Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative 2021

12
Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative Würzburg 16. März 2021 1 Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative 2021 Das Nagelkreuzzentrum Würzburg – eine Ökumenische Initiative für Frieden und Versöhnung der Kirchen und der Stadt Würzburg – darf am 16. März 2021 auf seine Gründung vor 20 Jahren zurückblicken. Seither lautet das Motto der Versöhnungsarbeit in Würzburg „Erinnerung bewahren – Versöhnung leben“. Der diesjährige Versöhnungsweg am 16. März 2021 wird von den Gründungsorganisationen der Nagelkreuzinitiative gestaltet. Die Ackermann-Gemeinde in der Diözese Würzburg, die das Wandernagelkreuz und die Versöhnungsstatue am 16. März 2020 über- nommen hat, wird die Versöhnungszeichen bis 2022 als Gastort behalten. In Text und Bild verläuft der Weg der Versöhnung – anders als gewohnt; er führt von der Gedenkstätte 16. März 1945 über die Kirche St. Stephan, den Dom und das Rathaus zur Marienkapelle und kann hier verfolgt werden. Herzliche Einladung! 1. Station Gedenkstätte 16. März 1945 – Hauptfriedhof „Versöhnung über den Gräbern“ Heute, am 16. März 2021 darf ich Sie im Namen der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative sehr herzlich begrüßen. Es ist das 20. Mal, dass unsere Initiative am Massengrab, an der Gedenkstätte 16. März 1945, gemeinsam mit der Stadt der Toten gedenkt. Etwa 4.000 Menschen verloren beim Luftangriff englischer Bombergeschwader auf Würzburg im Feuer- sturm der Nacht des 16. März 1945 ihr Leben. 3.000 Opfer sind hier im Massengrab be- stattet, derer jährlich im Totengedenken und mit einer Kranz-niederlegung gedacht wird. Seit 2001 kam zum Erinnern der Versöhnungsgedanke hinzu. Die Ökumenische Nagelkreuzinitiative konnte die Stadt und die Kirchen Würzburgs sowie viele Einzelpersonen davon überzeugen, dass zum Erinnern der Blick in die Zukunft gehört. Der ist ohne ausgestreckte Hand zum einstigen Feind, hin nach England, Frankreich und zu den Wandernagelkreuz und Versöhnungsstatue Foto: Roland Dietsch Gedenkstätte 16. März 1945 – Massengrab Foto: Wigbert Baumann

Transcript of Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative 2021

Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative Würzburg

16. März 2021

1

Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative 2021

Das Nagelkreuzzentrum Würzburg – eine Ökumenische Initiative für Frieden und Versöhnung

der Kirchen und der Stadt Würzburg – darf am 16. März 2021 auf seine Gründung vor

20 Jahren zurückblicken. Seither lautet das Motto der Versöhnungsarbeit in Würzburg

„Erinnerung bewahren – Versöhnung leben“.

Der diesjährige Versöhnungsweg am 16. März

2021 wird von den Gründungsorganisationen

der Nagelkreuzinitiative gestaltet.

Die Ackermann-Gemeinde in der Diözese

Würzburg, die das Wandernagelkreuz und die

Versöhnungsstatue am 16. März 2020 über-

nommen hat, wird die Versöhnungszeichen bis

2022 als Gastort behalten.

In Text und Bild verläuft der Weg der Versöhnung – anders als gewohnt; er führt von der Gedenkstätte 16. März 1945 über die Kirche St. Stephan, den Dom und das Rathaus zur Marienkapelle und kann hier verfolgt werden. Herzliche Einladung!

1. Station Gedenkstätte 16. März 1945 – Hauptfriedhof „Versöhnung über den Gräbern“

Heute, am 16. März 2021 darf ich Sie im Namen der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative sehr

herzlich begrüßen. Es ist das 20. Mal, dass unsere Initiative am Massengrab, an der

Gedenkstätte 16. März 1945, gemeinsam mit

der Stadt der Toten gedenkt. Etwa 4.000

Menschen verloren beim Luftangriff englischer

Bombergeschwader auf Würzburg im Feuer-

sturm der Nacht des 16. März 1945 ihr Leben.

3.000 Opfer sind hier im Massengrab be-

stattet, derer jährlich im Totengedenken und

mit einer Kranz-niederlegung gedacht wird.

Seit 2001 kam zum Erinnern der

Versöhnungsgedanke hinzu. Die Ökumenische

Nagelkreuzinitiative konnte die Stadt und die

Kirchen Würzburgs sowie viele Einzelpersonen

davon überzeugen, dass zum Erinnern der Blick in die Zukunft gehört. Der ist ohne

ausgestreckte Hand zum einstigen Feind, hin nach England, Frankreich und zu den

Wandernagelkreuz und Versöhnungsstatue

Foto: Roland Dietsch

Gedenkstätte 16. März 1945 – Massengrab

Foto: Wigbert Baumann

Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative Würzburg

16. März 2021

2

verfeindeten Nachbarn in Europa und der Welt nicht möglich. Alle waren sich einig: Nie wieder

Krieg!

1940 hatten die Deutschen die mittelenglische Stadt Coventry zerstört und ebenso ihre

altehrwürdige mittelalterliche Kathedrale St. Michael. Der damalige Domprobst Richard

Howard plädierte für Versöhnung und Verständigung mit den alten Feinden. Mit seinen

Freunden brachte er nach dem Krieg drei Nägel, zum Kreuz gebunden, aus dem zerstörten

Dachgestühl der Kathedrale in Coventry in viele Städte. Zuerst nach Kiel und Hamburg. Das

Nagelkreuz war „geboren“.

Aus seinen Initiativen zu Versöhnung und Verständigung erwuchs die Internationale

Nagelkreuzgemeinschaft in Coventry mit derzeit über 350 verliehenen Kreuzen, davon über

200 aktiven Partnern. 1991 kam es zur Gründung der Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland

mit heute über 70 Gemeinschaften. Glückwunsch zum 30. Geburtstag!

Am 16. März 2001 wurde Würzburg in das große internationale Netzwerk der

Nagelkreuzzentren aufgenommen. Seitdem durften wir hier am Massengrab, zu dessen

künstlerischem Ensemble seit diesem Tag auch die Versöhnungsglocke gehört, viele, auch

internationale Gäste begrüßen z. B.: Canon Andrew White und Dr. Paul Oestreicher vom

Versöhnungszentrum an der Kathedrale in Coventry/England, Reverend Henry Jesse aus

Denver in Colorado/USA, Gäste aus Würzburgs Partnerstädten und die Vorsitzenden der

Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland. Jährlich besuchten uns am 16. März Freunde aus den

deutschen Nagelkreuzzentren, z. B. aus Dresden, Halle, Pforzheim und Berlin.

Aus dem Monatsgruß für die Gemeinden des Evang.-Luth. Dekanats Würzburg, März 2001

Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative Würzburg

16. März 2021

3

Programm zum 16. März 2001

Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative Würzburg

16. März 2021

4

Die Erinnerung am Massengrab vor dem Hauptfriedhof mündet seit 2001 mit dem Läuten der

Versöhnungsglocke ein in den Versöhnungsweg zum nächsten Gastort des Wandernagel-

kreuzes in Würzburg und Umgebung. Seit 2013 begleitet auch die Versöhnungsstatue das

Nagelkreuz und verweist darauf, dass Versöhnung über das Christentum hinaus ein Wert in

allen Religionen ist.

VERSÖHNUNGSGLOCKE VON WÜRZBURG

Bomben zu Glocken

Die unbewegliche 200 kg-Glocke enthält Kupfer aus russischen Granaten und ist eine Nachbildung des Sprengbombenbruchstückes, das in der Franziskanerkirche Würzburg zu sehen ist. Ein roter britischer Brandbombenkopf und drei, deutschen Bomben ähnelnde Leitbleche bilden die Spitze des Klöppels. Seine Funktion: Mobile bei leichtem Wind, leiser Klang bei starkem Wind, Läuten durch Seilzug unten. Die Glocke erinnert an

die Zerstörung Würzburgs am 16. März 1945 durch britische Bomben

die 5000 Opfer, 3000 sind hier in einem Massengrab bestattet. (siehe Beschilderung und Denkmal)

die Wichtigkeit von VERSÖHNUNG = RECONCILIATION zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern sowie mit allen Menschen, heute und in der Zukunft.

Mit der Überreichung eines NAGELKREUZES am 16. März 2001 durch das Internationale Versöhnungszentrum an der Kathedrale von Coventry (Großbritannien) wurde Würzburg Mitglied dieser weltweiten Friedensbewegung. Am selben Tag wurde die Versöhnungsglocke geweiht.

Erinnerung bewahren – Versöhnung leben

FRIEDE – MIR – PAIX – PEACE – SALAM – SHALOM (Inschrift der Gedenktafel auf dem Friedensstein unterhalb der Versöhnungsglocke)

20 Gastorte können heute dieses Jubiläum mit uns feiern. Ein Jahr haben sie jeweils das Thema

Versöhnung und Frieden in ihrer Kirche, Institution oder Einrichtung in den Mittelpunkt ihrer

Arbeit gestellt. Ihr Beitrag für die Stadt und die Kirchen ist nicht hoch genug einzuschätzen.

Dafür sagen wir DANKE!

„Erinnerung bewahren - Versöhnung leben“, Wunden der Geschichte heilen und in Vielfalt an

einer Kultur des Friedens mitwirken. Diesen Beitrag will die Ökumenische Initiative für Frieden

und Versöhnung mit Menschen guten Willens immer wieder neu hier in Würzburg leisten.

Oberbürgermeister Jürgen Weber hat zum 16. März 2001 den Satz an der Türe zum Ratssaal

im Rathaus Würzburg: „Stärker als Tod und Vernichtung ist unser Wille zum Leben“

umgeformt: „Stärker als Tod und Vernichtung ist unser Wille zu Versöhnung und Frieden“.

Versöhnungsglocke mit Friedensstein

Foto: Wolfgang Hugo

Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative Würzburg

16. März 2021

5

Wie in der Festschrift zu 10 Jahren Nagelkreuz in Würzburg nachzulesen ist, fügte er hinzu:

„Ich wünsche mir, dass das Nagelkreuz ein Zeichen dafür ist, dass wir täglich für den Frieden

arbeiten müssen. Diese Arbeit beginnt bei jedem Einzelnen von uns und an jedem Tag und

immer wieder neu.“

Dieser Auftrag zur Arbeit und zum Gebet für Versöhnung und Frieden geht auch 2021 an uns

alle. Er dient einer Zukunft in Verständigung und Frieden.

Johanna Falk

Mitbegründerin der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative Würzburg und deren Sprecherin

bis 2015

2. Station Kirche St. Stephan „Versöhnung durch Ökumene auf Augenhöhe“

In St. Stephan sind die Anliegen der Nagelkreuzbewegung schon immer

auf fruchtbaren Boden gefallen. Vor 20 Jahren war hier der erste

Gastort des Wandernagelkreuzes in Würzburg. „Versöhnung zwischen

den Konfessionen“ hat man damals in den Mittelpunkt gestellt. Das

Thema hat nichts an Aktualität verloren. Die Begegnung der

unterschiedlichen Konfessionen auf Augenhöhe, das Miteinander bei

diakonischen Aufgaben und die gegenseitige Akzeptanz als Kirche Jesu

Christi sind nach wie vor gute ökumenische Baustellen. Gemeinsam

von der Evang.-Luth. Kirche und der Röm.-kath. Kirche wird die

Christophorus-Gesellschaft mit ihren Beratungsstellen betrieben, in

den Pflegeheimen und Krankenhäusern und bei anderen Aktivitäten arbeitet man

miteinander. Und das Miteinander prägt auch das Verhältnis von St. Stephan zur

altkatholischen Gemeinde St. Martin, mit der wir seit 13 Jahren jährlich ein ökumenisches

Abendmahl feiern, mit der methodistischen Gemeinde der Christuskirche verbinden uns unter

anderem die Gottesdienste an Himmelfahrt.

Versöhnung braucht engagierte Menschen, Anlässe und Aufgaben, und eine Portion guten

Willen, etwas gemeinsam zu gestalten.

Das „Denkmal der Versöhnung" auf dem Wilhelm-Schwinn-Platz ist so ein Ort geworden, wo

mittlerweile 19 Tafeln das Wort „Versöhnung“ in vielen Sprachen sinnenfällig machen. Bunte

Schrift auf dem Boden ist ungewöhnlich, fremde Schriftzeichen, die man nicht lesen kann.

Aber derselbe Geist verbindet sie. Und dieselbe Sehnsucht nach mehr Frieden in dieser Welt.

Für mich ist es jedes Mal schön, wenn auch Kinder diese Farben entdecken, auf dem Platz

spielen und sich auf den alten behauenen Quadern niederlassen. Diese Quader aus der Zeit

des Nationalsozialismus bilden jetzt eine große, in den Boden eingelassene Blume mit den

Blütenblättern der Versöhnung.

Pfr. Jürgen Dolling

Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative Würzburg

16. März 2021

6

Wenn jeder eine Blume pflanzte,

jeder Mensch auf dieser Welt,

und, anstatt zu schießen, tanzte

und mit Lächeln zahlte, statt mit Geld -

wenn ein jeder einen andern wärmte,

keiner mehr von seiner Stärke schwärmte,

keiner mehr den andern schlüge,

keiner sich verstrickte in der Lüge,

wenn die Alten wie die Kinder würden,

sie sich teilten in den Bürden,

wenn dies Wenn sich leben ließ,

wär's noch lang kein Paradies -

bloß die Menschenzeit hätt angefangen,

die in Streit und Krieg uns beinah ist vergangen.

(Peter Härtling, Evang. Gesangbuch S. 1073)

Ja, unsere Welt ist kein Paradies. Aber wir können

sie gestalten. Zum Beispiel mit Symbolen wie das auf

der Südseite der Stephanskirche am Regierungs-

garten: Eine Weltkugel, deren Erdteile einander die

Hände reichen. Entstanden ist diese Skulptur in der

Justizvollzugsanstalt Würzburg. Ein schönes Symbol

für die weltumspannenden Aufgaben, die das

Engagement für Versöhnung und Frieden mit sich

bringen. Schon seit fast 30 Jahren pflegt das Evang.-

Luth. Dekanat einen Partnerschaft mit der evang.

Diözese Ruvuma im Süden Tanzanias. Hier hat man

sich schon oft die Hände gereicht und gemeinsam

Probleme angepackt.

Heute im Jahr 2021 sind der Klimawandel und die

Pandemie globale Probleme, die wir nur gemeinsam

überwinden können. Jetzt müssen die Augen

lächeln, wenn die FFP2-Maske die Lippen verdeckt.

Jetzt kommt es darauf an, dass wir die Natur

bewahren mit ihrer Vielfalt und ihrem sensiblen ökologischen Gleichgewicht. Viel ist schon

aus dem Gleichgewicht geraten, deshalb müssen wir anders denken und anders handeln. Wir

haben keine Alternative, wenn diese Erde auch für nachfolgende Generationen ein

lebenswertes zu Hause bleiben soll.

Der Monatsspruch März der Herrnhuter Brüdergemeine lautet:

Jesus antwortete: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine

schreien. Lukas 19,40

Denkmal der Versöhnung mit Steinblüte

Foto: Jürgen Dolling

Weltkugel

Foto: Jürgen Dolling

Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative Würzburg

16. März 2021

7

Mit dem Wort „diese“ sind die Jünger gemeint. Das schließt uns ein, und zwar Frauen und

Männer gleichermaßen. Wir haben etwas zu sagen und zu gestalten in dieser Welt! Gut, wenn

uns Steine und Symbole immer wieder daran erinnern.

Jürgen Dolling

Pfarrer an St. Stephan

3. Station Dom St. Kilian „Versöhnen durch Vergeben“

Im Jahr 2015 war das Wander-

nagelkreuz im Würzburger Dom.

Daran erinnert eine Kopie des

Kreuzes im Dom, die an dem Ort

aufgestellt ist, wo nach dem

Bombenangriff vom 16. März 1945

die Toten zusammengetragen wur-

den und die Angehörigen Abschied

nehmen konnten. Es ist auch der

Ort im Dom, an dem vor dem Bild

der Gottesmutter mit dem toten

Sohn im Schoß stets die vielen

Kerzen brennen. Es ist ein Trost-

und Hoffnungsort. Es ist ein Ort der

Versöhnung im Blick auf das Leid, das wir erfahren und zufügen und im Blick auf die

Vergebung, die wir erbitten und gewähren.

Der Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative in unserer Stadt ist ein wichtiger

Beitrag der Erinnerung und Ermahnung für ein versöhntes Miteinander heute. Wer die

Stationen des Wandernagelkreuzes in den vergangenen 20 Jahren nachliest, erkennt leicht,

dass Versöhnung nicht nur rückwärtsgewandt geschehen muss, sondern im Jetzt und Morgen

immer wieder gefordert ist von den Christinnen und Christen, ja von allen Menschen, welcher

Religion, Kultur und Herkunft auch immer.

Mit dem Nagelkreuz wird seit 2013 immer eine Versöhnungsstatue weitergegeben. Zwei

Menschen umarmen sich. Das Besondere ist, dass beide sich nicht gegenüberstehen, sondern

dass beide kniend sich in den Armen liegen. Versöhnung geschieht da, wo wir uns nicht über

andere erheben oder den anderen in die Knie zwingen, sondern da, wo wir uns voreinander

kleinmachen. Groß ist und bleibt nur der, dessen Kinder wir alle sind und zu dem wir

miteinander als Schwestern und Brüder beten: „Vater, vergib!“

Ulrich Boom

Weihbischof und Dompropst

Weihbischof und Domprobst Ulrich Boom neben dem

Erinnerungsnagelkreuz im Dom, Foto: Roland Dietsch

Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative Würzburg

16. März 2021

8

4. Station Rathaus – Grafeneckart „Versöhnung der Stadt durch Erinnerungskultur“

Die Stadt Würzburg gehört zu den

Mitbegründern des Nagelkreuzzen-

trums Würzburg, welches in diesem

Jahr auf sein 20. Gründungsjahr zu-

rückblickt. Seitdem ist sie Jahr für Jahr

mit der Ökumenischen Nagelkreuz-

initiative im Bereich der Erinnerungs-

kultur aktiv. Am 16. März, den die

Stadtverwaltung mit einem Toten-

gedenken an der Gedenkstätte

16. März 1945 am Hauptfriedhof be-

geht, schließt sich der Weg der

Versöhnung direkt an und hat über die

vielen Jahre hinweg die verschie-

densten Institutionen, Einrichtungen,

Gotteshäuser, Stadtteile und Men-

schen erreicht.

Gerade am 16. März ist der Versöh-

nungsgedanke des Nagelkreuzzen-

trums ein wichtiger Impulsgeber. Über

viele Jahre erinnerte man sich vor

allem aus einer eher subjektiven

Opferperspektive heraus an den Tag

der Bombardierung, erst im letzten Jahrzehnt wurde der Blickwinkel um eine Sichtweise

erweitert, die eben auch den 2. Weltkrieg und die Verantwortung der Deutschen für die

Verbrechen mit in den Blick nahm.

So werden im städtischen Gedenkraum im Grafeneckart, der im Jahr 2010/2011 umgestaltet

wurde, auch die Vorgeschichte und die Hintergründe erzählt, indem z. B. die Einbettung in den

großen Kontext der beiden Weltkriege erfolgt. Die 3.500 - 4.000 im Luftangriff getöteten

Menschen, die Zerstörung der Stadt und das große Leid werden dabei nicht geschmälert.

Der Gedanke und der Wunsch nach Versöhnung gingen von Coventry in die Welt. Dieser Ort

in der Mitte Großbritanniens wurde 1940 von den Deutschen zerstört, viele Menschen

starben, von der Kathedrale war fast nichts mehr übrig. Die Geistlichen aus Coventry waren

damals zu Versöhnung bereit und so gelang es, dass aus Feinden Menschen wurden, die sich

aufeinander einließen, bereit waren sich zuzuhören und an die Versöhnung und das höhere

verbindende Ziel, des Friedens untereinander, glaubten und sich dafür engagierten.

Oberbürgermeister Christian Schuchardt im städt.

Gedenkraum zum 16. März 1945 im Grafeneckart

Foto: Stadt Würzburg

Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative Würzburg

16. März 2021

9

Auch in Würzburg wird Versöhnung gelebt. Das am Wilhelm-Schwinn-Platz existierende

Bodendenkmal der Versöhnung zeigt ganz eindrucksvoll, wie viele Menschen in Würzburg zur

Versöhnung bereit sind und sich dem Versöhnungsgedanken angeschlossen haben. Das

Denkmal wächst von Jahr zu

Jahr und zeigt in einer Buntheit

die verschiedenen Kulturen,

Länder und Glaubensgemein-

schaften, die in Würzburg zu

Hause sind. Alle eint der

Wunsch nach Frieden und

Versöhnung. Erst im Jahr 2020

war die Stadt Würzburg Patin

für die Gedenkplatte „Versöh-

nung für Europa“. Diese

Versöhnungs- und Friedens-

arbeit ist heute selbst in Europa

immens wichtig.

Betrachten wir die Länder

Europas, die besonders aufgrund des nationalsozialistischen Terrors im 2. Weltkrieg Leid

erfahren haben, so wissen wir, dass die Gräben zwischen den Ländern sich vertieft haben oder

manche Gräben erst entstanden sind. Um Versöhnung zwischen den Ländern und Menschen

erreichen zu können, braucht es beharrliche, ernsthafte Brücken und Brückenbauer.

Für uns ist mit der Verlegung der Gedenkplatte ein starkes, hoffnungsvolles Signal des

Friedens verbunden. Die Mosaiktafeln führen Menschen unterschiedlicher Nationen und

Religionen zusammen, die Platten stehen symbolisch für das Gespräch und die

Kommunikation untereinander, sie beschreiben damit das friedliche Miteinander, selbst bei

größter Unterschiedlichkeit. Sie deuten allerdings auch an, dass der Weg der Versöhnung nur

über die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit laufen kann und dass es nach dieser

Auseinandersetzung eine hoffnungsvolle Zukunft gibt.

Insofern ist das „Denkmal der Versöhnung“ ein starkes Symbol, das bestens zu unserer

Stadtgesellschaft passt! Würzburg liegt ja nicht nur im Zentrum Europas, für viele Menschen

aus ganz unterschiedlichen Nationen und Kulturen ist unsere Stadt auch längst zur echten

“Heimatstadt“ geworden. Als internationaler Wirtschafts- und Hochschulstandort profitieren

wir alle dabei nicht zuletzt vom Zuzug neuer Menschen und Kulturen, denn mit den Menschen

kommen viele gute Ideen, innovative Konzepte und anregende Gedanken in unsere Stadt. Sie

inspirieren uns als dynamische und wachsende Stadtgesellschaft.

Mosaiktafel „Versöhnung für Europa“

Denkmal der Versöhnung, Foto: Roland Dietsch

Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative Würzburg

16. März 2021

10

Die Stadt Würzburg bekennt sich für eine offene, tolerante und friedliche Gesellschaft und wird auch weiterhin im Zuge ihrer erinnerungskulturellen Arbeit für Versöhnung, Austausch und Demokratie einstehen.

Christian Schuchardt Oberbürgermeister

5. Station Marienkapelle „Versöhnung durch das Gebet“

Der diesjährige Versöhnungsweg hat sein Ziel in der

Marienkapelle am Marktplatz erreicht. In dieser

Bürgerkirche findet seit nunmehr 20 Jahren jeden Freitag

um 13 Uhr das Gebet für Frieden und Versöhnung statt,

zeitgleich mit dem Nagelkreuzgebet im Chorraum der

Ruine der alten Kathedrale in Coventry und in vielen Nagel-

kreuzzentren der Welt. Im Gebet vereint glauben wir

daran, dass Frieden und Versöhnung möglich sind – und

schöpfen daraus Vertrauen, Kraft, Mut und Hoffnung für

unser Tun.

Das Nagelkreuz und die Versöhnungsstatue zeigen uns,

dass Frieden und Versöhnung möglich sind!

Dankbar blicken wir auf die letzten 20 Jahre zurück, in denen das Nagelkreuz, das in Würzburg

zum Wandernagelkreuz wurde, und seit 2013 gemeinsam mit der Versöhnungsstatue jedes

Jahr einen neuen Gastort gefunden hat. An jedem neuen Ort

entwickeln sich neue Impulse des Engagements für Frieden und

Versöhnung. Durch die jährliche Wanderung an einen anderen

Ort entfaltet die Versöhnungsarbeit eine eigene Dynamik und

Verbreitung und erhält Unterstützung. Oftmals werden ganz

neue Bezüge hergestellt und Angebote entwickelt, die auch nach

dem „Nagelkreuzjahr“ gepflegt werden und weiterhin wirken. So

blicken wir vertrauensvoll in die Zukunft und das kontinuierliche

Engagement für Frieden und Versöhnung im Zeichen des

Nagelkreuzes in unserer Stadt.

Dieses Engagement ist ein großes Anliegen der Kirchen in unserer

Stadt und der Stadt Würzburg und erfährt viel Unterstützung. Die

Texte zu den Stationen des diesjährigen Versöhnungsweges

zeugen davon. Für die Gestaltung der einzelnen Stationen danken

wir allen Beteiligten sehr herzlich!

Nagelkreuz, Marienkapelle

Foto: Roland Dietsch

Marienkapelle am Marktplatz

Foto: Roland Dietsch

Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative Würzburg

16. März 2021

11

Wir beschließen den Weg der Versöhnung 2021 mit der Versöhnungslitanei von Coventry und

verbinden uns mit allen Menschen, die sich weltweit für Frieden und Versöhnung engagieren.

Die Versöhnungslitanei von Coventry

Alle haben gesündigt und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten.

Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse,

Vater, vergib.

Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr Eigen ist,

Vater, vergib.

Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet,

Vater, vergib.

Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der Anderen,

Vater, vergib.

Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge,

Vater, vergib.

Die Gier, die Frauen, Männer und Kinder entwürdigt und an Leib und Seele missbraucht,

Vater, vergib.

Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott,

Vater, vergib.

Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem anderen, wie Gott euch vergeben hat in Jesus Christus.

Versöhnungsweg der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative Würzburg

16. März 2021

12

Ökumenische Initiative für Frieden und Versöhnung der Kirchen und der Stadt Würzburg

Mitglied der Nagelkreuzgemeinschaft in Deutschland e.V.

Zwinger 3c

97070 Würzburg

E-Mail

Internetseite

Leitungskreis der Ökumenischen Nagelkreuzinitiative Würzburg

von links: Elisabeth Nikolai, Henning Albrecht, Dr. Elisabeth Peper, Dr. Erik Soder von Güldenstube

Foto: Roland Dietsch