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Versuch 1 – Entsäuerung 1. Einleitung [1, 2] Durch Kontakt des Trinkwassers mit den verschiedenen in der Wasserversorgung verwende- ten Werkstoffen kann seine Beschaffenheit verändert werden. Die bei diesem als Korrosion bekannten Vorgang in das Wasser gelangenden Korrosionsprodukte werden optisch, z. B. als braunes Wasser, vom Abnehmer beanstandet oder sind toxikologisch relevant (Blei, Kupfer, Nickel etc.) Das Ausmaß von Korrosionsvorgängen lässt sich durch Anheben des pH-Wertes und/oder Absenken der Kohlendioxid-Konzentration meist vermindern. Im Bereich der Wasseraufbereitung bildet das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht die Grundlage für die Aus- legung und Kontrolle des Entsäuerungs-Prozesses. Belüftung, Filtration über basische Filtermaterialien (Calciumcarbonat / halbgebrannter Do- lomit) sowie die Dosierung von Basen (Kalkmilch) werden in der Trinkwasseraufbereitung als Entsäuerungs-Verfahren zur Entfernung von gelöstem CO 2 angewandt. Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht [3] Kohlendioxid (CO 2 ) gelangt zum einen aus der Atmosphäre und zum anderen infolge der Stoffwechseltätigkeit von Organismen in die Gewässer. Beim aeroben Abbau werden orga- nische Kohlenstoffverbindungen zu CO 2 und H 2 O mineralisiert, beim anaeroben Abbau ent- stehen zu jeweils 50 % CO 2 und CH 4 . Infolge dieser biologischen Prozesse kann sich ver- sickerndes Wasser bei der Bodenpassage relativ stark mit CO 2 anreichern. In Grundwässern findet man bis zu mehreren hundert mg/L CO 2 . Anwesenheit und Konzentration werden ent- scheidend durch den Kontakt von CO 2 -haltigen Wasser mit carbonatischen Mineralen be- stimmt. Für die Auflösung von Calciumcarbonat gilt das Kalk-Kohlensäuregleichgewicht: 2 3( ) 2 2 3 2 s CaCO CO HO Ca HCO + ⎯→ + + + ←⎯⎯ [1.1] Fehlt Kalk im Untergrund oder reicht die Kontaktzeit nicht zur Gleichgewichtseinstellung aus, kann im Wasser ein aggressiver Kohlendioxidüberschuss entstehen, der bei der Wasser- nutzung zu Korrosionsproblemen führt. Laut Trinkwasserverordnung 2001 darf Wasser nicht korrosiv wirken [4]. Enthält das Wasser weniger Kohlendioxid als dem Kalk-Kohlensäure- Gleichgewicht entspricht, so erfolgt Carbonatausfällung bis zur erneuten Gleichgewichtsein- stellung. Die Gesamtheit der gelösten Erdalkaliionen (Ca 2+ , Mg 2+ ) wird als Wasserhärte bezeichnet. Das Verhältnis von Ca 2+ zu Mg 2+ liegt in Süßwässern meist bei 4,5 : 1. Die Gesamthärte eines Wassers lässt sich in Carbonat- und Nichtcarbonathärte untereilen. Die Carbonathärte ist die Konzentration an Erdalkaliionen, die der Konzentration der im Wasser enthaltenen Hydrogen- carbonationen entspricht. Sie wird auch als temporäre Härte bezeichnet, da beim Erhitzen aus den Erdalkaliionen und der äquivalenten Menge Hydrogencarbonationen schwerlösliche Car- bonate („Kesselstein“) gebildet werden. Darüber hinausgehende Gehalte an Erdalkaliionen, denen dann entsprechend andere Anionen (Sulfat, Chlorid), zuzuordnen sind, werden als Nichtcarbonathärte oder permanente Härte bezeichnet. Die Härte wurde früher in Härtegraden angegeben. 1 ° deutscher Härte entsprach 10 mg/L CaO. Heute wird für die Wasserhärte die Stoffmengenkonzentration der Erdalkaliionen oder ihrer Äquivalente in der SI-Einheit mmol/L angegeben. Es gilt die Umrechnung: 1°dH = 0,178 mmol/L Erdalkaliionen. Die Härte ist ein wesentliches Gütekriterium eines Wassers und muss bei seiner Nutzung berücksichtigt werden. So verringern Härtebildner die Waschwirkung von Seifen durch Bildung schwerlös- licher Erdalkaliseifen. Bei der Betonherstellung sind sehr harte, salzhaltige und saure Wässer ebenfalls zu meiden. Trinkwasser wird üblicherweise durch Angabe von Härtebereichen charakterisiert (Tab. 1). 1

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Versuch 1 – Entsäuerung

1. Einleitung [1, 2] Durch Kontakt des Trinkwassers mit den verschiedenen in der Wasserversorgung verwende-ten Werkstoffen kann seine Beschaffenheit verändert werden. Die bei diesem als Korrosion bekannten Vorgang in das Wasser gelangenden Korrosionsprodukte werden optisch, z. B. als braunes Wasser, vom Abnehmer beanstandet oder sind toxikologisch relevant (Blei, Kupfer, Nickel etc.) Das Ausmaß von Korrosionsvorgängen lässt sich durch Anheben des pH-Wertes und/oder Absenken der Kohlendioxid-Konzentration meist vermindern. Im Bereich der Wasseraufbereitung bildet das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht die Grundlage für die Aus-legung und Kontrolle des Entsäuerungs-Prozesses. Belüftung, Filtration über basische Filtermaterialien (Calciumcarbonat / halbgebrannter Do-lomit) sowie die Dosierung von Basen (Kalkmilch) werden in der Trinkwasseraufbereitung als Entsäuerungs-Verfahren zur Entfernung von gelöstem CO2 angewandt. Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht [3] Kohlendioxid (CO2) gelangt zum einen aus der Atmosphäre und zum anderen infolge der Stoffwechseltätigkeit von Organismen in die Gewässer. Beim aeroben Abbau werden orga-nische Kohlenstoffverbindungen zu CO2 und H2O mineralisiert, beim anaeroben Abbau ent-stehen zu jeweils 50 % CO2 und CH4. Infolge dieser biologischen Prozesse kann sich ver-sickerndes Wasser bei der Bodenpassage relativ stark mit CO2 anreichern. In Grundwässern findet man bis zu mehreren hundert mg/L CO2. Anwesenheit und Konzentration werden ent-scheidend durch den Kontakt von CO2-haltigen Wasser mit carbonatischen Mineralen be-stimmt. Für die Auflösung von Calciumcarbonat gilt das Kalk-Kohlensäuregleichgewicht:

23( ) 2 2 32sCaCO CO H O Ca HCO+ −⎯⎯→+ + +←⎯⎯ [1.1]

Fehlt Kalk im Untergrund oder reicht die Kontaktzeit nicht zur Gleichgewichtseinstellung aus, kann im Wasser ein aggressiver Kohlendioxidüberschuss entstehen, der bei der Wasser-nutzung zu Korrosionsproblemen führt. Laut Trinkwasserverordnung 2001 darf Wasser nicht korrosiv wirken [4]. Enthält das Wasser weniger Kohlendioxid als dem Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht entspricht, so erfolgt Carbonatausfällung bis zur erneuten Gleichgewichtsein-stellung. Die Gesamtheit der gelösten Erdalkaliionen (Ca2+, Mg2+) wird als Wasserhärte bezeichnet. Das Verhältnis von Ca2+ zu Mg2+ liegt in Süßwässern meist bei 4,5 : 1. Die Gesamthärte eines Wassers lässt sich in Carbonat- und Nichtcarbonathärte untereilen. Die Carbonathärte ist die Konzentration an Erdalkaliionen, die der Konzentration der im Wasser enthaltenen Hydrogen-carbonationen entspricht. Sie wird auch als temporäre Härte bezeichnet, da beim Erhitzen aus den Erdalkaliionen und der äquivalenten Menge Hydrogencarbonationen schwerlösliche Car-bonate („Kesselstein“) gebildet werden. Darüber hinausgehende Gehalte an Erdalkaliionen, denen dann entsprechend andere Anionen (Sulfat, Chlorid), zuzuordnen sind, werden als Nichtcarbonathärte oder permanente Härte bezeichnet. Die Härte wurde früher in Härtegraden angegeben. 1 ° deutscher Härte entsprach 10 mg/L CaO. Heute wird für die Wasserhärte die Stoffmengenkonzentration der Erdalkaliionen oder ihrer Äquivalente in der SI-Einheit mmol/L angegeben. Es gilt die Umrechnung: 1°dH = 0,178 mmol/L Erdalkaliionen. Die Härte ist ein wesentliches Gütekriterium eines Wassers und muss bei seiner Nutzung berücksichtigt werden. So verringern Härtebildner die Waschwirkung von Seifen durch Bildung schwerlös-licher Erdalkaliseifen. Bei der Betonherstellung sind sehr harte, salzhaltige und saure Wässer ebenfalls zu meiden. Trinkwasser wird üblicherweise durch Angabe von Härtebereichen charakterisiert (Tab. 1).

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Tab. 1: Härtebereiche

Bereich Härtegrad in ° dH Härte in mmol/L Charakterisierung

1 < 7 < 1,3 weich

2 7…14 1,3…2,5 mittelhart

3 14…21 2,5…3,8 hart

4 > 21 > 3,8 sehr hart Durch Lösen des CO2 in Wasser entsteht Kohlensäure. Das Gleichgewicht liegt jedoch weit auf der linken Seite, es liegen nur 0,1 % als Kohlensäure vor, so dass man korrekterweise von gelöstem Kohlendioxid sprechen müsste.

2 2( ) 2aqH O CO H CO3⎯→+ ←⎯⎯ [1.2]

In Abb. 1 sind die Anteile der Kohlensäureformen CO2, HCO3

- sowie CO32-

- als Funktion des pH-Wertes dargestellt. Es ist zu erkennen, dass bei einem pH-Wert von pH = 4,3 praktisch nur CO2 vorliegt. Bei ei-nem pH-Wert von pH=8,2 ist fast nur HCO3

- und über pH=12 dann fast nur noch CO32-

vor-handen. Bei einem pH-Wert von pH=6,3 liegen je 50 % CO2 und HCO3

-- vor. Bei pH=10,3

liegen dagegen je zur Hälfte HCO3- und CO3

2- vor. An diesen beiden letztgenannten Punkten

gilt pH = pKS.

Abb. 1: Anteile der einzelnen Kohlensäureformen in Abhängigkeit des pH-Wertes [1] Das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht verbindet das Löslichkeitsgleichgewicht des Calcium-carbonats [1.3] mit der Dissoziation der Kohlensäure [1.4, 1.5].

23( ) 3sCaCO Ca CO+ 2−⎯⎯→ +←⎯⎯ [1.3]

2 2CO H O H HCO+3−⎯⎯→+ +←⎯⎯ [1.4]

2

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23HCO H CO− +

3−⎯⎯→ +←⎯⎯ [1.5]

Dieses Gleichgewicht hat eine überragende Bedeutung in der Wasserchemie. Die Teilglei-chungen machen deutlich, dass dieses Gleichgewicht auch den pH-Wert, die Wasserhärte so-wie die Pufferkapazität („Carbonat-Puffer“) natürlicher Wässer beeinflusst. Das Kohlensäure-System wird analytisch durch die Parameter pH(t), Säurekapazität KS4,3 und Basekapazität KB8,2 charakterisiert (Abb. 2). Die Säurekapazität KS4,3 eines Wassers gibt an, welche Menge an H+-Ionen einem bestimmten Volumen zugegeben werden kann, bis es einen pH-Wert von 4,3 erreicht. Die Basekapazität KB8,2 gibt analog dazu das Aufnahmevermögen an OH—Ionen bis zu einem pH-Wert von 8,2 an (Abb. 2). Von grundlegender Bedeutung für das Kohlensäure-System sind der m- und der p-Wert eines Wassers. Die Säurekapazität KS4,3 entspricht dabei dem m-Wert [c(HCO3

-)], die Basenkapazi-tät KB8,2 entspricht dem - p-Wert [c (CO2(aqu))].

Abb. 2: Schematische Darstellung der Bedeutung von Säure- und Basekapazitäten [5] Zur mathematischen Darstellung des Kalk-Kohlensäure-Gleichgewichts sind das Löslichkeits-produkt des Calciumcarbonats [1.6] sowie die Dissoziation der Kohlensäure (1. und 2. Protolysestufe) [1.7, 1.8] zu berücksichtigen.

23( ) (LK c Ca c CO+= ⋅ 2 )− [1.6]

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2

( ) (( )S

c H c HCOKc CO

+ −⋅=

) [1.7]

23

23

( ) (( )S

c H c COKc HCO

+ −

⋅=

) [1.8]

Die Gleichgewichtskonzentration an gelöstem CO2 ergibt sich durch Kombination dieser Gleichungen zu:

2 222 3

1

( ) ( ) (Seq

L S

Kc CO c HCO c CaK K

)− += ⋅ ⋅⋅

[1.9]

Fasst man die Gleichgewichtskonstanten zu KT zusammen und berücksichtigt den Fremd-ioneneinfluss durch einen summarischen Aktivitätskoeffizienten fT, so erhält man die TILL-MANSsche Gleichung [1.10] (Abb. 3):

2 22 3( ) ( ) (T

eqT

Kc CO c HCO c Caf

−= ⋅ ⋅ )+ [1.10]

Außer durch die CO2-Konzentration lässt sich das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewichts mit Hilfe des pH-Wertes darstellen. Aus Gleichung [1.8] ergibt sich nach Substitution von c(CO3

2-) durch das Löslichkeitsprodukt [1.6]:

223( ) ( ) (S

eqL

Kc H c HCO c CaK

+ −= ⋅ ⋅ )+ [1.11]

Zu jeder Calcium- und Hydrogencarbonationenkonzentration gehört nicht nur eine bestimmte CO2-Konzentration, sondern auch ein Gleichgewichts-pH-Wert. Zweckmäßigerweise werden auch hier die Konstanten zusammengefasst (KLa = KS2/KL) und ein summarischer Aktivitäts-koeffizient eingeführt. Die sich so ergebende Gleichung wird als LANGELIER-Gleichung bezeichnet.

23lg lg lg( ) lg ( )eq La LapH K f HCO c Ca− += − − − − [1.12]

KLa ist dabei temperatur- und fLa ionenstärkeabhängig. Die Berechnung der Aktivitätskoeffizienten fLa erfolgt über eine modifizierte DEBYE-HÜCKEL-Gleichung für einwertige Ionen [1.13]:

lg 8 lg

lg 0,51 1, 4

Laf

II

γ

γ

= ⋅

= −+ ⋅

[1.13]

Näherungsweise lässt sich die Ionenstärke aus der elektrischen Leitfähigkeit κ des Wassers bei 25 °C [mS/m] abschätzen:

25[ ]6200

CI mol L κ °= [1.14]

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Temperaturänderungen sowie die Zufuhr oder der Verbrauch von Kohlendioxid sind wichtige Faktoren, die das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht beeinflussen. Da Fällungs- und Auflö-sungsprozesse in diesem System oft langsam verlaufen, kann nicht immer mit dem Vorliegen des Gleichgewichtszustandes gerechnet werden. Deshalb gilt zu prüfen, ob sich ein Roh-wasser im Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht befindet, ob es carbonatauflösend (kalkag-gressiv) oder carbonatausfällend (calcitabscheidend) wirkt. Mit Hilfe des Sättigungsindex´ SI kann die Lage des Kalk-Kohlensäure-Gleichgewichts be-rechnet werden, wobei der Einfluss der Ionenpaarbildung vernachlässigt wird.

I gemS pH pH= − eq [1.15] Für die ermittelten Sättigungsindizes SI ergeben sich folgende Zusammenhänge zur Lage des Kalk-Kohlensäure-Gleichgewichts: SI < 0 Wasser ist calcitlösend, SI = 0 Wasser steht im Gleichgewicht, SI > 0 Wasser ist calcitabscheident.. Weitere Methoden zur Beurteilung, ob sich ein Wasser im Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht befindet, werden in der DIN 38 404 Teil 10 (s. u.) beschrieben. Die Zusammenhänge, die sich aus dem Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht ergeben, sind in Abb. 3 – der TILLMANSschen Kurve – zusammenfassend veranschaulicht.

Abb.3: TILLMANSsche Kurve {fT = 1; c(HCO3

-) = 2 c(Ca2+)} Die eingetragenen Geraden beschreiben den Zusammenhang zwischen CO2(aqu)- und HCO3

—-Konzentration für jeweils konstante pH-Werte, wie er sich aus Gleichung [1.7] ergibt. Ein Wasser, dessen Zusammensetzung einem Wertepaar auf der blauen Kurve entspricht, befindet sich im Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht (SI = 0). Oberhalb der Gleichgewichtskurve ist das Wasser carbonatauflösend (SI < 0), im umgekehrten Fall carbonatausfällend (SI > 0). Aus dem Verlauf ist zu erkennen, dass mit steigendem Gehalt an HCO3

- (↑↑ Ca2+-Gehalt), die Gleichgewichtskonzentration an CO2 zunimmt und der pH-Wert abnimmt. Harte Wässer wei-sen im Vergleich zu weichen Wässern im Bereich der Calciumcarbonatsättigung stets deutlich höhere Gehalte an CO2 und niedrigere pH-Werte auf.

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Praxis der Filtration über basische Filtermaterialien [1, 6 - 9] Das Aufbereitungsziel ist durch die Anforderungen der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) vorgegeben. Grundsätzlich muss der pH-Wert des Trinkwassers zwischen 6,5 und 9,5 liegen. Nach der novellierten TrinkwV, die am 01.01.2003 in Kraft trat, darf die Calcitlösekapazität nicht größer als 5 mg/L CaCO3 sein [4]. Im der folgenden Abbildung ist ein Prüfschema, welches als Entscheidungshilfe dient, dargestellt.

pH-Wert messen

pH ≥ 7,7

pHeq berechnen

pH ≥ pHeq

D berechnen

D ≤ 5 mg/L

Entsäuerung

keine Maßnahmen

keine Maßnahmen

keine Maßnahmen

Abb. 4: Prüfschema (Notwendigkeit einer Entsäuerung) Die Calcitlösekapazität D beschreibt die Stoffmenge bzw. Masse an Calcit, die ein Wasser, bezogen auf ein bestimmtes Volumen lösen kann [g/m3 bzw. mg/L oder mol/m3 bzw. mmol/L]. Dabei entsprechen 0,1 mmol/L ca. 10 mg/L CaCO3. Ein Prüfschema zur Notwendigkeit der Durchführung einer Entsäuerung ist in folgender Abbildung dargestellt. Ist der pH-Wert eines Wassers höher 7,7 bzw. höher als der Sättigungs-pH-Wert peq so gilt die Anforderung der TrinkwV bzgl. der Calcitsättigung ohne weiteren Nachweis als erfüllt. Andernfalls ist die Calcitlösekapazität D zu ermitteln. Die rechnerische Ermittlung von D ist sehr aufwendig und nur mit spezieller Software realisierbar [10]. Daher wurden Tabellen erstellt, aus denen mittels der Calciumkonzentration und der Säurekapazität eines Wassers der pH-Werte entnehmbar ist, bei deren Einhaltung bzw. Überschreitung D ≤ 5 mg/L ist (Tab. 2).

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Tab. 2: pH-Werte, bei denen die Calcitlösekapazität 5 mg/L beträgt [9]

Säurekapazität KS4,3 [mmol/L] β(Ca2+)

[mg/L]

c(Ca2+)

[mmol/L] 0,25 0,5 0,75 1 1,25 1,5 1,75 2 2,5 3 3,5 4 5 6 7

Leitf.

[mS/cm]

10 0,25 7,40 7,67 7,81 7,89 15

20 0,50 7,23 7,53 7,67 7,75 7,8 7,82 7,83 7,84 25

30 0,75 7,18 7,48 7,62 7,69 7,72 7,74 7,75 7,74 7,73 30

40 1,00 7,15 7,45 7,58 7,64 7,68 7,68 7,68 7,68 7,65 7,62 40

50 1,25 7,13 7,42 7,55 7,61 7,63 7,64 7,63 7,62 7,59 7,56 7,52 7,49 50

60 1,50 7,11 7,41 7,52 7,58 7,6 7,60 7,59 7,58 7,54 7,50 7,46 7,43 7,36 60

80 2,00 7,09 7,34 7,48 7,53 7,54 7,53 7,52 7,50 7,46 7,42 7,38 7,34 7,27 7,21 7,15 80

100 2,50 7,08 7,35 7,45 7,49 7,49 7,48 7,47 7,44 7,40 7,35 7,31 7,26 7,19 7,13 7,08 95

120 3,00 7,43 7,46 7,46 7,44 7,42 7,40 7,35 7,30 7,25 7,21 7,13 7,07 7,01 100

160 4,00 7,40 7,39 7,37 7,35 7,32 7,26 7,21 7,16 7,12 7,04 6,97 6,92 110

200 5,00 7,32 7,29 7,26 7,20 7,14 7,09 7,05 6,97 6,90 6,84 120

280 7,00 7,10 7,05 6,99 6,94 6,86 6,79 6,74 160

Bei den Filterverfahren erfolgt die Entsäuerung durch Kontakt des Wassers in Filterbehältern mit granulierten oder gekörnten Materialien aus Calciumcarbonat (CaCO3) oder halbge-branntem Dolomit (CaCO3/MgO). Die verwendeten Reaktoren sind Filtersäulen, bei denen das Ausmaß der Konzentrationsänderungen bei sonst gleich bleibenden Bedingungen von der zur Verfügung gestellten Kontaktzeit abhängt. Mit Calciumcarbonat (CaCO3) kann bei theoretisch unendlich langer Kontaktzeit das Kalk-Kohlensäure-Gleichgewicht eingestellt werden. Für die Praxis bedeutet dies, dass bei tech-nisch realistischen Verweilzeiten immer Unterschreitungen der Calcitsättigung auftreten. Wegen des geringen Wartungs- und Überwachungsaufwandes ist die Entsäuerung mit Cal-ciumcarbonat besonders für kleine Wasserversorgungsanlagen geeignet. Halbgebrannter Dolomit (CaCO3/MgO) wird durch Brennen von Dolomit unter streng defi-nierten Bedingungen hergestellt. Der Magnesiumoxidanteil erhöht die Reaktionsgeschwindig-keit, so dass bei der technischen Anwendung von halbgebranntem Dolomit, im Vergleich zum Calciumcarbonat, die Kontaktzeiten deutlich kürzer sind. Die Calciumcarbonat-Sättigung kann dabei überschritten werden, wodurch es zu Verbackungen des Filtermaterials und zu un-erwünschten Kalkausscheidungen im Rohrnetz kommen kann.

2. Ziel- und Aufgabenstellung Mit Hilfe der Filtration über basische Filtermaterialien, wie Calciumcarbonat und halbge-branntem Dolomit, soll die chemische Entsäuerung von CO2-aggressivem Wasser durchge-führt werden. Es sollen vier Filtrationsprozesse mit unterschiedlichen Filtermaterialien zur Entsäuerung von Wasser durchgeführt werden. Dabei ablaufende chemische Vorgänge sind auf der Grundlage des Kalk-Kohlensäure-Gleichgewichtes zu diskutieren.

3. Geräte • Meßkolben (50 mL, 100 mL, 1000 mL), • Erlenmeyerkolben (250 mL, 300 mL), • Büretten (50 mL), • Vollpipette (100 mL, 50 mL), • Meßpipette (5 mL),

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• Leitfähigkeitsmessgerät LF 323 (Fa. WTW), • Glaselektrode zur pH-Bestimmung.

4. Chemikalien • HCl-Lösung (c = 0,1 mol/L), • NaOH-Lösung (c = 0,1 mol/L), • Methylorange-Indikatorlösung, • Phenolphthalein-Indikatorlösung, • EDTA-Lösung c = 0,01 mol/L, • Eriochromschwarz-Indikatorlösung, • Calconcarbonsäure-Indikator, • Pufferlösung, Ammoniumchlorid/Ammoniak-Lösung (pH = 10), • NaOH-Lösung c = 2 mol/L.

5. Durchführung • Als Modellwasser wird Leitungswasser, welches mit kohlensäurehaltigem Mineral-

wasser (Fa. MARGON) versetzt ist, verwendet, • Eine parallele Behandlung dieses calcitlösenden Wassers erfolgt in vier Rohrreak-

toren. Die Reaktoren sind mit Filtermaterialien der AKDOLIT GmbH gefüllt, welche vor allem in Wasseraufbereitungsanlagen bis 10.000 m3/d eingesetzt werden:

o Reaktor 1: HYDRO-CALCIT, ein kugelförmiges Material aus Calcium-

carbonat (CaCO3), o Reaktor 2: HYDRO-CARBONAT, ein mikrokristallines Filtermaterial aus

Calciumcarbonat (CaCO3), o Reaktor 3: AKDOLIT-GRAN, ein poröses, dolomitisches Filtermaterial

(CaCO3 / MgO), o Reaktor 4: MAGNO-DOL, ein splittriges, dolomitisches Filtermaterial

(CaCO3 / MgO).

• Jeweils ein Liter des Wassers wird zur Beschickung der vier Rohrreaktoren verwendet. Dabei muss vorher das Wasser im Rohrreaktor bis zur Oberkante der Füllung abgelassen werden. Die Reaktorfüllung muss ständig mit Wasser bedeckt sein. Der erste Teil des Ablaufs nach der Beschickung mit dem Modellwasser (Bettleervolumen = 300 mL) wird verworfen.

• Der Volumenstrom soll für die Reaktoren 1 - 4 etwa 40 mL/min betragen; dazu ist ein schnelles Tropfen einzustellen.

• Bestimmung folgender Parameter des unbehandelten sowie des behandelten Wassers: - Temperatur [Leitfähigkeitsmessgerät LF 323 (Fa. WTW)], - pH-Wert (Glaselektrode), - Leitfähigkeit κ [Leitfähigkeitsmessgerät LF 323 (Fa. WTW), - Gesamthärte (komplexometrische Maßanalyse), - Ca2+-Konzentration (komplexometrische Maßanalyse), - Mg2+-Konzentration (komplexometrische Maßanalyse), - Säurekapazität KS 4,3 (+m-Wert, Säure-Titration), - Basekapazität KB 8,2 (-p-Wert, Base-Titration),

Durchführung der Maßanalysen Bestimmung der Säurekapazität KS 4,3 (+m-Wert)

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100 mL Probe mit einem pH-Wert über 4,5 werden mit 3 Tropfen Methylorange-Lösung ver-setzt und mit einer 0,1 M HCl-Lösung bis zum Farbumschlag von gelb nach zwiebelgelb tit-riert. Bestimmung der Basekapazität KB 8,2 (-p-Wert) 100 mL Probe mit einem pH-Wert kleiner 8,2 werden mit 0,2 mL Phenolphthalein-Lösung versetzt und mit einer 0,1 M NaOH-Lösung titriert. Der Farbumschlag des Indikators erfolgt von farblos nach schwach violett Komplexometrische Bestimmung der Calciumionen-Konzentration 50 mL der Wasserprobe werden in einen 250 mL Erlenmeyerkolben pipettiert, mit 2 mL 2 M NaOH-Lsg. und etwa 0,2 g Calconcarbonsäure-Indikator (gehäufte Spatelspitze) versetzt und sofort mit der 0,01 M EDTA-Lösung titriert, wobei der Kolben ständig geschüttelt wird. Ge-gen Ende der Titration wird langsam titriert. Der Endpunkt ist erreicht, wenn die Farbe deutlich von rot nach blau umgeschlagen ist und sich die Farbe nicht mehr ändert. Komplexometrische Bestimmung der Magnesium- und Calciumionen-Konzentration Vortitration: 50 mL der Wasserprobe werden in einen 250 mL Erlenmeyerkolben pipettiert. Nach Zugabe von 4 mL Pufferlösung und 3 Tropfen Eriochromschwarz-Indikatorlösung soll die Lösung ei-ne weinrote bis violette Farbe und einen pH-Wert von 10,0 haben. Sie wird sofort mit der EDTA-Lösung unter dauerndem Schütteln titriert. Zu Beginn sollte ziemlich schnell, gegen Ende langsam titriert werden. Wenn die Farbe der Lösung beginnt, von rotviolett nach blau umzuschlagen, wird die EDTA-Lösung nur noch tropfenweise zugegeben. Der Äquivalenz-punkt ist erreicht, wenn der letzte rote Schimmer verschwunden ist. Werden bei der Titration mehr als 20 mL EDTA-Lösung verbraucht, wird die Untersuchung mit einem kleineren Volumen der Wasserprobe wiederholt, dabei wird die Probe mit Wasser auf 50 mL verdünnt. Werden bei der Titration weniger als 4,5 mL EDTA-Lösung verbraucht, muss einem größeren Volumen der Wasserprobe gearbeitet werden. Haupttitration: Eine zweite Probe desselben Wassers wird auf folgende Weise titriert: 50 mL werden in einen Erlenmeyerkolben pipettiert. Dazu werden etwa 0,5 mL weniger EDTA-Lösung zugegeben, als bei der Vortitration verbraucht wurden. Nach Zufügen von 4 mL Pufferlösung und 3 Tropfen Eriochromschwarz-Indikatorlösung wird die Wasserprobe tropfenweise mit EDTA-Lösung bis zum Endpunkt titriert. Wenn sich hierbei der Verbrauch an EDTA-Lösung um mehr als 0,2 mL von dem der Vorti-tration unterscheidet, muß eine dritte Probe in gleicher Weise untersucht werden. Der Gehalt an Mg2+-Ionen ergibt sich aus der Differenz der Stoffmengenkonzentration der Wasserprobe an Ca2+- und Mg2+-Ionen (2.) und der Stoffmengenkonzentration an Ca2+-Ionen.

6. Auswertung 1. Ermitteln Sie die in Tab. 2 entsprechend aufgeführten Werte! 2. Berechnen Sie den Sättigungsindex SI bzw. die Calcitlösekapazität D mit Hilfe der

Software Calcitkom! Geben Sie zur Berechnung eine Bezugstemperatur TB von 10 °C vor! 3. Auf welche Vorgänge in den Reaktoren sind die Parameteränderungen zurückzuführen? 4. Konnte eine Stabilisierung hinsichtlich des Rohwassers erzielt werden?

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5. Mit welchem Filtermaterial konnte unter den experimentellen Bedingungen das beste Er-gebnis erzielt werden?

6. Was sind Vor- und Nachteile der verwendeten Filtermaterialien? Tab. 2: Zusammenfassung der Analysenergebnisse

Parameter Rohwasser HYDRO-CALCIT

HYDRO-CARBONAT

AKDOLIT-GRAN

MAGNO-DOL

pH

Temperatur ϑ [°C]

Leitfähigkeit κ [μS/cm]

Säurekapazität KS 4,3 [mmol/L]

Basekapazität KB 8,2 [mmol/L]

Calcium-Konz. [mmol/L]

Magnesium-Konz. [mmol/L]

Gesamthärte [°d H]

Sättigungindex SI

7. Literatur

[1] Gimbel, R.; Jekel, M.; Ließfeld, R.: Wasseraufbereitung – Grundlagen und Verfahren, Oldenbourg Industrieverlag München-Wien, 2004, 671 – 761

[2] Nissing, W.: Stabilisierung: DVGW-Kurs 6 „Wasseraufbereitungstechnik für Ingenieure“, Bad Kissingen, 1996

[3] Worch, E.: Wasser und Wasserinhaltsstoffe. B.G.Teubner Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Leipzig, 1997, 73 – 80, 87 – 90, 96 – 98, 112 – 113

[4] Verordnung zur Novellierung der Trinkwasserverordnung (TrinkwV). Bundesgesetzblatt Jahrgang 2001, Teil I Nr. 24, 28.05.2001

[5] Hütter, L. A.: Wasser und Wasseruntersuchung, 4. Aufl., Salle & Sauerländer, Frankfurt/Main, Aarau, 1990, 294 – 299

[6] DVGW Entsäuerung von Wasser. DVGW-Schriftenreihe Nr. 69, 1991 [7] DVGW-Regelwerk Technische Regeln, Arbeitsblatt W 214 Teil 2: Entsäuerung von Wasser, Grundsätze

für Planung, Betrieb und Unterhaltung von Filteranlagen, 1992 [8] Wiegleb, K. Planungskriterien zur Enteisenung und Entsäuerung durch Filtration über halbgebrannte

Dolomite. Gas-Wasserfach, Wasser-Abwasser 142(6), 2001, 417-422. [9] Mutschmann, J.; Stimmelmayr, F.: Taschenbuch der Wasserversorgung. 14. Aufl., Friedr. Vieweg &

Sohn Verlag, Wiesbaden, 2007 [10] Johannsen, K., Nissing, W. Eine vereinfachte Methode zur Berechnung der Calcitlösekapazität. Gas-

Wasserfach, Wasser-Abwasser 142(9), 2001, 620-626

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