeigte auBer aphatischen St6rungen noch apraktische, die sich im Anschlul3 an einen apo- plektischen Insul t entwickelten. Neurologisch Iand sich nur ein:e Schw~iche des r. Mundfacialis. In der Spontansprac, heist sie sehr langsam, verbal paraphasisch and gleitet in ihren Gedankenggngen durch die Ialschen Worte geleitet ab. Sic gebraucht auBerordentlich viel FfillwSrter und viel Wortneubildungen. Dabei perseveriert sie stark. Geliiu/ige Reihen werden langsam, jedoch ohne Fehler hergesagt. Es bestehen ausgesprochene Wort/indungsstdrungen mit s tarker Perseveration. Das Nachsprechen' yon kurzen Sgtzen gelingt, bei lgngeren versagt sie. Spraehverstiindnis: Sprachliche Aufforderungen werden nur z. T. richtig, z. T. verkehrt ausgeffihrt, h/iufig perseveriert sie dabei. Eine sehwere Sch/idigung des Sprach- verstgndnisses zeigt slch auch bei der Aufgabe, Gegenst/~nde zu zeigen. I~esen vermag die Kranke, jedoch ohne Verst/~ndnis. Neben der aphat ischen St6rung besteht eine apraktische, die wohl als ideatorisch anzusehen ist, da vor allem spontane Zweckbewegungen

*) L~ber die Berechtigung der theoretischen Grundlagen der Lehre yon den transc. Aphasien habe ich an anderer Stelle (l~ber das Entstehen and Verst. yon Namen, mit einem Beitr. z. Lehre yon den transc. Aph., Arch. f. d. ges. Psychol. 42 u. 43. r922) ansffihrlieh Kritik gefibt. Bei der bier vorliegenden Betrachtung soll das bisher unter diesem Namen bekannte ldinische Bild untersucht werden. Deshalb wird diese Be- zeichnung beibehalten, ohne dab damit den theoretisehen Grundlagen dieser Lehre zugestimrnt wird.

R I F T . 2. J A H R G A N G . N r . 19 871

verkehrt ausgeffihrt werden. Bei der bestehenden Apraxie war die Schreibepri'~/ung nicht mSglich. Die Prfifnng der Merk/~ihigkeit er- gab eine Herabsetzung derselben. Zeigte man der Kranken ein Bild, so wurde die Au/merksamkeit nur einem kleinen Ausschnit t zugewandt. Infolge des s tark ausgesprochenen Haf t ens war es hier selbst nach vielfachen Aufforderungen nicht rn6glich, die Kranke dazu zu bringen, eine Beziehung zwischen zwei erfai3ten Einzelheiten des Bildes herzustelten. Bei dieser Kranken war be, sonders die Ergebenheit and Sanftheit ihres Wesens auffRllig, die zugleich mit einer gewissen Zuvorkommenhei t in der Art des Spre- cherts zutage trat.

Auch eine v ie r t e K r a n k e bo t ghnl iche S y m p t o m e wie die geschi lder ten .

4. Das 55 Jahre a r e Frs Henriet te St. bekam im AnschluB an einen Ohnmachtsanfal l eine Sprachst6rung, die sich in folgenden SymPtomen s Neurologisch: o. B. In der Spontansprache vie1 Perseverat ionen; anfs wenig Paraphasien, sps mehr, jedoch ohne dab dadurch, soweit feststellbar, der Denkverlauf abgelenkt wurde. Starker Rededrang mit viel Ffillw6rtern und HSftichkeitsworten, wie: Ja, ja, b i t te sehr, lieber Herr Dr., ja, ja. Dabei immer sanft, ergeben. Gel(iu/ige Reihen wurden fehlerlos aufgesagt. Die Wort/indung war gest6rt, dabei Perseverationen, Nachsprechen nur bei einfachen kurzen S~tzen, die gels Worte enthielten. Sprachverstiindnis s tark gest6rt, z. B. bei der Auffor- derung, Gegenstgnde zu zeigen. Lesen mit geringen Perseverationen gut. Spontansehreiben und Diktatsehreiben mit s tarken Perse- verationen. Abschreiben mit geringen Perseverationen. Die Au/- merksamkeit zeigte bei Bilddarstellungen dieselbe Ver/inderung wie bei den drei anderen Kranken. Die Mer~/iihigkeit war s tark herab- gesetzt. Im Laufe eines halbert Jahres n a h m die Sprachst6rung immer mehr zu. Die Kranke murmelte einen unverstgndlichen Wortschwall vor sich him Aufforderungen wurden gar nicht mehr befolgt. In irgendwetchen Konnex mi t ihr zu treten, war nicht mehr mSglich. KSrperlich land sich dann einige Wocllen ante mortem: R. Neuritis herr . opt., Parese des 2. und 3. Astes des r. Facialis. Nicht sicher nachweisbare Hypertonie in den unteren Extremit~ten. Patellarreflexe lebhaft, 1. ~ r. In den Kniegelenken und den r. oberen Extremit~ten Contracturen. Aktive Beweglichkeit s tark herabgesetzt. Exitus. Anatomischer Be/und: Innenfl/~che der Dura spiegelnd, desgleichen Oberfl~che der Pia. Die grSBeren Gefs an der Basis und in der Sylvischen Furche bis auf einzelne kleinere Plaques v611ig frei yon sMerotischer Vergnderung. Das obere Drit tel der ersten linken Schl~Lfenwindung Ifihlt sich weich an. Ein Quer- schni t t legt eine groBe Zerfallsh6hle blog, deren dfinnste Wand (ca. 3--4 mm) das obere Dri t tel der ersten linken Sehl/ifenwindung darsteltt. Die t tShle n immt fast das ganze Marklager des I. Schl/ifen- lappens ein und enth~ilt viel Markdetr i tus in einer gelben dicken Flfissigkeit, ferner einen btauroten, aus vielen Meinen Cysten zusammengesetzten, fiber taubeneigroBen Tumor, der nach vorn und oben frei und gut abgegrenzt in die HShle hineinragt, nach hinten und unten mi t der Marksubstanz des Schls ver- wachsen ist. Das fibrige H im ist ohne Besonderheiten.

A u c h dieses K r a n k h e i t s b i l d wi rd man , t r o t z d e m das N a c h s p r e c h e n hier a u c h S t 6 r u n g e n aufweis t , doch zu den t r a n s c o r t i c a l e n sensor i schen A p h a s i e n r e c h n e n diirfen, da in e rs te r Linie die grobe S t 6 r u n g der Merkf~h igke i t a n diesem sp rach l i chen D e f e k t be te i l ig t sein di i rf te .

Das G e m e i n s a m e dieser KrankheitsfS~lle ist, d a b n e b e n d e n S y m p t o m e n , die m a n fiir gewShnl ich u n t e r d e m N a m e n de r t r a n s c o r t i c a l e n sensor i schen A p h a s i e n z u s a m m e n f a g t , noch a n d e r e S t 6 r u n g e n v o r h a n d e l i s ind. Die e r s t en dre i K r a n k e n w u r d e n d u r c h ve rba l e P a r a p h a s i e n in i h r e m Ge- d a n k e n g a n g e abge lenk t , u n d zwar de ra r t , d a b d u r c h die Be- d e u t u n g des sich a n fa l schem O r t e ins t e l l enden W o r t e s ge- le i te t die K r a n k e n in e inen a n d e r e n G e d a n k e n g a n g a n d yon i h r e m T h e m a abkamen3) . Andere r se i t s h a f t e t e n die K r a n k e n a n W o r t e n a n d w u r d e n deswegen zuwei len a u c h in d e m For t - s ch r i t t des G e d a n k e n g a n g e s b e h i n d e r t . N a c h den erwgthnten U n t e r s u c h u n g e n LOTMARS wird m a n a n n e h m e n dfirfen, dag auch d u t c h die W o r t f i n d u n g s s t 6 r u n g der D e n k a b l a u f er- s c h w e r t wurde . E i i t s p r e c h e n d e U i i t e r suchungen , die eine Se lb s tbeobach tungs f / i h igke i t der K r a n k e n er fordern , k o n n t e n bei d e m r e l a t i v ge r ingen B i l d u n g s g r a d unse re r K r a n k e n u n d der Schwere der E r k r a n k u n g n i c h t d u r c h g e f i i h r t werden .

DaB bei aphat ischei1 S t 6 r u n g e n a u c h sekund/ i r solche des w u r d e ~ a l i c h v o n ~ R o s ~ F E L D 4) h e r v o r - D e n k e n s , au f t r e t e l i ,

gehoben. E r wies d a r a u f h in , d a b die Aphas ie a u c h bei s t r eng lokal i s ie r ten H e r d e n s t e t s die a n d e r e n p sych i schen F u n k t i o n e n

872 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 2. JAHRGANG. Nr. 19 7. MAI 1923

in mehr oder minder grol3em Umfange in Mitleidenschaft zieht. Auf ,Grund nnseres Materiales werden wit diesen Satz ffir ge- wisse ~Funktionen bei den transcortiealen sensorischen Apha- sien best/itigen. Die Bedeutung krankhafter Ver~nderung des Sprachapparates f/Jr das Denken hat PICK in seinen ansffihr- lichen und psychologisch fundierten, oben erw~hnten Abhand- lungen dargetan. Uns komrnt es bier darauf an zu zeigen, daI3 bei best immten l%rmen von aphatischen St6rungen die be- schriebenen Ver~nderungen, wie es scheint, regelmXl3ig vor- handen sind und pathognomonisch ffir die I~rankheitsbilder zu sein scheinen.

W~hrend die bisher erw~hnten Ver~nderungen primer in der Sprachst6rung begrfindet sind oder sich vorzugsweise in der Sprache dokumentieren nnd sekund~r auf andere psychische Funkt ionen wirken, fanden sich noch andere Ver- ~nderungen, die unabh~ngig yore Sprachapparat zutage traten. Schon die Herabsetzung der Merkf~higkeit konnte auch bei Aufgaben nachgewiesen werden, ffir deren L6sung die Sprache nur eine untergeordnete Rolle spielte, eine ]3e- obachtung, die sich seit dem Grasheyschen Falle in der Lite- ratur framer wieder findet. V611ig nnabh~ngig vom sprach- lichen 1Vlechanismus aber zeigte sich insbesondere die Ver- ~Lnderung der Aulmerksamkeit. Alle Kranken hatten einen beschrgnkten Aufmerksamkeitsumfang; sie betrachteten bei vorgezeigten Bildern immer nur Teile derselben, ohne den Zu- sammenhang der Einzelheiten zu erkennen nnd das Bild als Ganzes aufzufassen. Wenn daran anch eine krankhaft ver- st~rkte~Perseverationstendenz teilhaben mag, so mag dadurch zum Teil die Unf~higkeit erkl~rt sein, zwischen den Einzel- heiten Beziehungen herznstellen. Die Aufmerksamkeits- st6rung ist jedoch dadnrch nicht erkl~rt. RIEG~RS), der die- selben Ver~inderungen beobachtet hat, sagt treffend: ,,Die Kranken sehen den Wald vor t3~umen nicht ."

Schliel3lich~sei darauf hingewiesen, daI3 die vier Kranken in ihrem Wesen eine auff/illige Ubereinstimmnng Zeigten. Je nach der Schwere des Krankheitsbildes waren sie alle yon einer eigenartigen sanften Ergebenheit n n d H6flichkeit, die so charakteristisch war, daI3 in einem Falle schon eine Aphasie vermutet wurde, ehe sprachliche St6rungen bemerkt wurden. Auch DAVlDENKOF 6) hat auf YVesens~Lnderungen hingewiesen. Er land bei Aphasien eine Ver~nderung, die er als larmoy- ante Sentimentali t~t bezeichnete; er nahm diese jedoch nicht nur ffir eine bestimmte Gruppe aphasischer St6rungen in An- spruch. Diese Charakteristik trifft ffir unsere Kranken nicht zu. Dabei sei auch darauf hingewiesen, dab es sich bei unseren Kranken ausschliel31ich nm weibliche Individuen han- delt und es noch der Kl~rung bedarf, ob die bei ihnen vor- gefundene Wesensgnderung auch ffir m~nnliche Kranke patho- gnomonisch ist.

Mit diesen Ausffihrungen ist nicht beabsichtigt, eine kri- tische~Stellung zu der prinzipiellen Frage nach den Bezie- hungen zwischen Aphasie nnd Demenz zn nehmen. ]~s sollte nur darauf~hingewiesen werden, dal3 bei der transcorticalen sensorischen Aphasie die St6rungen der Sprache seknnd~r auch eine St6rung im Denkablauf nach sich ziehen, und ins- besondere, dab neben der eigentlichen Sprachst6rung psy- chische Symptome ffir diese IZrankheitsbilder charakteri- stisch sind, die nicht als Ansflul3 der!Aphasie angesehen werden k6nnen.

L i t e r a t u r: 1) F. LO~MAR, Zur Kenntnis der erschwerten Wortfindung und ihrer Bedeutung ffir das Denken des Aphasischen. Schweiz. Arch. f. Neurol. u. Psychiatr. 6, I. 192o. - - ~) A. PICK, Zeitschr. f. Psychol. 42, 44; Zeitschr. f. d. ges. l~eurol, u. Psychiatr. 38, 75. - - a) /~hnliche Beobachtungen machte auch PICK, insbe- sondere Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr. 38. - - ~) ROSEN- FELD, Uber die psychischen St6rungen bei Aphasie. Jahresber. d. Dtsch. Vet. f. Psychiatr. I9O6; Bleurol. Zentralbl. 25, 43 o. 19o6. - - ~) RIEGER, Uber Apparate in de m Hirn. 1 Jena 19o9, S. 185. - - ~) SERGE DAVIDENKOF, 1Revue Neurologique 1914, Nr. 12.

PHARMAKOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN fIBER DAS TONOPHOSPHAN.

Von

Prof. Dr. OTTO RIESSER u n d Dr. KURT E~GeL. Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~t Greifswald.

Enfsprechend ihrer chemischen Verwandtschaft zeigen Phosphor und Arsen bekanntlich auch therapeutisch-pharma- kologisch sehr ~hnliche Wirkungen. Unter den Verbindungen des As sind es die des dreiwerfigen As nnd unter ihnen wieder die organischen Derivate, die sich als die wertvollsten er- wiesen haben. Vom P waren bisher keine Verbindungen thera- peutisch verwertet worden, in denen das Element drei- wertig nnd organisch gebunden ist, obwohl die Giftigkeit und schwere Dosierbarkeit des Elementes die Suche nach solchen Verbindungen sehr erwfinscht erscheinen lielK Von solchen Gesichtspunkten ausgehend hat Prof, BLUM in Frankfur t a. M. vor kurzem organische Verbindungen des dreiwertigen P dnrch die Firma Cassella herstellen lassen nnd unter diesen das Tonophosphan ausgew~hlt, das sich Ms Natriumsalz der Dimethylaminomethylphenylphosphinigen-S~ure

N(CHs)~

C H a r

P \ O Na

darstellt. Nachdem ]3LUM in langen Versuchsreihen die Un- giftigkeit der Substanz mit Sicherheit erwiesen, auch das Fehlen jeder chronischen Vergiitungsgefahr hat~sicherstellen k6nnen, hat man sofort die therapeutische Verwertnng be- gonnen. Wie die bisher vorliegenden Berichte insbesondere die Verhandlungen des ~irztlichen Vereins F r a n k f u r t a. M. yore 18. Dezember 19221) ergaben, hat sich das Tonophosphan in einer l~ngeren Beobachtungsperiode als ein therapeutisches Mittel yon sehr bemerkenswerter Wirksamkeit erwiesen. Es werden yon verschiedenen Berichterstattern sehr gfinstige Er- folge berichtet bei Rachitis, Osteomalacie, Aniimie, nerv6sen Schw~cheznst~nden und einer Reihe yon anderen Fiillen, die die Anwendung eines Roborans angezeigt erscheinen lassen.

Ffir den Pharmakologen mul3 eine Substanz yon der Zu- sammensetznng des Tonophosphans besonderes Interesse haben, schon im Hinblick ant seine chemische AnaIogie zu den bekannten organischen Derivaten des dreiwertigen Arsens. Es handelt sich beim Tonophosphan nm das erste Glied einer bisher chemisch selten, pharmakologisch noeh gar nicht untersuchten Gruppe yon Substanzen, deren pharma- kologische Wirksamkeit yon vornherein sehr wahrscheinlich erseheinen mul3.

Wir haben daher zun~ichst damit begolmen, das Tono- phosphan nach den fiblichen Verfahren der experimentellen Pharmakologie zu untersuchen nnd dabei einige erste Ergebnisse erzielt, fiber die wir an dieser Stelle kurz beriehten wollen. Eine ausifihfliche Yer6ffentlichung wird in einer pharmakologischen Fachzeitschrift erscheinen. Ftir ~berlassung einer gr613eren Tonophosphanmenge nnd vieliache anregende Hinweise m6chten wir auch an dieser Stelle Herrn Prof. BLUlVi unseren Dank aussprechen.

Eine erste Versuchsreihe betraf den i~berlebenden .Darm yon t ianinchen und Katzen. Es ergab sich, dai3 das Tono- phosphan in einer Konzentrat ion yon 1/500o--1/5oooo beim Kaninchen, ~/loo00--1/1~oooo bei der Katze die Bewegungen des Darmes anzuregen vermag, wenn sie aus irgendwelcher Ursache spontan zu ermatten drohen, ja dal3 es sogar mit- unter den schon eingetretenen Stillstand der ]3ewegungen wieder anzuregen vermag. Diese Wirkung bezieht sich in erster Linie auf die Pendelbewegungen des Darmes, w~hrend der Tonus zwar mitunter, jedoch nicht regelmgBig steigt. Bemerkenswert ist es, dab die Wirkung des Tonophosphans nicht immer sofort einsetzt, sondern zumeist nach einer kurzen Latenzzeit, eine Erscheinung, die auch bei Versuchen mit anderen fiberlebenden Organen beobachtet wurde.